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Parabeln früher und heute

1.) Hast du den Durchblick?


Überprüfe, ob du die Besonderheiten von Parabeln verstanden hast,
indem du das folgende Video konzentriert ansiehst. Du solltest
danach erläutern können,
 was eine Parabel ausmacht, (https://www.wall-art.de/;
 was sie von einem Gleichnis abgrenzt, 10.02.2021)

 was der Unterschied zwischen Bild- und Sachebene ist,


 wie man vorgehen muss, um von der Bild- zur Sachebene zu gelangen.
Video: https://www.youtube.com/watch?v=QetTQykb-jM&feature=youtu.be

2.) Wähle eine der beiden Texte [A] oder [B] und bearbeite die zugehörigen Aufgaben.
Untersuche anschließend Text [C] und bearbeite die zugehörigen Aufgaben.

Text [A]: Mittlere Schwierigkeit


Titus Livius
Der Magen und seine Glieder (5. Jh. v. Chr.)

In jener Zeit, als im Menschen noch nicht wie jetzt alles in Einheit harmonisiert, sondern die
einzelnen Glieder ein jedes seine eigenen Vorstellungen, seine eigene Struktur gehabt habe, hätten
sich alle übrigen Teile entrüstet, dass durch ihre Fürsorge, ihre Arbeit und Dienstleistungen alles dem
Magen zuteilwerde, der Magen aber in ihrer Mitte behaglich nichts tue, als die gebotenen Genüsse
5 zu verzehren. Daraufhin hätten sie sich verschworen: Die Hand solle dem Mund keine Nahrung
zuführen, der Mund Gereichtes nicht annehmen, die Zähne Empfangenes nicht verarbeiten. Durch
dieses Wüten seien, während sie doch den Magen durch Hunger bezwingen wollten, die Glieder und
mit ihnen der ganze Körper selber schrecklich verfallen. Da habe sich gezeigt, dass sich der Magen
einen nicht geringen Dienst leiste und dass er Nahrung nicht so sehr nehme als gebe, indem er an alle
10 Teile des Körpers austeile, was uns Leben und Kraft gibt: das gleichmäßig auf die Adern verteilte, aus
der verdauten Nahrung zubereitete Blut.

[A] Aufgabe 1: Übertrage die Bildebene der Parabel auf die Sachebene: Wofür stehen Magen und
Glieder?

[A] Aufgabe 2: Lies die folgende Information zum historischen Hintergrund der Parabel. Erkläre vor
diesem Hintergrund, was der Text aussagen und bewirken sollte.

Titus Livius (ca. 59 v. Chr. – 17 n. Chr.) war ein römischer Geschichtsschreiber. Aus dem 5. Jh. v. Chr. berichtet er
über einen für den Staat bedrohlichen Konflikt zwischen der bäuerlichen Bevölkerung (Plebejern) und den
adligen Grundbesitzern (Patriziern). Die Patrizier hatten den Plebejern nicht das gegeben, was sie ihnen als Lohn
für ihren Dienst versprochen hatten. Nun weigern sich die Plebejer, weiterzukämpfen. In dieser Situation wird
der Patrizier Menenius Agrippa zu den Plebejern geschickt. In seiner Rede erzählt er unter anderem die Parabel
vom Magen und den Gliedern. Diese Parabel ist im Laufe der Jahrhunderte literarisch immer wieder neu
gestaltet und kommentiert worden. Als Beispiel für rhetorisch geschickte Manipulation zugunsten fragwürdiger
Herrschaftsverhältnisse wurde sie auch kritisiert.

[A] Aufgabe 3: Prüfe, inwiefern sich die Parabel auch auf aktuelle politische Verhältnisse (z.B. in
einem demokratischen Staat wie Deutschland oder auf die Europäische Union)
übertragen lässt.
Inwiefern kann die „Lehre“ der Parabel als politisch fragwürdige Botschaft gesehen
werden?
Text [B]: Erhöhte Schwierigkeit
Marie von Ebner-Eschenbach
Wertbestimmung (1892)

In einem mit Kreuzern gefüllten Sack geriet zufällig einmal ein


Dukaten. Nachdem er einige Zeit bei ihnen geweilt hatte, sagten sie:
„Wir müssen unserem Gastfreunde einen Rang anweisen, lasst uns
denn zuvor seinen Wert bestimmen.“
5 Die alten, die Patinierten1, traten zusammen, berieten lange und
brachten es endlich zu dem Vorschlage: „Der gelbe Bursche ist zwar schwächlich, doch beantragen
wir, ihn um seines hellen Klanges und seiner freien Legierung2 willen ebenso viel gelten lassen wie
unsereinen.“
„Von meinesgleichen werde ich höher gehalten“, wagte der Dukaten einzuwenden, und sogleich
10 brachen die neuen, blanken Kreuzer, die schon über den Vorschlag der Alten gemurrt hatten, in
einen Sturm des Unwillens aus. „Was geht uns an, wie deinesgleichen dich schätzen“, riefen sie.
„Im Kupferlande gilt das Gold ein für alle Mal – nichts.“
Das wurde zum Gesetz erhoben.

[B] Aufgabe 1: Der Text stammt aus einer älteren Zeit. Finde solche zeitbedingten Merkmale.
Schreibe anschließend eine aktuelle Version der Parabel, indem du den Bildbereich
des Textes und die Sprache auf die gegenwärtige Zeit umstellst.

[B] Aufgabe 2: Worauf zielt die Aussage der Parabel? Suche Beispiele aus dem Zusammenleben von
Menschen, an denen du deine Deutung deutlich machen kannst.

[B] Aufgabe 3: Prüfe anschließend, inwiefern sich mit deinen Deutungsansätzen auch Details der
Parabel „übersetzen“ lassen, zum Beispiel:
 Erst nachdem der Dukaten eine Weile im Land ist, wird sein Wert thematisiert.
 Die alten Kreuzer vertreten eine andere Ansicht als die jungen.
 Die Position der Jungen wird zum Gesetz erhoben.

Sobald du mit einem der Texte [A] oder [B] fertig bist, untersuche
anschließend Text [C] auf der Folgeseite und bearbeite die Aufgaben.

1
die Patina: durch Alterung auf Kupfermünzen entstandene grünliche Schicht (Edelrost)
2
die Legierung: metallischer Werkstoff
Text [C]: Für alle; Bearbeitung nach [A] bzw. [B]
Günter Kunert
Die Maschine (1972)

Erhaben und in einsamer Größe


reckte sie sich bis unters
Werkhallendach; schuf sogleich die
Vorstellung, Monument des Zeitalters
5 zu sein und diesem gleich:
stampfend, gefahrvolle, monoton
und reichlich übertrieben. Und vor
allem: Auch sie provozierte einzig
und allein durch gegensätzliche
10 Bewegung unterschiedlicher Kräfte, durch einen gezähmten Antagonismus3 all ihrer Teile.
Aber in diesem wundervollen System blitzender Räder, blinkender Kolben, sich hebender und sich
senkender Wellen war ein unansehnliches Teil, das wie von Schimmel überzogen schien und das sich
plump und arrhythmisch4 regte. Ein hässlicher Zusatz an der schönen Kraft. Ein Rest von Mattigkeit
inmitten der Dynamik.
15 Als um die Mittagszeit ein Pfiff ertönte, löste sich dieses Teil von der Maschine und verließ die Halle,
während die Maschine hilflos stehen blieb, zwiefach: in sich und am Ort. Plötzlich erwies sich, das
billigste Teil und das am schlimmsten vernachlässigte war das teuerste und nur scheinbar ersetzlich.
Wo es kaputtgeht, wird es nicht lange dauern, bis über den Beton Gras gewachsen ist.

[C] Aufgabe 1: „Ein kleines Rädchen im Getriebe sein“: Veranschauliche die Bedeutung dieser
Redewendung anhand von Beispielen aus Alltag und Gesellschaft.

Beziehe die Redewendung anschließend auf die Parabel von Kunert. Mache dabei
deutlich, inwiefern Kunerts Text mehr oder anderes besagt als die Redewendung

[C] Aufgabe 2: Inwiefern lassen sich die Parabeln von Titus Livius (Text [A]) oder Ebner-Eschenbach
(Text [B]) mit der von Kunert (Text [C]) vergleichen? Nutze einen solchen Vergleich,
um die Aussage von Kunerts Text zu verdeutlichen.

Tipps: Siehe unten!

[C] Aufgabe 3: Formuliere eine Lehre oder einen Appell, die bzw. der am Ende von Kunerts Parabel
stehen könnte.

Bis gleich!

 Wovon ist der Wert jeweils abhängig?


 Inwiefern wird der Wert des Einzelnen in einer Gemeinschaft jeweils thematisiert?
Tipps:

3
der Antagonismus: Gegensatz, Widerstreit
4
arrhythmisch: nicht rhythmisch

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