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12 - UR - Vorlesung AO - FGO - 1. Und 2. Teil Gesamt
12 - UR - Vorlesung AO - FGO - 1. Und 2. Teil Gesamt
Inga Hardeck
Universität Regensburg
Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre
1. Einführung
2. Verfahrensabschnitt: Ermittlungsverfahren
3. Verwaltungsakt
4. Zuständigkeit
5. Fristen
6. Verfahrensabschnitt: Erhebungsverfahren
7. Haftung
► Anwendungsbereich: § 1 Abs. 1 AO
• Steuern (althochdeutsch „stiura“)
- Legaldefinition in § 3 Abs. 1 AO
- Geldleistung ohne konkrete Gegenleistung
- Von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen
- Zu Erzielung von Einnahmen
- Allen auferlegt
- Gesetzlicher Tatbestand der Leistungspflicht erfüllt
- Abgrenzung: steuerliche Nebenleistungen (enumerativer Katalog in § 3 Abs. 4 AO , z.B. Zinsen)
► Anwendungsbereich: § 1 Abs. 2 AO
• Realsteuern
- Grundsteuer
- Gewerbesteuer
1. Einführung
2. Verfahrensabschnitt: Ermittlungsverfahren
3. Verwaltungsakt
4. Zuständigkeit
5. Fristen
6. Verfahrensabschnitt: Erhebungsverfahren
7. Haftung
Steuerbescheid
Berichtigungsverfahren Rechtsbehelfsverfahren
Steuerbescheid
Berichtigungsverfahren Rechtsbehelfsverfahren
► Legalitätsprinzip
• § 86 AO
• Verpflichtung der Finanzverwaltung, im Rahmen bestehender Rechtsvor-
schriften den Sachverhalt aufzuklären (Pflicht!)
• Gegensatz: Opportunitätsprinzip (z.B. Haftung, Außenprüfung)
► Untersuchungsgrundsatz
• § 88 AO
• Sachverhaltsermittlung von Amts wegen
• Objektive Sachverhaltsaufklärung (zu Ungunsten und zu Gunsten des
Steuerpflichtigen)
• Herrschaft über die Sachverhaltsermittlung bei Finanzverwaltung, § 92 AO
• Ermittlungsmaßnahme: Auskunft – Sachverständiger – Urkunde – Augenschein
• Sachgerechte Ermessensausübung, § 5 AO
11.07.2022 Seite 14 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Verfahrensabschnitt: Ermittlungsverfahren
Bankgeheimnis
Fall 2: Bankgeheimnis
Originäre Buchführungspflicht
• § 141 AO
• Überschreitung bestimmter Umsatz- und Gewinngrenzen (z.B. Umsatz >
500.000 EUR) führt ebenfalls zu Buchführungspflicht
• Mitteilung der Finanzverwaltung nach § 141 Abs. 2 S. 1 AO wirkt konstitutiv
(Wirkung für Wirtschaftsjahr nach Bekanntgabe der Mitteilung)
► Außenprüfung
• §§ 193 ff. AO iVm. Regelungen der BpO
• Sonderformen: LSt-Außenprüfung; USt-Sonderprüfung; betriebsnahe
Veranlagung auf Basis einer Prüfungsanordnung
• Nicht: USt-/LSt-Nachschau (§§ 27b UStG, 42g EStG)
► Prüfungsanordnung
• Schriftlicher Verwaltungsakt
• Mussinhalt: zu prüfende Steuerart; Prüfungszeitraum
• Unterschrift
• Weitere selbständige Verwaltungsakte, die mit der Prüfungsanordnung verbun-
den werden können (auch mündlich möglich!):
- Festlegung des Prüfungsbeginns (angemessene Zeit vorher, § 197 Abs. 1 S. 1 AO)
- Festlegung des Prüfungsorts (grundsätzlich die Geschäftsräume, §§ 200 Abs. 2 AO iVm. 6 BpO)
► Prüfungsablauf
• Ausweispflicht zu Beginn, § 198 AO
• Prüfungsbeginn muss aktenkundig gemacht werden (Datum, Uhrzeit)
• Prüfungsgrundsätze (z.B. Prüfung zu Gunsten und zu Ungunsten des
Steuerpflichtigen), § 199 AO
• Schlussbesprechung zur Gewährung rechtlichen Gehörs, § 201 AO
• Prüfungsbericht, § 202 AO -> kein Verwaltungsakt!
► Rechtsschutz
• Prüfungsanordnung sowie Festlegung Beginn, Ort = VAe (Einspruch, Klage)
• Prüfungshandlungen ≠ VAe (ggf. Verwertungsverbot; dann Feststellungsklage
gg. Prüfungsanordnung (Rechtswidrigkeit) und Einspruch/Klage gg. Steuerbe-
scheide aufgrund der Feststellungen)
• Erlaß einer neuen Prüfungsanordnung möglich (wiederholende Verfügung)
11.07.2022 Seite 21 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Verfahrensabschnitt: Ermittlungsverfahren
Außenprüfung
► Rechtsfolgen
• Ablaufhemmung, § 171 Abs. 4 AO
• Änderungssperre, § 173 Abs. 2 AO
• Sperrwirkung für Selbstanzeige, § 371 Abs. 2 Nr. 1 a, c AO
• Anspruch auf Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung, §§ 164 Abs. 1, 3 AO
► Kontrollmitteilung
• § 194 Abs. 3 AO
• Bei einer konkreten und im Aufgabenbereich des Prüfers liegenden Tätigkeit
taucht ein Anlass auf, Feststellungen im Hinblick auf steuerrelevante Verhält-
nisse dritter Personen zu treffen
• Kein Verwaltungsakt
• Verwertung auch dann zulässig, wenn Steuerpflichtiger ein Auskunftsverwei-
gerungsrecht geltend machen kann (z.B. nahe Angehörige)
11.07.2022 Seite 23 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Agenda
1. Einführung
2. Verfahrensabschnitt: Ermittlungsverfahren
3. Verwaltungsakt
4. Zuständigkeit
5. Fristen
6. Verfahrensabschnitt: Erhebungsverfahren
7. Haftung
► Maßnahme:
• Willensäußerung eines befugten Amtsträgers (§§ 6, 7 AO)
► Hoheitlich:
• Handeln im Über-/Unterordnungsverhältnis (nicht z.B. Finanzamt erklärt Auf-
rechnung)
► Behörde
• Staatliches Organ der Verwaltung mit hoheitlichem Zuständigkeitsbereich (nicht
z.B. Bank bei Einbehalt der Kapitalertragsteuer)
Maßnahme VA Kein VA
Steuerbescheid Ja
Prüfungsbericht Ja
Gewährung einer Fristverlängerung Ja
Zahlungsaufforderung Ja
Stundungsbewilligung Ja
Ablehnung eines Erlaßantrags Ja
Entscheidung über Antrag auf Aussetzung der Vollziehung Ja
Auskunftsersuchen Ja
Mahnung Ja
Ablehnung einer Bescheidkorrektur am Telefon Ja
Aufforderung des Pförtners, das FA zu verlassen Ja
Hinweis auf die in Kürze fällige KFZ-Steuer Ja
Einheitlich und gesonderte Gewinnfeststellung Ja
Vorauszahlungsbescheid Ja
► Keine Nichtigkeit:
• §§ 125 AO iVm. 124 Abs. 3 AO
• Vorliegen eines Kataloggrundes gem. § 125 Abs. 2 AO?
- Nichterkennbarkeit der erlassenden Behörde, § 125 Abs. 2 Nr. 1 AO
Steuerbescheid
Berichtigungsverfahren Rechtsbehelfsverfahren
► Ordnungsgemäße Bekanntgabe:
• Wem gegenüber?
- Inhaltsadressat: Derjenige, gegen den sich der Steueranspruch bzw. die Regelung des
VA richtet
- Der Inhaltsadressat muss sich (zumindest durch Auslegung) so eindeutig aus dem Bescheid er-
geben, dass keine Zweifel über seine Identität bestehen
- Bekanntgabeadressat: Derjenige, an den der VA bekanntgegeben wird
- Regelmäßig mit dem Inhaltsadressaten personenidentisch; Abweichung bei gesetzlichem Vertre-
ter (z.B. bei Minderjährigem, juristischer Person)
- Empfänger: Derjenige, dem der VA tatsächlich zugehen soll, damit er durch die
Bekanntgabe wirksam wird
- Empfangsbevollmächtigter (§§ 123, 182 AO); Bekanntgabe auch gegenüber einem Bevollmäch-
tigten (§ 80 AO)
► Ordnungsgemäße Bekanntgabe:
• Wie?
- Die Bekanntgabe setzt den Bekanntgabewillen eines Behördenangehörigen, der nach seiner
behördeninternen Stellung zum Erlass eines VAs befugt ist, im Zeitpunkt des Zugangs voraus
(nicht: Putzfrau)
- Solange der VA den Herrschaftsbereich der Finanzverwaltung noch nicht verlassen hat, kann
der Bekanntgabewillen auch wieder aufgegeben werden; erforderlich ist eine klare und ein-
deutige Dokumentation der Aufgabe in den Behördenakten (unverzügliche Information des
Empfängers über Aufgabe ist erforderlich)
- Eintritt in den Machtbereich des Steuerpflichtigen
- Kenntnisnahme ist möglich und nach Verkehrsanschauung auch zu erwarten (z.B. Einwurf
in Briefkasten); tatsächliche Kenntnisnahme ist dann irrelevant
► Ordnungsgemäße Bekanntgabe:
• Wann?
- Einfache postalische Übermittlung: § 122 Abs. 2 AO
Versendung im Inland: Bekanntgabe am 3. Tag nach Aufgabe zur Post (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO)
Versendung im Ausland: Bekanntgabe einen Monat nach Aufgabe zur Post (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 AO)
Verschiebung des Bekanntgabetages auf den nächsten Werktag, wenn sich nach Fiktion ein Wochenend-
oder Feiertag ergibt (§ 108 Abs. 3 AO)
Ausnahme: kein oder tatsächlich späterer Zugang, § 122 Abs. 2 AO a.E.
► Ordnungsgemäße Bekanntgabe:
• Sonderfälle der Bekanntgabe:
- Ehegatten
Bekanntgabe an alle Beteiligten als Gesamtschuldner, wenn den Ehegatten unter ihrer
gemeinsamen Anschrift eine Bescheidsausfertigung übermittelt wird (§ 122 Abs. 7 S. 1 AO)
Der Steuerbescheid muss aber beide Ehegatten als Steuerschuldner bezeichnen
Gesonderte Bekanntgabe der Bescheide erforderlich im Fall des § 122 Abs. 7 S. 2 AO
- Mehrere Feststellungsbeteiligte: § 183 Abs. 1 AO
1. Ist ein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter bestellt (§ 183 Abs. 1 S. 1 AO)?
2. Ist ein gesetzlicher oder gewählter Vertreter vorhanden (§ 183 Abs. 1 S. 2 AO)?
3. FA muss zur Bestellung auffordern und gleichzeitig einen Empfangsbevollmächtigten
benennen (§ 183 Abs. 1 S. 3, 4 AO)
4. Einzelbekanntgabe zwingend, wenn Fall des § 183 Abs. 2 AO vorliegt (z.B. handelsrechtliche
Auflösung der Gesellschaft)
► Verfahrenserfordernisse:
• Anhörungspflicht, § 91 AO
• Begründungspflicht, § 121 AO
- Sollvorschrift, § 121 Abs. 1 AO
- Begründung z.B. in Form der Auflistung von Besteuerungsgrundlagen, Gesichtspunkte im
Rahmen der Ermessensentscheidung
- Entbehrlichkeit der Begründung: § 121 Abs. 2 AO (z.B. Abweichung zu Gunsten des Steuer-
pflichtigen)
- Verstoß gegen Begründungspflicht begründet nur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, nicht
Unwirksamkeit
- Fehlende Begründung kann nachgeholt werden (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO)
Steuerbescheid
Berichtigungsverfahren Rechtsbehelfsverfahren
► Steuerbescheid
• Festsetzung des Steueranspruchs (§ 38 AO) durch Steuerbescheid, § 155 Abs.
1 S. 1 AO
- Auch (teilweise) Freistellung von der Steuer, § 155 Abs. 1 S. 3 AO
- Schriftform, § 157 Abs. 1 S. 1 AO; entbehrlich z.B. bei Steueranmeldung wie USt-Voranmeldung
- Inhalt: Festgesetzte Steuer nach Art und Betrag; Veranlagungszeitraum bei periodischen Steu-
ern; Steuerschuldner (§ 155 Abs. 1 S. 2 AO; nur dieser „Tenor“ erwächst in Bestands-
kraft, § 155 Abs. 2 AO)
- Für Begründung genügt Angabe der Besteuerungsgrundlagen
- Rechtsbehelfsbelehrung (Fehler führt zu verlängerter Einspruchsfrist von 1 Jahr)
- Weitere mögliche Regelungsbestandteile: z.B. Anrechnungsverfügung (LSt, KapESt),
Festsetzung von Zinsen (§§ 233 a ff. AO)
1. Einführung
2. Verfahrensabschnitt: Ermittlungsverfahren
3. Verwaltungsakt
4. Zuständigkeit
5. Fristen
6. Verfahrensabschnitt: Erhebungsverfahren
7. Haftung
Landesfinanzministerium bzw.
Finanzsenator
• Alle übrigen Steuerarten
Landesfinanzbehörden • Bundesauftragsverwaltung für 2
Oberfinanzdirektionen
Steuern, die dem Bund zufließen
bzw. BayLSt
Finanzamt
1)1) Weisungsrecht bei Bundesauftragsverwaltung
2) 2) Weisungs-, aber kein Selbsteintrittsrecht
► Sachliche Zuständigkeit
• Recht und Pflicht einer bestimmten Behörde, die gesetzlich zugewiesenen
Aufgaben zu erfüllen
• §§ 16 AO, 17 FVG
• Finanzamt ist zuständig für die Verwaltung der Steuern, deren Verwaltung nicht
den Bundesfinanzbehörden oder den Gemeinden zugewiesen ist
• Weitere Aufgabenzuweisung an Finanzamt z.B. in EigZulG, InvZulG
• Regelung der internen Zuständigkeit durch Verwaltungsanweisung (Geschäfts-
ordnung für die FÄ (FAGO))
Geschäftsleitung
§ 20 AO Geschäftsleitungsfinanzamt (Besteuerung juristischer Personen nach
dem Einkommen)
• § 25 AO: Finanzamt des ersten Zugriffs (FA, das zuerst mit der Sache befasst war)
• § 27 AO: Zuständigkeitsvereinbarung (an sich örtlich unzuständiges FA übernimmt Besteuerung)
Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften führt zu Rechtswidrigkeit des VA (aber kein Aufhebungsgrund gem.
§ 127 AO)
1. Einführung
2. Verfahrensabschnitt: Ermittlungsverfahren
3. Verwaltungsakt
4. Zuständigkeit
5. Fristen
6. Verfahrensabschnitt: Erhebungsverfahren
7. Haftung
Beispiele: Beispiele:
• Frist zur Abgabe der Steuererklärung; Einspruchsfrist • Stundungsfrist; Frist zur Belegvorlage
Nicht verlängerbar Verlängerbar nach Ermessen des Finanzamts
• Ausnahme: Frist zur Abgabe der Steuererklärung
Bei Versäumnis: Bei Versäumnis:
• Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, • Antrag auf rückwirkende Fristverlängerung, § 109 Abs. 1 S. 2
§ 110 AO AO;
• Bei Ausschlussfrist nur Antrag gem. § 110 AO
1. Einführung
2. Verfahrensabschnitt: Ermittlungsverfahren
3. Verwaltungsakt
4. Zuständigkeit
5. Fristen
6. Verfahrensabschnitt: Erhebungsverfahren
7. Haftung
Steuerbescheid
Berichtigungsverfahren Rechtsbehelfsverfahren
Steuerschuldner (§ 43 S. 1 AO
iVm. Einzelsteuergesetzen)
- Vertretung ist zwingend bei fehlender Handlungsfähigkeit (§§ 79, 34 Abs. 1 S. 1 AO; z.B.
Minderjähriger) bzw. kann gewillkürt sein im Fall des § 80 AO (Beistand und Bevollmächtigter)
• Gesetz- oder sittenwidriges Verhalten ist für die Entstehung des Steueran-
spruchs irrelevant, §§ 40, 41 AO (Wertneutralität des Steuerrechts)
- Vorschriftswidrige Einfuhr von Falschgeld und Suchtstoffen führt systemwidrig nicht zum
Entstehen von EUSt (§ 21 Abs. 2 UStG iVm. Art. 212 S. 2 ZK)
- § 41 AO erfordert für Vereinbarungen unter nahen Angehörigen eine klare und formwirksame
Vereinbarung im Voraus sowie deren tatsächliche Durchführung
11.07.2022 Seite 60 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Verfahrensabschnitt: Erhebungsverfahren
Steuerschuldrecht
► Verzinsung:
• Steueranspruch wird nur bei entsprechender gesetzlicher Anordnung ver-
zinst (nicht: Nebenleistungen, ErbSt)
• Einheitliche Zinshöhe für alle Zinsanspruchsnormen: 0,5% je voller Monat
(§ 238 Abs. 1 S. 1 AO; neu rückwirkend ab 1. Januar 2019: 0,15% p.m.)
• Festsetzung durch Zinsbescheid, § 239 Abs. 1 AO
• Verzinsung von Steuernachforderung und Steuererstattung: § 233 a ff. AO
- Zinsbeginn: 15 Monate nach Ablauf des KJ, in dem die Steuer entstanden ist (nur für ESt, KSt,
USt, GewSt)
- Zinsende: Ablauf des Tages, an dem Steuerfestsetzung wirksam wird
• Stundungszinsen: § 234 AO
• Hinterziehungszinsen: § 235 AO
• Aussetzungszinsen: § 237 AO
11.07.2022 Seite 62 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Verfahrensabschnitt: Erhebungsverfahren
Säumniszuschlag
► Säumniszuschlag:
• § 240 AO (Steuerliche Nebenleistung)
• Steuer wird nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt (<-> Verspätungs-
zuschlag gem. § 152 AO bei verspäteter Abgabe der Steuererklärung)
• Voraussetzungen:
- Säumnis: Steuer wird nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt, § 240 Abs. 1 S. 1 AO
- Schonfrist: 3 Tage nach Fälligkeit (Zahlungs-Schonfrist)
• Gegenseitigkeit („einander“)
- Sonderregelung des § 226 Abs. 4 AO (keine Anwendung des § 395 BGB)
- Auch Forderungen gegen Gesamtschuldner sind aufrechenbar
- Fehlende Gegenseitigkeit ist unschädlich, wenn kein Aufrechnungshindernis vorliegt (§ 226 Abs.
1 AO, 406 BGB)
- Aufrechnungshindernis: der Aufrechnende weiß von der Abtretung noch bevor er seinen eigenen
Anspruch erwirbt, mit dem er aufrechnen möchte
- Aufrechnungshindernis: Fälligkeit der Forderung des Aufrechnenden erst nach Kenntnis-
erlangung von der Abtretung und erst nach Fälligkeit der abgetretenen
Forderung
► Voraussetzungen:
• § 227 AO (<-> abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen, § 163
AO)
• Persönliche Billigkeitsgründe
- Erlaßbedürftigkeit = Existenz des Steuerpflichtigen ist durch Steuererhebung erheblich gefährdet
und
- Erlasswürdigkeit = Kein Verschulden an der eigenen Leistungsunfähigkeit
• Sachliche Billigkeitsgründe
- Steuererhebung ist mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar (z.B. Kein DBA und
StPfl müsste mangels Anrechenbarkeit oder Abziehbarkeit insgesamt mehr als 100% Steuern
bezahlen)
► Rechtsfolgen:
• Erlöschen der Steuerschuld
• Kein Vorgehen gegen bestandskräftige Steuerfestsetzung im Erlassweg
11.07.2022 Seite 67 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Verfahrensabschnitt: Erhebungsverfahren
Erlass
► Voraussetzungen:
• § 227 AO (<-> abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen, § 163
AO)
• Persönliche Billigkeitsgründe
- Erlaßbedürftigkeit = Existenz des Steuerpflichtigen ist durch Steuererhebung erheblich gefährdet
und
- Erlasswürdigkeit = Kein Verschulden an der eigenen Leistungsunfähigkeit
• Sachliche Billigkeitsgründe
- Steuererhebung ist mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar (z.B. Kein DBA und
StPfl müsste mangels Anrechenbarkeit oder Abziehbarkeit insgesamt mehr als 100% Steuern
bezahlen)
► Rechtsfolgen:
• Erlöschen der Steuerschuld
• Kein Vorgehen gegen bestandskräftige Steuerfestsetzung im Erlassweg!
11.07.2022 Seite 68 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Verfahrensabschnitt: Erhebungsverfahren
Zahlungsverjährung
► Voraussetzungen:
• §§ 229 ff. AO (<-> Festsetzungsverjährung, §§ 169 ff. AO)
• Beginn: mit Ablauf des KJ, in dem die Fälligkeit liegt
• Ausnahme: Anlaufhemmung bei verspäteter oder fehlender Erklärungsabgabe,
§ 229 Abs. 1 S. 2 AO
• Unterbrechungstatbestände: enumeratorische Aufzählung des § 231 Abs. 1
AO (z.B. AdV ab Fälligkeit)
• Dauer: 5 Jahre, § 228 S. 2 AO
• Ende: mit Ablauf des 5. KJ nach Beginn, §§ 108 AO iVm. 187 bis 193 BGB
• Hemmung: § 230 AO
► Rechtsfolgen:
• Erlöschen des Steueranspruchs
11.07.2022 Seite 69 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Verfahrensabschnitt: Erhebungsverfahren
Stundung
► Voraussetzungen:
• § 222 AO (<-> Zahlungsaufschub, § 223 AO)
• Persönliche Billigkeitsgründe
- z.B. Liquiditätsprobleme
• Sachliche Billigkeitsgründe
- z.B. künftiger Erstattungsanspruch
► Rechtsfolgen:
• Verschiebung der Fälligkeit (kein Säumniszuschlag ab Stundung)
• Änderung/Rücknahme nach §§ 129 bis 131 AO möglich
• Rechtsbehelf gegen Stundungsentscheidung: Einspruch
1. Einführung
2. Verfahrensabschnitt: Ermittlungsverfahren
3. Verwaltungsakt
4. Zuständigkeit
5. Fristen
6. Verfahrensabschnitt: Erhebungsverfahren
7. Haftung
• Rechtsfolge
- Persönliche und unbeschränkte Haftung für die fremden hinterzogenen Steuern und die dazu-
gehörigen Hinterziehungszinsen
Problem „Schuldner der Hinterziehungszinsen“:
Schuldner gem. § 235 Abs. 1 S. 2 AO ist zunächst der Schuldner der hinterzogenen Steuer. Ausnahmsweise
schuldet auch wer für einen anderen Steuern einbehalten und abführen muss oder wer zu Lasten eines
anderen Steuern zu entrichten hat (z.B. VersSt).
• Rechtsfolge
- Persönliche und unbeschränkte Haftung für betriebsbedingte Verbindlichkeiten (auch KFZ-
Steuer; steuerliche Nebenleistungen)
- Keine zeitliche Begrenzung
• Andere Gesellschaften
- Haftung des GbR-Gesellschafters: § 128 HGB analog
- Haftung des Komplementärs einer KG: § 161 Abs. 2 HGB
- Haftung des Kommanditisten einer KG: § 171 ff. HGB
• Sollinhalt
- Aufgliederung der Haftungsschuld nach einzelnen Zeiträumen
- Begründung, § 121 AO (Haftungsvorschrift, haftungsauslösender Sachverhalt, Erstschuldner,
Steuerberechnung (wenn nicht bekannt), Ermessenserwägung)
- Verstoß gegen den Sollinhalt führt zur bloßen Rechtswidrigkeit
11.07.2022 Seite 81 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Haftung
Festsetzung durch Haftungsbescheid
► Formelle Rechtmäßigkeit
• Vorherige Anhörung des Haftungsschuldners/Dritten, § 91 AO
- Verstoß führt zur Rechtswidrigkeit und ist heilbar (§ 126 Abs. 1 Nr. 3 AO)
• Form
- Schriftformzwang, § 191 Abs. 1 S. 3 AO
• Zuständigkeit
- Ersatzzuständigkeit: § 24 AO
► Materielle Rechtmäßigkeit
• Erfüllung eines (oder mehrerer Haftungstatbestände)
• Keine Verjährung
- Steuerrechtliche Haftungsansprüche: § 191 Abs. 3 AO
- Zivilrechtliche Haftungsansprüche: § 191 Abs. 4 AO
• Kein Hinderungsgrund, § 191 Abs. 5 AO
- Erlöschen der Erstschuld vor Erlass des Haftungsbescheides
• Ermessenentscheidung („Ob“ und „Wer“)
11.07.2022 Seite 82 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
FRAGEN ?
G ist Geschäftsführer der A-GmbH. Das Finanzamt nimmt G persönlich für die Rück-
stände der A-GmbH (KSt 2014 und Säumniszuschläge zur KSt 2013) gem. § 74 AO in
Haftung, da G ein Betriebsgrundstück an die A-GmbH verpachtet hat.
Lösung:
► Haftung ist geregelt in § 74 AO.
► Umfasst sind nach Wortlaut nur Steuern (nicht aber steuerliche Nebenleistun-
gen).
► Im Gegensatz hierzu umfasst Vertreterhaftung gem. § 69 AO ausdrücklich An-
sprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (Legaldefinition in § 37 Abs. 1 AO).
Fall 2: Bankgeheimnis
Sachverhalt:
Lösung:
► Sammelauskunftsersuchen ist hier Ermittlungsmaßnahme im Besteuerungsver-
fahren (nicht: Steuerstrafverfahren).
► Hinreichender Anlass (aufgrund konkreter Anhaltspunkte besteht Möglichkeit ei-
ner Steuerverkürzung) ist erforderlich (keine Ermittlung ins Blaue hinein).
► Ergebnis: Das Auskunftsersuchen ist rechtmäßig.
Lösung:
Bei der ABC-OHG wird eine auf § 193 Abs. 1 AO gestützte Außenprüfung durchge-
führt. In diesem Zusammenhang wird erstmals ein Grundstück des Gesellschafters A
als SBV erfasst, das an die OHG vermietet war (bisher V + V – Einkünfte). Bei dem
Gesellschafter B führt die Überprüfung der Kapitalkonten in der OHG-Bilanz zu einer
Nachversteuerung von Kapitaleinkünften, da die hohen Gewinnentnahmen auf Privat-
konten gebucht worden sind.
Wie ist die Rechtslage?
Lösung:
Bei der X-GmbH läuft eine Außenprüfung, bei der auch das Geschäftsführergehalt des
X (Alleingesellschafter-Geschäftsführer) überprüft wird, das ca. 95% des Betriebser-
gebnisses der GmbH betragen hat. Bei der Schlussbesprechung kommt es zu einer
heftigen Diskussion zwischen X, dessen StB und dem BP sowie dessen Vorgesetzten.
Der Amtsvorsteher, der zu Beginn noch anwesend gewesen ist, verlässt den Raum,
bevor es zu folgendem Kompromiss kommt (Anerkennung des Gehalts als BA in Höhe
von 50%; Verstoß gegen Gebot der schriftlichen Vereinbarung im ersten Prüfungsjahr
begründet keine vGA).
Wie ist die Rechtslage?
Lösung:
► Im ersten Punkt ist die Einigung wirksam (Amtsvorsteher hat wegen anfänglicher
Beteiligung den funktionell zuständigen BP-Vorgesetzten konkludent zur Eini-
gung ermächtigt).
► Im zweiten Punkt ist Einigung nicht wirksam (über Rechtsfrage kann keine tat-
sächliche Verständigung erzielt werden; zudem liegt materiell-rechtlich eine fal-
sche Entscheidung vor).
► Ergebnis: Die Einigung im Rahmen der Schlussbesprechung ist nur teilweise
bindend.
Gastwirt G kümmert sich nicht um behördliche Angelegenheiten. Post von der Finanz-
behörde bewahrt er in einem Schuhkarton auf. Mangels Abgabe von Steuererklärun-
gen greift das Finanzamt zur Schätzung und erlässt entsprechende Schätzbescheide,
um die sich G ebenfalls nicht kümmert. Selbst auf Mahnungen und Vollstreckungsan-
kündigungen reagiert G nicht. Das Finanzamt veranlasst daraufhin eine Kontenpfän-
dung. Endlich reagiert G und bemerkt, dass in den Schätzbescheiden Umsatz und
Gewinn seiner Gaststätte deutlich zu hoch angesetzt sind.
Wie ist die Rechtslage?
Lösung:
Spieler S ist bei mehreren Gläubigern, die mit ihm regelmäßig Poker spielen, hoch
verschuldet. Steuererklärungen gibt S ab VZ 01 nicht mehr ab. Daraufhin schätzt das
Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für VZ 01. Nachdem S auf die Schätzung
nicht reagiert, schätzt das Finanzamt für den VZ 02 erneut und legt einen üppigen
Sicherheitszuschlag fest, der einer „Mondschätzung“ gleichkommt. Als sich der Bruder
von S, der StB ist, um die Steuerangelegenheiten des S kümmert, kann er im VZ 03
eine Neuaufrollung der Sachverhalte für 01 und 02 bzw. eine Steuerfestsetzung auf 0
erreichen (Bescheide standen unter VdN). Allerdings verlangt das Finanzamt unter
Hinweis auf § 240 Abs. 1 S. 4 AO weiterhin die Säumniszuschläge.
Wie ist die Rechtslage?
Lösung:
Die Finanzverwaltung will einen KSt-Bescheid an eine AG adressieren, die einen StB
zur Vertretung in allen steuerlichen Angelegenheiten bevollmächtigt hat. Der zustän-
dige Sachbearbeiter fragt sich, an wen er den Bescheid bekanntgeben soll.
Wie ist die Rechtslage?
Lösung:
Lösung:
Lösung:
Sachverhalt:
RA Rauhbein (R) wohnt in Ebersberg (FA-Bezirk Ebersberg) und betreibt dort seine
Kanzlei. Am 30.06.2010 verlegt R seine Kanzlei nach Erding (FA-Bezirk Erding) und
zeigt dies am 01.07.2010 dem FA Ebersberg an. R möchte wissen, ob
- er verpflichtet war, die Verlegung der Kanzlei dem FA anzuzeigen;
- welches FA für die ESt und USt 2010 zuständig ist;
- welches FA für die ESt und USt 2009 zuständig ist, wenn R die diesbezüglichen
Erklärungen am 12.07.2010 beim FA Ebersberg eingereicht hat (Gewinnermitt-
lungszeitraum = KJ);
Lösung:
► Pflicht zur Anzeige der Verlegung ergibt sich aus § 138 Abs. 1 S. 3, 4 AO
► ESt 2010: Zuständigkeit des Wohnsitz-FA (Ebersberg, § 19 Abs. 1 AO), aber ge-
sonderte Feststellung der Einkünfte durch Tätigkeits-FA (Erding), §§ 180 Abs. 1
Nr. 2 b) 2. HS, 18 Abs. 1 Nr. 3 AO
► USt 2010: Zuständigkeit des Unternehmens-FA Erding, § 21 Abs. 1, 26 AO
► ESt 2009: Wohnsitz-FA (Ebersberg, § 19 Abs. 1 AO); keine gesonderte Feststel-
lung erforderlich
► USt 2009: Unternehmens-FA Ebersberg, §§ 21, 26 AO
Sachverhalt:
Lösung:
Sachverhalt:
Lösung:
1. Festsetzungsverjährung
2. Korrekturvorschrift: § 129 AO
3. Korrekturvorschrift: §§ 130, 131 AO
4. Korrekturvorschrift: §§ 164, 165 AO
5. Korrekturvorschrift: § 172 AO
6. Korrekturvorschrift: § 173 AO
7. Korrekturvorschrift: § 174 AO
8. Korrekturvorschrift: § 175 AO
9. Korrekturvorschrift: § 177 AO
10. Korrekturvorschrift: § 173a AO
12.07.2022 Seite 2 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Festsetzungsverjährung/Korrekturvorschrift
Prüfungsschema
► Beginn
• Grundsatz: § 170 Abs. 1 AO (mit Ablauf des KJ, in dem der Anspruch entstan-
den ist)
- ESt: §§ 38 AO iVm. 36 Abs. 1 EStG
- USt: §§ 38 AO iVm. 13 UStG
- KStG: §§ 38 AO iVm. 30 KStG
- GewSt: §§ 38 AO iVm. 18 GewStG
- ErbSt: §§ 38 AO iVm. 9 ErbStG
► Beginn
► Dauer
• Grundsatz: § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO (4 Jahre)
• Leichtfertige Steuerverkürzung: § 169 Abs. 2 S. 2, 378 AO (5 Jahre)
• Steuerhinterziehung: § 169 Abs. 2 S. 2, 370 AO (10 Jahre)
• „soweit“: Teilverjährung im Übrigen nach 4 Jahren
► Ende
• Anwendung der §§ 108 AO iVm. 187 ff. BGB
• ggf. nach Ablaufhemmung
1. Festsetzungsverjährung
2. Korrekturvorschrift: § 129 AO
3. Korrekturvorschrift: §§ 130, 131 AO
4. Korrekturvorschrift: §§ 164, 165 AO
5. Korrekturvorschrift: § 172 AO
6. Korrekturvorschrift: § 173 AO
7. Korrekturvorschrift: § 174 AO
8. Korrekturvorschrift: § 175 AO
9. Korrekturvorschrift: § 177 AO
10. Korrekturvorschrift: § 173a AO
12.07.2022 Seite 13 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Korrekturvorschrift: § 129 AO
Begriff der Bestandskraft
Bestandskraft
Finanzamt
• Durchbrechung der materiellen Bestandskraft
nur bei Vorliegen einer Korrekturvorschrift
• Wirksamkeit des VA
Korrekturvorschriften
• Verspätungszuschlag • ESt-Bescheid
• Stundung • USt-Bescheid
• Haftungsbescheid • Gewinnfeststellungsbescheid
1. §§ 164, 165 AO
Die vermögende, 80-jährige Anna Ast ist seit dem Jahre 01 verwitwet. In den Jahren 03–06 hat das Finanzamt die
Besteuerung des Einkommens nach der Grundtabelle vorgenommen. Für das Jahr 07 war die Einkommensteuer (20 000
€) nach der Splittingtabelle berechnet worden. Nach Unanfechtbarkeit des Bescheides erhielt Anna Ast im Jahre 09
einen „nach § 129 AO” berichtigten Einkommensteuerbescheid 07, in dem die Steuer (28 000 €) nach der Grundtabelle
berechnet war.
Aufgrund eines Rechenfehlers des Bernd Benn, den das Finanzamt anhand der im Mai 02 mit der Einkommensteuer-
erklärung eingereichten Zusammenstellung der Betriebsausgaben hätte erkennen können, wird dem Einkommen-
steuerbescheid 01 (ESt: 10 000 €) ein um 5 000 € zu hoher Gewinn zugrunde gelegt. Nach Unanfechtbarkeit des
Einkommensteuerbescheides 01 entdeckt Bernd Benn den Rechenfehler und beantragt beim Finanzamt die Beseitigung.
Aufgabe:
1. Durfte das Finanzamt einen nach § 129 AO berichtigten Einkommensteuerbescheid 07 für Anna Ast erlassen?
2. Wird der Antrag des Bernd Benn auf Beseitigung des Rechenfehlers Erfolg haben?
3. Wann muss der Antrag von Bernd Benn spätestens beim Finanzamt eingehen?
1. Festsetzungsverjährung
2. Korrekturvorschrift: § 129 AO
3. Korrekturvorschrift: §§ 130, 131 AO
4. Korrekturvorschrift: §§ 164, 165 AO
5. Korrekturvorschrift: § 172 AO
6. Korrekturvorschrift: § 173 AO
7. Korrekturvorschrift: § 174 AO
8. Korrekturvorschrift: § 175 AO
9. Korrekturvorschrift: § 177 AO
10. Korrekturvorschrift: § 173a AO
12.07.2022 Seite 18 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Korrekturvorschrift: §§ 130, 131 AO
Tatbestandsmerkmale
Rücknahme (§ 130 AO) bzw. Widerruf (§ 131 AO)
§ 130 AO § 131 AO
Belastender VA: § 130 Abs. 1 AO Belastender VA: § 131 Abs. 1 AO
Änderung zu Gunsten ohne besondere Voraussetzungen Änderung zu Gunsten ohne besondere Voraussetzungen
möglich möglich
Rücknahme möglich mit Wirkung für Widerruf möglich, aber nur mit
Zukunft und Vergangenheit Wirkung für die Zukunft
1. Festsetzungsverjährung
2. Korrekturvorschrift: § 129 AO
3. Korrekturvorschrift: §§ 130, 131 AO
4. Korrekturvorschrift: §§ 164, 165 AO
5. Korrekturvorschrift: § 172 AO
6. Korrekturvorschrift: § 173 AO
7. Korrekturvorschrift: § 174 AO
8. Korrekturvorschrift: § 175 AO
9. Korrekturvorschrift: § 177 AO
10. Korrekturvorschrift: § 173a AO
12.07.2022 Seite 23 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
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Korrekturvorschrift: §§ 164, 165 AO
Tatbestandsmerkmale des § 164 AO
► Tatbestandsvoraussetzung:
• Keine abschließende Prüfung des Sachverhalts erfolgt
- Bsp. für abschließende Prüfung: (abgekürzte) Außenprüfung; LSt-Prüfung
- Bsp. für nicht abschließende Prüfung: USt-Sonderprüfung; Einspruchsverfahren
► Prüfungsschema:
• Stand die Steuerfestsetzung zu irgendeinem Zeitpunkt unter VdN?
- Behördlich: § 164 Abs. 1 S. 1 AO
- Gesetzlich: § 164 Abs. 1 S. 2 AO oder §§ 167, 168 AO
• Rechtsfolge:
- Wenn VdN wirksam: Änderung nach § 164 Abs. 2 AO
- Wenn VdN unwirksam: Änderung ggf. nach §§ 172 ff. AO
• Nur der vom Vorläufigkeitsvermerk umfasste Sachverhalt ist offen (<-> § 164 AO; gesamter
Steuerfall)
1. Festsetzungsverjährung
2. Korrekturvorschrift: § 129 AO
3. Korrekturvorschrift: §§ 130, 131 AO
4. Korrekturvorschrift: §§ 164, 165 AO
5. Korrekturvorschrift: § 172 AO
6. Korrekturvorschrift: § 173 AO
7. Korrekturvorschrift: § 174 AO
8. Korrekturvorschrift: § 175 AO
9. Korrekturvorschrift: § 177 AO
10. Korrekturvorschrift: § 173a AO
12.07.2022 Seite 29 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
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Korrekturvorschrift: § 172 AO
Tatbestandsmerkmale
Korrektur nach § 172 AO
Allgemeine Voraussetzungen Besondere Voraussetzungen
§ 172 Abs. 1 Nr. 2a AO
• Änderung oder auch Erweiterung des Änderungsbe-
gehrens zu Gunsten des Steuerpflichtigen nur bei
Antrag und Zustimmung innerhalb der Einspruchsfrist
• Änderung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen jeder-
• Steuerbescheid zeit innerhalb der Festsetzungsfrist
• Kein VdN • Antrag = zum Ausdruck gebrachter konkreter Änder-
• Kein Vorläufigkeitsvermerk ungswille
• Änderungsbegehren muss konkret beziffert werden
• Keine AdV; ggf. Stundung (§ 222 AO)
• Kein Schriftformzwang
§ 172 Abs. 1 Nr. 2b AO
• Sachlich unzuständige Behörde
§ 172 Abs. 1 Nr. 2c AO
Auch bei Einspruchsentscheidung • Unlautere Mittel (z.B. § 370 AO)
(§ 172 Abs. 1 S. 2 AO) § 172 Abs. 1 Nr. 2d AO
• Verweis auf §§ 173 ff. AO
1. Festsetzungsverjährung
2. Korrekturvorschrift: § 129 AO
3. Korrekturvorschrift: §§ 130, 131 AO
4. Korrekturvorschrift: §§ 164, 165 AO
5. Korrekturvorschrift: § 172 AO
6. Korrekturvorschrift: § 173 AO
7. Korrekturvorschrift: § 174 AO
8. Korrekturvorschrift: § 175 AO
9. Korrekturvorschrift: § 177 AO
10. Korrekturvorschrift: § 173a AO
12.07.2022 Seite 32 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
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Korrekturvorschrift: § 173 AO
Änderung zu Ungunsten: § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
► Voraussetzungen:
• Tatsachen/Beweismittel
- Bsp. für Tatsachen: einzelne Besteuerungsgrundlagen; Umsatz- und Vorsteuer; grundsätzlich
einzelne Betriebseinnahmen und –ausgaben; ausnahmsweise: Ergebnis
aus einer bisher nicht erfassten Einkunftsquelle bzw. nach Schätzung: der
Gewinn/Verlust
- Keine Tatsachen: Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm; Schlussfolgerungen aller Art;
Urteile, Wertungen und Rechtsansichten
• Materiell-rechtliche Erheblichkeit
- Steuer muss ihrer Höhe nach durch Tatsache beeinflusst werden
• Nachträgliches Bekanntwerden
- Bekanntwerden der Tatsache erst nach abschließender Zeichnung des zuständigen Sachbe-
arbeiters
- Abgrenzung zu rückwirkendem Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (Tatsache muss bei Erlass
des Bescheides schon existent gewesen sein)
12.07.2022 Seite 33 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Korrekturvorschrift: § 173 AO
Änderung zu Ungunsten: § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
► Voraussetzungen:
• Nachträgliches Bekanntwerden
- Bei groben Ermittlungsfehlern gilt dem Finanzamt auch das als bekannt, was es bei gebotener
und sorgsamer Ermittlung hätte wissen können
- Wenn dem Steuerpflichtigen zugleich auch eine Verletzung seiner Mitwirkungspflichten vor-
werfbar ist, überwiegt dieser Fehler einen zugleich vorliegenden Ermittlungsfehler des Finanz-
amts
• Finanzbehörde
- Entscheidend ist die Kenntnis des für das betreffende Steuerfestsetzungsverfahren berufenen
Amtsträgers
- Der Finanzbehörde als bekannt gilt: Inhalt der Verwaltungsakten; Inhalt etwaiger
Rechtsbehelfsverfahren; Inhalt von Archivakten,
soweit diese hingezogen hätten werden müssen
- Der Finanzbehörde gilt nicht als bekannt: Nur dem Betriebsprüfer bekannte Tatsachen;
Akteninhalt von speziellen Steuerarten (z.B.
ErbSt; GrESt)
12.07.2022 Seite 34 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Korrekturvorschrift: § 173 AO
Änderung zu Ungunsten: § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
► Voraussetzungen:
► Voraussetzungen:
• Tatsachen/Beweismittel
- Bsp. für Tatsachen: einzelne Besteuerungsgrundlagen; Umsatz- und Vorsteuer; grundsätzlich
einzelne Betriebseinnahmen und –ausgaben; ausnahmsweise: Ergebnis
aus einer bisher nicht erfassten Einkunftsquelle bzw. nach Schätzung: der
Gewinn/Verlust
- Keine Tatsachen: Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm; Schlussfolgerungen aller Art;
Urteile, Wertungen und Rechtsansichten
• Materiell-rechtliche Erheblichkeit
- Steuer muss ihrer Höhe nach durch Tatsache beeinflusst werden
• Nachträgliches Bekanntwerden
- Bekanntwerden der Tatsache erst nach abschließender Zeichnung des zuständigen Sachbe-
arbeiters
- Abgrenzung zu rückwirkendem Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (Tatsache muss bei Erlass
des Bescheides schon existent gewesen sein)
12.07.2022 Seite 36 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Korrekturvorschrift: § 173 AO
Änderung zu Gunsten: § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO
► Voraussetzungen:
• Nachträgliches Bekanntwerden
- Bei groben Ermittlungsfehlern gilt dem Finanzamt auch das als bekannt, was es bei gebotener
und sorgsamer Ermittlung hätte wissen können
- Wenn dem Steuerpflichtigen zugleich auch eine Verletzung seiner Mitwirkungspflichten vor-
werfbar ist, überwiegt dieser Fehler einen zugleich vorliegenden Ermittlungsfehler des Finanz-
amts
• Finanzbehörde
- Entscheidend ist die Kenntnis des für das betreffende Steuerfestsetzungsverfahren berufenen
Amtsträgers
- Der Finanzbehörde als bekannt gilt: Inhalt der Verwaltungsakten; Inhalt etwaiger
Rechtsbehelfsverfahren; Inhalt von Archivakten,
soweit diese hingezogen hätten werden müssen
- Der Finanzbehörde gilt nicht als bekannt: Nur dem Betriebsprüfer bekannte Tatsachen;
Akteninhalt von speziellen Steuerarten (z.B.
ErbSt; GrESt)
12.07.2022 Seite 37 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
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Korrekturvorschrift: § 173 AO
Änderung zu Gunsten: § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO
► Voraussetzungen:
• Grobes Verschulden
- Steuerpflichtiger hat die ihm zumutbare Sorgfaltspflicht in ungewöhnlichem Maß und nicht
entschuldbarer Weise verletzt
- Verschulden des Vertreters oder Bevollmächtigten ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen
- Ausnahme: § 172 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 AO (Unbeachtlichkeit des groben Verschuldens, wenn
steuermindernde Tatsachen im Zusammenhang mit steuererhöhenden Tatsachen stehen)
- Grobes Verschulden: Nichtbeachtung der im Erklärungsvordruck gestellter Fragen; Nicht-
beachtung ausdrücklicher Hinweise in den amtlichen Erläuterungen;
Kenntnis der Abzugsfähigkeit bestimmter Aufwendungen, aber Ver-
zicht auf Geltendmachung wegen nicht auffindbarer Unterlagen;
Missachtung der Erklärungspflicht
- Kein grobes Verschulden: Steuerliche Unkenntnis des Steuerpflichtigen; versehentliches Ver-
gessen von Werbungskosten oder Betriebsausgaben; unverständ-
liches Steuererklärungsformular; rechtsirrige Geltendmachung von
Werbungskosten oder Betriebsausgaben
1. Festsetzungsverjährung
2. Korrekturvorschrift: § 129 AO
3. Korrekturvorschrift: §§ 130, 131 AO
4. Korrekturvorschrift: §§ 164, 165 AO
5. Korrekturvorschrift: § 172 AO
6. Korrekturvorschrift: § 173 AO
7. Korrekturvorschrift: § 174 AO
8. Korrekturvorschrift: § 175 AO
9. Korrekturvorschrift: § 177 AO
10. Korrekturvorschrift: § 173a AO
12.07.2022 Seite 40 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Korrekturvorschrift: § 174 AO
Überblick
Korrektur nach § 174 AO
• Korrigiert werden muss immer der materiell-rechtliche unzutreffende Bescheid!
Norm Tatbestandsmerkmale Ablaufhemmung
• Ein Sachverhalt § 174 Abs. 1 S. 2, 3 AO
§ 174 Abs. 1 AO • In mehreren Steuerbescheiden steuererhöhend erfasst • Festsetzungsfrist ist unbeachllich,
(Mehrfachberücksichti- • Obwohl eine Berücksichtigung nur einmal hätte wenn Korrekturantrag innerhalb
gung zu Ungunsten) erfolgen dürfen eines Jahres nach Bestandskraft
• Antrag des Steuerpflichtigen des letzten betroffenen Bescheids
gestellt wurde
1. Festsetzungsverjährung
2. Korrekturvorschrift: § 129 AO
3. Korrekturvorschrift: §§ 130, 131 AO
4. Korrekturvorschrift: §§ 164, 165 AO
5. Korrekturvorschrift: § 172 AO
6. Korrekturvorschrift: § 173 AO
7. Korrekturvorschrift: § 174 AO
8. Korrekturvorschrift: § 175 AO
9. Korrekturvorschrift: § 177 AO
10. Korrekturvorschrift: § 173a AO
12.07.2022 Seite 44 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Korrekturvorschrift: § 175 AO
Überblick
Korrektur nach § 175 AO
§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO
• Anpassung des Folgebescheids an den • Rückwirkendes Ereignis
Grundlagenbescheid von Amts wegen • Rückwirkung liegt vor, wenn das Ereignis nach
• Mehrfach anwendbar (solange, bis es passt) Steuerentstehung und nach Erlass des zu
• Wirksamer (nicht unbedingt rechtmäßiger) ändernden Steuerbescheids eingetreten ist
Grundlagenbescheid • § 175a AO: auch bei Verständigungsverfahren
• Bei Übersehen eines Grundlagenbescheids nach DBA
oder bei fehlerhaftem Übertrag ist § 129 AO • § 175b AO: auch bei Datenübermittlung durch
parallel anwendbar Dritte (Verschulden des Stpfl. Unerheblich)
Bsp.:
• Einheitswertbescheid für GrSt
• Feststellungsbescheid für Einkommensteuer Anlaufhemmung: § 175 Abs. 1 S. 2 AO
• Amtsärztliche Bescheinigung für §§ 33b EStG,
65 EStDV
1. Festsetzungsverjährung
2. Korrekturvorschrift: § 129 AO
3. Korrekturvorschrift: §§ 130, 131 AO
4. Korrekturvorschrift: §§ 164, 165 AO
5. Korrekturvorschrift: § 172 AO
6. Korrekturvorschrift: § 173 AO
7. Korrekturvorschrift: § 174 AO
8. Korrekturvorschrift: § 175 AO
9. Korrekturvorschrift: § 177 AO
10. Korrekturvorschrift: § 173a AO
12.07.2022 Seite 48 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
Dr. jur. Christian Reiter, RA/StB
Korrekturvorschrift: § 177 AO
Überblick
► Prüfungsschema:
• Bestimmung der Obergrenze, § 177 Abs. 1 AO
- Bisher festgesetzte Steuer + Summe aller steuererhöhenden Rechtsfehler mit Korrekturvorschrift
1. Festsetzungsverjährung
2. Korrekturvorschrift: § 129 AO
3. Korrekturvorschrift: §§ 130, 131 AO
4. Korrekturvorschrift: §§ 164, 165 AO
5. Korrekturvorschrift: § 172 AO
6. Korrekturvorschrift: § 173 AO
7. Korrekturvorschrift: § 174 AO
8. Korrekturvorschrift: § 175 AO
9. Korrekturvorschrift: § 177 AO
10. Korrekturvorschrift: § 173a AO
12.07.2022 Seite 55 Grundlagen des steuerlichen Verfahrensrechts (Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung)
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Korrekturvorschrift: § 173a AO
Überblick
► Prüfungsschema:
• Bei Erstellung der Steuererklärung
• Tritt Schreib- oder Rechenfehler auf Seiten des Steuerpflichtigen auf
- Schreibfehler: u.a. Rechtschreibfehler, Wortverwechselung oder fehlerhafte Übertragung
- Rechenfehler: u.a. Fehler bei Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division, Prozentrechnung
- Nicht: unrichtige Tatsachenwürdigung, Rechtsirrtum oder Rechtsanwendungsfehler
- Nicht: schlichtes Vergessen eines Übertrags (hier ggf. § 173 AO)
Aufgrund eines Rechenfehlers des Bernd Benn, den das Finanzamt anhand der im Mai 02 mit der Einkommensteuer
erklärung eingereichten Zusammenstellung der Betriebsausgaben hätte erkennen können, wird dem Einkommen
steuerbescheid 01 (ESt: 10 000 €) ein um 5 000 € zu hoher Gewinn zugrunde gelegt. Nach Unanfechtbarkeit des
Einkommensteuerbescheides 01 entdeckt Bernd Benn den Rechenfehler und beantragt beim Finanzamt die Beseitigung.
Aufgabe:
1. Durfte das Finanzamt einen nach§ 129 AO berichtigten Einkommensteuerbescheid 07 für Anna Ast erlassen?
2. Wird der Antrag des Bernd Benn auf Beseitigung des Rechenfehlers Erfolg haben?
3. Wann muss der Antrag von Bernd Benn spätestens beim Finanzamt eingehen?
Mit Verwaltungsakt vom 10. 4. 05 wurde die beantragte Stundung „unter dem Vorbehalt des
Widerrufs" gewährt. Gleichzeitig wurde die Einkommensteuer 03 „unter Vorbeh�lt des Wider
rufs" in Höhe von 3 000 € ,,bis zum Ablauf eines Monats nach Erledigung des Einspruchs" von
der Vollziehung ausgesetzt.
Am 10. 4. OS erhielt Hansen eine Prüfungsanordnung, nach der bei ihm beginnend am 20. 6. OS
eine Außenprüfung für die Jahre 01-03 durchgeführt werden sollte.
Am 10. 6. OS hob das Finanzamt die Prüfungsanordnung „wegen einer langwierigen Erkrankung
des Prüfers" auf.
Mit Verwaltungsakt vom 10. 4. 05 wurde die beantragte Stundung „unter dem Vorbehalt des
Widerrufs" gewährt. Gleichzeitig wurde die Einkommensteuer 03 „unter Vorbeh�lt des Wider
rufs" in Höhe von 3 000 € ,,bis zum Ablauf eines Monats nach Erledigung des Einspruchs" von
der Vollziehung ausgesetzt.
Am 10. 4. OS erhielt Hansen eine Prüfungsanordnung, nach der bei ihm beginnend an, 20. 6. 05
eine Außenprüfung für die Jahre 01-03 durchgeführt werden sollte.
Am 10. 6. OS hob das Finanzamt die Prüfungsanordnung „wegen einer langwierigen Erkrankung
des Prüfers" auf.
Am 10. 8. 05 teilte das Finanzamt dem Hansen mit, dass die Aussetzung der Vollziehung vom
10. 3. 05 mit Wirkung vom 10. 9. 05 widerrufen werde, da der BFH in einem vergleichbaren Fall
die Revision eines Architekten zurückgewiesen habe.
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setzung von 6 000 € jedoch ohne Vorbehalt der Nachprüfung ausgedruckt und bekannt gege
ben. Der Bescheid wurde unanfechtbar.
Ein Jahr später entdeckt der Bearbeiter beim Finanzamt, dass bei der Veranlagung eine Mittei
lung des Kirchensteueramtes; die beim Finanzamt am 15. 3. 02 eingegangen war, nicht beruck
sichtigt wurde. Das Finanzamt teilt daraufhin Vorndran mit, dass die Einkommensteuer 01 we
gen der - in der Erklärung verschwiegenen - Kirchensteuererstattung von 400 € erhöht werden
müsse.
Aufgabe:
1. Unter welchen Voraussetzungen können Steuern .. unter dem Vorbehalt der Nachprüfung"
festgesetzt werden?
2. Wie-wirkt sich das Fehlen des „Vorbehalts der Nachprüfung" in dem an Vorndran bekannt
gegebenen Bescheid aus?
3. Kann das Finanzanlt die Kirchensteuererstattung noch berücksichtigen?
4. Könnte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 01 noch ändern, wenn erst irn Januar
07 entdeckt würde, dass die Mitteilung des Kirchensteueramtes bei der Veranlagung nicht
berücksichtigt wurde?
1. Darf das Finanzamt Feststellungen aus der Betriebsprüfung bei einem Dritten gegen Neuner
verwerten?
2. Ist Neuner vor der Änderung des Einkommensteuerbescheides 01 Gelegenheit zur Äußerung
zu geben?
3. Ist der Einkommensteuerbescheid 01 wegen der dem Finanzamt bekannt gewordenen Tatsa
chen zu ändern?
Andrascek-Peter/Braun, Fallsammlung Abgabenordnung, 15. Aufl. 2013, S. 33 ff.
Aufgabe:
J.._ Nach \Nelcher Vorschrift kornrnt eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 0J.. des An
ton Alt vo� J..5. 9. 02 in Betracht?
2. Kann der Einkommensteuerbescheid 0J.. vom 15. 9. 02 aufgrund des im Jahre 07 gestellten
Antrages noch geändert vverden?
3. Muss das Finanzamt den etvvaigen Änderungsbescheid bis zu einem bestimmten Zeitpunkt
zur Post geben?
/V\it Schreiben vom 24. 7. 02 - eingeworfen beim Finanzamt Regensburg am 2.5. 7. 02 - hat Evi
Engel einen Rechenfehler gerügt.
St:.Nr. 200/12345
Frau
Evi Engel
.Johann,sst-r. 22
93059 Regensburg
Ihrer Anregung folgend vvurde inzvvischen der Fest:st:ellungsbescheicl 01 vorn 5. 6. 02 ..f-Dr die Haus
ge,r1einschaft Dberprüft.
a} Es ist: richt:ig, dass bei der Bescheiderteilung der Adclit:ionsfehler in ihrer Erklärung {Oberschuss
43 4.2 7 €" s-t:crt·t: 34 42 7 €} vorn zust::ändigen Bearbeit:er zvvar erkannt·, aber aus Versehen vviecler
holt: vvurcle.
Aufgabe:
Dr. Zabo möchte von Ihnen wissen.
1. ob der Einkommensteuerbescheid 01 vom 15. 5. 03 im Jahre 09 überhaupt noch geändert
werden könne und
2. mit welchem zu versteuernden Einkommen er gegebenenfalls rechnen müsse.
Andrascek-Peter/Braun, Fallsammlung Abgabenordnung, 15. Aufl. 2013, S. 44 ff.