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Die feindseligen Brüder

aus Friedrich Schiller’s


«Die Räuber»
CHARAKTERISIERUNG & GEMEINSAMKEITEN UND
UNTERSCHIEDE VON FRANZ UND KARL VON MOOR

Ein Paper von Azra Gülle


26.09.2022 | KANTONSSCHULE USTER
Inhaltsverzeichnis

I. EINLEITUNG ................................................................................................................................................. 2

II. HAUPTTEIL .................................................................................................................................................. 3

1. CHARAKTERISIERUNG VON FRANZ VON MOOR ..................................................................................................... 3

2. CHARAKTERISIERUNG VON KARL VON MOOR ....................................................................................................... 3

3. GEMEINSAMKEITEN ZWISCHEN FRANZ UND KARL VON MOOR ................................................................................. 4

4. UNTERSCHIEDE ZWISCHEN FRANZ UND KARL VON MOOR ....................................................................................... 6

5. BEZIEHUNG ZWISCHEN FRANZ UND KARL VON MOOR............................................................................................ 8

III. SCHLUSSTEIL ............................................................................................................................................ 10

1. ZUSAMMENHANG DER FRAGESTELLUNG UND DER ERGEBNISSE MIT DER INTENTION VON FRIEDRICH SCHILLER ................ 10

2. PERSÖNLICHES URTEIL ÜBER FRANZ UND KARL VON MOOR .................................................................................. 10

IV. LITERATURVERZEICHNIS........................................................................................................................... 12

1. PRIMÄRLITERATUR ....................................................................................................................................... 12

2. SEKUNDÄRLITERATUR .................................................................................................................................... 12

3. NACHSCHLAGEWERKE ................................................................................................................................... 12

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I. Einleitung
Friedrich Schiller’s (1759-1805) «Die Räuber» ist ein Drama und wurde im Jahr 1781
zunächst anonym veröffentlicht und anschliessend am 13. Januar 1782 in Mannheim,
Deutschland zum ersten Mal aufgeführt (Wikipedia-Autoren, 2004). Die Entstehungszeit des
Schauspiels ist von der Epoche des Sturm und Drang geprägt. Sie befindet sich genauer
gesagt im Schnittfeld von Aufklärung, Empfindsamkeit und Sturm und Drang, da die
literarischen Epochen ineinander überfliessen (Reiner Poppe, 2012, S.8). Das in fünf Akte
gegliederte Drama handelt von der Rivalität zwischen zwei Brüdern Karl und Franz von Moor,
die beiden Söhne eines Grafen. Der zweitgeborene, hässliche Sohn Franz Moor, der sich sein
ganzes Leben lang ungeliebt gefühlt hat, intrigiert gegen seinen Vater und den von ihm
bevorzugten, intelligenten Sohn Karl Moor. Der Familienkonflikt entfaltet sich im Laufe des
Dramas in einen gesellschaftlichen Konflikt. «Die Räuber» ist ein Jugendwerk und das erste
Drama von Friedrich Schiller, den er veröffentlicht hat (Friedrich Schiller & Maria-Felicitas
Herforth, 2014, S.6). Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den zwei wichtigsten Figuren
des Buches, Franz und Karl von Moor, und geht der Frage nach, welche Gemeinsamkeiten
und Unterschiede es zwischen den beiden Brüdern gibt. Im Hauptteil der Arbeit werden die
beiden Figuren als erstes einzeln kurz beschrieben und charakterisiert. Danach findet die
eigentliche Analyse des Werkes unter dem Fokus der Fragestellung mit Hilfe relevanter
Textstellen statt. Es werden Parallele und Ungleichheiten zwischen Franz und Karl von Moor
aufgezeigt und deren Beziehung wird genauer untersucht und interpretiert. Im Anschluss an
die Analyse und Interpretation wird im Schlussteil der Arbeit der Zusammenhang der
Ergebnisse mit der Intention des Autors diskutiert. Ein persönliches Urteil über die Figuren
von Franz und Karl von Moor beschliesst die Arbeit.

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II. Hauptteil

1. Charakterisierung von Franz von Moor

Franz von Moor lebt im Moorschen Schloss und ist der zweitgeborene und der von Natur aus
benachteiligte Sohn des Grafen Maximilian von Moor und hat daher keinen Anspruch auf
dessen Vermögen, weshalb er sich in einer Rivalität mit seinem Bruder befindet. Der Text
beschreibt sein Aussehen als eine «Bürde von Hässlichkeit» mit seiner «Lappländers Nase»,
«Mohrenmaul» und «Hottentotten Augen» (Friedrich Schiller, 2020, S.23, Z.30-35). Mit
dieser Beschreibung verstärkt der Autor Franz Moors Figur als Bösewicht des Dramas. Franz
intrigiert nämlich gegen seinen Vater und seinen Bruder Karl, da er sich unfair behandelt
fühlt und unter ein ausgeprägtes Gefühl der Minderwertigkeit leidet (Friedrich Schiller &
Maria-Felicitas Herforth, 2014, S.61). Aufgrund dieser Benachteiligungen, die er erlebt hat,
nutzt er sein Wissen und seine Begabungen aus, um sich zu rächen. Er ist machtgierig und
gewalttätig: «Ich will alles um mich her ausrotten, was mich einschränkt daß ich nicht Herr
bin.» (Friedrich Schiller, 2020, S.26, Z.15-17) Schon in der ersten Szene werden Franzens
Hauptmotive und Ziele klar: Die enge Beziehung zwischen dem alten Moor und dessen
Lieblingssohn zerstören, die Geliebte von Karl auf seine Seite ziehen und Herr im Schloss
Moor werden.

2. Charakterisierung von Karl von Moor

Als der Erstgeborene und Lieblingssohn des Grafen Maximilian von Moor wird Karl von Moor
gegenüber seinem jüngeren Bruder bevorzugt (Vaterliebe, Vermögen). Was Karls Aussehen
anbelangt, wird im Text nicht besonders erwähnt. Es kann lediglich angenommen werden,
dass er attraktiver und beliebter ist als Franz, da er mehr Menschen in seinem Umfeld hat.
Das sieht man beispielsweise in der zweiten Szene des ersten Aktes, als Karl sich mit den
Leuten in der Schenke unterhaltet (Friedrich Schiller, 2020, S.26ff.). Individuelle Freiheit
scheint für Karl sehr wichtig zu sein, da er eine Zeit lang in Leipzig studierte und Schulden
machte (Friedrich Schiller, 2020, S.36, Z.28-29), während er dort ein freies Leben als Student
führte. Mit folgendem Zitat legt er seine Bestrebung nach Freiheit dar: «Das Gesetz hat noch
keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brütet Kolosse und Extremitäten aus.»
(Friedrich Schiller, 2020, S.28, Z.22-24). Durch die Intrigen von Franz wendet sich jedoch sein
Vater von Karl ab, was ihn zum Wahnsinn treibt. Der erste und positive Eindruck, den man

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von Karl hat im Gegensatz zum Charakter von Franz, beginnt sich von diesem Moment an zu
verändern, denn sein Verhalten ändert sich. Er ist enttäuscht und fühlt sich von seinem Vater
verraten, was dazu führt, dass er sich rächen will und der Anführer einer Räuberbande wird:
«Ich möchte ein Bär sein, und die Bären des Nordlands wider dies mörderische Geschlecht
anhetzen – Reue, und keine Gnade!» (Friedrich Schiller, 2020, S.41, Z.20-23). Er beginnt
arrogant und erbarmungslos zu handeln aber nicht aus Gier für Geld, sondern wegen seiner
Einstellung gegenüber der Gesellschaft (Friedrich Schiller, 2020, S.73, Z.30-35). Er
interpretiert nämlich seine persönliche Ungerechtigkeit als soziale Ungerechtigkeit und
kämpft gegen die absolutistische Gesellschaft (Friedrich Schiller & Maria-Felicitas Herforth,
2014, S.68).

3. Gemeinsamkeiten zwischen Franz und Karl von Moor

Während dem Lesen des Stückes bemerkt man einige Ähnlichkeiten und Parallele zwischen
den zwei Brüdern Franz und Karl von Moor. Zunächst einmal ist es davon auszugehen, dass
die beiden im gleichen Hause und im Umfeld der gleichen Menschen aufgewachsen sind.
Offensichtlich handelt es sich hier um eine Familie mit viel Vermögen, da der Graf
Maximilian von Moor ein Schloss mit Dienern besitzt und ein grosses Erbe zu übergeben hat.
Dies scheint dazu geführt zu haben, dass Franz und Karl schon ziemlich früh ein Gefühl für
Macht bekommen haben. Für Franz steht der Begriff der Macht mehr im Mittelpunkt als für
Karl, aber letztlich meinen beide, dass sie das Recht haben, durchzusetzen, was sie wollen.
Nicht nur das haben sie gemeinsam, sondern auch, dass sie beide zu Verbrecher werden und
ihre Verbrechen mit Ungerechtigkeiten rechtfertigen, die ihnen im Leben zugestossen sind.
Wie bereits in der Charakterisierung erwähnt, denkt Franz, dass er ungerecht behandelt
wurde, da er der Zweitgeborene ist und kein Anspruch auf das väterliche Erbe hat. Zudem
fühlt er sich hässlich und beschuldigt für all diese Benachteiligungen seine Eltern: «Warum
bin ich nicht der erste aus Mutterleib gekrochen? Warum ich nicht der Einzige? Warum
musste sie mir diese Bürde von Hässlichkeit aufladen? gerade mir?» (Friedrich Schiller, 2020,
S.23, Z.29-31). Somit begründet Franz seine Motive und Taten und fühlt sich dabei keinerlei
schlecht. Ein wichtiges Zitat von Franz ist das folgende: «Ich habe grosse Rechte, über die
Natur ungehalten zu sein, und bei meiner Ehre! Ich will sie gelten machen.» (Friedrich
Schiller, 2020, S.23, Z.27-28). Als Karl erfährt, dass sein Vater ihn enterbt hat, ist er zutiefst
enttäuscht, fühlt sich ausgestossen und verraten von seinem Vater. Hier fallen schon zwei

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weitere Ähnlichkeiten zwischen den beiden Brüdern auf nämlich, dass sie beide Rache
nehmen wollen und nach Anerkennung des Vaters sehnen, was auch die tiefe Enttäuschung
von Karl erklärt. Er denkt, dass er es nicht verdient hat, und dies hat zur Folge, dass er auch
über die Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft nachdenkt. Schon in der zweiten Szene des
ersten Aktes kritisiert er die Gesellschaft und die Kirche, aber er handelt noch nicht dagegen.
Aber durch die Intrigen von Franz kriegt er schliesslich den ultimativen Grund, eine
Räuberbande zu gründen und Verbrechen zu begehen für die Gerechtigkeit. In Verbindung
zur Gemeinsamkeit, dass Karl und Franz beide zu Verbrecher werden, gibt es auch Parallelen
in der Art und Weise wie sie ihre Pläne und Taten durchführen. Man erkennt nämlich eine
gewisse Skrupellosigkeit bei beiden Brüdern. Franz zeigt während dem ganzen Drama kein
Mitleid mit irgendjemandem und Karl mit der Zeit auch, da er so stark nach Gerechtigkeit
und Rache verlangt und nicht mehr das ganze Bild sehen kann, obwohl er eigentlich gute
Absichten hat. Ein gutes Beispiel dafür sieht man im zweiten Akt, als Karl und seine
Räuberbande eine ganze Stadt zerstören und niederbrennen, um Roller zu befreien. Nach
seiner Befreiung berichtet Roller, dass der ganze Horizont Feuer, Schwefel und Rauch war
und ein panischer Schreck alle Menschen zu Boden geschmissen hat (Friedrich Schiller, 2020,
vgl. S.78, Z.30-33) und zeigt damit die Gräueltat von Karl und den Räubern. Doch als Karl
erfährt, dass dabei ganz viele unschuldige Menschen gestorben sind, darunter Kinder,
Frauen und Kranke (Friedrich Schiller, 2020, S.80, Z.34-35), ist er sehr schockiert und
erschüttert. Er sagt: «O pfui, über den Kinder-Mord! den Weiber-Mord – den Kranken-Mord!
Wie beugt mich diese Tat! Sie hat meine schönsten Werke vergiftet - ...» (Friedrich Schiller,
2020, S.82, Z.7-10). Eine zweite Gemeinsamkeit in der Art und Weise, wie Franz und Karl
Verbrechen begehen, ist, dass beide andere Menschen instrumentalisieren für die
Verwirklichung ihrer Pläne (Friedrich Schiller & Maria-Felicitas Herforth, 2014, S.72). Franz
instrumentalisiert Hermann, um seinen Vater zu täuschen (Friedrich Schiller, 2020, S.52-56)
und Karl stellt seinen Räubern eine Falle, um ihre Treue zu testen (Friedrich Schiller, 2020,
S.83, Z.29-32). Doch trotz aller Intrigen, Grausamkeiten und Verbrechen scheitern Franz und
Karl von Moor beide in ihren Plänen und Vorhaben. Beide sehen schlussendlich, dass nicht
alles nach ihren Wünschen und Vorstellungen laufen kann und kommen zu einem Punkt, wo
es keinen Ausweg mehr gibt. Franzens Pläne werden aufgedeckt und er begeht Selbstmord,
während Karl bemerkt, dass er es nicht geschafft hat Gerechtigkeit durch Verbrechen zu
erlangen und er liefert sich der Justiz aus.

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4. Unterschiede zwischen Franz und Karl von Moor

Neben den parallelen Charakterzügen und Ähnlichkeiten unterscheiden sich Franz und Karl
in mehreren Aspekten voneinander. Vergleicht man die Brüder, sieht man zunächst den
Unterschied in ihre Absichten. Obwohl beide Verbrecher sind, ist Karl derjenige, der eine
Heldenfigur darstellen soll und eigentlich gute Vorsätze hat, aber falsche Mittel für sie
benutzt. Der Auslöser für seine rebellischen Handlungen wurde schliesslich durch Franzens
Intrige verursacht, von dem Karl nichts wusste. Zudem, wie schon erwähnt, wird Karl zum
Räuber und begeht Verbrechen, weil es ihm um Gerechtigkeit geht und nicht um Geld. Sein
Freund Razmann aus der Räuberbande bestätigt mit diesen Zitaten die guten Absichten von
Karl: «Er mordet nicht um Raubes willen wie wir – nach dem Geld schien er nicht mehr zu
fragen, …» (Friedrich Schiller, 2020, S.73, Z.30-31). Zudem schenkt Karl seinen Teil der Beute
an Menschen, die es brauchen: «… und selbst sein Dritteil an der Beute, das ihn von
Rechtswegen trifft, verschenkt er an Waisenkinder, oder lässt damit arme Jungen von
Hoffnung studieren.» (Friedrich Schiller, 2020, S.73, Z.32-35). Franz hingegen denkt in erster
Linie nur an sich selbst und hat böse Absichten. Er möchte nicht nur die Beziehung zwischen
Karl und seinem Vater zerstören, sondern auch, dass der Vater stirbt. Er will sogar Karls
Geliebte Amalia für sich selbst haben (Friedrich Schiller, 2020, vgl. S.23, Z.23-26). Schon die
Art und Weise, wie er über seinen Vater spricht, macht es deutlich, dass er bereit ist, jeden,
ob blutsverwandt oder nicht, aus dem Weg zu räumen, um seine Ziele zu erreichen.
Während Franz über seine Pläne nachdenkt, sagt er nämlich folgendes über seinen Vater:
«Und nun wäre freie, ebene Bahn bis auf diesen ärgerlichen Klumpen Fleisch, der mir, […]
den Weg zu meinen Schätzen verrammelt.» (Friedrich Schiller, 2020, S.50, Z.7-8). Es liegt
noch ein weiterer Gegensatz in der Tatsache, dass beide Brüder Verbrecher sind, nämlich die
Methoden sie benutzen. Während Franz Meister der Rhetorik und psychologischen
Kriegsführung ist (Friedrich Schiller & Maria-Felicitas Herforth, 2014, S.61), brennen Karl und
seine Räuberfreunde ganze Städte nieder. Franz setzt sein ausgezeichnetes
Manipulationstalent, Schauspieltalent und sein Wissen gegen die Menschen ein und kennt
viele Tricks und Möglichkeiten, um Menschen zu täuschen oder zu überzeugen. Er ist so gut
darin, nichts von seinen Absichten zu zeigen. Das sieht man zum einen zu Beginn des zweiten
Akts, als Franz versucht einen Bastard namens Hermann, der in der Vergangenheit von
Amalia abgewiesen und vom alten Moor beleidigt wurde, für seine Zwecke zu nutzen
(Friedrich Schiller, 2020, S.52-56) und zum anderen als er den Diener Daniel manipuliert und

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dessen Ängste gegen ihn nutzt, um seine These über Karl zu überprüfen (Friedrich Schiller,
2020, vgl. S.112-114). Auf der anderen Seite macht Karl keine ausführlichen und
durchdachten Pläne wie Franz. Er plant sehr oberflächlich und agiert wild und arrogant, ohne
an die Folgen seiner Taten zu denken. Die Szene, in der Karl und seine Räuber eine Stadt
niederbrennen, um Roller zu befreien, ist erneut ein gutes Beispiel. Dies ist der Punkt, wo
Karl erkennt, dass seine Gewalttaten auch zum Tod unschuldiger Menschen führen (Friedrich
Schiller, 2020, S.82, Z.7-10). Diese Tatsache verstört und schockiert ihn äusserst, da er den
Tod von Unschuldigen wegen seiner Gewalt nicht kommen sah. Somit sieht man in dieser
Szene wie Karls Spontanität und Arroganz zu Konsequenzen führen, über die er sich keine
Gedanken gemacht hat. Diesen Unterschied zwischen den Vorgehensweisen der beiden
Brüder kann man damit verbinden, dass Franz einzig und allein dem Verstand folgt,
wohingegen Karl ein Gefühlsmensch ist und seine Handlungen sehr stark von seinen
Emotionen abhängen. Das erkennt man auch daran, dass Karl zu Beginn des Stücks gar nicht
daran denkt, dass jemand seinen Vater getäuscht haben könnte, sondern direkt nach seinen
Gefühlen handelt. Franz hingegen wird als eine Figur dargestellt, die nicht in der Lage ist,
Gefühle zu entwickeln, was damit zusammenhängen kann, dass sein Vater ihm von klein auf
die Liebe versagt hat und er sich somit zu einer gefühllosen Person entwickelt hat. Die
gleiche Eigenschaft sieht man bei Karl nicht und das zeigt die Folgen der Erziehung der
beiden Brüder und der Bevorzugung von Karl durch den Vater. Diese Tatsache scheint die
Persönlichkeiten von Karl und Franz sehr geprägt zu haben, denn die beiden haben sehr
unterschiedliche Ansichten und Meinungen über die Welt. Karl hat ein unrealistisches
Weltbild, weil er so stark an die Idee glaubt, dass er durch Gräueltaten Gerechtigkeit
erreichen kann. Trotz allem sieht er aber immer noch das Gute in anderen Menschen. Er
wirft der Kirche Doppelmoral vor, da er einen sehr starken Drang zur individuellen Freiheit
hat (Friedrich Schiller & Maria-Felicitas Herforth, 2014, S.65). Er meint nämlich, dass die
Kirche die Freiheit einschränkt und sogar religiöse Personen hart kritisiert: «Verdammen den
Sadduzäer1, der nicht fleißig genug in die Kirche kommt, und berechnen ihren Judenzins am
Altare - …» (Friedrich Schiller, 2020, S.28, Z.5-7). Im Laufe des Stücks vertretet Karl seine
Meinung immer stärker. Der Autor stellt ihn als eine Figur dar, die die Welt zu einem
besseren Ort machen will und betont dabei die Freiheit des Individuums, Gefühle, die

1Sadduzäer: Konservative politisch-religiöse Partei innerhalb des Judentums, die besonders Rückhalt bei den Reichen und
Priestern fand, weil sie am bestehenden Gesetz festhielten, aber gleichzeitig für eine Trennung von politischem und
religiösem Bereich plädierten (Friedrich Schiller, 2020, S.252).

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Spontanität, die Kritik am Feudalismus2 und das tragische Heldentum von Karl, was alles
Leitideen der Epoche des Sturm und Drang sind (Sturm und Drang (1765–1790): Die vier
wichtigsten Merkmale, 2022). Somit ist die Figur von Karl sehr typisch für diese Epoche,
während Franzens Figur näher bei den Ideen der Aufklärung liegt, die viel mehr in Richtung
Verstand und Rationalismus gehen. Franz hat nämlich eine sehr rationale Denkweise und
glaubt nicht an Gott und Aberglauben und widerlegt diese die ganze Zeit. Er bestätigt das mit
dem folgenden Zitat, als er versucht den gläubigen Diener Daniel zu manipulieren: «Schämst
du dich nicht? Ein alter Mann, und an das Weihnacht-Märgen zu glauben! […] Mich werden
Gott und Gewissen strafen, wenn es ja einen Gott und ein Gewissen gibt.» (Friedrich Schiller,
2020, S.115, Z.16-20). Offenbar hat diese stark ablehnende Haltung von Franz dazu geführt,
dass er keine Moral hat und auch nicht an irgendwelche Werte glaubt. Er sagt nämlich: « […]
es war nichts und wird nichts und um nichts wird kein Wort mehr gewechselt - der Mensch
entstehet aus Morast, und watet eine Weile im Morast, …» (Friedrich Schiller, 2020, S.118,
Z.16-20). Mit Franzens Figur wollte also Friedrich Schiller anscheinend eher ein negatives
Beispiel für die Epoche der Aufklärung darstellen. Im Gegensatz zu Franz erkennt Karl seinen
Fehler schlussendlich und stellt sich der Justiz aus, während Franz aufgrund eines Traums, in
dem er von den Toten für Bruder- und Vatermord bestraft wird, zusammenbricht und
anschliessend Selbstmord begeht, da er keinen anderen Ausweg findet.

5. Beziehung zwischen Franz und Karl von Moor

Im Laufe des Dramas liest man von vielen interessanten Beziehungen zwischen
verschiedenen Figuren, aber über die Beziehung zwischen den beiden Brüdern Franz und
Karl, die die wichtigsten Figuren des Buches darstellen, gibt es nicht allzu viel zu sagen. Der
Autor lässt sie nämlich kaum miteinander reden oder in der gleichen Szene erscheinen.
Möglicherweise wollte der Autor, dass man sich mehr auf die Dinge konzentriert, die er mit
Franz und Karls Charakteren zeigen wollte, beispielsweise die Gefahren der Aufklärung durch
Franzens Charakter, als auf die brüderliche Dynamik zwischen ihnen. Es ist also nicht einfach
zu ermitteln, was für ein Verhältnis genau die Brüder zueinander hatten, bevor all die
Intrigen und Verbrechen passierten, aber was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass es
schon immer eine gewisse Rivalität zwischen ihnen gab, da Karl vom Vater bevorzugt wurde

2 Feudalismus: Gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Ordnung im mittelalterlichen Europa, wo der Monarch, der

Adel und die Kirche die führende Schicht bildeten (Toyka-Seid, 2022).

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und Franz das ändern wollte, indem er versuchte Karl zu übertrumpfen. Man kann auch
davon ausgehen, dass Franz wahrscheinlich immer eifersüchtig auf Karl war, da dieser in
seiner Umgebung beliebter ist und eine Geliebte hat, deren Liebe Franz zu gewinnen
versucht, während Karl weg ist. Obwohl Karl sich weder positiv noch negativ über Franz
äussert, kann man vermuten, dass Karl bis zum Punkt, an dem er von den Intrigen von Franz
erfährt, seinem Bruder gegenüber nicht so hasserfüllt ist wie Franz ihm gegenüber, was Sinn
macht, weil Karl bis zu diesem Punkt keinen Grund gehabt hat, auf Franz eifersüchtig zu sein
oder ihn zu hassen. Doch als Daniel die Mordpläne und Intrigen von Franz aufdeckt, ist Karl
zutiefst enttäuscht, beschliesst aber, sich nicht zu rächen, da er noch nichts von den Plänen
bezüglich des alten Moors weiss. Karl sagt in dieser Szene folgendes über Franz: «Du hast
mich zum elendesten auf Erden gemacht, ich habe dich niemals beleidigt, es war nicht
brüderlich gehandelt - …» (Friedrich Schiller, 2020, S.123, Z.29-30). Mit diesem Zitat zeigt
Karl, dass für ihn Loyalität und Respekt in seiner Beziehung zu Franz wichtig waren und dass
er bis zu diesem Zeitpunkt nie irgendwelche Probleme mit ihm gehabt hat. Ausserdem
scheinen Karls Gefühle verletzt worden zu sein, was bedeutet, dass er seinen Bruder
wahrscheinlich geliebt hat. Aus der Sicht von Franz gibt es hingegen keine Hinweise darauf,
dass er irgendwelche positiven Gefühle über Karl gehabt hat. Als Karl jedoch herausfindet,
was Franz mit dem alten Moor gemacht hat, reagiert er nicht mit Enttäuschung, sondern mit
Hass und schwört fürchterliche Rache: «Rache, Rache, Rache dir! […] So zerreiß ich von nun
an auf ewig das brüderliche Band. So verfluch ich jeden Tropfen brüderlichen Bluts im Antlitz
des offenen Himmels!» (Friedrich Schiller, 2020, S.141, Z.11-15). Dies ist der Teil, in dem man
Franz und Karl wirklich als Feinde bezeichnen kann. Vorher ist es nur Franz, der Karl hasst
und gegen ihn intrigiert, denn Karl ist zu sehr mit seinen eigenen Zielen beschäftigt und ist so
überwältigt von seinen Gefühlen, dass er gar nicht an Franz denkt. Schliesslich, als Karl von
Franzens Selbstmord erfährt, ist er nicht traurig, sondern er ist erfreut darüber, nicht direkt
verantwortlich für den Tod von Franz zu sein (Friedrich Schiller, 2020, S.161, Z.8-11). Die
Beziehung zwischen Franz und Karl ist also nie eine gesunde gewesen und endet auf
tragische und hasserfüllte Weise.

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III. Schlussteil

1. Zusammenhang der Fragestellung und der Ergebnisse mit der Intention von
Friedrich Schiller

Nachdem die Unterschiede, Gemeinsamkeiten und die Beziehung zwischen den Figuren
Franz und Karl von Moor analysiert und interpretiert wurden und somit die Fragestellung
beantwortet wurde, stellt sich die Frage, wie die Fragestellung und die Ergebnisse mit der
Intention des Autors zusammenhängen. Was hat sich herausgestellt und was wollte Friedrich
Schiller damit erreichen? Im Hinblick auf den Hauptteil dieser Arbeit hat der Vergleich
zwischen Franz und Karl verdeutlicht, dass die Unterschiede zwischen den beiden ihre
Gemeinsamkeiten überwiegen. Offenbar wollte Friedrich Schiller mit den Charakteren der
beiden Brüder unterschiedliche Weltanschauungen und Denkweisen darstellen, über die
man lange nachdenken kann. Ausserdem war es auch in seiner Absicht die Leser und
Leserinnen mit der Tatsache zu fesseln, dass Franz und Karl Brüder sind und sich trotzdem so
gegensätzlich entwickelt haben. Aber Schiller hat dennoch einige Parallelen und
Ähnlichkeiten zwischen den beiden Brüdern eingebaut, mit denen er ihre Charaktere viel
spannender und vielschichtiger gemacht hat. Er liess Franzens Bösewicht Charakter die
Schattenseiten aufklärerischer Ideen und Denkweisen zeigen, was ebenfalls Schillers eigene
negative Einstellung zur Aufklärung bestätigt. Und mit der Rolle des Karl als gutem Helden
stellte Schiller den Unterschied zwischen der Epoche des Sturm und Drang und der
Aufklärung dar. Wie bereits angedeutet im Hauptteil der Arbeit, beabsichtigte Friedrich
Schiller, dass Franz und Karls Beziehung zueinander nicht im Fokus steht, möglicherweise
damit man die beiden Figuren eher unabhängig voneinander betrachtet und damit die
wichtigen Aussagen und Begriffe, die Schiller dem Publikum vermitteln wollte, im Fokus
stehen. Dazu gehören vor allem die Begriffe der Freiheit und Macht und die Auflehnung
gegen die Oberschichten, welche er mit den Figuren der beiden Brüder und den
Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen ihnen sehr gut darzustellen vermochte.

2. Persönliches Urteil über Franz und Karl von Moor

Die komplexen und interessanten Charaktere von Franz und Karl von Moor haben mich, wie
viele andere Leser und Leserinnen auch, ziemlich beeindruckt. Auch wenn es fast keine
Szenen gab, wo die beiden gleichzeitig erschienen sind, war mir von Anfang an klar, dass

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meine Fragestellung sich mit den beiden Brüdern beschäftigen würde. Franz hat mich vor
allem wegen seiner manipulativen Art interessiert, weshalb mir auch der Anfang des Buches
sehr gefallen hat, denn es beginnt mit einer Szene, in der Franz sein Manipulationstalent
zeigt. Karl hat mich neugierig gemacht mit seinen dramatischen und emotionsvollen
Aussagen, beispielsweise mit dem folgenden Zitat aus der zweiten Szene des ersten Akts als
er den Brief erhält: « […] die wilde Bestie wär in Mitleid zerschmolzen! Steine hätten Tränen
vergossen, …» (Friedrich Schiller, 2020, S.41, Z.29-31). So habe ich während dem Lesen über
Kontraste zwischen Franz und Karl nachgedacht und versucht, Parallelen zu entdecken, was
nicht immer einfach war, aber schlussendlich mir gut gelungen ist. Ausserdem wurde mir
beim Schreiben der Arbeit klar, dass viele Aspekte der beiden Brüder ineinander übergehen
und dass sie gleichzeitig Gemeinsamkeiten und Unterschiede in einem einzigen Aspekt
haben können. Dies hat es teilweise schwierig gemacht, festzustellen, wo genau der
Unterschied bzw. die Gemeinsamkeit zwischen ihnen liegt. Aber im Grossen und Ganzen war
es spannend die Charaktere von Franz und Karl von Moor und die Beziehung zwischen ihnen
zu analysieren und zu interpretieren.

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IV. Literaturverzeichnis

1. Primärliteratur

Friedrich Schiller. (2020). Die Räuber. Text und Kommentar. Suhrkamp BasisBibliothek. (8.
Auflage). Suhrkamp Verlag.

2. Sekundärliteratur

Friedrich Schiller & Maria-Felicitas Herforth. (2014, 5. September). Die Räuber von Friedrich
Schiller: Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben
mit Lösungen. (Königs Erläuterungen 28) (German Edition) (3. Auflage). Bange C. GmbH.

Reiner Poppe. (2012, 25. Mai). Lektüreschlüssel. Friedrich Schiller: Die Räuber: Reclam
Lektüreschlüssel. (German Edition) (6. Auflage). Reclam Verlag.

3. Nachschlagewerke

Sturm und Drang (1765–1790): Die vier wichtigsten Merkmale. (2022, 28. April). UNICUM
ABI. Abgerufen am 19. September 2022, von https://abi.unicum.de/abitur/abitur-
lernen/sturm-und-drang-merkmale

Toyka-Seid, C. G. S. (2022, 24. August). Feudalismus. bpb.de. Abgerufen am 19. September


2022, von https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-
lexikon/320283/feudalismus/

Wikipedia-Autoren. (2004, 23. März). Die Räuber. Abgerufen am 12. September 2022, von
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_R%C3%A4uber

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