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353 18

Unterrichtsqualität
Barbara Drechsel und Ann-Kathrin Schindler

18.1 Einleitung – 354

18.2 Modelle der Unterrichtsqualität – 354

18.3 Basisdimensionen der Unterrichtsqualität – 358


18.3.1 Klassenführung – 360
18.3.2 Kognitive Aktivierung – 363
18.3.3 Konstruktive Unterstützung – 365
18.3.4 Unterrichtsqualität schulen und erlernen – 367

18.4 Zusammenspiel verschiedener Aspekte von


Unterrichtsqualität – 367
18.4.1 Differenzierung und Individualisierung als Wege zum Umgang mit
Heterogenität – 367
18.4.2 Kompetenzorientierter Unterricht – 369

Verständnisfragen – 370

Literatur – 370

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019


D. Urhahne, M. Dresel, F. Fischer (Hrsg.), Psychologie für den Lehrberuf, https://doi.org/10.1007/978-3-662-55754-9_18
354 Kapitel 18  Unterrichtsqualität

Denken Sie an die Medizin: Dort wird seit langem beforscht, denheit, Stress und Belastung bei Lehrpersonen (Dicke, El-
unter welchen Bedingungen und mit welchen Behandlungs- ling, Schmeck & Leutner 2015; Klusmann, Kunter, Voss &
methoden ein möglichst erfolgreicher Genesungsprozess bei Baumert 2012). Im Unterricht treffen viele Aspekte des Leh-
Patientinnen und Patienten stattfindet. Persönliche Erfah- rerberufs zusammen. Im Blickpunkt stehen die Vermittlung
rungen von Ärztinnen und Ärzten stellen hierfür seit jeher von Wissen und die kognitive Auseinandersetzung mit fach-
eine wichtige Ressource dar. So wurde z. B. die Sterilisation lichen Inhalten bei jeder einzelnen Schülerin und jedem ein-
von Operationsinstrumenten eingeführt, weil bemerkt wur- zelnen Schüler. Unterricht ist aber auch ein Ort, an dem sozia-
de, dass es bei der Wiederverwendung von ungereinigtem le Interaktion stattfindet, Verhaltensweisen gelernt werden,
Operationsbesteck vermehrt zu Infektionen kam. Unter Louis bestimmte Abläufe und Regeln eingehalten werden sollen.
Pasteur wurde Ende des 19. Jahrhunderts begonnen, Instru- Um dieser Komplexität von Unterricht angemessen begegnen
mente mit Dampf zu sterilisieren. In der Folge wurde die zu können, benötigen Lehrpersonen zunächst professionel-
Wirkung vieler Faktoren auf die Keimfreiheit des Operati- les Wissen in verschiedenen Sparten und Bereichen. Darüber
onsbestecks umfassend wissenschaftlich untersucht und auf hinaus sind professionelle Haltungen und Überzeugungen
Basis der damit gewonnenen Evidenzen wurde die medizini- in Bezug auf die verschiedenen Tätigkeitsschwerpunkte oder
sche Praxis in den Operationssälen optimiert. Rollen im Lehrerberuf, funktionale motivationale Orientie-
In der Medizin wird die Untersuchung spezifischer Teil- rungen und adäquate selbstregulative Fähigkeiten erforder-
aspekte nicht zuletzt wegen der überlebenswichtigen Bedeu- lich, wie beispielsweise im etablierten Modell von Baumert
tung seit langer Zeit betrieben und ihre Wirkung ist offen- und Kunter (2006; s. auch Kunter et al. 2011) dargestellt ist
sichtlich. Dagegen wurde Bildung – und hier im Speziellen (7 Kap. 20).
der Unterricht – in der in Deutschland stark erziehungs- Fachwissen liefert den inhaltlichen Hintergrund für das
wissenschaftlich geprägten Tradition bis in die 1970er-Jahre Unterrichten. Fachdidaktisches Wissen hilft, Lernziele zu
nicht systematisch und empirisch fundiert erforscht. Zwar formulieren und die Inhalte aufzubereiten, zu reduzieren
geht es im Bildungssektor nicht um das Überleben von Pa- und adressatengerecht umzusetzen. Ein Blick durch die
tienten, gelungene Lernprozesse in der Schule sind aber hoch pädagogisch-psychologische Brille auf Unterricht erlaubt Be-
bedeutsam für die Lebensläufe aller Schülerinnen und Schü- dingungen zu erkennen, die Lernprozesse bei den Schüle-
ler und die Gesellschaft insgesamt. Jährlich fließen Millio- rinnen und Schülern anregen, wie man mit Hilfe psycho-
nen öffentlicher Gelder unter anderem in die Finanzierung logischer Erkenntnisse die Qualität von Unterricht verbes-
von Unterricht. Mit der empirischen Wende in der Erzie- sern kann und welche Komponenten für Unterrichtsqualität
hungswissenschaft und einer verstärkten Zuwendung der bedeutsam sind. Die wissenschaftliche Grundlage dafür bie-
Psychologie zum Unterricht um das Jahr 2000 zeigten Studi- tet die empirische Unterrichtsforschung, die diese drei Per-
en wie z. B. die PISA-Studien (Programme for International spektiven miteinander verknüpft. Dieses Kapitel bietet einen
Student Assessment), dass die Qualität von deutschem Un- Überblick über wichtige theoretische Modelle und Theorien
terricht offensichtlich fehleingeschätzt wurde und Schülerin- sowie den aktuellen Forschungsstand dazu.
nen und Schüler über weniger Kompetenzen verfügten als Aus einer pädagogisch-psychologischen Perspektive ge-
basierend auf unsystematischen Erfahrungen angenommen ben wir zunächst einen Überblick über das Angebots-
worden war (Baumert et al. 2001). In den gleichen Zeit- Nutzungs-Modell, das den aktuellen Forschungsstand bezüg-
raum fällt der Beginn der empirischen Unterrichtsforschung, lich wirksamer Komponenten von Unterricht integriert. In
die in ihren Forschungsdesigns deutlich von psychologischen 7 Abschn. 18.3 gehen wir genauer darauf ein, welche Basis-
Untersuchungsmethoden geprägt ist (7 Kap. 27). Hier sind dimensionen der Unterrichtsqualität einen großen Beitrag
besonders videobasierte Beobachtungsstudien zu nennen. Sie zu qualitativ hochwertigem Unterricht leisten (Klassenfüh-
helfen zum einen zu untersuchen, welche unterrichtlichen rung, kognitive Aktivierung, konstruktive Unterstützung).
18 Komponenten und Lehrweisen sich wie auf das Lernen von 7 Abschn. 18.4 beschäftigt sich mit Merkmalen von Unter-
Schülerinnen und Schülern auswirken (teacher and teaching richtsqualität, die wichtige Herausforderungen der aktuellen
effectiveness, z. B. Seidel & Shavelson 2007), und zum ande- Diskussion über schulisches Lernen adressieren: Die wach-
ren zu klären, inwiefern wirksame Komponenten tatsächlich sende Heterogenität im Bildungskontext lässt Differenzie-
in Unterricht implementiert sind (z. B. Hiebert et al. 2003). rung und Individualisierung beim Lernen als unerlässliche
Maßnahmen für das erfolgreiche Lernen aller Schülerinnen
und Schüler erscheinen.
18.1 Einleitung
18.2 Modelle der Unterrichtsqualität
Unterrichten ist das Kerngeschäft von Lehrerinnen und Leh-
rern. Die meiste Arbeitszeit von Lehrpersonen fließt in das
Planen, Halten und Nachbereiten von Unterricht. Lehrkräfte Unterricht: Gestaltung von Lernumgebungen mit dem
nennen sehr häufig Unterrichten als die Quelle ihrer Be- Ziel, optimale Gelegenheiten für die effektive Ausführung
rufszufriedenheit und machen an gelungenen Stunden oder von Lernaktivitäten der Schülerinnen und Schüler
Sequenzen persönliche Erfolge fest (Bromme & Haag 2008). bereitzustellen (nach Seidel & Reiss 2014, S. 254).
Unterricht ist aber auch nicht selten Ursache für Unzufrie-
18.2  Modelle der Unterrichtsqualität
355 18
Dass Unterricht sich auf Lernprozesse von Lernenden samkeit und Effektivität von Unterricht im Auge zu behalten.
auswirkt und auswirken soll, ist unbestritten. Was aber ist mit Die ertragsorientierte Perspektive nimmt die Wirkungen von
„gutem“ Unterricht gemeint? Lange Zeit gab es zu dieser Fra- Unterricht in den Blick. Die unmittelbare Folgefrage nach
ge im deutschen Sprachraum nur wenige empirische Unter- der Qualität, die hier zu stellen ist, lautet: „Gut wofür?“ Je
suchungen, deren theoretische Konzeption, Stichprobenplan, nachdem, welches Zielkriterium verfolgt wird, stehen un-
Design und statistische Auswertung strengen methodischen terschiedliche Aspekte von Unterricht im Vordergrund und
Standards entsprachen. Häufig waren die Begriffe unscharf: unterschiedliche Erträge von Unterricht werden als Erfolg
Wie entsteht „guter“ Unterricht und woran wird er sichtbar? betrachtet. Je nachdem, welche Schülergruppe es zu un-
Durch die Persönlichkeit der Lehrperson, durch ihre Pro- terrichten gilt, unterscheiden sich die Ziele. In der ersten
fessionalität und Kompetenz, durch die Unterrichtsprozesse, Grundschulklasse beispielsweise geht es stark darum, den
durch die Unterrichtseffekte – oder durch eine Mischung von geregelten Tagesablauf zu verstehen und zu lernen, sich in
alledem? Ausführlich wurde untersucht, was seitens des Bil- das Klassengeschehen einzuordnen. Das Vorgehen der Lehr-
dungssystems in das unterrichtliche Lernen investiert wird kraft unterscheidet sich dabei von dem einer Erzieherin in
(Qualifikation von Lehrkräften, Curricula, Lehrmittel). Erst der Kindertagesstätte. Am Ende der Realschule stehen hin-
in jüngerer Zeit wendet sich die Forschung stärker den Bil- gegen Wissenserwerb, strategisches Vorgehen in Prüfungs-
dungsergebnissen zu, also dem Ertrag des Unterrichts bei situationen und das Überprüfen der eigenen Interessen für
Schülerinnen und Schülern (Ditton 2000). die anstehende Berufswahl im Vordergrund. Aber nicht nur
für unterschiedliche Lernergruppen, auch innerhalb einer
1 „Guter“ und „effektiver“ Unterricht Gruppe und häufig sogar innerhalb einer Stunde oder Unter-
David Berliner (1987; 2005) unterscheidet Unterrichtsquali- richtssequenz gilt, dass unterschiedliche Ziele verfolgt wer-
tät in die beiden Aspekte „gutes“ und „effektives“ Unterrich- den. Dies wird häufig unter dem Stichwort „Multikriterialität
ten – eine für die Praxis nützliche Unterscheidung, die hilft, von Unterricht“ zusammengefasst: Ein wesentliches Ziel un-
Qualitätskriterien anzulegen. „Gutes“ Unterrichten ist darauf terrichtlichen Lernens ist der Erwerb von Faktenwissen und
bedacht, die „üblichen“ Standards zu erfüllen, die für Unter- konzeptueller Verstehensprozesse, also das Erreichen kogni-
richt existieren (und sich in unterschiedlichen Klassenstufen, tiver Lernziele. Daneben hat Unterricht aber auch eine Viel-
Schularten oder auch über Staaten oder Kulturen unterschei- zahl motivationaler, volitionaler und sozialer Ziele, die ne-
den können): In einer guten Unterrichtsstunde werden bei- ben dem fachlichen Lernen auch Persönlichkeitsbildung und
spielsweise festgelegte Phasen eingehalten und abgewechselt, fachübergreifendes Lernen implizieren (Kunter 2005), z. B.
unterschiedliche Medien zum Einsatz gebracht und verschie- Motivation, Lernfreude und Interessenentwicklung (Knogler,
dene Sozialformen genutzt. Guter Unterricht in diesem nor- Harackiewicz, Gegenfurtner & Lewalter 2015), ein positives
mativen Sinne sieht vor, dass als angemessen geltende Metho- Fähigkeitsselbstkonzept (Huber, Häusler, Jurik & Seidel 2015)
den und Strategien im Unterricht umgesetzt werden. Anders oder die Förderung von Kooperation oder Fairness.
ausgedrückt bedeutet normativ, dass es bestimmte etablierte Diese Ziele stehen nicht von vornherein automatisch al-
Sichtweisen darüber gibt, welche Methoden in einem „guten le im Einklang miteinander. Ein bekanntes Beispiel dafür,
Unterricht“ vorkommen. Beispielsweise werden kooperati- dass es im Unterricht solche Zielkonflikte gibt, erläutert die
ve Lernformen als wichtig erachtet, um Lernende in ihrer SCHOLASTIK-Studie (Helmke & Weinert 1997). Es wurde
Teamfähigkeit zu schulen, die als ein wünschenswertes Lern- gezeigt, dass in vielen Schulklassen zwar die Bedingungen
ergebnis betrachtet wird. Arbeiten Schülerinnen und Schüler für den Kompetenzerwerb sehr gut sind, dass die Umset-
im Unterricht also häufig in Gruppen, so ist dies als guter zung dieser Bedingungen aber möglicherweise auf Kosten der
Unterricht zu bezeichnen. Dennoch ist bei dieser Betrach- Möglichkeiten geht, Lernfreude oder ein positives fachspezi-
tungsweise Vorsicht geboten: die Realisierung bestimmter fisches Selbstkonzept zu entwickeln und umgekehrt (Schra-
„innovativer“ Unterrichtsmethoden (z. B. Projektunterricht, der, Helmke & Dotzler 1997). Darüber hinaus erbrachte
Kleingruppenarbeit oder anderer Formen des offenen Unter- die Studie, dass es Lehrpersonen gibt, denen es gelingt, gu-
richts) ist nicht per se bereits guter Unterricht, ebenso wie te Bedingungen für beide Aspekte (Kompetenzerwerb und
lehrerzentrierter und frontaler Unterricht keineswegs auto- Lernfreude) zu schaffen, aber auch Lehrpersonen, die für
matisch „schlecht“ ist (7 Kap. 17). Qualität entsteht genau beide Facetten nur unzureichende Bedingungen bieten. Ein
dann, wenn die Unterrichtsmethoden auch effektiv sind, also weiteres Ergebnismuster hat sich in vielen weiteren Studi-
ihre Lehrziele erreichen. „Effektives“ Unterrichten ist an der en immer wieder bestätigt (vgl. Seidel & Shavelson 2007):
Frage orientiert, ob bestimmte (Leistungs-)Ziele durch den Die Lehrpersonen, die gut darin waren, sowohl das Dazuler-
Unterricht erreicht werden, also Schülerinnen und Schüler in nen in Mathematik als auch die Lernfreude in diesem Fach
Folge des Unterrichts erwünschte Ergebnisse erreichen. Qua- bei ihren Schulkindern anzuregen, erreichten dies auf sehr
lität entsteht nach Berliner (1987), indem die beschriebene unterschiedlichen Wegen. Als erstes Fazit lässt sich dem-
normative und die ertragsorientierte Perspektive miteinander nach festhalten: „Unterrichtsqualität“ lässt sich nicht als ein
verschränkt werden. Neben den im Unterricht realisierten richtiger Weg zum Ziel beschreiben. Auch in der Forschung
Input-Faktoren, also bestimmten Strukturen und Bestand- gab und gibt es nicht nur einen richtigen Weg, um „Unter-
teilen, die als konstitutiv für Unterricht angesehen werden, richtsqualität“ zu untersuchen, was wir im Folgenden genauer
ist es ebenso wichtig, die Output-Faktoren, also die Wirk- erläutern wollen:
356 Kapitel 18  Unterrichtsqualität

Mythos: Es gibt nur einen James Bond schen den Voraussetzungsvariablen (zu denen neben den
Im Zuge der Frage, wie „guter“ und „effektiver“ Unterricht Merkmalen der Lehrkraft wie z. B. deren Persönlichkeit
zustande kommt, beschäftigte sich die Unterrichtsfor- und Kompetenzen auch die schülerseitigen Lernvoraus-
schung immer wieder mit der Lehrperson. Die Anfänge setzungen gehören) und den Kontextvariablen (die auf
der Forschung waren dabei eher deskriptiv orientiert: die Schulklasse und Schule insgesamt bezogen sind und
Man bemühte sich, das Handeln, Denken oder die ge- z. B. die Klassenzusammensetzung oder die kulturellen
sellschaftliche Position von Lehrkräften zu beschreiben Rahmenbedingungen umfassen) einerseits sowie den
und dadurch herauszufinden, welche charakteristischen Produktvariablen (den Lernergebnissen der Schülerinnen
Persönlichkeitsmerkmale „gute Lehrer“ mitbringen und Schüler) andererseits durch die Prozessvariablen des
müssen, um ihre Aufgaben erfolgreich erfüllen zu kön- Unterrichts (also das Handeln der Lehrkraft, das Inter-
nen. Das Persönlichkeitsparadigma bediente sich teils aktionsgeschehen in der Klasse und die Lernaktivitäten
geisteswissenschaftlich-phänomenologischer und teil- der Schülerinnen und Schüler) vermittelt sind. Eine auf-
weise an der differenziellen Persönlichkeitspsychologie schlussreiche Methode in diesem Zusammenhang ist der
orientierter Forschungsansätze. Die Befunde dieser ers- Optimalklassenansatz (z. B. Helmke 2012). Hier werden im
ten Forschungsbemühungen waren ernüchternd: Die ersten Schritt Schulklassen identifiziert, die im Hinblick
„ideale Lehrerpersönlichkeit“, durch deren Wirken Lehr- auf ein Zielkriterium (z. B. Schulleistung, Ausbalancieren
Lernprozesse besonders wirkungsvoll ausgelöst worden von kognitiven, motivational-affektiven und sozialen
wären, ließ sich nicht entdecken. Bestimmte Persön- Lernzielen) besonders erfolgreich sind. Im zweiten Schritt
lichkeitsmerkmale wie Intelligenz, Offenheit gegenüber werden die Merkmale der Lehrkräfte und die Profile ihres
Mitmenschen, Gewissenhaftigkeit oder Verträglichkeit und Unterrichts betrachtet.
Empathie konnten zwar als relevante Faktoren identifiziert Wenn man bedenkt, wie viele unterschiedliche kogni-
werden. Heute wird eine Grundausstattung mit diesen tive Prozesse notwendig sind, um das Klassengeschehen
Faktoren aber eher als „Mindestanforderung“ (Seidel & sinnvoll, adaptiv (in Abhängigkeit von unterschiedlichen
Reiss 2014) verstanden, aus der alleine noch kein quali- Voraussetzungen und Kontextbedingungen) und für alle
tätsvoller Unterricht resultiert und ohne dass geklärt wäre, Lernenden gewinnbringend zu steuern, wird deutlich, wie
was der spezifische Beitrag dieser Eigenschaften für den komplex die Tätigkeit einer Lehrperson ist.
Lehrerberuf ist. Das Expertenparadigma beruht auf der Beurteilung
In der Folge wurde in neueren Forschungsansätzen von Lehrpersonen als mehr oder weniger kompetenten
die Perspektive erweitert: Man konzentrierte sich stärker Fachleuten (Expertinnen und Experten) für die „Kunst
auf die konkreten Aktivitäten des Lehrens in der Klasse des Unterrichtens“. Es geht aber nicht wie beim Per-
und die Interaktionsprozesse, in die eine Lehrkraft beim sönlichkeitsparadigma um Charaktereigenschaften oder
Unterrichten involviert ist. Das Prozess-Produkt-Paradigma Führungsstile, sondern um sogenannte „Lehrerexpertise“,
fragt nach der Beschaffenheit dieser Unterrichtsprozesse das berufsbezogene Wissen und Können sowie subjektive
und nimmt zudem deren Wirkungen in den Blick. Es Theorien und Überzeugungen (beliefs) von Lehrerinnen
stellt also beispielsweise die Auswirkung bestimmter und Lehrern (Bromme 1992/2014). In neueren Studien wur-
Verhaltensmuster und Fertigkeiten der Lehrenden, die im den diese professionellen Kompetenzen von Lehrkräften
Unterricht zum Einsatz kommen, auf Indikatoren des Schü- intensiv untersucht (Kunter et al. 2011; 7 Kap. 20). In der
lerverhaltens (z. B. Schülerleistung) in den Mittelpunkt. Mit aktuellen Forschung wird davon ausgegangen, dass das
diesem Forschungsansatz gelang es, Lehrerverhaltens- Prozess-Produkt-Paradigma und das Expertenparadigma
weisen zu identifizieren, die mit größeren Lernzuwächsen einander wechselseitig und gewinnbringend ergänzen.
18 einhergehen. Beispielsweise wurde geklärt, welche Form Nun mag man sich fragen, was die Paradigmen der
von Feedback wirkungsvoll ist, welche Arten von Arbeits- Unterrichtsforschung mit James Bond zu tun haben. Wir
aufträgen hilfreich sind und wie mit Unterrichtsstörungen haben dieses Beispiel gewählt, weil daran illustriert werden
wirksam umgegangen wird. Es zeigte sich aber auch, dass kann, wie sich die Forschung weiterentwickelt hat. Wie
das Unterrichtsgeschehen durch weitere Variablen beein- uns über viele Jahrzehnte vorgeführt wurde, gibt es nicht
flusst wird wie z. B. dem Vorwissen und dem fachlichen die eine Bond-Persönlichkeit: Jeder Darsteller hat der
Interesse der Schülerinnen und Schüler. Die Wirkungen Rolle sein eigenes Charisma verliehen und viele unter-
von Lehrerverhaltensweisen hängen also stark davon schiedliche Persönlichkeiten führten die Agententätigkeit
ab, auf welche Voraussetzungen sie bei Schülerinnen erfolgreich aus. Auch führte bei Bond nicht immer nur ein
und Schülern treffen und auch in welchen Kontexten bestimmtes Handeln (Prozess) zum immer gleichen Effekt
sie sich abspielen. Grundsätzlich lassen sich vier Arten (Produkt), sondern der Situation angemessenes Verhalten
von Variablen unterscheiden: Voraussetzungs-, Kontext-, begünstigte Agentenerfolge. Außerdem spielt Expertise
Prozess- und Produktvariablen (Dunkin & Biddle 1974). für das erfolgreiche Agentendasein eine große Rolle – Til
Zentrale Annahme ist, dass die Zusammenhänge zwi- Schweiger, der Novizen-Agent im Tatort, würde in den von
18.2  Modelle der Unterrichtsqualität
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gen Forschungsstand über Bedingungen, Vernetztheit und
James Bond zu bewältigenden Situationen vermutlich an Konsequenzen des Unterrichts und soll explizit verhindern,
seine Grenzen stoßen. Übertragen gesprochen steckt also „guten Unterricht“ kurzschlüssig auf nur wenige Elemente im
in jeder Lehrperson ein bisschen Agent, der ein breites gesamten Wirkungsprozess zu reduzieren. Das Modell ist bei-
berufsbezogenes Wissen und Können braucht, um in spielsweise in der Lage zu erklären, warum guter Unterricht
verschiedenen Unterrichtssituationen erfolgreich handeln nicht unbedingt bei allen Schülerinnen und Schülern gu-
zu können. te Lernergebnisse bewirkt. Schulischer Lernerfolg wird hier
verstanden als ein Produkt aus dem Zusammenspiel vieler
Faktoren, wobei die Quantität und die Qualität von Un-
1 Das Angebot-Nutzungs-Modell terricht nur eine Auswahl davon darstellen. Die Nutzung
Im Anschluss an den Einblick in die Paradigmen der Un- des Unterrichtsangebots wird, so die Annahme, entschei-
terrichtsforschung wird nun ein Modell vorgestellt, das zur dend beeinflusst durch die Lernenden bzw. deren kognitive,
Analyse und Bewertung von Unterricht heute sehr verbreitet metakognitive und motivationale, soziale und kulturelle Vor-
und gut geeignet ist (. Abb. 18.1). Das sogenannte Angebots- aussetzungen. Die Bedeutung der individuellen Schülervor-
Nutzungs-Modell wurde maßgeblich von Helmke (2012) auf- aussetzungen wurde bereits in den 1980er-Jahren von Brophy
bauend auf mehreren Vorläufermodellen entwickelt. Wäh- und Good (1986) betont. Neuere empirische Untersuchungen
rend ältere Modelle davon ausgehen, dass Unterricht die belegen in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Zu-
Lernergebnisse der Lernenden direkt beeinflusst (Bloom sammenspiels individueller Schülervoraussetzungen für un-
1976; Carroll 1963), bilden Angebots-Nutzungs-Modelle sehr terrichtliche Interaktionen (z. B. Jurik, Gröschner & Seidel
viel umfassender die Wechselwirkungen zwischen Lernen- 2013). In Helmkes (2012) Modell wird zudem deutlich, dass
den, Lehrenden sowie institutionellen und informellen Kon- Lernende mitverantwortlich für die Konstruktion ihres Wis-
textbedingungen schulischen Lernens ab. Unterricht wird sens sind.
hier als Angebot verstanden, das Lehrende für ihre Schü- Passend zu der oben dargestellten Multikriterialität von
lerinnen und Schüler machen, das aber nicht automatisch Unterricht werden im Angebot-Nutzungs-Modell die Erträge
in idealer Weise von ihnen genutzt wird. Zur Beschreibung des Unterrichts im Sinne von Lernergebnissen nicht ein-
und Erklärung der Faktoren, die beim Unterrichten eine dimensional beschrieben – es können fachliche und über-
Rolle spielen, sind solche theoretischen Modellvorstellungen fachliche Ergebnisse sein, beispielsweise Wissen und Kön-
sehr hilfreich, auch wenn sie die Realität im Klassenzimmer nen, Überzeugungen und Interessen bezüglich eines Faches
niemals vollumfänglich wiedergeben können oder wollen. oder überfachliche Kompetenzen wie etwa Lern- oder Pro-
Das Angebots-Nutzungs-Modell reflektiert den gegenwärti- blemlösestrategien. Im Blickpunkt stehen also nicht nur die

Familie
Lehrperson
Strukturelle Merkmale (Schicht , Sprache , Kultur, Bildungsnähe):
Professionswissen
Prozessmerkmale der Erziehung und Sozialisation
Fachliche,
didaktische, Unterricht
diagnostische und (Angebot)
Lernpotenzial
Klassenführungs-
Vorkenntnisse, Sprache(n), Intelligenz; Lern- und Gedächtnis-
kompetenz Prozessqualität des
strategien, Lernmotivation, Anstrengungsbereitschaft,
Unterrichts
Pädagogische Ausdauer, Selbstvertrauen
Orientierungen - Fachübergreifend
Erwartungen und Ziele - Fachspezifisch
Wahrnehmung Lernaktivitäten Wirkungen
Engagement , Geduld Qualität des und (Nutzung) (Ertrag)
und Humor Lehr-/Lern-Materials Interpretation
Aktive Lernzeit Fachliche Kompetenzen
und Unterricht
Fachübergreifende
Außerschulische Kompetenzen
Unterrichtszeit Lernaktivitäten
Erzieherische
Wirkungen der Schule

Kontext

Kulturelle Regionaler Schulform Klassen- Didaktischer Schulklima


Rahmenbedingungen Kontext Bildungsgang zusammensetzung Kontext Klassenklima

. Abb. 18.1 Modifiziertes Angebots-Nutzungs-Modell (nach Helmke 2012 zitiert nach Kunter & Trautwein 2013)
358 Kapitel 18  Unterrichtsqualität

„Freiarbeit“ zeigt: Lipowsky (2002) erläutert für die Grund-


(kognitive) Lern- und Leistungsentwicklung von Lernenden,
schule, dass offene Lernsituationen nicht generell, sondern in
sondern auch die Persönlichkeits- und motivational-affektive
Abhängigkeit von den Schülerinnen und Schülern, den Lehr-
Entwicklung. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich die
vielen Parameter im Modell (die verschiedenen Boxen in kräften, den Kontexten und den Inhalten wirken. Freiarbeit
. Abb. 18.1) von Fall zu Fall unterschiedlich auswirken kön-
ist auf Ebene der Sichtstruktur vermutlich leicht zu erkennen,
da sie durch bestimmte Verhaltensweisen charakterisiert ist.
nen: „Je nach fachlichem (und damit zugleich curricularem)
Wichtig ist die Ebene der darunterliegenden Prozesse (Tie-
Kontext ist mit qualitativen Unterschieden der Wirkungszu-
sammenhänge zu rechnen: Was für Mathematik/5. Klassen- fenstruktur) bei der Freiarbeit und damit die Qualität der
Lern- und Arbeitsprozesse: Werden Fragen gestellt, die kog-
stufe gilt, lässt sich nur begrenzt auf andere Fächer und/oder
Klassenstufen übertragen“ (Helmke 2002, S. 263). nitive Prozesse auslösen? Wird zum Elaborieren, Organisie-
Als Zwischenfazit aus den beiden vorangegangen Ab-ren und Zusammenfassen angeregt? Bietet sich das Lernma-
terial an, um bestimmte Fertigkeiten zu routinisieren? Gibt
schnitten ist festzuhalten, dass eine vordergründige Unter-
es auch in dem offenen Setting genügend Zielklarheit und
scheidung in „guten“ und „schlechten“ Unterricht schwierig
Struktur, damit alle Lernenden wissen, was sie zu tun haben?
ist, weil Unterricht von vielen Faktoren mitbestimmt wird.
All diese Aspekte können unter dem Begriff „Freiarbeit“ zu-
Was guten Unterricht ausmacht, lässt sich nur mit Bezug auf
sammengefasst werden – hier kann es große Unterschiede
Kriterien bestimmen: Beispielweise werden Lehrkräfte, die
geben, obwohl sich die Freiarbeit womöglich auf der Sicht-
auf möglichst großen durchschnittlichen Leistungszuwachs,
ebene für außenstehende Betrachter sehr ähnlich darstellt.
auf eine Verringerung von Leistungsunterschieden und die
Förderung von Selbstvertrauen in das eigene Lernen Wert Wir sehen also: Sichtstrukturen und Tiefenstrukturen
legen, beim Unterrichten auf andere Unterrichtsmerkmaledes Unterrichts variieren oft unabhängig voneinander. In ei-
ner Reihe von Studien gehen die Autorinnen und Autoren
setzen als Lehrkräfte, denen vor allem an der Entwicklung
sozialer Kompetenzen und Werthaltungen gelegen ist. Gu-noch einen Schritt weiter und schlussfolgern, dass es weniger
von Merkmalen der Sicht- als von Merkmalen der Tiefen-
ter Unterricht zeigt sich in einer gelungenen Kombination
von Unterrichtselementen bzw. dem jeweils angemessenen strukturen abhängt, ob Unterricht erfolgreich ist (z. B. Hattie
Umgang mit Gestaltungselementen angesichts bestimmter 2008; Seidel & Shavelson 2007). Für erfolgreichen Unter-
Voraussetzungen und Bedingungen (7 Kap. 17). richt im beschriebenen Sinne ist es deshalb wichtig, die Pro-
zesse zu benennen, die bestimmen, welche kognitiven und
1 Oberflächen- und Tiefenstrukturen von Unterricht motivational-affektiven Prozesse im Unterricht ausgelöst und
Für die Beschreibung und Planung von Unterricht ist die vorangetrieben werden. Welches sind also die Tiefenstruktu-
Unterscheidung zwischen Sicht- und Tiefenstrukturen des ren, die erfolgreichen Unterricht ausmachen? Eine wichtige
Unterrichts wichtig (Oser & Baeriswyl 2001). Einteilung, die sich in den letzten Jahren in der Forschung
etabliert hat, haben Klieme, Lipowsky, Rakoczy und Ratzka
(2006) in einem Projekt zum Mathematikunterricht vorge-
Sichtstrukturen (auch: Oberflächenstrukturen) können schlagen.
„direkt“ durch das Betrachten der Unterrichtssituation
erkannt werden. Dazu zählen z. B. die Sozialform (Einzel-
arbeit, Partnerarbeit, Gruppenarbeit, Plenumsunterricht),
18.3 Basisdimensionen der
der Medieneinsatz (z. B. Tafel, Buch, digitale Medien) oder
Redeanteile von Lehrpersonen sowie Schülerinnen und
Unterrichtsqualität
Schülern.
Zur Identifikation der Tiefenstrukturen ist es notwen- Nach umfangreichen theoretischen Vorarbeiten und der
18 dig, das Unterrichtsgeschehen stärker zu interpretieren. Konsultation der Ergebnisse einer Vielzahl von Studien kom-
Fragen, die sich dem Betrachter hier stellen sind z. B.: men Klieme et al. (2006) zu dem Schluss, dass vor allem drei
Wie kognitiv anregend ist der Unterricht? Gibt es eine Bereiche eine wichtige Rolle für die gut organisierte und kon-
„Fehlervermeidungskultur“ (Oser & Baeriswyl 2001), die struktive Gestaltung einer unterrichtlichen Lernumgebung
dazu führt, dass die Lernenden sich lieber nicht mit Fragenspielt: kognitive Aktivierung, Klassenführung und konstruk-
oder Vermutungen zu Wort melden, um nicht in die Gefahr tive Unterstützung werden als „Basisdimensionen guten Un-
zu geraten, einen (unerwünschten) Fehler zu machen? Wie terrichts“ verstanden, die wir im Folgenden erläutern wollen.
wertschätzend ist der Umgang miteinander? Diese sind als eine wichtige Grundlage für die Ausprägun-
gen von Unterricht zu verstehen, die sowohl konzeptuelles
Verständnis als auch die Motivation von Schülerinnen und
Es wäre naheliegend zu denken, dass das eine das andere Schülern fördern sollen.
bedingt: Lehrende, die auf der Sichtebene guten Unterricht Die theoretische Grundlage der drei Basisdimensionen
halten (also beispielsweise vielfältige Sozialformen einset- bilden Beiträge aus unterschiedlichen Forschungstraditionen
zen), sind auch hinsichtlich der Tiefenstruktur erfolgreich der letzten 50 Jahre, Arbeiten der Schuleffektivitätsforschung,
(z. B. anregen, aus Fehlern zu lernen). Dies hat sich aber in Arbeiten der empirischen Unterrichtsforschung sowie Arbei-
mehreren Studien als Fehlschluss erwiesen, wie das Beispiel ten in reformpädagogischer und fachdidaktischer Tradition.
18.3  Basisdimensionen der Unterrichtsqualität
359 18
In der Terminologie des Angebots-Nutzungs-Modells ist anschließenden Abschnitt genauer beschrieben – erreicht,
dabei bedeutsam, wie Schülerinnen und Schüler Angebote indem Störungen möglichst gar nicht erst aufkommen, in-
der Lehrperson bezüglich der drei Basisdimensionen in der dem z. B. alle Schülerinnen und Schüler in Lernaktivitäten
jeweiligen Unterrichtssituation nutzen und wie sich diese auf involviert werden, diese Aktivitäten reibungsfrei ineinander
ihr Lernen auswirken. übergehen und die Lehrkraft eine gewisse Allgegenwärtigkeit
Eine wichtige Grundüberlegung zum Erwerb von Wissen zeigt (Seidel 2015).
und konzeptuellem Verständnis ist das Konzept der kogni- Die im Folgenden genauer vorgestellten drei Basisdimen-
tiven Aktivität nach Mayer (2004, vgl. auch Renkl 2008). sionen sind als integrative Elemente zu verstehen, das heißt
Unterricht wird als „gut“ oder qualitativ hochwertig bezeich- durch eine positive Umsetzung einer Dimension kann eine
net, wenn er kognitive Aktivitäten auslöst, aufrechterhält andere ebenfalls positiv beeinflusst werden.
und steuert. Diese kognitiven Aktivitäten sollen ermöglichen,
dass Lernende Inhalten Relevanz zuschreiben, ein Verständ-
nis von Prinzipien entwickeln oder bestimmte Argumenta- Studie: „One lesson is all you need?“
tionen nachvollziehen und Anwendungsbezüge für erwor- Praetorius, Pauli, Reusser, Rakoczy und Klieme (2014) unter-
benes Wissen herstellen können. In der theoretischen Fun- suchten wie viele Unterrichtsbeobachtungen nötig sind, um
dierung von Unterrichtsqualität spielt es eine wichtige Rolle, eine verlässliche Aussage über die Ausprägung der drei Basis-
ob solche kognitiven Aktivitäten bei möglichst vielen Schü- dimensionen treffen zu können. Hierfür stuften die Forscherin-
lerinnen und Schülern einer Lerngruppe entstehen. Unter nen und Forscher je fünf Unterrichtsvideos von N D 38 Ma-
kognitive Aktivierung versteht man deshalb den Anregungs- thematiklehrkräften der achten und neunten Jahrgangsstufe in
gehalt von unterrichtlichen Maßnahmen für die Initiierung Deutschland und der Schweiz mithilfe von Items auf einer 4-
kognitiver Aktivität auf Seiten der Lernenden. stufigen Skala ein (von „trifft nicht zu“ bis „trifft zu“). Dabei zeig-
In vielen pädagogisch-psychologischen Forschungsarbei- te sich stabiles Lehrkraftverhalten bezüglich Klassenführung
ten wurde die kognitive Aktivierung als ein Faktor identifi- und konstruktiver Unterstützung über Unterrichtsstunden hin-
ziert, der hinter den beobachtbaren Aktivitäten stehen muss, weg. 63 % der beobachteten Varianz in der Klassenführung wa-
damit bedeutungsvolles Lernen für möglichst viele Schüle- ren an die unterschiedlichen Lehrpersonen gebunden, 13 % an
rinnen und Schüler stattfinden kann (Lipowsky 2015). Je unterschiedliches Verhalten der Lehrperson in ihren fünf Unter-
nach Anforderungen des Fachs können zielführende kogni- richtsstunden. Das heißt, die Lehrpersonen unterschieden sich
tive Aktivitäten sehr unterschiedlich sein. Im Mathematik- in hohem Maß in der Qualität ihrer Klassenführung, eine Lehr-
unterricht wird es beispielsweise sinnvoll sein, im Unterricht kraft, die Klassenführung aber einmal erfolgreich umsetzte, tat
statt Routineaufgaben anspruchsvolle und offene Aufgaben dies aber mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den Folge-
mit verschiedenen Lösungswegen zu verwenden, während stunden. Bezüglich der konstruktiven Unterstützung konnten
Experimentieren im Naturwissenschaftsunterricht problem- sogar nur 5 % der Varianz durch stundenspezifisches Verhalten
basierte Lerngelegenheiten schafft, der Religionsunterricht erklärt werden – Lehrpersonen verhielten sich diesbezüglich
mit Bildern zeitgenössischer Kunst arbeiten oder der Litera- also sehr stabil. Ein anderes Bild zeigte sich für die kognitive
turunterricht zu kritischen Kommentaren anregen kann. Aktivierung: Hier waren lediglich 46 % der Varianz über die Un-
Als motivationstheoretische Grundlage der konstruktiven terrichtsstunden hinweg an die Lehrpersonen gebunden. Das
Unterstützung wird häufig auf die in der Selbstbestimmungs- heißt, eine Lehrkraft, der in einer Unterrichtsstunde kognitive
theorie der Motivation nach Ryan und Deci (2002) sowie Aktivierung entlang der Ratingkriterien gelang, konnte dies in
der pädagogisch-psychologischen Interessentheorie (Krapp einer Folgestunde nicht unbedingt erneut realisieren. Mithil-
2002) beschriebene Struktur von Bedingungen für selbstbe- fe der Generalizability Theory (Shavelson 2004), die überprüft,
stimmt motiviertes Lernen zurückgegriffen. Lernende profi- wie viele Messungen nötig sind, um eine verlässliche Aussage
tieren demnach besonders von einem Lernumfeld (z. B. Un- treffen zu können, kommt die Forschergruppe zu dem Schluss,
terrichtsangebot), das sie in ihrem Streben nach Autonomie, dass für die reliable Erfassung von kognitiver Aktivierung neun
Kompetenzerleben und sozialer Eingebundenheit unterstützt Unterrichtsobservationen nötig sind. Es bedarf also zahlreichen
und damit ein positives emotionales Erleben wahrschein- Beobachtungen, um ein verlässliches Bild über die Umsetzung
lich macht. Eine Vielzahl von Studien weist darauf hin, dass kognitiv aktivierender Maßnahmen im Unterricht zu erhalten,
beispielsweise wertschätzende Beziehungen zwischen Lehr- während zur Erfassung der beiden anderen Dimensionen je-
kräften und ihren Schülerinnen und Schülern, positive und weils eine Beobachtung genügt.
informative Rückmeldungen sowie Freiheitsgrade beim Ler- Die vorgestellte Studie zeigt, dass Klassenführung und kon-
nen und Arbeiten, selbstbestimmte Motivation im Unterricht struktive Unterstützung einer höheren Stabilität zu unterliegen
fördern (7 Kap. 11). scheinen, während kognitive Aktivierung stärker stundenspe-
Als grundlegend wird schließlich die Dimension Klas- zifisch ausfällt. Umso wichtiger ist es, dass Lehrpersonen ein
senführung (classroom management) angesehen. Klassenfüh- fundiertes Wissen über die Umsetzungsmöglichkeiten der Ba-
rung fasst Maßnahmen zusammen, die von der Lehrkraft er- sisdimensionen haben, um situationsangemessen in der einzel-
griffen werden, damit den Schülerinnen und Schülern mög- nen Unterrichtsstunde, aber auch stabil über die Zeit hinweg
lichst viel Lernzeit zur Verfügung steht. Dies wird – wie im Unterrichtsqualität zu erzeugen.
360 Kapitel 18  Unterrichtsqualität

18.3.1 Klassenführung Im Folgenden stellen wir die Schlüsselfunktionen von


Klassenführung vor.
Definition: Klassenführung
1 Regeln und Normen
Die Basisdimension Klassenführung beschreibt, inwiefern Wie die Definition von Klassenführung verdeutlicht, ist eine
die Lehrperson für einen strukturierten, klaren und wichtige Funktion dabei, Unterricht möglichst störungsarm
störungspräventiven Unterricht sorgt, um maximal zu halten. Studien zeigten in diesem Zusammenhang, dass
mögliche Unterrichtszeit zur Auseinandersetzung mit störungsarmer Unterricht positiv mit dem Lernen von Schü-
Lerninhalten zu gewährleisten (Weinert 1996). lerinnen und Schülern zusammenhängt (Kunter et al. 2007;
Rakoczy 2007). Je geringer das unterrichtliche Störungsauf-
Gelingende Klassenführung ist ein zentrales Element kommen, desto höher schätzen Schülerinnen und Schüler
für die Berufszufriedenheit von Lehrpersonen (Dicke et al. ihre kognitiven Aktivitäten und Herausforderungen sowie ihr
2015). In der Vorstellung von Lehramtsstudierenden ist Klas- positives emotionales Erleben im Unterricht ein.
senführung in den ersten schulpraktischen Erfahrungen häu- Regeln und Normen, die von der Lehrperson gemein-
fig entscheidend für erlebte Erfolge und Misserfolge. Dabei sam mit den Lernenden entwickelt und etabliert werden,
fällt auf, dass Studierende Klassenführung häufig gleichset- bilden eine Grundlage um Störungen vorzubeugen. Außer-
zen mit Disziplinierung oder gekonntem Bestrafen. Im Fol- dem ist es bei klaren Regeln leicht nachzuvollziehen, wann
genden möchten wir diese eingeschränkte Sicht auf Klassen- und warum Lehrkräfte Disziplinierungsmaßnahmen anwen-
führung genauer beleuchten und aufzeigen, warum Diszi- den. Schönbächler (2006) konnte in diesem Zusammenhang
plinierungsmaßnahmen im Unterrichtsgeschehen nur dann Folgendes zeigen: Schülerinnen und Schüler (N D 923), die
eingesetzt werden sollten, wenn das normale unterrichtliche zu den wichtigsten Regelsystemen im Klassenzimmer befragt
Handwerkszeug, das wir in diesem Abschnitt vorstellen wer- wurden, gaben an, dass Regeln im Bereich Ordnung/Ruhe
den, nicht mehr ausreicht. Klassenführung ist eine komplexe am bedeutendsten waren (61,6 % der Nennungen), Lehr-
Tätigkeit, die Lernsituationen rahmt und viel mehr ist als nur personen (N D 605) hingegen schätzten Regeln bezüglich
Disziplinierung. Sie ist als eine integrative und präventive Di- sozialer Interaktionen als die wichtigsten ein (48,4 % der
mension zu verstehen, beinhaltet den Blick auf viele Aspekte Nennungen). Regelklarheit bezüglich der Interaktionen im
des Unterrichts und ist viel mehr als nur das Disziplinieren Klassenverband wird in der Literatur auch als wichtig für die
von Störverhalten. kognitive Aktivierung herausgestellt (z. B. Walshaw & An-
thony 2008). Durch ein explizites Klären von Regeln und
Im Fokus: Ein Beispiel aus der Medizin Verantwortlichkeiten wird sichergestellt, dass Schülerinnen
und Schüler wissen, wann und wie von ihnen erwartet wird,
Bei einem Patienten wird Bluthochdruck diagnostiziert. am Unterrichtsgeschehen aktiv teilzunehmen, und was Stö-
Selbstverständlich ist zum Zeitpunkt der Diagnose eine rungen vorbeugen kann (7 Kap. 21).
Behandlung der Symptome nötig, damit es nicht zu weit- Neben der Transparenz von Regeln erwies sich die Ad-
reichenderen Folgen kommt. Auf längere Sicht gesehen aptivität und Flexibilität von Lehrpersonen in unerwarteten
wird ein guter Arzt sich in dieser Situation aber immer auf Unterrichtssituationen als positiv prädiktives Merkmal für
Ursachensuche begeben und den Patienten nach seiner Vor- Schülerleistungen. Beispielsweise ließ die adaptive und flexi-
geschichte und Lebensweise befragen. Anschließend wird ble Reaktion auf fehlendes Vorwissen (etwa Inhalte spontan
der Arzt Empfehlungen aussprechen, welche Maßnahmen zu wiederholen, wenn dies angezeigt ist) eine Vorhersage da-
der Ursache des Bluthochdrucks begegnen, um ungesunde rüber zu, wie gut die Lernenden ihre Lehrkraft akzeptierten
Verhaltensweisen möglichst einzudämmen. Beim Übertra- (Neuenschwander 2006). Auf Möglichkeiten der adaptiven
18 gen dieser Diagnosesituation auf das Klassenzimmer – und Unterrichtsgestaltung wird im letzten Teil dieses Kapitels ge-
hier im Speziellen auf die Klassenführung – gilt es, gleiche nauer eingegangen.
Überlegungen anzustellen: Wann ist es nötig Symptome,
also z. B. das „Fehlverhalten“ einer Schülerin oder eines 1 Management von Lernzeit
Schülers, zu behandeln und Disziplinierungsmaßnahmen Neben dem Geringhalten von Störungen ist das Management
wie z. B. Ermahnungen oder time outs anzuwenden? Wann von Lernzeit eine weitere Schlüsselfunktion von Klassenfüh-
ist es nötig, an den Ursachen anzusetzen, also z. B. an der rung. Darunter werden Maßnahmen verstanden, die von der
Langeweile, die durch mangelnde Stringenz des Lehrervor- Lehrperson getroffen werden, um die Lernzeit für die Ausein-
trags oder fehlende Klarheit von Arbeitsaufträgen entsteht? andersetzung mit Lerninhalten (time on task) zu maximieren.
Diese Langeweile mit ihren Ursachen könnte als Ergebnis Zum Management von Lernzeit gehört, dass Lehrende sowie
eines diagnostischen Prozesses erkannt worden sein und Schülerinnen und Schüler pünktlich zum Unterricht kom-
ihr könnte durch entsprechende Maßnahmen vorgebeugt men und dass in einem für möglichst viele angemessenen
werden – beispielsweise durch eine stringentere, besser Tempo vorgegangen wird (da vermeintlich effizientes, zügiges
geplante und durchdachte Vorgehensweise der Lehrper- Vorgehen häufig mit Extraschleifen verbunden ist, weil eini-
son und durch besser organisierte Anweisungen für die ge Lernende den Anschluss verloren haben). Auch das Poolen
Schülerarbeitsphasen. von Stunden zu Doppeleinheiten kann helfen, aktive Lernzeit
zu maximieren – beispielsweise in Fächern, in denen Aufbau-
18.3  Basisdimensionen der Unterrichtsqualität
361 18
arbeiten nötig sind, z. B. für anschließendes Experimentieren. weiterung und Verständnis legte), zu einer an Performanzzie-
Es konnte gezeigt werden, dass großzügig bemessene Lernzeit len (Fokus auf die Demonstration von Kompetenzen und das
positiv mit der Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schü- Verbergen von Kompetenzdefiziten) orientierten Lehrperson
ler zusammenhängt (Brophy & Good 1986). bewirkte, dass Schülerinnen und Schüler sich angesichts der
Die Strukturierung von Unterricht sowie eine explizite größeren Bedeutung von Leistungssituationen im Unterricht
Orientierung an Lernzielen, die Schülerinnen und Schülern nach dem Wechsel stärker störend und unberechenbarer ver-
transparent gemacht werden, gelten als wichtige Gestaltungs- hielten (7 Kap. 11).
kriterien, um maximale Lernzeit bereitzustellen. Der Unter- Als Zwischenfazit lässt sich sagen, dass die Schlüssel-
richt von diesbezüglich erfolgreichen Lehrpersonen zeichnet funktionen von Klassenführung zumeist präventiv orientiert
sich aus durch ein für die Lernenden explizites Lernziel, sind, Störungen also durch die Umsetzung bestimmter Un-
einen roten Faden durch den Unterrichtsverlauf und klare terrichtsqualitätsmerkmale wie z. B. einer expliziten Orien-
Arbeitsanweisungen (Mayr 2006). Obwohl die positive Wir- tierung an Lehr- und Lernzielen oder einer Trennung von
kung der genannten Aspekte auf die Lernentwicklung von Lern- und Leistungssituationen vorgebeugt werden kann.
Schülerinnen und Schülern gezeigt wurde (Seidel, Rimme-
le & Prenzel 2005), werden Ziele im deutschen Unterricht1 Techniken der Klassenführung nach Kounin
häufig nur unzureichend explizit gemacht (Seidel 2011). Der- In Bezug auf Klassenführungselemente auf der konkreten
zeit gibt es Bestrebungen in der Lehrerbildung, Studierende Handlungsebene leistete Kounin (1976/2006) Pionierarbeit.
bereits in der ersten Phase der Ausbildung bezüglich die- Er begann bereits in den 1950er Jahren dazu zu forschen,
ser Komponente zu schulen. Dabei konnte gezeigt werden, auch heute noch sind seine „Techniken der Klassenführung“,
dass Studierende, die im Rahmen eines Praxissemesters ein die wir in diesem Abschnitt vorstellen wollen, von großer
diesbezügliches Begleitseminar besuchten, ihre professionel- Relevanz. Kounin begann seine ausgiebigen Forschungen
le Unterrichtswahrnehmung mit Blick auf die Orientierung nach einer persönlichen Erfahrung als Hochschullehrer: In
an Lernzielen verbesserten (Stürmer, Könings & Seidel 2013). einer seiner Veranstaltungen las einer der Studierenden Zei-
tung, woraufhin Kounin diesen öffentlich maßregelte. Als
1 Lernförderliches Klassenklima Konsequenz musste er feststellen, dass sich daraufhin alle
Eine weitere präventive Schlüsselfunktion von Klassenfüh- Studierenden wesentlich zurückhaltender verhielten, weniger
rung ist es, durch entsprechende Lernbegleitung ein lern- an Gesprächen teilnahmen und auf ihre Unterlagen starr-
förderliches Klassenklima herzustellen und damit Störun- ten. Die Beobachtung dieser unbeabsichtigt hervorgerufenen
gen vorzubeugen. Um Lernprozesse begleiten zu können ist Verhaltensweisen veranlasste ihn dazu, Maßnahmen zur Dis-
es wesentlich, dass die Lehrperson externe (also sichtbare) ziplinierung genauer zu erforschen und auf dieser Grundlage
Lernaktivitäten beobachtet und interne (also nicht sichtba- seine Techniken zu entwickeln (. Abb. 18.2).
re) Lernprozesse diagnostizieren kann. Vor allem Letzteres Kounins Techniken stehen im Einklang mit den im vor-
ist nur dann möglich, wenn Schülerinnen und Schüler die angegangen Abschnitt hervorgehobenen hauptsächlich prä-
Möglichkeit erhalten, ihre Lernprozesse öffentlich zu ma- ventiven Maßnahmen von Klassenführung – er kam ebenfalls
chen, das heißt sich aktiv zu beteiligen, eigene Ideen zu äu- zur Erkenntnis, dass nicht die Art der Disziplinierungsmaß-
ßern sowie Erklärungen, Fragen und Probleme einzubringen. nahmen bei Störungen entscheidend ist, sondern vielmehr
Walshaw und Anthony (2008) regen in diesem Zusammen- eine strukturierte und kognitiv aktivierende Gestaltung von
hang an, Verantwortlichkeiten für die aktive Partizipation Lernumgebungen. Verglichen werden kann dies mit einem
am Unterrichtsgeschehen zu klären: Für Schülerinnen und Auto, das mit den vier Rädern „Allgegenwärtigkeit und
Schüler ist es wichtig zu wissen, dass von ihnen erwartet Überlappung“, „Reibungslosigkeit und Schwung“, „Grup-
wird, am Unterrichtsgeschehen teilzunehmen, sie von der penmobilisierung“ sowie „Abwechslung und Herausforde-
Lehrperson aber auch die Möglichkeit dafür eingeräumt be- rung“ fährt und lediglich den Ersatzreifen „Disziplinierungs-
kommen (7 Kap. 21). Diesbezüglich konnte gezeigt werden, maßnahmen“ im Kofferraum hat.
dass Schülerinnen und Schüler in stark von der Lehrperson
dominierten Interaktionen über ein geringeres Autonomie-1 Allgegenwärtigkeit und Überlappung
empfinden berichten, was wiederum die Wertschätzung der Mit Allgegenwärtigkeit meint Kounin, inwiefern Lehrende
Beziehung zur Lehrperson negativ beeinflusst (Rakoczy 2007; Omnipräsenz im Klassenzimmer zeigen und den Lernenden
Seidel et al. 2005). Eine wechselseitig wertschätzende Bezie- klar ist, dass ihre Lehrperson über alle Geschehnisse im Un-
hung stellt allerdings eine wichtige Grundlage für störungs- terricht informiert ist. Eine hohe Allgegenwärtigkeit hängt
armen Unterricht dar. positiv mit dem Mitarbeitsverhalten und negativ mit dem
Um für ein lernförderliches Klassenklima zu sorgen und Störverhalten von Schülerinnen und Schülern zusammen.
zur Partizipation zu ermutigen, ist es von zentraler Bedeu- Mit der Allgegenwärtigkeit geht die Überlappung einher, die
tung, Lern- von Leistungssituationen zu trennen. Einen in- beschreibt, dass die Lehrperson mehrere Dinge im Klassen-
teressanten Befund dazu stellen Turner und Patrick (2004) zimmer gleichzeitig im Blick hat und darauf reagiert. Am
vor: In einer Klasse wurde das Schülerverhalten vor und nach Beispiel eines während einer Lernaktivität auftretenden Stör-
einem Lehrerwechsel betrachtet. Der Wechsel von einer Lehr- verhaltens (also zweier überlappender Ereignisse) wäre in
kraft, die Lernziele betont (also den Fokus auf Kompetenzer- diesem Sinne eine gute Reaktion, dass die Lehrperson das
362 Kapitel 18  Unterrichtsqualität

Disziplinierung Fähigkeit des Lehrenden, bei Störungen auf eine klare, feste und nicht zu harte Weise zu reagieren.

Verdeutlichung an die Lernenden, dass die Lehrkraft über Situationen im Klassenzimmer stets informiert
Allgegenwärtigkeit
ist und gegebenenfalls einschreiten wird; sowie die Fähigkeit, bei gleichzeitig auftretenden Problemen die
und Überlappung
Aufmerksamkeit simultan auf mehrere Dinge zu richten.

Reibungslosigkeit Fähigkeit des Lehrenden, für einen flüssigen Unterrichtsverlauf zu sorgen und speziell in Übergangsphasen
und Schwung für eine fortgesetzte Auseinandersetzung mit den Lerninhalten zu sorgen.

Fähigkeit des Lehrenden, sich auf die Gruppe als Ganzes zu konzentrieren; gleichzeitig aber auch
Gruppenmobilisierung
die Fähigkeit, die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler individuell zu unterstützen.

Abwechslung und Fähigkeit des Lehrenden, die Lernaktivitäten (insbesondere in Stillarbeitsphasen) so zu gestalten, dass sie
Herausforderung abwechslungsreich und herausfordernd erlebt werden.

. Abb. 18.2 Merkmalsbereiche einer effektiven Klassenführung (nach Kounin 1976/2006) übernommen aus Seidel & Schindler (2018)

Fehlverhalten nur kurz und bündig ermahnt, sich dann aber unterschätzen, von Mobilisierung im Sinne einer Integration
schnell wieder der Lernaktivität widmet. Eine stärkere Fokus- in Interaktionen profitieren (Huber et al. 2015) (7 Kap. 11).
sierung der Lernaktivitäten anstelle der Störungen begünstigt
laut empirischer Ergebnisse die Mitarbeit von Schülerinnen1 Abwechslung und Herausforderung
und Schülern, was im Einklang mit den Befunden zum time Neben dem binnendifferenzierenden Charakter von Lern-
on task steht (Weinert & Helmke 1997). material ist es zudem von Relevanz, wie abwechslungsreich
und herausfordernd das Material für die Lernenden ist. Ei-
1 Reibungslosigkeit und Schwung ne abwechslungsreiche und herausfordernde Lernumgebung
Als reibungslos und schwungvoll ist Unterricht anzusehen, variiert verschiedene Sozialformen, bezieht das gesamte Klas-
dessen Verlauf strukturiert entlang eines roten Fadens ver- senzimmer als Lernort mit ein, ist intellektuell heraus- aber
läuft und damit zur fortgesetzten Auseinandersetzung der nicht überfordernd und anschaulich gestaltet. Auch für die-
Schülerinnen und Schüler mit den Lerninhalten führt. Auch se beiden Aspekte konnte Kounin positive Zusammenhänge
dies wirkt sich gemäß Kounins (1976/2006) Befunden positiv mit dem Schülerverhalten feststellen.
auf die Mitarbeit sowie das Ausbleiben von Störungen aus.
Um die Reibungslosigkeit zu gewährleisten, ist vor allem die1 Disziplinierungsmaßnahmen
Orientierung an einem Lernziel unabdingbar (Seidel 2011). Mit der letzten Technik beschreibt Kounin das, was wir als
„Ersatzreifen“ bezeichnet haben, d. h. die Frage der Gestal-
1 Gruppenmobilisierung tung von Disziplinierungsmaßnahmen, um unerwünschten
Eine wichtige Aufgabe der Lehrperson besteht darin, mög- Störungen zu begegnen. Die Modifikation pädagogisch un-
18 lichst viele Schülerinnen und Schüler zu mobilisieren und erwünschten Verhaltens hat eine lange Tradition in der For-
sie in den Unterricht einzubinden. Dies bedeutet im Sinne schung zum Lernen von Verhalten bzw. operanten Kondi-
des Angebot-Nutzungs-Modells erstens, binnendifferenzier- tionieren (7 Kap. 1). Die Lehrperson sollte auf eine klare,
tes Lernmaterial für Schülerinnen und Schüler mit unter- feste und nicht zu harte Weise reagieren. Klarheit meint da-
schiedlichen kognitiven und affektiven Voraussetzungen be- bei die Konkretheit der Information, die dem Lernenden bei
reitzustellen, und zweitens, die Lernenden in Interaktionen einer Maßregelung gegeben werden. So wird unterschieden
zu involvieren. Dies ermöglicht, dass Lernende aktiv gemäß zwischen einer wenig ratsamen informationsarmen Diszipli-
ihrer Voraussetzungen eingebunden sind. Sie haben die Mög- nierung („Lass das“), einer verhaltensbenennenden Diszipli-
lichkeit, sich mit dem Lerngegenstand auseinanderzusetzen nierung („Du sollst nicht mit deinem Nachbarn sprechen“)
und neigen dadurch weniger zu Störungen. In diesem Zu- und einer konstruktiven Disziplinierung, die Hinweise für
sammenhang zeigte sich, dass Lehrpersonen häufiger mit weiteres Verhalten gibt („Bitte konzentriere dich auf deine
Schülerinnen und Schülern mit günstigen Voraussetzungen Aufgabe“).
wie z. B. einem positiven Fähigkeitsselbstkonzept interagie- Daneben ist die Festigkeit ein weiterer Aspekt der Qualität
ren (Jurik, Gröschner & Seidel 2014). Neuere empirische einer Disziplinierungsmaßnahme. Dies meint, mit welcher
Befunde zeigen, dass vor allem Lernende, die über günstige Ernsthaftigkeit die Lehrperson die Maßnahme vornimmt, al-
kognitive Voraussetzungen verfügen, aber ein geringes Fähig- so z. B. durch Blickkontakt die Festigkeit bis zur Beendigung
keitsselbstkonzept haben und sich und ihre Leistungen eher des Fehlverhaltens untermauert.
18.3  Basisdimensionen der Unterrichtsqualität
363 18
Während bei Klarheit und Festigkeit „je mehr desto bes- Einbezug des Vorwissens auf Individualebene, dass Schüle-
ser“ gilt, ist dies beim dritten Charakteristikum von Diszipli- rinnen und Schüler mit geringem Vorwissen davon profi-
nierungsmaßnahmen anders: Unter Härte wird das gezeigte tierten, wenn Lerninhalte klar strukturiert waren. In einem
Maß an Aggressivität verstanden (z. B. Zorn durch böse Bli- zweiten Schritt zeigte sich, dass die kognitive Aktivität ein
cke oder angedrohte Strafen). Von dieser sollte nur soweit wie Prädiktor der Leistungsentwicklung war, wenn das individu-
gerade zur Durchsetzung der Maßnahme nötig Gebrauch ge- elle Vorwissen mit einbezogen wurde. Das bedeutet, dass bei
macht werden. einer höheren (wahrgenommenen) kognitiven Aktivität die
Schülerinnen und Schüler ihr Vorwissen verstärkt nutzen,
was sich wiederum positiv auf die Leistung auswirkt.
18.3.2 Kognitive Aktivierung
Im Fokus: Strukturierungsmaßnahmen

Definition: Kognitive Aktivierung (u. a. Lipowsky 2007)


Kognitive Aktivierung bezeichnet all diejenigen Maß- 4 Klarheit von Lernmaterial: Adäquate Sprechgeschwin-
nahmen, welche die Lehrperson unternimmt, um die digkeit und -lautstärke, ein angemessenes Vokabular,
Schülerinnen und Schüler zur aktiven und tiefergehenden deutlich lesbare und übersichtliche Tafelanschriften sind
Auseinandersetzung mit Lernmaterialien anzuregen wichtige strukturierende Voraussetzungen für kognitiv
(Klieme et al. 2006). aktivierenden Unterricht. Ebenso essentiell ist die Qua-
lität von Arbeitsaufträgen: klare Formulierungen helfen
Lernenden zweifelsfrei zu wissen, was sie zu tun haben.
Grundlegende Annahmen des strukturierten Wissenser-
Entsprechende zum Lernziel passende Lernmateriali-
werbs (7 Kap. 2) werden auch für die Qualität von Unterricht
en, z. B. Arbeitsblätter, unterstützen beim Verstehen,
angenommen: Im Rahmen eines kognitiv aktivierenden Un-
Wiederholen oder Vertiefen von Lerninhalten.
terrichts können Schülerinnen und Schüler neues Wissen
4 Explizite Orientierung an Lernzielen ermöglichen: Um
an Vorwissen anknüpfen (organisierende Prozesse), Lern-
Lernanforderungen übernehmen zu können, brauchen
inhalte tiefgehend verarbeiten (elaborierende Prozesse) und
Lernende vor den eigentlichen Lerntätigkeiten einen
dargebotene Inhalte durch eine hohe Strukturierung nach-
Überblick über Lernziele: Je nach Altersstufe kann man
vollziehen (nachvollziehende Prozesse; Bransford & Dono-
mit Schülerinnen und Schülern anhand des Lehrplans
van 2005). Mayer (2004) postuliert, dass die Qualität von
besprechen, was in einem Schuljahr oder zu einem
Aktivitäten im Unterricht danach beurteilt werden sollte, in
bestimmten Thema verlangt ist und wie diese Ziele
welchem Umfang sie kognitive Verarbeitungsprozesse ansto-
erreicht werden können. Lernziele können auch anhand
ßen und zulassen. Im Sinne des Angebots-Nutzungs-Modells
von Beispielen und Alltagsbezügen veranschaulicht
gilt auch hier: Die Lehrkraft macht ein bestimmtes Angebot,
werden.
was bei entsprechender Qualität die Schülerinnen und Schü-
4 Gliedern, Zusammenfassen und Sichern: Es fällt Lernen-
ler wahrscheinlicher dazu anregt, kognitiv aktiv zu werden.
den dann leichter dargebotene Inhalte nachzuvollziehen
Im Folgenden stellen wir einige Qualitätsmerkmale vor, die
und zu elaborieren, wenn diese klar gegliedert sind.
im Zusammenhang kognitiver Aktivierung diskutiert wer-
Dafür ist es hilfreich, Teilschritte und -ergebnisse zusam-
den.
menzufassen und explizit zu sichern. In Übungs- und
Konsolidierungsphasen können so u. a. Unklarheiten
1 Strukturiertheit
im Lerngeschehen identifiziert werden. Abschließende
Wie bereits in 7 Abschn. 18.3.1 dargestellt, bilden Klarheit
Zusammenfassungen können das Einprägen zentraler
und Strukturiertheit eine wesentliche Grundlage für effekti-
Aspekte sowie das Anregen weiterer Fragen zum Thema
ven Unterricht. Lerninhalte, die systematisch organisiert sind
unterstützen.
und nachvollziehbar präsentiert werden, können schnell und
effizient verstanden und an Vorwissen angeknüpft werden. In
zahlreichen Studien zeigte sich ein positiver Zusammenhang
der Strukturiertheit des Unterrichts mit der Leistungsent-1 Aufgabenformate und Experimente
wicklung sowie dem motivationalen Erleben von Schülerin- Ein wichtiger Aspekt eines hochwertigen Unterrichts ist die
nen und Schülern (Rakoczy et al. 2007; Seidel & Shavelson Qualität von Aufgaben. Dabei geht es darum, inwiefern ei-
2007). Wie bereits berichtet, konnte für die Strukturiertheit ne Aufgabe offen ist, das heißt mehrere Lösungswege zulässt,
von Unterricht gezeigt werden, dass diese als wesentlicher herausfordernd aber nicht überfordernd ist und – im Sinne
Prädiktor für störungsarmen Unterricht gilt (Helmke & Wei- der kognitiven Aktivierung – das Vorwissen der Schüler ak-
nert 1997). Rakoczy, Klieme, Lipowsky und Drollinger-Vetter tiviert und mit einbindet. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist,
(2010) untersuchten, inwiefern eine stärkere Strukturiertheit dass Aufgaben in den roten Faden des Unterrichtsverlaufs
prädiktiv für die durch die Lernenden selbst berichtete kog- passend eingebettet werden und in ihrem Niveau den vor-
nitive Aktivität im Unterricht ist. Auf Klassenebene konnten angegangenen Theorieelementen entsprechen (Drollinger-
keine Effekte nachgewiesen werden, allerdings zeigte sich bei Vetter 2011).
364 Kapitel 18  Unterrichtsqualität

Ergebnisse der ersten TIMS-Studie (Trends in Internatio- entfällt (Seidel 2011). In diesem Zusammenhang konnte häu-
nal Mathematics and Science Study) zeigten im Zusammen- fig das Muster Initiation – Response – Follow-up identifiziert
hang mit der Aufgabenqualität, dass nur etwa jede zehnte vi- werden (Mercer & Dawes 2014). Die Lehrperson beginnt da-
deographierte Mathematikstunde Aufgaben beinhaltete, die bei meist mit einer Frage, woraufhin eine Schülerin oder ein
mehrere Lösungsansätze zuließen (Baumert et al. 1997). Zu Schüler antwortet und ein Feedback durch die Lehrperson
ähnlichen Ergebnissen kam auch die TIMSS-Erhebung im erfolgt (Cazden 2001). Dieses Muster ist nicht per se als pro-
Jahr 2000, in der die Schülerinnen und Schüler sehr häufig blematisch zu sehen, sondern seine Lernförderlichkeit hängt
berichteten, im Mathematikunterricht zumeist Informatio- vielmehr von seiner Qualität ab, die maßgeblich durch die
nen von der Tafel abzuschreiben, Gleichungen prozedural Qualität der Lehrerfrage gesteuert wird (Chin 2006). Ist die
zu lösen oder ihrer Lehrkraft beim Lösen von Aufgaben zu- Frage der Lehrperson geschlossen und erzwingt damit ein
zusehen (Baumert & Köller 2000). Auch zwölf Jahre später bestimmtes Stichwort, zeigen Studien negative Auswirkun-
berichteten im Rahmen von PISA nur 10 % der Schülerinnen gen unter anderem auf die Lernmotivation von Schülerinnen
und Schüler, dass Aufgaben im Mathematikunterricht einge- und Schülern (z. B. Jurik et al. 2014). Auch lassen stichworter-
setzt wurden, die mehr als einen offensichtlichen Lösungsweg zwingende Fragen nur eine geringe Beteiligung zu, die sich
zuließen (Schiepe-Tiska et al. 2013). wiederum als positiver Prädiktor für die wahrgenommene
Für den Physikunterricht konnte zudem gezeigt werden, kognitive Aktivierung von Schülerinnen und Schülern erwie-
dass Experimente dazu beitragen können, Schülerinnen und sen hat. Oliveira (2010) postuliert in Übereinstimmung mit
Schüler kognitiv zu aktivieren. Tesch (2005) sowie Seidel et al. den Kriterien kognitiv aktivierenden Unterrichts (Bransford
(2007) fanden allerdings Hinweise darauf, dass Experimente & Donovan 2005), dass eine anregende Frage offen, heraus-
zumeist lehrergesteuert und phänomenpräsentierend einge- fordernd und verknüpfend sein sollte. Durch solche Fragen
setzt wurden – d. h. in einer Weise, in der ihr Potenzial zur wird eine Verknüpfung mit vorhandenem Vorwissen geför-
kognitiven Aktivierung oft nicht genutzt wird. Laut Schüler- dert und Schülerinnen und Schüler können darauf aufbauend
angaben in PISA 2006 finden eigene Experimente nur in etwa neue Ideen elaborieren.
jeder fünften Unterrichtsstunde statt und sind dann zumeist Zusammenfassend lässt sich über Aufgaben, Experimente
ebenfalls durch die Lehrperson vorstrukturiert. Nur 14 % der und Lehrerfragen sagen, dass sie von herausragender Bedeu-
Schülerinnen und Schüler gaben an, eigene Experimente zu tung für die kognitive Aktivierung sind. Entscheidender als
entwickeln. die Häufigkeit des Einsatzes ist dabei, wie gut diese Elemente
Diese Befunde zeigen, dass für die untersuchten Fächer eingesetzt werden. So kann eine einzige gut im Unterrichts-
durchaus Nachbesserungsbedarf besteht, wenn man die Idee verlauf eingebettete offene Lehrerfrage eine darauffolgende
der kognitiven Aktivierung ernst nimmt und Lernende zum produktive Schülerdiskussion anstoßen, im Rahmen derer
Organisieren und Elaborieren von Wissen anregen möchte Schülerinnen und Schüler ihre Ideen offenbaren und ausbau-
(7 Kap. 4). Ein prominentes Projekt in diesem Zusammen- en.
hang ist der bundesweite Modellversuch SINUS (Steigerung
der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Un- Im Fokus: Gestaltung von Aufgaben- und Frageformaten?
terrichts; Prenzel 2000), in dem Lehrpersonen in Reaktion auf
die PISA- und TIMSS-Ergebnisse im Rahmen von elf Modu- 4 Mehrere Antwortmöglichkeiten zulassen: „Ist 2 oder 4
len unter anderem an der Aufgabenkultur im mathematisch- größer?“ oder „Erkläre warum 4 größer ist als 2!“ Dieses
naturwissenschaftlichen Unterricht arbeiteten. Forschungs- einfache Beispiel verdeutlicht, wie unterschiedlich
befunde zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler durch eine Frage bezüglich ihres Potentials zu kognitiver
die Teilnahme ihrer Lehrpersonen an diesem Programm im Aktivierung formuliert sein kann. Während bei der
Vergleich zur PISA-Kontrollgruppe ein gesteigertes Interes- ersten Frage als Antwortmöglichkeit nur die 2 oder 4
18 se und höhere Kompetenzen in Naturwissenschaften und bleibt (und damit auch eine 50 % Ratechance), lässt
Mathematik aufwiesen (Prenzel, Carstensen, Senkbeil, Oster- die zweite Arbeitsanweisung Raum für verschiedene
meier & Seidel 2005). Die im vorangegangenen Abschnitt für elaboriertere Schülerantworten wie z. B. „Die 4 ist größer,
den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht be- weil sie auf dem Zahlenstrahl weiter rechts liegt“ oder
schriebene Situation ist dort im Vergleich zu anderen Fächern „Die 4 ist größer, weil 2 C 2 4 ergibt“ oder „Die 4 ist
am besten untersucht – es ist jedoch naheliegend anzuneh- größer, weil 2  2 4 ergibt“ oder „Die 4 ist größer, weil
men, dass es derartige Problemlagen auch in anderen Fächern wenn ich 4 Äpfel esse satter werde als wenn ich 2 Äpfel
gibt. esse“.
4 Eine zentrale Frage/Aufgabe stellen: Eine einzige
1 Lehrerfragen zentrale Frage oder Aufgabenstellung für eine Unter-
Neben der Offenheit von Aufgaben sind Fragen ein weiteres richtsstunde oder -einheit kann der Engschrittigkeit
wichtiges Instrument zur kognitiven Aktivierung von Schüle- von Frageroutinen im Unterricht entgegenwirken und
rinnen und Schülern. Für den deutschen Sekundarunterricht Themen, bei denen es nicht genau eine richtige Antwort
zeigten Studien wiederholt, dass etwa drei Viertel der Un- gibt, Raum gewähren (z. B. Reznitskaya, 2012).
terrichtszeit auf das fragend-entwickelnde Klassengespräch
18.3  Basisdimensionen der Unterrichtsqualität
365 18

4 Fragen/Aufgaben mit Echtheitscharakter und Alltagsbe- 4 Das Risiko des Fehlers eingehen: Es ist besser, wenn
zug: „Echte“ Problemstellungen sind motivierend und Schülerinnen und Schüler sich mit einem fehlerhaften
Themen erscheinen relevanter, wenn sie uns im Alltag Unterrichtsbeitrag zu Wort melden, als wenn sie nichts
begegnen. Dies gilt auch bei der Auswahl von Fragen sagen aus Angst, es könnte falsch sein.
und Aufgaben im Unterricht, wobei das persönliche 4 Analyse von Fehlern und Kommunikation über Fehler:
Umfeld sowie Alter und Interessen der Schülerinnen Lehrkräfte sollten in der Lage sein, Fehler zu analysieren,
und Schüler berücksichtigt sein müssen. nachzuvollziehen, wie es zu einem Fehler kommen
4 Experimente selbst planen: Gut kochen zu können konnte und welche Art Fehler vorliegt (z. B. Flüchtig-
beinhaltet, bewährte Rezepte nachzukochen, aber keitsfehler, konzeptionelles Missverständnis, falsche
auch, Rezepturen selbst zu erweitern. Übertragen auf Inferenz, Fehler aufgrund unvollständiger Modellbil-
den Unterricht stellt sich die Frage: Wann sind klare dung, Identifikationsfehler, Themaverfehlung), und
„Rezepturen“ für Experimente hilfreich, wann ist Raum diese mit Schülerinnen und Schülern konstruktiv und
für das eigene Planen, Durchführen und Reflektieren lernwirksam zu thematisieren (Lernfunktionalität von
von Experimenten? Ein Beispiel für eine der neueren Fehlern).
didaktischen Möglichkeiten ist „Chemie im kleinen 4 Lehrkraftunterstützung bei Fehlern: Lehrpersonen
Maßstab“ (Microscale-Chemie), bei der Schülerinnen sollten Fehler nicht einfach übergehen, sondern
und Schüler anhand von Kleinmengen unkompliziert Lernende dabei unterstützen, Strategien für den
und sicher eigenständig experimentieren können. Umgang mit ihnen zu entwickeln. Bei Bedarf sollten
inhaltliche Hilfestellungen angeboten werden.
4 Abwesenheit negativer Mitschülerreaktionen: Ausla-
1 Fehlerkultur chen oder herabsetzendes Kommentieren nach Fehlern
Um Lernende im Rahmen offener Aufgaben, der Planung ei- sollte durch die Lehrkraft unterbunden werden.
gener Experimente und bei der Beantwortung offener Fragen
zur Partizipation zu ermutigen, sind eine gute Fehlerkultur
und deren Explizierung eine wichtige Bedingung. Wie bereits
im Abschnitt zur Klassenführung herausgestellt, ist dabei die 18.3.3 Konstruktive Unterstützung
Trennung von Lern- und Leistungssituationen entscheidend,
so dass die Schülerinnen und Schüler wissen, wann es gilt,
Im Folgenden nehmen wir die dritte Basisdimension von Un-
Fehler zu vermeiden, und wann Fehler erlaubt sind und eine
terrichtsqualität nach Klieme et al. (2006) genauer in den
wichtige Lernressource bilden (Seidel, Prenzel, Duit & Lehrke
Blick.
2003). Videobefunde für den Physikunterricht zeigten, dass
Fehler nur selten explizit im Unterricht thematisiert werden
und existierende Schülerfehlvorstellungen oft unzureichend Die Basisdimension Konstruktive Unterstützung fasst
aufgegriffen werden (Meyer, Seidel & Prenzel 2006). zusammen, inwiefern Strukturen im Klassenzimmer
implementiert sind, welche Schülerinnen und Schülern
Im Fokus: Erzeugen eines konstruktiven Fehlerklimas für ihr Lernen Hinweise, Begleitung und Hilfestellungen
geben (Klieme et al. 2006).
Was konkret getan werden kann, um in einer Lerngruppe ein
konstruktives Fehlerklima zu gewährleisten, haben Steuer,
Rosentritt-Brunn und Dresel (2013) zusammengefasst. 1 Unterstützende unterrichtliche Organisationsformen
4 Fehlertoleranz der Lehrkraft: Eine entscheidende Rolle Im Unterricht stehen der Lehrperson unterschiedliche Or-
im Geschehen kommt der Haltung der Lehrperson zu: ganisationsformen zur Verfügung, im Rahmen derer Schü-
Lehrerinnen und Lehrer sollten eine fehlertolerante lerinnen und Schüler miteinander agieren und sich gegen-
Haltung verinnerlicht haben und kommunizieren, dass seitig unterstützen können sowie von der Lehrkraft Unter-
Fehler nichts Schlimmes sind. stützung erfahren. Dabei herrscht Konsens in der interna-
4 Bewertungsirrelevanz von Fehlern und Abwesenheit tionalen Forschung, dass Schülerinnen und Schüler in den
negativer Lehrkraftreaktionen: Lernende müssen sich beiden wichtigsten Organisationsformen (Plenum und Schü-
in Lernsituationen sicher fühlen, zu jeder Zeit Fehler lerarbeitsphasen) erfolgreich lernen, wenn die darin einge-
machen zu dürfen, ohne dass Konsequenzen in Form betteten Interaktionen von hoher lernförderlicher Qualität
von negativen Bewertungen folgen, aber auch ohne sind (Furtak 2006; Webb 2009). Das ist dann der Fall, wenn
Augenrollen oder „scherzhaftes“ Bloßstellen vor der jeweils systematisch und gut strukturiert, mit klaren Lern-
Klasse. zielen, eindeutig formulierten Arbeitsanweisungen und in-
tensiver kognitiver Aktivierung gearbeitet wird. Dazu kann
366 Kapitel 18  Unterrichtsqualität

insbesondere eine angemessene Gruppenzusammensetzung


. Tabelle 18.1 Formen des Feedbacks nach Hattie und Timperley
beitragen. Zusammenarbeit in heterogenen Gruppen ist eine (2007)
für viele Lerninhalte günstige Arbeitsform, die alle Mitglieder
in ihrem Lernen voranbringt. Vor allem leistungsschwächere Form des Feed- Wirksam- Beispiel
Schülerinnen und Schüler profitieren hier von der Unter- backs keit
stützung durch leistungsstärkere, aber auch leistungsstarke Feedback zur  „Richtig“/“Falsch“
Schülerinnen und Schüler weisen tendenziell positivere Lern- Korrektheit der „Ja“/“Nein“
entwicklungen auf als in homogenen Gruppen (Gillies 2007). Aufgabe (D eva- „Gut“/“Schlecht“
luatives Feedback)
Eine gute Möglichkeit, innerhalb von Lerngruppen zu
differenzieren, stellt das Stationenlernen dar, das Texte, prak- Feedback zum C „Das war schon gut. Erläutere aber
tische Aufgaben, Aufgaben am Computer, Bücher und au- Lernprozess (D nochmal genauer, was bedeuten
hinweisgebendes die 2 und die 4 in deinem Ergeb-
ditive Materialien nutzen kann. Die Lernenden können im Feedback) nis“
Idealfall nicht nur über den Umfang der Aufgaben (mit-)
entscheiden, sondern auch ihre Aufgaben aus verschiedenen Feedback zur C „Ich weiß, dass du das normaler-
Selbstregulation weise besser kannst, und in der
Kompetenzniveaus wählen, wenn Stationen niveaudifferen-
des Lernprozesses Schulaufgabe bin ich mir sicher,
ziert aufgebaut sind. Digitale Medien bieten viele Möglichkei- dass du das hinbekommst“
ten, abhängig vom individuellen Erfolg bei vorangegangenen
Personales Feed-  „Du bist ein guter Schüler“
Aufgaben, entweder schwerere oder leichtere Aufgaben be-
back
reitzustellen. Weitere differenzierende Maßnahmen werden
im vierten Teil dieses Kapitels vorgestellt, das zum Abschluss
das Zusammenspiel von Elementen der Unterrichtsqualität
richt zeigten, dass Feedback häufig auf dem Level des kor-
diskutiert.
rektiven (evaluativen) Feedbacks bleibt, d. h. Schülerantwor-
ten nur mit einem Ja oder Nein evaluiert werden (Helmke
1 Unterstützende unterrichtliche Interaktionen
et al. 2008; Pauli & Lipowsky 2007; Seidel & Prenzel 2006;
In die verschiedenen Organisationsformen sind Interaktio-
7 Kap. 21).
nen zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schülern
sowie Schülerinnen und Schülern untereinander eingebettet.
Im Fokus: Konstruktive Feedbackkultur
Für einen unterstützenden Charakter der Interaktionen ist ei-
ne positive, symmetrische und durch Empathie sowie durch-
Wie in einer guten Partnerschaft, einem Team im Sport
gehende Wertschätzung charakterisierte Beziehung zwischen
oder in einem Unternehmen muss gute Feedbackkultur
den beteiligen Akteuren ein wesentliches Kriterium – welche
gemeinsam erlernt und etabliert werden. Im Folgenden
Aspekte darunter subsumiert werden und wie diese erreicht
finden sich einige Gestaltungsmöglichkeiten dafür:
werden können, ist ausführlich in 7 Kap. 21 dargestellt.
4 Cookie – Lemon – Cookie: In ausführlichen Feedback-
Seitens der Lehrperson hat sich Feedback als ein wesent-
situationen (z. B. während eines Lerngesprächs oder
liches unterstützendes Element herausgestellt. Hattie (2008)
einer Einzelarbeitsphase, nach Beendigung einer Pro-
kam zu dem Ergebnis, dass Feedback ein zentraler Prädiktor
jektarbeit) ist es günstig, Rückmeldungen nach dem
für erfolgreiches Schülerlernen ist. In ihrer Überblicksarbeit
Schema „süß – sauer – süß“ zu geben. Das Gespräch
zur Qualität von Feedback differenzieren Hattie und Tim-
wird zunächst mit positiven Aspekten begonnen, dann
perley (2007) dabei unterschiedliche Formen des Feedbacks:
zu Verbesserungswürdigem übergeleitet und positiv
Feedback zur Korrektheit der Aufgabe (evaluatives Feed-
beendet.
back), Feedback zum Lernprozess (hinweisgebendes Feed-
4 Konstruktive Hinweise zum Weiterlernen geben: Aus rein
18 back), Feedback zur Selbstregulation des Lernprozesses und
„evaluativem“ Feedback ergibt sich, dass bei falschen
personales Feedback (. Tab. 18.1). Letztere Feedbackform,
Antworten keine Aufklärung darüber erfolgt, was an
die dem Lernenden Rückmeldung zu seiner Person, aber
der Antwort falsch war oder was getan werden müsste,
nicht zu seiner Lernaktivität gibt, hat sich als am wenigs-
um auf eine richtige Antwort zu kommen. Deshalb
ten wirksam gezeigt. Auch eine reine Auskunft im Sinne
sollten vor allem bei falschen Antworten Hinweise
eines Richtig-Falsch-Feedbacks zur Korrektheit der Aufga-
gegeben werden, wie weiter gelernt werden kann.
be erwies sich als wenig effektiv. Erhalten Schülerinnen und
Dies kann durch die Lehrperson geschehen, die falsche
Schüler hingegen Rückmeldungen zum weiteren Vorgehen
Antwort kann aber auch in die Klasse zur Diskussion
im Lernprozess oder zur Selbstregulation ihres Lernens, wirkt
zurück gespielt werden. Eine gute Fehlerkultur (wie
sich dies positiv auf ihre Lernerfolge aus.
oben vorgestellt) ist dafür eine Grundvoraussetzung,
Videostudien für den deutschen Unterricht zeigten, dass
um falsche Antworten aufzugreifen und als Lernchance
trotz seiner erwiesenen positiven Wirkung auf Schülerlernen
sehen zu können.
gehaltvolles Feedback nur selten vorkommt. Internationale
Studien für den Physik-, Mathematik- und Englischunter-
18.4  Zusammenspiel verschiedener Aspekte von Unterrichtsqualität
367 18
Qualitätsverbesserungsprozess mit gewissen Herausforderun-
4 Schülerinnen und Schüler geben Lehrkräften Feedback: gen verbunden, da Routinen verändert werden müssen, auf die
Schülerinnen und Schüler können wertvolle Feed- Lehrkräfte z. T. seit geraumer Zeit zurückgreifen und demzufol-
backgeber zur Verbesserung der Unterrichtsqualität ge nicht einfach zu beeinflussen sind.
sein. Wie nehmen sie den Unterricht wahr? Haben sie
das Gefühl, dass Raum für falsche Antworten besteht?
Fühlen sie sich in ihren Antworten ernst genommen 18.4 Zusammenspiel verschiedener Aspekte
und wertgeschätzt? Es mag durchaus Überwindung
von Unterrichtsqualität
kosten, Schülerinnen und Schüler zu befragen, wie sie
die Qualität des eigenen Unterrichts wahrnehmen. Darin
besteht jedoch großes Potential, ein vertrauensvolles Die ersten Vergleichsstudien haben das Bildungssystem An-
und qualitätsorientiertes Miteinander in der Klasse zu fang des Jahrtausends in den Blick genommen und einerseits
gestalten. sichtbar gemacht, dass es Lehrpersonen nicht immer gelingt,
alle Schülerinnen und Schüler entsprechend ihrer Voraus-
setzungen zu fördern. Andererseits verdeutlichten sie, dass
deutsche Schülerinnen und Schüler über zu wenig anwendba-
res, anschlussfähiges und alltagstaugliches Wissen verfügen
18.3.4 Unterrichtsqualität schulen und (Baumert et al. 2001). Seither wurden zahlreiche Maßnahmen
erlernen ergriffen, um die Passung zwischen den Lernangeboten der
Schule und den Nutzungsvoraussetzungen der Schülerinnen
In den vorangegangen Abschnitten wurde deutlich, dass die und Schüler zu verbessern. Zu gewährleisten, dass das in der
Forschung bereits etliche Merkmale identifizieren konnte, die Schule Gelernte besser anschlussfähig an weiteres Lernen und
maßgeblich zu Unterrichtsqualität beitragen. Wir haben an zur Bewältigung von alltäglichen Herausforderungen geeig-
mehreren Stellen aber auch empirische Belege dafür gege- net ist, wurde ein wichtiges Ziel. Der abschließende Abschnitt
ben, dass diese Elemente zum Teil noch unzureichend in soll zeigen, dass Unterrichtsqualität – verstanden als Klas-
der Unterrichtspraxis umgesetzt werden. Die zunehmende senführung, kognitive Aktivierung und konstruktive Unter-
Zahl wissenschaftlich fundierter Fortbildungsprojekte zeigt stützung – Antworten auf Fragen in der aktuellen Diskussion
an, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Exemplarisch dafür um unterrichtliche Herausforderungen und Ziele gibt: Immer
greifen wir zum Thema „Feedback“ Befunde des Projekts größer werdende Heterogenität im Bildungskontext macht
DIALOGUE auf (7 Kap. 21), welches das Anliegen hatte, mit Differenzierung und Individualisierung beim Lernen zu not-
Lehrpersonen an der Qualität von Feedback und Fragen als wendigen Mitteln, um Schülerinnen und Schülern relevante
Elemente der kognitiven Aktivierung und konstruktiven Un- Inhalte vermitteln zu können.
terstützung zu arbeiten. Als eine weitere wichtige Veränderung in unserem Schul-
system in den vergangenen 15 Jahren ist das kompetenz-
Studie: DIALOGUE orientierte Lernen zu nennen. Sichtbar geworden an der
Im DIALOGUE-Projekt (Pehmer et al. 2015) planten N D 6 Einführung der nationalen Bildungsstandards sind Ziele von
Lehrpersonen in Videozirkeln im kollegialen Austausch Unter- Lernprozessen in den Blick gerückt, die man unter dem Stich-
richt für ihre neunten Naturwissenschafts- und Mathematik- wort Kompetenzen subsumieren kann.
klassen. Dabei war es ihre Aufgabe, Elemente zur Aktivierung
und Unterstützung der Schülerinnen und Schüler im Unter-
richtsgespräch in ihren Unterrichtsplan zu integrieren. Nach- 18.4.1 Differenzierung und
folgend wurden die Lehrpersonen bei der Umsetzung video-
Individualisierung als Wege zum
graphiert; in zwei Videoreflexionssitzungen wurden von einem
Forscherteam ausgewählte Unterrichtsausschnitte kollegial re- Umgang mit Heterogenität
flektiert. In der zweiten Schuljahreshälfte wurde der Videozirkel
ein zweites Mal durchgeführt. Im Fokus stand unter anderem, „Bei so großen Klassengrößen kann man nicht differenziert
inwiefern die Lehrkräfte ihr Feedback- und Frageverhalten ver- und individuell fördern“. So oder so ähnlich wird es häu-
ändern würden. Dafür wurden in zu Beginn und zum Ende fig formuliert, wenn man mit (angehenden) Lehrpersonen
des Schuljahres gefilmten Unterrichtsstunden Sprechsegmen- spricht. Im Folgenden möchten wir kleinere Maßnahmen für
te der Lehrpersonen auf diese beiden Elemente hin unter- den Unterricht vorstellen, die innere Differenzierung ermög-
sucht. Es konnte festgestellt werden, dass Lehrpersonen zum lichen und schließlich am Beispiel eines bayerischen Gym-
Ende des Schuljahres mehr Feedback mit Bezug zum Lern- nasiums eine Variante aufzeigen, wie eine Schule sich des
prozess gaben (Prätest: 8 %; Posttest: 19 %), aber nicht mehr individuellen Lernens angenommen hat (7 Im Fokus).
kognitiv aktivierende Fragen stellten (Prätest: 38 %; Posttest: Die vorangegangenen Abschnitte haben deutlich ge-
40 %). Die Ergebnisse indizieren, dass die Veränderung von Un- macht: Die unterschiedlichen Voraussetzungen der Schüle-
terrichtsqualität möglich ist und die Videographie dafür ein rinnen und Schüler machen adaptive Unterrichtsgestaltung
vielversprechendes Mittel zu sein scheint. Allerdings ist dieser notwendig, damit das Unterrichtsangebot von allen Lernen-
368 Kapitel 18  Unterrichtsqualität

den gut genutzt werden kann. Maßnahmen zur inneren Dif- teratur auch betont, dass bei adaptiven Maßnahmen auch
ferenzierung des Unterrichts und Individualisierung des Ler- immer die Vermittlung von Strategien zum selbstregulierten
nens ermöglichen konstruktiven Umgang mit Heterogenität. Lernen im Blickpunkt stehen sollten, damit Schülerinnen und
Um (idealerweise) für jede Schülerin und jeden Schüler ein Schüler mit zunehmenden Kompetenzen ihren Lernprozess
mittleres Anspruchsniveau zu setzen, so dass sie die Aufgaben selbst steuern können (Corno 2008; 7 Kap. 4).
mit einiger, aber nicht zu viel Anstrengung meistern können, Darüber hinaus wird deutlich, dass Entscheidungen,
ist ein unterstützendes Klima von großer Bedeutung. Dazu denen eine der vorgestellten Differenzierungen folgt, im-
gehört neben den angemessenen unterrichtlichen Organisa- mer die Diagnose eines Lernstandes zugrunde liegen muss
tionsformen auch ein Verständnis fördernder Umgang mit (7 Kap. 25). Lehrkräfte müssen über die Bedürfnisse und
Fehlern, konstruktives Feedback und ein Unterrichtstempo, Schwierigkeiten ihrer Schülerinnen und Schüler Bescheid
das allen erlaubt, über die in Frage stehenden Inhalte nach- wissen, um angemessene Lernbegleitung leisten zu können.
zudenken. Darüber hinaus sollten sie sich immer der Vorläufigkeit ihres
Es handelt sich dabei nicht um ein neues Phänomen, denn Urteils bewusst sein: Überraschende Lernerfolge sind in der
Heterogenität findet sich, seit Unterricht in Schulklassen or- weiteren Unterrichtsplanung ebenso zu berücksichtigen und
ganisiert ist. Der Umgang mit heterogenen Lernvorausset- zu reflektieren wie unerwartete Stagnationen.
zungen verlangt ein Repertoire an Methoden zur Differenzie- Ein hilfreiches Mittel der Differenzierung sind – wie be-
rung des Unterrichts, die Beck et al. (2008) als adaptive Lehr- reits beschrieben – Aufgaben. Die Art der Instruktion, die
kompetenz beschrieben haben. Während bei äußerer Diffe- Erwartung an die richtige Lösung (gibt es eine oder mehrere
renzierung abhängig vom Lernniveau oder unterschiedlichen oder gar eine Vielzahl richtiger Lösungen?) und die Zielset-
Interessen Gruppen eingeteilt werden, die räumlich getrennt zung von Aufgaben (geht es darum, ein Thema zu durchdrin-
und von verschiedenen Personen bzw. zu verschiedenen Zei- gen oder ein neues Phänomen zu verstehen, um Routinisieren
ten unterrichtet werden (Dumont 2016), spricht man von und Einschleifen oder darum, beispielsweise bestimmte Aus-
innerer Differenzierung oder Binnendifferenzierung, wenn nahmen im Fremdsprachen-Grammatikunterricht zuverläs-
flexibel wechselnde, differenzierende Maßnahmen innerhalb sig identifizieren zu können und sich die dahinter liegenden
der bestehenden Klasse/Lerngruppe erfolgen. Für bestimmte Regeln zu eigen zu machen und anzuwenden?) erlauben viele
Lernaufgaben werden z. B. temporäre Lerngruppen gebildet, verschiedene Möglichkeiten, Lernende kognitiv zu aktivie-
die jeweils angemessene didaktische Arrangements (z. B. dif- ren. Sie geben Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten,
ferenzierte Aufgabenstellungen, unterschiedliche Arbeitsfor- sich mit bestimmten Phänomenen, Ausschnitten des Stof-
men, Projekte) bearbeiten. Dadurch sollen Schülerinnen und fes oder spezifischen Schwierigkeiten gezielt zu beschäftigen
Schülern – individuell oder in Gruppen – unterschiedliche und geben dafür eine Struktur vor. Aufgaben erlauben es,
Lernwege angeboten werden. Auch der Begriff Individuali- Lernfortschritte sichtbar zu machen und ermöglichen der
sierung zielt auf die bestmögliche Passung von Unterrichts- Lehrperson individuelles Feedback zu geben, da durch Auf-
angebot und Schülervoraussetzungen (Fischer 2014; vgl. z. B. gabenlösungen ein gründlicher Einblick in die Denk- und
Meyer, Prenzel & Hellekamps 2008). Dumont (2016) unter- Arbeitsweisen der Lernenden ermöglicht wird. Eine relativ
scheidet fünf Formen der inneren Differenzierung: einfache, weil bereits in vielen Schulbüchern enthaltene Vari-
4 die methodische, bei der Aufgabenstellungen und Aufga- ante des qualitativen Differenzierens, arbeitet beispielsweise
benformate, beispielsweise in einer Kategorisierung nach mit paralleldifferenzierenden Aufgaben. Der gleiche Inhalt
Pflichtaufgaben, Wahlaufgaben und Zusatzaufgaben, va- wird auf unterschiedlichen Anspruchsniveaus in Teilgruppen
riiert werden, der Klasse parallel und alternativ bearbeitet. Leuders und Pre-
4 die mediale, die von der Variation der Arbeitsmaterialien diger (2016) geben viele weitere konkrete Beispiele, wie Diffe-
lebt (so kann man sich etwa mit Rechtschreibung auf sehr renzierung im Mathematikunterricht erfolgen kann. Auch die
18 unterschiedliche Weise vertieft befassen, über eine Kartei Bildungsstandards der unterschiedlichen Unterrichtsfächer
mit schwierigen Wörtern oder über die Textproduktion ordnen Aufgaben Anforderungsniveaus zu und dienen da-
am Computer mit einem Rechtschreibkontrolltool), mit als gute Schwierigkeitsorientierung (7 https://www.kmk.
4 die quantitative, die vor allem die Bearbeitungszeit und org/themen/qualitaetssicherung-in-schulen.html).
den Umfang der Aufgaben auf die Lernenden abstimmt,
4 die qualitative, die adaptiv mit den Lernzielen und dem Im Fokus: Konzept für Differenzierung und Individualisierung
Schwierigkeitsniveau umgeht (also beispielsweise offene
und geschlossene Wochenpläne verwendet) und Das Albrecht-Ernst Gymnasium in Oettingen (7 http://www.
4 die inhaltliche, die Aufgabeninhalte und Themen variiert gymnasiumoettingen.de/) hat sich in Reaktion auf die erste
(z. B. ermöglicht die Verwendung von Impulsaufgaben PISA-Erhebungsrunde die Frage gestellt, wie Schülerinnen
Spielräume bei der Wahl des Inhalts und der Vorgehens- und Schüler individuell in ihrem Kompetenzerwerb
weise). gefördert werden können. Ein wesentlicher Kernaspekt des
daraus entstandenen Lernkonzepts ist die Übersetzung des
An diesen Stellen können Lernangebote variiert und ange- Lehrplans in einen Lernplan für Schülerinnen und Schüler,
passt werden. Zusätzlich zur Herstellung der Passung zwi- was im Einklang mit der in diesem Kapitel an mehreren
schen Lernvoraussetzung und Lernangebot wird in der Li-
18.4  Zusammenspiel verschiedener Aspekte von Unterrichtsqualität
369 18
Betrachtet man die Merkmale von Unterrichtsqualität,
Stellen betonten Bedeutung von Strukturiertheit und wie dieses Kapitel sie beschreibt, so wird deutlich, dass viele
Zielorientierung für erfolgreiches Lernen steht. Im Rahmen Voraussetzungen zum Kompetenzerwerb erfüllt sind, wenn
des Lernplans werden (fächerübergreifend) Lerninhalte die beschriebenen Basisdimensionen von Unterricht umge-
in Kompetenzbereiche eingegliedert und die Lernenden setzt werden. Abschließend möchten wir relevante Hand-
wissen, welche Kompetenzen sie im Rahmen der Auseinan- lungsmöglichkeiten innerhalb der Basisdimensionen zusam-
dersetzung mit den zugehörigen Lernmaterialien erwerben menfassend diskutieren, die in diesem Kapitel vorgestellt
können. Im Zuge der Differenzierung werden für jeden wurden.
Kompetenzbereich Lernmaterialien in drei Schwierigkeits- Zunächst ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schü-
stufen bereitgestellt. Die Schülerinnen und Schüler können ler wissen, welche Kompetenzen sie erwerben sollen. Ziel-
damit, gemäß ihrer Voraussetzungen und ihres Vorwis- klarheit ist natürlich nicht für Lernende aller Altersstufen
sens, an unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen ansetzen. gleichermaßen von Anfang an nachvollziehbar – es ist aber
Über den Zeitpunkt der Leistungserbringung in jedem ein wichtiger Lernprozess, sich nach und nach mehr über
Kompetenzbereich entscheiden sie individuell – um dem das eigene Lernen klar zu werden. Darüber hinaus spielt
Umstand Rechnung zu tragen, dass nicht alle im Gleich- selbstreguliertes Lernen (7 Kap. 4) im kompetenzorientierten
schritt lernen, sondern dass Differenzierung bedeutet, den Unterricht im Laufe des Lernens eine immer größere Rolle.
unterschiedlichen Bedarf von Lernzeit zu berücksichtigen. Autonomie in der Wahl der Lernziele, das bewusste Fördern
und Entwickeln metakognitiver Kompetenzen und die Fähig-
keit zum kooperativen Lernen sind hier von herausragender
Bedeutung.
„Wissen allein ist noch keine Kompetenz, stellt jedoch
18.4.2 Kompetenzorientierter Unterricht die Grundlage für jeden Kompetenzerwerb dar“ (ISB 2016).
In diesem Sinne sind Lernprozesse, bei denen der Fokus
Kompetenzorientierte Wissenserwerbsprozesse ermöglichen auf die Strukturiertheit des Unterrichts, auf ein Unterrichts-
Schülerinnen und Schülern anwendbare und anschlussfähi- tempo, das allen Schülerinnen und Schülern Nachdenken
ge Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben. Im Fokus steht erlaubt, und auf die kognitive Aktivierung der Lernenden ge-
dabei, wie Schülerinnen und Schüler fachliche Kompetenzen legt wird, eine wichtige Basis kompetenzorientierten Lernens.
(z. B. in den Naturwissenschaften) erwerben und gleichzeitig Diese Aktivierung geschieht je nach Fach durch unterschied-
die Bereitschaft entwickeln, sich im Kontext dieses Wissens liche Lernaktivitäten, wie beispielsweise Experimentieren,
mit wichtigen (z. B. gesellschaftlichen) Fragen zu befassen. das Formulieren eigener (Forschungs-)Fragen, intelligentes
Kompetenzorientierter Unterricht gelangte in den vergange- Üben mit Hilfe sinnvoller Aufgabenformate und immer, in-
nen Jahren, unterfüttert durch die Einführung der nationalen dem Lehrkräfte gutes, also informierendes und motivieren-
Bildungsstandards für viele Fächer, zu großer Bedeutung. Zu des Feedback geben.
den neuen bayerischen Lehrplänen „PLUS“ heißt es beispiels- Zu kompetenzorientiertem Unterricht gehört weiter-
weise: „Die Lehrpläne sind kompetenzorientiert ausgerichtet. hin, dass die Lehrer-Schüler-Beziehungen in motivationa-
Sie geben Auskunft über die im Unterricht nachhaltig aufzu- ler und affektiver Hinsicht positiv getönt sind. Wie wir in
bauenden Kompetenzen und beschreiben, an welchen Inhal- 7 Abschn. 18.3.1 zu Klassenführung beschrieben haben, ist
ten diese erworben werden. Diese Kompetenzen gehen über dies kein Widerspruch zu einer Arbeitsweise, die von kla-
reines Wissen hinaus und haben stets konkrete Anwendungs- ren Regeln bestimmt ist, bei der die Lehrkraft Störungen
situationen im Blick. Die Schülerinnen und Schüler schaffen energisch vorbeugt, und die möglichst viel Zeit für den ei-
sich also ‚Werkzeuge‘, die sie zur Lösung lebensweltlicher gentlichen, themenzentrierten Unterricht lässt.
Problemstellungen, zur aktiven Teilhabe an gesellschaftlichen Ein unterstützendes Unterrichtsklima entsteht, wenn
Prozessen und an kulturellen Angeboten sowie nicht zuletzt Lehrende für Lernende (idealerweise) ein mittleres An-
zum lebenslangen Lernen befähigen“ (ISB 2016). Im Folgen- spruchsniveau vorsehen, bei dem man die Aufgaben mit eini-
den geben wir Anregungen dazu, wie es gelingen kann, diese ger, aber nicht zu viel Anstrengung meistern kann. In diesem
Ziele angesichts des komplexen Geschehens im Klassenzim- Zusammenhang ist auch der Umgang mit Fehlern zentral, der
mer nicht aus dem Auge zu verlieren. auf das Weiterentwickeln im Sinne eines besseren Verständ-
Kompetent sein bedeutet, in einem bestimmten Bereich nisses gerichtet ist.
in verschiedenen Situationen bestimmte Anforderungen si-
cher bewältigen zu können. Eine in einem bestimmten Fach
oder Gebiet kompetente Person hat gelernt, ihr Wissen viel-
fach anzuwenden, es bleibt nicht „träge“ (Renkl 2018). In Zusammenfassung
kompetentes Handeln geht Wissen ein, das man äußern kann Guter Unterricht ist etwas, was geplant werden muss. Ent-
(„Wissen, dass . . . “), aber auch Wissen als Fertigkeit („Wissen, gegen früherer Annahmen, die von der „geborenen“ Leh-
wie . . . “). Hinzu kommen eine bestimmte Einstellung und rerpersönlichkeit ausgingen, die das Unterrichten bereits
die Fähigkeit, sich beim Handeln selbst über die Schulter zu als Fähigkeit mitbringt, wissen wir heute erstens, dass Un-
schauen (7 Kap. 4).
370 Kapitel 18  Unterrichtsqualität

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