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Unterrichtsqualität
Barbara Drechsel und Ann-Kathrin Schindler
Verständnisfragen – 370
Literatur – 370
Denken Sie an die Medizin: Dort wird seit langem beforscht, denheit, Stress und Belastung bei Lehrpersonen (Dicke, El-
unter welchen Bedingungen und mit welchen Behandlungs- ling, Schmeck & Leutner 2015; Klusmann, Kunter, Voss &
methoden ein möglichst erfolgreicher Genesungsprozess bei Baumert 2012). Im Unterricht treffen viele Aspekte des Leh-
Patientinnen und Patienten stattfindet. Persönliche Erfah- rerberufs zusammen. Im Blickpunkt stehen die Vermittlung
rungen von Ärztinnen und Ärzten stellen hierfür seit jeher von Wissen und die kognitive Auseinandersetzung mit fach-
eine wichtige Ressource dar. So wurde z. B. die Sterilisation lichen Inhalten bei jeder einzelnen Schülerin und jedem ein-
von Operationsinstrumenten eingeführt, weil bemerkt wur- zelnen Schüler. Unterricht ist aber auch ein Ort, an dem sozia-
de, dass es bei der Wiederverwendung von ungereinigtem le Interaktion stattfindet, Verhaltensweisen gelernt werden,
Operationsbesteck vermehrt zu Infektionen kam. Unter Louis bestimmte Abläufe und Regeln eingehalten werden sollen.
Pasteur wurde Ende des 19. Jahrhunderts begonnen, Instru- Um dieser Komplexität von Unterricht angemessen begegnen
mente mit Dampf zu sterilisieren. In der Folge wurde die zu können, benötigen Lehrpersonen zunächst professionel-
Wirkung vieler Faktoren auf die Keimfreiheit des Operati- les Wissen in verschiedenen Sparten und Bereichen. Darüber
onsbestecks umfassend wissenschaftlich untersucht und auf hinaus sind professionelle Haltungen und Überzeugungen
Basis der damit gewonnenen Evidenzen wurde die medizini- in Bezug auf die verschiedenen Tätigkeitsschwerpunkte oder
sche Praxis in den Operationssälen optimiert. Rollen im Lehrerberuf, funktionale motivationale Orientie-
In der Medizin wird die Untersuchung spezifischer Teil- rungen und adäquate selbstregulative Fähigkeiten erforder-
aspekte nicht zuletzt wegen der überlebenswichtigen Bedeu- lich, wie beispielsweise im etablierten Modell von Baumert
tung seit langer Zeit betrieben und ihre Wirkung ist offen- und Kunter (2006; s. auch Kunter et al. 2011) dargestellt ist
sichtlich. Dagegen wurde Bildung – und hier im Speziellen (7 Kap. 20).
der Unterricht – in der in Deutschland stark erziehungs- Fachwissen liefert den inhaltlichen Hintergrund für das
wissenschaftlich geprägten Tradition bis in die 1970er-Jahre Unterrichten. Fachdidaktisches Wissen hilft, Lernziele zu
nicht systematisch und empirisch fundiert erforscht. Zwar formulieren und die Inhalte aufzubereiten, zu reduzieren
geht es im Bildungssektor nicht um das Überleben von Pa- und adressatengerecht umzusetzen. Ein Blick durch die
tienten, gelungene Lernprozesse in der Schule sind aber hoch pädagogisch-psychologische Brille auf Unterricht erlaubt Be-
bedeutsam für die Lebensläufe aller Schülerinnen und Schü- dingungen zu erkennen, die Lernprozesse bei den Schüle-
ler und die Gesellschaft insgesamt. Jährlich fließen Millio- rinnen und Schülern anregen, wie man mit Hilfe psycho-
nen öffentlicher Gelder unter anderem in die Finanzierung logischer Erkenntnisse die Qualität von Unterricht verbes-
von Unterricht. Mit der empirischen Wende in der Erzie- sern kann und welche Komponenten für Unterrichtsqualität
hungswissenschaft und einer verstärkten Zuwendung der bedeutsam sind. Die wissenschaftliche Grundlage dafür bie-
Psychologie zum Unterricht um das Jahr 2000 zeigten Studi- tet die empirische Unterrichtsforschung, die diese drei Per-
en wie z. B. die PISA-Studien (Programme for International spektiven miteinander verknüpft. Dieses Kapitel bietet einen
Student Assessment), dass die Qualität von deutschem Un- Überblick über wichtige theoretische Modelle und Theorien
terricht offensichtlich fehleingeschätzt wurde und Schülerin- sowie den aktuellen Forschungsstand dazu.
nen und Schüler über weniger Kompetenzen verfügten als Aus einer pädagogisch-psychologischen Perspektive ge-
basierend auf unsystematischen Erfahrungen angenommen ben wir zunächst einen Überblick über das Angebots-
worden war (Baumert et al. 2001). In den gleichen Zeit- Nutzungs-Modell, das den aktuellen Forschungsstand bezüg-
raum fällt der Beginn der empirischen Unterrichtsforschung, lich wirksamer Komponenten von Unterricht integriert. In
die in ihren Forschungsdesigns deutlich von psychologischen 7 Abschn. 18.3 gehen wir genauer darauf ein, welche Basis-
Untersuchungsmethoden geprägt ist (7 Kap. 27). Hier sind dimensionen der Unterrichtsqualität einen großen Beitrag
besonders videobasierte Beobachtungsstudien zu nennen. Sie zu qualitativ hochwertigem Unterricht leisten (Klassenfüh-
helfen zum einen zu untersuchen, welche unterrichtlichen rung, kognitive Aktivierung, konstruktive Unterstützung).
18 Komponenten und Lehrweisen sich wie auf das Lernen von 7 Abschn. 18.4 beschäftigt sich mit Merkmalen von Unter-
Schülerinnen und Schülern auswirken (teacher and teaching richtsqualität, die wichtige Herausforderungen der aktuellen
effectiveness, z. B. Seidel & Shavelson 2007), und zum ande- Diskussion über schulisches Lernen adressieren: Die wach-
ren zu klären, inwiefern wirksame Komponenten tatsächlich sende Heterogenität im Bildungskontext lässt Differenzie-
in Unterricht implementiert sind (z. B. Hiebert et al. 2003). rung und Individualisierung beim Lernen als unerlässliche
Maßnahmen für das erfolgreiche Lernen aller Schülerinnen
und Schüler erscheinen.
18.1 Einleitung
18.2 Modelle der Unterrichtsqualität
Unterrichten ist das Kerngeschäft von Lehrerinnen und Leh-
rern. Die meiste Arbeitszeit von Lehrpersonen fließt in das
Planen, Halten und Nachbereiten von Unterricht. Lehrkräfte Unterricht: Gestaltung von Lernumgebungen mit dem
nennen sehr häufig Unterrichten als die Quelle ihrer Be- Ziel, optimale Gelegenheiten für die effektive Ausführung
rufszufriedenheit und machen an gelungenen Stunden oder von Lernaktivitäten der Schülerinnen und Schüler
Sequenzen persönliche Erfolge fest (Bromme & Haag 2008). bereitzustellen (nach Seidel & Reiss 2014, S. 254).
Unterricht ist aber auch nicht selten Ursache für Unzufrie-
18.2 Modelle der Unterrichtsqualität
355 18
Dass Unterricht sich auf Lernprozesse von Lernenden samkeit und Effektivität von Unterricht im Auge zu behalten.
auswirkt und auswirken soll, ist unbestritten. Was aber ist mit Die ertragsorientierte Perspektive nimmt die Wirkungen von
„gutem“ Unterricht gemeint? Lange Zeit gab es zu dieser Fra- Unterricht in den Blick. Die unmittelbare Folgefrage nach
ge im deutschen Sprachraum nur wenige empirische Unter- der Qualität, die hier zu stellen ist, lautet: „Gut wofür?“ Je
suchungen, deren theoretische Konzeption, Stichprobenplan, nachdem, welches Zielkriterium verfolgt wird, stehen un-
Design und statistische Auswertung strengen methodischen terschiedliche Aspekte von Unterricht im Vordergrund und
Standards entsprachen. Häufig waren die Begriffe unscharf: unterschiedliche Erträge von Unterricht werden als Erfolg
Wie entsteht „guter“ Unterricht und woran wird er sichtbar? betrachtet. Je nachdem, welche Schülergruppe es zu un-
Durch die Persönlichkeit der Lehrperson, durch ihre Pro- terrichten gilt, unterscheiden sich die Ziele. In der ersten
fessionalität und Kompetenz, durch die Unterrichtsprozesse, Grundschulklasse beispielsweise geht es stark darum, den
durch die Unterrichtseffekte – oder durch eine Mischung von geregelten Tagesablauf zu verstehen und zu lernen, sich in
alledem? Ausführlich wurde untersucht, was seitens des Bil- das Klassengeschehen einzuordnen. Das Vorgehen der Lehr-
dungssystems in das unterrichtliche Lernen investiert wird kraft unterscheidet sich dabei von dem einer Erzieherin in
(Qualifikation von Lehrkräften, Curricula, Lehrmittel). Erst der Kindertagesstätte. Am Ende der Realschule stehen hin-
in jüngerer Zeit wendet sich die Forschung stärker den Bil- gegen Wissenserwerb, strategisches Vorgehen in Prüfungs-
dungsergebnissen zu, also dem Ertrag des Unterrichts bei situationen und das Überprüfen der eigenen Interessen für
Schülerinnen und Schülern (Ditton 2000). die anstehende Berufswahl im Vordergrund. Aber nicht nur
für unterschiedliche Lernergruppen, auch innerhalb einer
1 „Guter“ und „effektiver“ Unterricht Gruppe und häufig sogar innerhalb einer Stunde oder Unter-
David Berliner (1987; 2005) unterscheidet Unterrichtsquali- richtssequenz gilt, dass unterschiedliche Ziele verfolgt wer-
tät in die beiden Aspekte „gutes“ und „effektives“ Unterrich- den. Dies wird häufig unter dem Stichwort „Multikriterialität
ten – eine für die Praxis nützliche Unterscheidung, die hilft, von Unterricht“ zusammengefasst: Ein wesentliches Ziel un-
Qualitätskriterien anzulegen. „Gutes“ Unterrichten ist darauf terrichtlichen Lernens ist der Erwerb von Faktenwissen und
bedacht, die „üblichen“ Standards zu erfüllen, die für Unter- konzeptueller Verstehensprozesse, also das Erreichen kogni-
richt existieren (und sich in unterschiedlichen Klassenstufen, tiver Lernziele. Daneben hat Unterricht aber auch eine Viel-
Schularten oder auch über Staaten oder Kulturen unterschei- zahl motivationaler, volitionaler und sozialer Ziele, die ne-
den können): In einer guten Unterrichtsstunde werden bei- ben dem fachlichen Lernen auch Persönlichkeitsbildung und
spielsweise festgelegte Phasen eingehalten und abgewechselt, fachübergreifendes Lernen implizieren (Kunter 2005), z. B.
unterschiedliche Medien zum Einsatz gebracht und verschie- Motivation, Lernfreude und Interessenentwicklung (Knogler,
dene Sozialformen genutzt. Guter Unterricht in diesem nor- Harackiewicz, Gegenfurtner & Lewalter 2015), ein positives
mativen Sinne sieht vor, dass als angemessen geltende Metho- Fähigkeitsselbstkonzept (Huber, Häusler, Jurik & Seidel 2015)
den und Strategien im Unterricht umgesetzt werden. Anders oder die Förderung von Kooperation oder Fairness.
ausgedrückt bedeutet normativ, dass es bestimmte etablierte Diese Ziele stehen nicht von vornherein automatisch al-
Sichtweisen darüber gibt, welche Methoden in einem „guten le im Einklang miteinander. Ein bekanntes Beispiel dafür,
Unterricht“ vorkommen. Beispielsweise werden kooperati- dass es im Unterricht solche Zielkonflikte gibt, erläutert die
ve Lernformen als wichtig erachtet, um Lernende in ihrer SCHOLASTIK-Studie (Helmke & Weinert 1997). Es wurde
Teamfähigkeit zu schulen, die als ein wünschenswertes Lern- gezeigt, dass in vielen Schulklassen zwar die Bedingungen
ergebnis betrachtet wird. Arbeiten Schülerinnen und Schüler für den Kompetenzerwerb sehr gut sind, dass die Umset-
im Unterricht also häufig in Gruppen, so ist dies als guter zung dieser Bedingungen aber möglicherweise auf Kosten der
Unterricht zu bezeichnen. Dennoch ist bei dieser Betrach- Möglichkeiten geht, Lernfreude oder ein positives fachspezi-
tungsweise Vorsicht geboten: die Realisierung bestimmter fisches Selbstkonzept zu entwickeln und umgekehrt (Schra-
„innovativer“ Unterrichtsmethoden (z. B. Projektunterricht, der, Helmke & Dotzler 1997). Darüber hinaus erbrachte
Kleingruppenarbeit oder anderer Formen des offenen Unter- die Studie, dass es Lehrpersonen gibt, denen es gelingt, gu-
richts) ist nicht per se bereits guter Unterricht, ebenso wie te Bedingungen für beide Aspekte (Kompetenzerwerb und
lehrerzentrierter und frontaler Unterricht keineswegs auto- Lernfreude) zu schaffen, aber auch Lehrpersonen, die für
matisch „schlecht“ ist (7 Kap. 17). Qualität entsteht genau beide Facetten nur unzureichende Bedingungen bieten. Ein
dann, wenn die Unterrichtsmethoden auch effektiv sind, also weiteres Ergebnismuster hat sich in vielen weiteren Studi-
ihre Lehrziele erreichen. „Effektives“ Unterrichten ist an der en immer wieder bestätigt (vgl. Seidel & Shavelson 2007):
Frage orientiert, ob bestimmte (Leistungs-)Ziele durch den Die Lehrpersonen, die gut darin waren, sowohl das Dazuler-
Unterricht erreicht werden, also Schülerinnen und Schüler in nen in Mathematik als auch die Lernfreude in diesem Fach
Folge des Unterrichts erwünschte Ergebnisse erreichen. Qua- bei ihren Schulkindern anzuregen, erreichten dies auf sehr
lität entsteht nach Berliner (1987), indem die beschriebene unterschiedlichen Wegen. Als erstes Fazit lässt sich dem-
normative und die ertragsorientierte Perspektive miteinander nach festhalten: „Unterrichtsqualität“ lässt sich nicht als ein
verschränkt werden. Neben den im Unterricht realisierten richtiger Weg zum Ziel beschreiben. Auch in der Forschung
Input-Faktoren, also bestimmten Strukturen und Bestand- gab und gibt es nicht nur einen richtigen Weg, um „Unter-
teilen, die als konstitutiv für Unterricht angesehen werden, richtsqualität“ zu untersuchen, was wir im Folgenden genauer
ist es ebenso wichtig, die Output-Faktoren, also die Wirk- erläutern wollen:
356 Kapitel 18 Unterrichtsqualität
Mythos: Es gibt nur einen James Bond schen den Voraussetzungsvariablen (zu denen neben den
Im Zuge der Frage, wie „guter“ und „effektiver“ Unterricht Merkmalen der Lehrkraft wie z. B. deren Persönlichkeit
zustande kommt, beschäftigte sich die Unterrichtsfor- und Kompetenzen auch die schülerseitigen Lernvoraus-
schung immer wieder mit der Lehrperson. Die Anfänge setzungen gehören) und den Kontextvariablen (die auf
der Forschung waren dabei eher deskriptiv orientiert: die Schulklasse und Schule insgesamt bezogen sind und
Man bemühte sich, das Handeln, Denken oder die ge- z. B. die Klassenzusammensetzung oder die kulturellen
sellschaftliche Position von Lehrkräften zu beschreiben Rahmenbedingungen umfassen) einerseits sowie den
und dadurch herauszufinden, welche charakteristischen Produktvariablen (den Lernergebnissen der Schülerinnen
Persönlichkeitsmerkmale „gute Lehrer“ mitbringen und Schüler) andererseits durch die Prozessvariablen des
müssen, um ihre Aufgaben erfolgreich erfüllen zu kön- Unterrichts (also das Handeln der Lehrkraft, das Inter-
nen. Das Persönlichkeitsparadigma bediente sich teils aktionsgeschehen in der Klasse und die Lernaktivitäten
geisteswissenschaftlich-phänomenologischer und teil- der Schülerinnen und Schüler) vermittelt sind. Eine auf-
weise an der differenziellen Persönlichkeitspsychologie schlussreiche Methode in diesem Zusammenhang ist der
orientierter Forschungsansätze. Die Befunde dieser ers- Optimalklassenansatz (z. B. Helmke 2012). Hier werden im
ten Forschungsbemühungen waren ernüchternd: Die ersten Schritt Schulklassen identifiziert, die im Hinblick
„ideale Lehrerpersönlichkeit“, durch deren Wirken Lehr- auf ein Zielkriterium (z. B. Schulleistung, Ausbalancieren
Lernprozesse besonders wirkungsvoll ausgelöst worden von kognitiven, motivational-affektiven und sozialen
wären, ließ sich nicht entdecken. Bestimmte Persön- Lernzielen) besonders erfolgreich sind. Im zweiten Schritt
lichkeitsmerkmale wie Intelligenz, Offenheit gegenüber werden die Merkmale der Lehrkräfte und die Profile ihres
Mitmenschen, Gewissenhaftigkeit oder Verträglichkeit und Unterrichts betrachtet.
Empathie konnten zwar als relevante Faktoren identifiziert Wenn man bedenkt, wie viele unterschiedliche kogni-
werden. Heute wird eine Grundausstattung mit diesen tive Prozesse notwendig sind, um das Klassengeschehen
Faktoren aber eher als „Mindestanforderung“ (Seidel & sinnvoll, adaptiv (in Abhängigkeit von unterschiedlichen
Reiss 2014) verstanden, aus der alleine noch kein quali- Voraussetzungen und Kontextbedingungen) und für alle
tätsvoller Unterricht resultiert und ohne dass geklärt wäre, Lernenden gewinnbringend zu steuern, wird deutlich, wie
was der spezifische Beitrag dieser Eigenschaften für den komplex die Tätigkeit einer Lehrperson ist.
Lehrerberuf ist. Das Expertenparadigma beruht auf der Beurteilung
In der Folge wurde in neueren Forschungsansätzen von Lehrpersonen als mehr oder weniger kompetenten
die Perspektive erweitert: Man konzentrierte sich stärker Fachleuten (Expertinnen und Experten) für die „Kunst
auf die konkreten Aktivitäten des Lehrens in der Klasse des Unterrichtens“. Es geht aber nicht wie beim Per-
und die Interaktionsprozesse, in die eine Lehrkraft beim sönlichkeitsparadigma um Charaktereigenschaften oder
Unterrichten involviert ist. Das Prozess-Produkt-Paradigma Führungsstile, sondern um sogenannte „Lehrerexpertise“,
fragt nach der Beschaffenheit dieser Unterrichtsprozesse das berufsbezogene Wissen und Können sowie subjektive
und nimmt zudem deren Wirkungen in den Blick. Es Theorien und Überzeugungen (beliefs) von Lehrerinnen
stellt also beispielsweise die Auswirkung bestimmter und Lehrern (Bromme 1992/2014). In neueren Studien wur-
Verhaltensmuster und Fertigkeiten der Lehrenden, die im den diese professionellen Kompetenzen von Lehrkräften
Unterricht zum Einsatz kommen, auf Indikatoren des Schü- intensiv untersucht (Kunter et al. 2011; 7 Kap. 20). In der
lerverhaltens (z. B. Schülerleistung) in den Mittelpunkt. Mit aktuellen Forschung wird davon ausgegangen, dass das
diesem Forschungsansatz gelang es, Lehrerverhaltens- Prozess-Produkt-Paradigma und das Expertenparadigma
weisen zu identifizieren, die mit größeren Lernzuwächsen einander wechselseitig und gewinnbringend ergänzen.
18 einhergehen. Beispielsweise wurde geklärt, welche Form Nun mag man sich fragen, was die Paradigmen der
von Feedback wirkungsvoll ist, welche Arten von Arbeits- Unterrichtsforschung mit James Bond zu tun haben. Wir
aufträgen hilfreich sind und wie mit Unterrichtsstörungen haben dieses Beispiel gewählt, weil daran illustriert werden
wirksam umgegangen wird. Es zeigte sich aber auch, dass kann, wie sich die Forschung weiterentwickelt hat. Wie
das Unterrichtsgeschehen durch weitere Variablen beein- uns über viele Jahrzehnte vorgeführt wurde, gibt es nicht
flusst wird wie z. B. dem Vorwissen und dem fachlichen die eine Bond-Persönlichkeit: Jeder Darsteller hat der
Interesse der Schülerinnen und Schüler. Die Wirkungen Rolle sein eigenes Charisma verliehen und viele unter-
von Lehrerverhaltensweisen hängen also stark davon schiedliche Persönlichkeiten führten die Agententätigkeit
ab, auf welche Voraussetzungen sie bei Schülerinnen erfolgreich aus. Auch führte bei Bond nicht immer nur ein
und Schülern treffen und auch in welchen Kontexten bestimmtes Handeln (Prozess) zum immer gleichen Effekt
sie sich abspielen. Grundsätzlich lassen sich vier Arten (Produkt), sondern der Situation angemessenes Verhalten
von Variablen unterscheiden: Voraussetzungs-, Kontext-, begünstigte Agentenerfolge. Außerdem spielt Expertise
Prozess- und Produktvariablen (Dunkin & Biddle 1974). für das erfolgreiche Agentendasein eine große Rolle – Til
Zentrale Annahme ist, dass die Zusammenhänge zwi- Schweiger, der Novizen-Agent im Tatort, würde in den von
18.2 Modelle der Unterrichtsqualität
357 18
gen Forschungsstand über Bedingungen, Vernetztheit und
James Bond zu bewältigenden Situationen vermutlich an Konsequenzen des Unterrichts und soll explizit verhindern,
seine Grenzen stoßen. Übertragen gesprochen steckt also „guten Unterricht“ kurzschlüssig auf nur wenige Elemente im
in jeder Lehrperson ein bisschen Agent, der ein breites gesamten Wirkungsprozess zu reduzieren. Das Modell ist bei-
berufsbezogenes Wissen und Können braucht, um in spielsweise in der Lage zu erklären, warum guter Unterricht
verschiedenen Unterrichtssituationen erfolgreich handeln nicht unbedingt bei allen Schülerinnen und Schülern gu-
zu können. te Lernergebnisse bewirkt. Schulischer Lernerfolg wird hier
verstanden als ein Produkt aus dem Zusammenspiel vieler
Faktoren, wobei die Quantität und die Qualität von Un-
1 Das Angebot-Nutzungs-Modell terricht nur eine Auswahl davon darstellen. Die Nutzung
Im Anschluss an den Einblick in die Paradigmen der Un- des Unterrichtsangebots wird, so die Annahme, entschei-
terrichtsforschung wird nun ein Modell vorgestellt, das zur dend beeinflusst durch die Lernenden bzw. deren kognitive,
Analyse und Bewertung von Unterricht heute sehr verbreitet metakognitive und motivationale, soziale und kulturelle Vor-
und gut geeignet ist (. Abb. 18.1). Das sogenannte Angebots- aussetzungen. Die Bedeutung der individuellen Schülervor-
Nutzungs-Modell wurde maßgeblich von Helmke (2012) auf- aussetzungen wurde bereits in den 1980er-Jahren von Brophy
bauend auf mehreren Vorläufermodellen entwickelt. Wäh- und Good (1986) betont. Neuere empirische Untersuchungen
rend ältere Modelle davon ausgehen, dass Unterricht die belegen in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Zu-
Lernergebnisse der Lernenden direkt beeinflusst (Bloom sammenspiels individueller Schülervoraussetzungen für un-
1976; Carroll 1963), bilden Angebots-Nutzungs-Modelle sehr terrichtliche Interaktionen (z. B. Jurik, Gröschner & Seidel
viel umfassender die Wechselwirkungen zwischen Lernen- 2013). In Helmkes (2012) Modell wird zudem deutlich, dass
den, Lehrenden sowie institutionellen und informellen Kon- Lernende mitverantwortlich für die Konstruktion ihres Wis-
textbedingungen schulischen Lernens ab. Unterricht wird sens sind.
hier als Angebot verstanden, das Lehrende für ihre Schü- Passend zu der oben dargestellten Multikriterialität von
lerinnen und Schüler machen, das aber nicht automatisch Unterricht werden im Angebot-Nutzungs-Modell die Erträge
in idealer Weise von ihnen genutzt wird. Zur Beschreibung des Unterrichts im Sinne von Lernergebnissen nicht ein-
und Erklärung der Faktoren, die beim Unterrichten eine dimensional beschrieben – es können fachliche und über-
Rolle spielen, sind solche theoretischen Modellvorstellungen fachliche Ergebnisse sein, beispielsweise Wissen und Kön-
sehr hilfreich, auch wenn sie die Realität im Klassenzimmer nen, Überzeugungen und Interessen bezüglich eines Faches
niemals vollumfänglich wiedergeben können oder wollen. oder überfachliche Kompetenzen wie etwa Lern- oder Pro-
Das Angebots-Nutzungs-Modell reflektiert den gegenwärti- blemlösestrategien. Im Blickpunkt stehen also nicht nur die
Familie
Lehrperson
Strukturelle Merkmale (Schicht , Sprache , Kultur, Bildungsnähe):
Professionswissen
Prozessmerkmale der Erziehung und Sozialisation
Fachliche,
didaktische, Unterricht
diagnostische und (Angebot)
Lernpotenzial
Klassenführungs-
Vorkenntnisse, Sprache(n), Intelligenz; Lern- und Gedächtnis-
kompetenz Prozessqualität des
strategien, Lernmotivation, Anstrengungsbereitschaft,
Unterrichts
Pädagogische Ausdauer, Selbstvertrauen
Orientierungen - Fachübergreifend
Erwartungen und Ziele - Fachspezifisch
Wahrnehmung Lernaktivitäten Wirkungen
Engagement , Geduld Qualität des und (Nutzung) (Ertrag)
und Humor Lehr-/Lern-Materials Interpretation
Aktive Lernzeit Fachliche Kompetenzen
und Unterricht
Fachübergreifende
Außerschulische Kompetenzen
Unterrichtszeit Lernaktivitäten
Erzieherische
Wirkungen der Schule
Kontext
. Abb. 18.1 Modifiziertes Angebots-Nutzungs-Modell (nach Helmke 2012 zitiert nach Kunter & Trautwein 2013)
358 Kapitel 18 Unterrichtsqualität
Disziplinierung Fähigkeit des Lehrenden, bei Störungen auf eine klare, feste und nicht zu harte Weise zu reagieren.
Verdeutlichung an die Lernenden, dass die Lehrkraft über Situationen im Klassenzimmer stets informiert
Allgegenwärtigkeit
ist und gegebenenfalls einschreiten wird; sowie die Fähigkeit, bei gleichzeitig auftretenden Problemen die
und Überlappung
Aufmerksamkeit simultan auf mehrere Dinge zu richten.
Reibungslosigkeit Fähigkeit des Lehrenden, für einen flüssigen Unterrichtsverlauf zu sorgen und speziell in Übergangsphasen
und Schwung für eine fortgesetzte Auseinandersetzung mit den Lerninhalten zu sorgen.
Fähigkeit des Lehrenden, sich auf die Gruppe als Ganzes zu konzentrieren; gleichzeitig aber auch
Gruppenmobilisierung
die Fähigkeit, die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler individuell zu unterstützen.
Abwechslung und Fähigkeit des Lehrenden, die Lernaktivitäten (insbesondere in Stillarbeitsphasen) so zu gestalten, dass sie
Herausforderung abwechslungsreich und herausfordernd erlebt werden.
. Abb. 18.2 Merkmalsbereiche einer effektiven Klassenführung (nach Kounin 1976/2006) übernommen aus Seidel & Schindler (2018)
Fehlverhalten nur kurz und bündig ermahnt, sich dann aber unterschätzen, von Mobilisierung im Sinne einer Integration
schnell wieder der Lernaktivität widmet. Eine stärkere Fokus- in Interaktionen profitieren (Huber et al. 2015) (7 Kap. 11).
sierung der Lernaktivitäten anstelle der Störungen begünstigt
laut empirischer Ergebnisse die Mitarbeit von Schülerinnen1 Abwechslung und Herausforderung
und Schülern, was im Einklang mit den Befunden zum time Neben dem binnendifferenzierenden Charakter von Lern-
on task steht (Weinert & Helmke 1997). material ist es zudem von Relevanz, wie abwechslungsreich
und herausfordernd das Material für die Lernenden ist. Ei-
1 Reibungslosigkeit und Schwung ne abwechslungsreiche und herausfordernde Lernumgebung
Als reibungslos und schwungvoll ist Unterricht anzusehen, variiert verschiedene Sozialformen, bezieht das gesamte Klas-
dessen Verlauf strukturiert entlang eines roten Fadens ver- senzimmer als Lernort mit ein, ist intellektuell heraus- aber
läuft und damit zur fortgesetzten Auseinandersetzung der nicht überfordernd und anschaulich gestaltet. Auch für die-
Schülerinnen und Schüler mit den Lerninhalten führt. Auch se beiden Aspekte konnte Kounin positive Zusammenhänge
dies wirkt sich gemäß Kounins (1976/2006) Befunden positiv mit dem Schülerverhalten feststellen.
auf die Mitarbeit sowie das Ausbleiben von Störungen aus.
Um die Reibungslosigkeit zu gewährleisten, ist vor allem die1 Disziplinierungsmaßnahmen
Orientierung an einem Lernziel unabdingbar (Seidel 2011). Mit der letzten Technik beschreibt Kounin das, was wir als
„Ersatzreifen“ bezeichnet haben, d. h. die Frage der Gestal-
1 Gruppenmobilisierung tung von Disziplinierungsmaßnahmen, um unerwünschten
Eine wichtige Aufgabe der Lehrperson besteht darin, mög- Störungen zu begegnen. Die Modifikation pädagogisch un-
18 lichst viele Schülerinnen und Schüler zu mobilisieren und erwünschten Verhaltens hat eine lange Tradition in der For-
sie in den Unterricht einzubinden. Dies bedeutet im Sinne schung zum Lernen von Verhalten bzw. operanten Kondi-
des Angebot-Nutzungs-Modells erstens, binnendifferenzier- tionieren (7 Kap. 1). Die Lehrperson sollte auf eine klare,
tes Lernmaterial für Schülerinnen und Schüler mit unter- feste und nicht zu harte Weise reagieren. Klarheit meint da-
schiedlichen kognitiven und affektiven Voraussetzungen be- bei die Konkretheit der Information, die dem Lernenden bei
reitzustellen, und zweitens, die Lernenden in Interaktionen einer Maßregelung gegeben werden. So wird unterschieden
zu involvieren. Dies ermöglicht, dass Lernende aktiv gemäß zwischen einer wenig ratsamen informationsarmen Diszipli-
ihrer Voraussetzungen eingebunden sind. Sie haben die Mög- nierung („Lass das“), einer verhaltensbenennenden Diszipli-
lichkeit, sich mit dem Lerngegenstand auseinanderzusetzen nierung („Du sollst nicht mit deinem Nachbarn sprechen“)
und neigen dadurch weniger zu Störungen. In diesem Zu- und einer konstruktiven Disziplinierung, die Hinweise für
sammenhang zeigte sich, dass Lehrpersonen häufiger mit weiteres Verhalten gibt („Bitte konzentriere dich auf deine
Schülerinnen und Schülern mit günstigen Voraussetzungen Aufgabe“).
wie z. B. einem positiven Fähigkeitsselbstkonzept interagie- Daneben ist die Festigkeit ein weiterer Aspekt der Qualität
ren (Jurik, Gröschner & Seidel 2014). Neuere empirische einer Disziplinierungsmaßnahme. Dies meint, mit welcher
Befunde zeigen, dass vor allem Lernende, die über günstige Ernsthaftigkeit die Lehrperson die Maßnahme vornimmt, al-
kognitive Voraussetzungen verfügen, aber ein geringes Fähig- so z. B. durch Blickkontakt die Festigkeit bis zur Beendigung
keitsselbstkonzept haben und sich und ihre Leistungen eher des Fehlverhaltens untermauert.
18.3 Basisdimensionen der Unterrichtsqualität
363 18
Während bei Klarheit und Festigkeit „je mehr desto bes- Einbezug des Vorwissens auf Individualebene, dass Schüle-
ser“ gilt, ist dies beim dritten Charakteristikum von Diszipli- rinnen und Schüler mit geringem Vorwissen davon profi-
nierungsmaßnahmen anders: Unter Härte wird das gezeigte tierten, wenn Lerninhalte klar strukturiert waren. In einem
Maß an Aggressivität verstanden (z. B. Zorn durch böse Bli- zweiten Schritt zeigte sich, dass die kognitive Aktivität ein
cke oder angedrohte Strafen). Von dieser sollte nur soweit wie Prädiktor der Leistungsentwicklung war, wenn das individu-
gerade zur Durchsetzung der Maßnahme nötig Gebrauch ge- elle Vorwissen mit einbezogen wurde. Das bedeutet, dass bei
macht werden. einer höheren (wahrgenommenen) kognitiven Aktivität die
Schülerinnen und Schüler ihr Vorwissen verstärkt nutzen,
was sich wiederum positiv auf die Leistung auswirkt.
18.3.2 Kognitive Aktivierung
Im Fokus: Strukturierungsmaßnahmen
Ergebnisse der ersten TIMS-Studie (Trends in Internatio- entfällt (Seidel 2011). In diesem Zusammenhang konnte häu-
nal Mathematics and Science Study) zeigten im Zusammen- fig das Muster Initiation – Response – Follow-up identifiziert
hang mit der Aufgabenqualität, dass nur etwa jede zehnte vi- werden (Mercer & Dawes 2014). Die Lehrperson beginnt da-
deographierte Mathematikstunde Aufgaben beinhaltete, die bei meist mit einer Frage, woraufhin eine Schülerin oder ein
mehrere Lösungsansätze zuließen (Baumert et al. 1997). Zu Schüler antwortet und ein Feedback durch die Lehrperson
ähnlichen Ergebnissen kam auch die TIMSS-Erhebung im erfolgt (Cazden 2001). Dieses Muster ist nicht per se als pro-
Jahr 2000, in der die Schülerinnen und Schüler sehr häufig blematisch zu sehen, sondern seine Lernförderlichkeit hängt
berichteten, im Mathematikunterricht zumeist Informatio- vielmehr von seiner Qualität ab, die maßgeblich durch die
nen von der Tafel abzuschreiben, Gleichungen prozedural Qualität der Lehrerfrage gesteuert wird (Chin 2006). Ist die
zu lösen oder ihrer Lehrkraft beim Lösen von Aufgaben zu- Frage der Lehrperson geschlossen und erzwingt damit ein
zusehen (Baumert & Köller 2000). Auch zwölf Jahre später bestimmtes Stichwort, zeigen Studien negative Auswirkun-
berichteten im Rahmen von PISA nur 10 % der Schülerinnen gen unter anderem auf die Lernmotivation von Schülerinnen
und Schüler, dass Aufgaben im Mathematikunterricht einge- und Schülern (z. B. Jurik et al. 2014). Auch lassen stichworter-
setzt wurden, die mehr als einen offensichtlichen Lösungsweg zwingende Fragen nur eine geringe Beteiligung zu, die sich
zuließen (Schiepe-Tiska et al. 2013). wiederum als positiver Prädiktor für die wahrgenommene
Für den Physikunterricht konnte zudem gezeigt werden, kognitive Aktivierung von Schülerinnen und Schülern erwie-
dass Experimente dazu beitragen können, Schülerinnen und sen hat. Oliveira (2010) postuliert in Übereinstimmung mit
Schüler kognitiv zu aktivieren. Tesch (2005) sowie Seidel et al. den Kriterien kognitiv aktivierenden Unterrichts (Bransford
(2007) fanden allerdings Hinweise darauf, dass Experimente & Donovan 2005), dass eine anregende Frage offen, heraus-
zumeist lehrergesteuert und phänomenpräsentierend einge- fordernd und verknüpfend sein sollte. Durch solche Fragen
setzt wurden – d. h. in einer Weise, in der ihr Potenzial zur wird eine Verknüpfung mit vorhandenem Vorwissen geför-
kognitiven Aktivierung oft nicht genutzt wird. Laut Schüler- dert und Schülerinnen und Schüler können darauf aufbauend
angaben in PISA 2006 finden eigene Experimente nur in etwa neue Ideen elaborieren.
jeder fünften Unterrichtsstunde statt und sind dann zumeist Zusammenfassend lässt sich über Aufgaben, Experimente
ebenfalls durch die Lehrperson vorstrukturiert. Nur 14 % der und Lehrerfragen sagen, dass sie von herausragender Bedeu-
Schülerinnen und Schüler gaben an, eigene Experimente zu tung für die kognitive Aktivierung sind. Entscheidender als
entwickeln. die Häufigkeit des Einsatzes ist dabei, wie gut diese Elemente
Diese Befunde zeigen, dass für die untersuchten Fächer eingesetzt werden. So kann eine einzige gut im Unterrichts-
durchaus Nachbesserungsbedarf besteht, wenn man die Idee verlauf eingebettete offene Lehrerfrage eine darauffolgende
der kognitiven Aktivierung ernst nimmt und Lernende zum produktive Schülerdiskussion anstoßen, im Rahmen derer
Organisieren und Elaborieren von Wissen anregen möchte Schülerinnen und Schüler ihre Ideen offenbaren und ausbau-
(7 Kap. 4). Ein prominentes Projekt in diesem Zusammen- en.
hang ist der bundesweite Modellversuch SINUS (Steigerung
der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Un- Im Fokus: Gestaltung von Aufgaben- und Frageformaten?
terrichts; Prenzel 2000), in dem Lehrpersonen in Reaktion auf
die PISA- und TIMSS-Ergebnisse im Rahmen von elf Modu- 4 Mehrere Antwortmöglichkeiten zulassen: „Ist 2 oder 4
len unter anderem an der Aufgabenkultur im mathematisch- größer?“ oder „Erkläre warum 4 größer ist als 2!“ Dieses
naturwissenschaftlichen Unterricht arbeiteten. Forschungs- einfache Beispiel verdeutlicht, wie unterschiedlich
befunde zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler durch eine Frage bezüglich ihres Potentials zu kognitiver
die Teilnahme ihrer Lehrpersonen an diesem Programm im Aktivierung formuliert sein kann. Während bei der
Vergleich zur PISA-Kontrollgruppe ein gesteigertes Interes- ersten Frage als Antwortmöglichkeit nur die 2 oder 4
18 se und höhere Kompetenzen in Naturwissenschaften und bleibt (und damit auch eine 50 % Ratechance), lässt
Mathematik aufwiesen (Prenzel, Carstensen, Senkbeil, Oster- die zweite Arbeitsanweisung Raum für verschiedene
meier & Seidel 2005). Die im vorangegangenen Abschnitt für elaboriertere Schülerantworten wie z. B. „Die 4 ist größer,
den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht be- weil sie auf dem Zahlenstrahl weiter rechts liegt“ oder
schriebene Situation ist dort im Vergleich zu anderen Fächern „Die 4 ist größer, weil 2 C 2 4 ergibt“ oder „Die 4 ist
am besten untersucht – es ist jedoch naheliegend anzuneh- größer, weil 2 2 4 ergibt“ oder „Die 4 ist größer, weil
men, dass es derartige Problemlagen auch in anderen Fächern wenn ich 4 Äpfel esse satter werde als wenn ich 2 Äpfel
gibt. esse“.
4 Eine zentrale Frage/Aufgabe stellen: Eine einzige
1 Lehrerfragen zentrale Frage oder Aufgabenstellung für eine Unter-
Neben der Offenheit von Aufgaben sind Fragen ein weiteres richtsstunde oder -einheit kann der Engschrittigkeit
wichtiges Instrument zur kognitiven Aktivierung von Schüle- von Frageroutinen im Unterricht entgegenwirken und
rinnen und Schülern. Für den deutschen Sekundarunterricht Themen, bei denen es nicht genau eine richtige Antwort
zeigten Studien wiederholt, dass etwa drei Viertel der Un- gibt, Raum gewähren (z. B. Reznitskaya, 2012).
terrichtszeit auf das fragend-entwickelnde Klassengespräch
18.3 Basisdimensionen der Unterrichtsqualität
365 18
4 Fragen/Aufgaben mit Echtheitscharakter und Alltagsbe- 4 Das Risiko des Fehlers eingehen: Es ist besser, wenn
zug: „Echte“ Problemstellungen sind motivierend und Schülerinnen und Schüler sich mit einem fehlerhaften
Themen erscheinen relevanter, wenn sie uns im Alltag Unterrichtsbeitrag zu Wort melden, als wenn sie nichts
begegnen. Dies gilt auch bei der Auswahl von Fragen sagen aus Angst, es könnte falsch sein.
und Aufgaben im Unterricht, wobei das persönliche 4 Analyse von Fehlern und Kommunikation über Fehler:
Umfeld sowie Alter und Interessen der Schülerinnen Lehrkräfte sollten in der Lage sein, Fehler zu analysieren,
und Schüler berücksichtigt sein müssen. nachzuvollziehen, wie es zu einem Fehler kommen
4 Experimente selbst planen: Gut kochen zu können konnte und welche Art Fehler vorliegt (z. B. Flüchtig-
beinhaltet, bewährte Rezepte nachzukochen, aber keitsfehler, konzeptionelles Missverständnis, falsche
auch, Rezepturen selbst zu erweitern. Übertragen auf Inferenz, Fehler aufgrund unvollständiger Modellbil-
den Unterricht stellt sich die Frage: Wann sind klare dung, Identifikationsfehler, Themaverfehlung), und
„Rezepturen“ für Experimente hilfreich, wann ist Raum diese mit Schülerinnen und Schülern konstruktiv und
für das eigene Planen, Durchführen und Reflektieren lernwirksam zu thematisieren (Lernfunktionalität von
von Experimenten? Ein Beispiel für eine der neueren Fehlern).
didaktischen Möglichkeiten ist „Chemie im kleinen 4 Lehrkraftunterstützung bei Fehlern: Lehrpersonen
Maßstab“ (Microscale-Chemie), bei der Schülerinnen sollten Fehler nicht einfach übergehen, sondern
und Schüler anhand von Kleinmengen unkompliziert Lernende dabei unterstützen, Strategien für den
und sicher eigenständig experimentieren können. Umgang mit ihnen zu entwickeln. Bei Bedarf sollten
inhaltliche Hilfestellungen angeboten werden.
4 Abwesenheit negativer Mitschülerreaktionen: Ausla-
1 Fehlerkultur chen oder herabsetzendes Kommentieren nach Fehlern
Um Lernende im Rahmen offener Aufgaben, der Planung ei- sollte durch die Lehrkraft unterbunden werden.
gener Experimente und bei der Beantwortung offener Fragen
zur Partizipation zu ermutigen, sind eine gute Fehlerkultur
und deren Explizierung eine wichtige Bedingung. Wie bereits
im Abschnitt zur Klassenführung herausgestellt, ist dabei die 18.3.3 Konstruktive Unterstützung
Trennung von Lern- und Leistungssituationen entscheidend,
so dass die Schülerinnen und Schüler wissen, wann es gilt,
Im Folgenden nehmen wir die dritte Basisdimension von Un-
Fehler zu vermeiden, und wann Fehler erlaubt sind und eine
terrichtsqualität nach Klieme et al. (2006) genauer in den
wichtige Lernressource bilden (Seidel, Prenzel, Duit & Lehrke
Blick.
2003). Videobefunde für den Physikunterricht zeigten, dass
Fehler nur selten explizit im Unterricht thematisiert werden
und existierende Schülerfehlvorstellungen oft unzureichend Die Basisdimension Konstruktive Unterstützung fasst
aufgegriffen werden (Meyer, Seidel & Prenzel 2006). zusammen, inwiefern Strukturen im Klassenzimmer
implementiert sind, welche Schülerinnen und Schülern
Im Fokus: Erzeugen eines konstruktiven Fehlerklimas für ihr Lernen Hinweise, Begleitung und Hilfestellungen
geben (Klieme et al. 2006).
Was konkret getan werden kann, um in einer Lerngruppe ein
konstruktives Fehlerklima zu gewährleisten, haben Steuer,
Rosentritt-Brunn und Dresel (2013) zusammengefasst. 1 Unterstützende unterrichtliche Organisationsformen
4 Fehlertoleranz der Lehrkraft: Eine entscheidende Rolle Im Unterricht stehen der Lehrperson unterschiedliche Or-
im Geschehen kommt der Haltung der Lehrperson zu: ganisationsformen zur Verfügung, im Rahmen derer Schü-
Lehrerinnen und Lehrer sollten eine fehlertolerante lerinnen und Schüler miteinander agieren und sich gegen-
Haltung verinnerlicht haben und kommunizieren, dass seitig unterstützen können sowie von der Lehrkraft Unter-
Fehler nichts Schlimmes sind. stützung erfahren. Dabei herrscht Konsens in der interna-
4 Bewertungsirrelevanz von Fehlern und Abwesenheit tionalen Forschung, dass Schülerinnen und Schüler in den
negativer Lehrkraftreaktionen: Lernende müssen sich beiden wichtigsten Organisationsformen (Plenum und Schü-
in Lernsituationen sicher fühlen, zu jeder Zeit Fehler lerarbeitsphasen) erfolgreich lernen, wenn die darin einge-
machen zu dürfen, ohne dass Konsequenzen in Form betteten Interaktionen von hoher lernförderlicher Qualität
von negativen Bewertungen folgen, aber auch ohne sind (Furtak 2006; Webb 2009). Das ist dann der Fall, wenn
Augenrollen oder „scherzhaftes“ Bloßstellen vor der jeweils systematisch und gut strukturiert, mit klaren Lern-
Klasse. zielen, eindeutig formulierten Arbeitsanweisungen und in-
tensiver kognitiver Aktivierung gearbeitet wird. Dazu kann
366 Kapitel 18 Unterrichtsqualität
den gut genutzt werden kann. Maßnahmen zur inneren Dif- teratur auch betont, dass bei adaptiven Maßnahmen auch
ferenzierung des Unterrichts und Individualisierung des Ler- immer die Vermittlung von Strategien zum selbstregulierten
nens ermöglichen konstruktiven Umgang mit Heterogenität. Lernen im Blickpunkt stehen sollten, damit Schülerinnen und
Um (idealerweise) für jede Schülerin und jeden Schüler ein Schüler mit zunehmenden Kompetenzen ihren Lernprozess
mittleres Anspruchsniveau zu setzen, so dass sie die Aufgaben selbst steuern können (Corno 2008; 7 Kap. 4).
mit einiger, aber nicht zu viel Anstrengung meistern können, Darüber hinaus wird deutlich, dass Entscheidungen,
ist ein unterstützendes Klima von großer Bedeutung. Dazu denen eine der vorgestellten Differenzierungen folgt, im-
gehört neben den angemessenen unterrichtlichen Organisa- mer die Diagnose eines Lernstandes zugrunde liegen muss
tionsformen auch ein Verständnis fördernder Umgang mit (7 Kap. 25). Lehrkräfte müssen über die Bedürfnisse und
Fehlern, konstruktives Feedback und ein Unterrichtstempo, Schwierigkeiten ihrer Schülerinnen und Schüler Bescheid
das allen erlaubt, über die in Frage stehenden Inhalte nach- wissen, um angemessene Lernbegleitung leisten zu können.
zudenken. Darüber hinaus sollten sie sich immer der Vorläufigkeit ihres
Es handelt sich dabei nicht um ein neues Phänomen, denn Urteils bewusst sein: Überraschende Lernerfolge sind in der
Heterogenität findet sich, seit Unterricht in Schulklassen or- weiteren Unterrichtsplanung ebenso zu berücksichtigen und
ganisiert ist. Der Umgang mit heterogenen Lernvorausset- zu reflektieren wie unerwartete Stagnationen.
zungen verlangt ein Repertoire an Methoden zur Differenzie- Ein hilfreiches Mittel der Differenzierung sind – wie be-
rung des Unterrichts, die Beck et al. (2008) als adaptive Lehr- reits beschrieben – Aufgaben. Die Art der Instruktion, die
kompetenz beschrieben haben. Während bei äußerer Diffe- Erwartung an die richtige Lösung (gibt es eine oder mehrere
renzierung abhängig vom Lernniveau oder unterschiedlichen oder gar eine Vielzahl richtiger Lösungen?) und die Zielset-
Interessen Gruppen eingeteilt werden, die räumlich getrennt zung von Aufgaben (geht es darum, ein Thema zu durchdrin-
und von verschiedenen Personen bzw. zu verschiedenen Zei- gen oder ein neues Phänomen zu verstehen, um Routinisieren
ten unterrichtet werden (Dumont 2016), spricht man von und Einschleifen oder darum, beispielsweise bestimmte Aus-
innerer Differenzierung oder Binnendifferenzierung, wenn nahmen im Fremdsprachen-Grammatikunterricht zuverläs-
flexibel wechselnde, differenzierende Maßnahmen innerhalb sig identifizieren zu können und sich die dahinter liegenden
der bestehenden Klasse/Lerngruppe erfolgen. Für bestimmte Regeln zu eigen zu machen und anzuwenden?) erlauben viele
Lernaufgaben werden z. B. temporäre Lerngruppen gebildet, verschiedene Möglichkeiten, Lernende kognitiv zu aktivie-
die jeweils angemessene didaktische Arrangements (z. B. dif- ren. Sie geben Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten,
ferenzierte Aufgabenstellungen, unterschiedliche Arbeitsfor- sich mit bestimmten Phänomenen, Ausschnitten des Stof-
men, Projekte) bearbeiten. Dadurch sollen Schülerinnen und fes oder spezifischen Schwierigkeiten gezielt zu beschäftigen
Schülern – individuell oder in Gruppen – unterschiedliche und geben dafür eine Struktur vor. Aufgaben erlauben es,
Lernwege angeboten werden. Auch der Begriff Individuali- Lernfortschritte sichtbar zu machen und ermöglichen der
sierung zielt auf die bestmögliche Passung von Unterrichts- Lehrperson individuelles Feedback zu geben, da durch Auf-
angebot und Schülervoraussetzungen (Fischer 2014; vgl. z. B. gabenlösungen ein gründlicher Einblick in die Denk- und
Meyer, Prenzel & Hellekamps 2008). Dumont (2016) unter- Arbeitsweisen der Lernenden ermöglicht wird. Eine relativ
scheidet fünf Formen der inneren Differenzierung: einfache, weil bereits in vielen Schulbüchern enthaltene Vari-
4 die methodische, bei der Aufgabenstellungen und Aufga- ante des qualitativen Differenzierens, arbeitet beispielsweise
benformate, beispielsweise in einer Kategorisierung nach mit paralleldifferenzierenden Aufgaben. Der gleiche Inhalt
Pflichtaufgaben, Wahlaufgaben und Zusatzaufgaben, va- wird auf unterschiedlichen Anspruchsniveaus in Teilgruppen
riiert werden, der Klasse parallel und alternativ bearbeitet. Leuders und Pre-
4 die mediale, die von der Variation der Arbeitsmaterialien diger (2016) geben viele weitere konkrete Beispiele, wie Diffe-
lebt (so kann man sich etwa mit Rechtschreibung auf sehr renzierung im Mathematikunterricht erfolgen kann. Auch die
18 unterschiedliche Weise vertieft befassen, über eine Kartei Bildungsstandards der unterschiedlichen Unterrichtsfächer
mit schwierigen Wörtern oder über die Textproduktion ordnen Aufgaben Anforderungsniveaus zu und dienen da-
am Computer mit einem Rechtschreibkontrolltool), mit als gute Schwierigkeitsorientierung (7 https://www.kmk.
4 die quantitative, die vor allem die Bearbeitungszeit und org/themen/qualitaetssicherung-in-schulen.html).
den Umfang der Aufgaben auf die Lernenden abstimmt,
4 die qualitative, die adaptiv mit den Lernzielen und dem Im Fokus: Konzept für Differenzierung und Individualisierung
Schwierigkeitsniveau umgeht (also beispielsweise offene
und geschlossene Wochenpläne verwendet) und Das Albrecht-Ernst Gymnasium in Oettingen (7 http://www.
4 die inhaltliche, die Aufgabeninhalte und Themen variiert gymnasiumoettingen.de/) hat sich in Reaktion auf die erste
(z. B. ermöglicht die Verwendung von Impulsaufgaben PISA-Erhebungsrunde die Frage gestellt, wie Schülerinnen
Spielräume bei der Wahl des Inhalts und der Vorgehens- und Schüler individuell in ihrem Kompetenzerwerb
weise). gefördert werden können. Ein wesentlicher Kernaspekt des
daraus entstandenen Lernkonzepts ist die Übersetzung des
An diesen Stellen können Lernangebote variiert und ange- Lehrplans in einen Lernplan für Schülerinnen und Schüler,
passt werden. Zusätzlich zur Herstellung der Passung zwi- was im Einklang mit der in diesem Kapitel an mehreren
schen Lernvoraussetzung und Lernangebot wird in der Li-
18.4 Zusammenspiel verschiedener Aspekte von Unterrichtsqualität
369 18
Betrachtet man die Merkmale von Unterrichtsqualität,
Stellen betonten Bedeutung von Strukturiertheit und wie dieses Kapitel sie beschreibt, so wird deutlich, dass viele
Zielorientierung für erfolgreiches Lernen steht. Im Rahmen Voraussetzungen zum Kompetenzerwerb erfüllt sind, wenn
des Lernplans werden (fächerübergreifend) Lerninhalte die beschriebenen Basisdimensionen von Unterricht umge-
in Kompetenzbereiche eingegliedert und die Lernenden setzt werden. Abschließend möchten wir relevante Hand-
wissen, welche Kompetenzen sie im Rahmen der Auseinan- lungsmöglichkeiten innerhalb der Basisdimensionen zusam-
dersetzung mit den zugehörigen Lernmaterialien erwerben menfassend diskutieren, die in diesem Kapitel vorgestellt
können. Im Zuge der Differenzierung werden für jeden wurden.
Kompetenzbereich Lernmaterialien in drei Schwierigkeits- Zunächst ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schü-
stufen bereitgestellt. Die Schülerinnen und Schüler können ler wissen, welche Kompetenzen sie erwerben sollen. Ziel-
damit, gemäß ihrer Voraussetzungen und ihres Vorwis- klarheit ist natürlich nicht für Lernende aller Altersstufen
sens, an unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen ansetzen. gleichermaßen von Anfang an nachvollziehbar – es ist aber
Über den Zeitpunkt der Leistungserbringung in jedem ein wichtiger Lernprozess, sich nach und nach mehr über
Kompetenzbereich entscheiden sie individuell – um dem das eigene Lernen klar zu werden. Darüber hinaus spielt
Umstand Rechnung zu tragen, dass nicht alle im Gleich- selbstreguliertes Lernen (7 Kap. 4) im kompetenzorientierten
schritt lernen, sondern dass Differenzierung bedeutet, den Unterricht im Laufe des Lernens eine immer größere Rolle.
unterschiedlichen Bedarf von Lernzeit zu berücksichtigen. Autonomie in der Wahl der Lernziele, das bewusste Fördern
und Entwickeln metakognitiver Kompetenzen und die Fähig-
keit zum kooperativen Lernen sind hier von herausragender
Bedeutung.
„Wissen allein ist noch keine Kompetenz, stellt jedoch
18.4.2 Kompetenzorientierter Unterricht die Grundlage für jeden Kompetenzerwerb dar“ (ISB 2016).
In diesem Sinne sind Lernprozesse, bei denen der Fokus
Kompetenzorientierte Wissenserwerbsprozesse ermöglichen auf die Strukturiertheit des Unterrichts, auf ein Unterrichts-
Schülerinnen und Schülern anwendbare und anschlussfähi- tempo, das allen Schülerinnen und Schülern Nachdenken
ge Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben. Im Fokus steht erlaubt, und auf die kognitive Aktivierung der Lernenden ge-
dabei, wie Schülerinnen und Schüler fachliche Kompetenzen legt wird, eine wichtige Basis kompetenzorientierten Lernens.
(z. B. in den Naturwissenschaften) erwerben und gleichzeitig Diese Aktivierung geschieht je nach Fach durch unterschied-
die Bereitschaft entwickeln, sich im Kontext dieses Wissens liche Lernaktivitäten, wie beispielsweise Experimentieren,
mit wichtigen (z. B. gesellschaftlichen) Fragen zu befassen. das Formulieren eigener (Forschungs-)Fragen, intelligentes
Kompetenzorientierter Unterricht gelangte in den vergange- Üben mit Hilfe sinnvoller Aufgabenformate und immer, in-
nen Jahren, unterfüttert durch die Einführung der nationalen dem Lehrkräfte gutes, also informierendes und motivieren-
Bildungsstandards für viele Fächer, zu großer Bedeutung. Zu des Feedback geben.
den neuen bayerischen Lehrplänen „PLUS“ heißt es beispiels- Zu kompetenzorientiertem Unterricht gehört weiter-
weise: „Die Lehrpläne sind kompetenzorientiert ausgerichtet. hin, dass die Lehrer-Schüler-Beziehungen in motivationa-
Sie geben Auskunft über die im Unterricht nachhaltig aufzu- ler und affektiver Hinsicht positiv getönt sind. Wie wir in
bauenden Kompetenzen und beschreiben, an welchen Inhal- 7 Abschn. 18.3.1 zu Klassenführung beschrieben haben, ist
ten diese erworben werden. Diese Kompetenzen gehen über dies kein Widerspruch zu einer Arbeitsweise, die von kla-
reines Wissen hinaus und haben stets konkrete Anwendungs- ren Regeln bestimmt ist, bei der die Lehrkraft Störungen
situationen im Blick. Die Schülerinnen und Schüler schaffen energisch vorbeugt, und die möglichst viel Zeit für den ei-
sich also ‚Werkzeuge‘, die sie zur Lösung lebensweltlicher gentlichen, themenzentrierten Unterricht lässt.
Problemstellungen, zur aktiven Teilhabe an gesellschaftlichen Ein unterstützendes Unterrichtsklima entsteht, wenn
Prozessen und an kulturellen Angeboten sowie nicht zuletzt Lehrende für Lernende (idealerweise) ein mittleres An-
zum lebenslangen Lernen befähigen“ (ISB 2016). Im Folgen- spruchsniveau vorsehen, bei dem man die Aufgaben mit eini-
den geben wir Anregungen dazu, wie es gelingen kann, diese ger, aber nicht zu viel Anstrengung meistern kann. In diesem
Ziele angesichts des komplexen Geschehens im Klassenzim- Zusammenhang ist auch der Umgang mit Fehlern zentral, der
mer nicht aus dem Auge zu verlieren. auf das Weiterentwickeln im Sinne eines besseren Verständ-
Kompetent sein bedeutet, in einem bestimmten Bereich nisses gerichtet ist.
in verschiedenen Situationen bestimmte Anforderungen si-
cher bewältigen zu können. Eine in einem bestimmten Fach
oder Gebiet kompetente Person hat gelernt, ihr Wissen viel-
fach anzuwenden, es bleibt nicht „träge“ (Renkl 2018). In Zusammenfassung
kompetentes Handeln geht Wissen ein, das man äußern kann Guter Unterricht ist etwas, was geplant werden muss. Ent-
(„Wissen, dass . . . “), aber auch Wissen als Fertigkeit („Wissen, gegen früherer Annahmen, die von der „geborenen“ Leh-
wie . . . “). Hinzu kommen eine bestimmte Einstellung und rerpersönlichkeit ausgingen, die das Unterrichten bereits
die Fähigkeit, sich beim Handeln selbst über die Schulter zu als Fähigkeit mitbringt, wissen wir heute erstens, dass Un-
schauen (7 Kap. 4).
370 Kapitel 18 Unterrichtsqualität
Literatur
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