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Ideologie
philosophisches Werk von Karl Marx
unter Mitarbeit von Friedrich Engels
Die deutsche Ideologie ist ein Manuskriptkonvolut, das in den Jahren 1845–1846
hauptsächlich von Karl Marx und in Teilen von Friedrich Engels und zeitweilig auch von
Moses Hess, Joseph Weydemeyer und Roland Daniels verfasst, damals aber nur zu einem
geringen Teil veröffentlicht wurde. Zusammen mit den 1845 von Marx verfassten, ebenfalls
zu Lebzeiten unveröffentlichten Thesen über Feuerbach gilt Die deutsche Ideologie als
Schlüsselwerk des Historischen Materialismus.
Der mit ca. zwei Dritteln des Gesamtumfangs weitaus längste Text des Werks, die Kritik an
Max Stirner, wurde 1903/1904 auszugsweise in neun Folgen der Reihe Dokumente des
Sozialismus unter dem Titel Der ‚heilige Max‘ durch Eduard Bernstein herausgegeben.[2]
Bernstein griff damit in die durch die sogenannte Stirner-Renaissance veranlasste Debatte
um anarchistische Formen des Sozialismus ein.[3]
Der Abschnitt mit der Kritik an Ludwig Feuerbach wurde 1926 von Dawid Rjasanow als
Vorabdruck für die von ihm geplante Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA1) veröffentlicht.[4]
Die gesamte Deutsche Ideologie erschien erstmals 1932 in Band I/5 der MEGA1 in Berlin,
nach Verhaftung Rjasanows mit Wladimir Adoratski als Herausgeber. Im gleichen Jahr
brachten Siegfried Landshut und Jacob P. Mayer im Rahmen einer Edition von Marx’
Frühschriften eine stark gekürzte Fassung heraus, in der vor allem der Stirner-Abschnitt –
zwei Drittel des Gesamttextes – fehlte.[5] Der erste vollständige Abdruck in einer
Werkausgabe erfolgte 1933 in Band IV der ersten russischsprachigen Marx-Engels-
Werkausgabe (Sotschinenija1); parallel dazu wurde die Deutsche Ideologie in der UdSSR
anlässlich von Marx' 115. Geburtstag im Mai 1933 in einer Einzelausgabe mit einer
Auflagenhöhe von über 50.000 Exemplaren herausgebracht.[6] Im Rahmen der
deutschsprachigen MEW wurde der Text schließlich 1958 in Band 3 der Ausgabe
veröffentlicht. Eine überarbeitete Fassung hiervon erschien 1965 in Moskau und 1966 in der
DDR.
Für die zweite Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA2) wurde 1972 ein Probeband hergestellt,
in dem das Feuerbach-Kapitel nach neuestem Forschungsstand kommentiert und ediert ist.
Auf dessen Grundlage gab Wataru Hiromatsu in Tokio 1974 eine weitere Fassung in einer
neuen Anordnung der Texte heraus.
Das Erscheinen des neu edierten Bandes I/5 der MEGA2, der Die deutsche Ideologie enthält,
wurde seit dem Probeband 1972 mehrfach angekündigt, erfolgte schließlich aber aufgrund
der außerordentlich schwierigen Quellenlage und der Notwendigkeit, neuere
Forschungsergebnisse einzuarbeiten, erst Ende November 2017 auf insgesamt 1894
Seiten.[7][8] Die historisch-kritische Edition führte unter anderem zur Aufnahme zweier
weiterer Texte, eines anonym erschienenen, aber Marx zugeschriebenen Artikels in der
Zeitschrift Gesellschaftsspiegel, sowie eines Artikels von Joseph Weydemeyer aus dem
Westphälischen Dampfboot, den dieser unter Mitarbeit von Marx in Brüssel verfasst hatte.[9]
Die Herausgabe des MEGA-Bandes nach jahrzehntelanger Editionsarbeit erzeugte dabei auch
mediale Resonanz.[10]
Hauptaussagen
Das Werk kritisiert die junghegelianischen Philosophen Ludwig Feuerbach, Bruno Bauer und
Max Stirner sowie zeitgenössische deutsche Sozialisten.
In Die deutsche Ideologie stellen die Autoren einen Zusammenhang zwischen den
Lebensverhältnissen der Menschen und ihren Gedanken her. Insbesondere sind die Gedanken
von Menschen einer bestimmten Epoche, Region und gesellschaftlichen Stellung über Moral,
ethische Vorstellungen, Schönheitsideale usw. immer eine Widerspiegelung der spezifischen
Lebensverhältnisse dieser Epoche, Region und Gesellschaftsklasse (und Schicht etc.).
Vereinfacht kann man sagen: Nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das
Leben bestimmt das Bewusstsein. Die unterschiedlichen Lebensverhältnisse in einer
bestimmten Epoche und Region spiegeln sich in einer hierarchischen Ordnung der
verschiedenen Klassen. Die Gedanken der Mitglieder aller Klassen fungieren hierbei zur
Absicherung von Herrschaft derjenigen Klasse, die am meisten von der jeweiligen
Gesellschaftsstruktur profitiert. Die herrschenden Gedanken sind immer die Gedanken der
Herrschenden.
Die Interessen der herrschenden Klasse werden als die vorgeblich gemeinsamen aller
Mitglieder der Gesellschaft dargestellt. Marx und Engels bezeichnen Gedanken, die den
Interessen der herrschenden Klasse dienen und als allein gültig dargestellt werden, als
Ideologie. Ideologie kann durch Kritik aufgedeckt, aber nur durch revolutionäre Praxis
(„umwälzende Praxis“, wie Marx in der dritten These zu Feuerbach schrieb) beseitigt werden,
indem die materiellen Verhältnisse geändert werden.
Die Deutsche Ideologie markiert die Grenze zwischen dem sogenannten frühen und dem
reifen Marx, d. h. seine Lösung von dem humanistischen Materialismus Feuerbachs. Sie
enthält, wie Engels schrieb, die erste Formulierung von Marx’ „großer Theorie“, dem
Historischen Materialismus.[12]
Theoretische Einordnung
In der Vorrede von Zur Kritik der Politischen Ökonomie von 1859 thematisiert Marx den
Entstehungshintergrund der Arbeit:
„Friedrich Engels, mit dem ich seit dem Erscheinen seiner genialen
Skizze zur Kritik der ökonomischen Kategorien (in den Deutsch-
Französischen Jahrbüchern) einen steten schriftlichen
Ideenaustausch unterhielt, war auf anderm Wege (vergleiche seine
Lage der arbeitenden Klasse in England) mit mir zu demselben
Resultat gelangt, und als er sich im Frühling 1845 ebenfalls in
Brüssel niederließ, beschlossen wir, den Gegensatz unsrer Ansicht
gegen die ideologische der deutschen Philosophie gemeinschaftlich
auszuarbeiten, in der Tat mit unserm ehemaligen philosophischen
Gewissen abzurechnen. Der Vorsatz ward ausgeführt in der Form
einer Kritik der nachhegelschen Philosophie. Das Manuskript […],
zwei starke Oktavbände, war längst an seinem Verlagsort in
Westphalen angelangt, als wir die Nachricht erhielten, daß
veränderte Umstände den Druck nicht erlaubten. Wir überließen
das Manuskript der nagenden Kritik der Mäuse um so williger, als
wir unsern Hauptzweck erreicht hatten – Selbstverständigung.“[13]
Engels äußerte sich 1888 in einer Vorbemerkung zu Ludwig Feuerbach und der Ausgang der
klassischen deutschen Philosophie über das Manuskript folgendermaßen:
„Ehe ich diese Zeilen in die Presse schicke, habe ich das alte
Manuskript von 1845/46 nochmals herausgesucht und angesehn.
Der Abschnitt über Feuerbach ist nicht vollendet. Der fertige Teil
besteht in einer Darlegung der materialistischen
Geschichtsauffassung, die nur beweist, wie unvollständig unsre
damaligen Kenntnisse der ökonomischen Geschichte noch waren.
Die Kritik der Feuerbachschen Doktrin selbst fehlt darin; für den
gegenwärtigen Zweck war es also unbrauchbar. Dagegen habe ich
in einem alten Heft von Marx die im Anhang abgedruckten elf
Thesen über Feuerbach gefunden. Es sind Notizen für spätere
Ausarbeitung, rasch hingeschrieben, absolut nicht für den Druck
bestimmt, aber unschätzbar als das erste Dokument, worin der
geniale Keim der neuen Weltanschauung niedergelegt ist.“[14]
Auszug
Kritik
Die deutsche Ideologie als zentrales Werk von Marx und Engels hat es in der veröffentlichten
Form der Marx-Engels Werke (MEW) nie gegeben. Besonders das Kapitel „I Feuerbach“ war
ursprünglich als eine Kritik an Max Stirner gedacht. Ulrich Pagel, Gerald Hubmann und
Christine Weckwerth kommen in ihrer Arbeit zur Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) zu
folgendem Ergebnis: „Anstelle der in der späteren Rezeption behaupteten (und durch
Textkompilationen suggerierten) Ausformulierung einer Philosophie des historischen
Materialismus belegen die Manuskripte gerade die programmatische Abkehr von der
Philosophie zugunsten der wirklichen positiven Wissenschaft“.[16]
Ausgaben und Teilausgaben
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
Marx und Engels: Die deutsche Ideologie (1845) | Die heilige Familie (1845) | Manifest der
Kommunistischen Partei (1848) | Das Kapital, Band II [post mortem publiziert von
Engels] (1885) | Das Kapital, Band III [post mortem publiziert von Engels] (1894)
Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England (1845) | Grundsätze des
Kommunismus (1847) | Von der Autorität (1873) | Anti-Dühring (1878) | Die Entwicklung des
Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft (1880) | Dialektik der Natur (1883) | Der
Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats (1884) | Ludwig Feuerbach und
der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie (1886)