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Fokus · Pharmakotherapie

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Veränderungen der Arzneimittelwirkung durch Nahrungseinflüsse

Wechselwirkung zwischen
Ernährung und Medikamenten
Pharmakologisches Grundwissen hilft in der Diättherapie, die veränderte Arzneiwirkung einschätzen zu kön-
nen und mögliche Gefahren abzuwenden. Patienten in der Diättherapie und Ernährungsberatung sind oft mul-
timorbid und nehmen viele Medikamente ein. Die Arzneimittelwirkung kann durch die Nahrung stark verän-
dert werden. Das Ausmaß reicht von gefährlichen Wirkungsverstärkungen bis zum völligen Wirkungsverlust.
Umgekehrt kann die Medikation den Ernährungsstatus beeinflussen oder zu unerwünschten Gewichtsverän-
derungen führen.

F
ür alle, die in der Diätthera- auf die Aspekte der Veränderungen teln und Nahrung gilt es zunächst
pie tätig sind, ist es sinnvoll, der Arzneimittelwirkung, die durch einmal, sich mit den Interakti-
sich mit den Grundlagen der Nahrungseinflüsse verursacht sind. onsmöglichkeiten und damit den
Metabolisierung von Arzneimitteln Veränderungen der Nahrungsver- Grundlagen der Aufnahme, Meta-
vertraut zu machen. In der diätthe- wertung durch Arzneimittel, deren bolisierung und Ausscheidung von
rapeutischen Beratung gilt es, einen Einfluss auf Appetit, Geschmack und Arzneistoffen zu beschäftigen. Bei
Überblick über die Medikation des Verdauung, die Nährstoffresorption einer medikamentösen Therapie ist
Patienten zu erhalten, um eventuelle und Einfluss auf den Stoffwechsel eine Wirkung des Arzneimittels be-
Wechselwirkungen mit der Nahrung bleiben hier unberücksichtigt. absichtigt und erwünscht. Welche
in Betracht ziehen zu können. Die- Bei der Frage nach möglichen Wech- Menge eines Arzneistoffs bei einer
ser Fokus-Beitrag konzentriert sich selwirkungen zwischen Arzneimit- üblichen Dosierung in wirksamer

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Form im Blut bzw. in Organen oder Mischung von Selbstmedikation der Wirkung von Psychopharmaka
Geweben vorliegt, ist zum einen von und die Verschreibungen verschie- durch Alkohol.
individuellen physiologischen Fak- dener Ärzte fehlt hier oft der Über-
toren abhängig, kann aber auch von blick. Ein weiteres Risiko besteht Pharmakokinetische
gleichzeitig eingenommenen Medi- in den veränderten Wirkungen, die Interaktionen
kamenten und der Nahrung beein- z. B. durch eine langsamere Aus- Nahrung und Nahrungsbestand-
flusst werden. scheidung der Arzneimittel im ho- teile können sich vor allem auf die
hen Alter verursacht werden. Pharmakokinetik von Arzneistof-
Arzneimittelinteraktion fen auswirken, d.h. darauf, wie der
– Definition Das Umfeld der Körper das Arzneimittel aufnimmt,
Die Arzneimittelinteraktion ist als Wechselwirkungen es verteilt, es umformt und wieder
„gegenseitige Beeinflussung durch Bei auftretenden Symptomen kom- ausscheidet. Bei pharmakokineti-
Wirkstoffe bei gleichzeitiger Einnah- men neben möglichen Wechselwir- schen Wechselwirkungen kommt es
me mehrere Arzneimittel“ definiert. kungen auch alternative Erklärun- zu einer Verstärkung oder Abschwä-
Eine unerwünschte Beeinflussung gen in Frage. chung von Arzneimittelwirkungen
der Wirkung eines Arzneimittels, Gründe für unerwünschte Arznei- durch die Änderung von Plasma-
bezogen auf die Wirkstärke, Wirk- wirkung (UAW) oder Wirkungsver- spiegeln.
dauer oder Nebenwirkungsrate, lust: Pharmakokinetische Interaktionen:
kann durch andere Arzneistoffe, ▶ Non-Compliance (zu viel, zu we- ▶ Verzögerung der Resorption
aber auch durch Nahrungsergän- nig, gar nicht) ▶ Einfluss auf galenische Effekte
zungsmittel oder Nahrung bzw. ▶ Ende der Non-Compliance (z. B. (z. B. verlangsamte Freisetzung
Nahrungsbestandteile verursacht im Pflegeheim) oder Magensaftresistenz)
werden. Während Wechselwirkun- ▶ Individuell unterschiedliche Ver- ▶ Verminderung/Erhöhung der Bio-
gen zwischen verschiedenen Arznei- träglichkeit: verfügbarkeit
mitteln recht gut dokumentiert sind, ▶ Altersbedingt
gibt es zu Interaktionen zwischen ▶ Krankheitsbedingt (z. B. Nieren- Resorption
Arzneimitteln und Nahrung deut- schwäche) Die Resorption eines Arzneistoffs
lich weniger Studien, bzw. werden ▶ Genetisch bedingt (z. B. Fehlen be- hängt von etlichen Faktoren ab, auch
die Interaktionen mit Nahrungsbe- stimmter Enzyme) von der Art der Einnahme. Dabei
standteilen von vielen Datenbanken ▶ Interaktion Arzneimittel mit Arz- spielt auch eine Rolle, ob das Medi-
nicht erfasst. neimittel kament mit und ohne Nahrung, mit
Sowohl für die Wechselwirkungen ▶ Interaktion Arzneimittel mit Nah- welcher Art und Menge von Flüssig-
von Arzneimitteln untereinander rung oder nicht angegebenen keit eingenommen wurde. Nahrung
als auch von Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln kann zum einen die Auflösung von
Nahrung gilt: Sie werden meist nur ▶ Veränderte Pharmakokinetik, un- Tabletten etc. und damit auch die
bei einer geringen therapeutischen terbliebene Dosisanpassung Geschwindigkeit und Höhe der Re-
Breite klinisch relevant, d.h. wenn ▶ Überdosierung (Doppelverord- sorption beeinflussen. Gleichzeitig
bei einem Arzneistoff der wirksame nung, etc.) können bestimmte Nährstoffe mit
und der toxische Konzentrationsbe- ▶ Pharmakokinetische Variabilität Arzneistoffen Komplexe bilden und
reich nicht weit auseinander liegen. (nur bei Neueinstellung) so die Resorption beeinflussen.
Dies ist beispielsweise bei Choleste- Auch wenn der Dünndarm den Ort
rinsenkern, Antidiabetika oder Im- Veränderung der Arzneimit- der Resorption darstellt, bestimmt
munsuppressiva der Fall. telwirkung durch Nahrung der Magen über den Zeitpunkt und
Besonders ältere Menschen sind ei- die Menge an Stoffen, die in den
nem erhöhten Risiko für Wechsel- Pharmakodynamische Dünndarm gelangen. Der Grad der
wirkungen zwischen verschiedenen Interaktionen Magenfüllung und die Art der Nah-
Arzneimitteln, aber auch zwischen Pharmakodynamische Interaktio- rungszusammensetzung haben ei-
Arzneimitteln und der Nahrung nen zwischen Nahrungsbestandtei- nen Einfluss auf die Löslichkeit des
ausgesetzt. Sie bekommen deutlich len und Arzneimitteln sind durch Arzneimittels, seine Verweildauer
mehr Medikamente verordnet als Wirkungsveränderungen ohne im Magen und damit auf den Wei-
jüngere und nehmen viele verschie- Änderungen der Plasmaspiegel tertransport in den Dünndarm. Die
dene Arzneimittel gegen mehrere definiert. Ein Beispiel für Pharma- Verweildauer im Magen wirkt sich
Krankheiten. Bedingt durch eine kodynamik ist eine Verstärkung also auch auf die Bioverfügbarkeit

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mancher Arzneistoffe aus. So kann ein voller Magen den ▶ Die ganze Arzneiform ist außen mit einem magen-
Vorteil einer besseren Verträglichkeit zur Folge haben, saftresistenten Film überzogen und behält deshalb
aber auch den gewünschten Wirkungseintritt (z. B. An- im Magen die Form bei (monolitihische Arzneiform).
algetika/Schmerzmittel) deutlich verzögern. Nach der Nahrungsaufnahme verbleiben sie oft für
Besonders bei oralen Antidiabetika wie Glibenclamid Stunden im Magen, da die Peristaltik im Füllungszu-
gilt es, den Einnahme-Ess-Abstand (EEA) zu beachten. stand für den Transport größerer Partikel nicht aus-
Dabei muss eine eventuell verzögerte Magenentleerung, reicht. Bei einem leeren Magen kommt es zu starken
beispielsweise im Alter, durch Anticholinergika (z. B. An- Kontraktionen (Putzwellen oder Housekeeper-Waves),
tidepressiva oder Urologika) oder Opioide ebenso in Be- mit denen auch größere Partikel in den Dünndarm
tracht gezogen werden wie der Umstand, dass bei Diabe- gelangen. Häufige, auch kleinere Mahlzeiten, verhin-
tikern häufig eine verzögerte Magenentleerung vorliegt. dern die Housekeeper-Waves, so dass magensaftresis-
tente Tabletten häufig erst nachts, d.h. in großem zeit-
Galenische Effekte lichen Abstand zur Einnahme den Magen verlassen.
Unter Galenik wird die pharmazeutische Technologie Werden magensaftresistente Monolithen (Beispiel:
verstanden, mit deren Hilfe aus einem Arzneistoff ein Aspirin protect, Gelomyrtol) zu den Mahlzeiten ge-
anwendbares, stabiles und zum richtigen Zeitpunkt geben, sind viele Stunden keine Wirkstoffspiegel im
wirksames Arzneimittel gemacht wird. Blut messbar. Magensaftresistente monolithische Arz-
▶ Eine Retardierung durch eine Verpressung des Wirk- neiformen sollten daher grundsätzlich auf nüchternen
stoffs mit einer Matrix bewirkt eine verzögerte Freiset- Magen eingenommen werden.
zung, meist über 12 oder 24 Stunden.
▶ Magensaftresistenz wird mit einem Überzug erreicht,
der sich erst bei einem höheren pH-Wert auflöst und
den meist nicht säurestabilen Wirkstoff damit erst im
Duodenum freisetzt. Unterscheiden lassen sich zwei
Typen magensaftresistenter Arzneiformen:
▶ Magensaftresistente Wirkstoffpellets, die mit einer
Hülle (meist Kapseln) versehen werden. Diese löst
sich im Magen auf, die Wirkstoffpellets können, so-
fern sie kleiner als ca. 2 mm sind, den Magen zusam-
men mit dem Mageninhalt verlassen.

(Putzwellen)

Eine magensaftresistente Hülle wird oft als Schutz der


Magenschleimhaut vor aggressiven Arzneistoffen ge-
wählt. Zu diesen gehören nichtsteroidale Antiphlogisti-
ca, insbesondere Diclofenac, oder Eisensalze. Auch eine
vorzeitige Inaktivierung von Arzneistoffen durch die
Magensäure wird durch den Überzug verhindert. Das
gilt z. B. für Pankreasenzyme oder Protonenpumpen-
inhibitoren (z. B. Omeprazol). Da jedoch einige Subs-
tanzen in mehreren Arzneiformen (zum Auflösen, als
Pellets-Kapseln oder in Retardform) angeboten werden,
sollte immer die Einnahmeempfehlung des Herstellers
beachtet werden.

Verminderung der Bioverfügbarkeit


Unter Bioverfügbarkeit eines Arzneistoffs versteht man
die Menge, die den Wirkort erreicht. Während ein Arz-
neimittel bei intravenöser Gabe zu 100 % verfügbar ist,
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sind oral verabreichte Arzneimittel einer Verstoffwechs-


lung in Darmschleimhaut und Leber unterworfen, bevor

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sie ihren Rezeptor erreichen. Als Maß für die Bioverfüg- Die Bioverfügbarkeit vieler Antibiotika wird durch Nah-
barkeit gilt die Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kur- rung reduziert, unter Umständen gilt dies jedoch nicht
ve (AUC = area under the curve). Weitere pharmakokine- für alle Wirkstoffe einer Gruppe gleichermaßen. So gibt
tische Parameter sind die maximale Konzentration (Cmax) es in der Gruppe der Tetracycline hydrophile und lipo-
im Plasma sowie die Zeit, nach der diese Konzentration phile Stoffe. Die Bioverfügbarkeit von Tetracyclin und
auftritt (tmax). Oxytetracyclin wird durch Nahrung, etwa Milch und
p g g g
Milchprodukte über eine Komplexbildung mit Calcium
(und Magnesium) klinisch hochrelevant reduziert, wäh-
Definitionen: tmax , cmax und AUC rend dies für Doxycyclin und Minocyclin nicht in diesem
Voller Magen als Retardierungsmoment: Grundsätzliches Schema Ausmaß der Fall ist. Die Komplexbildung mit Gerbstof-
tmax steigt Die Wirkung tritt später ein. fen, beispielsweise aus Schwarztee, kann bei einigen
cmax sinkt Die Wirkung ist schwächer, hält aber länger an. Antidepressiva, Neuroleptika und auch für Eisenpräpa-
Die Gesamt­AUC ist nicht signifikant verändert. rate eine erhebliche Rolle spielen und deren Bioverfüg-
barkeit deutlich senken.
c t max t max c max

nüchtern Einnahmeempfehlungen für bestimmte


Arzneistoffklassen
c max
mit Nahrung Analgetika (akut) nüchtern
Hypnotika nüchtern (i.d.R. zur Nacht, cave „Hangover“)
(c) M. Zieglmeier 2013
t
Bisphosphonate nüchtern, 1 – 2 h vor dem Frühstück (Ca!)
Levodopa, Thyroxin 30 min vor dem Frühstück
CSE-Hemmer abends, unabhängig v.d.M.
Abhängig vom Füllzustand des Magens kann sich die ACE-Hemmer, Sartane unabhängig v.d.M.
Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen verändern (s. gale- Dihydropyridine unret. Unabhängig v.d.M., Nicardipin nüchtern,
nische Effekte). Eine Rolle spielt ebenso die gleichzeitig Lercanidipin > 15 min vor d.M.
PPI nüchtern, ca. 30 min vor d.M.
aufgenommene Art und Menge von Flüssigkeit. Flüssig-
Antidepressiva, tcA oft abends vor dem Schlafen, möglichst auf
keiten verlassen den Magen schnell. Größere Mengen
Neuroleptika nüchternen Magen
stimulieren zudem die Entleerung. Gleichzeitig verbes-
sern sie die Löslichkeit vieler Arzneistoffe, so dass eine
Einnahme auf nüchternen Magen mit ausreichender
Menge Wasser bei vielen Wirkstoffen zu einer schnelle-
ren Resorption führt. Nicht nur die Menge der Nahrung, Unerwünschte Steigerung der
sondern auch ihre Zusammensetzung hat einen Ein- Bioverfügbarkeit durch Nahrung
fluss auf die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen, wenn
es zu einer Reaktion zwischen Wirkstoff und Nahrungs- Exkurs: Metabolisierung und First-Pass Effekt
bestandteilen kommt. Eine deutliche Verringerung der Die meisten Medikamente werden peroral, in unter-
Bioverfügbarkeit durch Nahrung ist bei Medikamenten schiedlichen galenischen Zubereitungen, in Form von
gegen Morbus Parkinson (Levodopa) sowie Schilddrü- Tabletten, Kapseln, Dragees, Tropfen etc., eingenom-
senhormonen festzustellen. men. Die in ihnen enthaltenen Wirkstoffe müssen im
Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung spielt die Kom- Gastrointestinaltrakt freigesetzt werden und für die
plexbildung von Arzneistoffen mit Calcium und teilweise Absorption in löslicher Form vorliegen. Nachdem sie
auch Magnesium, die zu einer deutlichen Verminderung von den Darmzellen resorbiert wurden, gelangen die
der Bioverfügbarkeit bis hin zum völligen Wirkverlust Arzneistoffe über die Pfortader zunächst in die Leber,
führen können. Das gilt insbesondere für Bisphospho- bevor sie nach der Leberpassage mit dem Blutstrom im
nate, die zur Osteoporosebehandlung eingesetzt wer- weiteren Körper verteilt werden und so ihre Wirkorte
den. Die gleichzeitige oder auch nur kurzzeitig versetzte erreichen. In den Zellen des Darmes und der Leber un-
Aufnahme von Nahrung sowie die Chelatbildung mit terliegen diese Stoffe biochemischen Reaktionen, bei
Calcium oder Eisen kann die Bioverfügbarkeit bis zum denen sie durch Enzyme sowohl gespalten als auch mit
Therapieversagen reduzieren. Als „Einnahmeritual“ für bestimmten chemischen Gruppen versehen werden
Bisphosponate, die heute meist nur einmal wöchentlich können. Ziel dieser Metabolisierung ist es, die Arz-
eingenommen werden müssen, gilt: Ein bis zwei Stun- neistoffe, die für den Körper Fremdstoffe sind, zu in-
den vor dem Frühstück mit calciumarmem Wasser auf aktivieren und ihre Wasserlöslichkeit (Hydrophilie) zu
nüchternen Magen einnehmen. Auch Kaffee allein kann erhöhen, um ihre Ausscheidung zu verbessern und zu
die Bioverfügbarkeit von Bisphosphaten senken. beschleunigen.

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Der First-Pass-Effekt beschreibt die Umwandlung ei- Die einzelnen Enzyme sind nicht sehr speziell, sondern
nes Arzneistoffes während dessen erster Passage (engl. setzen eine Vielzahl von Substraten um. Sie können
first pass) durch die Leber. Durch die dabei stattfinden- auch durch unterschiedliche Substrate induziert bzw.
de biochemische Umwandlung (Metabolisierung) kann gehemmt werden.
ein wirksamer oder unwirksamer Metabolit entstehen. Substanzen, die die Aktivität einzelner CYP-Enzyme
Bei Arzneistoffen mit einem ausgeprägten First-Pass- beeinflussen, wirken sich auf die Bioverfügbarkeit von
Effekt sinkt ihre Bioverfügbarkeit und damit meist ihre Arzneistoffen aus, die durch diese Enzyme umgesetzt
Wirkung, da durch die Metabolisierung und Ausschei- werden. Eine Verringerung der Abbaurate führt oft zu
dung ein großer Teil des aufgenommenen Wirkstoffes einer deutlichen Erhöhung der Bioverfügbarkeit und
den Wirkort nicht erreicht. Bei oral verabreichten Arz- damit unter Umständen zum Auftreten unerwünschter
neistoffen wird der First-Pass-Effekt bei der Dosierung Nebenwirkungen.
berücksichtigt. Um die gewünschte Wirkung am Wirk-
ort zu erzielen, ist die Dosierung auf die zu erwartende Vorsicht bei Grapefruitsaft
Bioverfügbarkeit abgestimmt. Grapefruitsaft bzw. Grapefruits hemmen die Aktivität
des CPY3A4. Dieser Effekt wurde durch Zufall bei einem
Die Hauptakteure des First-Pass Effekts Probandenversuch mit einem Calciumantagonisten ent-
Die Ausscheidung von Arzneimitteln über die Niere deckt. Dabei steigerte die Einnahme mit Grapefruitsaft
und Leber erfolgt mit Hilfe des großen Enzymkomple- die Bioverfügbarkeit (AUC) im Vergleich zur Einnahme
xes Cytochrom P450 (CYP450). Dieser Enzymkomplex mit Wasser um 176 %, und die maximale Konzentration
verfügt für seine komplexen Funktionen über zahlreiche (Cmax) auf 370 %.
Unterformen. So werden beispielsweise über eine der Der die Cytochrome blockierende Effekt ist schon bei
Unterformen, das CYP3A4 rund 60 % aller Arzneistoffe geringen Mengen (ca. 200 ml) Saft und bei einmaligem
ausgeschieden, über die Unterform CYP2D6 etwa 30 %. Verzehr von Grapefruits nachweisbar und ca. drei Tage

Gefahr bei Kombination mit Grapefruitsaft

Benzodiazepine: Diazepam, Midazolam, Triazolam: Ge- rhythmusstörungen durch


fahr v. a. bei Teilnahme am Straßenverkehr und in Ver- Verlängerung des QT-Inter-

Ideenreich
bindung mit Alkohol. Midazolam ist mit einem erhöhten valls im EKG
Risiko von Atemdepressionen assoziiert und wird daher

Kaisers
eher im Klinikbereich (Prämedikation) angewendet. Lifestyle-Drugs: Sildenafil,
Tadalafil, Vardenafil: Gefahr

age:
Calciumantagonisten (Blutdrucksenker): alle, incl. Diltia- von Schocks durch Gefäßer-

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zem und Verapamil / Gallopamil: Gefahr orthostatischer weiterungen
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Kreislaufregulationsstörungen (Sturzrisiko)
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HIV-Virostatika: Gefahr der Ver- am
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CSE-Hemmer (Statine): Simvastatin, Lovastatin, Atorvas- stärkung verschiedener Nebenwir-
tatin: Gefahr der Rhabdomyolyse (Muskelauflösung) mit kungen (z. B. Kopfschmerzen, Übelkeit,
anschließendem Nierenversagen Erbrechen, Diarrhoe, Laktatazidose, Knochenmarkschä-
digung, periphere Neuropathien, Pankreatitis, Lipiddys-
Immunsuppressiva: Cyclosporin A, Tacrolimus, Siroli- trophie) und damit Gefährdung der Patientencompli-
mus: Gefahr der Nierenschädigung durch erhöhte Spie- ance. Cave: Viele HIV-Virostatika sind selbst potente CYP
gel (Plasmaspiegelkontrollen!) 3A4-Inhibitoren!

Antikonvulsiva: Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbi- Antihistaminika: alle, insbesondere Terfenadin: Gefahr


tal u.a.: Gefahr verstärkter Sedierung, bei Carbamazepin verstärkter Sedierung (Straßenverkehr!), bei älteren Sub-
Hyponatriämien, z.T. mit Delir stanzen Arrhythmierisiko

Psychopharmaka: Pimozid, Quetiapin, Ziprasidon, Zytostatika (orale): Etoposid, Cyclophosphamid: Gefahr


Buspiron: Gefahr verstärkter Sedierung und von Herz- erhöhter Toxizität, v. a. Knochenmarksschädigung

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Wirkstoffkonzentration zu unerwünschten oder gar ge-


fährlichen Nebenwirkungen führen.

Ulrike Grohmann

Der Beitrag beruht auf Informationen aus dem Besuch des


zweitägigen Seminars „Wechselwirkungen zwischen Ernäh-
rung und Medikamenten“, das der Veranstalter „freiraum
Fachseminare“ innerhalb seines Seminarprogramms für Er-
nährungsprofis anbietet. Der Referent ist Dr. rer. biol. hum.
Markus Zieglmeier, Fachapotheker für Klinische Pharmazie
mit der Zusatzbezeichnung Ernährungsberatung und Geri-
atrische Pharmazie.

Alle Grafiken und Tabellen im Text:


lang, etwa über die Lebensdauer der Darmzellen, anhal- Dr. Markus Zieglmeier
tend. Erst mit der Regeneration neuer Schleimhautzel-
len sind wieder aktive Enzyme nachweisbar. Die Effekte
von Grapefruit sind besonders tückisch und lassen sich
nicht damit umgehen, Medikamente und Fruchtsaft zu
verschiedenen Tageszeiten zu verabreichen. Von der
Hemmung der Cytochrome CYP 3A4 sind neben Calci-
um-Kanal-Antagonisten (Blutdrucksenker) und Statinen
(Cholesterinsenker) eine ganze Reihe von Arzneistoffen
betroffen (s. Kasten, links).

Derzeit stehen weitere Früchte unter dem Verdacht, ähn-


liche unerwünschte Wirkungen zu erzeugen. So enthal-
ten sowohl die Seville Orange als auch Pomelos Piperin,
dessen Wirkung analog den Inhaltsstoffen der Grape-
fruit sein könnte. Da diese Früchte derzeit keine indus-
trielle Verarbeitung erfahren, gibt es keine Fallberichte.
Da Präparate aus Seville Orangen zur Gewichtsabnah-
me beworben werden, sollte die Entwicklung beobachtet
werden. Auch der Granatapfel, der wegen seiner angeb-
lich hemmenden Wirkung auf das Wachstum von Tu-

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morzellen (u. a. Prostata) in der Werbung empfohlen
wird, steht im Verdacht, analog zur Grapefruit zu wirken
– allerdings geringer ausgeprägt. Auch die Wirkung von
Cranberry und Goji-Beeren ist noch wenig erforscht, es
besteht jedoch der Verdacht auf Inhibition am CYP 2C9.
Daher sollte bei Einnahme der in der Übersicht ge-
nannten Arzneistoffe in jedem Fall vollständig auf den
Genuss von Grapefruit und Grapefruitsaft verzichtet
werden. Auch bei anderen Wirkstoffen sollte Vorsicht
geboten sein. Definition/Glossar

Bioverfügbarkeit: Menge des Arzneistoffs, der über die Zeit am Re-


›FAZIT‹ zeptor zur Verfügung steht, repräsentiert durch die Fläche unter der
Nahrung oder einzelne Nahrungsbestandteile können Kurve (AUC = Area under the curve).
die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen auf unterschied- Pharmakokinetik: Absorption, Verteilung, Stoffwechsel und Ausschei-
liche Weise beeinflussen und so deren Wirkung vermin- dung von Arzneistoffen.
dern, hemmen oder auch verstärken. Kritisch wird dies Pharmakodynamik: Wirkung von Arzneistoffen.
bei Medikamenten mit einer geringen therapeutischen First-Pass-Effekt: Umwandlung eines Arzneistoffes während dessen
Breite – hier können bereits geringe Erhöhungen der erster Passage durch die Leber.

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