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2 Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
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14 Inhaltsverzeichnis
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16 Inhaltsverzeichnis................................................................................................II
17 Tabellenverzeichnis............................................................................................III
18 1 Einleitung..........................................................................................................1
22 4 Identifiziertes Problem......................................................................................6
24 6 Literaturrecherche............................................................................................7
27 Literaturverzeichnis...........................................................................................17
28 Anhang..............................................................................................................19
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4 II
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30 Tabellenverzeichnis
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34 1 Einleitung
35 Denkt man beim Berufsbild des Lehrers/der Lehrerin vor allem an das Vermitteln von
36 Wissen und das Begleiten beim Lernen, führt die Kultusministerkonferenz (im
37 Nachfolgenden KMK genannt) in ihrer Abhandlung zu den Standards für die
38 Lehrerbildung (2019) weitere Kompetenzbereiche des Lehrberufes auf. Demnach
39 haben Lehrkräfte laut KMK, neben dem Lehren, vor allem die Aufgabe des Erziehens
40 sowie Begleitens von Schülern und Schülerinnen (im Nachfolgenden SuS genannt).
41 Dahinter verbergen sich u.a. die Gestaltung einer lernförderlichen Schulkultur und
42 eines motivierenden Schulklimas (vgl. KMK 2019, S. 3; 9). Des Weiteren werden
43 Kommunikation und Konfliktbewältigung, sowie das Vermitteln von Werten und
44 Normen als grundlegende Elemente der Lehr- und Erziehungsarbeit aufgezeigt.
45 Lehrkräfte haben die Aufgabe, adäquate Lösungsansätze für Schwierigkeiten und
46 Konflikte in Schule und Unterricht zu finden und damit zu einem wertschätzenden
47 Umgang untereinander beizutragen (vgl. KMK, 2019, S. 10). Die Erfüllung des
48 Erziehungsauftrags verlangt den Lehrkräften viel Einfühlungsvermögen, Geduld,
49 Durchsetzungskraft und Stressresistenz ab. Denn Konfliktsituationen, sowohl zwischen
50 den SuS als auch zwischen Lehrkraft und SuS, können in allen Jahrgangsstufen und
51 Schulformen auftreten. Besonders häufig sind Schulen und Klassen betroffen, in denen
52 sich SuS aus gesellschaftlichen Minderheiten (z. B. durch Migrationshintergrund,
53 Behinderungen, sexuelle Orientierung, Religionszugehörigkeit etc.) befinden. Dort
54 entstehen vergleichsweise häufig Konflikte, die mit Mobbing, Diskriminierung oder
55 sogar rassistischen Anfeindungen einhergehen (vgl. Beigang et al., 2017, S. 143ff.). Es
56 kommt zu Auseinandersetzungen, in denen der Lehrkraft das „Richtighandeln“ zum
57 Teil schwerfallen kann, sie sich eventuell dazu entscheidet, wegzusehen und die
58 Geschehnisse zu ignorieren. In der Untersuchung von Georg und Dürr (2018) hat eine
59 Lehrkraft „ausbleibendes Handeln“ mit folgendem Satz zu erklären versucht: „Ich gucke
60 da jetzt nicht hin. Ich habe das jetzt nicht gesehen, brauche ich mich nicht darüber
61 aufregen, da habe ich jetzt keinen Stress, da habe ich jetzt Pause.“ (Georg & Dürr,
62 2018 S. 38) Die KMK hat mit den „Standards für die Lehrerbildung“ so etwas wie die
63 „goldenen Lehrerrichtlinien“ herausgebracht, nach denen der Unterricht und der
64 Umgang mit den SuS ausgerichtet sein sollte (vgl. KMK, 2019). An diesem Punkt setzt
65 die vorliegende Forschungsarbeit an. Anhand des dieser Arbeit zugrunde liegenden
66 Gedächtnisprotokolls (siehe Anhang I) wird deutlich, dass Theorie und Praxis z. T. weit
67 auseinander gehen. Die aufgestellte Forschungsfrage eruiert, wie sich dieses „richtige“
68 Verhalten tatsächlich und konkret aus Lehrersicht gestalten lässt. Wie geht man mit
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85 Die beobachtete Unterrichtsstunde fand am 09.06.2016 von 09:40 Uhr bis 11:10 Uhr
86 (2. Block) in der Berufsbildenden Schule in Magdeburg statt. Von dieser
87 Unterrichtsstunde wurde zum damaligen Zeitpunkt lediglich ein tabellarisches
88 Hospitationsprotokoll (siehe Anhang II) erstellt. Aus diesem Grund wurde durch die
89 Autorin dieser Arbeit im Nachgang ein Gedächtnisprotokoll (siehe Anhang I)
90 angefertigt, welches den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildet. Das Gedächtnisprotokoll
91 stützt sich in weiten Teilen auf das Kurzprotokoll und die Erinnerung der Autorin. Es
92 dient dazu, die Stunde in ihrer Gesamtheit darzustellen und gibt detaillierten Einblick
93 auf die für diese Arbeit relevante Unterrichtssequenz, welche während der
94 Einstiegsphase stattfand. Dabei handelte es sich um eine „Dreiecks-Interaktion“ primär
95 zwischen zwei Schülerinnen und sekundär zwischen diesen und der Lehrerin sowie
96 den weiteren Mitschülern*innen. Das Thema der Stunde war „Einführung in die
97 Pflegewissenschaften“ aus dem Lernfeld 1. Die Klasse bestand aus 19 Schülerinnen
98 und vier Schülern. Die Auszubildenden der Altenpflege befanden sich im zweiten
99 Lehrjahr.
100 Die Unterrichtsstunde bestand, nach einer langen Leerzeit ohne Arbeitsauftrag, aus
101 Sicht der SuS, abwechselnd aus passiven und aktiven Teilen. Die Lehrerin vermittelte
102 alte und neue Inhalte und fragte dazu nach praktischen Erfahrungen und Erlebnissen
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108 Die Protokollantin ist bemüht, sich an alle Details dieser Unterrichtsstunde bzw. dieser
109 Sequenz, die für die vorliegende Arbeit und deren Forschungsfrage wichtig ist,
110 möglichst genau zu erinnern und diese niederzuschreiben. Es ist zu bedenken, dass
111 ein Beobachtungs- und insbesondere ein Gedächtnisprotokoll durch die persönliche
112 subjektive Wahrnehmung der Protokollierenden gefärbt sein kann.
113 Die Protokollantin, welche in dieser Stunde hospitierte, saß ganz hinten im Raum allein
114 an einem Tisch. Von dieser Position aus konnte der ganze Klassenraum und alle SuS,
115 sowie die Lehrerin gut überblickt werden. Es konnte ein Melde- und Antwortverhalten
116 und darauffolgende Reaktionen gut beobachtet werden. Das Verhalten der Lehrkraft
117 war sehr gut zu sehen. Einige Unterrichtsgeschehnisse können der Studentin
118 verborgen geblieben sein. Das betrifft z.B. einige sprachliche Äußerungen, die
119 aufgrund der räumlichen Distanz nicht genau verstanden wurden oder die genaue
120 Gesichtsmimik einiger SuS, die aus dieser Position nicht zu erkennen war. Die
121 Altenpflege-Klasse war der Protokollantin durch zahlreiches Hospitieren gut bekannt.
122 Aufgrund dessen standen einige Schülerinnen dieser Klasse, mit ihren interpersonellen
123 Interaktionen, unter besonderer Beobachtung. Dadurch konnte nicht allumfassend das
124 Verhalten der ganzen Klasse erfasst werden. Neben den bereits erwähnten
125 sprachlichen Äußerungen können auch Blickkontakte zwischen den SuS im
126 Verborgenen geblieben sein. Ein Blick von vorne in die Klasse hätte es ermöglicht,
127 auch diese Blickkontakte und/oder das feine Mienenspiel zu protokollieren. Ebenfalls
128 hätte man auch leise sprachliche Äußerungen vernehmen können. Da es in den
129 weiteren Ausführungen aber primär um die Reaktion bzw. Nicht-Reaktion der Lehrkraft
130 auf ein massiv negatives Verhalten geht, sind diese Feinheiten als eher unbedeutend
131 zu bewerten.
133 Im Hinblick auf die zu untersuchende Thematik dieser Arbeit wurde aus dem
134 Gedächtnisprotokoll vom 09.06.2016 folgende Sequenz aus der Einstiegsphase des
135 Unterrichtes herausgefiltert. Es handelt sich um eine Gesprächs- und
136 Reaktionssituation im Wesentlichen zwischen zwei Schülerinnen im Wechselspiel mit
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137 der Lehrkraft (a). Daran an schließt sich die Textpassage, die im Protokoll als Nachtrag
138 (b) gekennzeichnet wurde. Diese „Zusatzinformation“ ist ebenfalls entscheidend für die
139 zu formulierende Fragestellung. Die beiden herangezogenen Textpassagen werden im
140 weiteren Fortgang dieser Arbeit anhand der Art und Weise der Konversation sowie der
141 Interaktion zwischen den Beteiligten analysiert und in ihre einzelnen Bestandteile
142 zerlegt.
143 a) „Während der Einstiegsphase meldete sich ein Mädchen (S1 - mit asiatischem
144 Aussehen). Sie antwortete der Lehrerin und teilte Erfahrungen aus ihrem
145 Arbeitsumfeld mit der Klasse. Sie sprach, vermutlich aufgrund ihres
146 Migrationshintergrundes, mit einer inkorrekten Grammatik. Dies nahm eine
147 Mitschülerin (S2) als Anlass zu zischen und sich darüber lustig zu machen. Sie
148 machte sich zuerst über die Aussprache lustig und murmelte im Anschluss
149 daran etwas, dass sich auf die Meldefreudigkeit und das, für ihr Empfinden,
150 übersteigerte Mitteilungsbedürfnis (S2: „die meldet sich auch bei jedem
151 Scheiß“) des ersten Mädchens bezog. Eine dritte Mitschülerin (S3), die neben
152 der Schülerin mit schikanierendem Verhalten saß, wurde durch eine Geste des
153 auf die Schulter/Arm Klopfens zum Mitlachen angestiftet. Eine weitere
154 Schülerin (S4) sagte leise, dass dieses Verhalten unfair sei und dass sie S1 in
155 Ruhe aussprechen lassen soll. Die Lehrerin atmete tief und stöhnte hörbar
156 (genervt). Sie setzte ihren Unterricht ohne weiteren Kommentar fort. Der
157 Austausch über die Praxiserfahrungen wurde beendet, indem eine Bucharbeit
158 angekündigt wurde.“
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160 b) „Nach dieser Stunde ergriff die Protokollantin die Gelegenheit, den Zwischenfall
161 während der Einstiegsphase aufzugreifen und im Gespräch mit der Lehrkraft
162 mehr über die Hintergründe zu erfahren. Die Lehrerin bestätigte den Eindruck
163 der Spannungen zwischen S1 und S2 und glaubte, dass diese rassistischer
164 Natur seien. Es wurde nachgefragt, warum dieses Verhalten geduldet und nicht
165 adressiert bzw. thematisiert wurde. Die Antwort der Lehrerin war: „Nein, da
166 habe ich keine Lust und Energie mehr für. Ich bin nicht die Klassenlehrerin oder
167 Sozialkundelehrerin. Es ist bekannt und ich mische mich da nicht mehr ein. Ich
168 will nur meinen Unterricht durchziehen. Das ist meine Hassklasse. Ich gebe die
169 zum Schuljahresende sowieso ab.“
173 erste Textauszug gibt Auskunft darüber, dass zwischen zwei Schülerinnen (S1 mit
174 Migrationshintergrund und S2 einer deutschen Schülerin) ein Konflikt herrschte. S2 fiel
175 in dieser Sequenz durch verbales und non-verbales Schikanieren/Mobbing gegenüber
176 S1 auf. Das abwertende und herablassende Verhalten äußerte sich in Form von
177 unhöflichen Lauten und unfreundlichen, verletzenden Äußerungen, während S1
178 versuchte, sich mit Redebeiträgen am Unterricht zu beteiligen. Zwei weitere
179 Schülerinnen waren indirekt am Konflikt beteiligt. Die Banknachbarin wurde dazu
180 aufgefordert mit zu schikanieren. Ein weiteres Mädchen nahm die Rolle der
181 „Ordnungshüterin“ ein. Sie blieb ohne Erfolg, da sie keinen Rückhalt für ihre
182 Problemlösestrategie fand. Im Gegenteil, sie wurde förmlich von der Lehrkraft, in ihrem
183 Versuch des Schlichtens, gehindert.
184 Durch den ersten Abschnitt des Gedächtnisprotokolls (direkt aus dem
185 Unterrichtsgeschehen) ist anzunehmen, dass die Lehrkraft den Konflikt zwar
186 wahrnimmt, da ihr ein Stöhnen entfährt, sie ihn aber als lapidar oder kleinen Scherz
187 einordnet und ihn deswegen nicht weiter aufgreift. Sie scheint das Verhalten der
188 „Mobberin“ als nicht sonderlich störend oder unrechtmäßig einzuordnen, da sie nach
189 einer kurzen Pause mit dem nächsten Unterrichtspunkt fortfährt. Dem
190 „Schlichtversuch“ durch S4 gibt sie keine Chance, er wird ignoriert. Eine mögliche
191 Wirkung der erzieherischen Maßnahme seitens der Mitschülerin an die störende
192 Schülerin wird durch das Ignorieren ihres Einwurfes und der Ankündigung einer
193 Bucharbeit untergraben. Ebenfalls wird S2 damit die Möglichkeit genommen, ihr
194 Verhalten zu erklären und eigenständig zu reflektieren (Textstellenbeleg:
195 Gedächtnisprotokoll Zeilen 33 bis 37). Da hier keine Konsequenzen für das gezeigte
196 Verhalten der schikanierenden Schülerin erfolgen und das Verhalten auch nicht durch
197 die Lehrkraft thematisiert und korrigiert wird, empfindet S2 ihr Benehmen nicht als
198 unangemessen und verletzend. Es wird vermutlich an anderer Stelle fortgeführt und die
199 Lehrkraft läuft Gefahr, anderen SuS ein falsches Vorbild zu sein. Während der erste
200 Textabschnitt nur mutmaßen lässt, welche Hintergründe die Schikane in Richtung S1
201 hat und das Ignorieren der Lehrkraft in vielerlei Hinsicht interpretiert werden kann,
202 erklärt der zweite Textabschnitt das Verhalten der Schülerin und die Reaktion der
203 Lehrkraft unmissverständlich. Es wird deutlich, dass S1 gezielt aufgrund ihres
204 Migrationshintergrundes (hier zählen hinein ihr Aussehen, unkorrekte Aussprache und
205 Grammatik, häufiges Melden und Fragen durch eine kulturell geprägte andere
206 Auffassung von Arbeit und Lernen) von S2, sowohl verbal als auch non-verbal, an
207 verschiedenen Stellen im Unterricht schikaniert, gemobbt und zum Teil eindeutig
208 rassistisch angefeindet wird. Die Lehrerin scheint sich bewusst darüber zu sein, dass
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209 zwischen den beiden ein starker Konflikt herrscht. Rassismus wird eindeutig, als
210 Motivation der Schikanen, benannt. Sie sagt ausdrücklich, dass sie in dieser
211 Angelegenheit nichts mehr unternehmen möchte und es einfach so passieren lässt
212 ohne Konsequenzen für die Schülerin mit dem herabwürdigenden Verhalten. Sie
213 distanziert sich klar davon, in diesem Fall eine Verantwortung zur
214 Erziehung/Maßregelung oder eine Schutzpflicht gegenüber Minderheiten zu tragen und
215 rechtfertigt dies damit, dass sie diese Klasse bald abgeben wird. (Textstellenbeleg:
216 Gedächtnisprotokoll Zeilen 63 bis 71)
218 Das Problem, welches sich aus diesem Kontext ergibt, ist, dass pädagogische
219 Fachkräfte im Unterricht immer wieder mit Störungen durch interpersonelle Konflikte
220 seitens der Schüler und Schülerinnen konfrontiert werden. Dieses Problem tritt in allen
221 Schulformen auf und findet sich in allen Altersklassen wieder. Die Art und Weise des
222 Umgangs mit SuS-Konflikten und/oder schwierigem Verhalten seitens eines/r
223 Schülers/Schülerin ist vielfältig und von Lehrkraft zu Lehrkraft anhand ihrer Ausbildung,
224 ihres Vorwissens, ihres Charakters und ihrer Möglichkeiten ganz individuell und
225 unterschiedlich. Es gibt selten den einen „goldenen Weg“. In der beobachteten Stunde
226 wurde auf ein eindeutig unrechtes, in diesem Fall sowohl diskriminierendes1,
227 mobbendes2 und wissentlich rassistisch motiviertes Verhalten durch eine Schülerin mit
228 Ignorieren reagiert und es somit geduldet. An dieser Stelle sollte man überlegen, was
229 die Beweggründe der Lehrerin waren und ob es nicht ihre die Pflicht gewesen wäre,
230 ihrer erzieherischen Funktion gerecht zu werden zum Schutz einer Minderheit, zum
231 Schutz des Lernklimas und/oder zur Prävention eines möglicherweise ungünstigen
232 Bildungsverlaufes. Die sich aus diesem Problem ergebende Fragestellung wird im
233 folgenden Kapitel aufgeführt.
25 1
Diskriminierung: Eine Diskriminierung im rechtlichen Sinne ist eine Ungleichbehandlung einer
26 Person aufgrund einer (oder mehrerer) rechtlich geschützter Diskriminierungskategorien ohne
27 einen sachlichen Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigt. Die Benachteiligung kann
28 ausgedrückt sein z.B. durch das Verhalten einer Person, durch eine Vorschrift oder eine
29 Maßnahme. ((Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017)
30 2
Mobbing: Absichtliches, wiederholt negatives, (unangenehmes oder verletzendes) Verhalten
31 einer oder mehrerer Personen gegenüber einer Person, die Schwierigkeiten hat sich selbst zu
32 verteidigen. (Olweus, 2009) Unterteilung erfolgt in: 1) mit Worten (verbal); z. B.: Drohen,
33 Spotten, Hänseln und Beschimpfen – 2) durch Körperkontakt; z. B.: Schlagen, Stoßen, Treten,
34 Kneifen oder Festhalten – 3) ohne Worte oder Körperkontakt; z. B.: Fratzenschneiden,
35 schmutzige Gesten, Ausschluss aus einer Gruppe, Weigerung, den Wünschen eines anderen
36 entgegen zu kommen. (Klett, 2005)
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235 Unter der Annahme, dass das Ignorieren und damit Dulden eines
236 schikanierenden/mobbenden Schüler*in-Verhaltens durch die Lehrkraft einer
237 Nichtachtung der Erziehungs- und Fürsorgeverantwortung gleichkommt, stellt sich die
238 Frage:
239 Ist die Strategie des „Wegsehens/Duldens“ bei Mobbingvorfällen zwischen SuS durch
240 die Lehrkraft ratsam? Einige weitere forschungsleitende Unterfragen sind außerdem:
241 Wie könnte ein angemessener Umgang, seitens der Lehrkraft, mit solchen
242 herabwürdigenden Verhaltensweisen im Unterricht aussehen? Welche
243 Interventionsformen sollte die Lehrkraft, anstatt des gezeigten „Ignorierens“, bei
244 schikanierenden/mobbenden/rassistischen Verhaltensweisen am ehesten im Unterricht
245 anwenden, um eben diese bestmöglich zu reduzieren?
246 Diese Reihe an Fragen sollen im Folgenden beantwortet werden. Dies geschieht mit
247 Hilfe einer systematischen Literaturrecherche nach passenden Forschungsdaten und
248 einer sich anschließenden kritischen Beurteilung der herausgefilterten Studien. Nach
249 eingehender Recherche (siehe Tabelle 1 und 2 zur Literaturrecherche in Anhang III)
250 hat sich die Autorin dieser Arbeit dazu entschieden, sich auf Studien zu konzentrieren,
251 die sich mit dem negativen Verhalten „Mobbing“ befassen. Diskriminierung, Mobbing
252 und rassistische Anfeindungen im Bezugsraum Schule sind zwar miteinander
253 verwoben und nicht immer eindeutig abgrenzbar, stellen in der Wissenschaft jedoch
254 komplett abgegrenzte Forschungsbereiche dar.
255 6 Literaturrecherche
256 Zu Bearbeitung des identifizierten Problems und zur Beantwortung der oben
257 genannten Fragestellung wurde am 24., 26. und 27.07.2021 eine systematische
258 Literaturrecherche durchgeführt. Zur Annäherung an das Thema und zum Finden
259 möglicher Suchterme ist vor der eigentlichen Literaturrecherche eine Suche durch die
260 allgemeine Suchmaschine „Google“ erfolgt. Dabei wurden geeignete Suchterme
261 herauskristallisiert, die im Anschluss für eine strukturierte Suche nach Studien, die
262 bereits zur entsprechenden Thematik existieren, angewendet wurden. Die
263 Literaturrecherche erfolgte zunächst in den Online Datenbanken: Pedocs, FIS Bildung
264 und in der Fachdatenbank vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB). Dabei wurde
265 mit Hilfe von unterschiedlichen Suchbegriffen (siehe Tabelle 1 und 2 in Anhang III) und
266 den Booleschen Operatoren gesucht. Die Rechercheergebnisse wurden auf die
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267 Sprachen „Deutsch“ und „Englisch“ sowie „im Volltext erhältlich“ beschränkt. Eine
268 Eingrenzung der Jahreszahlen wurde nicht vorgenommen. Es wurde ausschließlich
269 nach kostenlos zur Verfügung stehenden Studien gesucht. Es gab vorerst keine
270 Einschränkung, ob die gesuchten Begriffe nur im Titel, in der Zusammenfassung oder
271 im Text auffindbar waren. Wenn die Trefferanzahl sehr hoch war, wurden in der Regel
272 die ersten 50 Treffer, durch Lesen des Abstracts gescannt und anschließend weiter
273 eingegrenzt, durch „im Titel“ zu finden. Die nach einem Abstract-Scan für sinnvoll
274 erachteten Treffer, wurden in einer Recherchetabelle (siehe Tabelle 1 und 2 in Anhang
275 III) festgehalten. Im nächsten Schritt wurden die Texte quergelesen und ein kurzer
276 Kommentar zu den wichtigsten Merkmalen und Kriterien verfasst. Diese Anmerkungen
277 halfen der Autorin dieser Arbeit, den Überblick über die Studien und deren Relevanz zu
278 erhalten und geben zudem dem Leser Aufschluss darüber, was zum Ein- oder
279 Ausschluss des Treffers in den hier, zur Beantwortung der Forschungsfrage,
280 verwendeten Studienpool führte. Ausschlusskriterien waren z.B. wenn der Treffer keine
281 Primärdaten enthielt, es sich um einen Buchbeitrag/Aufsatz/Ratgeber handelte oder
282 Studien, deren Ergebnisse nur bedingt übertragbar sind, da sie z.B. an Grundschülern
283 durchgeführt wurden. Die Suche in den drei genannten Datenbanken, wobei sich in der
284 BIBB-Datenbank keine Treffer fanden, brachte zwei verwertbare Studien (Studie a und
285 c, siehe Anhang III) hervor, die in den oben erwähnten Studienpool aufgenommen
286 wurden. Angesichts der Ergebnisse wurde die Suche noch auf die allgemeine
287 Suchmaschine „Google“ und den Bibliothekskatalog „Opac“ ausgeweitet. Da durch
288 Querverweise und Studieren der Referenzlisten in gängiger Fachliteratur noch eine
289 weitere wichtige Studie, zur Beantwortung der Forschungsfrage, ausgemacht werden
290 konnte. Diese war nur in Auszügen online verfügbar und wurde, aufgrund der hoch
291 eingeschätzten Trefferqualität, als einzige Studie in Buchform herangezogen (Studie
292 b). Insgesamt konnten somit drei relevante Studien zur Beantwortung der
293 Forschungsfrage ausgewählt werden. Diese sollen im Folgenden kurz vorgestellt und
294 anschließend einer kritischen Bewertung, angelehnt an Behrens und Langer,
295 unterzogen werden. Eine detaillierte Übersicht zu den einzelnen Studien findet sich im
296 Anhang IV in den Tabellen zu Studien a, b und c.
301 Diese quantitativ-empirische Studie von Dietrich (2019) stellt eine Sekundäranalyse
302 eines in den USA in den Jahren 2012 – 2015 erhobenen Primärdatensatzes (den sog.
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335 Umgesetzt wurde die empirische Untersuchung von Bilz et al. im Jahr 2014 mit einer
336 kombinierten Schüler- und Lehrerbefragung mit 2071 Schülern und 556 Lehrkräften an
337 insgesamt 24 Schulen. Darunter befanden sich Gymnasien, Oberschulen und
338 Förderschulen im Freistaat Sachsen. Die Befragungen wurden an SuS der 6. und 8.
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339 Klassen und in einer Nachbefragung nach den Sommerferien in den Stufen 7 und 9
340 durchgeführt. Des Weiteren wurden die Klassenleiter und alle Lehrkräfte der Schulen
341 befragt (vgl. Bilz et al S. 29). Die Untersuchung ermöglicht, dank einer bereits in den
342 1990er Jahren durchgeführten Studie (Forschungsgruppe Schulevaluation, 1998),
343 Aussagen über Entwicklungstrends von Gewalt und Mobbing an sächsischen Schulen
344 (vgl. ebenda). Die Befragung besitzt drei Schwerpunkte. Eine Trendanalyse hinsichtlich
345 des Vorkommens von Gewalt und Mobbing an Schulen und ob es hierbei Unterschiede
346 im Interventionsverhalten der Lehrkräfte und den SuS gab. Zweitens wurde aus
347 Schüler- und Lehrerperspektive untersucht, ob bzw. wie und mit welchem Ziel
348 Lehrkräfte in Gewalt- bzw. Mobbingsituationen intervenieren. Im dritten
349 Forschungsschwerpunkt wurde erhoben, welche Lehrerkompetenzen in Verbindung
350 mit Interventionsbereitschaft, -fähigkeit und -erfolg stehen. Es kamen drei
351 verschiedenen Fragebögen (Schüler, Lehrer, Klassenleiter) zum Einsatz. Die Studie
352 von Bilz et al. ist zum Teil eine Replikationsstudie. Der Teil der Schülerbefragung, der
353 Aufschluss über das Ausmaß des Mobbings und der Gewalt gibt, wurde bereits vor 25
354 Jahren schon einmal an sächsischen Schulen durchgeführt. Dies erfolgte unter
355 Koordination von Klaus Hurrelmann in der Teilstudie „Gewalt an Schulen“ im Rahmen
356 des DFG-Projekts „Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter“ (vgl. Bilz
357 et al S. 11; S. 45). Der Forschungsaspekt zur Lehrerintervention und schulischer
358 Prävention von Gewalt und Mobbing wurde zum ersten Mal im Jahr 2017 untersucht
359 und wurde mittels Schüler- und Lehrerbefragung realisiert (vgl. Bilz et al S. 29). Für die
360 Auswertung der Ergebnisse, welche getrennt nach Lehrer- und Schülerperspektive
361 erfolgte, wurden zahlreiche statistische Testungen und Berechnungen zur Effektstärke
362 herangezogen (vgl. Bilz et al. 2017, S. 110). Die Studie beinhaltet eine große
363 Bandbreite an Ergebnissen, da mehrere Forschungsschwerpunkte mit jeweils
364 verschiedenen Forschungsfragen bearbeitet wurden. Im Hinblick auf die eingangs
365 formulierte Forschungsfrage beschränkt sich die Autorin dieser Arbeit darauf, an dieser
366 Stelle die wichtigsten und für die Beantwortung relevanten Ergebnisse anzuführen.
367 Wesentliche Resultate waren, dass für das übergeordnete Ziel der Mobbing-Reduktion,
368 unterstützend-kooperierende Interventionen seitens der Lehrkräfte, die ein gutes
369 Beziehungsverhältnis schaffen, erfolgreicher sind, als autoritär-strafende Maßnahmen
370 gegenüber den SuS (vgl. Bilz et al. 2017, S. 118ff.). Einen hohen Grad an Zustimmung
371 fanden somit Interventionsformen wie z.B. „Einbezug der Klasse“, „Langfristige
372 Maßnahmen auf Schul- und Klassenebene“ und „Kooperationen mit anderen
373 Personen“ (ebenda, S. 119). Diese Formen eignen sich laut Bilz et al. (2017) am
374 ehesten dazu, Mobbing sowohl direkt in der Situation, als auch langfristig zu stoppen.
375 Am wenigsten wirksam erwiesen sich sog. „Minimale Maßnahmen“ aus der autoritär-
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386 In der dritten Studie, einer qualitativ-explorativen Fallstudie, von Lekunze und Strom
387 (2017) wurden 14 High School-Lehrer aus Essex County, New Jersey, zu ihren
388 persönlichen Erfahrungen mit Mobbing befragt. Die Studie sollte eingehend
389 untersuchen, wie die Lehrer Mobbing unter SuS wahrnahmen und Erkenntnisse über
390 persönliche Erfahrung mit dem negativen Verhalten liefern. Außerdem sollten
391 Lehrer*innenmeinungen zur Hinlänglichkeit bestehender Unterstützungsangebote
392 dargestellt werden. Dazu wurden die folgende primäre Forschungsfrage und ihre drei
393 Unterfragen formuliert: Welche Wahrnehmungen haben Lehrer über Mobbing unter
394 SuS? Die sekundären Forschungsfragen lauteten: Was sind die Mobbing-Dynamiken,
395 die von Lehrern wahrgenommen werden? Wie hat die berufliche Weiterbildung (falls
396 stattgefunden) den Lehrern bei der Bekämpfung von Mobbing geholfen? Welche
397 Interventionsformen setzen die Schulen ein und welche nehmen die Lehrkräfte als
398 angemessen wahr? (Lekunze, Strom, 2017 S. 148f.) Für die Beantwortung der
399 Forschungsfrage der hier vorliegenden Arbeit, sind die beiden zuletzt aufgeführten
400 Fragen und deren Ergebnisse relevant. Die Daten wurden zum einen mittels
401 teilstrukturierten Leitfrageninterviews erhoben und zum anderen gingen „physische
402 Artefakte“ wie z.B. Notizbücher oder Sprachaufzeichnungen in die Untersuchung mit
403 ein (ebenda 2017 S. 151f.). Im Ergebnisteil werden sieben identifizierte Hauptthemen
404 bzw. Ergebnisse vorgestellt (siehe Tabelle zu Studie c in Anhang IV ). Von Relevanz
405 für die vorliegende Arbeit sind die Erkenntnisse, dass die Lehrkräfte angaben, sich
406 nicht ausreichend vorbereitet zu fühlen, konsequent gegen Mobbing-Themen
407 anzugehen und dass sie den Einsatz von weiterem Schulpersonal empfahlen, welches
408 sich ausschließlich auf Mobbingprävention konzentrieren kann (Lekunze, Strom 2017 S
409 155f.).
52 11
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411 Im Folgenden werden die drei Studien einzeln einer kritischen Beurteilung, die sich in
412 weiten Teilen an den EBN-Standard-Fragebögen von Behrens und Langer (2010)
413 orientiert, unterzogen. Dazu wird kurz zu jeder Studie Stellung genommen und diese
414 eingeordnet. Die ausführliche Bewertung nach Behrens und Langer findet sich im
415 Anhang (iv und v).
416 a) Die deutsche Studie von Dietrich (2019) ist eine Sekundäranalyse und eine
417 gebündelte Querschnittsanalyse, der ein amerikanischer Datensatz aus den Jahren
418 2012 - 2015 einer bildungswissenschaftlichen Beraterfirma zugrunde liegt. Es wird eine
419 umfangreiche und konkrete Fragestellung formuliert, die sich auf das akademische
420 Schikanieren bezieht. Dabei wurden zwei Mediatoren (SSB und LSB) genannt. Die
421 Forschungsmethode und das Forschungsdesign wurden detailliert beschrieben. Es
422 wird ein quantitativ-empirisches Studiendesign mit Mediationsanalyse beschrieben und
423 eine Schülerbefragung mittels umfangreich beschriebenem Fragbogen als
424 Erhebungsinstrument angegeben. Von einer Repräsentativität und Sättigung kann
425 aufgrund der hohen Stichprobengröße, der Verteilung des Geschlechts und der
426 Schulstufen (n= 146044 Schüler, 50%/50%, alle Sekundarstufen) sowie der Angabe
427 der mehrjährigen Erhebung ausgegangen werden. Es finden sich aber keine
428 stichfesten Angaben dazu. Zur Auswahl bzw. Ziehung des Samples sowie zur
429 Rücklaufquote bei der Primäruntersuchung werden keine Angaben gemacht. Ebenso
430 wenig zum Umfeld der Befragten und der Forscher. Der Autor selber beschreibt die
431 Nutzung des Datensatzes für die Sekundäranalyse als besonders geeignet (vgl.
432 Dietrich, 2019 S.246). Eine Literaturrecherche führte der Forscher durch und bezieht
433 sich auch zum Teil darauf. Die Durchführung, Daten und Ergebnisse der Studie wurden
434 ausführlich beschrieben, analysiert und ausgewertet. An dieser Stelle muss angemerkt
435 werden, dass die statistischen Ausführungen für einen ungeübten, fachfremden Leser
436 zum Teil schwer nachvollziehbar sind. Die Ergebnisse sind im Diskussionsteil noch
437 einmal komprimiert zusammengefasst. An einigen wenigen Stellen fehlen
438 Detailinformationen, die der Leser für eine Nachvollziehbarkeit der Auswertungsschritte
439 benötigt. Zum Beispiel wird ohne Hinleitung von einem „finalen“ Modell gesprochen,
440 ohne die anderen Modelle zu erwähnen (vgl. Dietrich, 2019 S. 248f). Im Abschnitt
441 „Beziehungsqualität in Schulen“ muss der aufmerksame Leser von einer Umpolung der
442 Likert-Skala für die Items der SSB ausgehen, ohne dass diese erwähnt wurde (vgl.
443 Dietrich, 2019 S. 247). Dietrich widmet einen eigenen Unterpunkt den Limitationen
444 seiner Studie und unterzieht seine Ergebnisse einer ausführlichen Kritik. Er erwähnt
55 12
56
57
445 einen Bedarf an Folgestudien in Form von Längsschnittuntersuchungen und regt an,
446 die Studien in Deutschland nachzuholen, damit die mangelnde Vergleichbarkeit
447 aufgrund der kulturellen Unterschiede aufgehoben werden kann. In einer
448 Zusammenfassung gibt er zahlreiche Empfehlungen und nennt konkrete
449 Anwendungsmöglichkeiten dieser Studie. Unter anderem rät er „quantitative
450 Evaluierungsmethoden zum Zweck der Reflektion und Verbesserung von
451 Unterrichtsqualität“ auch hierzulande breitflächig einzuführen (Dietrich, 2019 S. 252f.).
452 Die Glaubwürdigkeit dieser Studie wird mit der Note 1 bis 2 bewertet.
453 b) Die zweite deutsche Studie ist als eine Teilstudie eines übergeordneten
454 Forschungsprojekts zu „Gewalt und Mobbing an Schulen“ im Jahr 2017 erschienen.
455 Sie wurde in Sachsen als Replikationsstudie durchgeführt und ermöglicht somit
456 Aussagen zu Gewalt und Mobbing im Zeitverlauf (1996-2014) und zum aktuell
457 vorkommenden Interventionsverhalten der Lehrkräfte. Sie wurde an 24 Schulen
458 verschiedener Schultypen mit über 2000 SuS und 550 Lehrkräften durchgeführt,
459 weswegen die angestrebte Repräsentativität auf Schulebene, als erreicht gilt (vgl. Bilz
460 et al. S 109). Die Auswahl erfolgte zufällig durch Ziehung von einer Schülerliste, dabei
461 wurde auf eine maximale Anzahl an Klassen von einer Schule geachtet, um eine
462 Überrepräsentation auszuschließen. Da die Studie freiwillig war, gab es, für
463 Lehreinrichtungen die absagten, Ersatzschulen. Die Beschreibung der Stichprobe war
464 gut. Auf das Umfeld der Befragten und der Forscher wurde nicht eingegangen. Der
465 Studie vorangeschaltet, erfolgte eine umfangreiche Literaturrecherche und Darstellung
466 des aktuellen Forschungsstandes. Es wird festgehalten, dass diese Studie die erste
467 nationale Forschungsarbeit bildet, die zur Lehrerintervention und deren Erfolg forscht,
468 was die Motivation der Forscher erklärt (vgl. ebenda S.107). Die drei Forschungsfragen
469 der Teilstudie wurden konkret formuliert. Es handelt sich um eine quantitativ-
470 empirische Querschnittsstudie, die mit dem Einsatz von drei verschiedenen
471 Fragebögen zur Erhebung der unterschiedlichen Perspektiven von SuS, Lehrkräften
472 und Klassenleitenden arbeitete. Die Messinstrumente wurden für die einzelnen
473 Forschungsfragen detailliert beschrieben. Anschließend wurden die
474 Auswertungsverfahren genannt und die Ergebnisse ausführlich und gut
475 nachvollziehbar, zum Teil unter Zuhilfenahme von Tabellen, aufbereitet. Die
476 Durchführung der Erhebung ist gut nachvollziehbar beschrieben. Am Ende werden die
477 Ergebnisse ausführlich diskutiert, Limitationen der Forschung genannt (u.a. das z.B.
478 vermehrt von Interventionsformen berichtet wird, die sozial erwünscht scheinen) und
479 ein Ausblick gegeben (vgl. ebenda S. 125). Konkrete Möglichkeiten der Anwendung
58 13
59
60
480 werden nicht benannt. Abschließend ist noch zu erwähnen, dass diese Studie in vielen
481 anderen Publikation zitiert wird und einen hohen Stellenwert zu genießen scheint.
482 Die Studie wird hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit mit der Note 1 bewertet.
483 c) Bei der letzten Untersuchung von Lekunze und Strom (2017) handelt es sich um
484 eine qualitativ-empirische Fallstudie mit 14 amerikanischen High School Lehrern aus
485 zwei Schulen, die sich mit der deren Wahrnehmung von Mobbing befasst. Es erfolgt
486 eine detaillierte Beschreibung des Auswahlvorgehens, welche den vermutlich größten
487 Kritikpunkt dieser Studie offenbart. Von insgesamt 32 Schulen, die angeschrieben
488 wurden (es wurde mit einem Rücklauf von fünf Schulen geplant), gingen, da die
489 Teilnahme freiwillig war, am Ende nur die Daten von zwei Schulen mit insgesamt 14
490 Lehrern in die Studie ein. Eine Sättigung wurde somit nicht erreicht. Nach einer
491 grundlegenden Literaturrecherche wurde sehr ausführlich erklärt, warum Lehrer und
492 nicht Schüler als Untersuchungsgruppe gewählt wurden, was die Beweggründe zur
493 Durchführung dieser Untersuchung sind und warum sich die Forschenden für die
494 Anwendung von leitfadengestützten Interviews entschieden haben (vgl. Lekunze,
495 Strom S. 148; S. 151). Die Forschungsfragen, welche in eine primäre und drei
496 sekundäre unterteilt wurden, sind konkret aus dem Text zu entnehmen. Das
497 Erhebungsinstrument, die Methode sowie die Durchführung wurden detailliert und
498 nachvollziehbar aufgeführt. Einzig die Form der Datenanalyse ist für den ungeübten,
499 deutschen Leser schwer zu verstehen. Es konnten trotz Einsatz von
500 Übersetzungshilfen keine der gängigen Auswertungsmethoden von qualitativen
501 Interviews, wie z.B. die Inhaltsanalyse nach Mayring oder die Grounded Theory nach
502 Strauss & Corbin herausgefiltert werden. Es wird die fallübergreifende Analyse
503 erwähnt. Die Ergebnisse wurden sehr übersichtlich in sieben identifizierten
504 Haupthemen aufgeführt. Sie wurden zusätzlich mit prägnante Textauszüge der
505 Untersuchung untermauert. Somit ist der/die Leser*in in der Lage, die Wahrnehmung
506 bezüglich des Mobbings der befragten Lehrkräfte nachzuvollziehen. Die Autoren gehen
507 auch auf Limitationen ein und führen hier u.a. an, dass es bei Selbstauskünften zu
508 Gültigkeitsproblemen im Zusammenhang mit einer möglichen Über- und
509 Unterberichterstattung kommen kann (vgl. Lekunze, Strom S. 154). Nach einer
510 ausführlichen Diskussion der Funde sprechen sich die Autoren für einen
511 Paradigmenwechsel aus. Sie wenden sich hier besonders an die Schulleiter, die ihre
512 Bemühungen, das „Mobbing auszurotten“, in nachhaltigere Versuche zur Förderung
513 von Bewältigungsstrategien der Opfer umlenken sollten. Es wird ein ganzheitlicher
514 Interventionsansatz gefordert. Dazu gehören Schüler, Eltern, Schulpersonal, politische
515 Entscheidungsträger und andere Akteure, die am Schülerleben beteiligt sind (vgl.
61 14
62
63
516 Lekunze, Strom S. 157f.). Lekunze und Strom halten Folgestudien an weiteren Schulen
517 und in anderen Orten für sinnvoll und dem Forschungsfeld zuträglich.
518 Die Glaubwürdigkeit dieser Studie wird aus den eben beschrieben Gründen mit der
519 Note 3 bewertet.
521 Zu Beginn dieser Arbeit wurden die Forschungsfragen: „Ist die Strategie des
522 „Wegsehens“/„Duldens“ bei Mobbingvorfällen zwischen SuS durch die Lehrkraft
523 ratsam? Wie könnten ein angemessener Umgang und angemessene
524 Interventionsformen, seitens der Lehrkraft, mit und bei solchen verletzenden
525 Verhaltensweisen im Unterricht aussehen?“ aufgestellt, die nun anhand der
526 aufgeführten Studien beantwortet werden sollen.
527 Qualitativ haben zwei der drei Studien gut bis sehr gut abgeschnitten, da die Studie a
528 von Dietrich (2019) mit der Note 1-2 und die Studie b von Bilz et al. (2017) sogar mit
529 einer 1 benotet wurde. Die Studie von Lekunze und Strom (2017), in englischer
530 Sprache, hat mit der Note 3 immer noch mittelmäßig abgeschnitten. Trotz dieser
531 insgesamt hohen Güte muss erwähnt werden, dass aufgrund der forschungsleitenden
532 Fragen und der Forschungsgegenstände der einzelnen Studien nur die
533 Untersuchungsergebnisse von Bilz et al. (Studie b) direkte Aussagen, auf die
534 Fragestellungen dieser Arbeit zulässt. Die Ergebnisse der anderen beiden Studien
535 können indirekt zur Bearbeitung herangezogen werden. Zur Beantwortung der eigenen
536 Forschungsfrage wird sich aus der wertvollsten Studie b nur auf das relevanteste
537 Ergebnis dieser bezogen, nämlich dass unterstützend-kooperierende Interventionen
538 seitens der Lehrkraft den größten Erfolg beim Ziel „Mobbing zwischen SuS zu
539 reduzieren“, zeigen. Aus den Ergebnissen der Studie a, zur Reduktion von
540 akademischem Schikanieren als eine Unterform von Mobbing, soll besonders die
541 Erkenntnis, dass die Lehrkräfte eine Vorbildfunktion u.a. für den Umgang mit Mobbing
542 und Diskriminierung haben, hervorgehoben werden. Dies spricht ebenfalls, wenn auch
543 nur indirekt, für einen proaktiven Umgang mit dem Thema Mobbing zwischen SuS und
544 gegen das Ignorieren. Ein weiterer Aspekt den diese Studie zur Beantwortung
545 hervorbringt, ist das Lehrkräfte akademisches Schikanieren, welches an dieser Stelle
546 gleichgesetzt wird mit Mobbing, indirekt über einen positiven Beziehungsaufbau mit
547 SuS beeinflussen können. Dies gelingt natürlich nur, wenn Mobbingvorfälle konsequent
548 thematisiert und bearbeitet werden. Die etwas schlechter abschneidende Studie c lässt
549 zwar ebenfalls keine direkten Schlüsse zur eigenen Forschungsfrage zu, dennoch
64 15
65
66
550 können Ergebnisse dieser Studie helfen, die Verhaltensweise der beobachteten
551 Lehrkraft aus dem Gedächtnisprotokoll zu erklären und eine Handlungsempfehlung
552 abzuleiten. Nach Lekunze und Strom könnte das Wegsehen/Ignorieren der Lehrkraft
553 darin begründet liegen, dass sie sich nicht ausreichend professionell vorbereitet fühlte,
554 um mit dem wahrgenommenen Mobbingvorfall adäquat umgehen zu können und/oder
555 sie anderes Schulpersonal kompetenter einschätzt und damit die Verantwortung nicht
556 bei sich selbst sah.
557 Nach Sichtung aller relevanten Studienergebnissen kann, nach Meinung der Autorin
558 dieser Hausarbeit, die eigens formulierte primäre Forschungsfrage eindeutig mit „Nein“
559 beantwortet werden. Die Lehrkraft hätte intervenieren sollen, anstatt wegzusehen.
560 Auch wenn die Studie c vermeintliche Gründe für ein Ignorieren des Mobbings liefert,
561 wird durch die anderen beiden Studien umso deutlicher, dass die Lehrkraft besser
562 hätte handeln können. Aufgrund der zahlreichen potentiell negativen Folgen von
563 Mobbing und der Erkenntnis, dass eine Intervention die Lage verbessern kann und ein
564 Ignorieren eine falsche Vorbildwirkung erzeugt, ist zu bemerken, dass das beobachtete
565 Verhalten der Lehrkraft fahrlässig war und unterlassener Hilfeleistung nahekommt.
566 Lehrkräfte sollten möglichst kooperativ-unterstützende Strategien beim Umgang mit
567 Mobbing entwickeln und anwenden. Wenn sie sich allein überfordert fühlen, sollten sie
568 Kollegen/Kolleginnen miteinbeziehen und ggf. das Thema mit der ganzen betreffenden
569 Klasse oder auch mit der Elternschaft bearbeiten. Diese Maßnahmen haben sich, im
570 Gegenteil zu harten Strafen oder Ignorieren, als nachhaltig erwiesen. Auf Seiten der
571 Schulleitung und Einrichtungen der Lehrkräfteprofessionalisierung kann mit
572 Maßnahmen und Programmen zur Förderung der Interventionskompetenz geholfen
573 werden, langfristig Mobbing in Schulen zu reduzieren.
67 16
68
69
574 Literaturverzeichnis
580 Behrens J.; Langner, G. (2010) :Evidence-based Nursing and Caring. Bern: Hans
581 Huber Verlag.
582 Beigang, Steffen; Fetz, Karolina; Kalkum, Dorina; Otto, Magdalena (2017):
583 Diskriminierungserfahrungen in Deutschland. Ergebnisse einer Repräsentativ-
584 und einer Betroffenenbefragung. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
585 Baden-Baden: Nomos. Am 25.07.2021
586 Bilz, L.; Schubarth, W., Dudziak, I., Fischer, S., Niproschke, S., & Ulbricht, J. (2017).
587 Gewalt und Mobbing an Schulen: Wie sich Gewalt und Mobbing entwickelt
588 haben, wie Lehrer intervenieren und welche Kompetenzen sie brauchen.
589 Kempten: Julius Klinkhardt
596 Georg, Eva; Dürr, Tina (2018): „Was soll ich denn da sagen?!“ Zum Umgang mit
597 Rechtsextremismus und Rassismus im Schulalltag. Demokratiezentrum im
598 Beratungsnetzwerk Hessen
603 KMK (2019): Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. Beschluss der
604 Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004 i. d. F. vom 16.05.2019. Zugriff am
70 17
71
72
608 Lekunze, Lucy M. George; Strom, B. Ivan. (2017) "Bullying and Victimisation Dynamics
609 in High School: An Exploratory Case Study" Journal of Teacher Education for
610 Sustainability, vol.19, no.1, 2017, pp.147-163. Zugriff am 9.7.2021 Abgerufen
611 von: https://files.eric.ed.gov/fulltext/EJ1146827.pdf
612 Olweus, Dan (2009): Mobbing an Schulen: Fakten und Intervention Zugriff am
613 12.8.2021 Abgerufen von: file:///C:/Users/gutkn/Dropbox/Mein%20PC
614 %20(LAPTOP-P5CGGB: M)/Desktop/PPS%20Hausarbeit%20final/wichtige
615 %20Dokumente%20aus%20Litrecherche/
616 Mobbing_in_Schulen_Fakten_und_Intervention.pdf
617 Bbs „Dr. Otto Schlein“ Magdeburg (2016): Hausordnung. Abgerufen von https://bbs-
618 schlein.de/index.php/home-oben/downloads-oben/category/23-formulare-
619 ausbildung am 30.09.2018.
624
73 18
74
75
625 Anhang
76 19
77
78
627 Die Stunde fand an der Berufsbildenden Schule XYZ in Magdeburg statt. Es war ein
628 Unterricht mit Auszubildenen der Altenpflege im zweiten Lehrjahr. Er wurde im zweiten
629 Unterrichtsblock (9.40 Uhr bis 11.10 Uhr) des Tages abgehalten. Durch das
630 Kurzprotokoll ist bekannt, dass es sich um eine Stunde im ersten Lernfeld handelte mit
631 dem Thema „Einführung in die Pflegewissenschaften“. Die Klasse bestand aus 19
632 Schülerinnen und vier Schülern.
633 Die Hospitantin bzw. Protokollantin saß ganz hinten im Raum allein an einem Tisch.
634 Von dieser Position aus konnte der ganze Klassenraum und alle SuS, sowie die
635 Lehrerin gut überblickt werden. Die SuS kannten die Hospitantin bereits von vorherigen
636 Stundenbesuchen der zurückliegenden zwei Monate. Eine erneute Vorstellung erfolgte
637 nicht.
638 Die Stunde begann um 9.40 Uhr mit dem Aufschließen des Klassenraumes durch die
639 Lehrerin. Die Lehrerin verließ den Raum umgehend wieder und erklärte, dass sie
640 „aufgrund einer dringlichen Angelegenheit“, noch einmal wohin müsse. Die SuS
641 blieben zwanzig Minuten ohne Aufsicht im Klassenraum. Der Lautstärkepegel im Raum
642 war hoch, da die SuS z.T. private Gespräche untereinander führten und/oder ihr Handy
643 benutzen. Ein Schüler kippelte und stieß laut auf. Die SuS warteten, zusehends
644 unruhiger, auf die Rückkehr der Lehrkraft. Um 10.00 Uhr, zwanzig Minuten nach dem
645 Stundenklingeln, kam die Lehrerin zurück und entschuldigte sich für ihr Fernbleiben.
646 Ein 20-minütiger Einstieg bildete den Auftakt zum eigentlichen Unterricht. Die Lehrerin
647 nannte das Stundenthema, sprach über die geplanten Inhalte und gab einen Rückblick
648 auf die letzte Stunde. Sie stellte Fragen zur letzten Stunde und die SuS beantworteten
649 diese. Des Weiteren wurden die SuS nach Erfahrungen aus der eigenen Praxis
650 gefragt. Passive und aktive SuS-Aktionen wechselten sich hier ab.
651 Während der Einstiegsphase meldete sich ein Mädchen (S1 - mit asiatischem
652 Aussehen). Sie antwortete der Lehrerin und teilte Erfahrungen aus ihrem Arbeitsumfeld
653 mit der Klasse. Sie sprach, vermutlich aufgrund ihres Migrationshintergrundes, mit
654 einer inkorrekten Grammatik. Dies nahm eine Mitschülerin (S2) als Anlass zu zischen
655 und sich darüber lustig zu machen. Sie machte sich zuerst über die Aussprache lustig
656 und murmelte im Anschluss daran etwas, dass sich auf die Meldefreudigkeit und das,
79 20
80
81
657 für ihr Empfinden, übersteigerte Mitteilungsbedürfnis (S2: „die meldet sich auch bei
658 jedem Scheiß“) des ersten Mädchens bezog. Eine dritte Mitschülerin (S3), die neben
659 der Schülerin mit schikanierendem Verhalten saß, wurde durch eine Geste des auf die
660 Schulter/Arm Klopfens zum Mitlachen angestiftet. Eine weitere Schülerin (S4) sagte
661 leise, dass dieses Verhalten unfair sei und dass sie S1 in Ruhe aussprechen lassen
662 soll. Die Lehrerin atmete tief und stöhnte hörbar (genervt). Sie setzte ihren Unterricht
663 ohne weiteren Kommentar fort. Der Austausch über die Praxiserfahrungen wurde
664 beendet, indem eine Bucharbeit angekündigt wurde.
665 Es schlossen sich die Erarbeitungsphase I und die Sicherungsphase an. Die SuS
666 bekamen einen Lehrauftrag mit Fragen zur Pflege in der Mitte des letzten
667 Jahrhunderts. Er wurde in Stillarbeit mit dem Lehrbuch ausgeführt. Nach 13 Minuten
668 wurden die Ergebnisse durch einzelne SuS im Klassenplenum präsentiert. Die
669 Sicherungsphase bot ebenfalls Raum für Ergänzungen und dauerte sieben Minuten.
670 Die SuS schrieben fehlende Informationen mit.
671 Im zweiten Teil der Stunde, der Erabeitungsphase II, spielte die Lehrerin ein Video aus
672 der Reihe „Welt der Wunder“ ab. Es behandelte das Thema die „Pflege im Mittelalter“
673 und dauerte 23 Minuten. Im Video wurden alte Berufsgruppen wie der Medicus, der
674 Bader, die Hebamme sowie Kräuterfrauen und Hexen vorgestellt. Der Arbeitsauftrag
675 für dieses Video blieb unklar. Die SuS schauten z.T. aufmerksam das Video. Einige
676 machten sich Notizen und einige schienen abwesend/unkonzentriert zu sein, da sie mit
677 ihrem Nachbarn erzählten oder das Handy benutzten. Es erfolgte kein Arbeitsauftrag &
678 keine Sicherungsphase.
679 Kurz vor dem Stundenklingeln (11.10 Uhr) endete das Video. Aus dem Kurzprotokoll
680 geht hervor, dass die SuS dann ihre Taschen packten und bereits zwei Minuten vor
681 dem Stundenklingeln an der Tür warteten. Es ist zu vermuten, dass das Video in dieser
682 Stunde nicht weiter besprochen und es auch keinen Ausblick auf die nächste Stunde
683 gab, da diese Angaben fehlen.
Wichtige Ergänzung zur protokollierten Szene zwischen SuS Nr. 1,2,3 und der
Lehrerin, nicht im eigentlichen Unterricht passiert, sondern vorher beobachtet und
direkt im Anschluss der Stunde erfrag und aus diesem Grund hier aufgeführt. – Teil b:
684 Durch frühere Stundenbesuche in dieser Klasse konnten bereits häufiger Spannungen
685 und Konfliktsituationen innerhalb dieser Klasse beobachtet werden. Dabei fiel auf, dass
686 verbale sowie non-verbale Angriffe von Schülerin 1 auf andere und auffällig häufig
687 gegen Schülerin 2 gerichtet waren. Keiner war bisher so augenscheinlich verletzend.
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84
688 Es gab hin und wieder ein Stöhnen während eines Redebeitrags, ein „ins Wort fallen“
689 oder Augenrollen, wenn S2 zu Wort kam.
690 Nach dieser Stunde ergriff die Protokollantin die Gelegenheit, den Zwischenfall
691 während der Einstiegsphase aufzugreifen und im Gespräch mit der Lehrkraft mehr
692 über die Hintergründe zu erfahren. Die Lehrerin bestätigte den Eindruck der
693 Spannungen zwischen S1 und S2 und glaubte, dass diese rassistischer Natur seien.
694 Es wurde nachgefragt, warum dieses Verhalten geduldet und nicht adressiert bzw.
695 thematisiert wurde. Die Antwort der Lehrerin war: „Nein, da habe ich keine Lust und
696 Energie mehr für. Ich bin nicht die Klassenlehrerin oder Sozialkundelehrerin. Es ist
697 bekannt und ich mische mich da nicht mehr ein. Ich will nur meinen Unterricht
698 durchziehen. Das ist meine Hassklasse, ich gebe die zum Schuljahresende sowieso
699 ab.“
Während der Einstiegsphase meldete sich ein Mädchen (S1 - mit asiatischem
Aussehen). Sie antwortete der Lehrerin und teilte Erfahrungen aus ihrem
Arbeitsumfeld mit der Klasse. Sie sprach, vermutlich aufgrund ihres
Migrationshintergrundes, mit einer inkorrekten Grammatik. Dies nahm eine
Mitschülerin (S2) als Anlass zu zischen und sich darüber lustig zu machen. Sie machte
sich zuerst über die Aussprache lustig und murmelte im Anschluss daran etwas, dass
sich auf die Meldefreudigkeit und das, für ihr Empfinden, übersteigerte
Mitteilungsbedürfnis (S2: „die meldet sich auch bei jedem Scheiß“) des ersten
Mädchens bezog. Eine dritte Mitschülerin (S3), die neben der Schülerin mit
schikanierendem Verhalten saß, wurde durch eine Geste des auf die Schulter/Arm
Klopfens zum Mitlachen angestiftet. Eine weitere Schülerin (S4) sagte leise, dass
dieses Verhalten unfair sei und dass sie S1 in Ruhe aussprechen lassen soll. Die
Lehrerin atmete tief und stöhnte hörbar (genervt). Sie setzte ihren Unterricht ohne
weiteren Kommentar fort. Der Austausch über die Praxiserfahrungen wurde beendet,
indem eine Bucharbeit angekündigt wurde.
Nach dieser Stunde ergriff die Protokollantin die Gelegenheit, den Zwischenfall
während der Einstiegsphase aufzugreifen und im Gespräch mit der Lehrkraft mehr
über die Hintergründe zu erfahren. Die Lehrerin bestätigte den Eindruck der
Spannungen zwischen S1 und S2 und glaubte, dass diese rassistischer Natur seien.
Es wurde nachgefragt, warum dieses Verhalten geduldet und nicht adressiert bzw.
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thematisiert wurde. Die Antwort der Lehrerin war: „Nein, da habe ich keine Lust und
Energie mehr für. Ich bin nicht die Klassenlehrerin oder Sozialkundelehrerin. Es ist
bekannt und ich mische mich da nicht mehr ein. Ich will nur meinen Unterricht
durchziehen. Das ist meine Hassklasse, ich gebe die zum Schuljahresende sowieso
ab.“--------
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9.40- Einstieg L. schließt Raum auf und entschuldigt SuS warten und sind unruhig, unterhalten sich
10.00 sich, dass Sie noch einmal wegen einer privat, stehen auf, nutzen Handy, kippeln
Uhr wichtigen Angelegenheit fortgehen muss
10.00 – Einstieg Anwesenheit, Lehrer spricht und Laptop SuS haben Raum zu fragen und berichten aus
10.20 (II) Benennung und Einordnung des stellt Rückfragen zu Beamer eigener Praxis, L. gibt detaillierte Antworten und
Uhr Rückblic Stundenthemas; Inhalten der letzten Whitebo fragt selber nach
k Rückblick auf letzte Stunden – Elemente Stunde; ard
der Pflege; Sie emuntert zum Störung: 2 Schülerinnen lästern/ machen
Inhalte: Florence Nightingale, Teilen der abfällige (zischen, machen Witze über
pflegewissenschaftliche Arbeit (handwerkl. Erfahrung aus Aussprache) Kommentare, als ein anderes
- Pflegepraktiken, Wissenschaftl.; Praxis; Mädchen (mit Migrationshintergrund) von ihrer
Beziehungsdimension – ganzheitlich und Arbeit berichtet
empathisch) SuS antworten und - Dieses Mädchen meldet sich eigentlich
stellen Fragen öfter und gibt immer guten Input in den
Unterricht
Passiv - aktiv
Lehrerin wirkte kurz irritiert und machte dann
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weiter im Unterricht
10.45 – Erarbeitu Pflege im Mittelalter SuS schauen das Welt der Einige SuS sind abgelenkt durch z.T. Handy
11.08 ngsphas Medicus (hat studiert, Verbot mit Blut in Video Wunder Andere schauen aufmerksam
Uhr e II Kontakt zu kommen) Video
Bader (niedere Heilberufe, da nicht
studiert, hat keine Berührungsängste)
Hebamme (bringen nicht nur Kinder im MA
zur Welt, sondern waren Kräuterfrau; ab
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704 Anhang III. Übersicht über die Recherchestrategie und den -vorgang in den Datenbanken Pedocs und FIS Bildung mit
705 Kommentaren
> Nr. 11: (Studie aus Deutschland mit amerikanischen Daten) Dietrich, Lars: „Akademisches > Auswahl des
Schikanieren: Wie Lehrkräfteprofessionalisierung in den Bereichen Beziehungsarbeit und Treffers zur
Unterrichtsqualität zu sozioökonomischer Chancengleichheit im Bildungswesen beitragen Verwendung in der
kann - In: Empirische in Sonderpädagogik 11 (2019) 3, S. 241-256“ Hausarbeit
100 27
101
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708
103 28
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106 29
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108
> Nr. 36: „An Investigation of Middle School Teachers' Perceptions on Bullying.“ Waters, > 21 Lehrer mit Online-Fragebogen
Stewart; Mashburn, Natalie, Journal of Social Studies Education Research, v8 n1 p1-34 > Mittelschule mit speziellem Anti-
2017 Bullying-Programm
> ok für Forschungsfrage
> einfach verständlich, aber zu
simples Studiendesign und Inhalt
> Abstract versprach mehr
> Nr. 38: „Bullying and Victimisation Dynamics in High School: An Exploratory > Auswahl des Treffers zur
109 30
110
111
> Nr. 41: „Educators' Perceptions on Bullying Prevention Strategies.“ de Wet, Corene, > weiterführende Schule, Befragung
South African Journal of Education, v27 n2 p191-208 2017 von 600 Pädagogen in Südafrika:
„Was hilft bei Mobbing?“
> Nr. 44: „Teaching Practices, School Support and Bullying.“ Rodríguez, Ana Carolina > Grundschule,
Reyes; Noriega, José Angel Vera; Cuervo, Angel Alberto Valdés, World Journal of > Rolle Lehrerverhalten
Education, v7 n4 p50-59 2017
> Nr. 47: „Understanding Bullying Behavior: What Educators Should Know and Can Do.“ > keine Studie/Primärdaten
Englander, Elizabeth Kandel American Educator, v40 n4 p24-29, 44 Win 2016-2017 > sehr interessanter
Informationstext über „Wie können
Pädagogen Mobbing praktisch und
realistisch angehen?“
> 9 Sekunden Programm zur
Mobbing-Reaktion von Lehrkräften
> Nr. 54: „Parental Attitude and Teacher Behaviours in Predicting School Bullying.“ > Grundschulprogramm
Erdogdu, M. Yüksel, Journal of Education and Training Studies, v4 n6 p35-43 Jun 2016
9. „Teachers AND 8 0 > Nutzen von Auswahlkriterien
Reactions AND
Mobbing“
> „Freier Zugriff“ 2 0 > Ende der Recherche
112 31
113
114
712 Anmerkung:
115 32
116
117
721
118 33
119
120
Vor der eigentlichen Studie, gab es eine Vorstudie zur „Gewinnung einer
121 34
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127 36
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130 37
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