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Carceri d´Invenzione von Brian Ferneyhough

Kompositionstechnische und höranalytische Aspekte

Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung der Doktorwürde
der Philosophischen Fakultäten der
Albert-Ludwigs-Universität
zu Freiburg i. Br.

vorgelegt von
Cordula Pätzold
aus Böblingen

WS 2001/2002
Erstgutachter: Prof. Dr. Christian Berger
Zweitgutachter: Prof. Dr. Konrad Küster

Vorsitzender des Promotionsausschusses


des Gemeinsamen Ausschusses der
Philosophischen Fakultäten I-IV: Prof. Dr. Ulrich Rebstock

Datum der Fachprüfung im Promotionsfach: 26. Juni 2002


Inhaltsverzeichnis

Einleitung....................................................................................................................1

1.Teil: kompositionstechnische Aspekte

I. Gesamtanlage des Zyklus.............................................................................3


I.1. Die Stücke des Zyklus...................................................................................4
I.2. Gemeinsamkeiten und Symmetrien ..............................................................7
I.3. Chronologie und Entstehung der Stücke des Zyklus.....................................9

II. Notationstechnische und andere Besonderheiten.......................................11


II.1. Tempo, Metrum und Rhythmus...................................................................11
II.2. Spielweise der Instrumente .........................................................................16
II.3. Notation von Mikrotönen .............................................................................21
II.4. Anordnung der Instrumente im Ensemble ...................................................22

III. Superscriptio .............................................................................................23


III.1. Skizzen........................................................................................................24
III.2. Entstehung und Kompositionsprozess ........................................................26
III.3. Analyse und (automatisierte) Rekomposition ..............................................28
III.3.a) Taktdisposition ............................................................................................28
III.3.b) Anzahl der Impulse pro Takt .......................................................................33
III.3.c) Rhythmus- und Tonhöhendisposition der Formteile....................................38

IV. Carceri d'Invenzione I ...........................................................................143


IV.1. Skizzen......................................................................................................143
IV.2. Die acht Grundakkorde des Zyklus ...........................................................147
IV.3. Analyse von Carceri d'Invenzione I ...........................................................164
IV.3.a) Taktdisposition ..........................................................................................164
IV.3.b) Gesamtanlage und Instrumentation ..........................................................167
IV.3.c) Tonhöhendisposition .................................................................................176
IV.3.d) Rhythmusdisposition .................................................................................213

V. Carceri d'Invenzione II ............................................................................215


V.1. Drei Versionen von Carceri d'Invenzione II ...............................................215
V.2. Skizzen von Carceri d'Invenzione II ..........................................................217
V.3. Analyse des Soloparts von Carceri d'Invenzione IIa .................................221
V.3.a) Taktdisposition ..........................................................................................222
V.3.b) Verteilung der 48 Module ..........................................................................227
V.3.c) Tonhöhendisposition .................................................................................248
V.3.d) Rhythmusdisposition: Module und Transformationen ...............................261
V.4. Harmonik von Carceri d'Invenzione IIc......................................................328
V.5. Orchesterpart von Carceri d'Invenzione IIa ...............................................340

VI. Carceri d'Invenzione III ..........................................................................347


VI.1. Skizzen von Carceri d'Invenzione III .........................................................348
VI.2. Gesamtanlage und Taktdisposition ...........................................................349
VI.2.a) Gesamtanlage...........................................................................................349
VI.2.b) Taktdisposition ..........................................................................................354
VI.3. Analyse von Carceri d'Invenzione III .........................................................358
VI.4. Das "irreguläre Metronom" ........................................................................374
VI.4.a) Anwendung in Carceri d'Invenzione III ......................................................374
VI.4.b) Zusammenhänge im gesamten Zyklus .....................................................376

VII. Mnemosyne und Intermedio alla Ciaccona ...........................................378


VII.1. Skizzen von Mnemosyne und Intermedio alla Ciaccona ...........................379
VII.2. Verwandtschaft der beiden Stücke............................................................380
VII.3. Analyse und Vergleich ..............................................................................381
VII.3.a) Taktdisposition ..........................................................................................381
VII.3.b) Rhythmusdisposition .................................................................................384
VII.3.c) Das Zuspielband von Mnemosyne ............................................................390
VII.3.d) "Eintunnelung" der Solostimme von Mnemosyne......................................394

VIII. Etudes Transcendentales.......................................................................398


VIII.1. Zyklus im Zyklus / Anordnung der Etüden.................................................398
VIII.2. Skizzen von Etudes Transcendentales .....................................................405
VIII.3. Analyse der Etude Transcendentale Nr.9..................................................406
VIII.3.a) Gesamtanlage...........................................................................................406
VIII.3.b) Taktdisposition ..........................................................................................409
VIII.3.c) Rhythmusdisposition .................................................................................416
VIII.3.d) Umgang mit dem Text ...............................................................................419

2.Teil: höranalytische Aspekte

IX. Piranesis Stiche Carceri d'Invenzione – "Raumphantasien" .....................424

X. höranalytische Studien zum Zyklus Carceri d'Invenzione .........................438


X.1. Studie 1: Carceri d'Invenzione IIa..............................................................439
X.2. Studie 2: Etude Transcendentale Nr.9 ......................................................444

Zusammenfassung

Ferneyhoughs Zyklus Carceri d'Invenzione – "Zeitphantasien" ..............449

Anhang

Formen und Transpositionen der "Zwölftonreihe" von Superscriptio ......................464


Transpositionen der acht Grundakkorde von Carceri d'Invenzione ........................468
Formen und Transpositionen der "Schönberg-Reihe" von Carceri d'Invenzione ....469
Modulschema von Carceri d'Invenzione IIa ............................................................473
Vortragsbezeichnungen und ihre deutschen Übersetzungen .................................474
16 Stiche Carceri d'Invenzione von Giovanni Battista Piranesi ..............................477
Literaturverzeichnis ................................................................................................490

Nachbemerkung
Einleitung
Der erste Eindruck beim Hören von Musik von Ferneyhough, z.B. von Superscriptio,
ist Verwirrung. Der erste Blick in die Partitur erzeugt noch mehr Verwirrung. Ist das
überhaupt exakt spielbar ? – Die Noten sind so über-differenziert dargestellt. Was
sind die Kriterien dafür, dass das Stück gerade so und nicht (ein klein wenig) anders
notiert ist ? – Fragen beginnen sich zu stellen.

Der Versuch einer "herkömmlichen" Analyse zeigt deren Grenzen auf: keine
Wiederholungen; kaum Analogien und wenn, stellt sich sofort die Frage, ob es
eventuell nur Zufall ist. Kriterien für die großformale Anlage, für die rhythmische oder
melodische Disposition lassen sich nur vage formulieren.

Es gibt Aufsätze von Ferneyhough, in denen er über seine Kompositionsweise


berichtet. In überschaubaren (synthetischen) Beispielen erklärt er die
Vorgehensweise und die Prinzipien klar und einleuchtend. Aber wo findet sich in der
Partitur auch nur annähernd eine so erklärbare Stelle ?

Der Blick in die Skizzen zur Komposition von Superscriptio erhellt die Situation. Die
Paul Sacher Stiftung Basel, in deren Archiv die Skizzen der Werke Ferneyhoughs
liegen, gewährte mir freundlicherweise Einsicht; sonst wäre eine weitere Analyse des
Notentextes wenig Erfolg versprechend verlaufen.

Superscriptio stellt die Techniken anschaulich vor, mit denen auch in den weiteren
sechs Stücken des Zyklus gearbeitet wird. Sie werden dabei auf verschiedene Weise
verwendet und in verschiedene Richtungen weiterentwickelt.
Ein sinnvolles Vorgehen für die vorliegende Arbeit gewährleistet.

Es bleibt die Frage – nach all der Notentext-Analyse –, ob überhaupt und wenn, dann
wie der Ausdruck der Stücke wahrgenommen wird. Der Zyklus trägt nicht zufällig
denselben Namen wie eine Sammlung von 16 Radierungen des italienischen
Grafikers und Architekten Giovanni Battista Piranesi (1720-78).

Ferneyhough bemerkt zu den Bildern, er wolle sie mit seinen Stücken nicht
illustrieren; vielmehr soll seine Musik die "Energie", die die Bilder für ihn ausstrahlen,
wiederspiegeln. Er benutzt Begriffe wie "musikalische Energie" und "Kraftlinien" zur
Beschreibung seines kompositorischen Anliegens.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist zu ergründen, wie Ferneyhough in den sieben
Stücken des Zyklus Carceri d'Invenzione "musikalische Energie" auszudrücken
bestrebt ist, wie er diese Frage kompositionstechnisch angeht und was sich (davon
oder unabhängig davon) hörend erschließen lässt.

Nach allgemeinen Überlegungen zur Musik Ferneyhoughs – zum Zyklus allgemein,


zum (neuartigen) Umgang mit Takt und Metrum, zu Klangfarben und Spieltechniken
und deren Notation – werden die einzelnen Stücke möglichst sorgfältig auf ihre
kompositionstechnischen Mittel und deren Verwendung hin untersucht.

Der Frage nach der Möglichkeit einer exakten Ausführung der notierten Partituren
und die Frage nach der psychologischen Wirkung auf den ausführenden Musiker, der

1
bis an seine Grenzen und darüber hinaus gefordert wird, wurde dabei nicht weiter
nachgegangen, da dieser Bereich weit in die Musikpsychologie hineinreicht und zur
Beantwortung der Fragen dieser Arbeit nicht wesentlich beiträgt.

Ein Vergleich und die Suche nach Verbindungen zwischen optischer und akustischer
Wahrnehmung schließen sich an die Notentextanalyse an und bauen auf sie auf.
Dafür wurden exemplarisch Carceri d'Invenzione IIa und die Etude
Transcendentale Nr.9 ausgesucht.

Inwieweit sind die analysierten Formprozesse tatsächlich hörend zu verfolgen ? – Ist


das Verfolgen der – jetzt hinreichend bekannten – Form denkbar als Brücke
zwischen optischer und akustischer Wahrnehmung ? – Sind "gefangene Energie"
und "befreite Energie" in der groben Form oder in Details nachweisbar ? – Sind die
Bilder von Piranesi eine Brücke zum Ausdruck der Musikstücke von Ferneyhough ? –
Dient die Verwendung von Text in den Etudes Transcendentales als Brücke ?

Eine große Vielfalt an wahrnehmungsrelevanten Fragen entstand, die an dieser


Stelle noch nicht zu erschöpfenden Antworten geführt haben. Vielmehr wurde in der
Diskussion zur Hörwahrnehmung die Suche nach einer geeigneten Definition von
"musikalischer Energie" zum zentralen Thema.

Gerade die Antwort dazu – in Bezug auf seine kompositorischen Anliegen und Ziele
– gibt Ferneyhough in einigen seiner Aufsätze.

Die vorliegende Arbeit soll dazu beitragen, die Kluft zwischen dem vom Komponisten
recht abstrakt formulierten Verständnis von "musikalischer Energie" und den
einfachen aber kaum in der Musik wiederzufindenden Beispielen zu verkleinern.

Die vorliegende Arbeit mag weiter dazu beitragen, die Kluft zwischen Anhängern und
Gegnern dieser "Complexity" genannten Kompositionsweise zu verkleinern, indem
vielleicht ein Mittelweg im Verständnis und im Umgang mit dieser – auf jeden Fall
hochinteressanten – Musik gefunden werden kann.

Nicht zuletzt könnte ein neues Verständnis von "musikalischer Energie" die Suche
nach (notwendigem) neuem Vokabular und damit nach neuen Möglichkeiten der
Beschreibung der Hörwahrnehmung motivieren.

2
1.Teil: kompositionstechnische Aspekte

I. Gesamtanlage des Zyklus


Sieben ganz verschiedenartige Stücke sind unter dem Titel Carceri d'Invenione
("Kerker der Erfindung, erfundene Kerker") als Zyklus zusammengefasst.

Die Wiederbegegnung Ferneyhoughs mit der gleichnamige Sammlung von 16


Stichen des italienischen Grafikers und Architekten Giovanni Battista Piranesi (1720-
78) war zugleich Schlüsselerlebnis und Inspiration für die Komposition.

Nr.1 – Superscriptio 1981


für Solo Piccolo 5½'

Nr.2 – Carceri d'Invenzione I 1982


für Kammerorchester 12½'

Nr.3 – Intermedio alla ciaccona 1986


für Solo Violine 7½'

Nr.4 – Carceri d'Invenzione II 1985


für Soloflöte und Kammerorchester1 14'

Nr.5 – Etudes Transcendentales / Intermedio II 1982-85


für Sopran + Ensemble 27'

Nr.6 – Carceri d'Invenzione III 1986


für 15 Bläser und Perkussion 10½'

Nr.7 – Mnemosyne 1986


für Bass-Flöte und Zuspielband 10½'

Die Uraufführung des kompletten Zyklus Carceri d'Invenzione fand am 17. Oktober
1986 bei den Donaueschinger Musiktagen statt.

Die Aufführenden waren Roberto Fabbriciani, Flöte; Irvine Arditti, Violine; Harrie
Starreveld, Flöte; Ernest Rombout, Oboe; Brenda Mitchell, Sopran; Martin Derungs,
Cembalo; Taco Kooistra, Violoncello und das Orchester des Südwestfunks Baden
Baden unter der Leitung von Arturo Tamayo.

1
Die Version für Soloflöte und Kammerorchester wird, um sie besser von den späteren Versionen für
Flöte solo und für Flöte und Zuspielband zu unterscheiden, auch mit Carceri d'Invenzione IIa
bezeichnet.

3
I.1. Die Stücke des Zyklus

Nr.1 – Superscriptio

für Piccolo-Flöte Solo eröffnet den Zyklus. Der Titel des bereits 1981 komponierten
Stücks ist dabei durchaus wörtlich zu verstehen: "Überschrift". Superscriptio ist mit
etwa 5 ½ Minuten zugleich das kürzeste Stück des Zyklus. Die Uraufführung fand im
September 1982 auf der Biennale Venedig statt, lange vor Vollendung des Zyklus.
Roberto Fabbriciani hat sie gespielt; er hat das Stück auch in Auftrag gegeben und
ihm ist es gewidmet.
"Formal ist Superscriptio – das zuhöchst "automatisierte" Stück des Zyklus – als dichtes Netzwerk
metrischer und proportioneller Bezüge angelegt, in welchem Variationen von Textur und
Bewegungsgröße durch Verformungen des Ausgangsmodells erreicht werden. Dies geschieht mittels
Juxtapositon unterschiedlicher Taktlängen, sowie durch das allmähliche "Auseinanderdriften" von
gestischer Gestaltung, dynamischem Niveau und rhythmischer Dichte – Elemente, die anfänglich alle
in gleichzeitigem Wechsel gehört werden." 2

Nr.2 – Carceri d'Invenzione I

für Kammerorchester mit 16 Spielern wurde im November 1982 in London durch die
London Sinfonietta unter Leitung von Ronald Zollman uraufgeführt. Das etwa 12 ½
Minuten lange Stück ist eine Auftragskomposition dieses Orchesters und wurde
unterstützt durch das Arts Council of Great Britain. Für den Zyklus stellt Carceri
d'Invenzione I aufgrund der Orchesterbesetzung und des mit dem Zyklus
verbundenen Titels das erste Kernstück dar.
"Die erste Hälfte des Stücks besteht aus der Entfaltung der Konsequenzen, für welche die Exposition
gegensätzlicher Texturen den Anstoß gibt; dabei werden etliche Klangfarbengruppen modifiziert,
andere hingegen – die Streicher zum Beispiel – bleiben konstant. Die gegenseitige Beeinflussung von
Transformationsebenen, die als unmittelbare Phänomene oder als längerfristige organisatorische
Funktionen zutage treten, zielt auf die Errichtung eines Gerüstes ab, in welchem der Hörer beginnen
kann, die (...) Kategorien von Energie und Kraft wahrzunehmen; und die Möglichkeiten, die einzelnen
Schichten als regulierende oder regulierte Mechanismen aufzufassen, bestimmt in zunehmendem
Maß die ins Spiel tretenden Hörkategorien." 3

2
"Formally, Superscriptio (as the most highly 'automatised' work in this cycle) is constructed upon a
dense network of metric and proportional relationships, wherein variations of texture and momentum
are achieved by means of distortions in the pattern created by the mobile juxtaposition of diverse bar
lengths, as well as by the gradual de-synchronization of gestural shaping, dynamic intensity and
rhythmic density – elements which, at the outset, are all heard to be changing simultaneously." -
FERNEYHOUGH, Brian: Carceri d´Invenzione. Program notes to the first performance of complete
cycle at the Donaueschingen Musiktage, Donaueschingen, 17 October 1986. (1986; engl.) in:
Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers,
Amsterdam 1996, S.134. Übersetzung ins Deutsche von Josef Häusler in: Donaueschinger Musiktage
'86, Donaueschingen 1986 , S.9.
3
"The first half of the piece consists of the slow and uneven unfolding of the consequences which the
initial brutal exposure of contrasted textures (...) sets in motion, whereby several groups are timbrally
modified, others (strings) remaining constant in color, although modified with respect to density and
articulation. The interplay of levels of transformation, whether heard as immediate phenomena or
longer-term organizational functions, aims at providing a framework within which the listener can begin
to perceive the categories of energy and force (…), and it's the possibility of interpreting the individual
strata as either regulatory or regulated mechanisms which progressively defines the listening
categories involved." – Ebda S.134 bzw. S.9.

4
Nr.3 – Intermedio alla ciaccona

für Violine Solo ist das zweite Solostück des Zyklus und mit etwa 7 ½ Minuten Länge
etwas länger als Superscriptio. Es ist das zuletzt komponierte Stück des Zyklus und
wurde erst im Oktober 1986 von Irvine Arditti uraufgeführt, zusammen mit den
anderen Stücken des Zyklus. Intermedio alla ciaccona entstand im Auftrag des
(damaligen4) Südwestfunks für die Donaueschinger Musiktage. Der Titel "Intermedio"
steht für seine Funktion als Zwischenspiel vor dem nächsten Orchesterstück; "alla
ciaccona" weist auf den improvisatorischen Grundcharakter hin. Beziehungen zur
traditionellen Form der Chaconne oder zur berühmten Chaconne von J.S.Bach sind
von Seiten des Komponisten nicht verbalisiert.
"Das ist der zuletzt komponierte Teil des Zyklus; hier geht es um die Lockerung einiger früherer
Konventionen, und zwar im Sinn einer fast improvisierten Reflexion über die nun körperlos
gewordenen Energien. Das Stück fluktuiert zwischen Bereichen von frenetischer, aber stofflich
unspezifischer Aktivität und 'Nahaufnahmen' langsam sich entwickelnder, monochromer Texturen, in
denen nochmals Energie 'aufgeladen' wird. (...) Und wie in allen meiner Werke für Soloinstrumente
strebe ich auch hier danach, Aspekte einer fiktiven 'Polyphonie' anzudeuten, nicht vermittels
polyphoner Schichten im eigentlichen Sinn, sondern auf dem Weg über parametrische
Organisationsebenen, die man gewöhnlich als 'sekundär' ansieht." 5

Nr.4 – Carceri d'Invenzione II

für Solo-Flöte und Kammerorchester mit 20 Spielern ist Mittelpunkt und Herzstück
des Zyklus. Das "Flötenkonzert", wie es Ferneyhough auch nennt, entstand im
Auftrag von Roberto Fabbriciani und wurde von ihm im Februar 1985 zusammen mit
dem RAI Sinfonieorchester Mailand unter der Leitung von Marcello Panni in Mailand
uraufgeführt. Mit der Dauer von etwa 14 Minuten stellt Carceri d'Invenzione II das
längste zusammenhängende Stück des Zyklus dar. Eine Ausnahmestellung, sogar
im Gesamtwerk Ferneyhoughs, hat dieses Stück auch deshalb, weil es ein weit
größeres Maß an Wiederholung aufweist als jedes andere Stück.
"In Carceri d'Invenzione II habe ich absichtlich mein Konzept der Wiederholung 'eingetunnelt', bis es
die thematische Substanz der Komposition wurde. Es war in diesem Werk sehr wichtig für mich
herauszufinden, was es mit der Energie der Aufführung auf sich hat, die den Ausführenden befähigt,
den Abstand zwischen verschiedenen formalen Einheiten abzuschätzen und seine Energien in einer
solchen Weise einzuteilen, dass er die Hindernisse überwinden kann zwischen gerade ablaufenden
Objekten und denen, die noch folgen." 6

4
heute "Südwestrundfunk".
5
"The final work in the cycle to be composed, Intermedio aims at a loosening of some earlier
conventions, in the sense of an almost improvisatory reflection on the now disembodied energies
previously released. The piece fluctuates uneasily between areas of intensely frenetic but materially
unspecific activity and 'close-ups' of slowly evolving, monochrome textures, in which energy is
'collected' once more. (…) As with all my solo instrumental works, I aim here at evoking facets of a
'fictional polyphony', not by means of literally polyphonic strands of sound, but rather through what are
usually considered 'secondary' parametric levels of organisation." – (s. Anm. 2) S.134 bzw. S.9.
6
"In Carceri d'Invenzione II I deliberately funneled down my concept of repetition until it became the
thematic substance of the composition. It was very important to me in this work to find out what it is
about performative energy that enables the performer to gauge the distance between various formal
units, and to dispose his energies in such a way that he can overcome the obstacles between the
current object and the ones that follow." – TOOP, Richard: Carceri d´Invenzione – Brian
Ferneyhough in conversation with Richard Toop. (1986; engl.) in: Ferneyhough, Carceri
d'Invenzione. Peters Edition, London 1987, S.10. (engl.) Carceri d´Invenzione: in conversation with
Richard Toop. in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic
Publishers, Amsterdam 1996, S.298.

5
Mittlerweile existieren weitere mehr oder weniger veränderte Versionen von Carceri
d'Invenzione II, IIb für Flöte solo, IIc für Flöte und Zuspielband (vier Flöten-Spuren)
und neuerdings sogar IId für Blockflöte solo.

Nr.5 – Etudes Transcendentales / Intermedio II

für Flöte, Oboe, Sopran, Cembalo und Cello stellt das zweite Zwischenspiel des
Zyklus dar. Es handelt sich um eine Sammlung von neun Liedern, die gleichsam
einen kleineren Zyklus im Gesamtzyklus wiederspiegeln. Die Lieder dauern jeweils
etwa zwischen 1 ¼ und sechs Minuten, sodass eine Gesamtlänge der Etudes
Transcendentales von etwa 27 Minuten zustande kommt. Der Titel ist von der
Gedichtsammlung Ernst Meisters übernommen, obgleich nur Auszüge seiner Texte
verwendet wurden; Alrun Moll hat weitere Texte beigesteuert. Obwohl der Inhalt der
Texte nicht im Vordergrund steht, gibt es eine entfernte Verwandtschaft zwischen
ihrer Thematik ("Stein" im weitesten Sinne) und dem Titel des Gesamtzyklus.
Die erste vollständige Aufführung des 1982-85 komponierten Liederzyklus fand im
September 1985 auf der Biennale in Venedig unter der Leitung von Ed Spanjaard
statt, mit Harrie Starreveld (Flöte), Vincent Rombout (Oboe), Brenda Mitchell
(Sopran), Martin Derungs (Cembalo) und Taco Kooistra (Cello). Wenn die "Etudes
Transcendentales" im Rahmen des Zyklus Carceri d'Invenzione aufgeführt werden,
sollen sie – um ihre Funktion innerhalb des Zyklus zu verdeutlichen – zusätzlich mit
"Intermedio II" betitelt werden.
"Jede der neun Miniaturen [geht] bewusst von einem anderen 'Kräftegleichgewicht' [aus], so dass der
für das Ganze charakteristische dynamische Strom zum radikalsten Extrem geführt ist: er wird
gleichzeitig verdichtet (Kammerbesetzungen, kurze Einzeldauern) und aufgefaltet /
zusammengezogen (lange Gesamtdauer, rasche Entfaltung einzelner Formen). (...) Jedes der neun
Lieder (...) komprimiert Material, Behandlung und Form zu einer kompakten Energie-Einheit." 7

Nr.6 – Carceri d'Invenzione III

für 15 Blasinstrumente und Perkussion mit drei Spielern ist das dritte und letzte und
mit etwa 10 ½ Minuten Dauer auch kürzeste orchesterartig besetzte Stück des
Zyklus. Die Uraufführung fand – im Rahmen des gesamten Zyklus – anlässlich der
Donaueschinger Musiktage 1986 durch das Orchester des Südwestfunks Baden
Baden unter Leitung von Arturo Tamayo statt. Es handelt sich um eine
Auftragskomposition des Südwestfunks Baden Baden. Das Ende von Carceri
d'Invenzione III geht – wenn das Stück im Rahmen des Zyklus aufgeführt wird –
nahtlos über in den Beginn des Schlussstücks.
"Das Stück setzt die Behandlung vieler bereits oben umrissener Probleme fort. Dabei liegt der Akzent
im besonderen auf der Opposition / Integration unterschiedlicher Verlaufsebenen, der strukturellen
Entfaltung metrischer Kunstgriffe und der antiphonischen Anordnung des Ensembles." 8

7
"Each of the nine miniatures consciously sets out from a different 'balance of forces', so that the
dynamic flow characteristic of the whole is simultaneously compacted (chamber combinations, brief
duration) and expanded (lengthy overall duration, rapidity of unfolding of individual forms) to the most
obviously radical available extremes. (…) Each of the nine songs (…) compresses material, treatment
and form into a notably compact energic unit." – (s. Anm. 2) S.133/136 bzw. S.8-10.
8
"Carceri d'Invenzione III continues to examine many of the concerns already outlined above in
connection with other sections of the cycle. In particular the opposition / integration of diverse levels of
discourse, the structural deployment of complex metric devices and antiphonal ensemble layout have
been emphasized." – (s. Anm. 2) S.136f. bzw. S.10.

6
Nr.7 – Mnemosyne

für Bass-Flöte und Zuspielband wurde ebenfalls vom Südwestfunk Baden Baden in
Auftrag gegeben und anlässlich der Premiere des Gesamtzyklus 1986 in
Donaueschingen uraufgeführt. Roberto Fabbriciani spielte den Solo-Flötenpart und
übernahm vermutlich auch die Einspielung der acht Bass-Flöten-Spuren des
Zuspielbands. Mit etwa 10 ½ Minuten Dauer ist das Stück so lange wie Carceri
d'Invenzione III und vergleichsweise gewichtiger als das Eingangsstück
Superscriptio. Der Titel Mnemosyne ist zugleich der Name der griechischen Göttin
der Erinnerung; auf eine entsprechende Funktion des Stücks – die Erinnerung an die
sechs bereits vergangenen Stücke des Zyklus – wird vom Komponisten hingewiesen.
"Wie der Titel – Mnemosyne: die griechische Göttin der Erinnerung – indirekt andeutet, werden die in
den meisten der sechs vorangegangenen Kompositionen abgewandelten Akkordmuster hier ein
weiteres Mal aufgefächert – nicht so sehr als gleichberechtigte Partner des Solisten, sondern als
allgegenwärtiger Hintergrund, der dazu dient, frühere "harmonische Räume" erneut ins Spiel zu
bringen oder auszuweiten (...). Je reicher die Klanglichkeit des Hintergrunds wird – sie steigert sich
von vier bis zu acht Stimmen –, desto größer wird auch der Spielraum für die Flexibilität der
melodischen Variationsmöglichkeiten." 9

I.2. Gemeinsamkeiten und Symmetrien


Trotz der verschiedenartigen Formen und Besetzungen gibt es eine ganze Reihe von
Zusammenhängen und Symmetrien innerhalb des Zyklus:

Gemeinsames Material: acht Akkorde

Mit Ausnahme von Superscriptio sind alle Stücke des Zyklus aus denselben acht
Akkorden aufgebaut. Die etwa 1981 entstandenen Skizzen dazu tragen noch den
Titel "City of the sun"; sie wurden erst nach der Inspiration durch die Stiche Piranesis
für den Zyklus verwendet. Die Akkorde treten in verschiedensten Verarbeitungen auf:
neben Mehrklängen auch als melodische Reihen, als transponierte Versionen, als
Kombinationen von zwei oder mehr Akkorden, in mikrotonalen Veränderungen u.a.m.

Gemeinsame Grundidee: Zwänge aufzeigen


"Innerhalb jeder einzelnen Komposition des Zyklus werden die Spannungen, die der beständigen
Opposition und Integration von höchst unterschiedlichen Graden der Vorordnung einbeschrieben sind,
auf wechselnde Weise herausgestellt. Alle indessen haben die Absicht gemeinsam, diese Zwänge so
intensiv und formal kohärent wie möglich an den Tag zu legen." 10

9
"As the title obliquely implies (Mnemosyne: Greek goddess of memory), the chordal patterns
diffracted through most of the previous six compositions are once more unfolded – not so much as
equal partners to the soloist, but as ubiquitous backdrop serving both to repropose or expand earlier
"harmonic spaces" (…). The richer the background sonority becomes (progressing from four to eight
prerecorded bass flute lines), the greater the scope for flexibility in respect of melodic invention." – (s.
Anm. 2) S.137 bzw. S.11.
10
"Within each of these compositions, the tension inhering in the insistent opposition and integration of
wildly divers degrees of pre-ordering is manifested differently. In common to all, however, is the
intention of exhibiting these pressures as intensely and as formally coherent as possible." – (s. Anm.
2) S.133 bzw. S.8.

7
Auch die Inspiration durch die Stiche von Piranesi war nicht eine bildlich-
tonmalerische, sondern die Wirkung der Stiche hat Ferneyhough fasziniert: Die Bilder
scheinen mit ihrer Plastizität die Grenzen des Rahmens sprengen zu wollen. Sie
streben sowohl nach außen hin als auch in die Tiefe des Hintergrunds hinein.
Begriffe wie "Energie", "Kraftlinien" und "Flugbahnen" verwendet Ferneyhough zur
Beschreibung.

Carceri d'Invenzione I – Carceri d'Invenzione II – Carceri d'Invenzione III

Die drei "Carceri d'Invenzione" genannten Stücke des Zyklus bilden nicht allein
aufgrund ihrer Besetzung eng zusammenhängende Einheiten. Auch die Idee des
"irregulären Metronoms" wird in den drei Stücken sukzessive weiterentwickelt.
Die anderen, geringer besetzten Stücke des Zyklus verteilen sich gleichmäßig um
diese Zentralachse herum. Insbesondere das Flötenkonzert Carceri d'Invenzione II
fungiert – als Mittelstück des "Tryptichons"11 – als Mittelpunkt dieser Achse.
"Ich würde diese drei Stücke nicht als das Innere des Zyklus betrachten (...); sie sollten nicht als eine
Art Mini-Sinfonie, eines nach dem anderen gespielt werden; die Stücke sind sich irgendwie zu nah: Es
gibt zu viele Gemeinsamkeiten trotz ihrer verschiedenen instrumentalen Färbungen, um diese
Zusammenstellung zu einer erfolgreichen künstlerischen Lösung zu bringen. Entweder man spielt die
einzelnen Stücke des Zyklus für sich allein, oder man stellt eine eigene Kombination von großen und
kleinen Gruppierungen zusammen, oder man spielt den ganzen Zyklus in seiner vollständigen Form
und in der richtigen Reihenfolge. Das ist sehr wichtig. Der einzige Grund, warum ich den langen
Ensemble-Stücken denselben Titel gab, war, dass ich von Anfang an sah, dass das Flötenkonzert
Carceri d'Invenzione IIa eine zentrale Achse bilden würde, um die die anderen Sätze rotieren, und
ich wollte eine wenigstens äußerlich symmetrische Gewichtsverteilung." 12

Superscriptio – Careri d'Invenzione II – Mnemosyne

Auch bezüglich der Rolle der Flöte bildet Carceri d'Invenzione II den Mittelpunkt des
Zyklus: Er beginnt mit einem Stück für den (klanglich) höchsten Vertreter der
Flötenfamilie, die Piccolo-Flöte, und endet mit dem tiefsten Vertreter, der Bass-Flöte.
In der Mitte des Zyklus wird die Flöte im mittleren Register im Rahmen eines
"Flötenkonzerts" vorgestellt, wie es ausführlicher kaum möglich wäre.
"[Im Verlauf des Zyklus] wird der 'Abstieg' vom sehr hohen zum tiefen Klangregister als zentrales
'Thema' deutlich wahrnehmbar. Andererseits herrscht innerhalb dieser Einheit auch Irregularität, und
zwar dadurch, dass die Rolle der Flöte gegenüber dem übrigen Instrumentarium fließend ist: Solo –
Solo mit Ensemble – Solo mit Bassflötenklängen auf dem Tonband." 13

11
Ferneyhoughs selbst verwendete diesen Ausdruck im Programmheft zur Uraufführung des Zyklus.
12
"I wouldn't see these three pieces as being the core of the cycle (…); they shouldn't be played as a
sort of a mini-symphony, one after another; the pieces are too close in some ways: there are too many
inter-references, in spite of their different instrumental colourings, to enable this to be a successful
artistic solution. Either you play individual pieces from the cycle by themselves, or you produce some
irregular combination of large and small groupings, or you play the whole cycle in its integral form, in
the right order. This is very important.The only reason I gave the same title to the three large
ensemble pieces was that I saw right from the beginning that the flute concerto, Carceri d'Invenzione
II, would form a central axis hinged around which the other movements would rotate, and I wanted
some at least nominal symmetrical weight-distribution." – (s. Anm. 6) S.6 bzw. S. 291f..
13
"The descent from extremely high to low register is an immediately audible and striking 'theme' of
this sequence, even though the 'mode d'emploi' of the flute in respect of the rest of the ensemble is
constantly in flux, i.e. Solo – Solo with ensemble – Solo with prerecorded tape." – (s. Anm. 2) S.133
bzw. S.8.

8
Kontrast / Entwicklung automatisiert Æ informell

Superscriptio ist ein durch und durch automatisiertes Stück, das seinesgleichen im
weiteren Verlauf des Zyklus sucht. Auch wenn keine kontinuierliche Linie zu weniger
automatisierten bzw. mehr informellen Stücken führt, so spielt der Gegensatz
zwischen beiden Extremen dennoch eine wichtige Rolle im gesamten Zyklus. In der
Binnenstruktur der neun Etudes Transcendentales wird dieser Kontrast und seine
Synthese zum entscheidenden Kriterium.

I.3. Chronologie der Entstehung der Stücke des Zyklus


Aufgrund von Datumsangaben auf wenigen Skizzenblättern und spärlichen
Aussagen des Komponisten selbst lässt sich vorsichtig rekonstruieren, wann und in
welcher Reihenfolge etwa die Teile des Zyklus entstanden sind. Die jeweilige
Uraufführung ist dabei das gesichertste Datum des Stücks.

Die frühesten (datierten) Skizzen zum Zyklus stammen vom 13. Dezember 1980 und
sind mit "City of the sun" überschrieben14. Sie enthalten die Konstruktionen der acht
Akkorde, die dem Zyklus zugrunde liegen. Erste Überlegungen zu Carceri
d'Invenzione I und Carceri d'Invenzione II – als vorsichtig formulierte Texte zur
Konstruktionsidee – schließen sich vermutlich direkt an.

Etwa im Sommer 1981 wurde Superscriptio in nur sechs Wochen geschrieben; in


dieselbe Zeit fällt die Wiederentdeckung der Stiche Piranesis und – damit verbunden
– die Idee eines Zyklus.15

Skizzen zum ersten Lied der Etudes Transcendentales sind bereits mit 1982
datiert.

"Nachdem ich Superscriptio geschrieben hatte (...), wollte ich mich nicht noch einmal auf die Flöte
konzentrieren, also entschied ich mich, es mit der Oboe zu versuchen, und in diesem Stadium hatte
ich schon das erste Lied geschrieben. Zu diesem Zeitpunkt war das erste Lied noch nicht
notwendigerweise als Teil eines ganzen Werkes vorgesehen ..." 16

Noch vor der Uraufführung von Superscriptio im September 1982 wurde Carceri
d'Invenzione I fertiggestellt: "Wyhlen17, Juli 1982" ist am Ende der Partitur vermerkt.
Im November 1982 wurde Carceri d'Invenzione I dann uraufgeführt.

Im Frühjahr 1983 folgen die ersten Skizzen zum späteren sechsten Lied der Etudes
Transcendentales; eine Übersicht zur Verwendung des Materials bzw. der
Instrumente ist mit 20.-22. März 1983 datiert.18 Richard Toop vermutet, dass zur

14
Es handelt sich um die Skizzenblätter [1] und [2] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.
Mindestens fünf weitere Blätter gleichen Titels sind vermutlich zur selben Zeit entstanden. Sie
enthalten weitere Studien zur Konstruktion der Akkorde und sind auf ähnlichem Papier geschrieben.
15
(s. Anm. 6) S.6 bzw. S.291.
16
"And having written Superscriptio (…), I didn't want again to concentrate on the flute, so I decided
to ally it to the oboe, and at that stage I'd already written the first song. At that point the first song was
not seen as part of a larger work, necessarily…" – (s. Anm. 6) S.7 bzw. S.294.
17
Grenzach-Wyhlen ist ein kleiner Ort bei Basel und war der damalige Wohnsitz Ferneyhoughs.
18
Es handelt sich um Übersichtsblatt G [11] aus der Mappe der Etudes Transcendentales.

9
selben Zeit auch das zweite Lied entstanden ist.19 Mit August 1983 ist ein
Skizzenblatt20 zu Carceri d'Invenione II datiert, das u.a. Rhythmus-Studien21 der
Bläser und Bemerkungen zur Kompositionstechnik enthält.

Die Komposition von Adagissimo für Streichquartett zwischen 1983 und 1984
sorgte für eine Unterbrechung der Arbeit am Zyklus. Mit Mai 1984 und 12. Juni 1984
sind Skizzen zu den Liedern 3 und 4 der Etudes Transcendentales datiert.22 Da
sich das Skizzenblatt zum vierten Lied etwa in der Mitte des Blocks mit Skizzen zu
Carceri d'Invenzione II befindet, darf davon ausgegangen werden, dass das
Orchesterstück zeitgleich mit einigen der Lieder komponiert wurde. Auch zu Carceri
d'Invenzione III gibt es einen frühen Text zur Idee des Stücks, der die Jahreszahl
1984 trägt.23

Im Februar 1985 wurde Carceri d'Invenzione IIa uraufgeführt und im Juli desselben
Jahres waren die Etudes Transcendentales laut Partiturangabe fertiggestellt, bevor
sie im September ebenfalls uraufgeführt wurden. Im November 1985 schließlich
wurde noch die Solo-Version Carceri d'Invenzione IIb uraufgeführt.24

Die Uraufführungen der restlichen drei Stücke des Zyklus fand im Oktober 1986 statt.
Zuerst war Carceri d'Invenzione III fertig: "Chicago-Freiburg 1986" steht am Ende
der Partitur. Mit August 1986 ist eine Skizze von Mnemosyne datiert, die eine Matrix
zur Tonhöhenkonstruktion enthält25, und im darauffolgenden Monat war das Stück
fertiggestellt.26 Schließlich folgte noch die Komposition von Intermedio alla
ciaccona, die aufgrund mangelnder Zeit direkt als Partitur geschrieben wurde; als
Grundlage dienten die Überlegungen zu Mnemosyne, die auf andere Art
kompositorisch umgesetzt wurden. Daher existieren auch so gut wie keine Skizzen
zu Intermedio alla ciaccona.

Anfang 1987 wurde die dritte Version von Carceri d'Invenzione II in Angriff
genommen: Das Taktschema für das Zuspielband, sowie die Akkorde und deren
Transpositionen finden sich auf Skizzen mit dem Datum 12. Januar 1987.27

Im April 1988 fand die Uraufführung von Carceri d'Invenzione IIc für Flöte und
Zuspielband und im September 1999 die von Carceri d'Invenzione IId für Blockflöte
solo statt.

19
vgl. Chronologie der Etudes Transcendentales in TOOP, Richard: Brian Ferneyhough's Etudes
Transcendentales: A Composer's Diary (Part 1). (1991; engl.) in: EONTA< – Arts Quarterly. Vol.1
No.1 (1991), S.57.
20
Es handelt sich um Blatt [18] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.
21
Sie wurden später nicht oder zumindest nicht wörtlich in die Komposition übernommen.
22
Es handelt sich um Blatt D [8] und Blatt M [1] aus der Mappe der Etudes Transcendentales mit
Tonhöhenstudien und Rhythmusstudien zum dritten Lied und um Blatt (23) aus der Mappe von
Carceri d'Invenzione II mit Intervallveränderungen innerhalb der acht Akkorde zum vierten Lied der
Etudes Transcendentales.
23
Es handelt sich um Blatt (20) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III.
24
Sie unterscheidet sich vom Flötenpart der Orchesterversion allein dadurch, dass ein Teil in der Mitte
weggelassen wurde.
25
Es handelt sich um Skizzenblatt (12) aus der Mappe von Mnemosyne.
26
September 1986 steht am Ende der Partitur.
27
Es handelt sich um Blatt <3> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa und um Blatt [2] aus der
Mappe von Carceri d'Invenzione IIb.

10
II. Notationstechnische und andere Besonderheiten

II.1. Tempo, Metrum und Rhythmus


Eine Partitur von Ferneyhough lässt sich unter vielen anderen Partituren unschwer
identifizieren. Der Grund dafür liegt in der "typischen" Notation, die sich zwar des
traditionellen Notensystems (mit fünf Linien, Schlüsseln, Noten usw.) bedient, sich
dabei jedoch v.a. durch die höchst differenzierte rhythmische Anordnung
auszeichnet.

Die musikalische Zeit wird auf drei Ebenen organisiert, wobei die beiden äußeren
Ebenen genauso wie bereits seit langem benutzt werden: das Grundtempo und die
rhythmische Unterteilung innerhalb der Takte. Der Umgang mit der mittleren Ebene,
der des Metrums bzw. der Taktlänge, stellt ein Novum dar und wurde in dieser Art
und Weise erstmals bei Superscriptio verwendet.

Die kleinste Ebene besteht aus den Noten- und Pausenwerten innerhalb eines
Taktes. Häufig sind sie durch sogar ineinander verschachtelte X-tolen in besonders
differenzierter Weise "ungleichmäßig" angeordnet.
Die größte Ebene ist die des Grundtempos, das als konkrete Metronomangabe zu
Beginn des Stückes bzw. an Stellen (meist Taktanfängen) mit abrupten
Tempoänderungen vermittelt wird. Das so gegebene Tempo kann durch Ritardandi
und Accelerandi auch allmählich verändert werden; diese Veränderungen werden
durch schräg abwärts bzw. aufwärts gerichtete Pfeile über die tangierten Takte
hinweg bildlich dargestellt.
Die mittlere Ebene ist die der regulären und "irregulären" Metren.28 Sie bildet die
Grundlage für die im Laufe des Zyklus entstandene Idee des "irregulären
Metronoms". Was unter einem "irregulären" Metrum vorzustellen ist, lässt sich
bildlich gut erklären:

Die gewöhnlich verwendeten "regulären" Unterteilungen von Takten bestehen im


Nenner aus Potenzen der Zahl 2. Es gibt einen 3/2-Takt, einen 5/4-Takt oder einen
6/8-Takt. Stellt man sich z.B. die Länge eines 4/4-Taktes in Form des Wertes einer
Ganzen Note vor, so lässt sich diese nicht nur in zwei Halbe Noten oder vier Viertel(-
noten) aufteilen, sondern ebenso in fünf "Fünftel" (quintolische Viertelnoten) oder
sechs "Sechstel" (triolische Viertel). Neben diesen Unterteilungen wird von
Ferneyhough auch eine Unterteilung in sieben Teile verwendet, wenn auch
seltener.29

"regulär" quintolisch triolisch septolisch

28
Die Bezeichnung "irreguläres" Metrum stammt von Ferneyhough.
29
Generell ist eine solche "irreguläre" Unterteilung mit allen Primzahlen denkbar.

11
In Notenwerten dargestellt, lassen sich solche Takte in hinreichend bekannter Weise
unterteilen:

"regulär" quintolisch triolisch septolisch

Die erste Spalte zeigt einen Takt, "regulär" unterteilt in zwei Halbe (entsprechend
dem 2/2-Takt), vier Viertel (4/4) und acht Achtel (8/8). Die Teilung lässt sich weiter
fortsetzen in 16-tel, 32-tel, 64-tel usw..
In der dritten Spalte wird die Ganze unterteilt in drei triolische Halbe (3/3), sechs
triolische Viertel (6/6) und 12 triolische Achtel (12/12). Weitere verwendete
Unterteilungen sind triolische 16-tel (24-tel) und sogar triolische 32-tel (48-tel).
Die zweite Spalte teilt die ganze Note in den zwischen erster und dritter Spalte
liegenden Wert von fünf quintolischen Vierteln (5/5) bzw. zehn quintolischen Achteln
(10/10), dazu zwanzig quintolischen 16-teln (20-tel), sowie vierzig quintolischen 32-
teln (40-tel).
Die vierte Spalte zeigt die Unterteilung in septolische Viertel, Achtel etc. (7/7, 14-tel,
28-tel, 56-tel...)

Zur Definition einer Taktlänge solch "irregulären" Ursprungs, lässt sich nun eine
bestimmte Anzahl "Stückchen des Kuchens" heranziehen, z.B. 3/5 oder 4/7.
Ferneyhough verwendet jedoch höhere Nenner: 3/8, 3/12, 3/16, 4/8, 4/10 ...30

Diese Definition der Taktlänge wirkt sich dabei nicht auf das Grundtempo aus;
letzteres bezieht sich auf die absolute Länge der Ganzen Note, die gleichsam das
Koordinatensystem für die Taktlängen darstellt. Dass die Definition der Taktlänge
auch keinen direkten Einfluss auf die Notenwerte des Taktes hat, liegt auf der Hand.

Unabhängig von den Notenwerten fällt die Vorstellung von der Relation der
verschieden langen "regulären" wie "irregulären" Takte31 zueinander leichter, wenn
man sich die Taktlängen als Aneinanderreihung von Abschnitten eines (horizontalen)
Zeitpfeils vorstellt.

30
Dies sind z.B. die Längen der ersten fünf Takte von Carceri d'Invenzione I.
31
Sie haben nur zufällig genau die Länge einer Ganzen Note; meist sind die Takte länger oder kürzer.

12
Diese einzelnen Abschnitte definieren sich durch ihre Relation zur "Norm" der
Ganzen Note, hier dargestellt als jeweils gesamte Zeilenlänge.
Die acht roten Dreiecke entsprechen somit den (insgesamt acht) Achtelnoten der
"Norm"-Ganzen. Ein 3/8-Takt wäre demnach so lang wie drei rote Dreiecke.

3/8-Takt

5/16-Takt

Fünf der orangenen Dreiecke entsprechen einem 5/16 Takt desselben (!) Tempos.

Ein 1/10-Takt (dunkelgrünes Dreieck) ist etwas kürzer als eine "reguläre" Achtel
(rotes Dreieck), rechnerisch enthält er 0,8 mal die Länge der "regulären" Achtel.

1/10-Takt

3/20-Takt

Analog lassen sich die Längen von 20-tel-Takten (hellgrün), 12-tel-Takten (violett),
24-tel-Takten (blau), 14-tel-Takten (dunkelgelb) und 28-tel-Takten (grau) desselben
Tempos "ablesen".

5/12-Takt

7/24-Takt

2/14-Takt

9/28-Takt

13
Die Aneinanderreihung der ersten fünf Takte von Carceri d'Invenzione I lässt sich
anhand dieses "unterteilten Zeitpfeils" etwa so ablesen:

Takt 1= 3/8-Takt Takt 2 = 3/12-Takt Takt 3 = 3/16-Takt


I I I

Takt 4 = 4/8-Takt Takt 5 = 4/10-Takt


I I

Die Breite der Takte innerhalb der Partituren geben für den Ausführenden keinen
Hinweis auf die zeitlichen Proportionen und auch innerhalb der Skizzen hat
Ferneyhough keine Dreiecke (o.ä.) verwendet, um die Relationen der Taktlängen
auszudrücken; viele Übersichten sind jedoch auf Millimeterpapier notiert, nicht zuletzt
um die horizontale Ausdehnung der Takte proportional zu deren zeitlicher
Ausdehnung zumindest in diesem Kompositionsstadium zu reflektieren.

Zu den "konventionellen" (= "regulären") und "unkonventionellen" (= "irregulären")


metrischen Relationen und deren Bedeutung für das Werk erläutert Ferneyhough:

"Ein präzises Verständnis der metrischen Konventionen, die dieses Werk beherrschen, ist von größter
Bedeutung für seine korrekte Ausführung. Zusätzlich zu den Takten, die auf konventionellen Werten
beruhen (2/8, 3/8 etc.), ist bei den anderen Werten, die auf triolischen (1/12, 3/48 etc.) und
quintolischen Unterteilungen des originalen Achtelschlags basieren, das identische Prinzip gebraucht,
die Unterteilung der ganzen Note. Nach diesem Prinzip ist eine Achtelnote im 1/10-Metrum gleich lang
wie vier Fünftel einer Achtelnote im 1/8-Metrum, eine punktierte Viertelnote im 3/12-Metrum gleich wie
zwei Drittel eines genauso notierten Wertes im 3/8-Metrum.
Taktstriche sollten unveränderlich betrachtet werden als Zeichen für gleichzeitige Veränderung der
Länge der Zählzeit. Kein Rubato sollte an irgendeiner Stelle angewandt werden, denn viele Effekte
des Werks hängen von dem Grad der Synchronisation zwischen metrischen und anderen
kompositorischen Prinzipien ab, die an jedem Zeitpunkt bestehen."32

32
"A precise understanding of the metric conventions governing this work is, for its correct execution,
of vital importance. In addition to bars based upon conventional values (2/8, 3/8 etc.) the identical
principle (subdivision of a whole note) is applied to other values based upon triplet (1/12, 3/48 etc.)
and quintuplet subdivisions of the original quaver beat. According to this system, a quaver in 1/10
time, and a dotted crotchet in a 3/12 time equals two-thirds of the same written value in 3/8 time. Bar
lines should invariably be regarded as marking instantaneous alterations of beat length. No rubato
should be incorporated at any point since many of the work's effects depend upon the degree of
synchronisation between metric and other compositional principles obtaining at any given juncture." –
FERNEYHOUGH, Brian: Preface. (1982; engl.) in: Studienpartitur zu Superscriptio. Edition Peters P-
7289, London 1982.

14
Dem Interpreten macht Ferneyhough im Vorwort zu Carceri d'Invenzione I den
Vorschlag, die Längen der "irregulären" Takte dadurch von der "regulären" Taktlänge
abzuleiten, indem überlegt wird, wie viel bzw. welche Proportion von diesem
"regulären" Wert abzuziehen sei.

"Die neue Zählzeit kann gefunden werden, indem ausgearbeitet wird, welche Proportion der aktuellen
Zählzeit im jeweiligen Fall subtrahiert werden muss. Während die Grundtempi relativ (und damit relativ
flexibel) bleiben, sind die oben beschriebenen Relationen als Metrums-Veränderungen zu betrachten
und müssen exakt interpretiert werden."33

Schließlich weist Ferneyhough auf eine Verbindung der größten Ebene


(Grundtempo) mit der mittleren Ebene (metrische Relationen) hin, die z.B. am Ende
von Carceri d'Invenzione I in Erscheinung tritt: das "metrische Rallentando".

Ein Metrumswechsel z.B. zwischen einem geraden und einem ungeraden Takt, bei
dem der bisherige Wert der Halben Noten ab sofort dem Wert der punktierten Halben
Note entspricht, ist bereits oft verwendet worden und daher bekannt.
Eine allmähliche Verlangsamung des Grundtempos aufgrund dieser neuen
metrischen Relationen wird bei Ferneyhough möglich und z.B. so angewandt:
Takt 160 von Carceri d'Invenzione I ist ein 2/8-Takt. Der darauf folgende 4/10 Takt
enthält ein Ritardando, das sich dadurch definiert, dass am Ende des Taktes die 10-
tel Note (als Achtelnote innerhalb des Taktes notiert) genau dieselbe Länge haben
soll, wie die "echte" Achtelnote des vorangegangenen Taktes.
Der nun folgende Takt 162 hat wieder eine "reguläre" Länge: 4/8 und ist damit länger
als Takt 161. Da das Grundtempo jedoch im vorangegangenen 4/10-Takt
verlangsamt wurde, hat die Achtelnote dieses Taktes jetzt den Wert von einer
(notierten) Achtelnote des vorangegangenen Taktes plus eine angebundene 32-tel
Note; gemäß der Relationen zwischen Achteln und 10-teln ist sie um eine Viertel des
Wertes länger.

Im Bild des "unterteilten Zeitpfeils" kann man sich eine Horizontaldehnung der
einzelnen Dreiecke vorstellen, die z.B. ein dunkelgrünes Dreieck (allmählich) so
vergrößert, dass es die ursprüngliche Länge eines roten Dreiecks enthält. Das darauf
folgende rote Dreieck müsste dann – weil es "in Abwesenheit" in gleicher Weise
durch das Grundtempo gedehnt wurde – entsprechend größer sein, als sein voraus
gegangenes grünes Dreieck.

Anmerkungen zu den metrischen Relationen, insbesondere bezüglich der


"irregulären" Metren, finden sich in ähnlichem Wortlaut im Vorwort zu allen Stücken
des Zyklus.

Die Bezeichnungen "irregulär" und "unkonventionell" stammen von Ferneyhough


selbst und sollen etwa ausdrücken, dass die so gebildeten Metren bisher noch nicht
in dieser Form verwendet wurden. Die beiden Ausdrücke sind streng genommen
wohl nicht die idealen, wahrscheinlich aber die treffendsten.

33
"The new beat may be found by working out what proportions of the current beat must be subtracted
in each case. Whilst overall tempi remain relative (and thus relatively flexible) such relationships as
described above are to be regarded as metre-changes and must be interpreted exactly." –
FERNEYHOUGH, Brian: Conductor's Notes. (1982; engl.) in: Studienpartitur zu Carceri d'Invenzione
I. Edition Peters P-7291, London 1982.

15
Überlegung zur Funktion der Taktstriche

Taktstriche begrenzen einen Bereich, der dem vorgegebenen Metrum entspricht;


dabei wechselt das Metrum meist bereits nach einem Takt. Betonungen innerhalb
des Taktes werden durch die Taktstriche nicht vermittelt, da die Konventionen der
klassisch-romantischen Musik nur selten angewandt werden können. Die Taktstriche
haben jedoch auch die Funktion eines Rahmens, innerhalb dessen sich die
musikalischen Gestalten entfalten können. Dies wird besonders beim Flötenpart von
Carceri d'Invenzione IIa deutlich, wo Takte wörtlich wiederholt werden und die
Taktstriche die Funktion rigoroser Begrenzung des Geschehens haben, egal was
davor kam oder danach folgt.34

II.2. Spielweise der Instrumente35

Vorschlagsnoten ("Grace-Notes")

Vorschlagsnoten treten meist in Gruppen von mehreren direkt aufeinander folgenden


Tönen auf. Sie sollen immer so rasch wie möglich gespielt werden, auch wenn die
Notation dies anders suggeriert. Drei Verwendungsformen werden unterschieden:
(1) Die Phrase wird auf der Hauptnote begonnen; es folgen die Vorschlagsnoten
in möglichst raschem Tempo, bevor sich die Hauptnote wieder ohne Pause
anschließt.
(2) Die Phrase wird mit der ersten Vorschlagsnote begonnen, und zwar zu dem
Zeitpunkt, an dem die Hauptnote beginnen würde; im unmittelbaren Anschluss an die
Vorschlagsnoten folgt die Hauptnote, ohne dass man den Übergang merkt
("imperceptibly").
Notationstechnisch werden die beiden Formen dadurch unterschieden, dass bei (2)
im Gegensatz zu (1) die Hauptnote eingeklammert ist.
(3) Die Hauptnote wird ausgehalten, bis genau an der durch rhythmische Notation
angezeigten Stelle die Gruppe mit Vorschlagsnoten beginnt. Die Rückkehr zur
Hauptnote nach Beendigung der Gruppe erfolgt wiederum unmerklich.

Vorschlagsnoten ohne Notenköpfe bedeuten, dass die nächst gelegenen Mikrotöne


in der angezeigten Vertikalrichtung gespielt werden sollen; statt Notenköpfen können
ein waagerechter Strich (Tonwiederholung), ein Glissando-Schrägstrich oder eine
Wellenlinie notiert sein.
Beim waagerechten Strich können – bei Blasinstrumenten – einzelne Hälse mit
einem kleinen Kreis gekennzeichnet sein; diese Töne sollen dann durch alternative
Griffe erzeugt werden. Fehlt diese Kennzeichnung, so sollen die Tonwiederholungen
mit Doppel- oder Tripelzunge ausgeführt werden.
Beim Glissando kann bei Streichinstrumenten staccato o.ä. als Artikulation vermerkt
sein. Das mehrmalige Zurückfallen des Bogens auf die Saite ist dann durch die

34
Z.B. werden überleitende Glissandi oder Triller an dieser Stelle abgebrochen und Registerbereiche
können sich plötzlich ändern.
35
Die Einteilung in Klangbereiche bzw. instrumentenspezifische Spielweisen enthält unvermeidlich
Überschneidungen.

16
Notenhälse dargestellt ("gettato"); die Anzahl der Impulse muss jedoch nicht exakt
eingehalten werden.

Vibrato, Tremoli und Triller

Beim Vibrato wird unterschieden zwischen dem vibratolosen Ton "non vibrato"
("N.V.") und viel Vibrato "vibrato molto" ("V.M."). Ferner gibt es Übergänge vom einen
Extrem ins andere, z.B. im Verlauf eines Liegetons. Dies wird bildlich dargestellt
durch eine Wellenlinie, deren Amplitude immer größer bzw. kleiner wird, oder mit
Hilfe eines Pfeils. (z.B. "N.V. V.M.")

Was bei den Streichern das Tremolo ("rapid irregular tremolo"), ist bei den Bläsern
die Flatterzunge; beide Klangfarben werden mit demselben Symbol bezeichnet, dem
dreifach schräg durchgestrichenen Notenhals. Wird von den Bläsern ein mehr in
Richtung Rachen erzeugter Klang der Flatterzunge gefordert, ist dies durch das
hinzugefügte Wort "throat" angezeigt. Wie beim Vibrato gibt es Übergänge vom
normalen Ton zur Flatterzunge und zurück. (z.B. "ord. Flz. ord.")

Triller sind immer als Klangfarben-Triller ("timbre-trills") zu verstehen. Sie sind


deshalb bisweilen mit einem eingeklammerten Stern versehen. Dabei soll entweder
mit derselben Tonhöhe getrillert werden, wobei Bläser, wenn möglich, verschiedene
Griffe verwenden, oder mit dem nächstgelegenen höheren oder tieferen Mikroton.
Bei der Verwendung verschiedener Griffe, sollen diese durch möglichst geringe
Bewegung der Finger ausgeführt werden. Halbtöne sollen nur verwendet werden,
wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Triller sind immer so rasch wie möglich zu
spielen.

Bei doppelten und dreifachen Trillern mit eingeklammerten Nebennoten sollen diese
unregelmäßig um die Hauptnote herum alterieren. Erwünscht ist der Effekt einer
Wolke aus Tönen, von denen die Hauptnote als wichtigste wahrzunehmen ist. Sich
wiederholende Patterns sollen dabei vermieden werden.

Pralltriller und Mordent sollen – im Gegensatz zu den anderen Trillern – mit dem
benachbarten Halbton ausgeführt werden, wenn nicht anders vorgegeben.

Glissandi

Ein Glissando ist durch einen von der Anfangsnote ausgehenden Schrägstrich
gekennzeichnet. Die Zielnote ist eingeklammert und soll nicht extra gespielt werden.
Ein solches Glissando ist bei Blasinstrumenten immer ein Finger-Glissando.

Hat die Zielnote keinen Notenkopf, so ist – bei Bläsern – der höchst- bzw.
tiefstmögliche Ton, der ohne Veränderung des Griffes erzeugt werden kann, das Ziel
des Glissandos.

Der Schrägstrich des Glissandos kann mit rhythmischer Notation (Notenhälse und
Balken) versehen sein; sie gibt – wenn keine Akzente dabei stehen – allein die
Länge des Glissandos an.

17
Ein "irreguläres" Glissando ist durch eine Wellenlinie statt des Schrägstrichs
dargestellt. Im Oboenpart der Etudes Transcendentales sollen leichte Akzente des
Zwerchfells das Glissando unterstützen, wobei der Luftstrom jedoch nicht
unterbrochen werden darf.

Die Verbindung von Triller und Glissando lässt sich bei Streichinstrumenten gut
verwirklichen; sie ist jedoch auch für Bläser verwendet, trotz oder gerade wegen der
unvermeidbaren Klangveränderungen.

Dasselbe gilt für die Verbindung von (zweistimmigem) Tremolo und Glissando; die
Zielnoten können dabei eingeklammert oder normal notiert sein.

Spezielle Spielweisen der Holzbläser

Leichte ("u" = "weak") und starke ("\" = "strong") Akzente der Flöte werden bei
Superscriptio (ab Takt 62) unterschieden.

Neben dem "echten" Lippen-Pizziccato wird in Superscriptio (ab Takt 119) von der
Flöte eine "Art Lippen-Pizziccato" erwartet; dabei wird nicht unmittelbar nach dem
Zungenstoß der Luftstrom abgebrochen, sondern etwas später, wodurch eine kurze,
leise Resonanz hörbar bleibt.

Außerdem gibt es Töne, die mit Lippen-Pizziccato beginnen, dann jedoch wie
normale oder besonders luftige Töne weiter ausgehalten werden.

Auch das Klappengeräusch z.B. der Flöte ("+" = "key click") wird gefordert; dabei soll
ein beliebiger Griff gewählt werden, der eine möglichst große Resonanz erzeugt.

Ein besonders luftiger Ton ("breathy sound") ist in Carceri d'Invenzione I bei
entsprechend gekennzeichneten Stellen verlangt. In den Etudes Transcendentales
wird zudem unterschieden zwischen luftigen Tönen, bei denen die Tonhöhe noch
wahrnehmbar ist (Notenkopf als halb ausgefüllte Raute), und solchen, bei denen die
Tonhöhe kaum noch wahrnehmbar ist (Notenkopf als nicht ausgefüllte Raute).

Eine Mischung zwischen Vibrato und Triller ist das Lippen-Glissando zwischen
benachbarten Mikrotönen.

Eine zusätzliche Rhythmisierung des Glissandos z.B. im Flötenpart von Carceri


d'Invenzione IIa soll durch Fluktuation des Mundstücks erzeugt werden, also durch
mikrotonale Veränderungen, wie beim Lippenglissando. Eine solche Rhythmisierung
wird in Carceri d'Invenzione III auch auf einen Liegeton angewandt, bei
gleichzeitigem Verlöschen des Tons ("smorzato"). Die Rhythmisierung kann in
beiden Fällen gleichmäßig oder ungleichmäßig sein, je nach "Dichte" der Notenhälse.

Ein kontinuierliches Lippen-Glissando zwischen den angezeigten Extremnoten bei


gleichzeitigem Greifen von mikrotonalen oder alternativen Griffen an gegebenen
Stellen erzeugen durch Schwebungen unvorhersehbare Fluktuierungen der
Tonhöhen. Dies ist z.B. in Carceri d'Invenzione I, Piccolo, Oboe und Klarinette, Takt
98 der Fall oder im Flötenpart von Carceri d'Invenzione IIa. Möglichst rasche

18
Wechsel werden durch Vorschlags-Notenhälse dargestellt, langsamere Wechsel
durch exakte rhythmische Notation.

Im Flötenpart von Carceri d'Invenzione IIa wird zusätzlich angegeben, wann ein
Zungenstoß übertrieben (eingekreistes "T") und wann er gar nicht ausgeführt werden
soll (eingekreistes umgekehrtes "T"). Für die Oboe ist in den Etudes
Transcendentales ein übertrieben explosiver Stoß ("tongue-slap") durch einen
durchgestrichenen Notenhals dargestellt.

Doppel- bzw. Tripelzunge – so rasch wie möglich auf demselben Ton – wird ebenfalls
im Flötenpart von Carceri d'Invenzione IIa gefordert.

Ein vom Zwerchfell erzeugtes möglichst rasches (heftigeres) Vibrato wird durch eine
"eckige" Wellenlinie dargestellt.

Eingekreiste Zahlen über mehreren Tönen gleicher Tonhöhe oder über einem
Glissando-Strich weisen auf die Verwendung verschiedener Griffe hin. Dabei steht
die Zahl 1 für die traditionelle Griffweise; ansonsten gilt: je höher die Zahl, desto
entfernter der Ton vom Original bzgl. Tonhöhe und Klangfarbe.

Im Oboenpart der Etudes Transcendentales werden drei verschiedene


kontrastierende Mehrklänge ("multiphonics") gefordert, bei Carceri d'Invenzione III
sogar vier, die beliebig ausgewählt werden können, jedoch möglichst gut ansprechen
sollen. Sie werden in durch Zahlen vorgegebener Reihenfolge gespielt. Keine zwei
gleichen Mehrklänge erscheinen dabei direkt hintereinander. Ein quadratischer
Notenkopf und ein mit einem "M" versehener Hals bzw. eine länglich-rechteckiger
Notenkopf bezeichnet einen Mehrklang.

Spezielle Spielweisen der Blechbläser

Vierteltöne können durch vorsichtige Dämpfung mit der Hand erzeugt werden. Wenn
Mikrotöne sowohl mit als auch ohne Dämpfung erzeugt werden sollen, ist der Grad
der Dämpfung abzustimmen mit der vorherrschenden Klangfarbe.

Spezielle Spielweisen der Streicher

Neben den gewohnten Flageolett-Spielweisen wird auch eine Mischung aus


Flageolett und normalem Ton gefordert. Durch den "mittleren" Druck auf die Saite
wird ein instabiler und diffuser Klang erzeugt.

Besonders perkussive Wirkung wird erzeugt, wenn die Saite an der angezeigten
Stelle besonders stark geschlagen wird ("finger percussion").

Bei Carceri d'Invenzione IIa werden bei einem einfachen Glissando zusätzliche
Einzeltöne gefordert, die gleichzeitig mit einem anderen Finger auf einer anderen
Saite zu greifen sind. Je nach Notation sollen diese Töne so gegriffen werden, dass
normale Töne oder Flageolett-Töne oder eine Mischung aus beiden erklingt.

19
Bei Glissandi auf mehreren Saiten gleichzeitig ist bisweilen ein Art Extra-
Notensystem unter dem jeweiligen System angegeben, das zeigt, auf welcher Saite
welcher Rhythmus zu spielen ist; so z.B. in Carceri d'Invenzione I, Kontrabass, Takt
93 bis 96. Im Intermedio alla ciaccona (Takt 79) ist dieses Verfahren zum Extrem
geführt, indem ein Verklang gegriffen werden soll, dessen Töne alle durch ein
Glissando zu einem anderen (höheren) Vierklang verändert werden, während das
Extra-Notensystem angibt, welcher (sich verändernde) Ton davon gerade erklingen
soll.

Spezielle Spielweisen des Schlagwerks

Die quasi polyphone Notation z.B. der fünf Trommeln in Carceri d'Invenzione I, Takt
151 bis 165 auf zwei Systemen dient der Übersichtlichkeit der dualen rhythmischen
Struktur; der Part wird von einem Spieler gespielt, der die Einteilung in rechte und
linke Hand selbst bestimmt. Allein wo er einen harten Schlägel benutzen soll, wo
einen weichen und wo beide, ist für das untere System vorgegeben.

Carceri d'Invenzione III benutzt sehr viele Schlaginstrumente und daher auch fünf
verschiedene Arten von Schlägeln, die an entsprechenden Stellen genau
vorgegeben sind: harte, mittlere und weiche Schlägel, sowie Vibraphon- und
Holzschlägel.

Legato-Bögen zeigen an, wie lange das Instrument nachhallen darf, bevor es
abgedämpft werden soll.

Das Abdämpfen des Tons mit der freien Hand unmittelbar nach der Erzeugung wird
durch wird gefordert, wenn der Notenhals mit einem "x" durchgestrichen ist.

Spezielle Anweisungen für die Stimme

Eine gestrichelte Linie nach einer Silbe oder eines Teils einer Silbe weist darauf hin,
wie lange dies ausgehalten werden soll; die Wörter sollen dabei "durchgehört"
werden.

Eine gestrichelte Linie mit Pfeilspitze steht z.B. bei Vokalen für den allmählichen
Wechsel von einem Klang zum anderen.

"rr" bedeutet ein rollendes ("italienisches") "r", das ähnlich wie Flatterzunge klingen
soll.

Ein Fragezeichen ohne Punkt heißt Glottisschlag; der folgende Klang beginnt mit
einem explosiven Freisetzen von Luft im Kehlkopf.

Wie bei den Holzblasinstrumenten kann auch mit der Stimme ein besonders luftiger
Ton erzeugt werden, dessen Tonhöhe kaum wahrnehmbar ist.

"Quasi parlando" bedeutet eine Beimischung von Atemgeräuschen zum Ton.

20
Verstärkung der Instrumente

Bei den Etudes Transcendentales ist eine leichte Verstärkung von Stimme und
Cembalo möglich, solange der spezifische Klang dadurch nicht beeinträchtig wird.

Bei Mnemosyne darf – wenn notwendig – Verstärkung für größere Räume


verwendet werden; wenn möglich sollte jedoch darauf verzichtet werden.

II.3. Notation von Mikrotönen


In allen Stücken des Zyklus verwendet Ferneyhough mikrotonale Strukturen. Sofern
Mikrotöne nicht in Form von Glissandi oder Trillern verwendet werden, wird der
Ganzton in vier (temperierte) Vierteltöne zerlegt, die in geeigneter Notation vermittelt
werden:
µ = einen Viertelton höher36 B = einen Viertelton tiefer

 = einen Dreiviertelton höher37 Bb = einen Dreiviertelton tiefer

Reihenfolge temperiert aufwärts: Nµm und abwärts: N B b Bb

In Carceri d'Invenzione IIa, den Etudes Transcendentales, sowie in Mnemosyne


werden die Mikrotöne auch als Teile des Kontinuums differenzierter ("inflektional")
notiert:

Reihenfolge "inflektional" aufwärts38: kµl und abwärts39: K B J BJ

Dabei weisen die Pfeilspitzen auf die Richtung der Abweichung vom vorgegebenen
Versetzungszeichen hin. In Carceri d'Invenzione III werden auf diese Weise
Achteltöne, meist im Zusammenhang mit Glissandi, näherungsweise beschrieben.

36
In den Skizzen wie in den Partituren wird das Zeichen mit nur einem Schrägstrich verwendet, hier
jedoch – aus notationstechnischen Gründen – stets mit zwei.
37
Die Versetzung um einen Dreiviertelton nach oben oder nach unten ist bei temperierter Stimmung
genau genommen überflüssig: Jeder Viertelton, der nicht zugleich Halbton ist, lässt sich als
Abweichung um einen Viertelton vom nächstgelegenen Stammton notieren. Die Verwendung dieser
zusätzlichen Zeichen hat also höchstens ideellen Einfluss auf die Intonation, bzw. dient einer
besseren Übersichtlichkeit. Bei der Analyse wurde auf die Notation von Dreivierteltönen verzichtet.
38
Alle Vorzeichen enthalten einen aufwärtsgerichteten Pfeil.
39
Alle Vorzeichen enthalten einen abwärtsgerichteten Pfeil.

21
II.4. Anordnung der Instrumente im Ensemble

Das Kammerorchester von Carceri d'Invenzione I sitzt in konventioneller Anordnung


im leichten Halbkreis: vorne die Streicher, dahinter die Holzbläser, dahinter außen
die Blechbläser (links Trompete und Horn, rechts Tuba und Posaune) und in der
Mitte Klavier und Perkussion.

Für das Orchester von Carceri d'Invenzione IIa ist keine Anordnung angegeben,
doch dürften die Spieler ähnlich wie bei Carceri d'Invenzione I platziert sein: die nun
13 Streicher dürften etwa die ersten beiden Reihen ausfüllen, die Holzbläser und die
beiden Hörner dahinter sitzen.

Die Partitur von Carceri d'Invenzione III enthält ein bildlich dargestelltes "Ensemble
Layout", das die Anordnung der Instrumente genau vorgibt. Dirigent (vorne) und
Perkussion 1 (hinten) teilen die beiden Gruppen voneinander: Rechts vorne sitzen
Flöten (außen) und Oboen (innen), dahinter Trompeten (außen) und Hörner
(innen40); links vorne sitzen Klarinetten (außen) und Bass-Klarinette und Fagott
(innen), dahinter Posaunen (außen) und Tube (innen). Links neben Perkussion 1
befindet sich Perkussion 2 (für Gruppe I), rechts Perkussion 3 (für Gruppe II).

"N.B. Genügend Raum sollte zwischen Gruppe I und Gruppe II gelassen werden, um die räumliche
und kompositorische Intention deutlich zu machen. Dennoch sollten die Gruppen nicht so weit
voneinander entfernt sein, dass ein kompakter Ensembleklang nicht mehr möglich ist." 41

Für die Aufführenden der Etudes Transcendentales ist keine Anordnung


vorgeschrieben; vermutlich stehen bzw. sitzen sie im Halbkreis. Ein Dirigent ist– laut
Partitur – nicht unbedingt vorgesehen.42

Bei Mnemosyne stehen die acht begleitenden Bassflöten im Halbkreis um den


Solisten43:

6 8
5 7
2 4
1 3

Die Koordination erfolgt entweder durch einen gemeinsamen "Click-Track", quasi als
variables Metronom oder durch einen Dirigenten, der – leicht versetzt – rechts neben
dem Solisten steht.

40
In den Skizzen sind Trompeten und Hörner miteinander vertauscht.
41
"N.B. Sufficient space should be left between group I and II to make the spatial and compositional
intention clear. At the same time the groups should not be so far apart that a compact ensemble sound
is no longer feasible." – Anmerkung Ferneyhoughs in den Skizzen zu Carceri d'Invenzione III.
42
Sicher klingen die Stücke anders, wenn ein Dirigent die Mitwirkenden koordiniert, als wenn sie wie
ein Kammerensemble selbständig zusammenspielen.
43
sofern ihr Part nicht vom Zuspielband erklingt.

22
III. Superscriptio
"Superscriptio ist ein vollkommen automatisiertes Stück".44

Die nun folgende Analyse von Superscriptio und die Idee einer Rekomposition45
stützt sich auf die Informationen aus den Skizzen, auf die Aussagen Ferneyhoughs
zu seiner Kompositionstechnik im allgemeinen46 und zur Komposition von
Superscriptio im speziellen47, sowie natürlich auf das Notenmaterial der
herausgegebenen Endfassung von Superscriptio.
Die Analyse soll in ihrer Ausführlichkeit zugleich eine Einführung in die
kompositorische Sprache Ferneyhoughs sein, als Grundlage für das Verständnis der
anderen Stücke des Zyklus.
"Es wurde ein Stück ganz und gar ohne Probleme. Ich meine, dass jeder es verstehen kann, wegen
der Instrumentation wie wegen der relativen "Unbekümmertheit" der Gesten. Es ist „transparent“ in
gewissem Sinne, weil man direkt wahrnehmen kann, was passiert, was gewöhnlich nicht der Fall ist in
meiner Musik." 48

Bislang gibt es einen Versuch einer ansatzweisen Analyse49 dieses Stücks, der
ebenfalls auf den Skizzen basiert.
Sollte Superscriptio wirklich "vollkommen automatisiert" sein, so lässt sich die
innere Logik dieser Komposition mit ihren musikalischen Konsequenzen voll
erschließen, ähnlich wie die euklidische Geometrie aufgrund ihrer Axiome und der
daraus folgenden Sätze50. Dies stellt eine nahezu vollständige Analyse in Aussicht.
Andererseits weist Ferneyhough auf automatisierte und informelle Elemente
innerhalb des Zyklus hin. Abweichungen einer quasi synthetischen, streng
"automatisierten" Rekomposition im Vergleich mit der Originalkomposition könnten
an entsprechender Stelle informelle Elemente aufzeigen.

Der Weg zur Rekomposition gliedert sich in zwei Schritte:


Die Taktdisposition, sowie die Bestimmung der Anzahl der in den Takten jeweils
enthaltenen Impulse bildet den ersten Schritt der Analyse. So wird ein erster
Überblick über die Gesamtanlage des Stücks erreicht.

44
"Superscriptio is a totally automatised piece." – TOOP, Richard: A propos de Superscriptio –
entretien avec Brian Ferneyhough. (1983; frz.) in Entretemps No.3, Paris 1987, S.91. (engl.) On
Superscriptio: An Interview with Brian Ferneyhough, and an Analysis. in: Contemporary Music Review
1995, Vol.13, Part 1, S.4.
45
"Re-Komposition" soll heißen, dass der Kompositionsprozess im Detail nachvollzogen wird,
nachdem auf analytischem Wege zuvor alle kompositorischen Entscheidungen aufgezeigt wurden.
46
In seinen Aufsätzen Il Tempo della Figura (1984) und Duration and Rhythm as Compositional
Ressources (1989) beschreibt Ferneyhough ausführlich einige seiner kompositorischen Verfahren.
47
Sie sind zu finden im Programmheft zur Uraufführung 1986 in Donaueschingen, im Vorwort und den
"Performance Notes" der Partitur und in dem Interview mit Richard Toop (s. Anm. 44)
48
"This is a completely carefree piece: I believe that one hears this, both through the instrumentation
and the relative "Unbekümmertheit" of the gestual usage. It is "transparent" in the same sense that
you can hear directly what it is, whereas with my usual music that's not so." – (s. Anm. 44) S.93 bzw.
S.6
49
TOOP, Richard: "Superscriptio" pour flûte piccolo solo – analyse. (frz.) in Entretemps No.3,
Paris 1987, S.95-106. (1983; engl.) On Superscriptio: An Interview with Brian Ferneyhough, and an
Analysis. in: Contemporary Music Review. 1995, Vol.13, Part 1, S.7-17.
50
Superscriptio könnte als das erste Stück des Zyklus Carceri d´Invenzione quasi "Abbild" des
Systems der euklidischen Geometrie sein; sie bildet die Grundlage für Piranesis Raumphantasien
gleichen Titels.

23
Die rhythmische Disposition und die Organisation der Tonhöhen folgen als zweiter
Schritt; hierbei gibt es eine Einheit innerhalb des musikalischen Materials der
Formteile, jedoch große Unterschiede zwischen den Formteilen.

Sinnvoll erscheint eine Unterscheidung der folgenden sieben – nicht unbedingt in


sich zusammenhängenden – Materialteile:

• 1.Teil Takt 1 - 59
• 2.Teil (Primärmaterial) – 2.Teil (Sekundärmaterial) Takt 60 - 118
• 3.Teil Takt 119 - 138
• 4.Teil (Primärmaterial) – 4.Teil (Einschübe) Takt 139 - 198
• 5.Teil (Primärmaterial) – 5.Teil (Grace-Notes) Takt 199 - 218

Bemerkungen zu Artikulation und Dynamik erscheinen je nach Relevanz in beiden


Schritten. Die Klangfarbe der Piccoloflöte wurde im 4. und 5.Teil durch Triller und
Vierteltöne nur leicht beeinflusst, was an entsprechender Stelle Berücksichtigung
findet.

Um die Darstellung überschaubar zu halten, sind sowohl Detailstudien zu den


Parametern der einzelnen Teile notwendig, als auch eine Zusammenfassung in Form
einer Gesamtübersicht der Ergebnisse aus den beiden Schritten. Letztere macht –
insbesondere im 5.Teil – zusätzlich den Vergleich zwischen den Vorgaben innerhalb
der Skizzen (und der daraus entstandenen Rekomposition dieses Teils) und dem
wirklichen Ergebnis in Form der vollendeten Komposition Ferneyhoughs sichtbar.

III.1. Skizzen von Superscriptio


Von den Skizzen zu Superscriptio sind 15 lose Blätter in einer Mappe gesammelt51.
Es handelt sich hierbei um Notenpapier, mit Ausnahme von Blatt 12 und 13.
Die Blätter sind von mir – zur besseren Identifizierung – von 1 bis 15 nummeriert,
gemäß ihrer Reihenfolge in der Mappe, unabhängig vom Inhalt oder dessen
Entstehungszeit. Die Vorder- und Rückseiten sind durch a und b unterschieden.
(Anhand des im folgenden beschriebenen Inhalts sind die Blätter im übrigen auch
ohne Nummerierung sehr gut wiederzuerkennen.) Bei den Blättern 8, 9, 10, 11 und
13 sind die Rückseiten unbeschrieben. Auf den Rückseiten der Blätter 6 und 7, sowie
auf der Vorderseite von Blatt 8 befindet sich vermutlich Material zu anderen Stücken
(Lemma-Icon-Epigram bzw. Carceri d´Invenzione I).

Inhalt der Blätter:

Blatt 1 a 1.Teil: Tonhöhendisposition und Gruppenbildung von Takt 1 bis ca. 51

Blatt 2 a 2.Teil: Tonhöhendisposition und Reinschrift des Sekundärmaterials der Takte 83 bis 96

51
Die Skizzen sind in den Archiven der Paul Sacher Stiftung in Basel aufbewahrt, die mir
freundlicherweise die Einsicht gewährte.

24
Blatt 2 b 5.Teil: Zahlenreihe "Rhythm filterings"; Reihen der Töne der 5 Niveaus (mit Vierteltönen)

Blatt 3 a 1./2.Teil: Studien zur Gruppenbildung innerhalb der Originalreihe von B aus

5.Teil: "Gracenotes for final section";


Blatt 3 b 1.Teil: Gruppeneinteilung der 3 Anfangsreihen
2.Teil: "pitch material for 2nd main section": Tonhöhendisposition von Takt 62 bis 82 und
Blatt 4 a/b Takt 82 bis 118 mit kurzer Anmerkung

4.Teil: Zahlenreihe "Rest-series" mit schriftlichen Anmerkungen;


3.Teil: "pitch and rhythm organisation": Graphische Darstellung der Takte 119 bis 138
mit Taktlänge, Impulsen, Notenwerten und deren Zuordnung zu Registern; kurze
Blatt 5 a/b Bemerkungen zu Artikulation und Dynamik allgemein

1.Teil: Tabelle zu Taktlänge und Anzahl der Impulse von Takt 1 bis 15 und kurze
Blatt 6 a Anmerkung dazu

1.Teil: Tonhöhendisposition und Gruppenbildung von Takt 51 bis 59 (Fortsetzung von


Blatt 7 a Blatt 1)

Blatt 8 a 4./5.Teil: Studien zu Vierteltönen "transposing and unfolding"

Blatt 9 a 4.Teil: Gruppenbildung und Reinschrift des Primärmaterials von Takt 147 bis 167

Blatt 10 a Studien zur Fibonacci-Zahlenreihe

Blatt 11 a 2.Teil: Tonhöhendisposition und Reinschrift des Sekundärmaterials der Takte 60 bis 75

1.Teil: kurze Anmerkung zur Reihendisposition und zum Rhythmus (evtl. eines anderen
Blatt 12 a Teils)

4.Teil: "Inserts pt.4 (negative rhythms of pt.3)": graphische Darstellung der eingefügten
Blatt 12 b Takte mit Taktlänge, Notenwerten und teilweise deren Zuordnung zu Tonhöhen

Blatt 13 a 2.Teil: "Bar structure for pt.2" Taktlängen mit kurzer Anmerkung dazu

4./5-Teil: Tabelle zu Taktlänge und Anzahl der Impulse von Takt 139 bis 218;
graphische
Darstellung derselben Takte mit Taktlänge, Notenwerten, Gruppenbildung und kurzen
Blatt 14 a Anmerkungen

3.Teil: Reinschrift der Takte 119 bis 138;


4.Teil: schriftliche Anmerkungen zum Umgang mit dem musikalischen Material;
Blatt 14 b Tonhöhendisposition des Primärmaterials von Takt 168 bis 198

Blatt 15 a 2.Teil: Reinschrift der Takte 62 bis 118 (ohne Sekundärmaterial)

2.Teil: Tonhöhendisposition und Reinschrift des Sekundärmaterials der Takte 100 bis
Blatt 15 b 106

Möglicherweise befindet sich auf Skizzenblättern zu anderen Werken noch


(unerkanntes) weiteres Material zu Superscriptio. Auf jeden Fall sind die oben
beschriebenen Blätter nicht das vollständige Skizzenmaterial, wenn auch
möglicherweise das vollständige erhaltene Material.

25
III.2. Entstehung und Kompositionsprozess

Im folgenden Abschnitt soll die Vorgehensweise Ferneyhoughs innerhalb des


Kompositionsprozesses skizziert werden, und zwar am Beispiel des Beginns von
Superscriptio.
Die spätere ausführliche Analyse geht – der Übersicht halber – einen anderen Weg,
nämlich den von der großformalen Anlage des Stücks zu den Details.
"Das Stück ist aus einer Improvisation heraus entstanden." 52

Ferneyhough hat auf der Flöte etwa folgende Töne – in irgendeiner Oktavlage –
improvisiert:

Die Töne53 ergeben (zufällig) eine Zwölftonreihe54, was Ferneyhough aber nicht
weiter interessierte. Wichtig war ihm die dadurch entstandene Intervallreihe: Zählt
man die Halbtonschritte der Intervalle jeweils aufwärts, so entsteht eine erste – für
den weiteren Verlauf des Stücks maßgebliche – Zahlenreihe:

3 – 2 – 1 – 7 – 10 – 9 – 1 – 5 – 2 – 3 – 3
Interessant ist, dass diese Intervallreihe keine große Terz (4 Halbtonschritte), keinen
Tritonus (6) und keine kleine Sext (8) enthält.
Die darauf folgenden Tonhöhen ergeben sich durch Anwendung eines ersten
Prozesses: Nachdem die erste Intervallreihe (logischerweise) mit ihrem ersten Ton
(B) beginnt und die Halbtonschritte aufwärts gezählt wurden, beginnt die nächste
Intervallreihe als Transposition auf dem zweiten Ton (UDes) und zählt die
Halbtonschritte abwärts. Die dritte Intervallreihe verläuft wieder „aufwärts“ und
beginnt als Transposition auf dem dritten Ton (OEs). Im weiteren Verlauf wird der
begonnene Prozess von weiteren überlagert.

Originalreihe von B Umkehrung von Des Originalreihe von Es

Zur besseren Identifizierung seien im Folgenden die Bezeichnungen "Originalreihe",


"Umkehrung", "Krebs" und "Krebsumkehrung" für die Intervallreihen verwendet,
obwohl Ferneyhough ausdrücklich nicht im Sinne von Zwölftonreihen damit
gearbeitet hat. Genauer soll gelten:

"Originalreihe" / "Umkehrung" = Intervallreihe mit aufwärts / abwärts gezählten Halbtonschritten


"Krebs" / "Krebsumkehrung" = "Originalreihe" / "Umkehrung" von hinten nach vorne gelesen

52
Aussage Ferneyhoughs im Gespräch mit der Verfasserin in Royaumont, September 1999.
53
Die ersten vier Tonhöhen sind unbekannt, da sie später als Pausen erscheinen und nicht wieder
verwendet werden.
54
Die Analyse wurde mit Hilfe der Definition von Zwölftonreihen gemacht, da so an vielen Stellen
mehr Übersichtlichkeit gewonnen werden konnte. Die Formen und Transpositionen der Zwölftonreihe
finden sich im Anhang.

26
Mit Hilfe dieser Bezeichnungen lassen sich sämtliche Intervallreihen – von jedem Ton
aus gebildet – in Form von Reihentabellen darstellen.55

Der Ton "es" kommt zweimal hintereinander vor und wird daher später als ein Ton
zusammengefasst.

Um die Oktavlagen für diesen ersten Teil festzulegen, kommt die Idee des Auslotens
des extrem hohen Registers der Piccoloflöte56 zum Tragen: Die stets
aufwärtsgerichteten Phrasen beginnen jeweils mit einem Ton der oberen Hälfte des
Registers der Piccoloflöte, genauer ab "as2". Ist die Obergrenze des Registers57
erreicht, beginnt die nächste Phrase wieder "unten". Auf diese Weise ergeben sich
die folgenden absoluten Tonhöhen und Phrasen:

5 3 4 2 2 1 2 2 2 4 1 2 4 1

Der jeweils unterste Ton einer Phrase wird durch einen Akzent zusätzlich
hervorgehoben58. Die ersten zwölf Töne werden so in drei Phrasen mit 5, 3 und 4
Tönen zusammengefasst. Die nächsten elf Töne bilden Phrasen mit maximal 2
Tönen, während die folgenden zwölf Töne fünf Phrasen mit 4, 1, 2, 4 und 1 Ton
ergeben.

Um eine Folge von allzu vielen zweitönigen Gebilden zu vermeiden, werden einige
Phrasen wieder miteinander verbunden. Dies geschieht durch ein weiteres
Gliederungsmoment: die Tondauer, verbunden mit der adäquaten Einteilung in Takte
geeigneter Länge.

Ummittelbar daraus ergibt sich die Partitur der ersten Takte.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Edition Peters Frankfurt


55
Die Tabellen befinden sich am Ende dieses Kapitels.
56
Zur Erinnerung: Der Tonumfang der Piccoloflöte reicht (klingend) von c2 bis c5. Die Noten sind eine
Oktave tiefer notiert.
57
Die Obergrenze ist hier erst noch h3 – ab Takt 14 schliesslich der höchste Ton c4.
58
Die (Legato-)Bögen sind hier nur zur Kennzeichnung der Phrasen; in Wirklichkeit ist der gesamte
erste Teil legato zu spielen.

27
III.3. Analyse und (automatisierte) Rekomposition

III.3.a) Taktdisposition
"Der zweite Aspekt ist die neue von mir entwickelte Art des metrischen Systems, das Impulse
irrationaler Länge in Bezug auf das Grundtempo des Stücks enthält. So ergeben sich befremdliche
Dinge, wie der ruckartige Wechsel des gesamten Ensembles in eine deutlich wahrnehmbar andere
Geschwindigkeit; es gibt einen "Click", einen Auslöser zu Beginn jeden Taktes, der mit diesem
Tempowechsel zusammenfällt. Man hört dies am besten im ersten Stück der Serie, Superscriptio für
solo Piccolo, wo dies sehr schematisch angewandt wird." 59

Der 1.Teil besteht aus einer Folge von 59 Takten. Es sind darin neben der durch vier
teilbaren Achtel-, 16-tel und 32-tel-Takte auch durch drei teilbare 12-tel und 24-tel-
Takte, sowie durch fünf teilbare 10-tel- und 20-tel-Takte enthalten.60

Der Zahl 59 ist keine weitere Bedeutung zuzumessen, außer der, dass das Ende des
ersten Teils hier sinnvoll erschien, und dass sich die Anzahl von 59 Takten dann in
die folgenden Formteile weiter "vererbt".

Die folgende Übersicht zeigt die verschiedenen Längen/Unterteilungen der ersten 59


Takte:

1.Teil: Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Unterteilung 1/8 1/10 3/32 3/20 1/12 1/16 2/10 1/32 1/10 2/12 1/8 3/32 1/48 3/16 7/16

16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
2/10 7/32 11/48 7/32 5/16 7/32 1/40 5/32 1/8 3/20 3/32 2/12 1/12 1/10 2/8 1/16 3/20

33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49
3/24 1/10 3/16 2/12 2/10 1/24 3/64 5/64 1/8 1/10 1/20 3/32 5/24 2/10 1/8 2/10 1/24

50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
3/16 7/48 7/40 4/12 7/32 7/64 1/16 3/12 3/64 5/32

59
"The second aspect is the new type of metric system I have developed, which includes beats of
irrational lengths in relation to the basic tempo of the piece. So you find strange things like the whole
ensemble jerking immediately into a perceptibly different rapidity; there's a click, a trigger at the
beginning of each bar that coincides with this change of tempo. One hears this best of all in the first
piece of the series, Superscriptio for solo piccolo, where it's very schematically employed." - TOOP,
Richard: Interview with Richard Toop. (1983; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und
Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.278.
60
Superscriptio ist – nach Aussage des Komponisten – das erste Stück, in dem er diese
sogenannten „irreguläre Metren“ verwendet.

28
Für den 2.Teil werden die Takte jeweils wie folgt verändert: Der Zähler jeden Taktes
erhöht sich um 1, während dem Nenner die nächsthöhere Unterteilung zugeordnet
wird.61 Die jeweils nächsthöheren Unterteilungen des Nenner sind:

8 Æ 10 Æ 12 Æ 16 Æ 20 Æ 24 Æ 32 Æ 40 Æ 48 Æ 64 ( Æ 80 ...)

So entstehen die folgenden 59 Takte (Takt 60 – 119):

1.Teil: Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Unterteilung 1/8 1/10 3/32 3/20 1/12 1/16 2/10 1/32 1/10 2/12 1/8 3/32 1/48 3/16 7/16
(gekürzt)

2.Teil: Takt 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74
Unterteilung 2/10 2/12 4/40 4/24 2/16 2/20 3/12 2/40 2/12 3/16 2/10 4/40 2/64 4/40 8/20
(gekürzt) 1/10 2/12 1/8 1/10 1/20 1/10 1/32 2/10 4/10
S = Sekun- S S S S S -
där-Material

16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
2/10 7/32 11/48 7/32 5/16 7/32 1/40 5/32 1/8 3/20 3/32 2/12 1/12 1/10 2/8 1/16 3/20

75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91
3/12 4/40 12/64 8/40 6/20 8/40 2/48 3/10 2/10 4/24 8/40 3/16 2/16 2/12 6/40 2/20 4/24
1/10 3/16 2/10 3/10 2/10 1/24 2/12 2/10 1/8 3/20 1/10 2/12
S - S S S

33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49
3/24 1/10 3/16 2/12 2/10 1/24 3/64 5/64 1/8 1/10 1/20 3/32 5/24 2/10 1/8 2/10 1/24

92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108


4/32 2/12 4/20 3/16 3/12 2/32 4/64 6/64 2/10 2/12 2/24 4/40 6/32 3/12 2/10 3/12 2/32
1/8 2/10 1/16 1/16 3/32 1/12 1/10 3/16 1/16
S S S S S S S S

50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
3/16 7/48 7/40 4/12 7/32 7/64 1/16 3/12 3/64 5/32

109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
4/20 8/64 8/48 5/16 8/40 8/64 2/20 4/16 4/64 6/48
2/10 1/8 2/12 2/10 1/8 1/10 2/8 1/16 3/24
S

61
Ferneyhough notiert in den Skizzen: "Increase original by 1 above, take next smallest common
denominator below."

29
An einigen Stellen stimmt die Zuordnung nicht:

Zwischen Takt 17 und Takt 30 wurden zweimal je zwei Taktpaare in sich vertauscht:
1. Takt 17 (7/32) ergibt "erweitert" nicht Takt 76, sondern Takt 85 (8/40) und
Takt 26 (3/32) ergibt dafür Takt 76 (4/40) und
2. Takt 23 (5/32) ergibt nicht Takt 82, sondern Takt 89 (6/40) und
Takt 30 (2/8) ergibt dafür Takt 82 (3/10).
(Die anderen Takte in diesem Bereich sind regulär "erweitert".)

Wo der Nenner bereits 64 ist, wurde er nicht zu 80 erweitert, sondern beibehalten;


lediglich der Zähler wird, wie sonst auch, um 1 erhöht. So ergeben sich die
Unterteilungen für die Takte 98, 99, 114 und 117.

Wäre Takt 59 (5/32) die Grundlage für Takt 118, so müsste letzterer den Wert 6/40,
gekürzt 3/20 enthalten; er enthält jedoch 3/24.

Für die spätere Verwendung des musikalischen Materials werden hier bereits die
Weichen gestellt: Den Takten des 2.Teils, deren Unterteilung gekürzt werden kann
(z.B. Takt 62 bis 65), wird Hauptmaterial zugeordnet, während die nicht mehr zu
kürzenden Takte (z.B. Takt 60 und 61) später Sekundärmaterial enthalten.
Die Takte 70 und 82 enthalten jedoch entgegen dieser Regel kein Sekundärmaterial,
so dass schließlich insgesamt 19 Takte für Sekundärmaterial zur Verfügung
stehen.62

Das Verfahren zur Gewinnung neuer Takte wird für den 4. und 5.Teil ein weiteres
Mal angewandt63:

1.Teil: Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Unterteilung 1/8 1/10 3/32 3/20 1/12 1/16 2/10 1/32 1/10 2/12 1/8 3/32 1/48 3/16 7/16

2.Teil: Takt 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74
Unterteilung 2/10 2/12 4/40 4/24 2/16 2/20 3/12 1/20 2/12 3/16 2/10 4/40 2/64 4/40 8/20
(gekürzt) 1/10 2/12 1/8 1/10 2/40 1/10 1/32 2/10 4/10

4./ 5.Teil: Takt 139 140 141 142 143 144 147 148 149 150 151 153 154 155 156
Unterteilung 3/12 3/16 2/12 5/32 3/20 3/24 4/16 2/24 3/16 4/20 3/12 2/12 2/40 3/12 5/16
(gekürzt) 2/8 1/12 2/10 1/20

62
Ferneyhough kennzeichnet in den Skizzen die Takte, die später "secondary material" enthalten
durch blaue Schraffur, im Gegensatz zur roten Schraffur für die restlichen Takte.
63
Die Unterscheidung von Primär- und Sekundärmaterial im 2.Teil wird hierbei nicht berücksichtigt;
alle Takte werden "erweitert".

30
16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
2/10 7/32 11/48 7/32 5/16 7/32 1/40 5/32 1/8 3/20 3/32 2/12 1/12 1/10 2/8 1/16 3/20

75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91
3/12 4/40 12/64 8/40 6/20 8/40 2/48 3/10 2/10 4/24 8/40 3/16 2/16 2/12 6/40 2/20 4/24
1/10 3/16 2/10 3/10 2/10 1/24 2/12 2/10 1/8 3/20 1/10 2/12

157 158 160 161 162 163 164 167 168 169 173 174 175 176 180 181 182
4/16 2/12 4/20 3/12 4/12 3/12 2/32 2/12 3/12 3/16 3/24 2/8 2/10 3/16 4/12 1/12 3/16
2/8 2/10 1/16

33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49
3/24 1/10 3/16 2/12 2/10 1/24 3/64 5/64 1/8 1/10 1/20 3/32 5/24 2/10 1/8 2/10 1/24

92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108


4/32 2/12 4/20 3/16 3/12 2/32 4/64 6/64 2/10 2/12 2/24 4/40 6/32 3/12 2/10 3/12 2/32
1/8 2/10 1/16 1/16 3/32 1/12 1/10 3/16 1/16

183 184 189 190 191 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208
2/10 3/16 3/12 4/20 4/16 2/20 2/20 4/40 3/12 3/16 2/16 2/12 4/20 4/16 3/12 4/16 2/20
2/10 2/8 1/10 1/10 1/10 1/8 2/10 2/8 2/8 1/10

50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
3/16 7/48 7/40 4/12 7/32 7/64 1/16 3/12 3/64 5/32

109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
4/20 8/64 8/48 5/16 8/40 7/64 2/20 4/16 4/64 6/48
2/10 1/8 2/12 2/10 1/8 1/10 2/8 1/16 3/24

209 210 211 212 213 214 215 216 217 218
3/12 2/10 3/16 6/20 3/12 2/10 2/12 3/10 1/12 2/12
3/10

Auch hier passen einige "Erweiterungen" nicht zur ursprünglichen Taktunterteilung.

Außerdem ist die Abfolge der Takte des 4.Teils (noch) nicht die endgültige, da in
diesen Teil weiteres Sekundärmaterial aus dem 3.Teil eingeschoben wird.

31
Für den 3.Teil steht eine neue Folge von 20 Taktunterteilungen zur Verfügung:

Möglicherweise lässt sich diese Folge aus dem bereits vorhandenen Material –
ableiten. – Die Anzahl von ausgerechnet 20 Takten legt dies nahe.

3.Teil: Takt 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133
Unterteilung 3/16 1/12 4/12 1/8 2/12 4/8 5/12 2/10 2/12 2/8 1/12 3/10 2/12 3/10 3/12

4:Teil: Takt 196 195 194 193 192 188 187 186 185 179 178 177 172 171 170
Unterteilung 3/16 1/12 4/12 1/8 2/12 4/8 5/12 2/10 2/12 2/8 1/12 3/10 2/12 3/10 3/12

134 135 136 137 138


1/8 1/10 2/10 2/8 3/24

166 165 159 152 146 145


1/8 1/10 2/10 2/8 3/48 3/24

Die Takte der Einschübe des 4.Teils entsprechen genau den Takten des 3.Teil – von
hinten nach vorne gelesen.64

Der 4.Teil sieht aus Primär- und Sekundärmaterial zusammengesetzt dann so aus:

4.Teil: Takte 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153
Einschübe 3/24 2/8
Primärmaterial 3/12 3/16 2/12 5/32 3/20 3/24 2/8 1/12 3/16 2/10 3/12 2/12
zusätzlicher Takt 3/48

154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170
2/10 1/10 1/8 3/12
1/20 3/12 5/16 2/8 2/12 2/10 3/12 4/12 3/12 1/16 2/12 3/12 3/16

171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187
3/10 2/12 3/10 1/12 2/8 2/12 2/10 5/12
3/24 2/8 2/10 3/16 4/12 1/12 3/16 2/10 3/16

188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198
4/8 2/12 1/8 4/12 1/12 3/16
3/12 2/10 2/8 1/10 1/10

64
Takt 146 (3/48) ist – wie auch aus den Skizzen hervorgeht – nachträglich eingeschoben worden,
möglicherweise aus Gründen der rhythmischen Disposition des Sekundärmaterials.

32
Die Einschübe sind relativ gleichmäßig auf den Formteil verteilt. Die Länge der
Einschübe nimmt jedoch kontinuierlich zu:

3 x 1 Takt – 1 x 2 Takte – 2 x 3 Takte – 1 x 4 Takte – 1 x 5 Takte

Durch die Taktdisposition lässt sich Superscriptio (sinnvoll) in 5 Formteile gliedern:

1.Teil: 59 Takte neues Material,

2.Teil: 59 Takte, "erweitert" aus dem 1.Teil,

3.Teil: 20 Takte neues Material,

4.Teil: 60 Takte, davon 39 "erweiterte" Takte aus dem 2.Teil, 20 Takte Einschübe
aus dem 3.Teil, sowie der hinzugefügte Takt 146,

5.Teil: die restlichen "erweiterten" 20 Takte aus dem 2.Teil.

III.3.b) Anzahl der Impulse pro Takt


Ebenfalls von vornherein für das ganze Stück darstellen lässt sich die Anzahl der
Impulse pro Takt. Damit ist die Unterteilung eines Taktes in (gleichlange) kleinere
Einheiten gemeint; ein Impuls65 kann etwa als der kleinste gemeinsame Nenner der
in dem Takt enthaltenen Werte verstanden werden. Durch die Anzahl der Impulse
kann ein erster Einfluss darauf gewonnen werden, welche Formteile dichter sein
sollen und welche eher lockerer.
Die Anzahl der Impulse ist unabhängig von Metrum des Taktes und stimmt auch
meist nicht damit überein. Ein Impuls kann durch eine Einzelnote in Erscheinung
treten, aber auch durch eine Pause. Entfallen mehrere Tonhöhen auf denselben
Impuls, so werden diese als Vorschläge notiert. Im 3.Teil ist dies z.B. der Fall. Wird
einem Impuls keine Tonhöhe zugeordnet, so entsteht entweder – wie im locker
gebauten 3.Teil – eine Pause oder die vorhergehende Note wird entsprechend
länger ausgehalten – wie im dichteren 5.Teil.

Die Zahlenreihe für die Impulse besteht aus drei Teilreihen:

1.Teilreihe: 5 – 3 – 4 – 5 – 4 – 2 – 4 – 1 – 2 – 5

Ursprünglich hieß wohl der erste Wert 9 statt 5, denn die 9 taucht an entsprechender
Stelle hin und wieder auf, außerdem lässt sich so der ungewöhnliche Beginn des
Stücks mit den Pausen erklären.66

2.Teilreihe: 3 – 2 – 1 – 7 – 10 – 9 – 1 – 5 – 2 – 3 – 3

oder zusammengefasst: 3 – 2 – 1 – 7 – 10 – 10 – 5 – 8

65
Ferneyhough spricht von "impulses" oder "digits".
66
Wie bereits beim Kapitel III.2. erwähnt, enthält Takt 1 genau genommen 9 Impulse, von denen die
ersten vier als Pausen erscheinen und die restlichen 5 als Noten.

33
Wie bereits erwähnt entsteht sie, wenn man die Zahl der Halbtonschritte (immer
aufwärts gezählt, unabhängig von der Oktavlage) der Superscriptio
zugrundeliegenden Intervallreihe hintereinander schreibt:

3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3

Die folgenden Zahlen lassen sich als 3.Teilreihe lesen, die möglicherweise aus
Elementen der beiden anderen Zahlenreihen zusammen gesetzt ist:

3.Teilreihe: 5 – 10 – 6 – 9 – 1 – 6 – 3 – 3 – 3 – 2 – 8 – 10 – 10 – 4 – 5 – 6 – 5 – 4 – 5 –

16 10

6 – 3 – 3 – 7 – 10 – 9 – 1 – 6 – 3 – 4 – 3 – 3 – 2 – 1 – 9 – 7 – 8 – 1 – 7 – 3 – 3 – 3 – 1

Für den 1.Teil werden die Zahlen der drei Teilreihen den ersten 59 Takten
zugeordnet.67

Im 2.Teil beginnt die Zuordnung von neuem, allerdings nur für die 39 Takte mit
Primärmaterial. Dafür geht die Zuordnung bis zum Ende des 3.Teils (20 Takte)
weiter.

Die 39 Takte Primärmaterial des 4.Teils und die Takte des 5.Teils enthalten jeweils
die doppelte Anzahl an Impulsen pro Takt, was die Textur dichter erscheinen lässt.
Das Sekundärmaterial des 4.Teils (20 Takte) enthält dieselbe Anzahl Impulse wie die
Takte des 3.Teils, diesmal nicht umgekehrt. – So wird eine Wiederholung der
Konstellation des 3.Teils vermieden; es werden neue Kombinationen von Taktlänge
und Anzahl der Impulse pro Takt erzeugt.

1.Teil: Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Impulse 5 3 4 5 4 2 4 1 2 5 3 2 1 7

2./3.Teil:Takt 62 63 64 65 67 70 71 72 73 74 76 77 78 79
Impulse 5 3 4 5 4 2 4 1 2 5 3 2 1 7

4./5.Teil:Takt 139 140 141 142 143 144 147 148 149 150 151 153 154 155 156
Impulse 18 6 8 10 8 4 8 2 4 10 6 4 2 6 14

67
Die Taktunterteilungen und die Anzahl der Impulse für die ersten 15 Takte konnten den Skizzen
entnommen werden, der Rest des 1.Teils aus den Noten.

34
15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26
10 10 5 8 5 16 9 1 6 3 3 3

80 81 82 84 85 87 90 91 92 94 97 98 99
10 10 5 8 5 10 6 9 1 6 3 3 3

157 158 160 161 162 163 164 167 168 169 173 174 175 176 180 181 182
4 10 20 14 12 20 12 16 10 20 12 18 2 12 6 6 6

27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43
2 8 10 10 4 5 6 5 4 5 6 3 3 7 10 9 1

102 103 104 108 109 110 111 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122
2 8 10 10 4 5 6 5 4 5 6 3 3 7 10 9 1

183 184 189 190 191 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208
4 16 20 10 8 10 12 10 8 10 12 6 6 14 16 18 2

44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
6 3 4 3 3 2 1 9 7 8 1 7 3 3 3 1

123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138
6 3 4 3 3 2 1 4 7 8 1 7 3 3 3 1

209 210 211 212 213 214 215 216 217 218
12 6 8 6 6 4 14 6 6 1

In Takt 139 erscheint die Verdopplung von den ursprünglich 9 statt 5 Impulsen. Für
Takt 206 hatte Ferneyhough in den Skizzen "reguläre" 20 Impulse vorgesehen, bei
der rhythmischen Disposition jedoch nur 16 Impulse verwendet.

Für das Sekundärmaterial des 2.Teils wurde eine relativ hohe Dichte erzeugt. Die
entsprechend große Anzahl der Impulse pro Takt bildet eine neue Zahlenfolge:

60 61 66 68 69 75 83 86 88 89 93 95 96 100 101 105 106 107 112


12 12 15 16 18 18 24 16 18 20 12 15 16 18 20 ? ? ? ?

35
Ein numerischer Zusammenhang zwischen dem Zähler der Taktangabe und der
Anzahl der Noten liegt hier nahe, da letztere immer – wo in den Skizzen angegeben
– ein Vielfaches von 2 oder 3 ist:

60 61 66 68 69 75 83 86 88 89 93 95 96 100 101 105 106 107 112


2/10 2/12 3/12 2/12 3/16 3/12 2/10 3/16 2/12 3/20 2/12 3/16 3/12 2/10 2/12 3/12 2/10 3/12 5/16
12 12 15 16 18 18 24 16 18 20 12 15 16 18 20 ? ? ? ?

2x6 2x6 3x5 2x8 3x6 3x6 3x8 2x8 3x6 2x10 2x6 3x5 2x8 3x6 2x10

Die Ausdrucksvorgaben der Teile 1 bis 4 spiegeln die Dichte und damit auch den
Charakter der jeweiligen Teile wieder.
1.Teil: veloce, sempre giusto
2.Teil: violente subito
3.Teil: subito quasi tranquillo
4. und 5.Teil: piu agitato

Die Teile 4 und 5 scheinen unter diesem Aspekt eine Einheit oder besser eine
Weiterentwicklung ohne Einschnitt zu bilden.

Zusammenfassend sieht die großformale Gliederung von Superscriptio in Bezug auf


Takte und Impulse etwa so aus, wie auf der folgenden Tabelle dargestellt.68

1.Teil: sempre giusto


Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Anzahl der Impulse pro Takt 5 3 4 5 4 2 4 1 2 5 3 2 1
Taktunterteilung 1/8 1/10 3/32 3/20 1/12 1/16 2/10 1/32 1/10 2/12 1/8 3/32 1/48

14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
7 10 10 5 8 5 16 9 1 6 3 3 3 2 8 10 10 4
3/16 7/16 2/10 7/32 11/48 7/32 5/16 7/32 1/40 5/32 1/8 3/20 3/32 2/12 1/12 1/10 2/8 1/16

32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49
5 6 5 4 5 6 3 3 7 10 9 1 6 3 4 3 3 2
3/20 3/24 1/10 3/16 2/12 2/10 1/24 3/64 5/64 1/8 1/10 1/20 3/32 5/24 2/10 1/8 2/10 1/24

2.Teil: violente subito


50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67
1 9 7 8 1 7 3 3 3 5 12 12 5 3 4 5 15 4
3/16 7/48 7/40 4/12 7/32 7/64 1/16 3/12 3/64 5/32 2/10 2/12 1/10 2/12 1/8 1/10 3/12 1/20

68
Die Takte, die Sekundärmaterial enthalten, sind zur besseren Einordnung grau schattiert. Die
Farben der Taktunterteilungen stehen für "reguläre", triolische und quintolische Nenner, wie in Kapitel
II.1. beschrieben.

36
68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85
16 18 2 4 1 2 5 18 3 2 1 7 10 10 24 5 8 5
2/12 3/16 2/10 1/10 1/32 2/10 4/10 3/12 1/10 3/16 2/10 3/10 2/10 1/24 3/10 2/10 2/12 2/10

86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


16 10 18 20 6 9 1 12 6 15 16 3 3 3 18 20 2 8
3/16 1/8 2/12 3/20 1/10 2/12 1/8 2/12 2/10 3/16 3/12 1/16 1/16 3/32 2/10 2/12 1/12 1/10

3.Teil: subito ...


104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121
10 23 ? 19 ? 28 ? 10 4 5 6 7? 5 4 5 6 3 3 7 10 9
3/16 3/12 2/10 3/12 1/16 2/10 1/8 2/12 5/16 2/10 1/8 1/10 2/8 1/16 3/24 3/16 1/12 4/12

... quasi tranquillo


122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138
1 6 3 4 3 3 2 1 9 7 8 1 7 3 3 3 1
1/8 2/12 4/8 5/12 2/10 2/12 2/8 1/12 3/10 2/12 3/10 3/12 1/8 1/10 2/10 2/8 3/24

4.Teil: piu agitato


139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156
18 6 8 10 8 4 7 2 8 2 4 10 6 10 4 2 6 14
3/12 3/16 2/12 5/32 3/20 3/24 3/24 3/48 2/8 1/12 3/16 2/10 3/12 2/8 2/12 1/20 3/12 5/16

157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174
4 10 9 20 14 12 20 12 1 6 16 10 20 3 4 3 12 18
2/8 2/12 2/10 2/10 3/12 4/12 3/12 1/16 1/10 1/8 2/12 3/12 3/16 3/12 3/10 2/12 3/24 2/8

175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192
2 12 3 2 1 6 6 6 4 16 4 7 8 1 20 10 8 7
2/10 3/16 3/10 1/12 2/8 4/12 1/12 3/16 2/10 3/16 2/12 2/10 5/12 4/8 3/12 2/10 2/8 2/12

5.Teil
193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210
3 3 3 1 10 12 10 8 10 12 6 6 14 16 18 2 12 6
1/8 4/12 1/12 3/16 1/10 1/10 1/10 3/12 3/16 1/8 2/12 2/10 2/8 3/12 2/8 1/10 3/12 2/10

37
III.3.c) Rhythmus- und Tonhöhendisposition der Formteile
1.Teil - Rhythmus

Anhand der Disposition von Taktlänge (für den gesamten 1.Teil) und Anzahl der
Impulse pro Takt (zumindest solange die beiden Zahlenreihen69 durchlaufen werden)
lassen sich die Takte mit entsprechend vielen Noten gleichen Wertes ausfüllen. Die
Notenwerte sind ja durch beide Parameter genau vorgegeben. [1.System]70

Für die Takte 2 bis 17 erhalten wir so bereits den endgültigen Rhythmus.
Der Rhythmus des 1.Takts, der ursprünglich71 9 Impulse hatte und nachträglich auf 5
Impulse reduziert wurde, entsteht in seiner endgültigen Fassung, wenn man die
ersten 4 Impulse als Pausenwerte notiert und die restlichen 5 als Notenwerte.

Von Takt 1872 bis 37 erscheinen die Impulse meist in kleineren Gruppen mit
gleichmäßigen Dauern, so dass dann der Takt insgesamt ungleichmäßig ausgefüllt
ist. [2.System] Besonders Takt 25 legt nahe, dass es Ferneyhough wohl weniger um
die neuen kleinen Gruppen ging, als vielmehr um die Unterscheidung von längeren
und kürzeren Dauern innerhalb der Takte.73 Allerdings verändert sich dadurch
gelegentlich auch die Anzahl der Impulse pro Takt; z.B. enthält Takt 20 nur noch 14
"ungleichmäßige" Impulse im Vergleich zu ursprünglich 16 gleichmäßigen.

Ab Takt 38 bis zum Ende des 1.Teils sind die Werte innerhalb der Takte wieder
gleichmäßig verteilt74, allerdings sind einige Takte weiterhin in kleine Gruppen
unterteilt, wie allein anhand der Akzente zu erkennen ist: Jede erste Note einer
Gruppe wird durch einen Akzent hervorgehoben.75 Der Einschnitt zwischen Takt 37
und Takt 38 wird durch das Ende des ersten, bis dahin dauernden Legato-Bogens
und natürlich das Atemzeichen zur musikalisch wahrnehmbaren Zäsur verstärkt.
Bezüglich der Dynamik fällt an dieser Stelle die erstmalige Verbindung von
Crescendo und Decrescendo zum An- und Abschwellen auf.

Der 1.Teil wird beendet durch Pausen, die erst im letzten Takt wieder erscheinen und
die Linie abbrechen lassen. Die Pausen sind wiederum vier Impulse lang, wie im
ersten Takt; möglicherweise ein Anflug von Symmetrie.

Es lassen sich also im 1.Teil drei Abschnitte bilden, die sich in der Rhythmik
voneinander unterscheiden, aber auch durch Artikulation und Dynamik. Betrachtet
man die drei Ebenen der Tonhöhenorganisation dieses Teils, so erscheinen Zäsuren
wiederum an eben diesen Stellen.

69
5 – 3 – 4 – 5 – 4 –2 – 4 – 1 – 2 – 5 und 3 – 2 – 1 – 7 – 10 – 9 – 1 – 5 – 2 – 3 – 3
70
Die Angabe des Systems bezieht sich auf die den Ausführungen jeweils folgende Genese der
Rekomposition, die wie eine Partitur aussieht.
71
der Skizze zu den ersten 15 Takten nach zu urteilen
72
ab Takt 18 wechselt auch die Dynamik von stetem piano zu kleinen Crescendi bzw. Decrescendi
73
vgl. dazu die Beispiele zu Dauernverhältnissen in "Il Tempo della Figura", in "Collected Writings",
S.38 ff.
74
mit Ausnahme von Takt 51; ist dieser Takt womöglich wegen der besseren Überschauberkeit leicht
ungleichmäßig unterteilt ? – In Takt 207 scheint dies auch der Fall zu sein.
75
vgl. Ferneyhoughs Aussage bei der Taktdisposition: "Es gibt einen "Click", einen Auslöser zu
Beginn jeden Taktes, der mit diesem Tempowechsel zusammenfällt."

38
1.Teil - Tonhöhen

Was die Tonhöhendisposition angeht, formt sich der 1.Teil als eine in sich
geschlossene, stetige Weiterentwicklung aus der Grundreihe heraus.

In den Skizzen finden sich die Töne des 1.Teils zusammenhängend, noch ohne
Taktzuordnung und Rhythmus und teilweise noch in anderen Oktavlagen, jedoch mit
stichwortartigen Angaben zur Konstruktion. Ausserdem enthält Blatt 1 der Skizzen
sehr aufschlussreiche Konstruktionsmuster zur Gruppenbildung innerhalb der
Originalreihe.

Der 1.Teil beginnt - wie bereits im Abschnitt "Entstehung und Kompositionsprozess"


dargestellt - mit der vollständigen Originalreihe auf B (OB), gefolgt von der
vollständigen Umkehrung auf Des76 (UDes) und einer weiteren vollständigen
Originalreihe auf Es77 (OEs). Danach kommen in diesem Teil - mit Ausnahme von
Takt 29/30 - nur noch Ausschnitte von Originalreihen bzw. Umkehrungen vor.

Auffällig ist in der Tonhöhenskizze die Einteilung in Phrasen, die mit einem Bogen
verbunden sind und deren erster Ton – wie bereits bei der Analyse des Rhythmus´
erwähnt – jeweils durch einen Akzent zusätzlich gekennzeichnet ist.

Betrachtet man nur die Töne dieser drei vollständigen Reihen, so entspricht ihre
Phraseneinteilung den Zahlen der 1.Teilreihe:

5–3–4–2–2–1–2–2–2–4–1–2–4–1

5 4 5

Der weitere Verlauf des 1.Teils von Superscriptio ist durch sich überlagernde Zyklen
auf drei Ebenen organisiert:

a) der Ebene der Phrasenlänge (zwischen den Referenztönen),


b) der Ebene der Tonhöhen der Referenztöne [3.System], d.h. der Anfangstöne der
Phrasen,
c) der Ebene der Zellformen [4.System], d.h. der Art der Konstruktion der Tonhöhen
innerhalb der Phrasen, ausgehend von Referenzton.

Im Detail sehen die Ebenen z.B. von Takt 11 bis Takt 16 so aus:

a) 3 2 1 7 10 9

b) OB: E H A F# G C

c) Zellform 1 (bis Takt 17)

76
Wohl aus Versehen hat Ferneyhough hier den 4. mit dem 5.Ton der Reihe verwechselt.
77
Der letzte Ton von UDes und der erste Ton von OEs fallen zusammen.

39
Im Überblick über den gesamten 1.Teil lässt sich gut erkennen, wie sich die Ebenen
überlagern78 und wie die Zäsuren in Takt 18 und in Takt 38 denen des Umgangs mit
dem Rhythmus entsprechen.

Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Zyklus a) Phrasenlänge 5-3-4-5-4-2-4-1-2-5
Zyklus b) Referenztonreihen OB
Zyklus c) Zellformen Ur-Zellform

11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
3-2-1-7-10... 3-2-1-7-10... 3-2-1-7-10...
UDes OEs
Zellform 1 Zellform 2

29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46
5-6-2-3-4-5-6 3-2-1-7-10...
OB UDes
Zellform 3 Zellform 4 Zellform 5 Zellform 6

47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
3-2-1-7-10...
OEs
Zellform 7

a) Ebene der Phrasenlänge

Die Anzahl der Töne innerhalb der Phrasen (inklusive Referenzton) entspricht den
Zahlen der 2.Teilreihe:

3 – 2 – 1 – 7 – 10 – 9 – 1 – 5 – 2 – 3 – 3

Fünf durch diese Zahlenreihe abgegrenzte Zyklen durchziehen den ersten Teil und
definieren sein Ende. Zwischen Takt 32 und 37 ist ein neuartiger Zyklus eingefügt mit
der regelmässigen ansteigenden Zahlenreihe

5–6 – 2–3–4–5–6

Sie korrespondiert etwa mit der Zellenkonstruktion, die ab der zweiten Zellform
verwendet wird.
78
Die Übergänge korrespondieren in der Regel nicht mit den Taktstrichen; sie sind nur der Übersicht
halber so dargestellt.

40
b) Ebene der Tonhöhen der Referenztöne

Die Anfangstöne79 der nun folgenden Phrasen – sie sind in der Skizze mit dem
Buchstaben der entsprechenden Tonhöhe80 extra hervorgehoben – sind definiert
durch die Abfolge der Töne der drei vollständigen Reihen zu Anfang und beginnen
mit dem vierten Ton von OB.81

Auf diese Weise werden die drei Reihen OB, UDes und OEs knapp zweimal
durchlaufen.82

c) Ebene der Zellformen

Die Tonhöhen innerhalb der Phrasen werden durch die Konstruktion verschiedener
Zellformen organisiert. Dabei regeln die Zellformen die (relative) Intervallstruktur und
der Referenzton bildet den Ausgangspunkt für die jeweilige (absolute) Tonhöhe, also
die Transposition einer Phrase.83
Neben der Ur-Zellform der drei vollständigen Reihen in Takt 1 bis 10 gibt es sieben
weitere Zellformen, auf die Ferneyhough in der Tonhöhenskizze des 1.Teils zumeist
durch Stichworte hinweist:

Zellform 1 (Takt 11 – 17): "3 versions complete, 2nd of which inversion, transpose according to
pitch sequence of original"

Zellform 1 enthält – wie die Ur-Zellform – drei vollständige Reihen, wobei die zweite
die Umkehrung ist, jedoch enthalten die Zellen nicht mehr eine vollständige Reihe,
sondern nur Teile daraus. Enthielt in der Ur-Zellform eine Zelle die gesamte Reihe
und war in mehrere Melodiephrasen unterteilt, so entspricht jetzt die Länge der Zelle
der Länge der Phrase, bzw. ist sogar kürzer.

Jede Phrase beginnt mit einem Referenzton84. Die darauf folgenden Töne lassen
sich durch Zählen der Halbtonschritte erklären. Zählt man die Schritte aufwärts, so
ergeben sich Teile der Originalreihe, zählt man sie abwärts, so ergeben sich Teile
der Umkehrung.
Zuerst werden Teile der Originalreihe verwendet: Die Folge der Halbtonschritte liest
sich also: 3 – 2 – (1) – 7 – 10 – 9 – 1 – 5 – 2 – 3 – (3)

3 2 7 10 9 1 5 2 3

79
Ferneyhough nennt sie "reference pitches", also Referenztöne.
80
z.B. "Bb" für den ersten Ton der ersten Gruppe in Takt 1
81
Bereits der Anfangston Des der zweiten Reihe UDes entspricht dem zweiten Ton der ersten Reihe
OB und der erste Ton der dritten Reihe OEs entspricht dem dritten Ton von OB. Somit folgt jetzt der
vierte Ton von OB.
82
Der letzte Referenzton ist der vierte Ton von OEs.
83
Eine Phrase besteht meist aus mehreren Zellen und ist durch den Referenzton gekennzeichnet.
84
angefangen mit dem 4.Ton (E) von OB.

41
Im folgenden werden erst Teile der Umkehrung85, dann wieder Teile der Originalreihe
verwendet, wobei der Wechsel innerhalb einer Phrase stattfindet:

3 2 1 7 10 (1) (9) 5 2 3 3

3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3

(1) und (9) sind in der letzten Reihe vertauscht, was seinen Grund wohl in der
Intervallfolge der Referenztöne seinen Ursprung hat, die so in die Zellform mit
involviert wurde.

Zellform 2 (Takt 18 – 29): "inversions with smaller cells and transposition"

Mit Zellform 2 wird die lineare Struktur der Reihenbildung abgelöst von der (ersten)
Möglichkeit der Überlagerung von Abschnitten der Reihe86. Diese Art der
Überlagerung ist auf Skizzenblatt 1 ausführlich dargestellt:

3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3 (2)

Die Intervalle – ausgedrückt durch die Anzahl der Halbtonschritte (aufwärts) –


werden nicht mehr direkt hintereinander gelesen, sondern so, wie sie nacheinander
unter den Klammern erscheinen: Die Klammern enthalten erst ein Intervall, dann
zwei, drei vier und schließlich fünf Intervalle. Die Klammern überlappen sich erst gar
nicht, dann zweimal mit einem Intervall und schließlich mit zwei Intervallen. So
passen die Klammern exakt über die elf Intervalle der Reihe.
Die Zahlenfolge der Halbtonschritte sieht dann so aus:

R1 3 – 2–1 – 1 – 7 – 10 – 10 – 9 – 1 – 5 – 1–5–2–3–3

Einige Zahlen (unterstrichen) wiederholen sich durch dieses Verfahren und erlauben
so ein neues Erschienungsbild.

Dieses Verfahren wird zwölf mal angewandt, wobei jeweils mit einem anderen Ton
der Reihe begonnen wird.

85
Die abwärts gezählten Halbtonschritte sind unterhalb der Noten notiert, während die aufwärts
gezählten Halbtonschritte oberhalb der Noten notiert sind.
86
Die zweite Möglichkeit der Überlagerung wird erstmals im Primärmaterial des 2.Teils angewandt.

42
Mit dem zweiten Ton der Reihe begonnen sieht die Zahlenfolge so aus:

2 1 7 10 9 1 5 2 3 3 2 (3)

R2 2 – 1–7 – 7 – 10 – 9 – 9–1–5–2 – 5–2–3–3–2

Für Zellform 2 wird zuerst die zwölfte Zahlenfolge verwendet, basierend auf der
Reihe, die mit dem zwölften Ton beginnt:

2 3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 (3)

Zahlenfolge: 2 – 3–2 – 2–1–7 – 7 – 10 – 9 – 1 – 9–1–5–2–3

Berücksichtigt man die Referenztöne, so erhält man die Tonhöhen der Takte 18 bis
20 (Mitte)87:

1 7

3 3 2 2 7 10 9 1 1 5 2 3

Zellform 3 (Takt 30 – 33): "begin all forms on 3rd note of original (transp.)"

Für Zellform 3 wird dasselbe Verfahren angewandt, jedoch mit der Veränderung,
dass die Klammern immer genau drei Intervalle bzw. Zahlen enthalten.

3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3 (2)

Zahlenfolge: 3 – 2 – 1 – 1 – 7 – 10 – 10 – 9 – 1 – 1–5–2 – 2–3–3

87
ohne die Zahl 9 zu Beginn der letzten Klammer.

43
Mit den durch die Referenztöne bedingten Transpositionen ergeben sich z.B. für Takt
30 bis Takt 32 die folgenden Tonhöhen:

1 5 2

3 2 1 1 7 10 10 9 1

Zellform 4 (Takt 34 – 37):

Wendet man das Verfahren von Zellform 2 auf mehrere verschiedene Reihen an, so
erhält man das Erscheinungsbild von Zellform 4:
Eine der verwendeten Reihen ist wiederum die, die mit dem ersten Ton beginnt:

3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3 (2)

Die beiden anderen verwendeten Reihen beginnen beim dritten bzw. vierten Ton88:

1 7 10 9 1 5 2 3 3 2 3 2

Die drei Zahlenreihen sehen dann so aus:

R1 3 – 2–1 – 1 – 7 – 10 – 10 – 9 – 1 – 5 – 1–5–2–3–3
R3 1 – 7 – 10 – 10 – 9 – 1 – 9–1–5–2 – 2–3–3–2–3
R4 7 – 10 – 9 – 9–1–5 – 5–2–3–3 – 3–3–2–3–2

Aus der Aneinanderreihung der fett markierten Zahlenfolgen entsteht schließlich die
Tonfolge von Takt 34 bis 37:

7 10

1 2 1 1 5 2 3 3 2 3 3 2 3

88
Ferneyhough hat auf dem Skizzenblatt die beiden Reihen genauso "platzsparend" notiert.

44
Hierbei beginnt jede Zelle mit einem Referenzton; Gruppen und Zellen stimmen also
miteinander überein.

Zellform 5 (Takt 38 – 43): "every 1st with inversion, every 2nd with ordinary"

Jetzt werden die Phrasen wieder länger, so dass sich mehrere Zellen innerhalb einer
Phrase befinden. Dabei werden in der ersten Phrase die Halbtonschritte nach unten
gezählt ("every 1st with inversion..."), in der zweiten nach oben ("every 2nd with ordinary")
u.s.w.
Die Zellen von den fünf Reihen werden miteinander kombiniert, die mit dem
sechsten, achten, neunten, zehnten und elften Ton beginnen.

Aus den Reihen ergeben sich die folgenden Zahlenfolgen:

R6 9 – 1–5 – 5–2–3 – 3–3–2– 3 – 2–3–2– 1– 7


R8 5 – 2–3 – 3–3–2 – 2–3–2– 1 – 2 – 1 – 7 – 10 – 9
R9 2 – 3–3 – 3–2–3 – 3–2–1– 7 – 1 – 7 – 10 – 9 – 1
R10 3 – 3–2 – 2–3–2 – 2 – 1 – 7 – 10 – 7 – 10 – 9 – 1 – 5
R11 3 – 3–3 – 3–2–1 – 1 – 7 – 10 – 9 – 10 – 9 – 1 – 5 – 2

In zwei Ansätzen werden sie verwendet:


Zuerst die "oberen" vier Zellen, wobei die vierte durch das Ende der Phrase
gleichsam abgebrochen wird.

2 3

3 5 2 3 2 3 2

Dann beginnt die Zahlenfolge wieder von vorne, geht aber diesmal "unten" weiter.

2 3 3 2 3 2 1 7 9

10 2 3 2 1 7

Zellform 6 (Takt 44 – 51):

Ab Takt 44 erscheint die lineare Struktur wieder. In Zellform 6 sind die Zellen noch
ganz klein, während sie zum Ende des 1.Teils hin immer länger werden.

1 7 3

3 10 9 1 5 2 2 3

45
Der Halbtonschritt 2 ist in der ersten Zelle ausgespart, wird aber in der vorletzten
nachgeliefert.

Zellform 7 (Takt 52 – 59)

In Takt 52 beginnt die Reihe, wird aber – wie in Zellform 5 – noch nicht zu Ende
geführt. Mit dem zweiten Anlauf in Takt 53 geschieht dies dann schließlich.

3 2 1 7 10 9

3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3

Insgesamt werden die Strukturen bis Zellform 5 kontinuierlich komplizierter: von der
linearen Struktur (Zellform 1) zur "räumlichen" (Zellform 2 und 3) und von dort zur
„raumübergreifenden“ (Zellform 4 und 5), um ab Zellform 6 allmählich wieder zur
linearen Struktur zurückzukehren.

Über die Auswahl der Oktavlagen schreibt Ferneyhough nichts, aber man sieht
schnell, dass Superscriptio insgesamt gesehen in größtmöglicher Höhe beginnt und
erst allmählich tiefere Regionen berührt (T.28 ff.). Bis Takt 10, dem Ende der drei
vollständigen Reihen, verlaufen alle Gruppen in sich aufwärt, ab Takt 28 verlaufen
sie fast ausnahmslos abwärts. Beide Stellen sind durch fakultative Atemzeichen
gekennzeichnet. [5.System]

Aus den Erkenntnissen der Analyse lässt sich nun – unter Berücksichtigung der
freieren Auswahl der Oktavlagen und der Richtung der Phrasen – die Rekomposition
zusammensetzen. [6.System]

46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
2.Teil – Primärmaterial – Rhythmus

Wie beim 1.Teil werden die Takte mit der entsprechenden Anzahl gleichlanger Noten
ausgefüllt. So entsteht – wiederum wie beim 1.Teil – der endgültige Rhythmus für
einen ersten Abschnitt, der von Takt 62 bis 87 geht.89 [1.System]

Takt 82 scheint durch seine enthaltenen Pausen den Übergang zu einem neuen
Abschnitt zu markieren, dieser neue Abschnitt enthält eine Reihe von Pausen, die
den Rhythmus insgesamt ungleichmäßig machen. [2.System]

Mit Takt 9090 beginnt diese Reihe einzelner, mit Hilfe einer Triole nachträglich
eingebauter Pausen91. Nach einer bestimmten Anzahl Noten wird diese Pause
eingefügt, indem die vorigen Note, die Pause (desselben Wertes) und die
nachfolgende Note als Triole zusammengefasst werden.92
Für Takt 90 sieht die triolische Einfügung einer Pause z.B. so aus: In sechs
gleichmäßige triolische 40-tel (oberes System) wird nach der vierten Note eine Pause
"gleichen" Werts eingeschoben (unteres System).

Die Anzahl der Impulse, nach denen eine Pause eingefügt wird, ist unterschiedlich,
folgt jedoch einer bestimmten Zahlenfolge93:

(3) – 2 – 1 – 7 – 1 – 9 – 8 – 1 – 6 – 5 –1–3–7–1–1

10 9 1–5 2–3

Sie lässt sich durch Zusammenfassen bzw. Teilen einzelner Werte leicht aus der
zweiten Zahlenreihe94 ableiten.
89
Die Taktangabe bezieht sich immer nur auf das im jeweiligen Kapitel besprochene Material, nicht
auf die (im Analyse-Überblick an entsprechender Stelle ausgesparten) Takte mit anderem Material.
90
möglicherweise bereits früher – z.B. in Takt 82; Takt 90 ist lediglich der sichtbar erste Takt mit
eingefügten Pausen; entsprechend ist die erste Zahl der Pausenreihe (die 4) nur dementsprechend
angenommen.
91
Das Verfahren, gemäß einer Zahlenfolge Pausen einzufügen, ist für den 3.Teil in den Skizzen durch
die Verwendung eines anderen Farbstifts für die eingefügte Pause und die dadurch verursachte Triole
dokumentiert. Für den 2.Teil lässt sich das Verfahren ableiten, da die Pausen in der Endfassung
auffällig mit einer zusätzlichen Triole verbunden sind.
92
In Takt 91 wie in Takt 103 folgen zwei Pausen aufeinander mit nur einer Note dazwischen. Hier
besteht die Triole der zweiten Pause notgedrungen aus der Pause und den zwei nachfolgenden
Noten. Takt 92 enthält nur einen Impuls, so dass die Triole zu zwei Dritteln aus der Note und zu einem
Drittel aus der Pause besteht. Möglicherweise als Folge davon besteht die direkt darauf folgende
Triole in Takt 92 umgekehrt zu einem Drittel aus der Note und zu zwei Dritteln aus der Pause.
93
Die erste Zahl ist in Klammern gesetzt, da nicht eindeutig ersichtlich ist, wo die Zählung beginnt.

60
Ab Takt 111 erscheinen keine Pausen mehr, so dass in diesem dritten Abschnitt der
gleichmäßige Rhythmus innerhalb der Takte wieder maßgebend ist.

Wie im 1.Teil lassen sich also drei Abschnitte bilden, wobei der erste und der dritte
sich ähneln, während der zweite Pausen enthält. Weder Artikulation noch Dynamik
unterstützen jedoch diese Einteilung.

2.Teil – Primärmaterial – Tonhöhen

Blatt 4a der Skizzen gibt relativ ausführlich Auskunft über die beiden Verfahren der
Konstruktion der Tonhöhen im Primärmaterial des 2.Teils. Die durch den Rhythmus
vorgegebene Einteilung in drei Abschnitte wirkt sich jedoch nur wenig auf die
Konstruktion der Tonhöhen aus. Letztere besteht aus zwei Verfahren, wobei das
erste Verfahren etwa im ersten (rhythmischen) Abschnitt angewandt wird und das
zweite Verfahren im zweiten und dritten (rhythmischen) Abschnitt.

Erstes Verfahren:

Für den ersten Abschnitt (Takt 62 bis 82) deutet Ferneyhough das Vorgehen so an:

"Three basic forms starting on E; alternating O- and I-forms."

Die abwechselnde Verwendung von Originalreihe und Umkehrung95 bestimmt also


den ersten Abschnitt. Die Reihen werden jedoch nicht vollständig verwendet,
sondern wiederum nur in kleinen Zellen. [3.System] Deren Länge wird bestimmt durch
die symmetrische Zahlenfolge96

6
5 5
4 4 usw.
3 3 3
2 2

Der letzte Ton einer Zelle ist hierbei zugleich der erste Ton der folgenden.
Der große Unterschied zur Tonhöhendisposition des 1.Teils ist der, dass keine
übergeordnete Folge von Referenztönen vorliegt, sondern die Transposition einer
Zelle sich am letzten Ton der vorhergehenden Zelle orientiert.
Die Richtung der Intervalle wird also in erster Linie durch obige Zahlenfolge
bestimmt. Eine Änderung der Richtung erfolgt jedoch auch nach jeweils 12 Tönen,
also nach Durchlaufen jeweils der gesamten Intervallreihe.

Dieses Verfahren der (relativen) Tonhöhendisposition wird von Takt 62 bis Takt 74
für 3 mal 12 Töne konsequent angewandt. [4.System] und [5.System]

Es ergeben sich folgende Tonhöhen97:

94
3 – 2 – 1 – 7 – 10 – 9 – 1 – 5 – 2 – 3 – 3.
95
"...O- and I-forms..." bedeutet "Original" und "Inversion", also Original(reihe) und Umkehrung.
96
vgl. die Länge der Zellen von Zellform 3 des 1.Teils.

61
Ab Takt 76 beeinflusst eine zweite Ebene (gestrichelte Klammern) die Änderung der
Richtung der Intervalle innerhalb der durchgezogenen Klammern.

Takt 76 beginnt hier

Während bisher das Ende einer Gruppe stets auch mit dem Wechsel der
Intervallrichtung zusammenfiel, ist dies ab Takt 81 nicht mehr der Fall: die
Zahlenreihe zur Gruppenbildung wird aufgeweicht, bis sie am Ende von Takt 82
durch eine neue Systematik ersetzt wird.

97
In derselben Art sind die Tonhöhen auf Blatt 4a der Skizzen – ohne Rhythmus und Takt – notiert.
Die Zahlen für die Halbtonschritte auf- bzw. abwärts wurden vom Verfasser ergänzt.

62
Ab Takt 81 (gestrichelte Bögen) werden die Zellen in sich gespiegelt98.
In den Skizzen sieht die Reihenfolge der Tonhöhen ab Takt 81 – zusammen mit den
gestrichelten Klammern, die die Spiegelung möglicherweise andeuten sollen – so
aus:

Bei der kompositorischen Umsetzung (unteres System) wird eine bestimmte Anzahl
von Tönen in sich gespiegelt; erst vier Töne, dann sechs. Der vorletzte Ton bleibt
unverändert; der letzte markiert bereits den Beginn des folgenden zweiten
Verfahrens.

Zweites Verfahren:

"Continuation: further application of process employed above, modified by superior transposition


according to successive pitches of above." 99

Mit Takt 84 setzt ein Verfahren ein, das eine Mischung zwischen dem des 1.Teils und
dem zu Beginn des 2.Teils darstellt:
Die Länge der Zellen [3.System] wird durch eine neue Zahlenreihe bestimmt, wobei
die ersten 14 Töne100 des 2.Teils – als Referenztöne – den Beginn der Zelle jeweils
markieren. [4.System] Die Referenztöne sind also die folgenden:

Die Zahlenreihe101 für die Länge der Zellen lautet:

4 – 10 – 11 – 7 – 10 – 9 – 11 – 4 – 10 – 11 – 7 – 10 – 9 – 11 – 7

Auffallend ist, dass sich die ersten sechs Zahlen wiederholen und dass bisher wenig
gebrauchte Zahlen wie 4 und 11 verwendet werden.
98
Begreift man die Tonhöhenordnung nicht in Form von Intervallreihen, sondern in Form von
Zwölftonreihen, so würden hier Reihenausschnitte als Krebs bzw. Krebsumkehrung vorkommen.
99
Bemerkung aus den Skizzen.
100
Sie entsprechen den Tönen von Takt 62 bis 65 (Mitte).
101
Sie ist der Skizze entnommen, die auch die dazugehörigen Tonhöhen enthält.

63
Die Töne innerhalb der Zellen102 [5.System] sind nach ähnlichen Verfahren wie im
1.Teil gebildet:

Durch den Zyklus der Zahlenfolge 3 – 2 – 1 – 7 – 10 – 9 – 1 – 5 – 2 – 3 – 3 wird die


Anzahl der Halbtonschritte definiert; die Richtung – aufwärts oder abwärts – wechselt
dabei. Ziemlich regelmäßig findet ein solcher Richtungswechsel am Ende eines
Zyklus, zwischen den vorletzten und den letzten 3 Halbtonschritten statt.

1.Zyklus beginnt Richtungs- 2.Zyklus beginnt


wechsel

Skizze

Komposition

Innerhalb der dritten Zelle wird eine Gruppe von 5 Tönen in sich gespiegelt.
(Die Tonhöhen des oberen Systems entsprechen den Notizen auf Skizzenblatt 4a,
die Töne des unteren Systems der endgültigen Tonhöhenordnung der Komposition.)
Die weiteren Zellen sind in gleicher Weise konstruiert:

Richtungs- 3.Zyklus beginnt Richtungs- 4.Zyklus beginnt


wechsel wechsel

aus fis wird es (Druckfehler ?)

102
Die Länge der Zellen entspricht hier – anders als im 1.Teil – nicht der Länge der Takte, sondern die
Taktstriche verlaufen mitten durch die Zellen. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand: Die Anzahl der
Impulse innerhalb der Takte leitet sich zwar auch aus dem 1.Teil ab, jedoch verschiebt sich die
Anordnung der Zellen durch die unterschiedlichen Verfahren.

64
5.Zyklus beginnt 6.Zyklus beginnt

d fehlt in den Skizzen

Richtungs- 7.Zyklus beginnt Richtungs- 8.Zyklus beginnt


wechsel wechsel

9.Zyklus beginnt Richtungs- 10.Zyklus beginnt Richtungs- 11.Zyklus beginnt


wechsel wechsel

Die letzte Zelle bricht nach vier Tönen ab; sie beginnt auch nicht mit dem 15.
Referenzton, obwohl dies in der Skizze noch angedeutet ist, sondern mit dem darauf
folgenden Ton der entsprechenden Zelle.

65
Die Behandlung der Tonhöhen gliedert den 2.Teil somit in zwei Abschnitte; der
allmähliche Übergang vom einen zum anderen Abschnitt findet in Takt 82 statt; hier
ist auch die Zäsur mit den langen Pause und es beginnt der Teil mit den eingefügten
Pausen.

Zur Rekomposition [7.System] – zumindest des ersten Abschnitts – fehlen noch die
Oktavlagen der Töne: Wie im 1.Teil verlaufen die melodischen Phrasen jeweils in
sich aufwärts. Sie entsprechen hier jedoch nicht der Dauer der Takte, sondern
verlaufen überlappend. Außerdem beginnen sie diesmal jeweils mit dem
tiefstmöglichen spielbaren Ton.103 Der erste Ton einer Phrase ist wiederum durch
einen Akzent hervorgehoben. [6.System]

Ab Takt 81, im Übergangsbereich vom ersten zu zweiten Abschnitt, ändert sich die
Richtung der Phrasen, so dass ab hier jeweils die Anzahl der Phrasen in derselben
Richtung als Zahlenreihe aufgeschlüsselt werden kann.104

Die Dynamik wie die Artikulation innerhalb des 2.Teils scheinen die einzige Aufgabe
zu haben, die Unterscheidung der Melodiephrasen bzw. den Wechsel zwischen
Primär- und Sekundärmaterial zu unterstützen. Rein optisch werden die melodischen
Phrasen zusätzlich durch die eigentümliche Verbindung der Querbalken der Noten
hervorgehoben.

103
Man könnte annehmen, die Länge einer Phrase folgte einer bereits benutzten Zahlenreihe. Dies
scheint nicht der Fall zu sein. Auch ist das Ende einer Phrase nicht durch den höchstmöglichen
spielbaren Ton bestimmt. So bleibt die Frage nach einem Kriterium für die Länge einer Phrase offen.
104
Ferneyhough hat dies auf Blatt 15 innerhalb der Noten der Reinschrift zwischen Takt 90 und Takt
104 mit durchnummerierten Pfeilen in entsprechender Richtung angedeutet.

66
67
68
69
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71
72
73
74
75
2.Teil – Sekundärmaterial – Rhythmus

Zum Rhythmus des Sekundärmaterials lässt sich fast nichts aus den vorhandenen
Skizzen entnehmen. Allein die Angabe der Anzahl der Noten für die ersten 15 Takte
gibt Ferneyhough an – für die letzten vier Takte gibt er sie nicht an.

Takt 60 61 66 68 69 75 83 86 88 89 93 95 96 100 101 105 106 107 112


Impulse 12 12 15 16 18 18 15 16 18 20 12 15 16 18 20

Verteilt man die Noten jeweils gleichmäßig im Takt [1.System], so erhält man – mit
Ausnahme von Takt 69 – noch nicht das endgültige Bild des Rhythmus. Pausen
scheinen nach bestimmten Abständen eingefügt, jedoch nach anderen Regeln als
beim Primärmaterial. [4.System] Ebenso scheint die ungleichmäßige Verteilung der
Noten einem zusätzlichen Gesetz zu folgen. [3.System]
Schließlich stimmt die Anzahl der Impulse aus den Skizzen (s.o.) fast nirgends mit
der Anzahl der Impulse in der Komposition überein.

Die rhythmische Anordnung des Sekundärmaterials im 2.Teil sei "arbitrary", also


absolut willkürlich.105

Zu Beginn (d.h. in Takt 60, 61 und 66) scheint die Anzahl und Unterteilung der
Impulse pro Takt jedoch bekannten Zahlenreihen – zumindest ungefähr – zu folgen,
wie Toop106 andeutet:

Die Pausen-Impulse sind hier zur besseren Unterscheidung mit x-Notenköpfen


bezeichnet.

Später (d.h. in Takt 86, 88 und 89) erinnert das zunehmend komplexere Bild des
Rhythmus an Strukturen, die Ferneyhough etwa ab den 90er Jahren mit Hilfe des
Computerprogramms "Patchwork" erzeugte. Die zugrunde liegenden Ideen beschrieb
er 1989 in seinem Aufsatz Duration and Rhythm as Compositional Resources107.

105
Aussage von Ferneyhough in einem Gespräch mit der Verfasserin 1999 in Royaumont.
106
s. Anm. 49.
107
FERNEYHOUGH, Brian: Duration and Rhythm as Compositional Resources. (1989; engl.) in:
Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers,
Amsterdam 1996, S.51-65.

76
Ohne Berücksichtigung der Oktavlagen und mit x-Notenköpfen für die Pausen-
Impulse sieht das Notenbild z.B. von Takt 89 so aus:

Die Übersetzung in mit Klammern ausgedrücktes Patchwork-Ergebnis würde sich


etwa so lesen:

rhythmische Unterteilung: 7(1( 2) 3(4(3 +4 +3)) 3(10))


mit Pausen(= negativ): 7(1(1-1)3(4(3(-1+2)4 +3(2-1)))3(10))
mit Tonwiederholungen: 7(1(1-1)3(4(3(-1+2)4(1+2+1)3(2-1)))3(5+2+1+2))

Eine konsequente Anwendung dieser Ideen bei der Komposition von Superscriptio
1981 (!) erscheint auch aufgrund der Skizzen jedoch eher unwahrscheinlich.

2.Teil – Sekundärmaterial – Tonhöhen

Für die Tonhöhendisposition stehen mehr Hinweise zur Verfügung:


Von Takt 83 bis 106 ist die Anleitung in den Skizzen zu finden. Takt 60 bis 75 lässt
sich analog rekonstruieren, nur Takt 107 und 112 scheinen abgewandelt zu sein.

Die Tonhöhen [5.System] bestehen ab jetzt aus der Kombination der Intervalle aus
zwei Reihenformen: Originalreihe und Krebs.
Sie haben nacheinander folgende Intervalle (ausgedrückt in Form der Anzahl der
Halbtonschritte, jeweils aufwärts gezählt):

Originalreihe: 3 – 2 – 1 – 7 – 10 – 9 – 1 – 5 – 2 – 3 – 3
Krebs: 3 – 3 – 2 – 5 – 1 – 9 – 10 – 7 – 1 – 2 – 3

Die Zahlen der Intervalle werden nun abwechselnd aus Originalreihe und Krebs
verwendet...

O 3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3
K 3 3 2 5 1 9 10 7 1 2 3

..., wobei die Halbtonschritte abwechselnd aufwärts und abwärts gezählt werden.

Um nicht nur eine Kombination aus beiden Reihen zu erhalten, wird der Beginn des
Krebses variiert.
Damit sehen die Anordnungen im einzelnen so aus:

77
1.Anordnung: Takt 60 bis 75 – Beginn des Krebses an zweiter Stelle

O 3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3
K 3 3 2 5 1 9 10 7 1 2 3

Der letzte Ton von Takt 75 (h) zählt bereits zur Anordnung von Takt 83 bis 89.
Der eine Halbton aufwärts zu Beginn ist zusätzlich eingefügt.

2.Anordnung: Takt 83 bis 89 Beginn des Krebses an dritter Stelle

O 3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3
K 3 3 2 5 1 9 10 7 1 2 3

Der erste Ton von Takt 93 (b) zählt noch zur Anordnung von Takt 83 bis 89.
Die 3 Halbtonschritte abwärts in Klammer sind zusätzlich eingefügt. Die Richtung der
5 Halbtonschritte der Originalreihe ist – wohl versehentlich – abwärts statt aufwärts.

3.Anordnung: Takt 93 bis 96 – Beginn des Krebses an vierter Stelle

O 3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3
K 3 3 2 5 1 9 10 7 1 2 3

78
Die 7 Halbtonschritte der Originalreihe kommen doppelt vor, erst aufwärts, dann
abwärts. Die Richtung ist dadurch an zwei Stellen etwas durcheinander. Die
"Korrektur" erfolgt offenbar in einem weiteren "Versuch" in Takt 100 bis 101.

4.Anordnung: Takt 100 bis 101 – Beginn des Krebses ebenfalls an vierter Stelle

O 3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3
K 3 3 2 5 1 9 10 7 1 2 3

Die 2 und die 7 Halbtonschritte des Krebses fehlen.

5.Anordnung: Takt 105 bis 106 – Beginn des Krebses an fünfter Stelle

O 3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3
K 3 3 2 5 1 9 10 7 1 2 3

Die 2 Halbtonschritte (statt 3) zu Beginn sind wohl buchstäblich ein Ver-Sehen. Im


Krebs fehlt der eine Halbtonschritt; zum Schluss ist die Richtung des anderen
Halbtonschritts umgekehrt.

Die Tonhöhen der Takte 107 und 112 scheinen keiner der bisherigen Anordnungen
zu entsprechen. Ihre Abfolge lautet:

79
Insgesamt auffällig sind in der Endfassung einiger Takte eine gewisse Symmetrie, so
z.B. in Takt 68/69 die Tonfolge b – g – c – d – c – g – b.

Nicht eindeutig ersichtlich ist, woraus sich die Anzahl der Tonwiederholungen
herleiten könnte. [6.System] Berücksichtigt man die "Impulse" der Pausen mit, so
entsteht folgende Zahlenreihe:

3 – 5 – 4 – 5 – 1 – 4 – 3 – 2 – 1 – 3 – 5 – 4 – 1 – 4 u.s.w.108

Rekomponieren [7.System] lässt sich dieser Teil nicht in eindeutiger Weise.

Ort und Länge der Sekundär-Bereiche wurde durch die Taktdisposition eindeutig
festgelegt. Hörbar ist der Wechsel zwischen Primär- und Sekundär-Bereichen zu
Beginn des 2.Teils sehr deutlich, da letztere stets "staccato possibile" gespielt
werden und bis Takt 86 auch konstant "sempre ffff" erklingen. Nach und nach
verwischt sich der dynamische Unterschied, bis in Takt 108 das Primärmaterial
im dreifachen forte und staccato vorgetragen wird, während vier Takte später das
Sekundärmaterial im drei- bis fünffachen pianissimo erscheint. Allerdings bleibt dem
Sekundärmaterial durch seine Tonwiederholungen und Pausen eine gewisse Statik
haften.

108
Sie wurde bereits bei der rhythmischen Organisation von Takt 60/61angesprochen. Diese
Zahlenreihe ähnelt sowohl der 1.Teilreihe (5 – 3 – 4 – 5 – 4 – 2 – 4 – 1 – 2 – 5) als auch der bisher
nicht genannten Reihe der rhythmischen Unterteilungen innerhalb der Takte 19 bis 24:
(3 – 2 – 4 – 3 – 5 – 4 – 5 – 4 – 1 – 4 – 2 – 3 – 1... ). Auf die diesbezügliche Anfrage der Verfasserin
antwortete der Komponist (Royaumont, 1999), dass das Sekundärmaterial weniger konsequent
organisiert sei als das Hauptmaterial.

80
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3.Teil – Rhythmus

Im 3.Teil sind die Vorzeichen für eine eindeutige Rekomposition günstig – sieht man
einmal von der scheinbar willkürlichen Dynamik und der Artikulation ab. Neu dazu
kommen hier Triller, die möglicherweise die Aufgabe haben, den auffallend locker
gebauten, mit Pausen durchsetzten 3.Teil allmählich wieder zu verdichten im Hinblick
auf den sehr dichten Schlussteil.

Wiederum sei mit der Auffüllung der Takte mit gleichlangen Notenwerten begonnen.
[1.System] Als nächster Schritt folgt die Einfügung von Pausen, wie beim
Primärmaterial des 2.Teils.109 [2.System] Die bestimmende Zahlenfolge ist bereits aus
dem 1.Teil bekannt:

5–3–4–5–4–2–4–1–2–5–3–2–7–2–2–5–6–3–4

Der dritte Schritt – der zum endgültigen Erscheinungsbild des Rhythmus führt –
erfolgt durch die Zuordnung bestimmter Tonhöhen zu den verbleibenden Noten.110
Wird einer Note keine Tonhöhe zugeordnet, so wird sie zur Pause entsprechenden
Wertes. Aufeinanderfolgende Pausen werden zu entsprechend längeren
zusammengefasst. Fällt eine Pause zwischen die letzte Note eines Taktes und die
erste des nächsten Taktes, so wird die Note vor der Pause auf ein Drittel des
ursprünglichen Wertes verkürzt, dann folgt die ebenso lange Pause. Das letzte Drittel
wird durch Vorziehen der folgenden Note um den entsprechenden Wert ausgefüllt.
Dies ist in den Takten 128/129, 131/132 und 136/137 der Fall.
In Takt 132 kommt noch eine weitere Änderung dazu: Statt der fünften punktierten
32-tel erscheint eine 64-tel Note und eine ebenso lange Pause.

3.Teil – Tonhöhen

Während im Sekundärmaterial des 2.Teils zwei Reihen miteinander kombiniert


wurden, so sind es jetzt drei Reihen. Besser müsste man sage, es werden drei
Niveaus miteinander kombiniert, wobei die Töne jedes einzelnen Niveaus für sich
gesehen in Form einer oder mehrerer Reihen erscheinen.
Die Tonhöhen-Niveaus des 3.Teils entsprechen etwa den drei Oktaven der
Piccoloflöte.

tiefes Niveau mittleres Niveau hohes Niveau

109
Das Verfahren, gemäß einer Zahlenfolge Pausen einzufügen, ist – wie bereits erwähnt – für den
3.Teil in den Skizzen durch die Verwendung eines anderen Farbstifts für die eingefügte Pause und die
dadurch verursachte Triole dokumentiert. Die Zahlenreihe für die Pausen ist extra als "Rest-series"
hervorgehoben.
110
Wie die Zuordnung erfolgt, wird im nachfolgenden Abschnitt "Tonhöhen" beschrieben.

90
Das hohe Niveau [3.System] besteht aus den Tönen von UE:

Die Töne des mittleren Niveaus [4.System] stammen aus OB und UDes.

OB:1

Das tiefe Niveau [System 5] besteht aus besteht aus Tönen von KDes.

Für die Zuordnung der Tonhöhen eines Niveaus zu den vorhandenen Notenwerten
verwendet Ferneyhough "Rhythm filterings"111:

low 3 – 3 – 2 – 8 – 10 – 10 – 4 – 5 – 6 – 5
middle 5 – 3 – 4 – 5 – 4 – 2 – 4 – 1 – 2 – 5 – 3 – 2 – 1
high 7 – 10 – 10 – 5 – 8 – 5 – 16 – 9 – 1 – 6 – 3

Die Zahlen des Filters entsprechen denen der drei Teilreihen der Impulse pro Takt,
wenn man beim mittleren Niveau beginnt und beim hohen weiterzählt und beim tiefen
aufhört.

Für die Anwendung des Filters gilt: Die Zahl gibt jeweils an, der wievielte Impuls
durch einen Ton ersetzt werden soll. So erhält – liest man die oberste Zeile – der
3.Impuls den ersten Ton (des) des tiefen Niveaus; nach weiteren 3 Impulsen wird der
zweite Ton (b) des tiefen Niveaus zugeordnet, nach weiteren 2 Impulsen der dritte
Ton (g) usw. [5.System]

111
In den Skizzen zum 5.Teil nennt er die entsprechende Tabelle so.

91
Auf dieselbe Weise erfolgt die Zuordnung auf den beiden anderen Niveaus. [3.System]
und [4.System]

Wurde eine Zahlenreihe durchlaufen und es sind noch Tonhöhen "übrig", so beginnt
sie von neuem. Fallen zwei oder drei Tonhöhen auf denselben Notenwert, so wird
dies durch Vorhaltsbildungen kompensiert. Dabei wechselt die Richtung der Vorhalte
(aufwärts oder abwärts) scheinbar willkürlich.

[6.System] zeigt, wie der Rhythmus dieses Teils durch die Zuordnung (und Nicht-
Zuordnung) von Tonhöhen zu den Impulsen entsteht.

Für die (automatisierte) Rekomposition [7.System] sind fast alle Informationen – mit
Ausnahme von Artikulation und Dynamik – gegeben. Beim Vergleich der
Rekomposition mit dem Original fällt jedoch die Aufgabe der Dynamik (nicht nur) in
diesem Teil auf: Es werden durch sie melodische Phrasen – unabhängig von deren
Entstehung – zusammengefasst; diese können auch über den Taktstrich hinaus
gehen. Das ist z.B. in den Takten 119/120 der Fall, wo auch durch das Notenbild
darauf hingewiesen wird.

92
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97
4.Teil – allgemeine Anmerkung zur Konzeption
"Verknüpfung von kurzen Gruppen wie oben112 mit extrem schnellen Gruppen im tiefsten Register, die
sich mit lang-gehaltenen (gefilterten) Noten im mittleren Register abwechseln. Das tiefe Register
besteht aus Hauptmaterial, das jedoch bezüglich der Richtung neu geordnet ist. Schnellere Noten
wurden durch längere Pausen ausgeglichen. Sekundärmaterial füllt allmählich die Pausen mit langen
Noten. Vorschlagsnoten werden dichter, schnelle Passagen [...]. Im Schlussteil verwandelt sich das
Sekundärmaterial in mehr oder weniger kontinuierlichen linearen Fluss, interpunktiert durch
Fluktuation der Vorschlagsnoten." 113

Die "lang-gehaltenen (gefilterten) Noten" sind im Kontext deutlich hervorgehoben: als


Liegetöne, subito ppp, non vibrato. In Takt 158/159 vermittelt ein solcher Liegeton
sogar zwischen Primär- (Takt 158) und Sekundärmaterial (Takt 159).

Vorschlagsnoten fehlen im Primärmaterial des 4.Teils vollkommen. Im


Sekundärmaterial werden sie eingeführt, und im 5.Teil schließlich kommen fast
ebenso viele Vorschlagsnoten wie "normale" Noten vor.

Insgesamt bestimmen mehrere Unterscheidungsebenen die Struktur des 4.Teils:

1.Ebene: Primärmaterial – Sekundärmaterial

2.Ebene: Gruppen – Liegetöne

3.Ebene: Töne – Pausen

4.Ebene: Tonwiederholungen – keine Tonwiederholungen

Auf der ersten Ebene ist der 4.Teil in Takte mit Primärmaterial und Takte mit
Sekundärmaterial gegliedert.

Auf der zweiten Ebene ist das Primärmaterial – jetzt unabhängig vom Taktstrich –
unterteilt in Gruppen und Liegetöne. (Das Sekundärmaterial ist direkt aus dem 3.Teil
abgeleitet und daher in sich nicht weiter unterteilt.)

Die Gruppen – dritte Ebene – bestehen aus Tönen und Pausen und auf der vierten
Ebene können die Töne wiederum Tonwiederholungen enthalten oder auch nicht.

112
"kurze Gruppen wie oben" meint wohl Takte des 3.Teils.
113
"Interlocking of [groups] as above (short) with extremely rapid groups in lowest register alternating
with long-held (filtered) notes in middle register. Lowest reg. [music] based on intervals of [main]
material, but reordered as to direction. Faster notes [compensated] for by longer rests. Secondary
materials gradually fill out [then] rests with long notes: grace notes become denser, rapid passages
become [s…ser]. Final section secondary materials turned into more or less continuous linear flow
with [fluctuation] of grace notes for interpunctuation." - Anmerkung Ferneyhoughs auf Skizzenblatt 14b
aus der Mappe von Superscriptio.

98
Zwei Verfahren zur Tonhöhenordnung bestimmen den 4.Teil:114

Im ersten Abschnitt (Takt 139 bis 168) ist das Verfahren angelehnt an das im 1.Teil:
Die Halbtonschritte werden nach der ersten Teilreihe aufwärts oder abwärts gezählt.

Im zweiten Abschnitt (Takt 168 bis 198) wird ein neues Verfahren angewandt, das
von der Idee her im 2.Teil und im 3.Teil bereits vorkam, im 5.Teil jedoch noch
erweitert wird: Mehrere Reihen werden miteinander kombiniert.

Das Verfahren wechselt in der Mitte von Takt 168. An dieser Stelle ist die Zäsur nicht
durch eine Pause erfahrbar. Auch fällt sie nicht mit einem Liegeton zusammen.
Einzig die beginnende ungleichmäßige Verteilung der Impulse innerhalb des Taktes
unterstützt den Wechsel des Verfahrens.

4.Teil – Primärmaterial – Rhythmus

Für die rhythmische Disposition des 4.Teils115 liegt die bislang ausführlichste
Darstellung innerhalb der Skizzen vor, und zwar zusammengefasst mit dem 5.Teil:
Zum einen existiert eine Tabelle mit den Taktunterteilungen116 und der jeweils
zugehörigen Anzahl der Impulse pro Takt. Zum anderen sind in der Fortsetzung die
Takte – sowohl mit den durch die Impulse erzeugten gleichmäßigen Notenwerten als
auch mit den durch Pausen und Gruppierungen beeinflussten – innerhalb eines
Notensystems117 notiert. Ebenso ist die Lokalisation der Sekundärmaterial-Einschübe
gekennzeichnet. Wahrscheinlich zu letzterer Skizze bemerkt Ferneyhough:

"Eine Gesamtform in diesem Sinne gibt es nicht: Ich könnte mir vorstellen, auf andere Weise weiter zu
machen. Ausschlaggebend war, was ich empfand, als ich bei den drei letzten Seiten angekommen
war: Ich entschied damals, dass ich nicht länger in dieser Art weitermachen wollte, weil ich das
provisorische Potential an Techniken und an Material verbraucht hatte, das mir zur Verfügung stand.
Das ist es, worüber ich mir damals eine kurze Übersicht machte." 118

Der Rhythmus ergibt sich wie in den vorausgegangenen Teilen zuallererst aus der
Auffüllung der Takte mit jeweils einer bestimmten Anzahl (gleichmäßiger) Impulse119
[1.System].

Mit Takt 168 – dem Anfang des zweiten Abschnitts – beginnt die Verteilung der
Impulse innerhalb der Takte ungleichmäßig zu werden [2.System], nicht in jedem Takt,
aber in 7 von 16 Takten.

Dies kann durch Veränderung der X-tolen geschehen, wie in

114
Die Behandlung der Tonhöhen des Sekundärmaterials wird an späterer Stelle behandelt.
115
ohne die mit Sekundärmaterial gefüllten Takte.
116
noch ohne Takt 146.
117
Hier ist Takt 146 mit Farbstift evtl. nachträglich eingefügt; mit demselben Stift ist die
übergebundene Note im Takt davor (Takt 144) eingezeichnet. Möglicherweise existiert hier ein
Zusammenhang.
118
"The overall form is, in a sense, non-existant: I could imagine going on and doing other things. It
was a matter of what I felt at that time, having arrived at the last three pages: I decided then that I
didn't want to pursue this topic any further, because I had exhausted the momentary potential, as I
saw it, of the particular techniques and materials at my disposal. [C'est ce don’t je me suis aperçu
alors.]" – s. Anm. 44. S.92 bzw. S.6. (Der letzte Satz fehlt in der englischen Version des Interviews.)
119
vgl. Tabelle zu "Anzahl der Impulse pro Takt".

99
Takt 184 ... ... oder in Takt 190.

Ende des Liegetons Anfang der Tonwiederholung

Hierbei unterstützt die "Unregelmäßigkeit" oft musikalische Elemente wie Anfang und
Ende eines Liegetons oder einer Tonwiederholung.

Oder die zusätzliche Veränderung der Notenwerte macht die Impulse ungleichmäßig,

wie in Takt 169 ... ... oder in Takt 180 ...

Ende der Tonwiederholung reihenbedingte Tonwiederholung

... oder in Takt 191.

reihenbedingte Tonwiederholung

Bisweilen wird dadurch sogar die Anzahl der Impulse pro Takt um einen erhöht,

100
wie in Takt 168 (11 statt 10 Impulse) ... oder in Takt 174 (19 statt 18 Impulse).

Anfang und Ende der Tonwiederholung Anfang und Ende der Tonwiederholung

Die weitere Konstruktion des Rhythmus [3.System] ist durch eine Reihe von Zahlen
mit Klammern angedeutet. Ferneyhough bezeichnet sie als "rest-series", also
Pausen-Reihe. Sie gibt an, wie viele Impulse zu Tönen werden und wie viele zu
Pausen zusammengefasst werden:

Den Anfang kennen wir bereits aus der ersten Teilreihe.120 Die Fortsetzung beginnt
wie die zweite Teilreihe.121

Dazu kommt eine Kurzanleitung zur genaueren Konstruktion:

"4.Teil: 1.Durchgang: Verdopple alle Werte – verwende einmal die Reihe in Takt-Dichte-Definition,
dann nimm komplementäre Nummern für alle Impulse unter 5 (um eine höhere Dichte zu erreichen).
3.Durchgang: addiere benachbarte Werte, wobei der erste Wert verdoppelt wird." 122

Mit Hilfe dieser Anleitung lassen sich aus der Zahlenreihe folgende Werte für die 3
Durchgänge herleiten123. Die hier angegebenen Werte sind von der fertigen
Komposition abgezählt.

Reihe 5 3 4 5 4 2 4 1 2 2 3 2 1 7 2 4
1.Durchgang 10 3 8 5 8 2 8 1 4 2 6 2 2 2 13 4 5

Für den ersten Durchgang werden die einfache Anzahl Impulse für die Pausen
verwendet, die doppelte Anzahl Impulse für die Töne.

120
5 – 3 – 4 – 5 – 4 – 2 – 4 – 1 – 2 – 5, jedoch steht statt der 5 am Schluss hier 2 – 3.
121
3 – 2 – 1 – 7 – 10 – 9 – 1 – 5 – 2 – 3 – 3, wobei die 10 durch 2 – 4 ersetzt ist und die Reihe dann
abbricht.
122
"prt.4: 1st time: double all values – take row once through in bar density definition, then take
complementary numbers for all digits under 5 (for higher density). 3rd time through: add neighbouring
digits with 1st digit doubled." – Anmerkung auf Skizzenblatt 5a aus der Mappe von Superscriptio.
123
Werte, die in Töne umgesetzt werden, sind jeweils grau schattiert. Eingeschobene Liegetöne sind
durch einen Doppelstrich angedeutet.

101
Reihe 5 3 4 5 4 2 4 1 2 2 3 2 1 7 2 4
2.Durchgang 10 4 6 7 10 4 4 2 2 10 3 12 1 14 16 7

Der zweite Durchgang hat insofern Ähnlichkeit mit dem ersten, als das Prinzip, die
Anzahl der Impulse für die Töne zu verdoppeln, erhalten bleibt. Dies ist jedoch erst
dann ersichtlich, wenn man die ersten Zahlen paarweise vertauscht124.

„neue“ Reihe 5 4 3 4 5 2 4 1 2 5 3 6 1 7 8 4
2.Durchgang 10 4 6 7 10 4 4 2 2 10 3 12 1 14 16 7

Gegen Ende wird die 2 nicht nur verdoppelt, sondern jeweils durch eine
"komplementäre" Zahl ersetzt: 5, 6 und 8125.

Für den dritten Durchgang werden die Klammern der "rest-series" verwendet:
Werden laut Anweisung benachbarte Zahlen addiert, wobei der erste Wert verdoppelt
wird, so ergeben sich folgende Zahlen:

5+5+3=13 3+3+4=10 4+4+5=13 5+5+4=14 4+4+2=10 2+2+4=8


4+4+1=9 1+1+2=4 2+2+2=6 2+2+3=7 3+3+2=8 2+2+1=5
1+1+7=9 7+7+2=16 2+2+4=8

Reihe 5 3 4 5 4 2 4 1 2 2 3 2 1 7 2 4
3.Durchgang 12 3 14 5 9 13 3 14 14 5 10 4 8 2 9 1

Einige der Ergebnisse lassen sich im 3. Durchgang wieder erkennen.126 Offenbar gilt
die Rechnung – wie vorher – nur für Ton-Impulse. Allerdings stimmt der Ort nicht so
überein wie in den ersten beiden Durchgängen.

Die Länge der sieben Liegetöne folgt möglicherweise auch einer bestimmten
Zahlenfolge. Die Anzahl ihrer Impulse ist:

5 – 7 – 6 – 5 – 21 – 18 – 20

Bei der Platzierung der Liegetöne lassen sich die Zahlen gut in ein Schema ordnen:
Die Folge einer bestimmten Anzahl von Tönen bezeichnet Ferneyhough hier als
Gruppe. Sie wird abgegrenzt durch Pausen oder Liegetöne. Nach einer bestimmten
Zahl von Gruppen folgt ein Liegeton:

10 3 8 5 8 2 8 1 4 2 6 2 2 2 13

5 Gruppen 3 Gruppen

Liegeton Liegeton
124
Dass aus der 4 dennoch eine 7 wird, liegt daran, dass der entsprechende Takt tatsächlich 20
anstatt wie vorgesehen 10 Impulse enthält.
125
Wiederum wird aus der 4 eine 7; diesmal wohl absichtlich: die 7 steht als Zahl in der Skizze.
126
Diese sind fett gedruckt.

102
4 5 10 4 6 7 10 4 4 2 2 10 3 12 1 14

4 Gruppen 5 Gruppen

Liegeton Liegeton

16 7 12 3 14 5 9 13 3 14 14 5 10 4 8 2 9 1

4 Gruppen 2 Gruppen 4 Gruppen

Liegeton Liegeton Liegeton

Die Anzahl der Gruppen, nach denen ein Liegeton eingeschoben ist, hat die Folge

5–3–4–5–4–2–4

also den Anfang der Reihe der "rest-series" bzw. der zweiten Teilreihe.

4.Teil – Primärmaterial – Tonhöhen

Liegetöne

Die "gefilterten" Tonhöhen der Liegetöne sind die folgenden:

Diese Tonhöhenfolge enthält wiederum als Anzahl der Halbtonschritte die Zahlen der
ersten Teilreihe: 3 – 2 – 1 – 7 – 10 – 9
Bezüglich der Oktavlagen besteht eine Tendenz vom mittleren zum hohen Register.

103
Tonhöhen des 1.Abschnitts

Den weiteren Tonhöhen des ersten Abschnitts (Takt 139 bis Takt 168) lassen sich in
Intervallreihen aufteilen127, die – bzgl. der Anzahl der Halbtonschritte – aus der
zweiten Teilreihe128 hervorgehen. Dabei wechselt die Richtung der Intervalle
scheinbar willkürlich. [7.System]

Von Takt 139 bis Takt 142 sieht die Einteilung in Intervallreihen so aus:

1.Intervallreihe 2.Intervallreihe

Bei der zweiten Intervallreihe folgen auf den Ton gis sieben Halbtonschritte aufwärts
(=dis) statt „der Reihe nach“ neun (=f)129.
Von Takt 142 bis Takt 153 sieht die Einteilung so aus:

3.Intervallreihe 4.Intervallreihe

Die ersten beiden Töne (e und g) der dritten Intervallreihe sind von der vorherigen
Reihe übernommen, so dass die Reihen auf diese Weise miteinander verklammert
sind. Dieselbe Verklammerung findet auch mit der vierten Intervallreihe statt durch
die Schluss- bzw. Anfangstöne a und fis. In der dritten Intervallreihe folgt auf das a
außerdem ein Ganztonschritt aufwärts (=h) statt eines Halbtonschritts.

Von Takt 153 bis Takt 160 sieht die Einteilung so aus:

5.Intervallreihe 6.Intervallreihe

Die 5. und 6.Intervallreihe sind nicht durch ein Intervall, sondern durch einen
gemeinsamen Ton (e) miteinander verkettet, der in der fertigen Komposition als
"nicht-künstliche" Tonwiederholung erscheint. Die 6.Intervallreihe enthält nach dem
Ton es elf Halbtöne aufwärts (=d) statt der zu erwartenden neun.

Von Takt 160 bis Takt 162 sieht die Einteilung so aus:

127
Die Folge der Tonhöhen ab Takt 146 steht – ohne Oktavlage und Rhythmus – auf Skizzenblatt 9
aus der Mappe von Superscriptio.
128
Die Teilreihe lautet 3 – 2 – 1 – 7 – 10 – 9 –1 – 5 – 2 – 3 – 3.
129
bzw. 5 Halbtonschritte abwärts statt 9 (=h).

104
7.Intervallreihe 8.Intervallreihe

In der 8.Intervallreihe sind zwei Unregelmäßigkeiten: Nach dem Ton f folgen 8


Halbtonschritte aufwärts (=cis) statt 9, und die 5 Halbtonschritte nach dem zweiten c
fehlen ganz.
Der durchgestrichene Ton f steht nur auf dem Skizzenblatt, wird jedoch nicht in die
Komposition übernommen, ebenso die darauf folgenden Töne cis, ais und c.

Von Takt 162 bis Takt 168 ist eine Einteilung aufgrund der bisher benutzten
Intervallreihe nicht offensichtlich. Auch geben die Skizzen keine Auskunft über einen
möglichen Bauplan. Wahrscheinlich handelt es sich ab hier um einen eher lockeren
Übergang zum neuen Verfahren.

Jeweils von hinten nach vorne gelesen erscheinen aber zumindest einzelne Abfolgen
der Intervallreihe:

5 – 2 – 3 – 3 und 1 – 7 – 10 – 9 und 2 – 1 – 7 – 10 und 2 – 3 – 3

Die Festlegung der extremen Lagen bei den letzten sechs Tönen bereits auf dem
Skizzenblatt lässt eine etwas freiere – möglicherweise erst später hinzugefügte
Konstruktion eines Übergangs zum 2.Abschnnitt vermuten.

Bezüglich der Oktavlagen lässt sich festhalten, dass die Töne erst ausschließlich in
tiefer Lage vorkommen. Wie bei den Liegetönen dehnt sich das Register allmählich
nach oben aus.

Auf jeden Fall ganz bewusst sind die Tonwiederholungen organisiert und lokalisiert.

Für den ersten Abschnitt lassen sich die Tonhöhen so einteilen:

8 14 10
5 2

7 12 8
7 3 2

105
5 3 10 10
3 5 2 2 2

6 10 5 3 3 5
4 2 5 2 4 4

Insgesamt haben die Tonwiederholungen also ihren Ursprung in zwei weiteren


Zahlenreihen130:

5–3–7–3–2–3–5–2–2–2–4–2–5–2–4–4

für die Anzahl der wiederholten Töne und


8 – 14 – 10 – 7 – 12 – 8 – 5 – 3 – 10 – 10 – 6 – 10 – 5 – 3 – 3 – 5 –

für deren Lokalisierung131.

Die Ebene der Tonwiederholungen verbindet – durch die offensichtliche


Gemeinsamkeit des Verfahrens – den ersten mit dem zweiten Abschnitt.

Tonhöhen des 2.Abschnitts

Die Organisation der Tonhöhen des zweiten Abschnitts (ab Takt 168) ist in den
Skizzen ganz ausführlich dokumentiert: Es werden – ähnlich wie im 3.Teil – drei
Intervallreihen miteinander kombiniert. Diesmal liegt der Auswahl der Töne jedoch
keine Zahlenreihe zu Grunde, sondern es wird nacheinander jeweils ein Ton von
jeder Reihe genommen. Da die Richtung der Intervalle die ganze Zeit über nicht
wechselt, ist eine übersichtliche Darstellung mit Hilfe der Tonhöhenreihen möglich:

Die Kombination der drei Reihen [4.System], [5.System] und [6.System] von Takt 168 bis
Takt 184 sieht so aus:

OB 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

KG 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
132
OAs 7 8 9 10 11 12 * KA 7 8 9 10 11 12

Die unterste "Reihen" besteht aus zwei unvollständigen Reihen: jeweils der zweiten
Hälfte der Originalreihe von As und des Krebses von A aus, miteinander verbunden

130
Sie sind für den 2. Abschnitt auf Skizzenblatt 14 in der Zusammenfassung der Tonhöhen mit
eingezeichnet. Für den 1. Abschnitt lassen sie sich anhand der Komposition eindeutig herleiten.
131
Das heißt, dass die Tonwiederholung nach der angegebenen Zahl von Tönen folgt.
132
Das Sternchen in der Tabelle bezeichnet eine einzelne Note, die keiner der beiden Reihen sinnvoll
zugeordnet werden konnte.

106
durch einen Ton (hier a), der keiner der beiden Reihen zuzuordnen ist. Dieser Ton
lässt sich auch als Spiegelachse verstehen, von dem aus die Originalreihe von H aus
zurück geführt wird.

OB 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

OA 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

OAs 7 8 9 10 11 12 * OH 6 5 4 3 2 1

Man könnte sagen, die oberste Reihe geht von vorne nach hinten, die mittlere von
hinten nach vorne133 und die unterste besteht je zur Hälfte aus beiden Richtungen.

Mit den Tönen der entsprechenden Reihen ...

... kommt dann folgende zusammengesetzte Tonfolge zustande:

133
Das wäre die Originalreihe von a, rückwärts gelesen.

107
Sie entspricht genau den Tönen von Takt 168 bis Takt 184.

Takt 184 bis Takt 198 sind nach dem gleichen Muster gebaut:

ODes 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
OFis 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
OA 7 8 9 10 11 12 * OC 6 5 4 3 2

Die oberste Reihe ist nun eine kleine Terz höher, die mittlere eine kleine Terz tiefer.
Die unterste Reihe ist eine kleine Sekund tiefer.

Wiederum mit den Tönen der entsprechenden Reihen …

... entsteht nun diese zusammengesetzte Tonfolge:

108
Der letzte Ton von ODes und der erste Ton von OC fehlen in der Komposition134,
wohl aufgrund der rhythmischen Gegebenheiten.

Bezüglich der Oktavlagen135 lassen sich innerhalb der zusammengesetzten Tonfolge


keine verschiedenen Ebenen unterscheiden – wie dies im 3.Teil der Fall ist136.Die
Oktavlagen scheinen daher eher willkürlich zusammengesetzt zu sein, da auch eine
einheitliche Richtung innerhalb der Gruppen – wie im 1.Teil – nicht nachweisbar ist.
Die Anordnung der Tonwiederholungen verläuft im zweiten Abschnitt analog zum
ersten. Die Zahlenreihen werden weitergeführt:

10 9 7 10
5 2 7

8 7 9 9
3 1 2 2 5

Die Fortsetzung der Zahlenreihen im 2.Abschnitt lautet also:

5–2–7–3–1–2–3–5

für die Anzahl der wiederholten Töne und

10 – 9 – 7 – 10 – 8 – 7 – 9 – 9

für deren Lokalisierung.

Es gibt natürlich im 2. Abschnitt auch Tonwiederholungen, die sich aus der Abfolge
der Tonhöhen gemäß der Reihenkonstruktion ganz zufällig ergeben. Sie werden mit
Hilfe von Artikulation und Dynamik von den explizit konstruierten Tonwiederholungen
unterschieden.

Die Rekomposition [8.System] zeigt die Zusammensetzung der Ergebnisse – noch


ohne die Takte des Sekundärmaterials.

134
vgl. auch obige Tabelle der Anordnungen.
135
Bei der Darstellung der zusammengesetzten Tonfolge sind die späteren Oktavlagen bereits
berücksichtigt.
136
...und im 5.Teil wieder der Fall ist.

109
110
111
112
113
114
115
116
117
118
119
120
121
122
4.Teil – Sekundärmaterial – Rhythmus

Der Rhythmus der 20 Takte Sekundärmaterial des 4.Teils ist eng verwandt mit dem
Material des 3.Teils. Teilweise gut ersichtlich ist die übereinstimmende Anzahl der
Impulse pro Takt.
In den Skizzen leitet Ferneyhough den Rhythmus die Takte dieses Teils direkt aus
den entsprechenden Takten des 3.Teils ab; Takt für Takt.

Deutlich erkennbar auf dem Skizzenblatt ist – wie bereits erwähnt – auch die
Gruppierung der Takte dieses Teils:

3 mal 1 Takt
1 mal 2 Takte
2 mal 3 Takte 20 Takte, in immer längeren Abschnitten gruppiert
1 mal 4 Takte
1 mal 5 Takte

Um nun vom Rhythmus des 3.Teils [1.System] zum Rhythmus dieses Teils zu
gelangen, wendet Ferneyhough das Verfahren der Umwandlung des Rhythmus
eines Taktes in seinen "negativen" Rhythmus an:

Wo im 3.Teil Pausen waren, stehen jetzt Noten mit gleichem Wert und umgekehrt
[2.System]; zusätzlich wird der "negative" Takt jeweils von hinten nach vorne gelesen
[3.System].

Damit sich der so entstandene Rhythmus in den entsprechenden Takt des 4.Teils
einfügen lässt, muss er noch der neuen Taktlänge angepasst werden.137 [4.System]

Im Unterschied zum 3.Teil ("tranquillo") ist der 4.Teil ("piu agitato") dichter gearbeitet
und enthält weniger Pausen. Um dies zu erreichen werden manche neu
entstandenen Pausen durch länger ausgehaltene vorhergehende Töne verdeckt.138
Dazu kommen Vorschlagsnoten und Triller, die scheinbar an beliebigen Stellen
hinzugefügt wurden.

4.Teil – Sekundärmaterial – Tonhöhen

Leider finden sich keine Anhaltspunkte für die Bestimmung der Tonhöhen in diesem
Teil.139 [5.System]
Dass verschiedene Niveaus ähnlich wie im 3.Teil verwendet werden, scheint eher
unwahrscheinlich, da die Register nicht so abrupt wechseln und da hier erstmals

137
So entstehen zwangsläufig auch andere Notenwerte, die die Herkunft der neuen Takte vertuschen.
Allerdings weist die Unterteilung innerhalb der Takte – z.B. 7:6 sowohl in Takt 119 als auch in Takt
145 – auf eine gewisse Verwandtschaft hin.
138
z.B. in der Mitte von Takt 152. In Takt 153 wird sogar der Liegeton aus dem Primärmaterial
übergebunden, wodurch die Pause zu Beginn des Taktes verschwindet.
139
Die Zuordnung der Tonhöhen zu den Notenwerten ist quasi als Reinschrift der Takte dieses Teils
notiert, ohne Hinweise auf die Entstehung.

123
Vierteltöne in Erscheinung treten.140 Möglicherweise werden Vierteltonreihen
verwendet oder sogar Kombinationen davon.

Zur Integrierung der Sekundärmaterial-Takte in das Primärmaterial lässt sich


annehmen, dass deren Platzierung (oben in der Tabelle) mit der der Liegetöne des
Primärmaterials (unten in der Tabelle) zusammenhängen könnte:

1Takt 1Takt 1Takt 2 Takte


145 152 159 165-166
143-144 150-151 158-159 163
5 Impulse 9 Impulse 6 Impulse 5 Impulse

3 Takte 3 Takte 4 Takte 5 Takte


170-172 177-179 185-188 192-196
173-174 181-184 197-198
21 Impulse 18 Impulse 20 Impulse

Zumindest zu Beginn des Teils folgen die Sekundär-Takte unmittelbar auf die
Liegetöne des Primärteils; im weiteren Verlauf entfernen sich beide Elemente mehr
und mehr voneinander.
Die Tendenz zur länger werdenden Gesamtlänge der Sekundär-Abschnitte spiegelt
sich zudem in den deutlich längeren drei letzten Liegetönen wieder.

Bei der Rekomposition [6.System] wurden die endgültigen Tonhöhen von der Partitur
abgelesen, da auch über die Auswahl der Oktavlagen keine Anhaltspunkte vorliegen.
Dazu kommen Vorschlagsnoten und Triller, deren Einordnung keiner erkennbaren
Regel entspricht.

140
Sie kommen auffälligerweise nur im Sekundärmaterial des 4.Teils vor.

124
125
126
127
128
129
5.Teil – Rhythmus

Der 5.Teil141 ist sowohl bezüglich der rhythmischen Ordnung als auch bezüglich der
Tonhöhen mit dem 3.Teil eng verwandt.
Die Notenwerte lassen sich wiederum mit Hilfe der Anzahl der Impulse pro Takt
[1.System] und der Zuordnung von Tonhöhen ermitteln: Zahlenreihen entscheiden
innerhalb der diesmal 5 Niveaus142 darüber, welchem Impuls eine bestimmte
Tonhöhe zugeordnet wird. Pausen werden vermieden, indem Notenwerte ohne
Zuordnung wie im Sekundärmaterial des 4.Teils an den vorhergehenden Ton
angebunden werden.143
Der Rhythmus lässt sich – vorausgesetzt man kennt die Zahlenreihen des Filters –
auf diese Weise eindeutig rekomponieren. [7.System]

5.Teil –Tonhöhen

Die fünf Niveaus, die die Tonhöhen des 5.Teils bestimmen, dehnen sich jeweils über
etwa eine Oktave aus und überschneiden sich zur Hälfte mit den benachbarten
Niveaus.
Sie sind in den Skizzen genau eingegrenzt, allerdings werden die Vierteltöne hierbei
nicht berücksichtigt.

Niveau 1 Niveau 2 Niveau 3 Niveau 4 Niveau 5

Für die Vierteltöne innerhalb der Niveaus 1 bis 4 lassen sich ähnliche Bereiche
ableiten; das 5.Niveau enthält keine Vierteltöne.

Die Tonfolge innerhalb der Niveaus 1 bis 4 besteht jeweils abwechselnd aus den
Halbtönen einer 12-Ton-Reihe und den gleichermaßen gebrauchten Vierteltönen144.

Stellt man sich eine 12-Ton-Reihe vor, deren Schritte statt im Halbton-Abstand im
Viertelton-Abstand sind, so hat diese vierteltönige 12-Ton-Reihe nicht den Umfang
einer Oktav, sondern genau die Hälfte, den Umfang eines Tritonus.

Wie bereits zu Beginn der Analyse gezeigt, können die 12-Ton-Reihen auch als
Intervallreihen betrachtet werden, indem Anzahl der Halbtonschritte in einer Richtung

141
Bis auf weiteres beziehen sich alle Bemerkungen auf den 5.Teil ohne die darin vorkommenden
Grace-Notes.
142
Im 3.Teil gab es nur drei verschiedene Niveaus.
143
Der 5.Teil enthält nur ganz zu Anfang eine Pause, die vermutlich den Formteil vom vorherigen
abgrenzen soll.
144
Zum Bereich der Vierteltöne werden hier auch die chromatischen Halbtöne gezählt.

130
der Anzahl der Halbtonschritte in derselben Richtung entspricht. Die zugrunde
liegende Zahlenreihe ist:

3 – 2 – 1 – 7 – 10 – 9 – 1 – 5 – 2 – 3 – 3

Auf die verwendete Abfolge der Vierteltöne kommt man, indem diese Zahlenreihe
nicht auf Halbtonschritte, sondern auf Vierteltonschritte angewandt wird. Die
Vierteltonschritte werden dabei wie die Halbtonschritte quasi "im Kreis herum"
gezählt, das heißt, dass die Oktav der Halbtonreihe quasi dem Tritonus der
Vierteltonreihe entspricht.

In der für Niveau 1 [2.System] benutzten "chromatischen" Vierteltonreihe ist der


nächsthöhere Ton nach e1 also der Viertelton unter dem kleinen h.

"chromatische" Vierteltonreihe geordnete Vierteltonreihe

3 3 2 5 1 9 10 7 1 2 3

Die geordnete – später verwendete – Vierteltonreihe entsteht nun, wenn man vom
es1 an aufwärts die Vierteltonschritte zählt und dabei die Ur-Zahlenreihe von hinten
nach vorne liest (Zahlen unter den Intervallen).

Niveau 1 benutzt die Töne von KDes abwechselnd mit den "geordneten" Vierteltönen
des tiefstmöglichen Bereichs. Die zusammengesetzte Tonfolge145 zeigt den
Gebrauch der Ur-Zahlenreihe, sowohl bezüglich der Halbtonschritte ("schwarze"
Noten) als auch bezüglich der Vierteltonschritte ("weiße" Noten).
(KDes: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12)
Intervallreihe: 3 3 2 5 1 9 10 7 1 2 3

3 3 2 5 1 9 10 7 1 2 3

Die Tonfolge bricht in der Komposition ab, nachdem nur etwa die Hälfte der Noten
"verbraucht" wurde (gestrichelte Linie). Das liegt daran, dass keine Impulse mehr zur
Verfügung stehen oder – anders ausgedrückt – dass das Stück einfach zu Ende ist.

145
Die späteren Oktavlagen sind hier nicht berücksichtigt.

131
Niveau 2 [3.System] benutzt die Töne von KAs abwechselnd mit den "chromatischen"
Vierteltönen des nächst höheren Bereichs, zwischen fis1 und c2.

3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3

Die beiden Reihen beginnen diesmal zeitlich leicht versetzt: Erst zwischen zweitem
und drittem "Viertelton" startet die "Halbtonreihe" KAs.

(KAs: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12)
Intervallreihe: 3 3 2 6 1 9 10 7 1 2 3

3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3

Die Vierteltöne von Niveau 3 [4.System] sind diesmal nicht aus einem "chromatischen"
Bereich ausgewählt, sondern aus einer "Vierteltonreihe", die auch größere Intervalle
enthält, vergleichbar einer "modalen", frei gestalteten Skala. Die Ur-Zahlenreihe wird
dennoch angewandt, und zwar indem die Schritte von einem Ton zum nächsten der
Skala nacheinander (abwärts) gezählt werden, unabhängig von ihrer Größe.

... 1 2 3 3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3

Die Halbtonreihe besteht aus OB (1.Hälfte) und OC (2.Hälfte). Betrachtet man die
Intervallreihe, so beginnt sie in der Mitte und geht von dort aus erst nach links und
dann nach rechts; die "mittlere" Zahl 9 wird dabei ausgelassen.

(OB: 6 5 4 3 2 1 OC: 7 8 9 10 11 12)


Intervallreihe: 10 7 1 2 3 (2) 1 5 2 3 3

3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3

Auf einen zeitversetzten Einsatz der Reihen wird in Niveau 3 verzichtet.

132
Niveau 4 [5.System] besteht wieder aus einer "chromatischen" Vierteltonreihe – wie
Niveau 1 und 2 – und einer zusammengesetzten Halbtonreihe – wie Niveau 3 – aus
UD und Ofis.

3 3 2 5 1 9 10 7 1 2 3

Die endgültige Tonfolge beginnt mit den ersten vier Tönen der "Halbtonreihe", bevor
die "Vierteltöne" mit dem fünften Ton einsetzen. Die Halbtonreihe enthält diesmal
einen Ton mehr: aus sieben statt sechs Tönen von UD.

(UD: 7 6 5 4 3 2 1 OFis: 12 11 10 9 8 7)
Intervallreihe: 3 2 7 1 10 9 (2) 3 3 2 5 1

3 3 2 5 1 9 10 7 1 2 3

Niveau 5 [6.System] enthält – wie bereits erwähnt – keine Vierteltöne; auch die zweite
Komponente der Tonfolge besteht allein aus Halbtonschritten.

(KUAs: 1 2 3 4 KUA: 5 6 7 8 9 10 - -)
Intervallreihe: 3 3 2 (6) 1 9 10 7 1 2 3

3 2 1 7 10 9 1 5 2 3 3

12-Ton-Reihen lassen schwer nachweisen, mit Hilfe der Intervallreihen lässt sich
jedoch schnell erkennen, wie die Komponenten konstruiert sind.146 Bei der "unteren"
Reihe sind die Intervallschritte abwechselnd auf- und abwärts gezählt, daher lässt
sich keine 12-Ton-Reihe sinnvoll zuordnen.

Genau wie im 3.Teil werden die Tonfolgen der fünf Niveaus mittels "Rhythm
filterings" den Notenwerten zugeordnet: Entsprechend der Zahlenreihe des Niveaus
wird einem Impuls eine Ton der Tonhöhenfolge des Niveaus zugeordnet (oder
nicht).147

Hier zum Vergleich nochmals die Zahlenreihen aus dem 3.Teil:

low 3 – 3 – 2 – 8 – 10 – 10 – 4 – 5 – 6 – 5
middle 5 – 4 – 3 – 5 – 4 – 2 – 4 – 1 – 2 – 5 – 3 – 2 – 1
high 7 – 10 – 10 – 5 – 8 – 5 – 16 – 9 – 1 – 6 – 3

146
Bei den eingeklammerten (6) Halbtonschritten sollte es sich wohl um 5 Halbtonschritte gemäß der
Ur-Zahlenreihe handeln.
147
In den Skizzen werden zur besseren Übersicht bereits benutzte Tonhöhen durchgestrichen.

133
Die Zahlenreihen aus dem 5.Teil lassen sich daraus ableiten:

(1) low 6 – 4 – 16 – 20 – 20 – 8 – 10 – 12 – 10
(2) 8 – 7 – 9 – 9 – 6 – 6 – 5 – 3 – 7 – 8 – 5 – 3
(3) 7 – 10 – 10 – 5 – 8 – 5 – 16 – 9 – 9 – 1 – 6 – 3
(4) 6 – 10 – 10 – 8 – 7 – 7 – 10 – 11 – 12 – 12
(5) high 14 – 20 – 20 – 10 – 16 – 10 – 32 – 18 – 2 – 12 – 6

"low" aus dem 3.Teil148 entspricht mit verdoppelten Werten "(1)" im 5.Teil,
"high" aus dem 3.Teil entspricht "(3)" und mit verdoppelten Werten "(5)" im 5.Teil.

Wie im 3.Teil beginnen die Zahlenfolgen nach der letzten Zahl wieder von vorne und
die Tonhöhenfolgen brechen ab, wenn der Formteil zu Ende ist.

Vergleicht man nun die Endversion des Stücks mit einer exakt re-komponierten
(Alternativ)-Version, so fällt auf, dass die Tonhöhenorganisation nicht genau auf die
Zahlenreihen zurückzuführen ist, denn der 5.Teil müsste der Tabelle nach z.B. mit
einem Vorschlag beginnen.149

Aus der Endversion der Komposition lässt sich folgende Abwandlung der Tabelle
herauslesen:

(1) low 6 – 8 – 13 – 20 – 20 – 9 – 13 – 13 – 9 – 7 – 16 – 14 – 8 – 10
(2) 10 – 7 – 10 – 8 – 6 – 5 – 3 – 10 – 7 – 4 – 11 – 11 – 8 – 7 – 0 – 6 – 3
–1–3–7–4
(3) 8 – 16 – 8 – 1 – 8 – 5 – 16 – 9 – 3 – 3 – 4 – 8 – 53
(4) 7 – 10 – 10 – 12 – 5 – 10 – 7 – 9 – 16 – 9 – 10 – 7 – 16 – 8 – 2 – 4
– 5 – 10 – 13
(5) high 15 – 24 – 19 – 8 – 15 – 11 – 31 – 14 – 2 – 11 – 6 – 14

Die Abfolge der Tonhöhen bleibt fast unverändert; allein die Zuordnung der
Tonhöhen scheint verändert. An manchen Takten wurde offenbar auch der
Rhythmus etwas geglättet.150
Wahrscheinlich ist, dass Ferneyhough Korrekturen an der Endversion vorgenommen
hat, um ein besseres Erscheinungsbild zu erreichen.

5.Teil – Grace-Notes

Zusätzlich zu den Vorschlagsnoten, die – auf dieselbe Art und Weise wie im 3.Teil –
im Zuge der Tonhöhenzuordnung entstehen, werden zwischen die melodischen
Phrasen 20 zumeist längere Gruppen von Vorschlagsnoten eingefügt. Ihre
Tonhöhenabfolge richtet sich nach eigenen Regeln.151

148
ohne die erste 3.
149
Reihe (1) und Reihe (4) beginnen beide auf dem 6.Impuls.
150
Man beachte z.B. die beiden Versionen von Takt 207.
151
Sie sind den Skizzen nicht zu entnehmen, da hier nur die Reinschrift einiger Gruppen von "Grace-
Notes" vorliegt. Auf Anfrage bezüglich der Organisation der Vorschlagsnoten antwortete der
Komponist der Verfasserin, dass sie nach festen Regeln angeordnet seien, er aber nicht mehr wisse
wie. (Royaumont 1999).

134
Die Anzahl der Noten pro Gruppe folgt – zumindest anfangs – wiederum einer
bekannten Zahlenfolge:

5–3–4–5–4–2–4–1–

2–2–4–5–2–2–4–7–3–5–1–7–1–9–9

Mit Ausnahme der Vorschlagsnoten lassen sich auch die Tonhöhen eindeutig
rekomponieren. [8.System]

Das langsam und gleichmäßig zunehmende Crescendo unterstützt die Einheit des
Schlussteils und seine abschließende Wirkung für das ganze Stück. Ebenso der
langgezogene Legato-Bogen über den ganzen Teil; er schafft die Verbindung zum
Beginn des Stücks.

"Am Ende des Stückes z.B. (...) wirken sechs152 Tonhöhen-Niveaus gleichzeitig, denen verschiedene
Typen von Material und verschiedene Register zugeordnet wurden. Die Absicht von Superscriptio ist
die, dass infolge einer vollständigen Einheit der Geste, des Materials und der Auslösung der Situation
jeder Takt eine vollständige Einheit in sich bilden sollte. Am Ende jeden Taktes ändert sich alles völlig,
weshalb ich dieses seltsame System der Taktunterteilungen erfunden habe. Idealerweise verdanken
wir unserer ganzen Erfahrung, sowohl als Zuhörer als auch als Interpret, ein Umkippen, wie in ein
Informationssystem, in Kategorien der Dichte und der Messung der anderen Dinge – und die Dynamik
strebt zur Verstärkung des Prozesses." 153

152
Es handelt sich – wie bereits gezeigt – nicht um sechs Tonhöhen-Niveaus, sondern um fünf.
153
"At the end of the piece, for instance (…) there are six pitch levels working simultaneously,
assigned to different types of material and different registral areas. The story of Superscriptio is, that
starting out from a total unity of gesture and material and triggering-situation, each bar is a total
unanimity. At the end of each bar everything changes absolutely, which is why I invented this strange
new barring system. Ideally, both as listeners and players, our total experience should click, like a
computer system, from one type of density and one type of barring system to another, and the
dynamics conspire to assist this." – s. Anm. 44 (S.91 bzw. S.5).

135
136
203
2/10
6

137
138
139
140
141
142
IV. Carceri d'Invenzione I

IV.1. Skizzen von Carceri d'Invenzione I

Die Mappe von Carceri d'Invenzione I enthält eine Sammlung von Einzelblättern,
u.a. mit ausführlichen Studien zu den acht Grundakkorden, einen (gebundenen)
Block Notenpapier, sowie eine Reihe Übersichtsblätter, vier davon auf
Millimeterpapier (MM 1-4).
Skizzen zur Konstruktion der acht Grundakkorde (bezeichnet mit "cos" für "City of the
sun") finden sich zusätzlich in den Mappen von Carceri d'Invenzione II.

Carceri d'Invenzione I – Einzelblätter:

Blatt [1] cos 6+7; combinatorial arrays (S only) + (S+As) + Text + Chords; Rückseite ET 5 (microtones)
Blatt [2] cos; symmetrical chord structures
Blatt [3] 4th string entry (rhythm) T.48-54; Partitur Holz T.39-40 (unvollständig)
Blatt [4] Text
Blatt [5] 3rd string entry (distribution)
Blatt [6] Partitur Blech+Drums T.66-68
Blatt [7] cos 4+2; Text + 8 Chords (gemeinsame Töne); Orchester Sitzordnung; Texturtypen
Blatt [8] Notizen (Part. string entry)
Blatt [9] Partitur Picc. Es-Clar. T.134-138
Blatt [10] Partitur T.148-151 tiefe Instrumente; Rückseite Tonhöhenkonstruktion
Blatt [11] string materials: B1 Bar-Scheme; Rh T.30-35 picc+ob
Blatt [12] Einteilung der Systeme S.34-36
Blatt [13] Text + Notizen
Blatt [14] Rhythmus T.148-165 (Fl+Vla) level 1 (Coda)
Blatt [15] Partitur T.57-58 Streichquartett
Blatt [16] Text (fanfare-materials for horns)
Blatt [17] Text (Vorgehen); Rückseite Tonhöhenkonstruktion Kontrabass
Blatt [18] Partitur T.28-36 Klavier (r.H.)
Blatt [19] Partitur T.117-118 Streichquartett
Blatt [20] Rhythmus T.119 alle Instrumente
Blatt [21] Sch-Retrograde forms
Blatt [22] Viertelton-Version der 8 Akkorde; Partitur T.129 Vln1+2
Blatt [23] final string section; Tonhöhen; Text (musical space; repetition procedures)
Partitur T.118 Streichquartett; T.109-111 Cello
Blatt [24] Coda Tonhöhen (Fl+Va); Seiteneinteilung S.34-36
Blatt [25] ET 3 (Text); Rhythmus

143
Carceri d'Invenzione I – Notenblock:

(1) relationships to Sch-pitch-material


(2) Partitur T.50-51 Bläser + Konstruktion
(3) Text (pitch-structure)
(4) Text (material; vgl.Toop)
(5) Konstruktion
(6) Basic operational models
(7) Filter Sch
(8) Partitur-Studien Glockenspiel, Pfte, Vln, Es-Cl., Ob
(9) Notizen, Partiturstudien
(10) Partitur T.61-70 Bass-Clar.; Partitur T.66-68 (alt) Ob, Hrn, Vla.
(11) Rhythmus T.71-73 Bass-Clar. Fl. Bsn. u.a.
(12) Rhythmus T.66-71 Vln1, Flute, Bass-Cl, Bsn + entry-sequence u.a.
(13) Partitur T.69 Ob,Hrn, Vla; Rhythmus T.69 Clar, Vln2, Cello
(14) Rhythmus T.74-77 Holz
(15) Rhythmus + Partitur Vln1 T.77; Part. T.74-75 Blech+Pfte
(16) Rhythmus + Partitur T.75-76 Vln1 + Cello; Notizen
(17) Rhythmus + Partitur T.78-79 Streicher + Konstruktion (als Summe)
(18) Töne T.79-80 Cl/B-Cl. + Konstruktion
(19) Töne Pfte T.80-81 + Konstruktion
(20) Partitur T.77-79 Fl, CI, Bsn + Part. T.79 Bass-Cl.
(21) Drums impulse subdivision scheme T.82-92
(22) Töne Clar. T.82-90 + Konstruktion
(23) Töne Bass-Clar. T.82-89 + Konstruktion
(24) Rhythmus T.82-91 Clar/Bass-Clar.
(25) Rhythmus T.92-98 Clar/Bass-Clar.
(26) Partitur T.82-89 Clar/Bass-Clar.
(27) Töne T.90-96 Clar. + Konstruktion
(28) Partitur T.90-98 picc, clar, bass-clar.
(29) Töne T.100 Pfte + Konstruktion
(30) Töne T.89-97 Bass-Clar. + Konstruktion
(31) Töne T.100-101 Pfte + Konstruktion; Rhythmus T.101-104 Blech
(32) Töne T.102-103 Pfte + Konstruktion
(33) Rhythmus T.87-91 Hrn + Part. T. 89-91 Hrn.
(34) Text (Note für score introduction)
(35) Rhythmus T.87-88 Streicher
(36) Partitur + Rhythmus T.88 Bläser
(37) Notizen
(38) 8 Akkorde mir Sch-Filter

144
(39) Töne T.107 ff. Tpt + Töne T.107 ff. Vln.B541 + Konstruktion
(40) Töne T.107-110 picc + Töne T.107-108 Vln.2 + Konstruktion
(41) Töne T.107-109 Vla. + Konstruktion
(42) Töne T.107-108 Oboe + Töne T.107-109 (ff?) Es-Cl.+Konstr.
(43) Notizen Rhythmus Blech (tp, tbn, hrn)
(44) Töne T.107-108 Vln.2 + Töne T.107-109 Vln.1 + Konstr.
(45) Taktschema T.141-149 DB,Kfag, TenTuba, Pos.
(46) Partitur T.131-132 Oboe/Glock. + Notizen
(47) Partitur T.114-115 Picc,Ob,EH, B-Clar, Bsn
(48) Text (Conductor's notes)
(49) Partitur T119 tutti, Partitur T.120 Streicher
(50) Partitur T.115 Streichquartett
(51) Text (vgl. Toop S.161)
(52) Text (symmetrical spiral form) + Übersicht
(53) leer
(54) Partitur T.116-118 DB; Rhythmus + Partitur T.120-121 Es-clar, ob, bass-clar, bsn, ten.tuba
(55) Text Computer/Clarinet piece
(56) Rhythmus + Partitur T.120-121 (Instr. alt)
(57) Partitur T.127 Vln1, Vln2, Vla
(58) pitch materials strings final section
(59) Notizen zu 3rd Quartet; Tonumfang Contrabass-Clar.
(60) Text (C.II transformations)
(61) Partitur Streicher
(62) Tonhöhen (S-Chords in sequence) Carceri II
(63) Text (Pitch groups)
(64) Text (Carceri II)
(65) Tonhöhen-Rhythmus-Studien (Notizen)
(66) Tonhöhen-Rhythmus-Studien (Notizen)
(67) (67)-(61) rot: ET 8 Partitur T.31-Ende

Carceri d’Invenzione I – Übersichtsblätter:

<1> Noten 6 forms pfte; "random" distribution + Notizen


<2> Text (Gefühlsregung); Drums-Studien; Text ("style and idea")
<3> Text (parametric thinking) + Tabelle + Rhythmus T.141-153 +T.114-115
<4> Sch-Umkehrung 1-12; Part. T.87-88 Str.qu.; Rh. T.63-65 Pfte + Übersicht
<5> Text+ Noten Konstruktion T.21-37 Pfte (L.H.); Tonhöhen
<6> Rhythmus T.122-125 und T. 130-133 Streicher
<7> Rhythmic structures "central tutti" T.107-113 mit Achtelraster

145
<8> Vierteltonkonstruktion ? + 8 Akkorde + Filter
<9> Tonhöhen T.19 ff. Streicher; Part.
MM 1 Übersicht T.1-100
MM 2 Übersicht T.101-198
MM 3 Taktschema; Notizen zu Carceri II
MM 4 Studies: canonic section; Rücks. Rhythmus 4th string entry

Die Bezeichnung "City of the sun" steht vermutlich für die Planung eines
gleichnamigen Werkes aus bzw. mit Hilfe dieser Akkorde. Die Idee zum Zyklus
Carceri d'Invenzione bezog schließlich diese Planung mit ein, so dass die Planung
in den Zyklus mündete und kein eigenständiges Werk dieses Titels entstanden ist.

146
IV.2. Die acht Grundakkorde des Zyklus

"[Es gibt eine] Reihe von acht Akkorden, welche die Möglichkeit für statische – symmetrische – oder
bewegliche – asymmetrische – Ausweichungen in sich bergen." 154

Über die Entstehung der Akkorde lässt sich aus den Skizzen einiges herauslesen, so
gibt es vier – bezüglich des Intervallaufbaus – symmetrische Akkorde155 (I S, II S, III
S, und IV S) und vier (in gleicher Weise) asymmetrische Akkorde (I As, II As, III As
und IV As). Die Akkorde haben gewisse Gemeinsamkeiten:

"Alle Akkorde As und S haben mit ihren "gegenüberliegenden Nummern" 3 Tonhöhen


GEMEINSAM." 156

I II III IV

Die vier Paare aus symmetrischem und asymmetrischem Akkord gleicher Nummer
haben also jeweils drei gemeinsame Töne: I S und I As haben c, a und g
gemeinsam, II S und II As c, e und a, III S und III As c, d und e und IV S und IV As c,
cis und d.

Außerdem haben alle acht Akkorde – in der nicht transponierten Grundform – den
Ton c gemeinsam.157

Benachbarte Akkorde haben zudem einen weiteren gemeinsamen Ton.158

154
"... a series of eight chords, themselves containing the potential for static (symmetrical) or mobile
(asymmetrical) modes of treatment." – (s. Anm. 2) S.135 bzw. S.9.
155
Die Bezeichnung des einzelnen Akkordes besteht aus einer römischen Zahl von I bis IV für die
Akkordnummer und den Buchstaben S für "symmetrisch" und As für "asymmetrisch". Später kommt
ggf. noch eine tiefergestellte (arabische) Zahl für die Transposition dazu. Die Bezeichnungen sind in
den Skizzen immer so verwendet, die Reihenfolge von römischer Zahl und Buchstaben kann jedoch
wechseln.
156
"All cords As and S have, with their "opposite numbers" 3 pitches IN COMMON. (namely): [Grafik]"
– Bemerkung auf Skizzenblatt [7] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I; bei genauerem
Vergleich der Akkorde I S und I As fällt auf, dass sie außerdem – unbeabsichtigt – auch den Ton d
gemeinsam haben.
157
gestrichelter Bogen; die Grafik befindet sich genau so auf Skizzenblatt [7] aus der Mappe von
Carceri d'Invenzione I und ist datiert vom 17. Dezember 1980.
158
eckige Klammer in der Grafik; die beiden Töne, die nur einmal vorkommen, sind g in I und cis in IV;
sie sind genau einen Tritonus voneinander entfernt.

147
Die symmetrischen Akkorde

Die vier symmetrischen Akkorde haben als Achse entweder einen Ton (Akkord I S
und III S), wobei es sich sinnigerweise um den Zentralton c handelt, oder ein Intervall
(Akkord II S und IV S), wobei es sich um die beiden kleinen Sekunden um c herum
handelt.

Akkord I S Akkord II S

4 3 2 2 3 4 5 4 1 4 5

Die weiteren Intervalle – sie sind jeweils unter den Noten in der Anzahl der
Halbtonschritte angegeben – vergrößern sich nach außen hin.

Die beiden äußersten Intervalle unterscheiden sich jeweils nur um einen Halbton.

Akkord III S Akkord IV S

6 5 3 3 5 6 7 6 1 6 7

Innerhalb eines Akkordes kommt kein Intervall mehr als einmal auf jeder Seite der
Achse vor.

Abgesehen vom zentralen Halbtonschritt hat Akkord I S die kleinsten Intervalle und
Akkord IV S die größten; man kann sagen, die durchschnittliche Intervallgröße nimmt
mit zunehmender Akkordziffer zu.

Das größte vorkommende Intervall ist die reine Quint (7 Halbtonschritte); das kleinste
der (zentrale) Halbton.

Die Anzahl der Töne pro Akkord variiert: Die Akkorde I S und III S haben je sieben
Töne, die Akkorde II S und IV S nur je sechs.

Um zur Anzahl der gleichnamigen asymmetrischen Akkorde zu gelangen, kommt bei


den ersten beiden jeweils ein Ton dazu, während bei den letzten beiden jeweils ein
Ton weniger verwendet wird.

I S = 7 Töne II S = 6 Töne III S = 7 Töne IV S = 6 Töne

+1 +1 -1 -1

I As = 8 Töne II As = 7 Töne III As = 6 Töne IV As = 5 Töne


148
Die asymmetrischen Akkorde

Die vier asymmetrischen Akkorde159 sind aus vier (anderen) symmetrischen


Akkorden abgeleitet: I As (ß), II As (ß), III AS (ß)und IV As (ß).
Auch von diesen ß-Akkorden haben zwei einen Ton als Achse (a bzw. cis), zwei ein
Intervall (Quart bzw. kleine Terz).
Die weiteren Intervalle kommen bisweilen mehrfach vor und verkleinern sich bei
Akkord I As (ß) und IV As (ß) nach außen hin.
Die Anzahl der Töne pro Akkord nimmt von Akkord I As (ß) nach Akkord IV As (ß) hin
ab: 8 Töne – 7 Töne – 6 Töne – 5 Töne.

Akkord I As (ß) Akkord II As (ß)

3 3 5 5 5 3 3 4 4 1 1 4 4

Akkord III As (ß) Akkord IV As (ß)

3 2 3 2 3 1 3 3 1

Von diesen ß-Akkorden wird etwa die erste Hälfte (bis zur Spiegelachse)
weiterverwendet, während die zweite Hälfte verzerrt wird.

Akkord I As Akkord II As

3 3 5 5 6 3 7 4 4 1 1 3 4

Akkord III As Akkord IV As

3 2 3 5 6 1 10 3 8

159
Sie werden auf Skizzenblatt [7] auch mit α bezeichnet.

149
Bei Akkord IV As wird quasi jedes zweite Intervall verzerrt, indem es enorm
ausgedehnt wird.

Im weiteren Verlauf werden die ß-Akkorde nicht mehr verwendet, sondern nur noch
die durch sie entstandenen asymmetrischen Akkorde.

All diese Überlegungen zur Konstruktion der acht Akkorde stellt Ferneyhough so
dar160:

"Pitch material considerations

Choose some symmetrical chords with various constituent intervals.


Asymmetrical chords should be chosen with a view to clearly defined wide or narrow AMBITUS.
There should be forms of each of the two above-mentioned types.
The asymmetrical chords 1+2 will have one note more than symmetrical chords 1+2. The opposite
applies to the other two pairs.

Ass 1 = 8 pitches / sym 1 = 7 pitches


Ass 2 = 7 pitches / sym 2 = 6 pitches many pitches in common in basic form
Ass 3 = 6 pitches / sym 3 = 7 pitches few pitches in common in basic form
Ass 4 = 5 pitches / sym 4 = 6 pitches

Thus: The number of pitches constituting the asymmetrical forms decreases constantly, whilst that of
the symmetrical alternates (one symmetry around a single pitch one around an interval).

These materials are (initially) not understood as rows with fixed intervallic / melodic content, but as
reservoirs for selectional (homologous) processing of GESTALTEN. In principle it will be allowable to
use the reservoirs horizontally, but then in firmly-fixed order (also as control rows for interval- or pitch-
filtering activities).

In addition each figure is to have its versions "on the opposite side". E.g. which will have a subordinate
function (rather like "major / minor"-relationships)

(Asym) Æ (Sym) (Asym) Æ (Sym)


Transformation Transformation
around a pitch around an interval
7 notes 7 notes 6 notes 6 notes
Chord As II Chord As III

Chord As I Chord As IV
8 notes 5 notes

160
Skizzenblatt [1] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa. Dieses Skizzenblatt ist datiert vom
13. Dezember 1980.

150
Notes in common:
I / IV II / III I / II II / IV
chord As I
4
chord As II
2 1
chord As III
3 (?)
chord As IV

How often does each pitch occur in the asymmetrical chords, taken together ?

common note hierarchy"

4 3 1

Charakterisierung des Klangs der Akkorde

Möchte man den Klang der einzelnen Akkorde (in der nicht transponierten Form)
beschreiben161, so entspricht Akkord I S z.B. einer dorischen Skala von c aus und
Akkord II S einer pentatonischen Tonleiter von c aus mit Zusatzton h.

Akkord I S Akkord II S

Akkord I S als Skala Akkord II S als Skala

Die beiden Akkorde III S und IV S sind sich ähnlich, dominieren doch bei beiden
weniger Skalenelemente (Sekundschritte) als dissonante Elemente wie Quart, Quint
und Tritonus oder – bezogen auf die Skala – große Terzen und Halbtonschritte.

Akkord III S Akkord IV S

161
Eine angemessene Charakterisierung gelingt, wenn man die Akkorde als Skalen versteht. Auf der
letzten Seite des Skizzenblocks der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa werden die asymmetrischen
Akkorde tatsächlich als Skalen ausnotiert.

151
Akkord III S als Skala Akkord IV S als Skala

Akkord I As entspricht wieder einer Tonleiter, G-Dur mit Zusatzton gis, während
Akkord II As eher einer alterierten Tonleiter entspricht, die von c aus mit dem
zweimaligen Wechsel von Halbtonschritt und 1½-Tonschritt beginnt.

Akkord I As Akkord II As

Akkord I As als Skala Akkord II As als Skala

Akkord III As könnte wiederum mit der lydischen Tonleiter von c aus (ohne a) in
Zusammenhang gebracht werden und Akkord IV As schließlich entspricht der
chromatischen Tonleiter zwischen c und e.

Akkord III As Akkord IV As

Akkord III As als Skala Akkord IV As als Skala

Der Ambitus aller acht Akkorde reicht von etwa 1½ Oktaven bis über zwei Oktaven.
Die vorgestellte Anordnung kann als Grundform verstanden werden, da das
Verhältnis der Oktavlagen innerhalb eines Akkordes beibehalten wird, sie werden
also nicht in den Bereich einer Oktave "zusammengezogen".

152
Veränderungen der Akkorde

Fünf Arten von Veränderungen machen die Grundakkorde durch:

a) Sie werden transponiert.

b) Sie werden als mikrotonale Versionen verwendet.

c) Sie werden zu "komplementären"162 Akkorden abgewandelt.

d) Die Töne zweier Akkorde werden jeweils miteinander kombiniert und ergeben
so einen neuen (zusammengesetzten) Akkord.

e) Die Akkordtöne werden in sich permutiert mittels eines Filters.

a) Transposition der Akkorde

Transponiert163 werden die Akkorde jeweils auf jeden der vorkommenden Töne der
Grundform. Für Akkord IV As existieren demnach vier Transpositionen164:

IV As0 IV As1 IV As2 IV As3 IV As4


Grundform 1.Transposition 2.Transposition 3.Transposition 4.Transposition

Die Basstöne der Transpositionen entsprechen also den Akkordtönen der


Grundform: d ist Basston von IV As0
es ist Basston von IV As1
cis ist Basston von IV As2
e ist Basston von IV As3
c ist Basston von IV As4

Es handelt sich nicht um Umkehrungen im gewöhnlichen Sinne, da ja die


Reihenfolge der Intervalle erhalten bleibt; die Akkordtöne werden nicht permutiert,
sondern sie verändern sich je nach Transposition.

Je nach Anzahl der Akkordtöne gibt es auf diese Weise zwischen vier (Akkord IV As)
und sieben (Akkord I As) Transposition. Die anderen (chromatischen)
Transpositionen werden innerhalb des Zyklus nur als spezielle Transpositionen
verwendet, z.B. wenn mehrere Transpositionen denselben Spitzenton haben sollen.

162
Ferneyhough nennt sie "complementary intervallic derivations" auf Skizzenblatt (23) aus der Mappe
von Carceri d'Invenzione IIa.
163
Eine Übersicht über alle acht Akkorde und die verwendeten Transpositionen finden sich im
Anhang.
164
Enharmonische Verwechslungen werden verwendet, um die Akkorde übersichtlicher darzustellen.

153
Im Folgenden sind die Grundformen und alle verwendeten Transpositionen der acht
Akkorde zusammengefasst. (Die Bezeichnung steht jeweils unter dem Akkord.)

Grundform:

I As0 II As0 III As0 IV As0 I S0 II S0 III S0 IV S0

1.Transposition:

I As1 II As1 III As1 IV As1 I S1 II S1 III S1 IV S1

Bei Akkord I As1 hat sich ein "Fehler" eingeschlichen: er müsste bei exakter
Transposition des Grundakkords f statt fis enthalten. Diese Eigenheit bleibt den
ganzen Zyklus über erhalten: Wann immer Akkord I As1 verwendet wird, wird er mit
fis verwendet; alle anderen Transpositionen bleiben davon unberührt.

2. Transposition:

I As2 II As2 III As2 IV As2 I S2 II S2 III S2 IV S2

3. Transposition:

I As3 II As3 III As3 IV As3 I S3 II S3 III S3 IV S3

154
4. Transposition:

I As4 II As4 III As4 IV As4 I S4 II S4 III S4 IV S4

5. Transposition:

I As5 II As5 III As5 I S5 II S5 III S5 IV S5

Die 5. Transposition existiert nicht mehr für Akkord IV As, da bereits alle fünf
Akkordtöne als Basstöne verwendet wurden. Für die drei 6-tönigen Akkorde III As,
II S und IV S ist dies die letzte Transposition.

6. Transposition:

I As6 II As6 I S6 III S6

7. Transposition:

I As7

Allein für Akkord I As mit seinen acht Tönen existiert diese Transposition noch.

155
b) mikrotonale Versionen der Akkorde

Die Superscriptio zugrunde liegende Reihe wurde bereits als Vierteltonversion


innerhalb des Stücks verwendet (z.B. im 5. Formteil). Die Halbtonschritte wurden
dabei umgewandelt in Vierteltonschritte, sodass die Reihe aus 24 Vierteltönen statt
aus den gewohnten 12 Halbtönen innerhalb der Oktav bestand.

Vergegenwärtigt man sich die Aufteilung der Oktav in 24 Vierteltonschritte165,

so lassen sich daraus leicht die mikrotonalen Versionen der acht Akkorde ableiten166.

I Asm II Asm III Asm IV Asm

3 3 5 5 6 3 7 4 4 11 3 4 3 2 3 5 6 1 10 3 8

I Sm II Sm III Sm IV Sm

4 3 22 3 4 5 4 1 4 5 6 5 3 3 5 6 7 6 1 6 7

Transpositionen dieser Versionen lassen sich wie bei den Grundformen der Akkorde
bilden; sie sind in den Skizzen jedoch weder aufgeführt noch bezeichnet.

c) komplementäre Abwandlungen der Akkorde


"Weil jeder S-Akkord drei Intervalle enthält, bleiben notwendigerweise drei Intervalle, mit denen
"komplementäre" Akkorde geformt werden können und zwar durch die intervallischen Ableitungen
(aufwärts und abwärts vom Referenzton).
Song 4 besteht ausschließlich aus solchen Akkorden, inklusive ihrer Sekundärformen, die progressiv
im Flötenpart aufwärts transponiert werden, während sie in der Stimme konstant bleiben." 167

165
Die gewohnten Halbtonschritte sind mit weißen Notenköpfen, die Vierteltonschritte dazwischen mit
schwarzen Notenköpfen markiert. Die Notation der Viertelton-Vorzeichen ist – anders als in der
Partitur – hier zur besseren Übersicht vereinheitlicht.
166
Sie sind hier mit einem tiefergestellten V gekennzeichnet und nicht transponiert. In den Skizzen
sind sie nicht extra gekennzeichnet und kommen auch in anderen Transpositionen vor.
167
"Since each S-chord contains 3 intervals, there are necessarily 3 intervals remaining with which to
form "complementary" chords from intervallic derivations (up and down from reverence-pitch). Song 4
consists only of these chords plus their secondary forms, progressively transposing up in the flute
whilst remaining constant in the voice." - Anmerkung auf Skizzenblatt (23) aus der Mappe von Carceri
d'Invenzione IIa.

156
Die Ableitungen (der symmetrischen Akkorde) werden gebildet, indem von jedem
Referenzton der nächsthöhere und nächsttiefere Ton genommen wird im Abstand
der "komplementären" Intervalle eines Akkords, d.h. im Abstand der jeweils nicht im
Akkord enthaltenen Intervalle.
Die folgende Übersicht168 zeigt, welche symmetrischen Akkorde welche Akkord- bzw,
"Komplementär"-Intervalle enthalten.

Akkord I S Akkord II S Akkord III S Akkord IV S

kleine Sekund
1 Halbtonschritt "komplementär" Akkordintervall "komplementär" Akkordintervall

große Sekund
2 Halbtonschritte Akkordintervall "komplementär" "komplementär" "komplementär"

kleine Terz
3 Halbtonschritte Akkordintervall "komplementär" Akkordintervall "komplementär"

große Terz
4 Halbtonschritte Akkordintervall Akkordintervall "komplementär" "komplementär"

reine Quart
5 Halbtonschritte "komplementär" Akkordintervall Akkordintervall Akkordintervall*
(* auch 7)
Tritonus
6 Halbtonschritte "komplementär" "komplementär" Akkordintervall Akkordintervall

Die Idee der "komplementären" Abwandlung bezieht sich allein auf die
symmetrischen Akkorde, da diese aus nur drei verschiedenen Intervallen bestehen,
während die asymmetrischen Akkorde je vier verschiedene Intervalle enthalten.169

Aus Akkord I S, der aus Intervallen von zwei, drei und vier Halbtonschritten besteht,
lassen sich also drei "komplementäre" Ableitungen bilden, wobei die Akkordtöne von
I S als Referenztöne fungieren.

Akkord I S (Referenztöne) "nächstgelegene" Ableitung: 1 Halbtonschritt

4 3 2 2 3 4

168
Eine solche Übersicht ist auch auf Skizzenblatt (23) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa
angedeutet.
169
Es lassen sich auf dieselbe Weise auch aus den asymmetrischen Akkorden Ableitungen bilden;
allein die Bezeichnung "komplementär" würde nicht mit den verbleibenden zwei Ableitungsintervallen
korrespondieren.

157
Die "nächstgelegene" Ableitung von Akkord S I enthält jeweils einen Halbton über
und unter dem Referenzton. Doppelt vorkommende Töne in derselben Oktav werden
als ein Ton zusammengefasst, solche in einer anderen Oktav werden – besonders
bei linearen Gestalten – stehen gelassen. Die "geordnete" Version dieser
"komplementären intervallischen Ableitung" liest sich dann so:

Die "mittlere" Ableitung enthält jeweils 5 Halbtöne bzw. eine Quart über und unter
dem Referenzton.

Akkord I S (Referenztöne) "mittlere" Ableitung: 5 Halbtonschritte

Für die "geordnete" Version dieser Ableitung muss – im Gegensatz zu vorher – die
Reihenfolge der Tonhöhen angepasst werden.170

Die "entfernteste" Ableitung enthält jeweils 6 Halbtöne bzw. einen Tritonus über und
unter dem Referenzton.

Akkord I S (Referenztöne) "entfernteste" Ableitung: 6 Halbtonschritte

Interessant ist, dass die beiden Ableitungstöne zusammen jeweils genau eine Oktav
ergeben. In der geordneten Version fällt dies jedoch nicht mehr auf.

Auf dieselbe Weise lassen sich die Ableitungen der anderen drei symmetrischen
Akkorde bilden:

170
Der Ton f1 fehlt an entsprechender Stelle auf Skizzenblatt (23), daher ist der Notenkopf hier nicht
ausgefüllt.

158
Akkord II S (Referenztöne) "nächstgelegene" Ableitung: 2 Halbtonschritte

5 4 1 4 5

Akkord II S (Referenztöne) "mittlere" Ableitung: 3 Halbtonschritte

Akkord II S (Referenztöne) "entfernteste" Ableitung: 6 Halbtonschritte

Die "geordneten" Versionen der drei "komplementären" Ableitungen von Akkord II S


sehen dann so aus:

2 Halbtonschritte 5 Halbtonschritte 6 Halbtonschritte

Akkord III S (Referenztöne) "nächstgelegene" Ableitung: 1 Halbtonschritt

6 5 3 3 5 6

Akkord III S (Referenztöne) "mittlere" Ableitung: 2 Halbtonschritte

Akkord III S (Referenztöne) "entfernteste" Ableitung: 4 Halbtonschritte

159
Die "geordneten" Versionen der drei "komplementären" Ableitungen von Akkord III S
sehen dann so aus:

1 Halbtonschritt 2 Halbtonschritte

4 Halbtonschritte

Akkord IV S (Referenztöne) "nächstgelegene" Ableitung: 2 Halbtonschritte

7 6 1 6 7

Akkord IV S (Referenztöne) "mittlere" Ableitung: 3 Halbtonschritte

Akkord IV S (Referenztöne) "entfernteste" Ableitung: 4 Halbtonschritte

Die "geordneten" Versionen der drei "komplementären" Ableitungen von Akkord IV S


sehen dann so aus:

2 Halbtonschritte 3 Halbtonschritte 4 Halbtonschritte

160
d) Kombination von Akkordtönen zweier Akkorde

Auf den Skizzen171 mit der Überschrift "City of the sun" sind verschiedene
Kombinationen vollständig bzw. später nur ansatzweise ohne die Transpositionen
ausnotiert:
Die asymmetrischen Akkorde wurden untereinander kombiniert:

I As + II As; I As + III As; I As + IV As;


II As + III As; II As + IV As;
III As + IV As.

Die Kombinationen jeweils der Grundformen sehen dabei so aus:

I As0 + II As0 I As0 + III As0 I As0 + IV As0

Manche Töne sind beiden Akkorden gemeinsam, andere sind gleich, kommen jedoch
in verschiedenen Oktavlagen vor. Diese werden später bei der Verarbeitung als
derselbe Ton gewertet, dem dann auf neue Weise eine Oktavlage zugeordnet wird.

II As0 + III As0 II As0 + IV As0 III As0 + IV As0

Neben den Grundformen wurden auch gleichnamige Transpositionen miteinander


kombiniert; verschiedene Transpositionen wurden nicht miteinander kombiniert.

In gleicher Weise wurden die symmetrischen Akkorde untereinander kombiniert:

I S + II S; I S + III S; I S + IV S;
II S + III S; II S + IV S;
III S + IV S.

Auch die asymmetrischen und symmetrischen Akkorde wurden miteinander


kombiniert:

I As + I S; I As + II S; I As + III S; I As + IV S;
II As + I S; II As + II S; II As + III S; II As + IV S;
III As + I S; III As + II S; III As + III S; III As + IV S;
IV As + I S; IV As + II S; IV As + III S; IV As + IV S.

171
z.B. Skizzenblatt [1] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.

161
Schließlich werden auch symmetrische wie asymmetrische Akkorde mit der
mikrotonalen Version desselben oder eines anderen Akkordes kombiniert.

Alle diese Kombinationen von Akkorden werden anschließend wie selbständige


Akkorde verwendet.

e) Permutation der Akkordtöne mittels eines Filters

Diese Art der Vorgehensweise soll später ausführlich anhand von konkreten
Beispielen aus Carceri d'Invenzione I (und anderen Werken des Zyklus) erläutert
werden. Hier soll nur die benutzte Schönberg-Zwölftonreihe mit den notwendigen
Informationen vorgestellt werden.

"Die Tonhöhenstruktur von "Carceri I" stammt von einer Serie symmetrischer und asymmetrischer
Akkorde. Diese Strukturen, sie sind auf zahlreiche Stufen transponiert, sind ungeordnet in horizontaler
Richtung. Die Ordnung ist durch die Referenz zu "Sch" (= der Reihe von "Moses und Aron") definiert.
Die Form wird benutzt als feste Reihe in ihrem eigenen Status, die in gewohnter Weise behandelt wird
(transponiert, umgekehrt, als Krebs).
Die Transposition eines Akkordes kann in dieser Weise durch dieselbe Sch-Form "gefiltert" werden,
oder, alternativ, kann dieselbe unveränderte Akkord-Transposition durch verschiedene Sch-Formen
gefiltert werden." 172

Die Überlegung ist die, dass die Töne eines Akkordes z.B. im Verlauf einer Bläser-
Melodie nicht gleichzeitig, sondern nacheinander erklingen, und diese (zeitliche)
Reihenfolge z.B. wird mit Hilfe eines Filters organisiert.173

Wie im bildlichen Sinne eines Filters werden nacheinander nur Teile eines Ganzen,
in diesem Fall Einzeltöne eines Akkordes durchgelassen.

Eine Zwölftonreihe ist insofern als Filter geeignet, als sie alle chromatischen Töne
innerhalb der Oktav enthält und damit (beliebig) auf alle Akkorde und alle
Transpositionen anwendbar ist.
Eine Zwölftonreihe enthält also auf jeden Fall alle Töne eines Akkordes174 und
definiert – als lineares Gebilde – genau eine Reihenfolge der Akkordtöne.

Die verschiedenen Formen einer Zwölftonreihe – Originalreihe, Umkehrung, Krebs


und Krebsumkehrung – definieren außerdem, wenn es sich nicht um eine
symmetrische Reihe handelt, mit allen Transpositionen 48 verschiedene
Reihenfolgen.

172
"Pitch structure of "Carceri I" derives from a series of symmetrical and asymmetrical chords. These
structures, transposed onto various steps, are unordered horizontally. Ordering is defined by reference
to "sch" (= the row of "Moses and Aron"). The form is taken as a fixed row in its own right, which may
be treated in all the usual ways (transposed, inverted, retrograded). Transposition of a chord may be
"filtered" in this way through the same Sch-form, or, alternatively, the same unchanging chord-
transposition may be filtered through various Sch-forms." – Bemerkung auf Skizzenblatt (3) aus der
Mappe von Carceri d'Invenzione I.
173
Eine weitere Aufgabe eines solchen Filters ist, auf dieselbe Weise z.B. die Oktavlagen der
Akkordtöne zu definieren.
174
oder einer Akkordkombination.

162
Als Filter hat Ferneyhough die Zwölftonreihe aus Arnold Schönbergs Oper "Moses
und Aron" ausgewählt.

1↑ 6 2↓ 1↑ 2↓ 6 2↓ 1↑ 2↑ 3↑ 1↑

asymmetrisch symmetrisch asymmetrisch

Die Intervalle der Reihe – hier notiert als Anzahl der Halbtonschritte – und deren
Richtung zeigen, dass diese Reihe in der Mitte – innerhalb der sechs Töne um den
Tritonus herum – symmetrisch, an den beiden Enden jedoch verschieden ist.
Insgesamt ist sie also – wie die Akkorde – zur Hälfte symmetrisch, zur Hälfte
asymmetrisch.

Die Transpositionen der Reihe erfolgen analog zu denen der acht Akkorde: Jeder
Ton der Grundform (von dis aus) wird nacheinander als Anfangston der
Transposition der Reihe verwendet.175

So entstehen alle zwölf Transpositionen. Sie sind als Sch 1 bis Sch 12 bezeichnet. In
den Skizzen werden auch die anderen Formen der Reihe – Umkehrung, Krebs und
Krebsumkehrung – als Sch ... , bezogen auf die Originalreihe, bezeichnet.176

175
Die erste "Spalte" in der Übersicht der Transpositionen enthält also ebenfalls die Originalreihe von
dis aus; bei den anderen Formen ist es genauso.
176
Die Formen und Transpositionen der Schönberg-Reihe finden sich im Anhang.

163
IV.3. Analyse von Carceri d'Invenzione I

IV.3.a) Taktdisposition
Carceri d'Invenzione I ist ursprünglich geplant als Aneinanderreihung von 15 Zyklen
von je 15 Takten. Dabei entsprechen die Taktlängen des letzten Zyklus denen des
ersten von rechts nach links gelesen.

1.Zyklus:

1 Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Länge 3/8 3/12 3/16 4/8 4/10 2/8 5/16 5/12 5/16 4/8 5/16 9/16 5/16 2/8 5/16

15.Zyklus:
15 Takt 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165
Länge 5/16 2/8 5/16 9/16 5/16 4/8 5/16 5/12 5/16 2/8 4/10 4/8 3/16 3/12 3/8

Dazwischen verändern sich die Taktlängen der Zyklen leicht, sodass ein allmählicher
Übergang zwischen diesen beiden Extremen entsteht.

"2.Hälfte: allmähliche (z.B. uneinheitliche) Rückkehr zur Rückwärtsbewegung des originalen 15-Takte-
Zyklus." 177

Etwas genauer ist der Übergang vom sechsten zum siebten Zyklus beschrieben:

"jede 2. gerade Zahl wechselt zu .../10


jede 3. ungerade Zahl wechselt zu .../12
ansonsten subtrahiere 1/16" 178

Der Begriff "Zahl" bezieht sich hierbei auf den Zähler.

6.Zyklus:

6 Takt 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91
Länge 6/8 7/16 3/8 6/8 3/8 4/8 7/8 11/16 4/8 6/8 4/8 6/8 4/8 7/16 3/8

7.Zyklus:
7 Takt 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106
Länge 11/16 3/8 5/16 6/10 3/12 7/16 13/16 5/8 4/8 11/16 4/10 11/16 4/10 7/24 5/16

Mit weiteren ähnlichen Übergängen von einem Takt zum entsprechenden des
nächsten Zyklus lassen sich Verbindungen zwischen allen 15 Zyklen finden.

177
"2nd half: gradual (i.e. uneven) return to retrogr. of original 15 bar-cycle" – Bemerkung auf
Skizzenblatt MM3 aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.
178
"every 2 nd even number change to .../10, every 3rd odd number change to …/12, otherwise subtract
1/16" – Bemerkung auf Skizzenblatt MM3 aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.

164
Einige Arten von Übergängen sind in der folgenden Übersicht179 farbig markiert:

Takt bleibt gleich

1/16 wird subtrahiert

1/16 wird addiert

Zähler + 1, Nenner gleich

Zähler - 1, Nenner gleich

Zähler gleich, Nenner wechselt zu .../10 bzw. .../20

Zähler gleich, Nenner wechselt zu .../12 bzw. .../24

Zähler gleich, Nenner wechselt zu .../8 bzw. .../16

Zähler + 1; Nenner nächst höher

Zähler - 1, Nenner nächst höher

Der Nenner wird "nächst höher" gemäß der verwendeten Proportionen:

8 Æ 10 Æ 12 Æ 16 Æ 20 Æ 24 Æ 32

brillant and vulgar


1 Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Länge 3/8 3/12 3/16 4/8 4/10 2/8 5/16 5/12 5/16 4/8 5/16 9/16 5/16 2/8 5/16

2 Takt 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
Länge 7/16 3/12 2/8 9/16 4/10 5/16 3/8 5/12 3/8 9/16 3/8 5/8 3/8 5/16 3/8

3 Takt 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46
Länge 4/8 3/8 7/24 3/16 4/8 5/20 2/8 5/16 11/24 5/16 4/8 5/16 9/16 5/16 2/8 5/16

4 Takt 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61
Länge 5/10 3/8 2/10 5/10 2/12 3/10 6/12 5/8 3/10 5/10 3/10 5/10 3/10 3/10 3/10

5 Takt 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76
Länge 6/12 4/8 3/10 6/10 3/12 4/10 7/12 6/8 4/10 6/10 4/10 6/10 4/10 4/10 4/10

6 Takt 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91
Länge 6/8 7/16 3/8 6/8 3/8 4/8 7/8 11/16 4/8 6/8 4/8 6/8 4/8 7/16 3/8

7 Takt 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106


Länge 11/16 3/8 5/16 6/10 3/12 7/16 13/16 5/8 4/8 11/16 4/10 11/16 4/10 7/24 5/16

179
Die Einteilung in Zyklen findet sich auf den Übersichtsblättern MM 1 und MM 2 aus der Mappe von
Carceri d'Invenzione I. Dort enthält der dritte Zyklus 16 Takte statt der regulären 15.
Zur besseren Übersicht ist der 7.Zyklus auf der folgenden Seite noch einmal aufgeführt.

165
7 Takt 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106
Länge 11/16 3/8 5/16 6/10 3/12 7/16 13/16 5/8 4/8 11/16 4/10 11/16 4/10 7/24 5/16

Garish
8 Takt 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121
Länge 3/8 4/10 9/20 6/8 9/20 6/8 9/20 11/16 7/8 4/8 7/24 13/20 3/8 7/16 6/8

9 Takt 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135
Länge 3/8 5/10 5/12 11/16 9/20 11/16 5/10 5/8 6/8 7/16 4/10 11/16 3/8 4/8 11/16

10 Takt
Länge 3/8 6/8 11/16 5/8 9/20 5/8 11/20 9/16 5/8 3/8 4/10 9/12 3/8 9/16 5/8

11 Takt
Länge 3/8 7/16 6/10 9/16 9/20 9/16 6/10 4/8 9/16 5/16 4/10 7/10 3/8 5/10 9/16

12 Takt
Länge 3/8 4/10 3/8 9/16 4/8 4/8 5/8 7/16 4/8 2/8 4/10 5/8 3/8 4/10 4/8

13 Takt
Länge 3/8 9/24 3/10 9/16 7/16 4/8 4/10 6/12 7/16 2/8 4/10 4/12 5/16 5/12 7/16

14 Takt 136 137 138 139 140 141 142 145 146 145 146 145 146 149 150
Länge 3/8 5/16 3/12 9/16 3/8 4/8 3/12 5/10 3/8 2/8 4/10 4/10 2/8 4/12 3/8

15 Takt 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165
Länge 5/16 2/8 5/16 9/16 5/16 4/8 5/16 5/12 5/16 2/8 4/10 4/8 3/16 3/12 3/8

Die nicht mit Taktzahlen bezeichneten Zyklen 10, 11, 12 und 13 werden später
weggelassen, vermutlich weil das Stück sonst zu ausgedehnt wäre.

Als Ausgleich für den überzähligen Takt des dritten Zyklus wird im neunten Zyklus –
dem vor dem "Sprung" – der letzte Takt weggelassen. Außerdem werden die Längen
der Takte 154 und 155 in der Ausarbeitung miteinander vertauscht.

So entstehen die endgültigen 11 mal 15 = 165 Takte von Carceri d'Invenzione I.

166
IV.3.b) Gesamtanlage und Instrumentation
Carceri d'Invenzione I ist für Kammerorchester und Schlagwerk konzipiert: Neben
einem (solistisch besetzten) Streichquintett (zwei Violinen, Bratsche, Cello,
Kontrabass) besteht das Orchester aus Blechbläsern (Horn, Trompete, Posaune
Tenor-Tuba/Euphonium), Holzbläsern (Flöte/Piccolo, Oboe/Englisch Horn, Es-/B-
Klarinette, Bass-Klarinette, Fagott/Kontrafagott), Klavier und Perkussion
(Glockenspiel, 5 Holzblöcke, 5 Trommeln und eine große Basstrommel, alles von
einem Spieler bedient). Dazu kommen am Schluss des Stücks drei Triangeln, die
von den Spielern von Horn, Oboe und Trompete mit übernommen werden.

Der Form des Stück liegt die Idee einer spiralenförmigen Ausdehnung zugrunde:

"Formale Struktur = "Spirale": Eine bestimmte Anzahl von Einheiten bezieht sich rückwirkend auf eine
bestimmte "Welt" früher im Stück.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
z.B. 2 bezieht sich auf 1, 3+4 auf 2, 5+6+7 auf 3 etc." 180

Diese Spiral-Form wird noch anders angedeutet181:

" "symmetrical spiral form"


begin at golden section, but reverse order (…).
At one point of which the spiral moment begins,
insert a section in which all elements are presented rapidly (...)"

Dabei kann das Wiederkehren von etwas bereits da Gewesenem als Schnittpunkt
zwischen Linie und Spirale verstanden werden, der im Verlauf der Spirale immer
wiederkehrt, jeweils im nächst äußeren Bereich.

Der Aspekt der Nähe bzw. Ferne zwischen Linie und Spiral-Verlauf wird hier sichtbar.

Die wiederkehrenden Teile werden als "Interventions" bezeichnet. Auch erscheinen


speziell gekennzeichnete Streicher-Einwürfe ("string entries") immer wieder und
können in ähnlicher Weise verstanden werden.

Die "Interventions" werden noch genauer beschrieben:

"Die Anzahl der Takte innerhalb der "Intervention"-Sektionen nimmt zu, und genauso werden
allmählich kontrastierende Texturen in solchen Passagen nebeneinander platziert, entweder indem
alle Instrumente plötzlich wechseln oder eine Ebene jeweils (immer beim Taktstrich !)" 182

180
"Formal structure = "spiral": A certain number of units refer back to a particular "world" earlier in the
piece. e.g. 2 refers to 1, 3+4 to 2, 5+6+7 to 3 etc." – Bemerkung auf Skizzenblatt [7] aus der Mappe
von Carceri d'Invenzione I.
181
Skizzenblatt (52) des Notenblocks aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I. Auf demselben
Blatt ist später vom "Flute concerto" die Rede, weshalb sich die Idee der Spirale möglicherweise
(auch) auf Carceri d'Invenzione II bezieht.

167
Die "Interventions" werden immer vom gesamten Orchester (tutti) gespielt und
beginnen in Takt 41 mit einem Takt. Sie nehmen an Länge zu, bis sie in Takt 66 vier
Takte umfassen und nehmen anschließend wieder ab zu einem Takt (Takt 97). Die
Abstände zwischen den Interventionen werden jeweils einen Takt länger: von zuerst
drei Takten zwischen i1 und i2 zu später acht Takten zwischen i7 und i8.

40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69
i1 i2 i3 i4 i5
1 Takt 1 Takt 2 Takte 3 Takte 4 Takte
tutti tutti tutti tutti tutti
3 Takte 4 Takte 5 Takte 6 Takte

70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99
i6 i7 i8
3 Takte 2 Takte 1 Takt
tutti tutti tutti
7 Takte 7 Takte 8 Takte

Die "string-entries" beginnen bereits in Takt 19 und nehmen an Länge und


Spielerzahl kontinuierlich ab. Der Abstand zwischen den "Streichquartett-Einwürfen"
nimmt dagegen zu, aber nicht gleichmäßig, sondern etwa nach der Fibonacci-
Reihe.183

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 42 43 44 45 46 47
se1 se2 se3
8 Takte 7 Takte 6 Takte
Quartett Quartett Trio
1 Takt 2 Takte 4 Takte

48 49 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 80
se4 se5 se6
5 Takte 4 Takte 3 Takte
Trio Duo Duo
7 Takte 9 Takte

81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99
se7 se7*
2 Takte 1 Takt
Solo Solo
17 Takte

182
"Increase number of bars in "intervention" sections, and also gradually place contrasted textures
next to one another in such passages, either all instruments changing suddenly, or else one layer at a
time (always at a bar-line !)" – Bemerkung auf Skizzenblatt [4] aus der Mappe von Carceri
d'Invenzione I.
183
Sie lautet: 1-1-2-3-5-8-13-21...; die Zahlenreihe hier lautet 1-2-4-7-9-17 und entspricht etwa der
Fibonacci-Reihe von der dritten Zahl an jeweils minus 1.

168
Der siebte Streicher-Einsatz ist in den Skizzen doppelt eingetragen; bei näherer
Betrachtung scheint jedoch Takt 87/88 kein "echter" Einsatz zu sein, da er mit der
siebten Intervention genau zusammenfällt. Auch die Zunahme der Abstände
zwischen den Streicher-Einsätzen spricht gegen Takt 87/88. Allein die kontinuierliche
Abnahme der Länge der Streicher-Einsätze würde zwei Takte für den siebten Einsatz
erwarten lassen.

Die beiden Zyklen der "Interventions" und der "string entries" überlagern sich und
beeinflussen sich sogar gegenseitig: so wird "string entry 4" (Takt 48 bis 54) in Takt
50 und 51 durch "Intervention 3" unterbrochen und anschließend weiter
fortgesetzt.184

Auf die immer länger werdenden Tutti-Teile folgt ein "central tutti" ohne Perkussion
(Takt 107 bis 124). Schließlich wird die Textur transparenter, auch durch einen
ausgehaltenen Klang und zwei Generalpausen mit Fermate185, und mündet in die
Coda, in der der metallische Klang der Triangeln immer mehr zur Geltung kommt.

Der oftmals abrupte Wechsel zwischen kammermusikalischen Passagen und Tutti-


"Interventions" macht Nähe und Distanz der musikalischen Ereignisse geradezu
fühlbar. Dasselbe ist der Fall beim Wechsel zwischen dem trockenen, spröden Klang
der Bläser und dem weichen, verbindenden Klang der Streichertextur.

Die nun folgende Übersicht zeigt die Verteilung der Instrumente im Laufe des Stücks,
sowie – in Bezug auf die Tonhöhendisposition – die Verwendung von Texturen, die
nur (die gewohnten) Halbtonschritte enthalten – sie sind im helleren Farbton
dargestellt – im Gegensatz zu den restlichen Bereichen, die auch mikrotonale
Elemente (Vierteltöne) in der Tonhöhendisposition enthalten.
Die Anordnung der Instrumente wechselt bisweilen, um die gemeinsame Textur
bestimmter Instrumente hervorzuheben.

Zu Beginn fällt – hörbar wie sichtbar – die viermalige Abfolge von vier Takten Piccolo
+ Posaune + Klavier auf. Dieser fanfarenartige Spaltklang spannt hier bereits die
registermäßigen Extreme des Ensembles auf.186

In Takt 9 setzten die restlichen Bläser ein und stellen das akkordische Material
erstmals vor187. Im Verlauf von Takt 16 bis 19 wird die Spielweise von Klarinette und
Trompete allmählich den Staccato-Tupfern von Piccolo, Posaune und Klavier
angeglichen, bevor die Liegetöne der anderen Bläser (Blech mit Dämpfer) zum
ersten (achttaktigen) Streicher-Einsatz ("kalt und metallisch") überleiten.

184
Die Überlagerungen sind hier nicht extra dargestellt; sie lassen sich problemlos aus der Übersicht
im Anschluss herauslesen.
185
Sie sollen jeweils zwischen zwei und fünf Sekunden ausgehalten werden.
186
Der Klang dieser Kombination erinnert bisweilen an den Klang des "Didgeridoo" der australischen
Ureinwohner.
187
vgl. dazu die Anmerkungen von Pietro Cavallotti zu den Takten 9 und 10 in CAVALOTTI, Pietro:
Einige Bemerkungen über die Tonhöhenorganisation in Brian Ferneyhoughs Zyklus "Carceri
d'Invenzione". (2000; dt.) in: Mitteilungen der Paul Sacher Stiftung. Nr.13, Basel 2000, S.51-52.

169
Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23
Picc
Pos
Pfte
Ob
B-Kl
Bass-Kl
Fag
Horn
Trp
Ten.Tb
Vln.1
Vln.2
Vla
Vlc
Kb

"1st string entry"


8 Takte
Quartett

Diese spezielle Klangfärbung der Streicher dominiert bis zur ersten Intervention (Takt
41). Die anderen Instrumente spielen derweil eigene Texturen: entweder sie
begleiten kontinuierlich auf sparsame Weise (Klavier "ombroso", Kontrabass
pizziccato, später Glockenspiel ebenfalls "ombroso"), oder sie treten durch
polyphone kommentarartige Einwürfe in Erscheinung (Holzbläser "irritato", dann
"arrabiato", "grotesco", "sereno"), oder sie färben die Textur durch homophone
Blöcke (Blechbläser).188

"1st Intervention"
Takt 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
Picc
Ob
B-Kl
Bass-Kl
Fag
Horn
Trp
Pos
Ten.Tb
Glock.
Drums
Pfte
Vln.1
Vln.2
Vla
Vlc
Kb

"2nd string entry" "3rd string entry"


7 Takte 6 Takte
Quartett Trio

188
Die Rollenverteilung erinnert bisweilen an "The Unanswered Question" von Charles Ives.

170
Eine abrupte Unterbrechung findet durch die erste Intervention in Takt 41 statt: Alle
beteiligten Instrumente scheinen dabei eine Gemeinsamkeit in ihrer Regelmäßigkeit
und der überwiegenden Homophonie zu haben. So ist der Holzbläsersatz völlig
homophon und innerhalb des Taktes gleichmäßig in vier Septolen unterteilt. Das
Streichquartett ist ebenso streng homophon und hauptsächlich in Triolen unterteilt.

Durch die Tonwiederholungen wird der Kontrast zur Textur des dritten Streicher-
Einsatzes, der ja diesen Teil umgibt, besonders deutlich. Ähnliche
Tonwiederholungen kamen bereits bei den Blechbläsern in Takt 36 bis 39 vor; ein
Bezug im Sinne der vorgestellten Spiralform liegt hier nahe.

Auffällig auch der Kontrabass- und der Glockenspiel-Part: Beide haben dieselbe
rhythmische Phrase, die vier- bzw. fünfmal wie ein sich überlagerndes Ostinato
wiederholt wird.

"2nd Intervention" "3rd Intervention" "4th Intervention"


Takt 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
Fl
Ob
B-Kl
Bass-Kl
Fag
Horn
Trp
Pos
Ten.Tb
Glock.
Blocks
Drums
Pfte
Vln.1
Vln.2
Vla
Vlc
Kb

"4th string entry" "5th string entry"


5 Takte 4 Takte
Trio Duo

Die weiteren Interventionen folgen nun in kurzen Abständen. Die mit Pausen
durchsetzte Pizziccato- bzw. Staccato-/Akzent-Textur der zweiten Intervention
scheint sich dabei auf die viermal vier Takte Piccolo + Posaune + Klavier vom Beginn
zu beziehen, was besonders im Vergleich mit den Takten 17 bis 19 ins Auge sticht.

Zwischen dritter und vierter Intervention wird das Zusammenspiel zwischen dem
Klavier und den Bläsern hervorgehoben, indem einzelne Akkordtöne des Klaviers
zeitgleich in anderen Instrumenten erklingen; dort sind sie jedoch eingebettet in eine
eigene Textur, die man vielleicht als "fließendes" Pendant der "erstarrten"
Klavierakkorde verstehen könnte, auch wenn die Töne nicht völlig übereinstimmen.

171
In Takt 66 bis 69, der fünften und längsten Intervention, sind die
Instrumentengruppen anders zusammengestellt als gewohnt: Es gibt nun vier
Gruppen aus verschieden hohen Blas- und Streichinstrumenten, dazu eine fünfte
Gruppe mit Perkussion, Trompete und Klavier. Jede Gruppe hat ihre eigene
Klangfarbe und ihre eigene Textur. So kann jede der fünf Gruppen auf eine andere
bereits da gewesene Stelle verweisen.

"5th Intervention "canonic" textures "6th Intervention"


Takt 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
Fl Fl
Bass-Kl E.H.
Vln.1 B-Kl
Ob Bass-Kl
Horn Fag
Vla Horn
B-Kl Trp
Vln.2 Pos
Vlc Ten.Tb
Trp Glock.
Blocks Blocks
Drums Drums
Pfte Pfte
Fag Vln.1
Pos Vln.2
Ten.Tb Vla
Kb Vlc
Kb

"6th string entry"


3 Takte
Duo

Die Bezeichnung "kanonische Texturen" für die nachfolgenden Takte stammt aus der
Gesamtübersicht189 und bezieht sich wahrscheinlich auf die Einsatz um Einsatz
allmählich wieder dichter werdende polyphone (!) Bläser-Textur. Bei der sechsten
Intervention ist dann mit fast allen Instrumenten die größte Dichte erreicht, allerdings
kippt der Satz in homophone Blöcke der Instrumentengruppen um (Holz, Blech,
Streichquartett, restliche Instrumente).

Im weiteren Verlauf erscheinen die Bereiche zwischen den (Tutti-)Interventionen


immer kammermusikalischer. Dadurch wird der Kontrast zur siebten und achten
Intervention zwar größer, die übergeordnete Tendenz eines langgestreckten
"Decrescendo" – als Vorbereitung auf das "zentrale Tutti" (Takt 107 bis 124) – wird
jedoch mindestens ebenso deutlich.

Wie genau diese Zwischenbereiche organisiert sind, zeigen die ausführlichen


Skizzen zur Tonhöhenorganisation, z.B. in Takt 80/81 des Klaviers, in Takt 82 ff. von
Klarinette und Bass-Klarinette (nach der sechsten Intervention), in Takt 89 ff. von

189
Skizzenblatt MM 1 aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.

172
Klarinette und Bass-Klarinette (nach der siebten Intervention) und in Takt 100 ff.
wiederum des Klaviers (nach der achten Intervention).190

"7th Intervention" "8th Intervention"


Takt 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106
Picc
Fl
E.H./Ob
B-Kl
Bass-Kl
Fag
Horn
Trp
Pos
Ten.Tb
Glock.
Blocks
Drums
Pfte
Vln.1
Vln.2
Vla
Vlc
Kb

"7th string entry"


(1 Takt)
Solo

Besonders trocken wirkt der Teil zwischen achter Intervention und "Central Tutti":
Trommel, Holzblock und Blechbläser "zerreißen" förmlich den bereits filigranen
Klavierpart durch ebenso knappe wie schroffe Akkordeinwürfe.

"central tutti"
Takt 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124
Picc
Ob
Es-Kl
Bass-Kl
Fag
Horn
Trp
Pos
Ten.Tb
Vln.1
Vln.2
Vla
Vlc
Kb

190
Alle diese Stellen werden später genauer analysiert.

173
Man könnte erwarten, dass das Stück allmählich verklingt und auf gleiche Weise zum
Abschluss kommt wie später Carceri d'Invenzione III; es schließt sich jedoch nach
dem "zentralen Tutti" ein zweiter Teil an.

Bezüglich der Tonhöhenorganisation191 – und damit verbunden der Gewichtung der


Instrumente – lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: Piccolo, Oboe, Es-
Klarinette192, Trompete, Violine 1 und 2 und Bratsche enthalten jeweils eine
Melodielinie aus dem Material genau eines Akkordes, während die anderen
Instrumente kurze "Tupfer" aus freierem Material beisteuern.

Der Übergang zum zweiten Teil (Takt 125 ff.) wird durch allmähliches "Einstreuen"
homophoner Blöcke im Blech ab Takt 113/114 eingeleitet. Schließlich enden alle
Blasinstrumente, sowie der Kontrabass mit gemeinsamen Liege-Akkorden (Takt 122
bis 124), während das Streichquartett bereits mit der neuen (polyphonen) Glissando-
Textur des zweiten Teils beginnt.

"part 2"
Takt 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147
Picc
Ob
Es-Kl
Bass-Kl
K-Fag
Trp
Pos
Ten.Tb
Tri 1
Tri 2
Glock.
L.b.dr.
Pfte
Vln.1
Vln.2
Vla
Vlc
Kb

Das Streichquartett bildet das Fundament dieses Teils und verändert seine Textur
allmählich, bis es vor dem Beginn der Coda (Takt 148) mit Staccato-
Tonwiederholungen das Stück für sich abschließt.

Zwei Tandems", d.h. in sich gemeinsam organisierte Instrumentenpaare, setzen in


Takt 131 (Oboe + Glockenspiel) und Takt 136 (Piccolo + Es-Klarinette) ein.193

Die anderen Instrumente, allen voran das Klavier mit seinen Vorschlagsnoten,
scheinen die Szene zu kommentieren; in Takt 141 unterstützen Trompete, Posaune
und Klavier schließlich den Staccato-Ausdruck der Streicher, wenn auch ohne
Tonwiederholungen. Womöglich handelt es sich auch hier um eine

191
Auch sie wird später genauer untersucht.
192
Sie tritt hier erstmals auf anstelle der B-Klarinette und betont damit das höhere Register.
193
Der "Sprung" der Taktanordnung zwischen Takt 135 und Takt 136 tritt nicht weiter in Erscheinung.

174
(weiterentwickelte) Reminiszenz an die viermal vier Takte Piccolo + Posaune +
Klavier zu Beginn.

Der Einsatz der Triangeln ab Takt 139 trägt zum metallischen (Spalt-)Klang der
Reminiszenz bei und läutet gleichzeitig die sich nahtlos anschließende Coda ein.

"Coda"
Takt 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165
Fl
Bass-Kl
K-Fag
Pos
Ten.Tb
Tri 1
Tri 2
Drums
Pfte
Vla
Kb

Auch sie fasst bereits da gewesene Elemente wieder auf und führt sie – diesmal
wirklich – zum Ende. Das "Tandem" von Flöte und Bratsche führt die melodische
Komponente weiter, während die anderen Instrumente mit Ausnahme der Perkussion
verstummen. Die Triangeln könnten als Ausläufer der Liege-Akkorde verstanden
werden, die filigrane Trommelstimme scheint vom Klavierpart des Beginns übrig zu
bleiben.

Diese Eindrücke beim – etwas groben – Durchsehen der Partitur weisen auf Ansätze
zur Spiral-Form hin. Details wie die Beispiele zur Tonhöhenorganisation oder der
Rhythmusdisposition mögen weitere Parallelen aufzeigen. Die Skizzen geben nur
sehr ungenau Aufschluss über die Strategie der Umsetzung der Idee der Spiralform
in diesem Stück.

Der Höreindruck jedoch dürfte den – eher positiven oder eher negativen – Ausschlag
beim Verständnis dieser Anlage geben.

175
IV.3.c) Tonhöhendisposition
Generell kann man sagen, dass sich die lineare Tonhöhenordnung ebenfalls aus
dem Akkordmaterial herleitet, indem die Akkorde auf verschiedene Art und Weise
melodisch verarbeitet werden. Die "Schönberg-Reihe" spielt dabei eine wichtige
(ordnende) Rolle.

Drei Verarbeitungstechniken sind in den Skizzen ausführlich dokumentiert:


die Verwendung einer Gruppe von (jeweils vier) Einzelakkorden
die Verwendung einer Gruppe von (jeweils drei) Akkordkombinationen und
die lineare Verwendung von Einzelakkorden.

a) Gruppe von vier Einzelakkorden

Die melodische Gestalt z.B. in den Takten 80 bis 81 im Klavier (ohne die beiden
Akkorde zu Beginn der Takte) entsteht – grob gesagt – durch Aneinanderreihung der
vier symmetrischen Akkorde I S, II S, III S und IV S mit bestimmten Kriterien für die
Lage und die Reihenfolge der Akkordtöne.

1.Schritt: Auswahl der Transpositionen der Akkorde und damit der Akkordtöne

Die Auswahl der Transpositionen richtet sich nach den Spitzentönen der Akkorde.
Sie sollen an dieser Stelle jedes Mal d sein. Daraus ergeben sich folgende
Transpositionen bzw. Akkordtöne:

IV S0 III S0 II S1 I Sd

Die ersten drei Akkorde kommen bereits als "reguläre" Transpositionen vor, während
der letzte Akkord (I Sd) extra so transponiert wird, dass der Spitzenton d ist.

2.Schritt: vertikale Ordnung / Akkordstellung

Nun wird die vertikale Ordnung der Akkordtöne – die Akkordstellung – festgelegt,
indem die Töne der vier Akkord durch vier verschiedene Transpositionen der
Umkehrung der Sch-Reihe gefiltert194 werden: Sch 12, Sch 10, Sch 8 und Sch 6.

194
Die "schwarzen" Noten entsprechen hier den Tönen des (gefilterten) Akkords.

176
Sch 12 U für IV S0 Sch 10195 U für III S0

Sch 8 U für II S1 Sch 6 U für I Sd

Über das Auswahlkriterium für die Transpositionen der Sch-Reihe lässt sich nur
spekulieren, möglicherweise sind sie frei gewählt.

Die Reihenfolge196 der Akkordtöne sieht nach dieser ersten Filterung also so aus:

IV S0 III S0 II S1 I Sd

Werden die Akkordtöne jeweils in dieser Reihenfolge von oben nach unten notiert, so
entsteht die spätere Akkordstellung:

IV S0 III S0 II S1 I Sd

3.Schritt: Bestimmung der Oktavlagen

Der große Tonumfang des Klaviers erlaubt verschiedene Oktavlagen der Akkorde.
Sie werden durch den Spitzenton d aus dem ersten Schritt bestimmt; dieser Ton soll
nun in vier verschiedenen Lagen vorkommen, bei jedem Akkord in einer anderen
Lage: d3, d, d2 und d1.

4.Schritt: horizontale Ordnung / Reihenfolge der Töne

Nachdem die absoluten Tonhöhen nun festgelegt sind, muss noch die Reihenfolge
der Akkordtöne definiert werden. Dies geschieht durch einen weiteren Filterprozess

195
Auf diesem Skizzenblatt (Notenblatt (19) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I) wurde die
Reihe als Sch 10 bezeichnet, später erscheint dieselbe Reihe jedoch (versehentlich ? auch) als Sch 2.
196
Diese Reihenfolge hat nichts mit der späteren Reihenfolge der Töne in der Partitur zu tun.

177
durch dieselben Sch-Reihen; sie werden jedoch in umgekehrter Reihenfolge den
Akkorden zugeordnet:

IV S0 III S0 II S1 I Sd
Sch 12 U Sch 10 U Sch 8 U Sch 6 U

Sch 6 U Sch 8 U Sch 10 U Sch 12 U

Dadurch ergeben sich folgende Tonfolgen:

Sch 6 U für IV S0 Sch 8 U für III S0

Sch 10197 U für II S1 Sch 12 U für I Sd

Die Reihenfolge der Akkordtöne – mit der Lagen-Definition aus Schritt 2 – sieht nach
dieser zweiten Filterung schließlich so aus:

IV S0 III S0 II S1 I Sd

Es gibt nur noch kleine Unterschiede zur endgültigen Version der Takte 80 und 81:

So ist der erste Ton (fis) von Akkord III S0 weggelassen worden198 und die beiden
ersten Töne von Akkord II S1 (e und a) wurden wiederholt. Letzteres wohl als
Überbrückung nach dem eingefügten Klang zu Beginn von Takt 81199.

197
s. Anm. 195.
198
Als Begründung dafür steht in den Skizzen "omit because of octave coincidence (?) with 3rd part".
199
Der Klang steht nur in der Partitur; hier ist er nicht notiert.

178
Zusammenfasst sieht das Verfahren so aus:

1.Schritt: Auswahl Transpositionen der Akkorde und damit der Akkordtöne


Kriterium: gemeinsamer Spitzenton

2.Schritt: vertikale Ordnung / Akkordstellung


1.Filter: Sch U in vier Transpositionen

3.Schritt: Bestimmung der Oktavlagen


Kriterium: Spitzenton in verschiedenen Oktavlagen

4.Schritt: horizontale Ordnung / Reihenfolge der Töne


2.Filter: Sch U mit interner Vertauschung der vier Transpositionen

oder grafisch dargestellt:

Transposition IV Sd III Sd II Sd I Sd

1.Filter Sch 12 U Sch 10 U Sch 8 U Sch 6 U

Akkordstellung IV Sd III Sd II Sd I Sd

2.Filter Sch 6 U Sch 8 U Sch 10 U Sch 12 U

Tonfolge IV Sd III Sd II Sd I Sd

Auf vergleichbare Weise, aber mit asymmetrischen Akkorden, wird die Melodie der
Klarinette in Takt 82 bis 89 gebildet.

Transposition I As0 II As0 III As0 IV As0

1.Filter Sch 1 U Sch 2 U Sch 3 U Sch 4 U

Akkordstellung I As0 II As0 III As0 IV As0

2.Filter Sch 4 U Sch 3 U Sch 2 U Sch 1 U

Tonfolge I As0 II As0 III As0 IV As0

Die vier Akkorde werden ebenfalls in der Grundform verwendet. (1.Schritt)

I As0 II As0 III As0 IV As0

179
Und die ersten vier Transpositionen der Umkehrung der Sch-Reihe dienen als Filter
für die spätere Akkordstellung. (2.Schritt)

Sch 1 U für I As0 Sch 2 U für II As0

Sch 3 U für III As0 Sch 4 U für IV As0

Es bleiben die gefilterten Töne in dieser Reihenfolge übrig:

I As0 II As0 III As0 IV As0

Werden die Akkordtöne jeweils in dieser Reihenfolge von oben nach unten notiert, so
entsteht die spätere Akkordstellung200. Zur Festlegung der Oktavlage wird (wieder)201
der Spitzenton d des ersten Akkords als Kriterium ausgewählt. Die anderen Akkorde
werden dementsprechend transponiert202. (3.Schritt)

I As0 II As0 II Asd III As0 III Asd IV As0 IV Asd

Diese neuen (!) Akkordtöne werden einer zweiten Filterung unterworfen, um die
spätere Reihenfolge der Töne herauszufinden. Die Reihen der ersten Filterung
werden hierbei wieder in umgekehrter Reihenfolge verwendet. (4.Schritt)

Sch 4 U für I As0 Sch 3 U für II As0

200
jeweils erster Akkord im Takt.
201
vgl. Konstruktion der Tonhöhen des Klaviers in den Takten 80 und 81.
202
jeweils zweiter Akkord im Takt.

180
Sch 2 U für III As0 Sch 1 U für IV As0

Ohne Oktavlagen sieht die Reihenfolge so aus:

I As0 II Asd III Asd IV Asd

Unter Berücksichtigung der bereits definierten Oktavlagen finden sich die Töne der
ersten beiden Akkorde in tieferer bzw. recht wechselhafter Lage wieder.
I As0 II Asd III Asd IV Asd

Ganzton kleine Terz nicht nicht


höher höher transponiert transponiert

Für die endgültige Version der Takte 82 bis 89 werden die ersten beiden Akkorde ein
weiteres Mal transponiert, damit sie in den Tonumfang der Klarinette passen; die
letzten beiden Akkorde können unverändert bleiben. Wohl versehentlich203 ist der
letzte Ton des zweiten Akkords f geworden.

Die Verwendung der so konstruierten Töne reißt in Takt 89 unvermittelt ab und eine
neue Konstruktion aus vier asymmetrischen Akkorden – jeweils der ersten
Transposition – beginnt.

203
Liest man das ges im Violinschlüssel, handelt es sich um es2 und würde transponiert fis2 ergeben.

181
Die Töne der Klarinette in Takt 90 bis 94 sehen so aus:

Mit einem analogen Verfahren werden die Tonhöhen konstruiert:


Transposition I As1 II As1 III As1 IV As1

1.Filter Sch 3 U Sch 4 U Sch 5 U Sch 6 U

Akkordstellung I As1 II As1 III As1 IV As1

2.Filter Sch 6 U Sch 5 U Sch 4 U Sch 3 U

Tonfolge I As1 II As1 III As1 IV As1

1.Schritt: Auswahl Akkorde – jeweils erste Transposition – und damit der Akkordtöne

I As1 II As1 III As1 IV As1

Akkord I As1 ist hier mit fis statt f notiert204, ein "Fehler", der jedoch beibehalten wird
bei der Verwendung dieser Transposition.

2.Schritt: vertikale Ordnung / Akkordstellung

Für diesen ersten Filter wird die Umkehrung der Sch-Reihe in vier Transpositionen
verwendet: Sch 3 U, Sch 4 U, Sch 5 U und Sch 6 U.

Sch 3 U für I As1 Sch 4 U für II As1

Der Ton e aus Akkord I As1 wurde bei der Filterung durch Sch 3 U übersehen; der
Akkord enthält daher jetzt sieben Töne statt acht.

Sch 5 U für III As1 Sch 6 U für IV As1

204
vgl. Bemerkung zur 1.Transposition in Kapitel IV.2. Die acht Grundakkorde des Zyklus. (S.154).

182
Die Reihenfolge der Akkordtöne sieht nach dieser ersten Filterung also so aus:

I As1 II As1 III As1 IV As1

Von oben nach unten gelesen ergibt sich die Akkordstellung:

I As1 II As1 III As1 IV As1

3.Schritt: horizontale Ordnung / Reihenfolge der Töne

Als zweiter Filter werden die vorher bereits verwendeten Transpositionen der Reihe
intern miteinander vertauscht.

Sch 6 U für I As1 Sch 5 U für II As1

Sch 4 U für III As1 Sch 3 U für IV As1

So entsteht die spätere Reihenfolge der Tonhöhen.

I As1 II As1 III As1 IV As1

183
4.Schritt: Bestimmung der Oktavlagen

Das Kriterium hierfür ist in erster Linie der Tonumfang der Klarinette205; dazu kommt
– zur genaueren Definition – die gleichbleibende Lage bestimmter Töne206.

I As1 II As1 III As1 IV As1

Der erste und der letzte Akkord (I As1 und IV As1) befinden sich vollständig innerhalb
des Tonumfangs der Klarinette und bleiben daher unverändert.
Der erste Ton von Akkord II As1 wurde um eine Oktav nach unten transponiert und
stimmt dadurch mit dem letzten Ton von Akkord I As1 überein.
Der tiefste Ton von Akkord II As1 wird zur "Verankerung" des darauf folgenden
Akkordes III As1, der sonst viel zu tief gelegen wäre. Akkord III As1 wird also an
dieser Stelle als Ganzes um eine kleine Septim nach oben transponiert.

Zum Vergleich jetzt noch einmal die endgültige Version der Takte 90 bis 94:

Der "Verankerungston" as aus Akkord II As1 wird beim ersten Auftreten – um die
Wiederholung zu vermeiden – weggelassen.

Als Partnerstimme zur Klarinette wurde die der Bass-Klarinette in ähnlicher Weise
organisiert:

"NUR symmetrische Akkorde in der Bass-Klarinette, asymmetrische in der Klarinette." 207

Gemeinsam ist das Verfahren, die Tatsache, dass zwei Gruppen à vier Akkorde
verwendet werden und der Einschnitt in Takt 89/90, wo die Tonhöhen der ersten
Gruppe unvermittelt abbrechen: Gleichsam ein homophoner Zug in der polyphonen
Textur, eine Verbindungsachse zwischen den beiden Partnern.

205
Sie ist in der Partitur wie in den Skizzen in C notiert.
206
Die Bögen sind auch so auf Skizzenblatt (29) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I
eingetragen.
207
"symmetrical chords ONLY in Bass-Clar., asym. in Clar." – Nebenbemerkung auf Skizzenblatt (24)
aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.

184
Die erste Akkordgruppe der Bass-Klarinette (Takt 82 bis 89) entsteht aus den
Grundformen der vier symmetrischen Akkorde.

Transposition I S0 II S0 III S0 IV S0

1.Filter Sch 5 U Sch 6 U Sch 7 U Sch 8 U

Akkordstellung I S0 II S0 III S0 IV S0

2.Filter Sch 8 U Sch 7 U Sch 6 U Sch 5 U

Tonfolge I S0 II S0 III S0 IV S0

I S0 II S0 III S0 IV S0

Es folgt der erste Filterungsprozess, wiederum mit vier Transpositionen der


Umkehrung der Sch-Reihe:

Sch 5 U für I S0 Sch 6 U für II S0

Sch 7 U für III S0 Sch 8 U für IV S0

Vergleicht man, welche Sch-Reihen bei beiden Klarinettenstimmen verwendet


wurden, lässt sich ein Schema erkennen:

Klarinette / 1.Akkordgruppe: Sch U 1 bis Sch U 4

Klarinette / 2.Akkordgruppe: Sch U 3 bis Sch U 6

Bass-Klarinette / 1.Akkordgruppe: Sch U 5 bis Sch U 8

Bass-Klarinette / 2.Akkordgruppe: Sch U 6 bis Sch U 9

185
Jeweils zwei Reihen wurden übernommen und die zwei nächsten kamen neu dazu;
bei der letzten Gruppe wurden drei Reihen übernommen und nur eine hinzugefügt.
Demnach scheint der Klarinettenpart vor dem Bass-Klarinettenpart konstruiert
worden zu sein.

I S0 II S0 III S0 IV S0

Jeweils von oben nach unten gelesen ergeben sie die Akkordstellung:

I S0 II S0 III S0 IV S0

Die zweite Filterung – wiederum in umgekehrter Reihenfolge der ersten Filterung –


sorgt für die Reihenfolge der Töne:

Sch 8 U für I S0 Sch 7 U für II S0

Sch 6 U für III S0 Sch 5 U für IV S0

Die gefilterten Töne hintereinander gelesen ...

I S0 II S0 III S0 IV S0

186
… und in die entsprechenden Oktavlagen versetzt ...

I S0 II S0 III S0 IV S0

Quart Oktav kleine Dezim kleine Dezim


tiefer tiefer tiefer tiefer

… ergeben fast schon das endgültige Ergebnis der Takte 82 bis 89; die Akkorde
müssen nur noch transponiert werden, damit der Tonraum der Bass-Klarinette
ausgefüllt wird. Die Bögen geben dabei die Kriterien für die genaue Transposition an.

Die Fortsetzung gestaltet sich gleichermaßen (Bass-Klarinette Takt 89 bis 97):

Transposition I S*1 II S1 III S*1 IV S1

1.Filter Sch 9 U Sch 8 U Sch 7 U Sch 6 U

Akkordstellung I S*1 II S1 III S*1 IV S1

2.Filter Sch 6 U Sch 7 U Sch 8 U Sch 9 U

Tonfolge I S*1 II S1 III S*1 IV S1

Wie bei der zweiten Akkordgruppe der Klarinette werden jeweils die ersten
Transpositionen der Akkorde verwendet.

187
I S*1 II S1 III S*1 IV S1

Der erste und der dritte Akkord sind dabei leicht verändert: Bei Akkord I S*1 fehlt der
mittlere Ton d2 und Akkord enthält in der Mitte statt f2 ein fis2. Beide Veränderungen
finden nur an dieser Stelle des Zyklus statt – im Gegensatz zum fis in Akkord I As1 .

Durch Filterung ergibt sich die Stellung der Akkorde, indem ...

Sch 9 U für I S*1 Sch 8 U für II S1

Sch 7 U für III S*1 Sch 6 U für IV S1

… verwendet wird und die Töne in der gefilterten Reihenfolge …

I S*1 II S1 III S*1 IV S1

… von oben nach unten gelesen werden.

I S*1 II S1 III S*1 IV S1

Durch die zweite Filterung …

Sch 6 U für I S*1 Sch 7 U für II S1

188
Sch 8 U für III S*1 Sch 9 U für IV S1

... ergibt sich die Abfolge der Tonhöhen …

I S*1 II S1 III S*1 IV S1

… in den entsprechenden Oktavlagen:

I S*1 II S1 III S*1 IV S1

nicht Halbton Ganzton Quint


transponiert tiefer tiefer tiefer

Durch weitere Transposition (vgl. Bögen) entsteht die endgültige Tonfolge der
Partitur (Takt 89 bis 97).

189
b) Gruppe von drei Akkordkombinationen

In der Klavierphrase der Takte 100 und 101 werden sämtliche sechs Kombinationen
innerhalb der asymmetrischen Akkorde in zwei Gruppen von je drei Kombinationen
verwendet. Dies geschieht in ähnlicher Weise wie eben bei den vier Einzelakkorden
beschrieben208. Es genügt, zuerst einmal die erste Gruppe von Akkordkombinationen
näher anzuschauen:

I As0 + II As0 I As0 + III As0 I As0 + IV As0

1.Schritt: Auswahl Transpositionen der Akkordkombinationen


Kriterium: jeweils Grundform

Die Töne von jeweils zwei Akkorden sind miteinander kombiniert. Bei den
Grundformen (oberes System) kommen noch einige Töne doppelt vor, auch in
verschiedenen Oktavlagen. Bei ersten Filterung werden sie jedoch als eine Tonhöhe
zusammengefasst. So entstehen bei der Kombination I As0 + II As0 11 verschiedene
Töne, bei I As0 + III As0 8 verschiedene und bei I As0 + IV As0 10 verschiedene.

2.Schritt: vertikale Ordnung / Akkordstellung


1.Filter: Sch KU (Krebsumkehrung) in drei Transpositionen

Sch 1 KU für I As0 + II As0 Sch 2 KU für I As0 + III As0 Sch 3 KU für I As0 + IV As0

Von oben nach unten gelesen ergibt die Tonfolge die spätere Akkordstellung:

208
vgl. Skizzenblatt (29) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.

190
Bei der ersten Akkordkombination wurden innerhalb von Sch 1 KU die Töne f und g
miteinander vertauscht. Vermutlich handelt es sich um einen Schreibfehler, da auch
beim 4.Schritt (Reihenfolge der Töne) an dieser Stelle die Abfolge verändert ist.
Eine andere Erklärung wäre die allzu weite Lage (von oben nach unten) mit der
Septim f-g, die durch die Sekund g-f vermieden würde.

3.Schritt: Bestimmung der Oktavlagen


Kriterium: Tonumfang des Klaviers; möglichst zentrale Lage

Bei der ersten und dritten Akkordkombination füllen die gefilterten Töne bereits fast
den gesamten Ambitus des Klaviers aus, sodass diese Töne höchstens eine Oktave
höher bzw. tiefer transponiert werden könnte. Die zweite Akkordkombination scheint
etwa in der Mitte des Tonumfangs des Klaviers angesiedelt zu sein. Der Grund dafür
könnte sein, dass die Töne der relativ engen Lage im mittleren Bereich des Klaviers
am besten wahrnehmbar sind, während die beiden anderen Kombinationen in sehr
weiter Lage stehen.

4.Schritt: horizontale Ordnung / Reihenfolge der Töne


2.Filter: Sch KU mit interner Vertauschung der Transpositionen209

Sch 2 KU für I As0 + II As0 Sch 3 KU für I As0 + III As0 Sch 1 KU für I As0 + IV As0

Diesmal sind bei Sch 1 KU (dritte Akkordkombination) die Töne fis und g miteinander
vertauscht.

Ansonsten entsprechen die Töne aus Takt 100 (Anfang) dieser Herleitung.

209
Die Vertauschung entspricht der bei den vier Einzelakkorden. Die zugeordneten Farben sind bei
den Akkordkombinationen – logischerweise – nicht so konsequent wie bei der Darstellung des
Umgangs mit einzelnen Akkorden.

191
Grafisch210 zusammengefasst sieht die Anordnung für Takt 100 so aus:

Transposition II As0 + III As0 II As0 + IV As0 III As0 + IV As0

1.Filter Sch 1 KU Sch 2 KU Sch 3 KU

Akkordstellung II As0 + III As0 II As0 + IV As0 III As0 + IV As0

2.Filter Sch 2 KU Sch 3 KU Sch 1 KU

Tonfolge II As0 + III As0 II As0 + IV As0 III As0 + IV As0

Die weiteren Töne dieses und des folgenden Taktes lassen sich durch die anderen
drei Kombinationen zwischen je zwei asymmetrischen Akkorden auf gleiche Weise
organisieren:211

Transposition II As0 + III As0 II As0 + IV As0 III As0 + IV As0

1.Filter Sch 4 KU Sch 5 KU Sch 6 KU

Akkordstellung II As0 + III As0 II As0 + IV As0 III As0 + IV As0

2.Filter Sch 6 KU Sch 4 KU Sch 5 KU

Tonfolge II As0 + III As0 II As0 + IV As0 III As0 + IV As0

Es werden die restlichen drei Akkordkombinationen verwendet.

II As0 + III As0 II As0 + IV As0 III As0 + IV As0

Bei den Kombinationen kommen dann 11 bzw. 8 verschiedene Töne vor. Sie werden
durch die nächsten drei Sch-Reihen gefiltert212: Sch 4 KU, Sch 5 KU und Sch 6 KU.

Sch 4 KU für II As0 + III As0 Sch 5 KU für II As0 + IV As0 Sch 6 KU für III As0 + IV As0

210
Die Farben des oberen und unteren Rands stehen für die beiden verwendeten Akkorde.
211
vgl. Skizzenblatt (31) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.
212
In Takt 100 wurden die Krebsumkehrungen Sch 1 KU, Sch 2 KU und Sch 3 KU verwendet.

192
Für die Akkordstellung ergeben sich dann diese Tonfolgen.

II As0 + III As0 II As0 + IV As0 III As0 + IV As0

Da es sich bei den Kombinationen um mehr Töne handelt als bei den
Einzelakkorden, entsteht jeweils ein größerer Tonumfang. Daher eignet sich die
Verwendung von Akkordkombinationen besonders für den Klavierpart. Bei anderen
Instrumenten müssten Teile anders angeordnet oder nochmals transponiert werden.

II As0 + III As0 II As0 + IV As0 III As0 + IV As0

Für die Reihenfolge der Töne werden die Kombinationen zum zweiten Mal gefiltert:

Sch 6 KU für II As0 + III As0 Sch 4 KU für II As0 + IV As0 Sch 5 KU für III As0 + IV As0

Es entstehen die Töne des Klaviers am Ende von Takt 100 bis zu Takt 101.

II As0 + III As0 II As0 + IV As0 III As0 + IV As0

Ende von Takt 100 Beginn von Takt 101

193
Der letzte Ton der ersten Kombination ist in der Partitur b statt a. Vielleicht als
Ausgleich wurden die beiden letzten Töne der zweiten Kombination, b und a,
vertauscht.

In Takt 102/103 des Klavierparts werden asymmetrische und symmetrische Akkorde


miteinander kombiniert. Von den 16 verschiedenen Möglichkeiten derselben
Transposition – hier der Grundform, also Transposition 0 – werden die drei
Kombinationen zwischen Akkord IV As und den ersten drei symmetrischen Akkorden
verwendet.

Transposition IV As0 + I S0 IV As0 + II S0 IV As0 + III S0

1.Filter Sch 2 U Sch 3 U Sch 4 U

Akkordstellung IV As0 + I S0 IV As0 + II S0 IV As0 + III S0

2.Filter Sch 4 U Sch 3 U Sch 2 U

Tonfolge IV As0 + I S0 IV As0 + II S0 IV As0 + III S0

Die verwendeten Akkordkombinationen lauten also:

IV As0 + I S0 IV As0 + II S0 IV As0 + III S0

Deren Töne (9, 7 und 8 Töne) werden zur Ermittlung der Akkordstellung durch die
Umkehrungen 2, 3 und 4 der Sch-Reihe gefiltert.

Sch 2 U für IV As0 + I S0 Sch 3 U für IV As0 + II S0 Sch 4 U für IV As0 + III S0

Im Unterschied zu allen vorherigen Verfahren entsteht die Akkordstellung, indem die


Töne der ersten Filterung von unten nach oben angeordnet werden.213

213
Bisher wurden sie stets von oben nach unten angeordnet.

194
IV As0 + I S0 IV As0 + II S0 IV As0 + III S0

Die Töne f und g aus Sch 2 U wurden bei der Umsetzung miteinander vertauscht.

Die zweite Filterung ergibt die Reihenfolge der Töne. Hierbei wurden die beiden
äußeren Reihen miteinander vertauscht, die mittlere blieb gleich.

Sch 4 U für IV As0 + I S0 Sch 3 U für IV As0 + II S0 Sch 2 U für IV As0 + III S0

Dadurch entsteht die stringente Aufwärts-Bewegung der Töne der mittleren


Kombination.

IV As0 + I S0 IV As0 + II S0 IV As0 + III S0

Im Vergleich mit der Partitur ist die erste Kombination eine Oktav tiefer. Der
Schlusston g entspricht dem Anfangston der zweiten Kombination und wird daher
übergebunden. Entsprechend ist die zweite Kombination zwei bzw. drei Oktaven
höher.
Der Liege-Akkord des Klavierparts zwischen den Bläser-Einwürfen bleibt
unberücksichtigt. Die zweite Akkordkombination geht danach weiter (immer noch
zwei Oktaven höher).
Die dritte Kombination wird nicht transponiert bis auf den letzten Ton: er klingt mit
dem vorletzten zusammen.

195
Bläser-Akkorde in Takt 102 Bläser-Akkorde in Takt 103

Sie werden vom Klavier durch zeitgleiche Akkorde unterstützt. Dabei werden die
oben definierten Tonhöhen der Melodie entweder in den Akkord hinein ausgehalten
(z.B. dis2 in Takt 102) oder sie entsprechen dem Spitzenton des Akkords (z.B. d2 in
Takt 103).

196
c) Ein Einzelakkord linear: ("central tutti")

Die Tonhöhen der hohen Instrumente sind innerhalb des "central tutti" (Takt 107 bis
Takt 124) durch die Abfolge von jeweils einem Akkord in vier Transpositionen
organisiert. Um eine genügend große Fülle von Material zu erhalten, werden die
Akkordtöne durch fünf verschiedene Sch-Reihen gefiltert. Die so definierte
Reihenfolge der Töne wird durch wechselnde Leserichtung noch variiert.

Der Bratsche z.B. wurde der Akkord III S zugeordnet214. Er erscheint in der
Grundform und in den ersten fünf Transpositionen.

III S0 III S1 III S2 III S3 III S4 III S5

Als Filter wurden vier Transpositionen der Krebsumkehrung der Sch-Reihe


verwendet.

Sch 11 KU Sch 10215 KU

Sch 9 KU Sch 8 KU

Innerhalb einer Art Tabelle werden die gefilterten Tonfolgen als Material gesammelt:

Sch 11 KU Sch 10 KU Sch 9 KU Sch 8 KU


III S0
III S1
III S2
III S3
III S4
III S5

214
vgl. Skizzenblatt (41) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.
215
Sie wird hier als Sch 10 verwendet, erscheint jedoch auch als Sch 2, wie in der Übersicht über die
Sch-Transpositionen.
197
Mit Noten liest sich die Tabelle so:

Sch 11 KU Sch 10 KU Sch 9 KU Sch 8 KU

III S0

III S1

III S2

III S3

III S4

III S5

Einige Ungenauigkeiten enthält die ausnotierte Tabelle: So enthält Akkord III S1 die
Töne cis und g statt ais und e, wahrscheinlich ein Lesefehler aufgrund der Hilfslinien.
Akkord III S4 ist nur durch Sch 11 gefiltert; im folgenden wurde statt dieses Akkords
bereits Akkord III S5 durch Sch 10, Sch 9 und Sch 8 gefiltert. Die letzte Zeile
schließlich enthält zweimal den entsprechenden asymmetrischen Akkord III As5 (mit
nur 6 Tönen) und ist danach nicht weiter ausgefüllt.

Zur endgültigen Partiturversion muss – neben den Oktavlagen216 – noch die (lineare)
Reihenfolge der Zellen der Tabelle geklärt werden und in welcher Richtung die Zellen
jeweils gelesen werden sollen. Es muss quasi ein Weg durch das Labyrinth der
vielen Töne gefunden werden. Anfangs lässt sich der Weg gut rekonstruieren; das
Verfahren wird jedoch – je weiter es fortschreitet – immer weniger konsequent
eingehalten.

216
Die Oktavlagen scheinen recht frei gewählt zu sein; es liegen keine Aufzeichnungen zu ihrer
Planung vor.

198
Die Tonhöhen der Bratsche ab Takt 107 sehen so aus:

III S0 / Sch 11 III S1 / Sch 11 III S2 / Sch 11 III S3 / Sch 11 III S4 /


fis fehlt e zusätzlich
g fehlt

Die Oktavlagen sind nicht berücksichtigt; der Pfeil zeigt an, in welcher Richtung die
entsprechenden Zellen der Tabelle gelesen werden müssen.

Sch 11 III S0 / Sch 10 III S1 / Sch 10 (ohne Vorschlagsnoten)


g und fis fehlen, c und b zusätzlich

Vorschlagsnoten und Zusammenklänge machen eine Zuordnung ab Takt 110


schwierig. Ab Takt 111 lassen sich nur noch vereinzelte Übereinstimmungen finden;
das Ende dieses Taktes könnte (ohne Vorschlagsnoten) eine Wiederaufnahme von
III S1 / Sch 10 entsprechen.

Takt 113 deckt sich mit III S4 / Sch 9 aus der Tabelle217. Danach lassen sich maximal
dreitönige Bruchstücke finden.

Ab Takt 119 werden auch Vierteltöne verwendet, was auf eine andere Art der
Tonhöhendisposition hinweist.

Bei den anderen Instrumenten, die im "central tutti" auf gleiche Weise konstruiert
sind, handelt es sich bei den Bläsern um Piccolo-Flöte (I As), Oboe (II As), Es-
Klarinette (III As) und Trompete (IV As), bei den Streichern um Violine 1 (I S), Violine
2 (II S) und eben die Bratsche (III S). Für sie alle existieren die ausnotierten
Tabellen. Sie sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.

Auffällig ist, dass Akkord IV S an dieser Stelle offenbar nicht verwendet wird.218

217
Wie bereits bemerkt, handelt es sich hierbei in Wirklichkeit um Akkord III S5 .

199
Im Part der Piccolo-Flöte219 – er soll hier als nächstes vorgestellt werden – wird
Akkord I As verwendet.

Die Tabelle enthält diesmal als Spalten (!) die Grundform, sowie die Transpositionen
1 bis 3 des Akkordes. Die Zeilen sind nicht eindeutig zu klassifizieren, da die
Transpositionen der Sch-Reihe (immer Umkehrung) zur Filterung wechseln. An
manchen Stellen ist die Zuordnung selbst fraglich, da keine der Reihen eine
entsprechende Tonfolge enthält.

I As0 I As*1 I As2 I As3

Sch 1 KU Sch 2 KU Sch 3 KU Sch 4 KU


Sch 3 KU Sch 5 KU Sch 6 KU Sch 7 KU
? Sch 8 KU Sch 9 KU Sch 10 KU
Sch 4 KU Sch 11 KU Sch 12 KU Sch 11 KU
Sch 5 KU Sch 10 KU Sch 9 KU Sch 8 KU
(leer) Sch 7 KU Sch 6 KU Sch 5 KU

Die erste Spalte enthält einmal durchgestrichene Noten, die auch nicht dem Akkord
entsprechen, und einmal gar keinen Eintrag.
In der Abfolge der Reihen kann eine Regelmäßigkeit gefunden werden, wenn –
angefangen bei Sch 1 KU – nur die drei letzten Spalten jeweils von links nach rechts
gelesen werden: Dann nimmt die Nummer der Reihe zu bis Sch 12 KU und dann
wieder ab bis Sch 5 KU.

Zur ausnotierten Tabelle sein noch bemerkt, dass Akkord I As*1 sich vom
Originalakkord unterscheidet, indem der Ton d hier weggelassen wurde. Der Akkord
dieser Spalte enthält daher nur sieben Töne.

I As0 I As*1 I As2 I As3

Sch 1 KU Sch 2 KU220 Sch 3 KU Sch 4 KU

Sch 3 KU Sch 5 KU Sch 6 KU Sch 7 KU

218
Die verbleibenden Instrumente (Bass-Klarinette, Fagott, Horn, Posaune, Tenor-Tuba, Cello und
Kontrabass) haben andere, weniger melodiöse, dafür kurzgliedrige, mit Pausen durchsetzte Texturen,
in denen auch Vierteltöne vorkommen.
219
vgl. Skizzenblatt (40) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.
220
Bei Sch 2 KU erscheint das a erst nach dem h.

200
Sch 8 KU Sch 2 KU Sch 2 KU

Sch 9 KU und Sch 10 KU wurden nicht verwendet, statt dessen zweimal Sch 2
KU221.

Sch 4 KU Sch 11 KU Sch 12 KU Sch 11 KU

Sch 5 KU Sch 2 KU Sch 9 KU Sch 8 KU

Hier wurde ebenfalls Sch 2 KU statt Sch 10 KU verwendet.

Sch 7 KU Sch 6 KU Sch 5 KU

Die Tonhöhen der Takte 107 bis 110 entstehen durch Aneinanderreihung der Töne
der ersten Spalte und anschließend der zweiten, jeweils von links nach rechts
gelesen:

I As0 / Sch 1 KU I As0 / Sch 3 KU I As0 / Sch 4 KU

I As0 / Sch 5 KU I As*1 / Sch 2 KU I As*1 / Sch 5 KU


(c fehlt) (c fehlt)

Die Töne ab Takt 111 lassen sich – wie bereits bei der Bratschenstimme – nicht
mehr so eindeutig zuordnen. Um die Töne von I As*1 / Sch 8 KU zuzuordnen222, ist

221
Auf die stellenweise Verwechslung von Sch 10 und Sch 2 wurde bereits hingewiesen.

201
die Abfolge nicht von links nach rechts, sondern etwa von außen nach innen zu
lesen223:

I As*1 / Sch 8 KU

Takt 111 / 112

Für die Abfolge der weiteren Töne kommen Permutationen in Frage, die aber immer
freier gehandhabt werden und immer weniger deutlich nachzuweisen sind.

Ab Takt 115 schließlich treten Vierteltöne auf, was auf eine neue Art der
Tonhöhendisposition schließen lässt.

Der Part der Oboe224 ist aus II As gebildet225.

II As0 II As1 II As2 II As3

Sch 12 KU Sch 6 KU Sch 1 KU Sch 7 KU


Sch 11 KU Sch 5 KU Sch 2 KU Sch 8 KU
Sch 10 KU Sch 4 KU Sch 3 KU Sch 9 KU
Sch 9 KU Sch 3 KU Sch 4 KU Sch 10 KU
Sch 8 KU Sch 2 KU Sch 5 KU Sch 11 KU
Sch 7 KU Sch 1 KU Sch 6 KU Sch 12 KU

Dabei wurden wieder alle zwölf Transpositionen der Krebsumkehrung der Sch-Reihe
als Filter verwendet: In den vier Spalten werden die Transpositionen nacheinander
erst von 12 nach 1 und anschließend wieder von 1 nach 12 angeordnet.

222
Das wäre nach der Tabelle der nächste vorkommende Akkord und tatsächlich werden dessen
Töne verwendet, allerdings in ungewohnter Reihenfolge.
223
Entsprechende Studien – etwa Markierungen in Form von Schlangenlinien – finden sich auf
demselben Skizzenblatt gleich zu Beginn der Tabelle.
224
vgl. Skizzenblatt (42) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.
225
Die Spalten der Tabelle wurden mit der Grundform und den ersten drei Transpositionen von II As
bezeichnet, die zweite Spalte enthält jedoch ebenfalls die Grundform statt der ersten Transposition.

202
II As0 II As0 II As2 II As3

Sch 12 KU Sch 6 KU Sch 1 KU Sch 7 KU

Sch 11 KU Sch 5 KU Sch 2 KU Sch 8 KU

Sch 10 KU Sch 4 KU Sch 3 KU Sch 9 KU

Sch 9 KU Sch 3 KU Sch 4 KU Sch 10 KU

Sch 9 KU Sch 3 KU Sch 4 KU Sch 10 KU

Sch 9 KU Sch 3 KU Sch 4 KU Sch 10 KU

Die Töne von Takt 107 lassen sich problemlos wiedererkennen.

II As0 / Sch 12 KU II As0 / Sch 11 KU II As0 / Sch 10 KU


a fehlt Vorschlagsnoten sind nicht berücksichtigt.

Anschließend wird es weniger eindeutig, wobei der Ton dis Fragen aufwirft, da er in
den Akkorden der Tabelle nirgends vorkommt.226

226
Eine weitere Transposition wäre eine mögliche Erklärung – oder aber ein "Fehler".

203
Die Stimme der Es-Klarinette227 ist aus dem asymmetrischen Akkord III As gebildet.

III As0 III As1 III As2 III As3

Sch 7 KU Sch 1 KU Sch 12 KU Sch 6 KU


Sch 8 KU Sch 2 KU Sch 11 KU Sch 5 KU
Sch 9 KU Sch 3 KU Sch 10 KU Sch 4 KU
Sch 10 KU Sch 4 KU Sch 9 KU Sch 3 KU
Sch 11 KU Sch 5 KU Sch 8 KU Sch 2 KU
Sch 12 KU Sch 6 KU Sch 7 KU Sch 1 KU

Daraus ergibt sich folgender Materialvorrat228:

III As0 III As1 III As2 III As3

Sch 7 KU Sch 1 KU Sch 12 KU Sch 6 KU

Sch 8 KU Sch 2 KU Sch 11 KU Sch 5 KU

Sch 9 KU Sch 3 KU Sch 10 KU Sch 4 KU

Sch 10 KU Sch 4 KU Sch 9 KU Sch 3 KU

Sch 11 KU Sch 5 KU Sch 8 KU Sch 2 KU

Sch 12 KU Sch 6 KU Sch 7 KU Sch 1 KU

227
vgl. ebenfalls Skizzenblatt (42) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.
228
Die Es-Klarinette ist klingend notiert.

204
In der Partitur lassen sich die Akkorde zu Anfang problemlos wiedererkennen.

III As0 / Sch 7 KU III As0 / Sch 8 KU III As0 / Sch ? KU

Ab Takt 8 erscheint die Reihenfolge der Töne nicht mehr analog zur Tabelle.

Ab Takt 9 schließlich erscheinen die Akkorde untereinander gemischt; nur so lässt


sich die Abfolge von dis (Akkord III As1 bzw. III As3) und fis (Akkord III As0 ) oder a
(Akkord III As1 bzw. III As2) und as (Akkord III As3) so kurz hintereinander erklären.

Der eng begrenzte Tonvorrat lässt dennoch auf eine konsequente Verwendung der
Töne der vier Transpositionen schließen.

Ab Takt 114 kommen auch Vierteltöne vor, was einen neuen Tonvorrat nahe legt.

205
Der Part der Trompete229 besteht aus dem noch fehlenden asymmetrischen Akkord
IV As. Man würde erwarten, dass die Bass-Klarinette als weiteres Holzblasinstrument
damit konstruiert würde. Die tiefe Lage spricht wohl für eine andere Anordnung, denn
neben dem Horn wird auch das Fagott und andere tiefe Instrumente nicht nach
diesem Verfahren angeordnet.

IV As0 IV As1 IV As2 IV As3

Sch 1 KU Sch 1 KU Sch 1 KU Sch 9 KU


Sch 2 KU Sch 7 KU Sch 11 KU Sch 8 KU
Sch 3 KU Sch 8 KU Sch 12 KU Sch 7 KU
Sch 4 KU Sch 9 KU Sch 11 KU Sch 6 KU
Sch 5 KU Sch 10 KU Sch 10 KU Sch 5 KU

Diesmal werden nur fünf Zeilen gebildet statt bisher sechs. Eine Erklärung dafür
wäre – falls es nicht Zufall ist –, dass der Akkord nur fünf Töne und dadurch auch
weniger Transpositionen enthält. Diese Tatsache könnte sich in den insgesamt
weniger Tönen der Tabelle wiederspiegeln, auch wenn es nicht notwendigerweise so
sein müsste.

Die Auswahl der Filterreihen überrascht und scheint recht frei konzipiert zu sein. Ein
paar Regelmäßigkeiten fallen dennoch auf: Die erste und die letzte Spalte enthalten
eine Reihenfolge. Bei der zweiten Spalte wäre es genauso, wenn deren erste Zeile
Sch 6 KU enthalten würde statt Sch 1 KU. Hier scheint die Zeile zuerst beibehalten
worden zu sein und zwar bis zur dritten Spalte. Diese schließlich enthält im weiteren
Verlauf ein Spiegelgebilde, das sich in den beiden benachbarten Spalten zwei und
vier fortsetzt. Die Aufteilung erinnert so auf gewisse Weise an ein Labyrinth.

Ausnotiert liest sich die Tabelle so:

IV As0 IV As1 IV As2 IV As3

Sch 1 KU Sch 1 KU Sch 1 KU Sch 9 KU

Sch 2 KU Sch 7 KU Sch 11 KU Sch 8 KU

229
vgl. Skizzenblatt (39) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.

206
IV As0 IV As1 IV As2 IV As3

Sch 3 KU Sch 8 KU Sch 12 KU Sch 7 KU

Sch 4 KU Sch 9 KU Sch 11 KU Sch 6 KU

Sch 5 KU Sch 2230 KU Sch 2231 KU Sch 5 KU

Auffällig, dass fast immer die gleichen Töne vorkommen oder – anders formuliert –
die Tonauswahl insgesamt sehr gering ist: h – c – cis – d – dis – e – f – fis; die
anderen Töne kommen (innerhalb dieser Konstruktion) nicht vor. Als Konsequenz
lässt sich in der Partitur – wie bereits beim Klarinettenpart – auf Permutationen
innerhalb der Akkorde schließen. Diese sind innerhalb der Skizzen leider nicht näher
beschrieben.

Takt 107 beginnt mit dem zweiten Ton des ersten Akkordes. Anschließend wird die
Tabelle in waagerechter Richtung weiter durchschritten.

IV As0 / Sch 1 KU IV As1 / Sch 1 KU Teil aus IV As0 oder IV As2


1.Ton c fehlt 2.Ton e fehlt

Anstatt Permutationen könnten auch einzelne Akkordtöne nach einem bestimmten


Muster eliminiert worden sein. Die fehlenden Töne zu Beginn legen dies nahe.

Mit Takt 112 beginnt eine andere Textur: Blechbläser-Akkorde; ab Takt 113 spielt die
Trompete "brutto" mit den anderen Blechbläsern zusammen.

230
In der Notation des Materials wurde zweimal Sch 2 KU statt Sch 10 KU verwendet. Es wurde
bereits erwähnt, dass die beiden Reihen bisweilen miteinander verwechselt wurden.
231
s. Anm. 230.

207
Alle vier asymmetrischen Akkorde wurden somit verwendet. Zwei weitere
symmetrische Akkorde lassen sich noch in den beiden Violinen nachweisen. Die
Tabelle ist hierbei wieder ähnlich wie beim Bratschenpart konstruiert.

Violine 2232 enthält Töne des Akkords II S. Die Akkorde stehen in den Zeilen und die
vier Filter-Reihen in den Spalten.

Sch 3 KU Sch 4 KU Sch 5 KU Sch 6 KU


II S0
II S1
II S2
II S3
II S4

II S5

Ausnotiert sieht die Tabelle so aus:

Sch 3 KU Sch 4 KU Sch 5 KU Sch 6 KU

II S0

II S1

II S2

II S3

II S4

II S5

232
vgl. Skizzenblätter (44) und (40) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.

208
In der Partitur wird mit der ersten Spalte (Sch 3 KU) begonnen. An manchen Stellen
erscheinen – vermutlich zur klanglichen Bereicherung – Glissandi233.

II S0 / Sch 3 II S1 / Sch 3 II S2 / Sch 3 II S3 / Sch 3 II S4 / Sch 3 II S5 / Sch 3

Takt 107 bis 109 enthalten also genau alle Transpositionen, jeweils durch Sch 3 KU
gefiltert.

II S1 / Sch 4 II S0 / Sch 4 II S2 / Sch 4 II S3 / Sch 4 (Einschub)


a wird doppelt gezählt h fehlt fis und e
sind vertauscht

Ab Takt 110 wird die zweite Spalte verwendet und die Abfolgen werden teilweise von
rechts nach links gelesen. Vorschlagsnoten werden – wie bisher – nicht
berücksichtigt. In Takt 111 sind einige "fremde" Töne eingeschoben, bevor in Takt
112 der angefangene Akkord vollendet wird.

II S4 / Sch 4 II S3 / Sch 5 ? (Einschub) II S3 / Sch 6 II S2 / Sch 5 ?


d statt a

Während Takt 112 löst sich die strenge Art der Anordnung allmählich auf, indem die
Anordnung innerhalb des Akkordes (II S3) frei gestaltet wird und ein weiterer
Einschub234 folgt.

Eine neue Textur der Streicher folgt ab Takt 115, markiert durch den homophonen
Beginn gleichzeitig mit Abschluss der Blechbläser-Phrase und die Verwendung von
Vierteltönen.

233
Sie sind hier nicht weiter berücksichtigt.
234
Er hebt sich auch in der Partitur durch die Spielanweisung "piu secco" vom Rest der Textur ab.

209
Die Violine 1235 ist aus dem symmetrischen Akkord I S ebenfalls nach dem Muster
der Bratschenstimme gebildet: Die Akkorde stehen wieder in den Zeilen, die Spalten
enthalten jedoch verschiedene Transpositionen der Reihe: Die erste Spalte enthält
nur eine Transposition (Sch 2 KU), die zweite Spalte enthält zwei Transpositionen
(Sch 2/3 KU), die dritte Spalte drei (Sch 3/4/5 KU) und die letzte Spalte sechs
verschiedene Transpositionen (Sch 5/6/7/8/9/10 KU). Die Abwechslung innerhalb der
Spalten nimmt also zu.

I S0 Sch 2 KU Sch 3 KU Sch 4 KU Sch 5 KU


I S1 Sch 2 KU Sch 3 KU Sch 4 KU Sch 6 KU
I S2 Sch 2 KU Sch 3 KU Sch 5 KU Sch 7 KU
I S3 Sch 2 KU Sch 4 KU Sch 5 KU Sch 8 KU
I S5 Sch 2 KU Sch 4 KU Sch 6 KU Sch 9 KU
I S4 Sch 2 KU Sch 4 KU Sch 6 KU Sch 10 KU

Ausnotiert sieht die Tabelle so aus:

I S0

Sch 2 KU Sch 3 KU Sch 4 KU Sch 5 KU

I S1

Sch 2 KU Sch 3 KU Sch 4 KU Sch 6 KU

I S2

Sch 2 KU Sch 3 KU Sch 5 KU Sch 7 KU

I S3

Sch 2 KU Sch 4 KU Sch 5 KU Sch 8 KU

I S4

Sch 2 KU Sch 4 KU Sch 6 KU Sch 9 KU

I S5

Sch 2 KU Sch 4 KU Sch 6 KU Sch 10 KU

235
vgl. Skizzenblätter (44) und (39) der Mappe von Carceri d'Invenzione I.

210
In der Partitur lassen sich ab Takt 107 die Akkordtöne in vielen Formen wieder
finden:

I S0 / Sch 2 KU I S1 / Sch 2 KU I S2 / Sch 2 KU I S2 /…


ohne e

Die Vorschlagsnoten werden nicht berücksichtigt. Der unvollständige Akkord I S2 /


Sch 2 KU von Takt 108 wird in Takt 109 wieder aufgenommen und vollendet.
Nachdem die erste Spalte – ohne I S4 – verwendet wurde, folgen weitere Akkorde
bunt gemischt.

…/ Sch 2 KU I S3 / Sch 2 KU I S5 / Sch 2 KU I S5 / I S0 / Sch 3 KU


mit e ohne g und h Sch 3 KU c später

Auch Akkord I S5 / Sch 3 KU wird erst mit zwei Tönen vorgestellt (Takt 111) und
etwas später vollständig präsentiert (Takt 112). Dazwischen erscheinen Teile zweier
Akkorde in freier Reihenfolge. In Takt 113 werden erstmals die Töne anders
angeordnet: die zwei Hälften jeweils von der Mitte nach außen.

Teile von I S3 und I S5 I S5 / Sch 3 KU I S0 / Sch 5 KU


mit c statt d I S3 / Sch 6 KU I S5 in eigener
Reihenfolge

Auch die Tonhöhen der neuen Textur ab Takt 115 lassen sich aus der Tabelle
herleiten.

I S5 in eigener I S0 / Sch 4 KU I S1 / Sch 4 KU I S2 / Sch 5 KU I S5 / Sch 10 KU


Reihenfolge mit e statt es mit es statt e mit e hinten
und ohne f statt vorne

211
I S3 / Sch 9 KU I S2 / Sch 8 KU I S4 / Sch 6 KU I S0 / Sch 5 KU
ohne h I S4 / Sch 6 KU

Ab Takt 119 beginnt ein neuer Bereich ("subito violente") mit Vierteltönen.

Weitere Verfahren zur Tonhöhenorganisation innerhalb von Carceri d'Invenzione I


und den anderen Stücken des Zyklus sind in den Skizzen angedeutet. Es handelt
sich zumeist um Weiterentwicklungen der bereits vorgestellten Verfahren, z.B. um

• die lineare Verwendung nicht nur eines Einzelakkordes, sondern gleich mehrerer
Akkorde, auch als Vierteltonversionen, notiert in mehreren Systemen,236

• dasselbe mit Einschüben von "Referenztönen" an bestimmten Stellen,237

• die lineare Verwendung von Sequenzen aller acht Akkorde hintereinander mit
Filterung durch alle Transpositionen der Sch-Reihe,238

• die lineare Verwendung von Sequenzen aller vier symmetrischen Akkorde


hintereinander, wobei die Reihenfolge der Töne von unten nach oben und
umgekehrt oder von "innen" nach "außen" gewählt wird,239

• die lineare Verwendung von intervallischen und mikrotonalen Ableitungen der


Akkorde.240

236
z.B. Skizzenblatt <9> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I (Streicher, Takt 19-23).
237
z.B. Skizzenblatt [24] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I (Flöte + Viola, Coda).
238
z.B. Skizzenblatt <8> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I (keine Angabe zur Partiturstelle).
239
z.B. Skizzenblatt (62) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I ("Carceri II").
240
z.B. Skizzenblatt [23] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I ("final string section").

212
IV.3.d) Rhythmusdisposition

In seinem Aufsatz Duration and Rhythm as Compositional Resources241 hat


Ferneyhough ausführlich beschrieben, wie Taktlänge und Anzahl der Impulse eines
Taktes aufeinander bezogen bzw. auseinander abgeleitet werden können.

Zu den Takten 21 bis 37 des Klavierparts liegen Aufzeichnungen vor, die eine
derartige Beziehung zwischen Taktlänge und Anzahl der Impulse offen legen,
wenngleich die Umsetzung in der Partitur an manchen Stellen statt genauer
Übertragung lediglich Annäherungen zulässt.

"Klavierpart von Takt 21 Æ abhängig von der Proportion, die vollständig von der Taktlänge hergeleitet
ist (nur obere Impulse). Bei späteren Passagen addiere oder multipliziere diese Impulse um weitere
(gewöhnlich dichtere) Information zur Verfügung zu stellen." 242

Die Taktlängen für diese Stelle sind gegeben (vgl. 3.a) Taktdisposition).
Die Anzahl der Impulse wird nun definiert durch die Addition der Zähler (der
Taktlänge) des vorangegangenen und des nachfolgenden Taktes.
Zur besseren Übersicht werden zuerst die ungeraden Takte 21, 23, 25... angeschaut,

Takt 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

Zähler 4 3 3 3 3 3 3 3 5 5
Nenner 10 8 8 8 8 8 8 16 20 16

Impulse 4+3=7 3+3=6 3+3=6 3+3=6 3+3=6 3+3=6 3+3=6 3+5=8 5+5=10

und anschließend die geraden Takte 22, 24, 26...

Takt 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

Zähler 5 5 9 5 5 4 7 4 2
Nenner 16 12 16 8 16 8 24 8 8

Impulse 5+5=10 5+9=14 9+5=14 5+5=10 5+4=9 4+7=11 7+4=11 4+2=6

Durch dieses Verfahren entstehen auch die Proportionen innerhalb des Taktes. Sie
wiederum machen die Beziehung durch die (sichtbaren) Zahlen noch einmal deutlich.
Manchmal lassen sich die Proportionen kürzen, so z.B. in Takt 26, wo der 3/8-Takt
14 Impulse enthält und die Proportion 14:12 (32-tel) in 7:6 (16-tel) gekürzt wird.

241
(s. Anm. 107) S. 51-65.
242
"Piano part from bar 21 Æ dependant upon proportion derived entirely from bar length (upper digits
only). Later passages add or multiply these digits to provide other (usually denser) information." –
Bemerkung auf Skizzenblatt <5> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I.

213
Der Impuls-"Teppich" für die Takte 21 bis 37 sieht dann so aus243:

4+3=7 5+5=10 (5) 3+3=6 5+9=14 3+3=6244 9+5=14 (7)

3+3=6 5+5=10 (5) 3+3=6 4+5=9 3+3=6 (3) 4+7=11

3+3=6 7+4=11 3+5=8 4+2=6 5+5=10 (5)

Es folgen weitere Schritte und damit Veränderungen zum endgültigen Rhythmus des
Klaviers in der Partitur:

• So werden nur bestimmte Impulse des "Teppichs" ausgewählt und mit


Akkorden zum Klingen gebracht.

• Zuerst (Takt 21 bis 24) gibt es nur ein System von ausgewählten
Akkordimpulsen, ab Takt 25 kommt – offenbar unabhängig vom ersten – ein
zweites System dazu.

• In Takt 26 z.B. wird die genaue Proportion (7:6) vernachlässigt, und die
Impulse werden durch eine "gerade" Schreibweise ohne Proportionen
angenähert.

Nach Takt 37 endet dieses System, was in der Partitur auch dadurch ersichtlich wird,
dass die Akkorde des Klaviers abgelöst werden durch lineare Strukturen.

243
Auf Skizzenblatt <5> sind die Impulse nicht ausnotiert, die "Rechnung" unter dem jeweiligen Takt
und die Klammern über dem Takt implizieren die Impulse jedoch in eindeutiger Weise.
244
Takt 25 müsste – streng nach der Regel – 6 statt 10 Impulsen enthalten.

214
V. Carceri d’Invenzione II

"Diese Distanz zwischen zwei extremen Bereichen bildet einen weiten Raum, einen Bezugsrahmen, in
welchem sich die Ereignisse des Stückes verteilen können. Es ist ungewöhnlich, dass die
zeitgenössische Musik so ihren Raum der Ausdehnung bestimmt und misst. Wie kann sich heute
demzufolge dieser oder jener Stil etablieren, der sich auf solche Typen des Raumes bezieht ? – Ich
suche schon in diesem Sinne in den anderen Stücken; hier gibt es zwei Antworten: die eine in dem
Werk für Flöte solo, die andere in dem Stück für Flöte und Orchester." 245

V.1. Drei Versionen von Carceri d'Invenzione II


Es gibt (bislang) drei verschiedene Versionen dieses Stücks:

1. Carceri d’Invenzione IIa für Flöte und Kammerorchester


(227 Takte; ca. 14 Minuten Dauer)
entstanden 1985; UA Februar 1985 in Mailand, Roberto Fabbriciani, RAI
Mailänder Symphonie-Orchester, Ltg. Marcello Panni

2. Carceri d’Invenzione IIb für Flöte Solo


(180 Takte; ca. 10 Minuten Dauer)
entstanden 1985; UA November 1985 in New York, Roberto Fabbriciani

3. Carceri d’Invenzione IIc für Flöte und Zuspielband


(180 Takte; ca. 10 Minuten Dauer)
entstanden 1987; UA 1987, Carin Levine

Stück II a II b II c
Begleitung Kammerorchester keine Zuspielband
Länge / Dauer 227 Takte / 14 min 180 Takte / 10 min 180 Takte / 10 min
Entstehung / UA 1985 1985 1985-87

Der Flötenpart der drei Stücke ist identisch, mit der Ausnahme, dass Carceri
d’Invenzione IIa (für Flöte und Kammerorchester) länger ist: Carceri d’Invenzione
IIa hat 227 Takte, in denen die Flöte fast ununterbrochen spielt: Die 47 Takte von
Takt 139 bis Takt 185 sind - während des Entstehungsprozesses – eingeschoben
worden. Es entsteht jedoch kein Bruch, sondern die Takte schließen nahtlos
aneinander an.

245
"Cette distance entre deux registers extrêmes crée un espace vide, un espace référentiel dans
lequel les événements de la pièce pourront se distribuer. Il est rare que la musique contmeporaine
définisse et mesure ainsi son espace d’extension. Comment puet-on qujourd’hui selon tel ou tel style
établir de tels types d’espace référentiels ? J’ai déjà cherché dans ce sens dans d’autres pièces ; ici il
y a deux réponses : l’une dans l’œvre pour flûte seul, l’autre dans l’œvre pour flûte et orchestre." -
FERNEYHOUGH, Brian: Les Carceri d´Invenzione – dialectique de l´automatique et de l´informe.
(1986; frz.) in: Entretemps. No.3, Paris 1987, S.116.

215
Während Carceri d’Invenzione IIb den Flötenpart unbegleitet vorstellt,
unterscheiden sich Carceri d’Invenzione IIa und Carceri d’Invenzione IIc durch
zwei eigenständige und völlig verschiedene Begleitparts. Der von Carceri
d’Invenzione IIa ist für ein Kammerorchester mit 20 Spielern konzipiert: Oboe I,
Oboe II/Englisch Horn, Es-/B-Klarinette, B-/Bass-Klarinette, Fagott, 2 Hörner, 8
(solistische) Violinen, 2 Bratschen, 2 Celli und 1 Kontrabass. Das Zuspielband von
Carceri d’Invenzione IIc enthält 4 Spuren, die alle jeweils für Flöte sind.

"Diese Komposition kann mit oder ohne koordinierendem “Click-Track” über Kopfhörer gespielt
werden. Da auf dem Band neue Ereignisse genau und ausschließlich zu Beginn jeden Taktes
erscheinen, ist eine Live-Aufführung möglich, wenn der Flötist seine Tempi daran orientiert. Das Band
ist zum Abspielen auf einem Vier-Spur-Gerät gedacht, so dass der 2-Kanal-Ton über Lautsprecher
und der „Click-Track“ über Kopfhörer simultan zur Verfügung stehen." 246

246
„This composition may be played with or without the coordinating click track over headphones.
Since new tape events occur exactly (and only) at the beginning of each bar a live performance is
possible with the flutist orientating his tempi around this fact. The concert tape is, however, intended
for performance on a four-track tape recorder, so that 2-channel-sound over loudspeakers and click
track over headphones are simultaneously available.“ – Anmerkungen Ferneyhoughs in der Partitur
(Skizze) zum Zuspielband.

216
V.2. Skizzen von Carceri d'Invenzione II
Es existieren zwei Skizzen-Mappen: die eine Mappe für Carceri d’Invenzione IIa
und Carceri d’Invenzione IIb mit 39 einzelnen Blättern (A4 oder kleiner), einem
Noten-Block mit ca. 75 Seiten, wo auch Skizzen zu den Etudes Transcendentales
enthalten sind, und 12 großen Übersichtsblättern, die andere Mappe v.a. für das
später entstandene Zuspielband von Carceri d’Invenzione IIc mit 11 Einzelblättern
(auch zu Carceri d’Invenzione I und Carceri d’Invenzione III).247

Carceri d’Invenzione IIa – Einzelblätter:

Blatt [1] cos; pitch material considerations; combinatorial arrays As only


Blatt [2] cos 5; permitted transpositions of As-chords / S-chords
cos 1; homologuos pitch-gesture-relationships (Noten + Text)
Blatt [3] Permutations of bar structure; rhythmic transformation studies
Blatt [4] Text; Rhythmus (alt) T.1-10 Soloflöte; Bar-structure (Tabelle)
Blatt [5] vgl. [3] + Text
Blatt [6] Text
Blatt [7] Text; Horns; Besetzung
Blatt [8] Rhythmus T.1-11 Soloflöte; Rückseite T.21-24; Bar-structure
Blatt [9] Rhythmus T.29-48 Soloflöte (= first part)
Blatt [10] Text: Solo-strings
Blatt [11] Studien
Blatt [12] set-transformations (Noten + Text)
Blatt [13] Text: Filterings; Text: Processes in flute part; microtonal chords
Blatt [14] Register distribution Soloflöte; microtonal chords; Combinations
Blatt [15] Part. T.70-72 Vla+Celli; Part T.71-72 Vln.1-8 (Notizen for guitar)
Blatt [16] Notizen
Blatt [17] Notizen (fast leer)
Blatt [18] 8 chords - 9 sections; Rhythmus T.66 ff. Holz
Blatt [19] Notizen: Tonhöhenordnung; (Noten)
Blatt [20] Instrumental combinations; Rhythmus + Org. T.29-34 Vln. 1-3; T.46/47 Vln.5
Blatt [21] Rhythmus T.74-98 Soloflöte; Rückseite T.99-120 + Text
Blatt [22] Rhythmus T.43-48 Celli; Rhythmus T.41-48 Vla 1+2
Blatt [23] models T.40-48 Celli + Cb (pizz) (Tabelle); models Vla 1+2
Blatt [24] Rhythmus + Töne T.29-33 Vln.1-3; Rhythmus T.29-33 Soloflöte
Blatt [25] Rhythmus + Töne T.77-92 Horns; Rhythmus (horns) loop
Blatt [26] Rhythmus T.57-58 Vln.1-7; T.59 Vln.1-6; Akkord T.58 Vla+Vc+Vln.7-8
Blatt [27] Rhythmus T.112-128 Horn 1/2; irreguläres Metronom
Blatt [28] Rhythmus+Töne T.70-73 Vla+Celli; T.47 Vln.2-8
Blatt [29] Trio entries T.121-126 Rhythmus+Töne (alt); Part T.116-119 Streichquartett
Blatt [30] Rhythmus T.129-156 Soloflöte (=Cadenza-materials)
Blatt [31] primary rhythmic subdiv. ("Cadenza”) Pitch-density distribution strings T.129-135
Blatt [32] primary rhythmic subdivisions "Cadenza" strings T.129-138; Text
Blatt [33] Part. T.165-185 Soloflöte
Blatt [34] Rhythmus T.176-184 Es-Clar, Vln.1, Hrn.1

247
„cos“ bedeutet „City of the Sun“; „ET“ bedeutet Skizze zu den Etudes Transcendentales.

217
Blatt [35] Part. T.121-127 Vln.1+Vla1+Cello1
Blatt [36] Rhythmus T.186-192 Soloflöte
Blatt [37] Rhythmus Streicher; farbig: chord tones + repeated notes
Blatt [38] Bar-subdiv. densities; final string "variations" (alt); Rh. T.190-191 Holz
Blatt [39] Titel

Carceri d’Invenzione IIa – Noten-Block:

Seite (1) ET 9 Rhythmus-Studien; Überlegungen zum Cembalo


Seite (2) quasi leer (durchgestrichen)
Seite (3) Rhythmus + Takt + Zahlen
Seite (4) Form + Tonhöhen
Seite (5) Text zu (5) (Fortsetzung)
Seite (6) ET 7 Part. T.6-11 Stimme (alt!) mit Zahlen
Seite (7) Text: automatisiert - informell
Seite (8) ET 7 chord+row; pitch process for 2nd half of piece (+Text)
Seite (9) ET 7 Part. T.11-13 Voice
Seite (10) ET 7 Part. T.17-19 Voice; T.11-15 Cembalo (+ Zahlen)
Seite (11) progressive modification of scalar units (Text + Tabelle)
Seite (12) ET 7 Rh.T.21-24 Cemb (r.h.) Studien Cembalo + Akkorde + Rhythmen
Seite (13) ET 7 Studien Picc. + Ob. Töne + Rhythmus (nur Notizen)
Seite (14) Part. T.74-85 Soloflöte (alt)
Seite (15) Part. T.96-99 Soloflöte (alt); Part. T.131-137 Soloflöte (alt)
Seite (16) Close leves imitation 2 Hrns + Cl. + B-Cl. 4/10
Seite (17) Part. T.226+227 Soloflöte
Seite (18) ET 3 Voice-Rhythms
Seite (19) ET 3 microtonal chords
Seite (20) Notizen chords --> microtonal
Seite (21) microtonal chords; Part. T.129-130 Holz; Part. T.215-225 Soloflöte
Seite (22) Tonhöhenorganisation Methode
Seite (23) ET 4 complementary intervallic derivations (+Text) 12.Juni '84
Seite (24) leer
Seite (25) (Notizen)
Seite (26) Sch-Filters (Schönberg-Reihe: O, K, U, KU)
Seite (27) Part. T.11-14 Vln. 1/2 + Tonhöhenordnung !
Seite (28) Text
Seite (29) Tonhöhen-Kette
Seite (30) microtonal chords (I S only)
Seite (31) Part. T.139-144 Soloflöte
Seite (32) leer
Seite (33) Part. T.145-156 Soloflöte
Seite (34) leer
Seite (35) Part. T.157-162 Soloflöte
Seite (36) leer
Seite (37) Basic chord transformations for "quasi una cadenza"
Seite (38) Notizen (Akkorde --> Tonhöhen)
Seite (39) vgl.37; jeweils 2a und 2b in anderer Stellung
Seite (40) chord-distribution "quasi una cadenza"

218
Seite (41) chord-distribution "quasi una cadenza" (Fortsetzung; cycles)
Seite (42) chord-distribution "quasi una cadenza" (Fortsetzung)
Seite (43) Rhythmus-Schichten+Töne T.44-46 Vln.2+5+7
Seite (44) Rhythmus-Schichten+Töne T.47 Vln.2+5+7 + Text (Fortsetzung von (44))
Seite (45) Rhythmus T.226-227 Hrn 1/2, DB + Part. + Notizen zu DB scordatura
Seite (46) leer
Seite (47) Rhythmus T.226-227 Hrn 1/2, DB + Part. + Text (Fortsetzung von (45))
Seite (48) ET 9 Part. T.73-76 Cembalo (u.a.)
Seite (49) Tonhöhen (Vierteltonketten) T.226-227 DB (Klang !)
Seite (50) Part (1st version) T.205-221 B-Cl.
Seite (51) Notizen (Vierteltöne) Part. (alt) T.152-156 Horn1
Seite (52) leer
Seite (53) Part. T.186-193 Horn 1/2 (I S + I As u.a.)
Seite (54) Part. mit Zahlen
Seite (55) Notizen (Vierteltonketten) Ob.+Vla
Seite (56) ET 5 Part. T.2-30 (ganz) Cembalo mit Text (Doppelseite mit (57)
Seite (57) ET 5 Part. T.2-30 (ganz) Cembalo mit Text
Seite (58) ET 5 Notensystem T.42-45 (alt)
Seite (59) Part.
Seite (60) Part. (Text)
Seite (61) ET 4 (?) voice-part (2nd layout) = Tonhöhenstruktur
Seite (62) ET 9 Notensystem T.82-83; Notizen zu Rhythmus + Tonhöhen
Seite (63) ET 9 Part. T.63-69 Cello + Rhythmus-Notizen
Seite (64) ET 9 Part. T.59-62 Cembalo; Part. T. 62 Fl, Ob, Cello
Seite (65) ET 9 Part T.67-72 + 77-79 Flöte + Tonhöhenketten
Seite (66) Tonhöhenstudien
Seite (67) ET 9 Part T.11-20 Oboe + Tonhöhenkette
Seite (68) leer
Seite (69) ET 8 Tonhöhenstudien
Seite (70) Akkordstudien (nur Notizen)
Seite (71) Intervallic distortion of basic As-chords
Seite (72) Akkordstudien
Seite (73) Rhythmusstudien
letzte Seite As-chords as scales; ET 9 Part T.42-43 Flöte+Oboe
Umschlag Rhythmusstudien (Notizen)

Carceri d’Invenzione IIa – Übersichtsblätter:

Übersicht <1> Übersicht "elemination patterns" for 2nd cycle


Übersicht "elemination patterns" for flute material (ältere Version)
Übersicht <2> Übersicht "string texture" T.49-72
Übersicht <3> Bar-scheme T.1-227 (aktuell); Notizen (auch ET); Text
Übersicht <4> Bar-scheme T.1-191 (alt); Bar-structure (Zahlen)
Übersicht <5> Part. T.89-96 + T.116-126 Holz
Übersicht <6> Registral changes: 1st woodwind entry
Übersicht <7> Fortsetzung von <6>
Übersicht <8> Zahlenreihen; Subdiv. + methods T.152-165 Horn 1+2; Rh T.186-193
Übersicht <9> missing flute bars (Tab: Rh, Patterns) T.139-185

219
Übersicht <10> Rhythmus T.139-186 Soloflöte
<11> Part. T.1-67 Soloflöte Carceri II b (= 3 Din A4 Blätter)
<12> Part. T.150-180 Soloflöte Carceri II b (= T.197-227 von C II a)

Carceri d’Invenzione IIc - Übersichtsblätter

[1] Carceri II b: bar module and register schemes


[2] As-chords + transpositions (C II c January 1987)
[3] Carceri II c: Schema mit Akkorden
[4] Carceri I Part. T.28-35 Streichquartett; Rücks. Tonhöhenkonstruktion
[5] Carceri I Part. T.130-133 Streichquartett + Text
[6] Carceri III Rhythmus T.89-120 Hrn 1+2 + Anmerkungen
[7] Carceri II c: Titelblatt
[8] Carceri II c: Tape-Flöten T.1-37
[9] Carceri II c: Tape-Flöten T.38-82
[10] Carceri II c: Tape-Flöten T.83-136
[11] Carceri II c: Tape-Flöten T.137-178

In anderen Mappen gibt es auch noch vereinzelt Skizzen zu Carceri d'Invenzione II:

Mappe von Carceri d'Invenzione I:

(60) Text und Beispiele zu den Transformationen


(62) Tonhöhen (S-Chords in Sequence)
(64) Text zur Spielweise der Flöte zu Beginn

Mappe von Etudes Transcendentales:

T [1] Rhythmus-Studien t.77-92 Horn; T.51/52 und T.54/55 Vln. 1-8

220
V.3. Analyse des Soloparts von Carceri d'Invenzione IIa

"... die solistische Flötenpartie dieses 14-Minuten-Stücks [wurde] zur Gänze durchkomponiert, ehe
noch von der Orchesterbegleitung das geringste fest stand." 248

Eine separate Analyse des Soloparts lässt sich rechtfertigen durch den getrennten
Entstehungsprozess dieses Parts von den Begleitparts. Der Solopart von Carceri
d'Invenzione IIa ist deswegen der geeignetste, da er – im Gegensatz zu den
anderen beiden Versionen Carceri d'Invenzione IIb und Carceri d'Invenzione IIc –
alle 227 Takte enthält. Der Gesamtzusammenhang wird nur mit allen 227 Takten
klar, so dass angenommen werden darf, dass für Carceri d'Invenzione IIb die
fehlenden 47 Takte erst nachträglich herausgenommen wurden.

"In Carceri d’Invenzione II habe ich absichtlich mein Konzept der Wiederholung immer weiter
eingegrenzt, bis es zur thematischen Substanz der Komposition wurde." 249

Außerdem scheint die Idee der Wiederholung der Kernpunkt aller Versionen von
Carceri d'Invenzione II zu sein, insbesondere des Flötenparts, da dieser
ausschließlich aus 48 Modulen und deren Veränderungen besteht, während die
Begleitparts offenbar freier gestaltet sind.

"Es war in diesem Werk sehr wichtig für mich, herauszufinden, was es mit der Energie der Aufführung
auf sich hat, die den Ausführenden befähigt, den Abstand zwischen verschiedenen formalen Einheiten
abzuschätzen und seine Energien in einer solchen Weise einzuteilen, dass er sie Hindernisse
überwinden kann zwischen gerade ablaufenden Objekten und denen, die noch folgen." 250

248
"... the solo flute part was through composed in its entirety before any of the orchestral
accompaniment was determined." – s. Anm. 2 (S.9).
249
"In Carceri d’Invenzione II I deliberately funneled down my concept of repetition until it became
the thematic substance of the composition." – s. Anm. 6 (S.298).
250
"It was very important to me in this work to find out what it is about performative energy that
enables the performer to gauge the distance between various formal units , and to dispose his
energies in such a way that he can overcome the obstacles between the current object and the ones
that follow." – s. Anm. 6 (S.298).

221
V.3.a) Taktdisposition

"In meinem Fall beginne ich immer mit der Komposition der Form, der Globalität, des gesamten
Stücks. Im vorliegenden Fall besteht die grundsätzliche Idee aus der graduellen Überlagerung der
Zyklen über verschiedene Takte hinweg. Es gibt neun Zyklen von je neun Takten, die untereinander
verkettet sind durch das Prinzip der ergänzenden eintaktigen Überlagerung von jedem Zyklus, in der
Art, dass die letzten beiden Zyklen sich vollständig überlagern, so dass sie das Ende des Prozesses
implizieren. Diese Ausgangsidee wird mit einer zweiten Idee kombiniert, nämlich der Transformation
der Anzahl der Schläge pro Takt gemäß der einfachen Logik der Permutation." 251

Das Orchesterstück Carceri d'Invenzione IIa besteht aus 227 Takten. Die
Anordnung der verschiedenen Taktunterteilungen lässt sich in drei Schritten
herleiten.

1.Schritt:

Unterteilung der ersten 48 Takte in neun Taktgruppen mit jeweils zwischen drei und
neun Takten. (Das ergibt Takt 1 bis 48.)
Daraus ergibt sich die – später noch häufiger angewandte – Reihe der Anzahl der
Takte pro Gruppe:

7–5–4–3–5–9–9–3–3

Die ersten 48 Takte sind also wie folgt zusammengesetzt:

I 7er-Gruppe II 5er-Gruppe III 4er-Gruppe


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
2/10 3/8 2/12 5/16 4/8 3/12 7/20 4/10 5/12 7/24 4/12 4/24 4/12 4/8 7/24 4/10

IV 3er-Gruppe V 5er-Gruppe VI 9er-Gruppe


17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
5/12 7/20 7/24 9/16 3/8 5/24 7/16 5/20 3/16 8/12 3/10 4/10 5/10 2/8 5/16 4/10 9/20

VII 9er-Gruppe VIII 3er-Gruppe IX 3er-Gruppe


34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
2/10 17/20 5/32 3/8 2/10 3/20 3/10 5/10 7/20 4/12 3/10 5/12 4/12 5/10 5/16

Die Auswahl der Unterteilungen scheint frei gewählt zu sein und keiner
Regelmäßigkeit zu folgen, obwohl gerade, triolische und quintolische Unterteilungen
etwa gleichermaßen vorhanden sind. Die Gruppen I, III, V, VI, VII und IX enthalten
alle drei Arten von Unterteilungen, die Gruppen II, IV und VIII nur triolische und

251
"Dans mon cas, je commence toujours par une composition de la Forme, de la globalité, de la
pièce entière. Dans le cas présent, l’idée de base a été la superposition graduelle de cycle de mesure
différentes. Il y a 9 cylce de 9 mesures qui s’enchaînent par tuilage avec une mesure de superposition
supplémentaire à chacun cycle, en sorte que les deux derniers cycles sont entièrement superposés,
ce qui implique la fin du processus. A cette idée de départ se combine une seconde idée qui est la
transformation du nombre de battues par mesure selon une logique simple de permutation." – s. Anm.
245 (S.121).

222
quintolische, keine geraden. Symmetrien sind (noch) nicht erkennbar. Auffällig ist die
kleinste Unterteilung: 5/32 in Takt 36.

2.Schritt:

Bildung von weiteren dreimal 48 Takten aus Permutationen innerhalb der Gruppen.
Das ergibt 4 x 48 = 192 Takte, also Takt 49 bis 192.
In abstrakten Zahlen, also ohne Angabe der Taktlänge, sind die Permutationen
offensichtlich:

I 7er-Gruppe II 5er-Gruppe III 4er-Gruppe


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

3 2 1 4 7 6 5 9 8 10 12 11 14 13 16 15

2 1 3 4 5 7 6 12 9 10 8 11 15 16 13 14

7 5 6 4 2 1 3 11 12 10 9 8 16 15 14 13

Die Gruppen I, II und IV haben die Takte 4, 10 bzw. 29 als senkrechte Achse; auf
beiden Seiten der Achse werden die Takte zuerst untereinander permutiert, später im
Wechsel mit der anderen Seite.

IV 3er-Gruppe V 5er-Gruppe VI 9er-Gruppe

17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

19 17 18 21 20 24 23 22 26 25 28 27 29 31 30 33 32

18 19 17 24 23 21 22 20 28 27 26 25 29 32 33 31 30

19 18 17 23 24 20 21 22 33 31 30 32 29 27 25 26 28

In den Gruppen III, IV und VIII erscheinen diagonale Achsen durch die Positionen der
Takte 16, 17 bzw. 45. Sie weisen auf zyklische Permutationen hin, wobei innerhalb
der Gruppe III die Takte der beiden Hälften untereinander vertauscht werden.

VII 9er-Gruppe VIII 3er-Gruppe IX 3er-Gruppe

34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48

36 35 34 39 38 37 42 41 40 44 45 43 48 47 46

38 39 37 35 34 36 41 42 40 45 43 44 47 46 48

37 39 38 42 40 41 35 36 34 44 43 45 48 46 47

Gruppe IX lässt sich als Kombination bzw. Permutation von drei 3er-Gruppen
verstehen, Gruppe V als Verbindung von 2 + 3 Takten.
223
Die Gruppen I bis VI werden anschließend ein weiteres Mal permutiert. So entstehen
weitere 7 + 5 + 4 + 3 + 5 + 9 = 33 Takte, die Takte 193 bis 225. Dazu kommen die
codaartigen extra langen Schlusstakte 226 (8/8) und 227 (15/8); sie sind durch
Generalpausen mit Fermate (3“ bzw. 4“) vom vorhergehenden Teil getrennt und
erscheinen nicht in den Skizzen zur Taktanordnung.

3.Schritt:

Um Gleichförmigkeit zu verhindern, werden eine ganze Menge der durch die


Permutationen gebildeten Takte verändert; zwei Nebenbemerkungen dazu finden
sich in den Skizzen252:

1. "gradually more even bar groups (same or approx. same length), but overlapping various "filtered"
lengths in imposed parts."

2. "Higher (later) groups change more radically in length."

Es sollen also tendenziell immer mehr gerade Takte vorkommen, und die Takte
sollen sich in ihrer Länge immer deutlicher voneinander unterscheiden.

zu 1. Die ersten 48 Takte z.B. enthalten


13 gerade Takte, 20 quintolische und 15 triolische;
im Vergleich dazu enthalten die letzten 48 Takte (Takt 180 bis 227)
30 gerade Takte, 18 quintolische und keine triolischen mehr.
Es gibt also tatsächlich am Schluss weit mehr gerade Takte als am Anfang.

zu 2. Vergleicht man nun z.B. die objektive Länge253 der ersten 8 Takte mit der der
letzten 8 Takte (ohne die beiden Coda-Takte), so erscheint es nicht allzu
deutlich, dass die Wechsel der Taktlänge am Ende des Stücks (dunkle
Balken) im Gegensatz zum Beginn (helle Balken) besonders radikal sind.

Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 Takt 218 219 220 221 222 223 224 225
Länge 2/10 3/8 2/12 5/16 4/8 3/12 7/20 4/10 Länge 5/10 3/8 1/8 2/8 5/8 4/8 1/8 3/8

0,80

0,60 0,60

0,40 0,40

0,20 0,20

0,00 0,00
1 2 3 4 5 6 7 8 1 2 3 4 5 6 7 8
Länge 0,20 0,38 0,17 0,31 0,50 0,25 0,35 0,40 Länge 0,50 0,38 0,13 0,25 0,63 0,50 0,13 0,38

Im Einzelnen sehen die veränderten Takte innerhalb der Gruppen nun so aus:

252
auf Übersichtsblatt <4> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.
253
Hierbei ist die Taktlänge in einem Dezimalbruch umgerechnet, z.B. Takt 1 = 2/10 = 0,20 oder Takt
2 = 3/8 = 0,375 (gerundet: 0,38).

224
Die Werte der Taktlänge sind aus der Partitur übernommen, da innerhalb der Skizzen
einige Werte abweichen. Die Pfeile sollen – in Anlehnung an Superscriptio - eine
mögliche Vorgehensweise der Veränderung zeigen, von der allein das Ergebnis in
den Skizzen durch die zwei bereits erwähnten Nebenbemerkungen angedeutet ist.
An wenigen Stellen widersprechen die Pfeile den Permutationen von Schritt 2.

I 7er-Gruppe II 5er-Gruppe III 4er-Gruppe

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
2/10 3/8 2/12 5/16 4/8 3/12 7/20 4/10 5/12 7/24 4/12 4/24 4/12 4/8 7/24 4/10

49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64
2/12 3/8 2/10 5/16 7/10 3/12 4/8 5/12 4/10 7/24 4/12 4/12 4/8 4/12 4/10 7/24

97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112
3/8 2/8 2/12 5/16 4/8 7/10 3/12 4/12 5/12 7/24 4/10 4/12 7/24 4/10 4/12 4/8

145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160
3/12 4/8 7/10 5/16 3/8 2/10 2/12 4/12 4/12 7/24 5/16 4/10 4/10 7/24 4/8 4/12

194 193 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208
4/8 3/10 7/8 5/16 3/8 2/8 2/10 4/10 4/10 7/32 5/10 4/8 4/8 7/20 4/8 4/10

Die Pfeile bedeuten:

= Der Zähler und der Nenner wurden übernommen.

= Allein der Zähler wurde übernommen. Der Nenner entspricht oft dem
nächsthöheren254 bzw. nächsttieferen Wert.

= Allein der Nenner wurde übernommen. Der Zähler entspricht oft dem
nächsthöheren (+1) bzw. nächsttieferen (-1) Wert; ggf. ist der Bruch255
gekürzt.

kein Pfeil = keine eindeutige Weiterentwicklung zu einem anderen Wert.

254
Das bedeutet, dass – wie bereits bei Superscriptio gezeigt – der Nenner folgendermaßen
"ansteigt": gerade Æ quintolisch Æ triolisch Æ gerade Æ quintolisch Æ triolisch Æ gerade
in Zahlen: 8 Æ 10 Æ 12 Æ 16 Æ 20 Æ 24 Æ 32
255
Zähler (ansteigend und gekürzt; ungekürzte Werte kommen nicht vor) :
gerade quintolisch triolisch
1/8 1/16 1/10 1/20 1/12 1/24
2/8 2/16 = 1/8 2/10 2/20 = 1/10 2/12 2/24 = 1/12
3/8 3/16 3/10 3/20 3/12 3/24
4/8 4/16 = 2/8 4/10 4/20 = 2/10 4/12 4/24 = 2/12
5/8 5/16 5/10 5/20 5/12 5/24
6/8 6/16 = 3/8 6/10 6/20 = 3/10 6/12 6/24 = 3/12

225
IV 3er-Gruppe V 5er-Gruppe VI 9er-Gruppe

17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
5/12 7/20 7/24 9/16 3/8 5/24 7/16 5/20 3/16 8/12 3/10 4/10 5/10 2/8 5/16 4/10 9/20

65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81
7/24 5/12 7/20 9/16 3/8 5/16 7/16 5/8 2/8 7/12 2/10 3/12 4/10 3/8 3/8 3/10 4/10

113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129
7/20 7/24 5/12 4/8 4/8 5/16 4/8 5/8 3/8 5/12 3/10 1/10 2/10 5/8 4/8 1/10 3/10

161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177
7/24 7/20 5/12 9/16 4/8 5/16 4/8 5/8 3/8 5/12 3/10 1/10 2/10 5/8 4/8 1/10 3/10

209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225
7/20 7/16 5/20 9/16 4/8 5/16 4/8 5/8 2/8 5/10 3/8 1/8 2/8 5/8 4/8 1/8 3/8

Während in den ersten vier Gruppen die Veränderungen noch recht gut
nachzuvollziehen sind und auch den Permutationen von Schritt 2 weit gehend
entsprechen, so wird der Zusammenhang im weiteren Verlauf aufgeweicht und die
Werte scheinen sich – unabhängig von irgendwelchen Permutationen – eher linear
zu verändern (senkrechte Pfeile). In Gruppe VII scheint der Zusammenhang völlig
aufgehoben zu sein (keine Pfeile).

VII 9er-Gruppe VIII 3er-Gruppe IX 3er-Gruppe

34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
2/10 17/20 5/32 3/8 2/10 3/20 3/10 5/10 7/20 4/12 3/10 5/12 4/12 5/10 5/16

82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96
3/8 8/8 3/16 3/8 5/8 2/8 4/8 6/8 4/8 5/10 3/12 4/10 5/12 6/10 3/8

130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144
4/12 15/20 7/32 4/8 3/12 2/10 5/12 7/12 7/24 3/12 5/12 4/10 5/12 6/10 4/8

178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192
4/10 7/8 7/20 4/8 3/10 2/8 5/10 7/10 9/20 3/10 5/10 4/8 5/10 6/8 4/8

226
V.3.b) Verteilung der 48 Module

"Diese Linie [der Soloflöte] besteht aus 48 unveränderlichen Modulen, die zyklische permutiert
werden, mit den Ziel des allmählichen Wachstums der Richtungsperspektive im Hinblick auf
Behandlungstypen und – vor allem – der architektonische Natur der registermäßigen Entfaltung." 256

Der Aufbau des Schemas, das den vorhandenen 227 Takte jeweils eines von 48
verschiedenen Modulen zuordnet, lässt sich in mehreren Schritten nachvollziehen.

Zuerst einmal gilt für das ganze Stück: Ein Modul ist immer genau so lang wie ein
Takt. Man kann den Takt also jeweils als zeitlichen Rahmen für ein Modul verstehen
und den Taktstrich als Begrenzungslinie zwischen zwei Modulen.257

Drei verschiedene Prozesse liefern die endgültige Abfolge der Module innerhalb der
Takte:
Die (noch) vergleichsweise regelmäßige258 Grundlage wird – wie bei der
Taktdisposition – durch Permutation der 48 Module gebildet. So entstehen 192
Takte, die die vorläufige Anordnung der Module enthalten.

vorläufige Anordnung der Module

Modul
46

37

28

19

10

1
1 49 97 145 Takt

Im zweiten Prozess werden einzelne Module zwischen bereits vorhandene


eingeschoben.

256
"The solo part consists of 48 internally invariant modules, which are cyclically permutated so as to
suggest the gradual growth of tendential perspective and, in particular, the architectonic nature of
registral deployment." – (s. Anm. 6) S.135 bzw. S.9.
257
In der musikalischen Ausarbeitung kann das sehr schön verfolgt werden (siehe Kapitel V.3.a)
Taktdisposition). Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Takt 141 der späteren Zählung) beginnt das neue
Modul jeweils mit der ersten Note im Takt oder, falls es im Original mit einer Pause beginnt, kann
diese Pause bei einem späteren Auftreten durch den übergebundenen letzten Ton der
vorausgegangenen Moduls ausgefüllt sein.
258
Die Grafik soll die Regelmäßigkeit veranschaulichen: In Takt 1 bis 48 erscheinen die Module in
aufsteigender Reihenfolge direkt nacheinander, ab Takt 49 werden sie mehr und mehr permutiert. Vier
Zyklen werden bis Takt 192 durchlaufen.

227
Der Ort und die Modul-Nummer richtet sich dabei nach verschiedenen "Formeln"259.

""Formula": "x" bars on from last insert,


"y" bars back to find which bar is to be inserted.
2nd series brings inserts in original order (1,2,3…)"

Zweimal hintereinander wird dieses Verfahren angewandt. Auf diese Weise kommen
96 Module dazu. Die Regelmäßigkeit der Permutations-Zyklen wird dabei immer
stärker erschüttert.

Der dritte Prozess reduziert die Anzahl der Module wieder auf die endgültige Zahl
von 227, indem nach offenbar ähnlichen Verfahren Module wieder eliminiert werden.
So wird der durch Permutation erzeugte Charakter der Wiederkehr überlagert durch
eine Entwicklung, die das vorhandene Schema mehr und mehr auflöst zu einer
zunehmend unregelmäßigeren Abfolge von Modulen260 in der endgültigen
Anordnung.

endgültige Anordnung der Module


Modul
46

37

28

19

10

1
1 49 97 145 193 Takt

Zur besseren Nachvollziehbarkeit der immer komplexer werdenden


Zusammensetzung der Anordnung lassen sich die drei Prozesse in insgesamt 7
Schritte aufteilen. Die Schritte 1 bis 4 – die Grundlage (Prozess 1) und die Einschübe
(Prozess 2) – sind anhand der Skizzen261 genau nachweisbar und geben der Abfolge
eine handfeste Begründung262, während die Schritte 5 bis 7 – die Eliminationen
(Prozess) – Raum für Unsicherheiten263 zulassen bzw. offenbar etwas freier
gehandhabt wurden.

259
Vermerk auf Übersichtsblatt <4> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.
260
Man vergleiche die Grafik unten (endgültige Anordnung der Module) mit der vorangegangenen von
Prozess 1 (vorläufige Anordnung der Module durch Permutationen).
261
großes Übersichtsblatt <4> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.
262
Es existiert eine große Übersicht über die Modulanordnung, Skizzenblatt <3> aus der Mappe von
Carceri d'Invenzione IIa, deren Zahlen jedoch nicht immer eindeutig zu entziffern sind.
263
Bei Schritt 5 weicht die (mutmaßliche) Formel ab vom wirklich angewandten Verfahren.

228
Schritt 1

Er entspricht dem ersten Prozess, einer Grundeinteilung in 4 mal 48 Takte, genau


wie bei der Taktdisposition264. Möglicherweise sollte die Idee der Permutationen zwar
ursprünglich für die Takte verwendet werden (Schritt 2 der Taktdisposition), stellte
sich später jedoch als ungeeignet heraus und wurde deswegen nicht weiterverfolgt
(Schritt 3 der Taktdisposition), weil ein solcher Rahmen eine freiere Anordnung der
Module nicht zugelassen hätte. Dies würde sowohl den scheinbaren Widerspruch
zwischen Schritt 2 und 3 der Taktdisposition erklären, als auch die seltsame
Tatsache, dass der Modulanordnung das exakt gleiche Permutationsschema
zugrunde gelegt wird .

Bei der Grundeinteilung werden die 48 Module265 vorgestellt und anschließend


dreimal permutiert.

7 Takte 5 Takte 4 Takte


266
1.Zeile 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

2.Zeile 3 2 1 4 7 6 5 9 8 10 12 11 14 13 16 15

3.Zeile 2 1 3 4 5 7 6 12 9 10 8 11 15 16 14 13

4.Zeile 7 5 6 4 2 1 3 11 12 10 9 8 16 15 14 13

3Takte 5 Takte 9 Takte


1.Zeile 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

2.Zeile 19 17 18 21 20 24 23 22 26 25 28 27 29 32 30 33 31

3.Zeile 18 19 17 24 23 21 22 20 28 29 26 25 27 32 33 31 30

4.Zeile 19 18 17 23 24 20 21 22 33 31 30 32 27 25 26 28 29

264
Skizzenblatt [3] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa enthält die gleichen Permutationen,
jedoch ausdrücklich unter dem Titel "Permutations of bar structure".
265
Um die Nummern der Module nicht mit Taktzahlen oder anderen Werten zu verwechseln, werden
sie stets in einem eigenen Schriftsatz notiert.
266
Hier sind die Zeilen noch blockweise zusammengefasst, um die Permutationen zu verdeutlichen.
Bei den folgenden Schritten werden die Takte linear aneinandergereiht; die Zeilen entfallen; es
ergeben sich jeweils neue Zusammenfassungen in Form von Zyklen.

229
9 Takte 3 Takte 3 Takte
1.Zeile 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48

2.Zeile 36 35 34 39 38 37 42 41 40 44 45 43 48 47 46

3.Zeile 38 39 37 35 34 35 41 42 40 45 43 44 47 46 48

4.Zeile 39 37 38 42 40 41 35 36 34 44 43 45 48 46 47

Schritt 2

Nun werden 48 Module eingeschoben, deren Ort durch die Formel267


"x Takte weiter gezählt vom letzten Einschub (kommt der nächste Einschub)."

definiert wird. Die dadurch entstehende neue Einteilung der Module wird als System
1 bezeichnet und beginnt mit Takt 1. Die x-Werte ergeben sich aus der folgenden
Tabelle268:

Zyklus (a) 7 5 4 3 5 9 9 3 3
Zyklus (b) 6 4 3 2 4 8 8 2 2
Zyklus (c) 5 3 2 1 3 7 7 1 1
Zyklus (d) 4 2 1 2 6 6
Zyklus (e) 3 1 1 5 5
Zyklus (f) 2 4 4
Zyklus (g) 1 3 3
Zyklus (h) 2 2
Zyklus (i) 1 1

Dabei wird für Zyklus (a) die ursprüngliche Zahlenreihe zugrunde gelegt:

7–5–4–3–5–9–9–3–3

Die nachfolgenden Zyklen enthalten jeweils den entsprechenden Wert des


vorherigen Zyklus minus 1. Nach dem Wert 1 endet der Algorithmus; der Wert 0 wird
nicht verwendet.

Durch die kontinuierliche Abnahme der Zahlenwerte werden auch die Zyklen immer
kürzer: von ursprünglich neun Werten (Summe: 48) in Zyklus (a) zu zwei Werten
(Summe: 2) im (letzten) Zyklus (i).

267
"x bars on from last insert." – siehe Gesamtformel zu Beginn des Kapitels.
268
Sie ist auf Übersichtsblatt <4> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa angedeutet.

230
In der folgenden Übersicht sind die Takte – zur besseren Übersicht –
durchnummeriert269 (obere Zeile); die eingeschobenen Module (grüne Kästchen in
der mittleren Zeile) sind noch leer und werden in Schritt 3 mit Modul-Nummern
versehen. Die Pfeilspitzen zum nächsten x-Wert (untere Zeile) geben an, wie weit bis
zum nächsten Einschub – analog zur Tabelle – gezählt wird.

Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Modul 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Zyklus (a) > > > > > > 7 > > > > 5 > > > 4

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
> 3 > > > > 5 > > > > > > > > 9 > > >

38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
> > > > 9 > > 3 > > 3

Zyklus (b) enthält die Werte von Zyklus (a) jeweils minus 1, d.h. die Einschübe
kommen jeweils einen Takt früher. Dadurch ist die Gesamtzahl der Takte von Zyklus
(b) kleiner als der von Zyklus (a).

49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64
3 2 1 4 7 6 5 9 8 10 12 11 14 13 16 15
Zyklus (b) > > > > > 6 > > > 4 > > 3 > 2 >

65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84
19 17 18 21 20 24 23 22 26 25 28 27 29 32 30 33 31 36 35 34
> > 4 > > > > > > > 8 > > > > > > > 8 >

85 86 87
39 38 37
2 > 2

Genauso wird bei den weiteren Zyklen verfahren.

88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102


42 41 40 44 45 43 48 47 46 2 1 3 4 5 7
Zyklus (c) > > > > 5 > > 3 > 2 1 > > 3 >

103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117
6 12 9 10 8 11 15 16 14 13 18 19 17 24 23
> > > > > 7 > > > > > > 7 1 1

269
Es handelt sich nur um eine vorläufige Nummerierung; die endgültige berücksichtigt die späteren
Einschübe und Eliminationen.

231
Bei Zyklus (d) existieren nur noch 5 Werte statt bisher 9, da der bei Zyklus (c) dreimal
vorkommende Wert 1 nicht weiter verkleinert wird, sondern entfällt.

118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132
21 22 20 28 29 26 25 27 32 33 31 30 38 39 37
Zyklus (d) > > > 4 > 2 1 > 2 > > > > > 6

133 134 135 136 137 138


35 34 35 41 42 40
> > > > > 6

139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153
45 43 44 47 46 48 7 5 6 4 2 1 3 11 12
Zyklus (e) > > 3 1 1 > > > > 5 > > > > 5

154 155 156 157 158 159 160 161 162 163
10 9 8 16 15 14 13 19 18 17
Zyklus (f) > 2 > > > 4 > > > 4

164 165 166 167 168 169 170


23 24 20 21 22 33 31
Zyklus (g) 1 > > 3 > > 3

171 172 173 174


30 32 27 25
Zyklus (h) > 2 > 2

175 176
26 28
Zyklus (i) 1 1

177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192
(Rest) 29 39 37 38 42 40 41 35 36 34 44 43 45 48 46 47

Dass auf diese Weise genau 48 Takte eingeschoben wurden, erklärt sich daraus,
dass ja die Summe der Zahlenreihe (laut Definition) 48 ist und bei dem angewandten
Reduktionsverfahren die Komponenten in 1+1+1+... zerlegt wurden.

232
Schritt 3

Die Auswahl der einzusetzenden Module erfolgt nach der Formel270

"y Takte zurück, um herauszufinden, welcher Takt (= Modul) einzusetzen ist."

Die folgende Tabelle zeigt die y-Werte:

x-Werte y-Werte

(a) 7 5 4 3 5 9 9 3 3 3 3 9 9 5 3 4 5 7 (a)
(b) 6 4 3 2 4 8 8 2 2 3 9 9 5 3 4 5 7 3 (b)
(c) 5 3 2 1 3 7 7 1 1 9 9 5 3 4 5 7 3 3 (c)
(d) 4 2 1 2 6 6 9 5 3 4 5 7 (d)
(e) 3 1 1 5 5 3 3 5 4 3 (e)
(f) 2 4 4 5 7 3 (f)
(g) 1 3 3 9 9 3 (g)
(h) 2 2 4 5 (h)
(i) 1 1 7 9 (i)

Dabei ergeben sich die y-Werte von Zyklus (a) aus den x-Werten desselben Zyklus
von hinten nach vorne gelesen; sie sind quasi gespiegelt an einer imaginären Achse
(gestrichelte Linie). Die y-Werte der Zyklen (b) bis (i) werden nicht kontinuierlich
kleiner, sondern werden zyklisch permutiert, d.h. die y-Werte von Zyklus (b)
entsprechen denen von Zyklus (a) vom zweiten Wert aus angefangen, die y-Werte
von Zyklus (c) vom dritten Wert aus angefangen. Im weiteren Verlauf treten
Ungenauigkeiten auf, wahrscheinlich aufgrund der "Auslese": Es werden ab Zyklus
(d) nur so viele y-Werte verwendet, wie im selben Zyklus x-Werte vorkommen.

Es gibt also genau so viele y-Werte wie x-Werte (muss es auch, damit es aufgeht),
wobei die y-Werte immer zwischen 3 und 9, also recht groß bleiben. Die Konsequenz
daraus ist ein gesteigertes Maß an Komplexität, da sich – laut der Formel – mehr
Überlagerungen ergeben, wie sich aus der folgenden Übersicht herauslesen lässt:

Die Zyklen sind hierbei direkt aneinander gehängt, da die Überlappungen sie
miteinander verbinden, so z.B. beim Übergang von Zyklus (b) zu Zyklus (c): Nach
Takt 92 folgt ein Einschub, dessen Modul-Nummer (Modul 34271) sich ergibt, wenn
man (laut Formel und y-Wert-Tabelle) neun Takte zurück geht (vgl. Pfeilspitzen272),
wobei Takt 34 Teil des vorangegangenen Zyklus (b) ist.

Zyklus (a) (Werte: 3-3-9-9-5-3-4-5-7)

Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Modul 1 2 3 4 5 6 7 5 8 9 10 11 12 10 13 14 15 16 8 17
3 < < 3 < <
9 < < < < (<) < < < <
9 < (<) < < < < (<) <

270
"y bars back to find out which bar is to be inserted." – siehe Gesamtformel zu Beginn des Kapitels.
271
In der Skizze werden nicht die Modul-Nummern eingesetzt, sondern die Taktzahlen, was bisweilen
zu Verwirrungen und Verwechslungen führt.

233
18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37
18 19 11 20 21 22 23 24 20 25 26 27 28 29 30 31 32 33 31 34 35 36 37
< < 5 < < < < 3 < <

Zyklus (b) (Werte: 3-9-9-5-3-4-5-7-3)

38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56
38 39 40 41 42 39 43 44 45 41 46 47 48 42 3 2 1 4 7 6 4 5 9
4 < < < 3 < <
5 < (<) < < < 9 < < < < (<) < <
7 (<) < < < (<) < < < 9 < (<) < <

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75
8 10 2 12 11 14 7 13 16 12 15 19 17 18 19 21 20 24 23 22 26 25 28
< < 3 < < 4 < < <
< < (<) < < <
5 < < (<) < <

Zyklus (c) (9-9-5-3-4-5-7-3-3)

76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93
22 27 29 32 30 33 31 36 35 30 34 39 30 38 37 39 42 41 40 44 45 34 43
5 < < < <
7 < < < < (<) < <
3 (<) < <
9 < (<) < < (<) < < < < <
9 (<) < < < < < (<) <
5

94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111
48 47 37 46 2 43 1 46 3 4 5 1 7 6 12 9 10 8 11 12 15 16 14
< < 5 < < < <
< < (<) < < 7 < <
3 (<) <
4 (<) < < <

Zyklus (d) (9-5-3-4-5-7)

112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127
13 18 19 17 15 24 19 23 17 21 22 20 28 18 29 26 22 25 29 27 32 26 33
< < < < 5 < < (<) < <
3 < (<) < 3 < (<) <
3 < (<) < 4 (<) < (<) < <
9 < < (<) < (<) < (<) < < < <

234
Zyklus (e) (3-3-5-4-3)

128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145
31 30 38 39 37 31 35 34 35 41 42 40 37 45 43 44 45 47 43 46 45 48 7
5 < < < < 3 < < 4
7 (<) < < < < < < 3 < (<) <
5 < < (<) < (? ) <

Zyklus (f) (5-7-3)

146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163
5 6 4 7 2 1 3 11 12 3 10 9 3 8 16 15 14 12 13 19 18 17 19
< < < 3 < < 3 < <
5 < < (<) < <
7 (<) < < (<) < < < <
9 < < < (<) < < < < (<)
9 (<) < < < < (<)

Zyklus (g) (9-9-3) Zyklus (h) (4-5) Zyklus (i)(7-9) Rest

164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179
23 8 24 20 21 14 22 33 31 22 30 32 33 27 25 31 26 33 28 22 29 39 37
< 3 < <
< (<) < < < 4 < (<) < <
5 (<) < < (<) < <
7 < (<) < < (<) < < (<) <
9 < < (<) < < (<) < < (<) < (<) <

180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192
38 42 40 41 35 36 34 44 43 45 48 46 47

Zwei Abweichungen der so erzeugten Anordnung seien gleich erwähnt: Zwischen


Takt 148 und 149 müsste nach der Formel Modul 7 eingeschoben werden,
Ferneyhough hat jedoch Modul 2 eingeschoben und mit einem Takt Verzögerung
Modul 5 dazu. Ähnlich ist es beim darauf folgenden Einschub zwischen Takt 153 und
154: Dort sollte Modul 3 stehen, in Wirklichkeit ist es jedoch Modul 10.

146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163
5 6 4 2 2 5 1 3 11 12 10 10 9 3 8 16 15 14 12 13 19 18 17 19

Beide Abweichungen273 sind wohl auf die mangelnde Übersichtlichkeit des


Skizzenblatts zu schieben, wo die Schritte 1 bis 7 auf ein und demselben Blatt
eingetragen wurden. Erst die endgültige Modulanordnung wurde für Register- und
Instrumentationsangaben auf ein weiteres Blatt274 übertragen.

273
Sie sind im weiteren Verlauf der 7 Schritte vernachlässigt und erscheinen deshalb auch bei dieser
Untersuchung erst in der endgültigen Modulanordnung.
274
Übersichtsblatt <3> (Millimeterpapier; Format etwa A2) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione
IIa.

235
Schritt 4

In diesem Schritt werden weitere 48 Module eingeschoben, diesmal in der Original-


Reihenfolge275. Deren Ort wird bestimmt durch eine Tabelle, deren Werte wiederum
aus den x-Werten von Schritt 2 abgeleitet werden können:

x-Werte aus Schritt 2 neue Werte für Schritt 4

(a) 7 5 4 3 5 9 9 3 3
(b) 6 4 3 2 4 8 8 2 2 2 2 8 8 4 2 3 4 6 1st cycle
(c) 5 3 2 1 3 7 7 1 1 1 1 7 7 3 1 2 3 5 2nd cycle (-1)
(d) 4 2 1 2 6 6 0 0 6 6 2 0 1 2 4 3rd cycle (-2)
(e) 3 1 1 5 5 5 5 1 0 1 3 4th cycle (-3)
(f) 2 4 4 4 4 0 0 2 5th cycle (-4)
(g) 1 3 3 3 3 3* 6th cycle (-5)
(h) 2 2 1* 2 0 7th cycle (-6)
(i) 1 1 1 1 0 0 8th cycle (-7)

Im Unterschied zur Erstellung der Werte von Schritt 3 wird nun nicht Zyklus (a)
weiterverwendet, sondern allein die darauf folgenden (b) bis (i); dafür werden von
diesen jetzt auch die Werte selbst gespiegelt. Die neuen Werte entsprechen also den
alten derselben Zeile von hinten nach vorne gelesen, wobei an den mit *
gekennzeichneten Stellen kleine Abweichungen vorliegen.

Der Wert 0 ist an manchen Stellen hinzugefügt, was in Bezug auf den Ort der
einzuschiebenden Module bedeutet, dass zwischen zwei Einschüben ein Abstand
von 0 Takten ist, d.h. zwei Module werden direkt hintereinander eingeschoben.
Warum der Wert 0 hinzugefügt wurde, ist klar, wenn man bedenkt, dass nur so für
alle 48 Module ein Ort bestimmt wird, schließlich fehlen 9 Werte aus Zyklus (a).

Die durch Schritt 4 entstehende neue Einteilung der Module wird als System 2
bezeichnet und beginnt mit dem ersten Einschub aus Schritt 2, also dem Modul
zwischen Takt 7 und Takt 8. Die so entstandenen acht neuen Zyklen werden jetzt
nicht mehr mit Buchstaben bezeichnet, sondern mit Ordnungszahlen. Die Pfeilspitzen
bezeichnen wie vorher, um wie viele Takte weiter gezählt wird.

Die (grünen) Einschübe aus Schritt 2 und 3 werden im System mitgezählt; die neuen
(roten) Einschübe sind durch dicke Rahmen zusätzlich kenntlich gemacht.

1st cycle

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
1 2 3 4 5 6 7 5 8 9 1 10 11 2 12 10 13 14 15 16 8 17 3
> 2 > 2 > > > > > > > 8

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
18 19 11 20 21 22 23 24 4 20 25 26 27 5 28 29 6 30 31 32 7 33 31
> > > > > > > 8 > > > 4 > 2 > > 3 > >

275
"2nd series bring in original order (1,2,3...)" – siehe Gesamtformel zu Beginn des Kapitels.

236
2nd cycle (-1)

34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
34 35 8 36 37 38 39 40 41 9 42 10 39 11 43 44 45 41 46 47 48 12 42
> 4 > > > > > 6 1 1 > > > > > > 7 >

49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63
3 2 1 4 7 6 13 4 5 9 14 8 15 10 2 16 12 11 14 17 7 13 16
> > > > > 7 > > 3 1 > 2 > > 3 > > >

3rd cycle (-2)

64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76
10 15 18 19 20 19 17 18 19 21 20 21 24 23 22 26 25 28 22 22 27 23 24
> 5 0 0 > > > > > 6 > > > > > 6 > 2 0

4th cycle (-3)

77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91
29 25 32 30 26 33 31 36 35 27 30 34 39 22 38 28 37 39 42 41 40 29 44
1 > 2 > > > 4 > > > > 5 > > > > 5 >

5th cycle (-4)

92 93 94 95 96 97 98 99 100 101
30 31 45 32 34 43 48 33 47 37 46 2 34 43 1 46 3 35 36 37 4 5
0 1 > > 3 > > > 4 > > > 4 0 0 > 2

6th cycle (-5) 7th cycle (-6) 8th cycle (-7)

102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113
38 1 7 6 39 12 9 10 40 8 11 12 41 15 42 16 14 43 44 13 45 18 46
> > 3 > > 3 > > 3 1 > 2 0 1 1

114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127
47 48 19 17 15 24 19 23 17 21 22 20 28 18 29 26 22 25 29 27 32 26 33
0 0

128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145
31 30 38 39 37 31 35 34 35 41 42 40 37 45 43 44 45 47 43 46 40 48 7
146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163
5 6 4 46 2 1 3 11 12 3 10 9 3 8 16 15 14 12 13 19 18 17 19
164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179
23 8 24 20 21 14 22 33 31 22 30 32 33 27 25 31 26 33 28 22 29 39 37
180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192
38 42 40 41 35 36 34 44 43 45 48 46 47

Wie bei Schritt 3 ist auch hier sehr schön zu sehen, wie der Prozess immer dichter
wird und schließlich vor Takt 114 abbricht.

237
Die Tatsache, dass die "grünen" Einschübe bei Schritt 4 mitgezählt werden, sowie
die Bezeichnung als "System 2" weisen darauf hin, dass Schritt 4 nicht vor den
Schritten 2 und 3 kommt, sondern die beiden Einschub-Systeme genau in dieser
Reihenfolge angewandt wurden.

Die Einschübe von Schritt 4 tauchen übrigens in der musikalischen Ausarbeitung


(fast) immer als wörtliche Zitate des Original-Moduls auf, was bei den anderen
Einschüben aus Schritt 2 bzw. 3 und den durch Permutation angeordneten
Grundmodulen aus Schritt 1 nicht der Fall ist. 276

Schritt 5

Nachdem im Laufe des zweiten Prozesses viele Takte hinzugekommen sind, wird die
Anordnung jetzt wieder gelichtet, indem in den folgenden zwei Schritten (5 und 6)
Module wieder eliminiert werden. Es geschieht analog zu den Einschüben in zwei
Schritten; dabei gibt es zwei verschiedene Vorschriften zur Elimination.277
Die schraffierte Elimination scheint zuerst zu kommen, da allein die Grundmodule
aus den Permutationen in Schritt 1 – keine der eingeschobenen aus späteren
Schritten – mit dem Verfahren eliminiert wurden.

Als Verfahren für die erste Elimination gibt Ferneyhough zusammen mit der Tabelle
an:
278
"Eliminiere vom ersten neuen Zyklus [= Zyklus (b)] an (nur Original-Takte werden gezählt)."

Die dazugehörige Tabelle enthält die (durchgestrichenen) Werte:

7
7 5
7 5 4
7 5 4 3
7 5 4 3 5
7 5 4 3 5 (9)

Es handelt sich in der untersten Zeile um die letzten sechs Werte der ursprünglichen
Zahlenreihe, von hinten nach vorne gelesen. Jede darüber liegende Zeile enthält
einen Wert weniger.

Das Verfahren scheint also dasselbe wie bei den Einschüben zu sein, nur dass
diesmal Module eliminiert werden. Es finden sich tatsächlich 20 durch Schraffierung
eliminierte Module. (In der Tabelle sind genau dann ebenfalls 20 Werte, wenn man
die eingeklammerte 9 nicht mitzählt.)

Es bleibt die Frage, wie sich die Tabelle auf die Anordnung der Module auswirkt.

276
Die genauere Analyse der Zitate erfolgt im Kapitel V.3.d).
277
Beide scheinen angewandt worden zu sein, da die Zahlen beider Tabellen durchgestrichen sind
und die Eliminationen z.T. schraffiert, zum Teil in X-Form durchgestrichen sind.
278
"eliminate from first new cycle onwards (counting only original bars)." - Tabelle und Anmerkung für
Schritt 5 wie für Schritt 6 befinden sich auf Übersichtsblatt <4> aus der Mappe von Carceri
d'Invenzione IIa.

238
Auffällig ist, dass die Eliminationen erst in Zyklus (b)279 beginnen.

Variante 1: Eine vielleicht vom System her nahe liegende Variante wäre, einfach die
Zeilen der Tabelle von links nach rechts und von oben nach unten zu lesen. Sie
kommt dem Endergebnis jedoch nicht so nahe.280

Variante 2: Man könnte sich auch vorstellen, dass bei dem längsten der
angesprochenen "neuen" Zyklen, bei Zyklus (b), die längste (und damit die unterste)
Zahlenreihe281 beginnt, bei Zyklus (c) die darüber liegende und ab Zyklus (d)282 direkt
weitergezählt wird, da die Zyklen kürzer werden und die Zahlenreihen über das Ende
der Zyklen hinausragen. Diese Variante kommt den tatsächlichen Eliminationen
etwas näher.283

Zyklus (a) bleibt auf jeden Fall unverändert.

Zyklus (a)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
1 2 3 4 5 6 7 5 8 9 1 10 11 2 12 10 13 14 15 16 8 17 3
18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
18 19 11 20 21 22 23 24 4 20 25 26 27 5 28 29 6 30 31 32 7 33 31
34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
34 35 8 36 37 38 39 40 41 9 42 10 39 11 43 44 45 41 46 47 48 12 42

Erst in Zyklus (b) erscheinen die ersten Eliminationen.

Zyklus (b)

49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61
Modul 3 2 1 4 7 6 13 4 5 9 14 8 15 10 2 16 12 11 14
Eliminationen > > > > > > 7 > > > > >
Variante 2 > > > > > > 7 > > > > >
Variante 1 > > > > > > 7 > > > > 5

62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75
17 7 13 16 10 15 18 19 20 19 17 18 19 21 20 21 24 23 22 26 25 28 22
> > > 9 > > > > 5 > > >
> 7 > > > > 5 > > > > >
> > > 4 > > 3 > > > >

76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87
22 27 23 24 29 25 32 30 26 33 31 36 35 27 30 34 39 22 38 28 37 39
> > > 7 > > > > > 6
> 7 > > > > 5 > > >
5 > > > > > > > > (9)

279
Diese Stelle ist auf der Skizze mit "System 3" bezeichnet.
280
3 mal Übereinstimmung, 1 mal Abweichung um 1 Takt, 15 mal größere Abweichung.
281
von links nach rechts gelesen.
282
Zyklus (d) beginnt mit Takt 118; er ist – zur besseren Übersicht – nicht mehr extra angegeben,
genauso die folgenden Zyklen.
283
5 mal Übereinstimmung, 4 mal Abweichung um nur 1 Takt, 11 mal größere Abweichung.

239
Zyklus (c)

88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99
42 41 40 29 44 30 31 45 32 34 43 48 33 47 37 46 2 34 43 1 46 3 35
> > > 4 > > > > > > >
4 > > > > > > 7 > >
> > > > > > 7 > > > >

100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111
36 37 4 5 38 1 7 6 39 12 9 10 40 8 11 12 41 15 42 16 14 43 44
8 > > > > > > 7 > >
> > 5 > > > 4 > > 3
5 > > > 4 > > 3 >

112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124
13 45 18 46 47 48 19 17 15 24 19 23 17 21 22 20 28 18 29 26 22 25 29
> > 5 > 2 > > > > 5
> > > > > > 7 > > > >
> > > 5 > > > > > > 7

125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142
27 32 26 33 31 30 38 39 37 31 35 34 35 41 42 40 37 45 43 44 45 47 43
1 > > > > 5 > > > > 5 > 2 >
5 > > > 4 > > 3 > > > > 5 >
> > > > 5 > > > 4 > > 3 > > >

143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160
46 40 48 7 5 6 4 46 2 1 3 11 12 3 10 9 3 8 16 15 14 12 13
> > > > > > > > 10 > > > > > > > >
> > > > > 7 > > > > 5 > > > 4
> > > 7 > > > > 5 > > > 4 > >

161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176
19 18 17 19 23 8 24 20 21 14 22 33 31 22 30 32 33 27 25 31 26 33 28
9 > > > > 5 > 2 > > > > >
> > 3 > > > > 5 > > > > > >
> > > > 7 > > > > 5 > > > >

177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192
22 29 39 37 38 42 40 41 35 36 34 44 43 45 48 46 47
> 7
> > 9
> > 7

Die Reihe der tatsächlichen "Werte" für die Abstände zwischen je 2 eliminierten
Modulen liest sich so:

7 9 5 7 6 4 8 7 5 2 5 1 5 5 2 10 9 5 2 7

Bringt man diese Reihe in die Form von Tabellen nach obigem Muster, so sähen
diese so aus:
Originaltabelle Version 1 oder Version 2
7 7 7
7 5 9 5 5 2
7 5 4 7 6 4 2 10 9
7 5 4 3 8 7 5 2 5 1 5 5
7 5 4 3 5 5 1 5 5 2 4 8 7 5 2
7 5 4 3 5 (9) 10 9 5 2 7 7 9 5 7 6
240
Schritt 5 kann übrigens auch – wie Schritt 4 – als direkte Fortsetzung von Schritt 3
verstanden werden, da bei der ersten Elimination nur Originaltakte ohne die
Einschübe aus Schritt 4 gezählt und ggf. eliminiert werden. Möglicherweise wurde er
sogar vor Schritt 4 ausgeführt; dagegen spricht jedoch, dass die Eliminationen als
"System 3" bezeichnet werden und wieder etwas später beginnen, als System 1 und
System 2.

Schritt 6

Die nun folgende zweite Elimination (in X-Form durchgestrichen) berücksichtigt alle
Takte, wobei von hinten nach vorne innerhalb der Modulanordnung gezählt wird.

"Eliminiere von außen (alle Takte werden gezählt)." 284

Es werden – im Unterschied zu Schritt 5 – alle Module gezählt, also auch die


Einschübe aus den Schritten 2 bis 4; einzig die bereits eliminierten Module von
Schritt 5 werden nicht mehr mitgezählt.

Die zu dieser Elimination gehörige Tabelle lautet:

3 3 9 9 5 3 4 5 7
3 3 9 9 5 3 4 5
3 3 9 9 5 3 4
3 3 9 9 5 3
3 3 9 9 5
3 3 9 9
3 3 9
3 3
3

Sie enthält in der obersten Zeile die Werte der ursprünglichen Zahlenreihe, wobei in
den darunter liegenden Zeilen jeweils der letzte Wert der vorangegangenen Zeile
weggelassen wird. Insgesamt kommen so besonders häufig die Werte 9 und 3 vor.

Setzt man beide zur Elimination verwendeten Tabellen zusammen, so ergänzen sie
sich zur (fast) vollständigen Zahlentabelle:

3 3 9 9 5 3 4 5 7
3 3 9 9 5 3 4 5
3 3 9 9 5 3 4
3 3 9 9 5 3 7
3 3 9 9 5 5 7
3 3 9 9 4 5 7
3 3 9 3 4 5 7
3 3 5 3 4 5 7
3 (9) 5 3 4 5 7

284
"eliminate from rear (counting all bars)" – Die Bemerkung und die zugehörige Zahlentabelle
befinden sich auf Übersichtsblatt <4> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.

241
Eine Besonderheit im Zählverfahren tritt hier auf: Nicht nach x Takten wird ein Modul
eliminiert, sondern das x-te Modul wird eliminiert.

Zyklus (a) 1st cycle

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
1 2 3 4 5 6 7 5 8 9 1 10 11 2 12 10 13 14 15 16 8 17 3
18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
18 19 11 20 21 22 23 24 4 20 25 26 27 5 28 29 6 30 31 32 7 33 31

2nd cycle (-1)

34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
34 35 8 36 37 38 39 40 41 9 42 10 39 11 43 44 45 41 46 47 48 12 42
< < 3 < < 4 < < < 3 < < 9 <
Zyklus (b)

49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63
3 2 1 4 7 6 13 4 5 9 14 8 15 10 2 16 12 11 14 17 7 13 16
< < < < < < < 3 < < 3 < < 5 < < < < 9 < < <

3rd cycle (-2)

64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76
10 15 18 19 20 19 17 18 19 21 20 21 24 23 22 26 25 28 22 22 27 23 24
< < < < < 9 < < < < < < < < 3 < < 3 < < 3

4th cycle (-3) Zyklus (c)

77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91
29 25 32 30 26 33 31 36 35 27 30 34 39 22 38 28 37 39 42 41 40 29 44
< < 5 < < < < 9 < < < < < < < < 9 < < < <

5th cycle (-4)

92 93 94 95 96 97 98 99 100 101
30 31 45 32 34 43 48 33 47 37 46 2 34 43 1 46 3 35 36 37 4 5
< < < < 3 < < 3 < < 4 < < < 3 < < 5 < <

6th cycle (-5) 7th cycle (-6) 8th cycle (-7)

102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113
38 1 7 6 39 12 9 10 40 8 11 12 41 15 42 16 14 43 44 13 45 18 46
< < 9 < < < < < < < < 9* < < < < < < < < 3 <

Zyklus (d)

114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127
47 48 19 17 15 24 19 23 17 21 22 20 28 18 29 26 22 25 29 27 32 26 33
< 3 < < 5 < < < < 4 < < < 3 < < 5 < <

242
Zyklus (e)

128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145
31 30 38 39 37 31 35 34 35 41 42 40 37 45 43 44 45 47 43 46 40 48 7
< < 9 < < < < < < < < 9 < < < < < < < <

Zyklus (f)

146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163
5 6 4 46 2 1 3 11 12 3 10 9 3 8 16 15 14 12 13 19 18 17 19
3 < < 3 < < 7 < < < < < < 5 < < < < 4 < <

Zyklus (g) Zyklus (h) Zyklus (i) Rest

164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179
23 8 24 20 21 14 22 33 31 22 30 32 33 27 25 31 26 33 28 22 29 39 37
< 3 < < 5 < < < < 9 < < < < < < < < 9 < <

180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192
38 42 40 41 35 36 34 44 43 45 48 46 47
< < < < < < < 3 < < 3 < <

Inzwischen ist fast die endgültige Anordnung der Module erreicht. Einige
Abweichungen gibt es noch:
Neben wenigen zusätzlich (in X-Form) eliminierten Modulen handelt es sich um das
nachträgliche Ersetzen einzelner Module durch andere aus der Nachbarschaft.

Schritt 7

Modifikation der Anordnung durch zusätzliche Eliminationen und Einschübe, sowie


durch Ersetzen von einzelnen Modulen durch in unmittelbarer Nähe vorkommende.

Im folgenden ist die (neue) begründete Modulanordnung zusammengestellt, soweit


sie sich anhand der bisher vorgestellten Prozesse definieren lässt285. Es handelt sich
noch nicht um die endgültige Anordnung, so wie sie in der Partitur erscheint; es gibt
noch Abweichungen, die sich erst durch den exakten Vergleich der Module in Kapitel
V.3.d) erklären lassen.

Die neue Taktnummerierung jedoch ist die endgültige; alle weiteren Taktzahlen
beziehen sich auf diese neue Nummerierung.
alte Taktnummerierung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
alte Modulanordnung 1 2 3 4 5 6 7 5 8 9 1 10 11 2 12 10 13
Modifikationen
neue Modulanordnung 1 2 3 4 5 6 7 5 8 9 1 10 11 2 12 10 13
neue Taktnummerierung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

285
So findet sie sich als modifizierte Abschrift von Übersichtsblatt <4> auf dem neuen Übersichtsblatt
<3> innerhalb der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.

243
14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29
14 15 16 8 17 3 18 19 11 20 21 22 23 24 4 20 25 26 27 5 28 29 6

14 15 16 8 17 3 18 19 11 20 21 22 23 24 4 20 25 26 27 5 28 29 6
18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45
30 31 32 7 33 31 34 35 8 36 37 38 39 40 41 9 42 10 39 11 43 44 45

30 31 32 7 33 31 34 35 8 36 37 38 39 40 41 9 42 39 11 44 45
41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61

46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
41 46 47 48 12 42 3 2 1 4 7 6 13 4 5 9 14 8 15 10 2 16 12
6 9 2 0 1
41 47 48 42 3 2 1 4 7 6 13 6 9 2 15 10 16 10
62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79

60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73
11 14 17 7 13 16 10 15 18 19 20 19 17 18 19 21 20 21 24 23 22 26
14 15 16 19
11 14 7 14 16 15 16 19 18 19 20 18 19 21 20 21 24 23 26
80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98

74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
25 28 22 22 27 23 24 29 25 32 30 26 33 31 36 35 27 30 34 39 22 38
27 35 22 39
27 22 27 23 29 25 30 26 31 36 27 30 35 39 38 39
99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114

87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98
28 37 39 42 41 40 29 44 30 31 45 32 34 43 48 33 47 37 46 2 34 43 1

28 39 41 40 29 44 30 31 32 34 48 33 37 46 34 43 1
115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131

99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110
46 3 35 36 37 4 5 38 1 7 6 39 12 9 10 40 8 11 12 41 15 42 16
12
3 35 37 4 38 1 6 39 12 9 10 40 12 11 12 42 16
132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148

111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123
14 43 44 13 45 18 46 47 48 19 17 15 24 19 23 17 21 22 20 28 18 29 26
43 44 20 28
14 43 44 13 45 44 47 19 15 19 23 17 22 20 18 29
149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164

244
124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141
22 25 29 27 32 26 33 31 30 38 39 37 31 35 34 35 41 42 40 37 45 43 44
36 36
22 29 26 33 31 30 39 31 35 34 36 36 42 37 43
165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179

142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157
45 47 43 46 40 48 7 5 6 4 46 2 1 3 11 12 3 10 9 3 8 16
P P 2 5 10 3 9
45 47 43 46 40 48 7 6 4 2 2 5 1 10 10 3 8
180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196

158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174
15 14 12 13 19 18 17 19 23 8 24 20 21 14 22 33 31 22 30 32 33 27 25
15 13 23 33
15 15 12 17 19 23 23 20 14 33 31 22 33 27 33
197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211

175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192
31 26 33 28 22 29 39 37 38 42 40 41 35 36 34 44 43 45 48 46 47
26
31 33 28 22 39 38 42 40 41 35 36 34 43 45 46 47
212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227

Die Modifikationen lassen sich so unterscheiden:

a) zusätzliche Eliminationen (bisher nicht durchgestrichen):

• zwischen Takt 112 und Takt 113 wurde Modul 22 zusätzlich eliminiert.
• zwischen Takt 162 und Takt 163 wurde Modul 28 zusätzlich eliminiert.
• zwischen Takt 193 und Takt 194 wurde Modul 3 zusätzlich eliminiert.
• zwischen Takt 194 und Takt 195 wurde Modul 9 zusätzlich eliminiert.
• zwischen Takt 199 und Takt 200 wurde Modul 13 zusätzlich eliminiert.

b) zusätzliche Einschübe:

• Takt 87 enthält zusätzlich Modul 19.


• Takt 114 enthält zusätzlich Modul 39 (wie vorher Takt 112).
• Takt 191 enthält zusätzlich Modul 5.

c) Ersetzen von einzelnen Modulen durch in unmittelbarer Nähe vorkommende,


meist vorausgegangene Module:

• Takt 73 enthält nicht Modul 5, sondern Modul 6 wie vorher Takt 71.
• Takt 75 enthält nicht Modul 14, sondern Modul 2 (wie Takt 14).
• Takt 79 enthält nicht Modul 12, sondern Modul 10 wie vorher Takt 77.
• Takt 83 enthält nicht Modul 13, sondern Modul 14 wie vorher Takt 81.

245
• Takt 85 enthält nicht Modul 10, sondern Modul 15 (wie Takt 86).
• Takt 86 enthält nicht Modul 15, sondern Modul 16 wie vorher Takt 84.
• Takt 99 enthält nicht Modul 28, sondern Modul 27 wie später Takt 101.
• Takt 111 enthält nicht Modul 34, sondern Modul 35.
• Takt 144 enthält nicht Modul 8, sondern Modul 12 wie Takt später 146.
• Takt 153 enthält nicht Modul 45, sondern Modul 43 (Übertragungsfehler ?).
• Takt 154 enthält nicht Modul 46, sondern Modul 44 (Übertragungsfehler ?).
• Takt 189 enthält nicht Modul 46, sondern Modul 2 wie später Takt 190.
• Takt 194 enthält nicht Modul 12, sondern Modul 10 wie vorher Takt 193.
• Takt 198 enthält nicht Modul 14, sondern Modul 15 wie vorher Takt 197.
• Takt 203 enthält nicht Modul 24, sondern Modul 23 wie vorher Takt 202.
• Takt 211 enthält nicht Modul 25, sondern Modul 33 wie vorher Takt 209 bzw.
später Takt 213.

d) außerdem:

• Modul 9 in Takt 74 wurde doch nicht eliminiert.


• Modul 20 in Takt 162 wurde doch nicht eliminiert.
• Takt 175 und Takt 176 enthalten jeweils Modul 36, möglicherweise als
Umkehrung der Idee des Ersetzens (sonst wäre Modul 35 in Takt 173 und in
Takt 175).
• Takt 182 (Modul 43) und Takt 183 (Modul 46) enthalten jeweils einen ganzen
Takt Pause, wahrscheinlich weil beide Module beim ersten Vorstellen
(zwischen Takt 59 und Takt 63) bereits eliminiert wurden. Im weiteren Verlauf
erscheinen sie jedoch als zwei eigenständige, verschiedene Module, während
Modul 25 von vorn herein als ganzer Takt Pause definiert ist.

Nach diesem Überblick über die Modulanordnung lohnt ein erster Blick auf die Stelle
"quasi una cadenza" in Takt 129 (der neuen Nummerierung):
"Je mehr Zyklen sich überschneiden, desto extremer und registermäßig reicher werden auch die
Variationstechniken; die ganze Tendenz strebt auf ein „quasi una cadenza“ hin, das alle möglichen
Begrenzungen bis zum äußersten führt." 286

Wie diese Stelle auch registermäßig betont ist, zeigt sich im folgenden Kapitel
(V.3.c)).
Im Hinblick auf das übernächste Kapitel (V.3.d)) und auch auf die Möglichkeiten der
Höranalyse seien hier noch einige Gedanken Ferneyhoughs zur Anlage des
Flötenparts von Carceri d'Invenzione II wiedergegeben.
"Der Gegensatz von näheren und ferneren Klängen [wird] zu Beginn vorgetragen. Ich benutze diesen
Vergleich mit dem Raum, denn diese Art der Wahrnehmung der Musik – nämlich die über die Analogie
– gibt es immer. (...) In diesem Fall gibt es eine (...) Dialektik, die zwischen dem Vortrag der Töne (wie
Individualisten) und dem Bezugsrahmen entsteht. Es wird gern als ein Wörterbuch der Gesten
gesehen, vielleicht nur relativ, um ganz speziell erklären zu können, wie die Musik in der Zeit existiert
und wie daher der symbolische Wert dieser oder jener Geste nicht festgelegt werden kann, sondern

286
"As more and more cycles are overlapped, the variational techniques employed become
increasingly extreme and registrally rich, the entire tendency flowing into a "quasi una cadenza",
wherein all registral and articulational aspects of the flute are exploited to the full." – (s. Anm. 2) S.135
bzw. S.10.

246
vom Rahmen des Stückes abhängt. Er wird daher innerhalb des Rahmens erkennbar werden, in dem
die Ereignisse eintreten, in der reellen und experimentellen Zeit wird sich der spezifische Wert dann
zeigen." 287

"Wie soll man nun Beziehungen zwischen Ereignissen ausarbeiten ? (...) In meinem Fall bilde ich
zuerst die Typen der Ereignisse, die alle sehr unterschiedlich sein sollen und sehr schwierig zu
identifizieren. Danach erarbeite ich ein Gebiet innerhalb der Zeit, um die Entwicklung der
Inhaltsgebung dieser Ereignisse zu erzeugen. In der Tat vermeidet man dadurch Tendenzen, ein
Stück allein nach der Perspektive des Komponisten zu schreiben; ich will sagen, dadurch kann man
sich auch in die Lage des Zuhörers versetzen, denn er versteht nicht, was man erwartet und wohin die
Musik geht. Jede Aufführung suggeriert eine Art fortwährende Spekulation, die die Ereignisse und
Reflexionen verbindet, die versucht, die Intentionen des Komponisten zu verstehen." 288

287
"L’opposition entre sons proches ou lointains joue dès le début. J’utilise cette comparaison avec
l’espace car ce mode de perception de la musique – mode par analogie – existe toujours. (…) Dans
ce cas-ci il y a une (...) dialectique qui met en jeu des sons (comme individualités) et l’espace
référentiel. Il faut bien voir qu’un dictionnaire de gestes ne peut être que relatif, tout particulièrement
en raison du fait que la musique existe dans le temps et donc que la valeur symbolique de tel ou tel
geste ne peut être fixe mais dépend du cadre de la pièce. Il faut donc établir d’abord lequel
interviedront les événements pour établir ensuite, dans le temps réel et expérimenté, la valeur
spécifique qu’aura telle manifestation." – (s. Anm. 245) S.117
288
"Comment élaborer alors des rapports entre événements ? (…) Dans mon cas présent j’ai d’abord
établi des types des événements qui soient très différents tout en étant difficiles à identifier. Puis j’ai
élaboré un parcours dans le temps afin d’établir le développment de la signification de ces
événements. En effet il faut éviter les tendances à écrire une pièce selon la seule perspective du
compositeur, je veux dire par là qu’il faut aussi se mettre dans la peau de l’auditeur car lui ne sait pas
ce qui l’attend et où va aller la musique. Chaque audition contient une espèce de spéculation
continuelle qui combine des sensations et des réflexions, qui tente de saisir les intensions du
compositeur." – Ebda S.117.

247
V.3.c) Tonhöhendisposition

"Ich habe eine Entfaltung der Ereignisse erzeugt, die mir erlaubt, nach und nach die verschiedenen
Ereignisse des Raumes zu kreieren, die sich selbst entwickeln; zu Beginn ist es das Ereignis der
Räume (Bereiche) des Registers, das überwiegt und außerdem während des gesamten Stückes in
gewissem Sinne wie ein Spiel der Register aussieht. Also gibt es eine deutliche Tendenz zur
Festigung der Register, die in der Mitte (Hälfte) des Stückes (Takt 74) zur Beschränkung auf das
minimale Register einer kleinen Terz führt (fis-a)." 289

Das Register der Flöte ist in Bereiche eingeteilt, aus denen sich der Tonvorrat jeweils
zusammensetzt. Die Bereiche umschließen jeweils das Intervall einer kleinen Terz
und liegen zwischen es4 und c1. Diese Einteilung gilt für das ganze Stück290.

Innerhalb dieser Bereiche scheint es keine genauere Ordnung zu geben, sondern


freie Auswahl im Einzelnen.

Für die ersten 74 Takte existiert eine eigene Einteilung291 in sich überlappende
(zusammengesetzte) Bereiche:

Diese Bereiche werden so miteinander kombiniert und nacheinander verwendet,


dass sich beide Extrembereiche (1 und a) nach und nach annähern und im mittleren
Bereich (6 bzw. f), der kleinen Terz fis-a treffen.

289
"J’ai établi un déroulement des événements qui me permette de créer peu à peu les différentes
sensations d’ espaces qui se développent ; au début c’est la sensation d’espaces de registres qui
prime et d’ailleurs toute la pièce peut être vue, en un certain sens, comme un jeu de registres. Ainsi il
y a une grande tendance au resserrement des registres qui conduit vers la moitié de la pièce (mesure
74) à se limiter à un registre minimal d’une tierce (fa dièse-la)." – (s. Anm. 245) S.118.
290
bezogen auf den Flötenpart.
291
Blatt [14] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.

248
Combinations292

1 + a (0) es4 – a3 + fis1 – c1


(1 + 2) + a (1) (1) es4 – fis3 + fis1 – c1
(1 + 2) + (a + b) (2) (2) es4 – fis3 + a1 – c1
2 + (a + b) (3) (3) c4 – fis3 + a1 – c1
(2 + 3) + (a + b) (4) (4) c4 – es3 + a1 – c1
(2 + 3) + b (5) (5) c4 – es3 + a1 – es1
(2 + 3) + (b + c) (6) (6) c4 – es3 + c2 – es1
3 + (b + c) (7) (7) a3 – es3 + c2 – es1
(3 + 4) + (b + c) (8) (8) a3 – c3 + c2 – es1
(3 + 4) + c (9) (9) a3 – c3 + c2 – fis1
(3 + 4) + (c + d) (10) (10) a3 – c3 + es2 – fis1
4 + (c + d) (11) (11) fis3 – c3 + es2 – fis1
(4 + 5) + (c + d) (12) (12) fis3 – a2 + es2 – fis1
(4 + 5) + d (13) (13) fis3 – a2 + es2 – a1
(4 + 5) + (d + e) (14) (14) fis3 – a2 + fis2 – a1
5 + (d + e) (15) (15) es3 – a2 + fis2 – a1
(5 + 6) + (d + e) (16) (16) es3 – fis2 + fis2 – a1
(5 + 6) + e (17)293 (17) es3 – fis2 + fis2 – c2
6 + (e + f) (18) (18) a2 – fis2 + a2 – c2
6 + f (19) (19) a2 – fis2 + a2 – fis2

4
14 es

4
13 1 c 1 1 1
+ +
3
12 2 a 2 2 2 2 2 2
+ + +
3
11 3 fis 3 3 3 3 3 3 3
+ + +
3
10 4 es 4 4 4 4 4 4 4
+ + +
3
9 5 c 5 5 5 5 5 5
+ +
2
8 6 a 6 6 6 6
+ + + +
2
7 f fis f f
+
2
6 e es e e e e e
+ + +
2
5 d c d d d d d d d
+ + +
1
4 c a c c c c c c c
+ + +
1
3 b fis b b b b b b b
+ + +
1
2 a es a a a a a

1
1 c

292
Skizzenblatt [14] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.
293
Zwischen (17) und (18) würde im Sinne einer Regelmäßigkeit (5 + 6) + (e + f) kommen. Dies ist
jedoch nicht der Fall.

249
Versucht man, sich diese Kombinationen als zeitliche Entwicklung der
Tonhöhenbereiche vorzustellen, lassen sie sich in einem Schaubild etwa so wie oben
veranschaulichen: Neben der (horizontalen) Zeitachse sind die (vertikalen)
Tonhöhenbereiche wie bei der Notation geordnet: das höhere Register oben, das
tiefere unten. Ganz links in der Grafik sind die Bereiche einzeln vorgestellt und deren
Randtöne (für weitere Betrachtungen) durchnummeriert.
Man sieht sehr schön, wie die Bereiche anfangs nur im Extrem vorkommen, mit
einem großen "Loch" im mittleren Register; im weiteren Verlauf nähern sich die
Bereiche an, verlassen die Extreme und decken schließlich die (mittlere) Terz fis-a
ab.

"Am Anfang sind nur die extremen Register der Flöte zu hören; nach und nach treten andere Register
ins Spiel, und zwar dergestalt, dass nach einiger Zeit nur eine zentrale Terz fis/a verfügbar bleibt, in
welches Intervallband alle Aktionen komprimiert werden mit Ausnahme plötzlicher Ausbrüche in
extreme Register; diese bedeuten das zyklisch determinierte wörtliche Wiedererscheinen von früher
bereits gehörten Modul-Elementen." 294

Die Aufteilung in Bereiche wird jedoch "angegriffen" und an manchen Stellen sogar
zerstört durch Ausnahmen. Dabei handelt es sich zu Beginn um wörtliche Zitate,
deren Tonhöhe durch das Ursprungsmodul bereits festgelegt ist. Solche wörtlichen295
Zitate ("rote" Einschübe aus Schritt 4 der Modulanordnung) befinden sich in den
Takten der folgenden Tabelle:296

Modul Takt Modul Takt Modul Takt Modul Takt


1 1=11 11 13=59=89* 21 28=95 30 41=121
2 2=14=75* 12 15=76* 22 29=100 32 43=123
3 3=23 13 17=72 23 30=102 33 45=126
4 4=32 15 19=85* 25 34=104 35 48=(133)
5* 8=49* 16 20=78 26 35=106 37 51=(134)
6 6=40 18 24=88 27 36=109 38 52=(136)
7 7=44=82* 19 19=92 28 38=115
9 10=56 20 27=90 29 39=119

Versucht man, die Kombinationen der Tonhöhenbereiche in der Partitur


nachzuvollziehen, so ist es nützlich, das höhere und das tiefere Register getrennt zu
beobachten und zwar insbesondere die "inneren" Randtöne der Bereiche297: Die
tiefsten Töne des oberen Bereichs (oberes System), sowie die höchsten Töne des
unteren Bereichs (unteres System).298

294
"At the beginning, only the extreme upper and lower registers of the flute are used; little by little
other registers are blended in so as to finally focus on the central minor third of A and F#, all events
and detailed elaborations suddenly being confined to that pitch-band, with the exception of sudden
outbursts in the original register extremes ignalling the cyclically-determined recurrence of modular
elements already heard." – (s. Anm. 2) S.135 bzw. S.9-10.
295
wörtlich heißt hier: gleiche Tonhöhen und gleiche rhythmische Proportionen; die genauen
Notenwerte sind an die Taktlänge angepasst und können daher abweichen. Die Takte sind
eingeklammert, wenn nur einige Tonhöhen zitiert sind und Interpolationen oder Ergänzungen weitere
Tonhöhen des Moduls verändern.
296
Sie berücksichtigt die in der Partitur vorkommenden wörtlichen Zitate und ihre Ursprungsmodule.
Die mit * gekennzeichneten Takte weichen von der ursprünglich geplanten Anordnung (siehe
vorheriges Kapitel) ab.
297
Sie sind mit Pfeilen extra gekennzeichnet.
298
In diesem und den folgenden Notenbeispielen sind jeweils alle Tonhöhen eines Taktes angegeben;
deren Reihenfolge innerhalb des Taktes ist systemübergreifend nicht berücksichtigt, ebenso Grace-

250
Notes und Glissandi; sie alle beeinflussen die Ordnung nicht in besonderem Maße. Bei der Abfolge
der Takte fehlen natürlich diejenigen, bei denen es sich um wörtliche Zitate früherer Takte handelt
(siehe Tabelle), da sie die Ordnung bewusst stören.

251
Bereits in Takt 35 haben sich beide Extreme angenähert mit gis als Spitzenton des
tieferen Registers und a als tiefstem Ton des höheren. Die beiden Register treffen
sich sogar im Bereich der mittleren Terz fis-a. Allerdings findet die Einengung nicht
so konsequent statt wie geplant: Betrachtet man die "äußeren" Randtöne, so lässt
sich dort keineswegs eine Annäherung feststellen; im Gegenteil: noch in Takt 31
reicht der Ambitus von e1 (Das wäre Bereich a+b der Planung statt Bereich f.) bis cis4
(Bereich 1 statt 6).

Was bleibt, ist die Ausweitung des Tonbereichs vom (ausschließlich) extremen
Register zum gesamten Register innerhalb der ersten 35 Takte. Hier lässt sich auch
die Anordnung der Bereiche wiederfinden: Die Nummern nach den Pfeilen
bezeichnen den nachfolgenden Bereich.

Takt 1 Bereich 1+a 1 + a


Takt 2 Bereich 2 kommt dazu: 2+1 + a
Takt 3 Bereich b kommt dazu: 2+1 + a+b
Takt 12 Bereich 3 kommt dazu: 3+2+1 + a+b
Takt 15 Bereich c kommt dazu: 3+2+1 + a+b+c
Takt 19 Bereich d kommt dazu: 3+2+1 + a+b+c+d
Takt 22 Bereich 4 kommt dazu: 4+3+2+1 + a+b+c+d
Takt 27 Bereich 5 kommt dazu: 5+4+3+2+1 + a+b+c+d
Takt 28 Bereich e kommt dazu: 5+4+3+2+1 + a+b+c+d+e
Takt 33 Bereich f kommt dazu: 5+4+3+2+1 + a+b+c+d+e+f
Takt 35 Bereich 6 kommt dazu: 6+5+4+3+2+1 + a+b+c+d+e+f

Die Bereiche werden abwechselnd erweitert mit Ausnahme von Takt 27/28, wo
zuerst der höhere Bereich 5 dazu kommt und dann erst der tiefere Bereich e.

Ferneyhough ordnet dem Bereich von Takt 1 bis Takt 48 sechs Registerzunahmen
zu und anschließend – bis Takt 75 – fünf Abnahmen:299
Takt 8 1st registral increase
Takt 16 2nd registral increase
Takt 21 3rd registral increase
Takt 26 4th registral increase
Takt 33 5th registral increase
Takt 46 6th registral increase
Takt 49 solo flute reaches interaction of registral potential
Takt 58 1st decrease
Takt 62 2nd decrease
Takt 68 4th decrease
Takt 75 5th decrease (fis-a)

299
Bemerkungen an den entsprechenden Stellen auf dem Übersichtsblatt <3> aus der Mappe von
Carceri d'Invenzione IIa; der Eintrag zur dritten Registerabnahme fehlt.

252
Nach Takt 48 nimmt der Tonumfang tatsächlich allmählich wieder ab, bis er sich
innerhalb der Takte 73 bis 81 in den Bereich zwischen fis2 und a2 verengt300.

Ab Takt 69 sind die beiden Registerbereiche in ein Notensystem zusammengefasst,


da sich die Verengung bereits abzeichnet, und der Bereich fis-a ja sowohl innerhalb
von Bereich f des unteren Registers als auch innerhalb von Bereich 6 des oberen
Registers ist. Bereits in Takt 73 ist die Verengung vollzogen.

300
Die "äußeren" Randtöne sind ebenfalls mit Pfeilen gekennzeichnet: Um die Verengung zu
verdeutlichen, sind es diesmal die tiefsten des unteren Registers und die höchsten des oberen .

253
Der Versuch, anhand von "äußeren" Randtönen die Bereiche einzugrenzen, ist
problematisch, da einzelne Töne fast immer zu mehreren Bereichen gehören. Daher
sind die Übergänge zwischen den Bereichen quasi fließend. Um dennoch zu einem
konkreten Ergebnis zu kommen, kann man die Tendenz der mit Pfeil und Buchstabe
bzw. Zahl gekennzeichneten Randtöne beobachten, indem man jeweils einen
möglichen Bereich als den Ausschlag gebenden Bereich betrachtet:

Wie bei der "Planungs"-Grafik (zu Beginn des Kapitels) ist die Tendenz zur
Verengung des Registers zu erkennen. In der Realisierung (folgende Grafik) ist
jedoch der Korridor der verwendeten Bereiche breiter; er enthält nicht nur ein bis
zwei Bereiche, sondern bis zu zwölf Bereiche, d.h. das gesamte Register.

Grafisch – im Hinblick auf eine höranalytische Überprüfung301 – ließe sich die


Registererweiterung bis Takt 35 und die anschließende Verengung bis Takt 80 etwa
so darstellen302:

4
14 es

4
13 1 c 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
+ + + + + + + + + + +
3
12 2 a 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
+ + + + + + + + + +
3
11 3 fis 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3
+ + + + + + + +
3
10 4 es 4 4 4 4 4 4 4 4 4
+ + + + + + + +
3
9 5 c 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
+ + + + + + + +
2
8 6 a 6 6 6 6 6 6 6 6 6
+ + + + + + + + + +
2
7 f fis f f f f f f f f f f
+ + + + + + + + +
2
6 e es e e e e e e e e e e
+ + + + + + + + +
2
5 d c d d d d d d d d d d d d
+ + + + + + + + + + +
1
4 c a c c c c c c c c c c c c
+ + + + + + + + + +
1
3 b fis b b b b b b b b b b b b
+ + + + + + + + + +
1
2 a es a a a a a a a a a a a a

1
1 c
Takt 1 2 3 12 15 19 22 27 28 33 35 48 53 62 64 66 67 69 73

301
Es handelt sich – je nach Aufnahme – etwa um die ersten vier Minuten des Stücks.
302
Zeit- und Tonhöhenachse entsprechen der "Planungs"-Grafik. Die wörtlichen Zitate sind nicht
berücksichtigt. Die Taktzahlen unterhalb der Grafik stellen nur eine mögliche Einteilung (s.o.) dar.

254
Im weiteren Verlauf verändert sich die Registerdisposition weiter, bis sich zum Ende
schließlich alles im ganz tiefen Register abspielt.

Man kann fünf Abschnitte unterscheiden: Nach dieser ersten Verengung zur kleinen
Terz fis-a folgt der zweite Abschnitt (etwa Takt 82 bis 113) mit der Wiederherstellung
des gesamten Registers. Im dritten Abschnitt (etwa Takt 113 bis 147) wird der
Tonraum reduziert zum mittleren Bereich, wobei der Teil "quasi una cadenza" (Takt
129) die Reduktion gewissermaßen zwischenzeitlich sprengt, bevor sich in Abschnitt
vier (etwa Takt 147 bis 187) zwei Bereiche unabhängig voneinander weiter in
Richtung beider Extreme entwickeln. Im Schlussabschnitt schließlich (Takt 187 bis
227) wird der vormals hohe Registerbereich allmählich ebenfalls ins tiefe Register
geführt.

"Der Schlussteil bringt eine allmähliche Reduzierung des Materials und einen Abstieg ins tiefe
Register, dem eine Streichertextur gegenübersteht, gebildet aus polyphon durch Glissandi
'abgewandelten' Versionen der acht Grundakkorde." 303

Abschnitt 2:

Die weiteren Zuordnungen zu Bereichen sind auf Übersichtsblatt <3> an den


entsprechenden Stellen mit Notensystem (statt den Buchstaben a bis f bzw. den
Zahlen 1 bis 6) vermerkt. Der Grund dafür ist, dass die "neuen" Bereiche sich zwar
noch die Randtöne304 von vorher beziehen, jedoch in anderen Kombinationen. So
beginnt die (geplante) neue Registeranordnung in Abschnitt zwei mit drei Bereichen:
einem höheren, dem mittleren fis-a und einem tieferen.

Takt 82 1st registral rebuild

Takt 91 2nd registral rebuild

Takt 94 3rd registral rebuild

Takt 97 4th registral rebuild

Takt 104 5th registral rebuild

Takt 109 6th registral rebuild

303
"The final section consists of progressive subtraction of material and a descent into the lowest
register, placed against a string texture itself derived from the eight basic chords polyphonically
'diffracted' through glissandi." – (s. Anm. 2) S.135 bzw. S.10.
304
vgl. Nummerierung der Randtöne von 1 (c1) bis 14 (es4) ganz zu Beginn des Kapitels.

255
Abschnitt 3:

Nachdem das Register vollständig wieder hergestellt wurde (höchster Ton es4 = 14
bis tiefster Ton c1 = 1) folgt – inmitten einer weiteren Reduktion des Gesamtbereichs
(ohne "Loch") – ein Ausbruch ins gesamte Register: "quasi una cadenza", verbunden
mit einem Tempowechsel305.
Takt 113 1st registral reduction

Takt 116 2nd registral reduction

Takt 121 3rd registral reduction

Takt 129 new tempo (quasi und cadenza)

Takt 139 (4th registral reduction)

Ab dem zweiten Abschnitt bis zum Schluss würde eine Grafik etwa so aussehen:
4
14 es 14 14 14 14 14 14

4
13 c 13 13 13

3
12 a 12 12 12 12 12 12 12

3
11 fis 11 11 11 11 11 11

3
10 es 10 10 10 10 10 10 10

3
9 c 9 9 9 9 9 9 9

2
8 a 8 8 8 8 8 8 8 8 8

2
7 fis 7 7 7 7 7 7 7 7 7

2
6 es 6 6 6 6

2
5 c 5 5 5 5 5 5 5

1
4 a 4 4 4 4 4 4 4

1
3 fis 3 3 3 3 3 3

1
2 es 2 2 2 2 2 2 2

1
1 c 1 1 1 1 1 1 1 1
Takt 82 91 94 97 104 109 113 116 121 129 139 147 156 163 168 174 178 181 183 185 187 194 200 205 209 214 222 225
Wiederherstellung Reduktion "quasi new tempo
2.Abschnitt 3.Abschnitt una 4.Abschnitt 5.Abschnitt
cadenza"

305
Sehr häufig fallen formale Einschnitte mit Tempowechseln zusammen, z.B. wenn ein 48-er-Zyklus
zu Ende ist oder wenn – gegen Ende (Takt 187) – die Entwicklung des Registers zur tiefen Lage
beginnt.

256
Innerhalb der Abschnitte wie auch dazwischen sind die Übergänge geschmeidig, da
benachbarte Bereiche sich anschließen, d.h. der folgende Bereich meist eine kleine
Terz höher bzw. tiefer ist.

Abschnitt 4:

Nun werden zwei Bereiche – unabhängig voneinander – zu den Extremen geführt:


Der höhere erst leicht nach unten und dann vollends ins extrem hohe Register, der
tiefere Bereich direkt ganz nach unten, dann wieder etwas aufwärts uns schließlich
wieder zurück zum extrem tiefen Register.
Am Ende von Abschnitt vier ist damit dieselbe Situation erreicht wie zu Beginn des
Stückes, wo nur Töne der beiden extremen Register benutzt wurden.
Auffällig ist, dass die Bereiche stets den Umfang eines Tritonus haben und dass die
Randtöne der Bereiche immer aus einer Kombination aller vier verschiedenen
vorkommenden Randtöne es, c, fis und a bestehen.

Takt 147

Takt 156

Takt 163

Takt 168

Takt 174

Takt 178

Takt 181

Takt 183

Takt 185

Der vierte Abschnitt deckt sich übrigens genau mit dem Teil, der in Carceri
d'Invenzione IIb (Flöte Solo) und Carceri d'Invenzione IIc (mit Zuspielband) fehlt.
Möglicherweise liegt der Schwerpunkt dieses Abschnitts in der Interaktion zwischen
Soloflöte und Orchester.

257
Abschnitt 5:

Jetzt gibt es nur noch einen Tonhöhenbereich, der im höchsten Register beginnt und
im ganz tiefen Register endet. Dabei wird der Korridor des Bereichs erst größer (vom
Tritonus zu fast zwei Oktaven), dann wieder kleiner (genau eine Oktav am Ende).
Diese Veränderung des Korridors entsteht dadurch, dass der obere Rand sich in
kleinen Terzen nach unten bewegt, während der untere Rand in doppelt so großen
Intervallen – in Tritoni – weiterschreitet. Genau dort, wo das untere Ende erreicht ist,
werden die Schritte des oberen Randes größer (zu Tritoni) und beschleunigen ihren
Abwärtstrend.

Takt 187

Takt 194

Takt 200

Takt 205

Takt 209

Takt 214

Takt 222

Takt 225

Nachdem die Registerbereiche in diesem Abschnitt – im Gegensatz zum ersten


Abschnitt – genau mit Taktzahlen angegeben sind, lässt sich hier gut beobachten,
inwieweit das Notenbild in der Partitur tatsächlich dieser Planung entspricht bzw. wo
es Abweichungen gibt (und warum).

Im folgenden Notenbeispiel sind die Randtöne der Bereiche zu Beginn jeden Taktes
als leere Notenköpfe gekennzeichnet und der jeweils höchste und tiefste Ton eines
Taktes als volle Notenköpfe. Die Zahlen sollen die Abwärtsentwicklung der Bereiche
– im Vergleich mit der Grafik – verdeutlichen.

258
Der untere Rand der Bereiche wird niemals unterschritten; der obere Bereich wird
zweimal überschritten: in Takt 205 und in Takt 217.

Wie bereits erwähnt, gibt es Ausnahmen bzgl. der Tonhöhenbereiche. Dabei handelt
es sich zu Beginn um "wörtliche" Zitate, die die gleichen Tonhöhen wie die
"Originale" haben. Im fünften Abschnitt, am Ende des Stücks kommen solche
wörtlichen Zitate – auch gemäß Modulanordnung – nicht mehr vor. Es gibt jedoch
Hinweise auf eine andere Möglichkeit zur Veränderung von Modulen:

"Die Tonhöhen werden aus dem komplementären Register des Originals produziert." 306

306
"pitches produced from complementary register to original" – Bemerkung sowohl auf Skizzenblatt
[1] aus der Mappe von Carceri d*Invenzione IIc als auch auf Übersichtsblatt <3> aus der Mappe von
Carceri d'Invenzione IIa.

259
Solche Module, deren Tonhöhen aus dem komplementären Register stammen,
befinden sich laut Schema in den Takten 140, 142, 145, 149, 160, 167, 175, 184,
194 und 205, aber nur laut Schema, offenbar nicht tatsächlich in der Ausführung.

Man könnte solche Takte, die nicht genau in den Tonhöhenbereich hinein passen,
aber durchaus – etwas freier – als "falsche" Zitate verstehen: Sie tun nur so, als
wären sie wörtliche Zitate, indem sie den "gewohnten" Tonhöhenbereich kurzfristig
verlassen. Details zu den verschieden Versionen der Module werden im nächsten
Kapitel untersucht.

"Es gibt Parameter, um die verschiedenen Pole der Information diese Stückes zu quantifizieren; z.B.
der Abstand, der die identischen Erscheinungen separiert, und die Periodizität der Abwandlungen
misst. Dies erlaubt, mit den Ohren des Zuhörers zu spielen, mit dem Ziel, verschiedene Räume zu
erzeugen. Also benutze ich das Prinzip des Raumes der Registrierung, um die Empfindung der
zeitlichen Entfaltung zu erzeugen." 307

307
"Il existe des paramètres pour quantifier les différents pôles d’information de cette pièce ; par
example la distance qui sépare les apparitions d’une même chose et mesure la périodicité des
modifications. Ceci permet de jouer avec les oreilles de l’auditeur dans le but d’établir différents
espaces. Ainsi j’ai utilisé le principe de l’espace des registrations pour établir la sensation du
déroulement temporel." – (s. Anm. 245) S.119.

260
V.3.d) Rhythmusdisposition: Module und Transformationen

"Um eine Empfindung zu erzeugen, mit der sich das Stück seine eigene Sprache in einem
unvergleichlichen Stil selbst definiert, benutze ich im einen Teil fixe, unveränderliche Elemente, im
anderen Teil Formen, die sich in Richtung eines speziellen Ziels hin entfalten. Normalerweise
komponiere ich eine Musik, die die Empfindung von Energie und Kraftlinien ausdrücken will. In diesem
Stück ist es anders: Ich habe mit der Idee einer Kette von zusammenhängenden Ereignissen
angefangen. Ich habe also 48 Elemente gewählt, wovon jedes allein einen Takt belegt. Die Zahl 48
stammt aus einem anderen Werk für Stimme. Was mich interessierte, war weniger die Identität des
Materials als die Empfindung seiner Ergründung, seiner Perspektive. Dafür definiere ich die Takte,
aber auch ihre Dichte der Ereignisse; also gibt es für ein in gleicher Weise definierbares Element (...)
die Möglichkeit, die Dauer des Taktes und die Dauer der Elemente zu verändern (…)." 308

Es gibt also 48 verschiedene Elemente, auch Module genannt, von jeweils der Dauer
eines Taktes. Sie werden zum Teil wörtlich zitiert, zum größeren Teil aber
Veränderungen unterworfen: Die Dauer des Taktes wird verändert – vgl. Kapitel 3.a)
"Taktdisposition" – und die Dauer der (kleineren) Elemente innerhalb des Taktes.

Bei der Idee des – eben mehr oder weniger wörtlichen – Zitierens steht die
Ambivalenz der beiden Pole des Unveränderten und des Veränderten im Mittelpunkt:
Unverändertes lässt den Zusammenhang mit dem Original erkennen – also die
Tatsache, dass es sich nicht um etwas gänzlich Neues handelt –, während
Verändertes eine Weiterentwicklung, im Gegensatz zur schlichten Wiederholung,
deutlich macht.

Es stellen sich die beiden zugehörigen Fragen:

1. Wie verändern sich die Module im Laufe des Stücks, wenn sie nicht mehr nur
wörtlich (bzgl. Tonhöhen und Proportionen) wiederholt309 werden, sondern
weiterentwickelt werden ?

2. Wo bleiben dennoch Analogien bestehen, die auf das Original hinweisen ?


"In einer Komposition ist es nicht dasselbe, ob ein Ereignis zu Beginn des Stücks oder am Ende in
Erscheinung tritt, denn im letzteren Fall erscheint es wie der Kommentar auf eine Perspektive, die in
dem Moment bereits nicht mehr existiert, wo es auftritt." 310

308
"Pour établir une sensation telle que la pièce autodéfinesse sa propre langue dans une style
unique, je joue d’une part d’éléments fixes et invariants, d’autre part d’une forme qui se sèroule vers
un but spécifique. Normalement je compose une musique qui veut donner la sensation s’une énergie
et d’une ligne de force. Dans cette pièce c’est différent : j’ai commené aver l’idee d’une chaine
d’événements clos. J’ai ainsi choisi 48 éléments, chacun occupant seulement une mesure. Le nombre
48 me vient du matériau d’un autre pièce pour voix. Ce qui m’intéressaint était moins l’identité du
matériau que la sensation de son approfondissement, de sa mise en perspective. J’ai donc défini les
mesures mais aussi leur densité en événements ; ainsi, pour un même élément définissable (…), il y
a possibilité d’échange entre durée de la mesure et durée de l’élément (…)." – (s. Anm. 245) S.117.
309
Der Begriff des (mehr oder weniger wörtlichen) "Zitats" wird von Ferneyhough in diesem
Zusammenhang zwar nicht verwendet, er erscheint jedoch passend für eine (mehr oder weniger
wörtliche) Wiederholung eines Taktes innerhalb eines neuen Zusammenhangs und wird daher in den
folgenden Ausführungen auch benutzt.
310
"Dans une composition, c’est ne pas la même chose qu’un événement apparaisse en début de
pièce ou à la fin car, dans ce dernier cas, il apparait comme le commentaire d’une perspective qui
n’existe plus au moment où il intervient." – (s. Anm. 245) S.118.

261
Die Unterscheidung zwischen (wörtlichem) Zitat und veränderter Wiederholung ist
offenbar keine "Schwarz-Weiß-Entscheidung", sondern eine graduelle: Der Ort des
Moduls ist maßgeblich für sein Erscheinungsbild, oder anders ausgedrückt: Je später
ein Modul erscheint, desto größer ist der Unterschied zum Original.

Notwendig für eine solche graduelle Entwicklung der späteren Erscheinungsformen


der Module weg vom Original ist eine größere Anzahl, ein Katalog an
Transformationstechniken. Sie werden auf zwei Skizzenblättern311 mit
entsprechenden Symbolen vorgestellt.

"Techniken der Transformation

(Die allmähliche Überlappung von Zyklen verursacht, dass die Anzahl von simultanen
Exemplifikationen dieser Techniken zunimmt.312)

1.a) keine Kennzeichnung = wörtliche Wiederholung bezüglich der Dauer,


wörtliche Wiederholung allein des Rhythmus 313

1.b) = wörtliche Wiederholung (obgleich innerhalb verschiedener


Taktlängen)314

2. = wörtliche Wiederholung des Rhythmus (mit Ausnahme der


Taktlänge) der unmittelbar vorausgegangenen Version
desselben Taktmaterials (inklusive 4 bis 5 modifizierte
Beispiele !)315

3. = Interpolation von neuen rhythmischen Einheiten / Interpolation


von neuen gleich langen Einheiten innerhalb der
Proportionen, die vom Modulschema erzeugt wurden316

4. = Zerstörung des Moduls innerhalb des Taktes durch Neu-


Portionierung der Elemente / modelltypische Neu-Unterteilung
und Neu-Portionierung von gegebenem Material von (1.) oder
(2.) oder (3.)317

5. = Kombination von Elementen aus zwei oder mehr Modulen /


Re-Kombination von Elementen von verschiedenen Takten,
die zu Modulen von (4.) gehören.318

(6.) = Tonhöhen-Material aus dem komplementären Register zum


Original produziert 319

311
"transformation techniques" – Sie sind sowohl auf Skizzenblatt [1] aus der Mappe von Carceri
d'Invenzione IIc als auch auf Übersichtsblatt <3> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa
vorgestellt, daher gibt es auch gelegentlich zwei verschiedene Symbole und geringfügig anders
formulierte Erklärungen. Im weiteren Verlauf sind die Symbole von Übersichtsblatt <3> verwendet.
Letzteres enthält alle Takte, während Skizzenblatt [1] die geringere Anzahl von 186 Takten enthält.
312
"(the gradual overlapping of cycles causes the number if simultaneous exemplifications of these
techniques to increase)"
313
"literal repetition of duration, literal repetition of rhythm only"
314
"literal repetition (except length !)" / "Literal repetition (although within different bar-length"
315
"literal rhythmic repetition (except bar-duration) of immediately prior version of same bar material
(including (4) od (5) modified examples !)"
316
"interpolation of new rhythmic units within these given as for (1)" / "interpolation of new equidistant
units within proportions established by model-scheme"
317
"distortion of model within bar by re-apportionment of elements" / "model-type resubdivision (and
reapprotionment) of given material of (1.) or (2.) or (3.)"
318
"combination of elements from 2 or more modules" / "recombination of elements from several bars
according to models fron (4.)"

262
Nebenbemerkung: Jede dieser Formen kann Pausen eliminieren, indem sie als lange Noten
vorkommen, die mit vorangegangenen Impulsen verbunden sind." 320

Außerdem kommen jeweils auf dem Übersichtsblatt noch schwarze und grüne
Quadrate vor, die nicht extra erklärt sind, sowie die Kombination von Kreis und
Quadrat.

"Ich benutze das Prinzip der Wiederholung als Maßeinheit des Prozesses. Damit dienen die
Wiederholungen der Erzeugung eines Prinzips der Distanz für das Ohr, in der Art, dass man jedes Mal
auf diese Weise das bizarre Ereignis des „Schon-Da-Gewesenen“ wiedererkennt. Also findet sich das
Material von Takt 1 wieder in Takt 11, aber in einem Takt mit anderer Dauer. Es existieren in diesem
Stück noch andere wörtliche Wiederholungen, verbunden mit zeitlicher Ausdehnung oder
Komprimierung, so nimmt Takt 14 auf 4 Schlägen das Material wieder auf, das in Takt 2 auf 3
Schlägen vorgestellt wurde. (...) Die Erfahrung von Form in der Musik ist jedoch ist eine dialektische
Art, die sich durch bestimmte Zeit-Perioden begründet und diese periodische Empfindung der Zeit
interessiert mich in diesem Stück." 321

Bisher war anhand einer Übersicht gut zu sehen, wie die Module nacheinander im
Stück vorkommen. Um Original und Zitat miteinander vergleichen zu können , ist es
interessant zu sehen, wie oft und wo dasselbe Modul wieder erscheint. Die folgende
Tabelle soll dies zeigen322.
Modul 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
nichts 1 2 3 4 5 6 7 8 10 12 13 15 17 18 19 20
68 67 66 69 71 70 9* 74 77 26 144 81
189 135 138 196 79 80
187
roter Kreis 11 14 23 32 37 40 44 49 56 59 76 72 85 78
75 89
schwarzer Kreis 137 190 73 21 16 146 152 83 157 86
191 199 166
schwarzes Quadrat 132 188 84
148
rotes Quadrat 193
blaues Dreieck 131 186 141 197
grüner Kreis 142 140
grünes Quadrat 145 149
schw. Kreis/Quadrat 192 195 198
roter Kreis/Quadrat
grüner Kreis/Quadrat 194 205

Modul 8 erscheint – laut Modulanordnung – erst in Takt 9; alle späteren Versionen


beziehen sich jedoch (irrtümlich) auf Takt 8, so dass dieser Takt als "Definition" von
Modul 8 verstanden werden kann. Takt 9 erscheint nicht weiter verändert.

319
"pitches produced from complementary registers to original".
320
"NB: any of these latter forms may eliminate rests in terms of long notes connecting preserved
impulses."
321
"J’utilise le principe des répétitions comme mesure du processus. En effet les répétitions servent à
établir pour l’oreille un principe de distance en sorte que lorsqu’on reentend quelque chose on a la
sensation bizarre du « déjà vue ». Ainsi le matériau mesure 1 se retrouve mesure 11 mais dans une
mesure d’une autre durée. Il existe dans cette pièce d’autres répétitions littérales combinées à des
tensions ou compressions temporelles, ainsi la mesure 14 reprend sur 4 battues le matériau exposé
mesure 2 sur 3 battues. (…) L’expérience de la Forme en musique est une chose dialectique qui
s’établit à travers certaines périodes de temps et cette sensation de Forme périodique m’intéressait
dans cette pièce." – (s. Anm. 245) S.118.
322
Die oberste Zeile enthält die Nummer des Moduls, alle darunter liegenden Zeilen enthalten Zahlen
der Takte (!), in denen das Modul erscheint. Die erste Spalte beschreibt das kennzeichnende Symbol
der Transformationstechnik.

263
Modul 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
nichts 22 24 25 27 28 29 30 31 34 35 36 38 39 41 42 43
99 91 156 33 97 98 210 103 170 46
200 159 107
202 169
207
roter Kreis 88 92 20 95 100 102 104 106 109 115 119 121 123
schwarzer Kreis 93 204 203 172
212
schwarzes Quadrat 87 161 105

rotes Quadrat 162 96 201


blaues Dreieck 94 101 214 164
grüner Kreis 160 167
grünes Quadrat
schw. Kreis/Quadrat 163 158 215 223
roter Kreis/Quadrat 165 211 110 122
208
grüner Kreis/Quadrat

Modul 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
nichts 45 47 48 50 51 52 53 54 55 57 60 61 128 63 64
111 108 217 114 118 181
221 216
roter Kreis 126 133 134 136 139 143 147 150 154
155 153
schwarzer Kreis 209 124 176 127 58 62 65 130 180 185
213 178 116 183
schwarzes Quadrat 219 117 179 225 226 227
rotes Quadrat 168
206 222 177 151
blaues Dreieck 174 112 220 218 224 120 125
171
grüner Kreis 184
grünes Quadrat 175
schw. Kreis/Quadrat 173 182
roter Kreis/Quadrat 129 113
grüner Kreis/Quadrat

Die Tabelle enthält bereits Korrekturen, die erst im Verlauf der folgenden
Untersuchung notwendig wurden, denn es ergaben sich bei der genauen
Untersuchung der Erscheinungen der Module einige Probleme:

Problem 1: Zum Teil unterschiedliche (und fehlerhafte323) Versionen finden sich in


den Partituren von Carceri d'Invenzione IIa (mit Orchester) und Carceri
d'Invenzione IIb (Soloflöte) und den Skizzen.

Problem 2: Bei der Ausarbeitung wurde gelegentlich die Nummer des Moduls mit der
Nummer des Takts verwechselt; z.B. enthält Takt 76 nicht das wörtliche Zitat von
Modul (!) 15 laut Modulanordnung, sondern – nach Analyse der Partitur – das von
Modul 12, so wie es in Takt (!) 15 erscheint.

323
"Fehlerhaft" soll heißen, der Rhythmus innerhalb eines Taktes passt nicht zur Länge des Taktes.

264
Problem 3: Lese- bzw. Abschreibefehler entstehen bei der Übertragung von einer
Skizze zur nächsten; z.B. enthält Takt 89 – laut (logischer) Modulanordnung – Modul
19 , in der Ausarbeitung handelt es sich jedoch eindeutig um das wörtliche Zitat von
Modul 11 324.

Um dennoch sowohl die Logik der Anordnung zu ergründen, als auch die
Realisierung in der Partitur daraus abzuleiten, bot sich folgendes Vorgehen an:

Schritt 1: Vergleich der verschiedenen Übersichten zur Gesamtanlage und


Entschlüsselung der Regeln zur Entstehung des Modulschemas (und Sammeln der
offenen Fragen – siehe "Probleme" oben), sowie Blick auf die (vergleichsweise grob
definierte) Tonhöhenkonstruktion.

Schritt 2: Untersuchung des Rhythmus der Takte durch Abschrift und Finden einer
einheitlichen Notation. Modul 26 erwies sich dabei als besonders problematisch, da
es rechnerisch in keiner Version – weder in den Skizzen, noch in den Partituren – in
den vorgegebenen Takt passt, eine "Korrektur" jedoch womöglich sinnentstellend
wirken würde; ein Hinweis an entsprechender Stelle soll daher genügen.

Schritt 3: Vergleich der Originalmodule mit deren Zitaten bzw. (rhythmischen)


Abwandlungen: Analogien und Veränderungen, bzw. Arten von Veränderungen

Das Ergebnis einer solch mehrschichtigen Analyse innerhalb von Kapitel V.3.a) bis
V.3.d) liefert schließlich:

Ergebnis 1: eine "korrekte" (weil begründete) Gesamtübersicht,

Ergebnis 2: die Analyse der grobformalen Prozesse im Laufe des Stücks und

Ergebnis 3: die Formulierung und Darstellung der Abwandlungsmöglichkeiten der


Module und damit die Schaffung der Grundlage einer hörenden Wahrnehmung
"komplexer" Strukturen auf der Basis des Wiedererkennens von Zitaten.

"Man kann auch anders vorgehen: Nicht nur durch Wiederholungen, sondern auch durch
Beziehungen, sozusagen dass sich ein Element auf ein früher bereits erschienenes Element bezieht
anstatt es nur zu wiederholen. Man kann jetzt mit der Distanz mehr oder weniger zwischen den
Elementen und deren Referenz spielen, mit dem mehr oder weniger generellen Aspekt der Referenz,
mit den Einzelheiten des Materials, die die Referenz ausmachen...." 325

324
Auf Übersichtsblatt <3> sieht die undeutlich geschriebene 9 tatsächlich wie der "Haken" einer 1
aus.
325
"On peut procéder autrement : non plus par répétitions mais par références c’est-à-dire qu’un
élément va se référer à un élément anterieurement apparu au lieu de simplement le répéter. On peut
alors jouer sur la distance plus ou moins immédiate entre l’élément et sa référence, sur la nature plus
ou moins générale de la reference, sur la particularité du materiau qui fonde la référence… ." – (s.
Anm. 245) S.119.

265
Im folgenden gilt der Blick den Modulen und ihre Veränderungen im Einzelnen:
Nachdem mit Hilfe der Anordnungsschemata jedem Takt ein Modul zugeordnet
werden konnte und durch die Kennzeichnung der Modulziffern auch Hinweise auf die
Art der Veränderung gegeben wurde, sollen nun jeweils die – oft erst im direkten
Vergleich erkennbaren – Beziehungen zwischen dem Originalmodul und (allen)
seinen späteren Erscheinungsformen untersucht werden.

Um den Kern der Veränderungen bzw. Analogien möglichst gut zeigen zu können,
wurde auf die Vorschlagsnoten wie auf die Angabe der Tonhöhen verzichtet; letztere
unterliegen eigenen Kriterien, die im vorherigen Kapitel vorgestellt wurden. Ebenso
wurde auf Klangfarben und die damit verbundene Artikulation und Dynamik
verzichtet. Auch sie würden die Deutlichkeit der Darstellung beeinträchtigen.

Falls das Modul im entsprechenden Takt mit einem Symbol für die angewandte
Transformationstechnik versehen wurde, ist dies am rechten Seitenrand angezeigt.
Oftmals lässt sich das Symbol jedoch nicht mit der konkreten Ausarbeitung in
Beziehung setzen, möglicherweise weil Zwischenschritte nicht dokumentiert sind.

Modul 1

Takt 1
2
10

Das vielleicht auffälligste Kennzeichen von Modul 1 ist seine Proportion 5:4 oder
besser 2/5 zu 3/5 innerhalb der Takteinheit.

Takt 11
4
12

Takt 11 ist ein wörtliches326 Zitat von Modul 1. Lediglich die Notenwerte sind doppelt
so groß (Viertel statt Achtel), da der Takt doppelt so lang ist (4/12 statt 2/10).327
Symbolisch gekennzeichnet ist Takt 11 daher mit dem roten Kreis.

Takt 68
9
16

326
"wörtlich" heißt hier und im folgenden: gleiche Tonhöhen und gleiche (rhythmische) Proportionen.
327
Bezüglich der Notation kann vernachlässigt werden, ob eine gerade, triolische oder quintolische
Unterteilung des Taktes vorliegt. Somit gilt für die Nenner der Taktangabe: Achtel = Zehntel = Zwölftel
und 16tel = 20-tel = 24-tel.

266
Takt 68 enthält zwar den Rhythmus von Modul 1, die Tonhöhen richten sich jedoch
nach dem an dieser Stelle gültigen Tonhöhenbereich. Eine extra Kennzeichnung
fehlt daher.328 Die Proportion 10:9 entsteht allein durch die Angleichung des
Taktinhalts an die Taktlänge von neun (!) 16-teln.

Takt 131

15
20

Takt 131 scheint überhaupt nichts mit dem recht überschaubaren Modul 1
gemeinsam zu haben. Einzige die Proportion 5:4 könnte einen Hinweis
geben. Die Kennzeichnung (blaues Dreieck) steht für die Zusammensetzung aus
mehreren Modulen; welche das sein könnten, geht aus den Skizzen leider nicht
hervor, und ein Vergleich mit den anderen Module ist ebenfalls wenig eindeutig.

Takt 137
7
12

Bei Takt 137 ist die Verbindung zu Modul 1 offensichtlicher: Gleich zu Beginn
erscheint die Proportion 5:4 mit Pause (2/5) und anschließender Note (3/5), genau
wie bei Modul 1. Der Rest des Taktes scheint wie bei der vorher gehenden Version
von anderen Modulen zu stammen; ein Zeichen dafür, dass die Verbindung zur
vorangegangenen Version von Modul 1 (Takt 131) stärker ist als die zum
ursprünglichen Modul (Takt 1).

Takt 192
4
8

Takt 192 enthält ganz offensichtlich den Rhythmus von Modul 1, diesmal ohne
Pause.

Generell kann man feststellen, dass im letzten Abschnitt des Stückes – etwa ab Takt
186 – die Module "geglättet" vorkommen, d.h. Pausen werden durch Noten ersetzt
und der Rhythmus wird vereinfacht, indem nur ein Teil des Moduls verwendet wird
oder indem der Rhythmus freier gehandhabt wird. Dies kann so weit führen, dass das
ursprüngliche Modul nichts mehr damit gemeinsam hat.

328
entspricht 1.a) der Transformationstechniken.

267
Modul 2

Takt 2
3
8

Bei Modul 2 bleibt die Proportion des Taktes (5:x) bei allen Erscheinungsformen
erhalten, ebenso eine Triole etwa in der Mitte. Auch die Pausen vor der Triole lassen
sich bei späteren Formen gut wiedererkennen, auch wenn sie dann durch
Punktierung zusammengefasst sind.

Takt 14
4
8

Die Werte von Takt 14 enthalten jeweils einen Balken weniger; dass die Proportion
5:4 (statt 5:6) lautet, hat wiederum mit der Taktlänge (4/8 statt 3/8 = 6/16) zu tun. Die
Tonhöhen sind wörtlich übernommen.

Takt 67
7
20

Die Proportion 10:7 wurde auch in kleinerem Format bei der Triole ergänzt,
verbunden mit gleichen Notenwerten an dieser Stelle.

Takt 75
2
10

Die Tonhöhen von Takt 75 sind ebenfalls wörtlich übernommen, allerdings hat der
Rhythmus eine leichte Veränderung erfahren, möglicherweise aus einem
Abschreibfehler heraus: In der Triole ist das Verhältnis zwischen Pause und Note
umgekehrt; in der Fortsetzung sind die Notenwerte kürzer, wodurch die Proportion
10:7 herausfällt.

268
Takt 189
4
8

Neu in Takt 189, genau wie im darauf folgenden Takt 190 sind die Überbindungen
am Ende der Triole, sowie am Ende der Proportion 10:9 (statt 10:7 in Takt 67).
Außerdem wurde die Pause am Schluss mit Impulsen gefüllt. Lediglich die
Gesamtproportion 5:4 fehlt in Takt 190, da dessen Länge bereits 5/10 ist.

Takt 190
5
10

Modul 3

Takt 3
2
12

Auffälliges Merkmal ist am Schluss die Triole innerhalb der Proportion 5:3, sowie
natürlich die Abfolge von Pausen und Impulsen.

Takt 23
7
16

Takt 23 ist (auch bzgl. der Tonhöhen) eine wörtliche Wiederholung von Takt 3.
Aufgrund der anderen Taktlänge enthält das Modul jetzt einen Balken weniger und
die Gesamtproportion 10:7.

Takt 66
5
12

269
Nicht mehr die Tonhöhen, nur noch der Rhythmus ist in Takt 66 identisch mit dem
Original, daher auch keine Kennzeichnung (als Kennzeichnung).

Takt 132
7
32

Takt 132 ist zusammengesetzt aus Modul 3 (mit zwei Balken mehr als im Original)
und einem Rest, wahrscheinlich aus einem anderen Modul.

Takt 195
7
8

Liest man Takt 195 von rechts nach links, so kommt man dem Original von Modul 3
schon näher. Fasst man die beiden 16-tel-Triolen innerhalb der Proportion 5:3 zu
einer Achteltriole zusammen, so hat diese – wie die 32-tel-Triole beim Original – die
Länge von 2/5 innerhalb der 5:3-Proportion. Die restlichen Werte innerhalb der
Klammer gehen aus einer (gleichmäßigen) Umverteilung329 des Materials hervor; die
Werte außerhalb dieser Klammer wurden – im Sinne einer Glättung zum Ende des
Stücks hin – zu einem Wert zusammengefasst.

Modul 4

Takt 4
5
16

Die Proportionen 9:10 und die Triole davor machen Modul 4 identifizierbar.

Takt 32
4
10

329
Sie wird von Ferneyhough als "Resubdivision" bezeichnet.

270
Wie so oft ist das zweite Erscheinen der "rote" Zyklus der wörtlichen Wiederholung
des Originalmoduls, so auch hier.

Takt 69
3
8

In Takt 69 ist der Rhythmus zitiert, wobei die erste Pause – gemäß der
Nebenbemerkung bei den Transformationstechniken – durch eine Überbindung aus
dem voran gegangenen Takt ersetzt wurde. (keine Kennzeichnung)

Takt 188
5
10

Hier sind die Notenwerte der Klammer 9:12 neu geordnet, wobei die 32-tel davor und
danach in die Klammer mit einbezogen wurden (daher 9:12 statt 9:10). Außer der
Pause zu Beginn ist auch die Pause am Ende durch Eine Überbindung ersetzt.

Modul 5

Takt 5
4
8

Modul 5 enthält (wie Modul 2 in der Version von Takt 67) eine Proportion innerhalb
derselben Proportion: hier eine Quintole in der Quintole.

Takt 37
3
8

In Takt 37 ist diese "Doppel-Quintole" entschärft zur Triole außen. Von einer
wörtlichen Wiederholung – weder der Tonhöhen, noch des Rhythmus – ist diese
Version auch deshalb weit entfernt, weil der Beginn anders unterteilt ist und die
Achtel-Pause vor der Quintole von Takt 5 ersetzt wurde durch eine 32-tel-Triole.

271
Takt 191
6
8

Sucht man einen Zusammenhang von Takt 191 mit Modul 5, so lässt sich nur die
Triole damit vergleichen, wenn man sie von rechts nach links liest und sich die
beiden Quintolen als Viertelnote zusammengefasst vorstellt. Ansonsten wäre nur auf
die Logik der Modulanordnung zu verweisen mit der Einschränkung der Glättung (je
mehr das Stück sich dem Ende neigt).

Laut Modulanordnung müsste Takt 8 ebenfalls eine Variante von Modul 5 sein. Dies
ist jedoch nicht der Fall. Takt 8 ist daher als eigenständiges Modul 8 zu definieren.330

Modul 6

Takt 6
3
12

Modul 6 lässt sich charakterisieren durch die Abfolge von drei (gleichlangen) Triolen,
wobei die mittlere zwei weitere enthält.

Takt 40
3
10

Takt 40 ist eine wörtliche Wiederholung von Takt 6 (inklusive Tonhöhen).

Takt 71
7
16

Takt 71 ist ein Zitat des Rhythmus, angeglichen an die Taktlänge von 7/16.

330
Modul 8 wird nach Modul 7 vorgestellt.

272
Takt 73
2
8

Takt 73 weist geringfügige rhythmische Änderungen vor: Die erste Note ist um die
anschließende Pause verlängert; innerhalb der mittleren Triole existiert die erste
nicht mehr, statt dessen ist die vormalige Triolenachtel in fünf gleichmäßige 32-tel
unterteilt; in der letzten Triole ist ebenfalls die vormalige Triolenachtel quintolisch
unterteilt, allerdings diesmal in zwei Impulse mit dem Verhältnis 2/5 zu 3/5331.

Takt 138
7
24

Teile aus mindestens einem weiteren Modul wurden in Takt 138 hinzugefügt. Davor
erscheint der Rhythmus fast unverändert: Die vordere Triole wie bei Takt 73, die
restlichen Triolen wie bei Takt 71 (mit verlängerter Schlussnote statt Pause), wobei
die Werte von Takt 138 jeweils einem Balken mehr haben.

Takt 187
3
10

Takt 87 kann als geglättete Version des Originalmoduls verstanden werden, indem
Pausen durch verlängerte Noten bzw. die Ausdehnung der Triole wegfallen.

Modul 7

Takt 7
7
20

Modul 7 ist durch seine drei Impulse recht übersichtlich.

331
möglicherweise in Anlehnung an Modul 1.

273
Takt 44
3
10

Als wörtliches Zitat mit denselben Tonhöhen wie in Takt 7 erscheint Modul 7 sowohl
in Takt 44 als auch in Takt 82.

Takt 70
5
16

Ein rein rhythmisches Zitat liegt in Takt 70 vor.

Takt 82
3
8

In Takt 186 – der "geglätteten" Spätversion von Modul 7 – sind die Pausen nach dem
ersten Impuls durch einen langen Ton332 (Glissando) ausgefüllt. Die Pause am
Schluss entfällt, da die 16-tel davor entsprechend länger ist.

Takt 186
9
20

Modul 8

Takt 8
4
10

332
Der Ton ist sogar so lang, dass das Modul die Dauer von neun statt acht 16-teln hat.

274
Die Proportionen, die Doppelpunktierungen und natürlich die Aufteilung der Impulse
unterscheidet Takt 8 deutlich von Takt 5 (Modul 5). Auch das Symbol des schwarzen
Kreises muss (spätestens) an dieser Stelle in Frage gestellt werden.

Takt 9
5
12

Takt 9 müsste – laut Modulanordnung – Modul 8 definieren, aber es erscheint nur


hier in dieser Form. Ein Zusammenhang zwischen Takt 8 und Takt 9 scheint nicht
gegeben. Alle weiteren Erscheinungsformen von Modul 8 lassen sich auf Takt 8
zurückführen, nicht auf Takt 9.

Takt 49
2
12

Takt 49 sollte – laut Modulanordnung – das "rote" Zitat von Modul 8 werden; daher
wurden die Tonhöhen von Takt 8 (!) zitiert. Der Rhythmus ist – bzgl. Takt 8 – nur
geringfügig verändert: der Wert nach der zweiten Doppelpunktierung ist um die Hälfte
verkürzt mit anschließender (gleichlanger) Pause zum Ausgleich.

Takt 21
3
8

Takt 21 zitiert fast den Rhythmus von Takt 8, allerdings mit einem Balken mehr.
Zudem sind die zweite und dritte Note von Takt 8 zusammengefasst zu einer
Achtelnote333 und die Pause innerhalb der Triole fällt weg zugunsten der
vorangegangenen Note.

Takt 196
5
16

Nimmt man vom Rhythmus von Takt 21 allein den mittleren Teil und nimmt einen
Balken weg, so erhält man den Rhythmus von Takt 196.

333
In Takt 8 wären die beiden Noten zusammengefasst entsprechend eine Viertelnote.

275
Modul 9

Takt 10
7
24

Modul 9 hat genau denselben Rhythmus wie Modul 5 ! – Sogar die klangliche
Ausarbeitung (Glissandi) zeigt auffallende Ähnlichkeit.

Takt 56
5
12

Takt 56 ist das wörtliche Zitat von Takt 10 (inklusive Tonhöhen), bis auf die
Verkürzung des ersten Tons zugunsten der darauf folgenden Pause und den – statt
der Pause – länger ausgehaltenen Ton in der Mitte.

Takt 74
7
12

Sieht man von der Verkürzung der letzten Note ab, ist der Rhythmus von Takt 10
exakt übernommen.

Takt 141
4
10

Liest man Modul 9 von rechts nach links, so ist die Quintole zu Beginn in Takt 141
daraus abzuleiten. Alles weitere scheint buchstäblich etwas weiter her geholt zu sein:
Eine "1st version"334 von Takt 141 enthält Teile der späteren Version, allerdings mit
einer anderen Anordnung der Proportionen 10:9 und 9:8 und einer eingeschobenen
Pause vor der letzten Note335; "part. reversal" steht als Hinweis zum Vorgehen.

334
Skizzenblatt <9> "missing flute bars" aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa. Dabei handelt
es sich um eine Tabelle der Takte 139 bis 185 (Takt für Takt untereinander) mit Spalten für
Taktnummer, Referenz (Modul), Taktlänge, Notation der "1st version" des Rhythmus und
Bemerkungen zur "final version" (Vorgehen).
335
Die Proportion 10:9 geht so nicht auf; es sind keine zehn 32-tel in der Klammer, sondern bereits
neun.

276
Takt 141
"1st version"
4
10

Bei genauerer Betrachtung des Rhythmus – insbesondere der Proportion 9:x – fällt
auf, dass der Rhythmus der ersten Version wörtlich übernommen ist von Modul 8
bzw. Takt (!) 9. Somit kann Takt 141 – gemäß des Symbols – als Kombination von
Modul 8 und Modul 9 verstanden werden.

In der Partitur schließlich ist Takt 141 – das ist nur noch bei Takt 212 der Fall – sogar
zweistimmig notiert.336

Takt 142
5
12

Laut Modulanordnung wäre Takt 142 Modul 10, aber mit Hilfe der "first version" lässt
sich leicht Takt (!) 10, also Modul 9 als Referenz identifizieren.

Takt 142
"first version"
5
12

Im Unterschied zu Modul 9 (Takt 10) ist die letzte Note der Triole in Takt 142 durch
eine Pause um die Hälfte verkürzt. Außerdem sind die beiden 16-tel-Quintolen zu
einer 32-tel-Quintole mit (noch) kürzeren Notenwerten am Schluss
zusammengefasst.

Modul 10

Takt 12
4
24

336
Die Addition der rhythmischen Impulse ergibt die obige Rhythmusnotation; die "1st version" steht
einstimmig notiert auf dem Skizzenblatt.

277
Takt 16
4
10

In Takt 16 ist der Rhythmus von Takt 12 genau übernommen (mit doppelt so langen
Werten).

Takt 77
4
10

Vergleicht man Takt 77 mit Takt 16, so lassen sich zwei markante Unterschiede
erkennen: Die letzte Note ist durch die Proportion 7:6 verkürzt worden und die
Proportion 10:7 ist verschwunden. Dadurch wurden die Notenwerte innerhalb der
Klammer 9:5 ebenfalls geringfügig verändert.337

Takt 79
3
8

Der Rhythmus von Takt 79 entspricht weitgehend dem von Takt 77; allein statt der
letzten wurde die erste Note mit Hilfe einer Pause um die Hälfte verkürzt.

Takt 140
"first version"
5
12

Takt 140 bezieht sich laut Modulanordnung auf Modul 12, in der Ausführung bezieht
es sich aber offensichtlich auf Takt (!) 12, also Modul 10, wenn man den Rhythmus
von rechts nach links liest. Noch deutlicher: als "first version" ist eine Mischung aus
Takt 77 (erste Note lang) und Takt 79 (letzte Note lang) angegeben.

337
linker Pfeil: eine Note wurde hinzugefügt und das ganze als Triole notiert,
mittlerer Pfeil: diese und die folgenden beiden Werte wurden um die Hälfte verkürzt,
rechter Pfeil: die Note wurde in die Triole mit einbezogen.

278
Takt 140
"first version"
von rechts
nach links
gelesen

Takt 140
endgültige Version
5
12

Dazu kommt, dass an drei Stellen (Pfeil) jeweils die lange Note in vier bzw. drei
gleichlange Noten unterteilt wird; am Schluss (gestrichelte Linie) wird die Gruppe
leicht verändert, indem sie quasi zurück gespiegelt wird und eine 32-tel der Triole
zugunsten der Achtelnote verschwindet.

Takt 193
3
10

Takt 193 wie Takt 194 zeigen eine deutliche Vereinfachung der Proportionen338 von
Modul 10. Möglicherweise sind sie sogar – wie Takt 142 – von Modul 9 abgeleitet; die
beiden aufeinander folgenden Triolen weisen darauf hin.

Takt 194
4
8

Modul 11

Takt 13
4
12

338
Der Begriff der "Glättung" des Rhythmus erscheint hier angebracht.

279
Modul 11 enthält – wie Modul 1 – nur einen einzigen Impuls, diesmal jedoch gleich zu
Beginn des Taktes.

Takt 26
8
12

Die neue Proportionierung in Takt 26 wirkt sich – genau genommen – allein auf die
Länge des Tons aus. Verglichen mit der Gesamtlänge des Taktes dauert in Takt 13
der Ton 2/15 oder 13,33 % des Taktes, in Takt 26 etwas länger: 7/30 oder 23,33 %.

Takt 59
4
12

Takt 59 ist ein wörtliches Zitat von Takt 13.

Takt 89
6
8

Takt 89 ist ebenfalls ein wörtliches Zitat von Takt 13: die Tonhöhe (samt
Vorschlagsnoten) ist identisch und die Tondauer im Verhältnis zur Gesamttaktlänge:
2/15 oder 13,33 %. In Takt 13 dauert die Note so lange wie zwei der 15 Triolen-16-
tel, in Takt 89 dauert die Note so lange wie vier der 30 Quintolen-32-tel.

Takt 145
3
12

Takt 145 scheint wenig mit Modul 11 gemeinsam zu haben. Eine Andeutung in den
Skizzen gibt etwas Aufschluss:

Skizze zu Takt 145


3
12

280
Sie entspricht Modul 11 mit Unterteilung der Note in vier gleichmäßige Werte. Dieser
Anfang findet sich – ohne Quintole und Punktierung – in Takt 145 wieder.

Anders dagegen sieht die "first version" aus; sie ähnelt von den Proportionen her
Modul 29 (von rechts nach links gelesen,14:12 entspricht 7:6).

Modul 29
Takt 39
3
20

Takt 145
"first version"
3
12

Zu Beginn ist die "first version" durch die kurzen Notenwerte wesentlich dichter als
gegen Ende. Möglicherweise war dies der Grund für die weitere Ausgestaltung: Die
kürzeren Werte zu Beginn wurden durch gleichmäßige Impulse ersetzt, dabei wurden
die Proportionen auf Triolen und Quintolen reduziert339; die längeren Werte gegen
Ende wurden in kürzere, meist gleichmäßige Werte aufgeteilt.340 Als Bemerkung zum
Vorgehen steht dementsprechend "interpoliere neue Unterteilungen".341

Modul 12

Takt 15
7
24

Drei Impulse, von denen die ersten beiden länger sind als der dritte, mit
anschließender kurzer Pause charakterisieren Modul 12.

339
Bei Modul 1 in der Version von Takt 137 kommen ähnlich viele Triolen und Quintolen vor.
340
Sie sind hier gekennzeichnet durch Pfeile + hellblaue Felder.
341
"interpolate new subdivisions." – Bemerkung auf Skizzenblatt <9> aus der Mappe von Carceri
d'Invenzione IIa.

281
Takt 76
3
12

Takt 76 ist das wörtliche Zitat von Takt 15.

Takt 144
4
8

Takt 144 leitet sich direkt aus Modul 12 ab, wenn man Modul 12 von rechts nach links
liest ("total reversal"342), den Bindebogen vernachlässigt und die Notenwerte der
neuen Taktlänge angleicht.

Takt 146
4
8

Takt 146 lässt sich dann auf Modul 12 beziehen, wenn man die ersten beiden
Impulse weiter unterteilt. So haben sie die Länge von jeweils drei Achteln, während
die Schlussnote mit Pause entsprechend kürzer ist.

Takt 199
2
10

Auf diese Weise ist auch der Übergang zu Takt 199 deutlich zu erkennen, wo die
Schlussnote – Pausen werden gegen Ende des Stücks mehr und mehr vermieden –
verlängert ist auf Kosten der Pause.

342
Bemerkung zum Vorgehen auf Skizzenblatt <9> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.

282
Modul 13
"unkorrekte" Originalversion mögliche Korrektur

Takt 17
5
12

Modul 13 ist insofern "unkorrekt", als der Rhythmus nicht aufgeht: die vorhandenen
Notenwerte passen nicht zur Klammerung und damit auch nicht zur Gesamtlänge
des Taktes.343

Der Versuch einer "Korrektur" ist insofern problematisch, da der "Fehler", die lange
Pause zu Beginn, möglicherweise gerade den Charakter des Moduls ausmacht.

Takt 72
5
8

Takt 72 ist ein wörtliches Zitat von Takt 17, wobei die erste Note im Original
eine Vorschlagsnote war, in Takt 72 jedoch als 64-tel ausnotiert wurde.

Takt 152
4
12

Für Takt 152 existiert eine "first version", die etwa den Anfang von Modul 13 enthält
(bis zur gestrichelten Linie dort)
.

Takt 152
"first version"
4
12

Die kürzeste Note, die 32-tel etwa in der Mitte, bleibt schließlich für die endgültige
Version übrig, obwohl als Bemerkung "total reversal" dabei steht.

343
In den Skizzen findet sich bei Takt 17 und Takt 72 daher immer wieder die Bemerkung "right
rhythm ?".

283
Takt 166
5
16

Takt 166 müsste laut Modulanordnung (Schritt 3) Modul 29 enthalten. In allen


Skizzen außer der frühesten344 wird jedoch Modul 13 zugeordnet.

Takt 166
"first version"
5
16

Die Verwandtschaft von beiden Versionen von Takt 166 mit den entsprechenden von
Takt 152 ist dabei nicht zu übersehen.

Modul 14

Takt 18
7
20

Modul 14 besteht aus acht etwa (!) gleichmäßigen Impulsen, wobei die beiden
Pausen in der Mitte eher die Artikulation kennzeichnen, denn den Rhythmus; in Takt
81 werden sie weg gelassen, ohne dass der Charakter stark verändert würde.

Takt 81
4
10

Außerdem wird die Taktlänge von sieben 20-teln in die Proportion 7:4 übernommen,
wodurch die zweite Triole notwendig wird.

Takt 83
8
8

344
Übersichtsblatt <4> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.

284
Takt 83 enthält wieder eine der beiden mittleren Pausen, gleicht aber sonst Takt 81.

Takt 149
3
8

An den Pausen kann man erkennen, dass Takt 149 aus Takt 83 abgeleitet ist. Noch
deutlicher wird dies bei Betrachtung der "first version": Sie enthält Takt 83 mit halb so
langen Notenwerten.

Takt 149
"first version"
3
8

Durch Interpolation345 kommt man auf die endgültige Version von Takt 149.

Takt 205
5
16

Auf Takt 205 kommt man etwa, indem man die beiden mittleren Impulse von Modul
14 zu einem zusammenfasst und die äußeren Impulse zu gleichmäßigen "glättet",
wobei die vorderen drei schneller sind als die hinteren drei.

Modul 15

Takt 19
7
24

Modul 15 enthält – ähnlich wie Modul 12 (Takt 15) – längere Impulse zu Beginn und
einen kürzeren mit anschließender Pause zum Schluss.
345
hier gekennzeichnet durch Pfeile und hellblaue Felder.

285
Takt 85
3
8

Takt 85 ist ein wörtliches Zitat von Takt 19.

Takt 157
4
10

Takt 157 enthält gleich zu Beginn eine Interpolation: die vier 32-tel. Weitere
Zusammenhänge lassen sich (noch) nicht erschließen.

Takt 157
"first version"
4
10

Auch die "first version" mit der Bemerkung "partial reversal" gibt nicht viel Aufschluss.

Takt 85
eingepasst 346
4
10

Erst durch genaues Vergleichen mit Modul 15 (z.B. Takt 85) werden Analogien
sichtbar, zumindest zu Beginn (die Triole); der Schluss ist freier gestaltet.

Takt 197
3
8

In Takt 197 lassen sich die vier Impulse und ihre ungefähren Relationen zueinander
wieder erkennen, wenn man die übergebundene Note zu Beginn nicht mitzählt.

346
Takt 85 wurde in den 4/10-Takt von Takt 157 eingepasst, indem die Notenwerte verlängert wurden
und die Gesamtproportion auf 7:4 statt 7:6 geändert wurde.

286
Takt 198
2
8

Takt 198 enthält die mittleren Werte von Modul 15, beginnend mit der Achtel-Pause
(als Achtel-Note).

Modul 16

Takt 20
9
16

Modul 16 hat eine stringent zunehmende innere Dynamik: die Notenwerte werden
immer kürzer. Erst die letzte Note wird wieder zum Ruhepunkt, der durch die
Überbindung unerwartet früh eintritt.

Takt 78
3
8

Takt 78 ist ein wörtliches Zitat von Takt 20.

Takt 86
5
8

Takt 86 zitiert den Rhythmus von Takt 20 – in doppelt so langen Notenwerten.

Takt 84
3
16

287
Takt 84 lässt sich durch Interpolation und Resubdivision347 z.B. aus Takt 78 – mit
halb so langen Notenwerten – herleiten.

Takt 148
5
16

Takt 148 lässt sich genauso aus Takt 78 (mit gleich langen Notenwerten) herleiten.
Die zweite Pause entsteht durch Verkürzung der voran gegangenen Note, die dritte
Pause ist nicht punktiert wie im Original, dafür fehlt die Proportion 7:6.

Modul 17

Takt 22
5
24

Takt 160
4
12

In Takt 160 wird der Rhythmus von Takt 17 vollständig zitiert348, in Takt 200 wird nur
der Anfang zitiert, wobei der erste Impuls den folgenden beiden angeglichen wird.

Takt 200
4
10

347
Neu-Unterteilung: In Takt 84 wie in Takt 148 wird die Triole durch vier punktierte (nächstkleinere)
Werte ersetzt. hier gekennzeichnet durch Pfeile und hellblaue bzw. hellgrüne Felder.
348
im halben Tempo, dabei werden die erste und die letzte Note durch eine Pause verkürzt.

288
Modul 18

Takt 24
5
20

Viele Punktierungen – als Vorbereitung auf Modul 23 ? – und die übergebundene


Note in der Mitte charakterisieren Modul 18. Letztere wird später durch Interpolation
zerteilt.

Takt 88
4
8

Takt 88 ist ein wörtliches Zitat von Takt 24.

Takt 91
5
10

Ab Takt 91 beginnt die Interpolation, ansonsten ist der Rhythmus von Modul 18
zitiert, genau wie in Takt 93.

Takt 93
4
10

In Takt 163 entfallen die Triole und die Quintole zu Beginn, wodurch die Impulse
etwas gleichmäßiger wirken.

Takt 163
5
12

289
Modul 19

Takt 25
3
16

Bei all den verschiedenen Versionen von Modul 19 ist die Gruppe am Schluss mit der
Proportion 7:6 ein gutes Erkennungsmerkmal.

Takt 92
3
12

Takt 92 ist ein wörtliches Zitat von Takt 25.

Takt 158
7
24

In Takt 158 wurden die ersten beiden Impulse in jeweils drei gleich lange unterteilt.

Takt 87
2
8

In Takt 87 wurde im Vergleich mit dem Originalmodul der zweite Impuls in acht gleich
lange unterteilt und der fünftletzte in drei gleich lange (analog wie in Takt 158 der
erste Impuls).

290
Takt 156
4
10

Takt 156 schließlich entspricht genau Takt 87 von rechts nach links gelesen.

Hier ist interessant, dass Takt 87 – als "chronologisch" erste Variante von Modul 19 –
schon so stark verändert ist, während sich Takt 156 und 158 nicht viel weiter
entwickeln.

Modul 20

Takt 27
3
10

Auffällig sind bei Modul 20 außer den wenigen Impulsen die beiden Triolen. Daher
scheint auch Takt 204 eher eine Variante von diesem Modul zu sein als von Modul 8
(laut Modulanordnung).

Takt 33
9
20

Takt 33 über nimmt den Rhythmus von Takt 27, allerdings mit kleinen
Verschiebungen: so ist die Pause zu Beginn kürzer, dafür die zweite Note länger. Im
weiteren Verlauf stimmen die Proportionen in sich wieder überein.

Takt 90
4
8

Takt 90 ist eine Mischung aus zwei Zitaten: Die Tonhöhen sind von Takt 27
übernommen, die Proportionen von Takt 33.

291
Takt 94
5
12

Die Anmerkung in den Skizzen "+ (48)" weist (ausnahmsweise) darauf hin, womit349
Modul 20 hier kombiniert wurde:
Die ersten beiden Noten mit anschließender Pause lassen sich vom Schluss von
Modul 48 (Takt 64) ableiten, wenn man doppelt so lange Werte nimmt...

Modul 48
Takt 64
7
24

... sie lassen sich aber ebenfalls von Takt 48 (Modul 35) ableiten, wenn man halb so
lange Werte nimmt.

Modul 35
Takt 48
5
16

Der Rest von Takt 94 lässt sich bezüglich der Proportionen mit etwas Fantasie350 z.B.
dem Krebs von Takt 90 zuordnen.

Takt 162
7
20

Takt 162 hat dieselbe rhythmische Verteilung wie Takt 90, ist aber durch die weiteren
Proportionen zusätzlichen etwas verschoben, quasi als Fortführung der Veränderung
zwischen dem Originalmodul und Takt 90.

Takt 204
4
8

Takt 204 kann – wie oben bereits bemerkt – als "geglättete" Version von Modul 20
verstanden werden.

349
entweder Modul 48 (= Takt 64) oder Takt 48 (= Modul 35).
350
wenn man die zweite Achtel von Takt 90 weglässt.

292
Modul 21

Takt 28
4
10

Modul 21 kommt genau zweimal in gleicher Weise vor; einziger Unterschied: in Takt
95 wurde der Rhythmus ausgedehnt und damit der anderen Taktlänge angepasst
(Proportion 5:6 statt 5:4).

Takt 95
6
10

Modul 22

Takt 29
5
10

Modul 22 zeigt deutlich, wie die Versionen der Module über einen großen Zeitraum351
miteinander zusammen hängen, sich jedoch auch bei jedem Erscheinen weiter
entwickeln zu einem schließlich recht einfachen Gebilde, das seine Herkunft jedoch
nicht verleugnet.

Takt 100
5
16

Takt 100 ist ein wörtliches Zitat von Takt 29; die Notenwerte sind dabei um die Hälfte
verkürzt.

351
von Takt 29 bis Takt 215; dieser "Zeitraum" umfasst somit alle Zyklen des Stücks.

293
Takt 161
7
24

Ein hinzugefügter Impuls352, sowie die leichte Verschiebung der Proportionen


verändern den Rhythmus von Takt 100 zu dem von Takt 161.

Takt 165
4
8

Takt 165 orientiert sich an Takt 100, was die "first version" schön verdeutlicht353, da
sie – bis auf die Proportionierung, sowie die Punktierung und die Pausen am Schluss
– genau die doppelt so langen Werte hat.

Takt 165
"first version"
4
8

Die endgültige Version von Takt 165 kann daraus abgeleitet354 werden, indem am
Schluss die Achtelnote neu unterteilt wird355 und die beiden letzten Noten
miteinander verbunden werden. In dieser Version dominiert statt zweimal 6:5 (in Takt
100) die neue Proportion 7:4.

Takt 208
4
10

Takt 208 lässt sich – abgesehen von den Proportionen – ganz einfach aus Takt 165
ableiten, indem die Werte in dessen Mitte356 zu einer langen Note zusammengefasst
werden.

352
Er ist hier durch den Pfeil gekennzeichnet.
353
auch wenn sie rhythmisch nicht aufgeht, da die Notenwerte nicht zu den Proportionen und damit
auch nicht zur Taktlänge passen. Die endgültige Version muss jedoch ebenfalls geändert werden, da
die 16-tel Pause am Schluss nicht mehr in den Takt passt.
354
"resubdivision" steht als Bemerkung bei der "first version".
355
in die Folge: 64-tel-Note – 64-tel-Pause – 32-tel-Note.
356
zwischen den beiden gestrichelten Linien.

294
Takt 215
4
8

Takt 215 enthält nur einen Teil von Takt 208: den Anfang, könnte man meinen –
vielleicht aber auch eher den Schluss, wegen der auffälligen Proportionen – oder
eine Mischung aus beidem.

Modul 23

Takt 30
2
8

In den Veränderungen von Modul 23 machen sich rhythmische Verschiebungen


durch Punktierungen und übergebundene Noten bemerkbar. Die beiden letzten
Versionen zeigen wieder deutlich ihren Ursprung, indem sie die letzten drei bis vier
Impulse übernehmen, die sich damit als Erkennungsmerkmal durch alle Versionen
ziehen.

Takt 97
3
8

Der Rhythmus ist in Takt 97 vom Original in etwa übernommen, wobei die beiden
Pausen quasi einen Impuls weiter nach vorne gerutscht sind.

Takt 102
7
10

Entgegen des Symbols (und auch entgegen einer Notiz in den Skizzen) ist Takt 102
kein wörtliches Zitat von Takt 30, eher eine Mischung aus dem Rhythmus der beiden
voran gegangenen Versionen.

295
Takt 159
4
8

Takt 159 hat den Rhythmus von Takt 102 mit den Proportionen aus Takt 30.

Takt 202
7
32

Takt 202 enthält die letzten vier Impulse von Takt 159.

Takt 203
5
10

Takt 203 enthält noch die ersten drei Impulse von Takt 202.

Modul 24

Takt 31
5
16

Zwei ähnliche, durch Pausen voneinander getrennte Viertongruppen bilden Modul 24.

Takt 96
3
8

Nicht wörtlich zitiert, sondern durch Interpolation und Aushalten des letzten Tons
abgeleitet ist Takt 96.

296
Modul 25

Takt 34
2
10

Eine Generalpause und deren wörtliches Zitat, das sind die Erscheinungsformen von
Modul 25.

Takt 104
4
12

Modul 26

Takt 35
17
20

Modul 26 ist etwas ganz Besonderes: zum einen erscheint es mit seiner rascher
werdenden Aufwärtsbewegung an der Stelle, wo zum ersten mal die beiden Extreme
der Register zusammentreffen, zum anderen gehen drei von vier Versionen
rhythmisch nicht auf357.

Takt 98
2
8

Takt 98 zitiert den Rhythmus von Takt 35, allerdings macht die Sextole mit gleichen
Notenwerten die Bewegung gleichmäßiger.

357
Takt 35 enthält 19 "16-tel" statt 17 im Takt insgesamt, Takt 98 enthält 21 "32-tel" statt 20 in der
Quintole und Takt 106 enthält 18 "32-tel" statt 17 im gesamten Takt. Takt 167 stimmt in sich.
Eine "Korrektur" im Sinne von Takt 167 ist jedoch problematisch, da z.B. in Takt 35 der Orchesterpart
(von Carceri d'Invenzione IIa) die punktierte Viertel-Pause genau füllt und dann ebenfalls auf die
Länge einer Viertel geändert werden müsste... Was bleibt, ist ein aufführungstechnisches Problem.

297
Takt 106
7
24

Takt 106 ist ein wörtliches Zitat von Takt 35 (mit halb so langen Werten).

Takt 167
4
8

Takt 167 schließlich ist ein Zitat des Rhythmus von Takt 98 ohne die Punktierung an
der letzten Pause.

Modul 27

Takt 36
5
32

Modul 27 enthält bereits einige Folgen von gleichmäßigen Notenwerten, als ob es


sich um eine spätere Version handelt, in der lange Noten bereits interpoliert worden
sind.

Takt 99
2
12

Takt 99 zitiert den Rhythmus von Takt 36, wobei die ersten beiden Sechzehntel in
eine Triole und zwei 32-tel unterteilt sind. So entsteht die Unterproportion 21:20.

Takt 109
7
24

298
Takt 109 ist ein wörtliches Zitat von Takt 36 mit den Proportionen von Takt 99.

Takt 101
4
8

In Takt 101 sind die ersten drei Noten des Moduls wieder neu unterteilt und die
Pausen durch Überbinden der vorangegangenen Note beseitigt.

Takt 210
7
16

Takt 210 enthält ausschließlich die neuen, jetzt gleichmäßigen 16-tel aus Takt 101.

Modul 28

Takt 38
2
10

Geradezu ein Musterbeispiel für einfache Transformationen ist Modul 28:

Takt 115
5
12

Es wird einmal wörtlich zitiert (mit doppelt so langen Werten) ...

Takt 214
5
16

... und einmal interpoliert (wobei die Bewegung immer schneller wird).

299
Modul 29

Takt 39
3
20

Modul 29 enthält auffällig viele Pausen zu Beginn.

Takt 119
4
8

Takt 119 ist ein wörtliches Zitat von Takt 39.

Takt 103
3
12

Allein die beiden letzten Noten von Modul 29 sind in Takt 103 durch Interpolation
ersetzt (vier punktierte 64-tel und fünf 32-tel). Die Pause davor verschwindet, indem
die vorangegangene Note entsprechend länger ausgehalten wird. Ansonsten wird
der Rhythmus von Takt 119 genau übernommen.

Takt 164
9
16

Dem Symbol nach wurden in Takt 164 (mindestens) zwei Module miteinander
kombiniert. Die Septole zu Beginn weist auf das Erkennungsmerkmal von Modul 19
hin; sie ersetzt die Quintole aus dem Originalmodul. Der Rest, die Pause und die
Klammer 7:6, kommt von Modul 29. "Recombination" steht als Anmerkung bei der
"first version", die exakt Takt 119 entspricht.

Takt 164
"first version"
9
16

300
Verändert wurden für die endgültige Version von Takt 164 noch die beiden letzten
Impulse, durch zusätzliche Pausen und Impulse.

Modul 30

Takt 41
5
10

Modul 30 hat wieder eine charakteristische "Schlussgruppe" als Erkennungsmerkmal:


die letzte Klammer.

Takt 121
3
8

Das wörtliche Zitat – wie hier Takt 121 – kam bisher meist als erste Version nach
dem Originalmodul; manchmal schob sich eine andere Version dazwischen. Seit
Modul 27 sind sogar zwei Versionen zwischen Originalmodul und wörtlichem Zitat.
Der Grund: die Zyklen überschneiden sich mehr und mehr.
Und auch die "Wörtlichkeit" wird allmählich aufgelöst: Ab Modul 35 ist nur noch ein
Teil des Taktes wörtlich übernommen; der Rest ist neu.358

Takt 110
4
10

Takt 110 zitiert den Rhythmus (in halb so langen Werten), wobei die hinteren Pausen
durch Überbinden der vorangegangenen Noten verschwinden. Die Proportionen sind
leicht verschoben.

Takt 105
5
12

358
Auch die vermeintlich einfache Entscheidung, ob es sich um ein Zitat handelt oder nicht, wird auf
diese Weise überraschend aufgeweicht zu einer graduellen Entscheidung.

301
Takt 105 leitet sich (z.B.) aus Takt 119 ab, indem dreimal interpoliert wurde und (wie
bei Takt 110) die Pause eliminiert wurde. Schließlich wurden der Impuls und die
Pause gleich zu Beginn in zwei neue Impulse umgewandelt. Die neuen Proportionen
fördern eine gewisse Gleichmäßigkeit.

Takt 170
5
12

Takt 170 hat Takt 41 als Referenz359. Noch mehr Gleichmäßigkeit wird erreicht,
indem nur noch 6:5 und die Quintole als Proportionen bleiben, indem fünf statt vier
16-tel zu Beginn erscheinen und indem die letzten vier Noten alle 32-tel sind.

Modul 31

Takt 42
7
20

Modul 31 hat durch die 21:20-Proportion eine gewisse Ähnlichkeit mit einigen
Versionen von Modul 27.

Takt 169
3
8

Takt 169 ist die einzige rhythmisch identische Version; bei allen späteren sind die
Proportionen hinter der 21:20-Klammer leicht verändert.

Takt 46
4
12

359
Bei den Skizzen der "first versions" ist von Takt 17 bis Takt 185 nicht nur das Referenzmodul
angegeben, sondern noch zusätzlich der Takt: das ist meistens der des Originalmoduls, manchmal
jedoch auch der des (direkt) vorangegangenen Erscheinens.

302
In Takt 46 erscheint der Rhythmus innerhalb der 21:20-Klammer mit doppelt so
langen Werten.

Takt 107
4
10

In Takt 107 ist – im Vergleich mit Takt 46 – die Viertel-Pause durch sechs
gleichmäßige Impulse aufgefüllt.

Takt 122
5
12

In Takt 122 wurden die ersten drei Impulse durch sechs halb so lange ersetzt, die
Pause wurde verlängert und die Achtel-Triole wurde zur 32-tel-Quintole verkürzt. Die
letzten beiden Aktionen sind dafür verantwortlich, dass die Klammer die Proportion
9:5 hat statt 21:20.

Takt 172
1
10

Die Länge von Takt 172 ist so kurz, dass die Werte – verglichen mit Originalmodul –
nochmals um die Hälfte verkürzt wurden. Die Triole zu einem Wert zusammengefasst
wurde.

Takt 212
9
16

Takt 172 ist der andere360 zweistimmige Takt im Stück. Entfernte Zusammenhänge
mit Modul 31 lassen sich finden, wenn man die Triole mit der 21:20-Klammer
vergleicht, die ja auch den ersten Teil der sieben Impulse (7:4-Klammer !) des
Originalmoduls ausmacht.

360
Der erste war Takt 141 (Modul 9).

303
Modul 32

Takt 43
4
12

Die Kombination von drei Klammern unter einer weiteren Triole scheinen typisch für
Modul 32.

Takt 123
3
10

Takt 123 ist ein wörtliches Zitat von Takt 43 (mit halb so langen Werten).

Takt 201
4
10

Takt 201 sollte – laut Modulanordnung – eine Version von Modul 19 sein; es
erscheint aber geradezu als (symmetrische !) "Reinform" von Modul 32.

Takt 207
4
8

Takt 207 ist wieder eindeutig eine Version von Modul 32, diesmal von rechts nach
links gelesen und der Zusammenfassung der Impulse jeweils innerhalb der Triolen.
Auffällig ist die Pause, kommt sie doch im Kontext der Partitur nach zehn Takten
ohne jegliche Pause.

Takt 223
4
8

Takt 223 wird – laut Modulanordnung – Modul 36 zugeordnet. Die Menge an Triolen
und die Überbindungen innerhalb der Quintole weisen jedoch (zumindest) auf
Verwandtschaft mit Modul 32 hin.

304
Modul 33

Takt 45
5
12

Modul 33 hat zwei absolut unterschiedliche Bereiche (einen Liegeton und eine dichte
Gruppe), die im Laufe der Versionen verändert werden.

Takt 126
5
8

Takt 126 ist ein wörtliches Zitat von Takt 45.

Takt 168
5
8

In Takt 168 wird die Bewegung innerhalb der dichten Gruppe rascher.

Takt 206
7
20

Takt 206 hat seinen längsten Ton nicht am Anfang, sondern in der Mitte.

Takt 209
7
20

Takt 209 reduziert die rasche Gruppe zu vier gleichmäßigen 16-teln.

305
Takt 211
5
20

In Takt 211 schließlich dominiert der lange Ton; ihm wird nur ein einziger kurzer Wert
entgegengesetzt.

Takt 213
4
8

Takt 213 lässt sich aus Takt 209 ableiten, indem die lange Note unterteilt wird in
sieben361 gleichmäßige 32-tel.

Modul 34

Takt 47
5
10

Die Pause zu Beginn wird immer kürzer und schließlich durch Überbindung aus dem
vorangegangenen Takt abgelöst; die Pause am Ende verschwindet gleich.

Takt 124
1
10

Nicht nur die Pause zu Beginn verkürzt, sondern auch die darauf folgende Note. Die
vorletzte Pause wird durch einen Impuls ersetzt; das Fehlen der letzten Pause
verändert die Proportion von 10:7 nach 5:3. Ansonsten ist der Rhythmus – in halb so
langen Werten – übernommen.

361
vgl. Proportion 7:5 im Originalmodul.

306
Takt 129
3
10

Verglichen mit dem Originalmodul bleibt in Takt 129 der mittlere Bereich gleich,
während sich außen Veränderungen stattfinden: dahinter werden zwei Impulse
hinzugefügt; davor wird die Triole zu sechs 64-teln + 32-tel-Pause, und die beiden
Impulse zu Beginn werden verkürzt.

Takt 174
5
8

Takt 174 ist – laut Skizze zur "first version" – aus Takt 47 abgeleitet, wobei die
Quintole neu unterteilt, die Schlusspause verlängert und der Anfang neu aufgeteilt
wurde in zwei Achtelnoten statt der Viertel nach der Pause bzw. Übergebundenen.

Modul 35

Takt 48
5
16

Modul 35 wird so starken Veränderungen unterworfen, dass sogar das "wörtliche"


Zitat (Takt 133) stark beeinträchtigt wird.

Takt 111
4
12

Takt 48
eingepasst362
4
12

362
Die Werte wurden auf das Doppelte verlängert und das Modul auf die neue Taktlänge angepasst.

307
Takt 111 ist fast ein rhythmisches Zitat von Takt 48 (mit doppelt so langen Werten),
sieht man von der Verkürzung der punktierten Achtel (zu Achtel-Note und 16-tel-
Pause) und der Verschiebung der Proportionen zu Beginn ab.

Takt 133
4
8

Bis zur ersten Pause wurde auch hier Takt 48 (inklusive Tonhöhen) wörtlich zitiert.
Anschließend kann nur noch der Rhythmus mit Modul 35 in Verbindung gebracht
werden: Der mittlere Teil setzt sich etwa aus dem Rest von Modul 35 zusammen, von
rechts nach links gelesen. Der Schluss stammt wohl von einem anderen Modul363.

Takt 221
2
8

Takt 221 scheint den mittleren Teil von Takt 133 freier wiederaufzunehmen.

Modul 36

Takt 50
3
8

Die Quintole in Modul 36 könnte bereits durch Interpolation entstanden sein; in Takt
175 z.B. taucht sie nicht mehr auf.

Takt 108
4
12

Takt 108 zitiert den Rhythmus von Takt 150 bis zur Quintole; der Schluss ist freier
gestaltet.

363
Modul 34 mit seiner Triole und v.a. Quintole kommt dafür in Frage.

308
Takt 175
4
8

In Takt 175 ist die Quintole zu einer 16-tel-Note zusammengefasst, ansonsten ist der
Rhythmus genau zitiert. Allenfalls die Pause zu Beginn ist im Original eine Note
gleicher Länge.

Takt 176
1
10

Als Antwort auf das Fehlen in Takt 175 kommt im (darauffolgenden) Takt 176 die
Quintole fast isoliert.

Takt 222
5
8

Verglichen mit Takt 176 ist Takt 222 nun quasi die Zusammenfassung der Quintole.

Modul 37

Takt 51
2
10

Vergleicht man Modul 37 mit dem hinteren Teil von Modul 35, so ist eine gewisse
Ähnlichkeit, insbesondere der Proportionen, nicht zu übersehen.

Takt 127
4
8

Takt 127 wiederholt den Rhythmus von Takt 51 mit doppelt so langen Werten.

309
Takt 134
3
12

In Takt 134 werden die Impulse von Modul 35 weiter unterteilt, teils in gleichmäßige
Werte (erster Impuls), teils in ungleichmäßige (dritter Impuls).

Takt 173
2
10

In Takt 173 wird nur der erste Impuls (gleichmäßig) unterteilt. Die beiden Pausen zu
Beginn fallen der Überbindung zum Opfer.

Takt 178
4
10

Der Bezug von Takt 178 zu Modul 37 ist vage, dennoch weist die Skizze zur "first
version" (kommentarlos) darauf hin. Eine Umkehrung der (relativen) Länge der
Impulse könnte gemeint sein.

Modul 38

Takt 52
5
16

Modul 38 ist – im Gegensatz zu Modul 37 – wieder sehr aufwendig gebaut.

Takt 113
7
20

310
Takt 113 zitiert den Rhythmus von Modul 38 mit kleinen Verschiebungen zu Beginn
und dem Verzicht auf Überbindungen am Ende.

Takt 136
5
12

Takt 136 zitiert den Beginn von Modul 37 wörtlich (inklusive Tonhöhen); allein die
beiden Pausen sind verlängert, was wiederum die Proportionierung verändert. Der
Rest könnte mit Modul 21 (Punktierte, Proportionen) oder Modul 36 (Quintole,
Proportionen) zusammenhängen.

Takt 217
2
8

Takt 217 kann man als Zusammenfassung des "Rests" von Takt 136 interpretieren.

Modul 39

Takt 53
7
10

Modul 39 ist Spitzenreiter, was die Anzahl der Versionen angeht: Acht verschiedene.

Takt 58
7
24

Takt 58 zitiert den Rhythmus von Takt 53 mit halb so langen Werten und ohne
Überbindungen zu Beginn.

311
Takt 112
4
8

Takt 112 zitiert den Rhythmus des ersten Teils von Modul 39; der zweite Teil364 wird
freier gestaltet, vielleicht unter Verwendung von Modul 37 oder Modul 12 (beide
haben jeweils drei Impulse).

Takt 114
7
24

Takt 114 zitiert wieder den Rhythmus von Takt 58, dabei wurde jedoch der Schluss
ausgedehnt; so ist das Verhältnis zwischen den beiden Teilen genauso wie in Takt
112.

Takt 116
4
8

Der zweite Teil von Takt 116 entspricht dem von Takt 114 (doppelt so lange Werte).
Im ersten Teil gibt es kleine Verschiebungen: Der genau entsprechende Rhythmus
hätte nach der Triole eine 32-tel-Note und eine 32-tel-Pause, dafür als letzten Wert
des ersten Teils eine Achtel-Note.

Takt 139
3
12

Takt 139 sollte ein wörtliches Zitat von Modul 39 sein365, ist es aber nicht. Neben den
Tonhöhen stimmen auch die Proportionen366 nicht überein: Die Werte des ersten
Teils entsprechen denen von Takt 114, die des zweiten Teils denen von Takt 58.

364
Ihm fehlt eine 32-tel. Wahrscheinlich wurde deshalb ab Takt 114 die Proportion 18:16 verwendet.
365
Modulanordnung, Symbol und Bemerkungen in den Skizzen weisen darauf hin.
366
Sie stimmen im ersten Teil deswegen auch in sich nicht, sondern müssten wohl denen von Takt
144 entsprechen.

312
Takt 171
3
10

Takt 171 hat Takt 53 als Referenz367 mit der Bemerkung "recombination"; das
endgültige Ergebnis lässt sich jedoch nicht eindeutig darauf zurückführen.

Takt 216
5
8

Takt 216 lässt sich etwa auf Takt 171 beziehen, wenn man den Anfang als
Interpolation versteht, die Mitte als rhythmische "Glättung" der Triolen und die letzte
Note extra ergänzt.

Modul 40

Takt 54
3
12

Modul 40 hat gewisse Ähnlichkeit mit Takt 171 (Modul 39), wenn man die Pausen
durch (gleichlange) Noten ersetzt.

Takt 118
5
16

Takt 118 zitiert den Rhythmus von Takt 54, abgesehen von den Überbindungen.

Takt 143
6
10

367
laut Skizzenblatt <9> mit den "first versions".

313
Sofort zu erkennen ist, dass Takt 13 kein wörtliches Zitat von Takt 54 ist; die
Ableitung fällt jedoch nicht schwer: Die Pause zu Beginn ist ersetzt durch eine Triole
(in der Triole), der dritte und vierte Impuls ist durch Pausen verkürzt und die beiden
letzten Impulse finden ihre – leicht verschobenen – Entsprechungen, wenn man die
Überbindung aus dem Originalmodul berücksichtigt.

Takt 219
3
8

Takt 219 lässt sich nur als starke Vereinfachung, vielleicht der ersten beiden Triolen,
erklären.

Modul 41

Takt 55
4
8

Charakteristisch für Modul 41 ist die Septole zum Schluss368; nachdem sie leicht
verändert wird, bleibt sie bei der letzten Version allein übrig.

Takt 62
4
12

In Takt 62 wird die Viertelnote in der Mitte von Modul 41 durch Interpolation369
aufgefüllt.

Takt 117
4
8

368
Sie hat gewisse Ähnlichkeit mit der Septole am Schluss von Modul 19.
369
Die Triole und die Septole kommen beide ein zweites Mal innerhalb der Interpolation vor.

314
Zwei Interpolationen unter zusätzlicher Verwendung der Proportion 5:4370 prägen das
Erscheinungsbild von Modul 41 in Takt 117; dadurch wird es geringfügig ausgedehnt.

Takt 220
1
8

Takt 220 enthält die Impulse der Septole, wobei der erste Impuls hinzugefügt wurde
und die Pause zu einem weiteren (kürzeren) Impuls umgewandelt wurde.

Modul 42

Takt 57
4
10

Die Anzahl von zwei Impulsen charakterisiert Modul 42; bisher kamen nur ein Impuls
(Modul 1 und 11) und drei Impulse (Modul 7, 12, 37 und später 48) vor.

Takt 65
7
24

Der Rhythmus von Takt 57 ist fast genau übernommen, allein die Quintole verschiebt
das Verhältnis von Note und Pause in diesem Bereich. Außerdem ist das Modul
natürlich an die neue Taktlänge angepasst.

Takt 147
7
10

Ein wörtliches Zitat von Takt 57 ist Takt 147 nicht, aber der Rhythmus von Takt 65
wird übernommen und auch die melodische Bewegung371 von Takt 57, wenn auch
nicht die genauen Tonhöhen.
370
Das ist die Gesamtproportion aus Takt 62.
371
Die melodische Bewegung ist beidesmal: extrem tief Æ (extrem) hoch Æ längerer Ton in Mittellage.

315
Takt 155
5
16

Takt 155 ist – laut Modulanordnung und Skizzenblatt zur "first version" – Modul 47;
die Ausarbeitung enthält jedoch das genaue Zitat des Rhythmus von Takt 57 (mit
halb so langen Werten).

Takt 177
3
10

Die "first version" von Takt 177 bezieht sich auf Takt 57 mit der Bemerkung
"resubdivision": Die Proportionen sind erhalten geblieben, sie sind jedoch nach
rechts verschoben worden.

Takt 218
5
10

Interpoliert man beide Impulse, so kann man auf eine Version wie die von Takt 218
kommen; die Pausen zu Beginn und am Ende sprechen auch dafür.

Modul 43

Das Originalmodul wurde innerhalb des ersten Zyklus bereits eliminiert, so dass eine
"Originalversion" nicht bekannt ist.

Takt 130
4
12

In Takt 130 tritt Modul 43 erstmals auf. Sollte dies ein "Zitat" des Rhythmus sein, so
wäre das Modul hiermit (für diese Darstellung) definiert.

316
Takt 179
7
8

Takt 179 lässt sich einfach aus Takt 130372 ableiten, indem die Viertelnote durch eine
Triole ersetzt wird.

Takt 224
1
8

Takt 224 nimmt möglicherweise gerade diese Triole – isoliert – auf.

Takt 150
2
10

Die weiteren Erscheinungsformen von Modul 43 beziehen sich – durch die


Generalpause – möglicherweise auf das Fehlen des Originalmoduls. Allerdings
besteht Modul 25 ("per definitionem") bereits aus einer Generalpause.

Takt 153
4
12

Takt 182
3
10

Takt 183
2
8

372
In den Skizzen zur "first version" wird Takt 130 als Referenz angegeben, nicht Takt 43, wie bei den
anderen Versionen von Takt 150, 153, 182 und 183.

317
Modul 44

Takt 60
4
12

Takt 151
2
12

Takt 151 enthält den Rhythmus von Takt 60, teils mit den selben Werten, teils mit
halb so langen Werten; die zusätzlichen Proportionen gleichen dies wieder aus, so
dass die Werte in der Mitte letztendlich einfach etwas verzerrt, in diesem Fall
zusammen gezogen, sind.

Man könnte sich Takt 151 als Abbild des Moduls in einem konvexen Spiegel
vorstellen, wo die beiden äußeren Bereiche unverändert bleiben, der mittlere Bereich
jedoch zusammen gezogen wird.

Zu Beginn seines Aufsatzes "Il Tempo della Figura" (1984) und auch im
Programmheft zur Uraufführung des Zyklus "Carceri d'Invenzione" (1986) zitiert
Ferneyhough eine Passage über Träume aus dem Gedicht "Self-portrait in a convex
mirror" von John Ashbery:

"Sie schienen seltsam nur, weil wir sie nicht wirklich sehen konnten, und dies wurde uns erst klar an
einem Punkt, wo sie zerfallen, wie eine Woge sich bricht, ihre Form preisgebend in einer Geste, die
diese Form ausdrückt." 373

Takt 154
7
24

Takt 154 zitiert den Rhythmus von Takt 60, dabei ist die Pause in der Mitte der
(äußeren) Triole auf kosten der beiden vorangegangenen Impulse verlängert, wieder
eine kleine Verzerrung.
373
"They seemed strange only because we could't actually see them and we realized this only at a
point where they lapse like a wave breaking on a rock, giving up its shape in a gesture that expresses
that shape." – (s. Anm. 2) S.8 bzw. FERNEYHOUGH, Brian: Il Tempo della Figura. überarbeitete
Fassung eines Vortrags bei den Darmstädter Ferienkursen 1986. (1984/86; engl.) in: Collected
Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996,
S.33.

318
Takt 120
5
8

Takt 120 ist – laut Modulanordnung – eine Version von Modul 44; die Bemerkung in
den Skizzen "+ bar 1, first half" deutet eine Kombination mit Takt 1 (Modul 1) an.
Tatsächlich lässt sich die Proportion 5:4 von Takt 1 gut wiedererkennen374.

Takt 1
2
10

Der Weg von Modul 44 (Takt 60) zu Takt 120 ist denkbar einfach: Ersetzt man den
Beginn von Takt 60 durch die Pause (2/5 des Taktes) von Modul 1 und verlängert die
noch übrig gebliebene Note auf die doppelte Länge375, so erhält man Takt 120. Die
Ausarbeitung zeigt aber noch einen ganz anderen Zusammenhang: Takt 120 ähnelt
in auffälliger Weise Modul 13 in der Version von Takt 152 (bzw. Takt 166).

Takt 152
4
12

Modul 45

Takt 61
4
8

Wie z.B. bereits in Modul 6 dominieren auch in Modul 45 die Triolen376.

Takt 180
7
20

Takt 180 zitiert den Rhythmus von Takt 61, angepasst an die neue Taktlänge.

374
Sie kommt allerdings auch in Takt 60 (Modul 44) direkt vor.
375
auf Kosten der darauf folgenden Pause
376
Man beachte die Ähnlichkeit, z.B. wenn man bei Modul 45 den ersten Impuls weglässt und die
beiden letzten Triolen von Modul 6 als Einzeltöne zusammenfasst.

319
Takt 184
5
10

Takt 184 hat als Referenz zur "first version" Takt 180 und leitet sich daraus ab durch
Interpolationen (bei den Triolen) und Neuunterteilung (bei der Quintole).

Takt 225
3
8

Takt 225 repräsentiert den "mittleren" Impuls von Modul 45 (3.Pfeil von links); die
Länge dieses Impulses entspricht etwa der Triole zusammen mit dem
darauffolgenden Impuls (4.Pfeil). Vom Erscheinungsbild her lässt sich Takt 225
wiederum – wie Takt 120 (Modul 44) – mit Modul 1 und den beiden Versionen von
Modul 13 (Takt 152 und Takt 166) vergleichen.

Modul 46

Das "Original" von Modul 46 ist wie Modul 43 bereits im ersten Zyklus eliminiert
worden und daher unbekannt.

Takt 128
1
10

Takt 128 könnte – laut Modulschema – den Rhythmus von Modul 46 repräsentieren.

Takt 185
7
10

320
Takt 185 ist eine "geglättete" Version von Takt 128.377

Takt 226

8
8

Takt 226 schließlich ist der erste der beiden besonders langen Takte.378 Eine
enge Verwandtschaft mit Takt 128 oder Takt 185 ist nicht zu erkennen; Teile
aus Takt 128 lassen sich jedoch Teilen von Takt 226 zuordnen.379
Möglicherweise setzt sich Takt 226 auch aus (veränderten) Teilen anderer Module
zusammen. Eine Entsprechung mit den beiden besonders langen Versionen von
Modul 1, Takt 131 und Takt 137, wäre ebenfalls denkbar.

Modul 47

Takt 63
4
10

Modul 47 hat zwei ähnliche Versionen, sowie den anderen besonders langen
Schlusstakt.

Takt 181
4
8

Takt 181 übernimmt weitgehend den Rhythmus von Takt 63. Die Pause nach dem
ersten Impuls wurde zu einer Note umgewandelt und die beiden Werte in der
Reihenfolge vertauscht. Der zweite Impuls von Takt 63 wurde an das Ende von Takt
181 gesetzt und dabei durch eine Pause verkürzt. Die Achtelkette schließlich wurde

377
Als "first version" liegt eine (ungleichmäßig) verlangsamte Version von Takt 128 mit der Bemerkung
"interpolation" vor.
378
Takt 227 (Modul 47) ist der zweite. Beide fallen aus dem Schema der Taktdisposition heraus und
sind vermutlich (nachträglich) extra konzipiert, möglicherweise als der Konzeption des Stücks
angemessene Form eines "auskomponierten Ritardandos".
379
Sie sind mit den Pfeilen gekennzeichnet.

321
um einen Ton verringert und dadurch – im Verhältnis zum gesamten Takt – neu
proportioniert (10:9 statt 12:9).

Takt 227

15
8

Ähnlichkeiten mit Modul 47 (oder anderen Modulen) lassen sich auch hier nur
vermuten.

Eine Bemerkung auf Übersichtsblatt <3> gibt einen Hinweis auf den möglichen
Grund für die Ausdehnung der letzten beiden Takte: das Zusammenspiel mit dem
Ensemble in Carceri d'Invenzione IIa. Bei Takt 193 steht:

"Material der Soloflöte: wird zum Ende hin immer weniger dicht, bis es schließlich zwischen vielen
Einzeltönen und Staccato-Impulsen wechselt; in den letzten beiden Takten verschmilzt es mit der
instrumentalen Gruppe (zwei gestopfte Hörner in Staccato-Polyphonie)." 380

Modul 48

Takt 64
7
24

Das letzte Modul, Modul 48, kommt nur zweimal vor, wobei die zweite Version den
Rhythmus der ersten zitiert.

Takt 125
2
10

380
"Solo flute material: becomes always less and less dense towards end, alternating at last between
many single tones and staccato impulses, merging in the last 2 (!) bars with instrumental group (2
stopped horns in staccato polyphony)."

322
Nachdem jetzt alle 227 Takte des Flötenparts bezüglich des Rhythmus genauer
betrachtet wurden, nachdem teils Beziehungen offensichtlich waren, teils erst
anhand der Skizzen Zusammenhänge klar wurden, teils auch nur vage Vermutungen
über weit reichende Veränderungen geäußert werden konnten, erscheinen die
Äußerungen des Komponisten zu den Transformationsprozessen gleichsam als
Zusammenfassung der mühevollen Einzelanalyse.
Neben der ausführlichen Erklärung der rhythmischen Transformationsprozesse an
einfachen Beispielen in den Aufsätzen "Il Tempo della Figura" (1984) und "Duration
and Rhythm as Compositional Resources" (1989) ergänzen Bemerkungen mitsamt
Beispielen in den Skizzen381 das Bild der Vorgehensweise.

"Take a process of progressive transformation [Notenbeispiel]

apply beat for beat on one level, but employ a similar process bar for bar on a different, but
simultaneous level.
e.g. the second bar is a commenting of the first by transforming each component one step in a
particular direction (see shown below), the upper line beat for beat, the lower bar for bar (second in
retrograde). Third bar reverses process. Reread original several times in several directions. Then
reread these derivations. [Notenbeispiel]

Parody: (take whole bars)


- reorder, insert new sections between them.
- cut up bars, reorder components in new proportions, with possible retrogressions, insert various-
length foreign materials at cut-points.
- take single layers, revoice and / or add new materials with bar-length distortion (?) / canon
technique.
- permutate all materials in a bar by exchange.
- take every "xn" beat in a group, compose surrounding materials completely new.

Variation: - reread with new “transformational rules”.


Vary different lengths each time.

Permutation: - reorder groups of materials, but not others (or else in different way)

Replacement:

Repetition: - several rereadings, with each layer "read" differently, select (?) with different phrase-
lengths. Select different lengths of material for repetition.

Insert new versions into cuts made in older or newer versions into these. The final bar structure will be
determined pragmatically, after all these processes have been completed (and then in
a way concentrated to "camouflage" the montage-boundaries.) Overlay, finally,
processes onto this scheme which are CONTINUOUS in respect of the new bar-
scheme. [Notenbeispiele]"

Neben den Beziehungen zwischen den Originalmodulen und ihren Versionen, die
sich in erster Linie den Rhythmus betreffen, gibt es noch andere Beziehungen bzw.
Veränderungen zwischen zwei oder mehreren Takten – unabhängig von einer
gemeinsamen Modulzugehörigkeit. Sie sind jedoch nicht so konsequent
nachzuweisen.

381
Blatt (60) im Block aus der Mappe von Carceri d'Invenzione I. Die Bemerkungen finden sich auch
teilweise als Zitate in TOOP, Richard: "Prima le Parole ..." – on the sketches for Ferneyhoughs
Carceri d´Invenzione I-III. (1994; engl.) in: Perspectives of new music. Vol.32/1 (1994) S.168-169.

323
"Ich verwende noch andere Transformationen: Ich nehme Rhythmen und setze sie in Beziehung zu
den bereits existierenden Rhythmen, so in Takt 96 (Repetition von g mit Mikrotönen) und Takt 166. Ich
spiele auch mit der Elimination von Impulsen zu Beginn oder am Ende einer Zelle und führe an deren
Stelle die Elemente der Mikrotonalität ein. Man spürt so nach und nach eine Verstärkung der
Prozesse, die das Stück eröffnen, mit einerseits dem regulierenden Prozess (z.B. bezüglich der
Register) und andererseits dem zunehmend komplizierteren Prozess, der sich weit vom Ursprung
entfernt. Das ist das Ziel des Stückes." 382

Die Verwandtschaft der 48 (Original-)Module untereinander (!) ist ein weiterer Aspekt,
der sich jedoch auch nicht so offensichtlich präsentiert. Ferneyhough gibt auf einer
(früheren ?) Skizze383 Beziehungen an, deren Nachweis jedoch problematisch
erscheint.
Als Erweiterung der bereits angedeuteten (groben) Beziehungen werden
Möglichkeiten der Wiederholung und der Umkehrung aufgezählt, nicht jedoch weiter
zugeordnet:

"Beziehungsmuster (der Module) des Flöten-Materials384

Modul 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Modul 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

382
"Je procéde encore à d’autres transformations: je prends des rhythmes et je fais des interrelations
avec des rhythmes déjà existants, ainsi entre öes mesures 96 (répétition des « sol » avec microtones)
et 166. Je jou aussi de l’elimination d’une impulsion en début ou en fin d’une cellule en introduisant à
sa place des éléments de micro-tonalité. On sent ainsi peu à peu une amplification des processus qui
ouvrent la pièce avec d’un côte un processus régulier (c.f. celui sur les registres) et de l’autre un
processus plus compliqué, plus loin de son point de repère. Tel est le but de la pièce." – (s. Anm. 245)
S.119-120.
383
Übersichtsblatt <1> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.
384
"relational patterns for flute material" - Überschrift und Grafik von Übersichtsblatt <1> aus der
Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.

324
Modul 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48

= der erste Takt wird zum zweiten addiert385

= der erste Takt wird zur zweiten Hälfte des zweiten addiert386

= die erste Hälfte des ersten Takts wird zum zweiten addiert" 387

Zusätzlich werden noch weitere Techniken angegeben:

"Variationstechniken auf verschiedenen hierarchischen Niveaus

Wiederholung von vorangegangenen Takten


Wiederholung von Teilen vorangegangener Takte
Wiederholung von vorangegangenen Takten plus Teile anderer Takte
Wiederholung von vorangegangenen Takten und neuen Takten

Umkehrung von vorangegangenen Takten


Umkehrung von Teilen vorangegangener Takte
Umkehrung von vorangegangenen Takten plus originale Teile neuer Takte
Umkehrung von vorangegangenen Takten und neuen Takten" 388

Die beschriebenen Techniken wirken sehr starr; sie suggerieren eine


Automatisierung wie in sie in Superscriptio konsequent durchgeführt wurde.

Wie bereits im Kapitel über die Tonhöhendisposition angedeutet, entsteht eine


gewisse (und auch gewollte) Spannung durch Gegenüberstellung von automatischen
und informellen Bereichen, von streng nach Formel organisierten und freier
gestalteten Texturen.

"In diesem Stück für Flöte vollzieht sich die Entwicklung der Ereignisse in einer monodischen Art und
Weise; ich wollte eine Reihe von Kompositionen schreiben, in denen ich den Spielraum erforschte
zwischen dem, was ich die "die automatische Komposition" und "die informelle Musik" nenne. Von der

385
"1st bar added to 2nd ".
386
"1st bar added to 2nd ½ of 2nd ".
387
"1st ½ of 1st bar is added to 2nd ".
388
"Variational techniques on several hierarchical levels: Repetition of previous bars, Repetition of
partial previous bars, Repetition of previous bars plus parts of other bars, Repetition of previous bars
and new bars, Reversal of previous bars, Reversal of partial previous bars, Reversal of previous bars
plus original parts of new bars, Reversal of previous bars and new bars." – Übersichtsblatt <1> aus
der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.

325
Musik des automatischen Charakters handelt es sich um einen Vorgang, bei dem letztendlich nur die
Vergangenheit offensichtlich wird; diese Art der Musik existiert, wenn Systeme im Spiel sind, wo die
Töne innerhalb der Repräsentation erscheinen oder im Augenscheinlich-Werden: tote Prozesse ! – Im
Gegensatz dazu existiert die informelle Musik wie das Ergreifen einer Position unter Berücksichtigung
des gegenwärtig existierenden Materials. (Akkordformen, Rhythmen...)." 389

Im Hinblick auf einen Vergleich zwischen Konstruktion und Hörerlebnis sei im


Folgenden noch die Modulanordnung390 in Taktreihenfolge angegeben, wie sie –
nach Nachweis in diesem Kapitel – in der Partitur ausgearbeitet wurde. Sie ist die
endgültige Partitur-Version, auf die am Ende von Kapitel V.3.b) hingewiesen wurde.

Quasi moto perpetuo


Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Tempo 74
Modul 1 2 3 4 5 6 7 5 8 9 1 10 11 2 12 10

17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

13 14 15 16 8 17 3 18 19 11 20 21 22 23 24 4 20 25

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52
62
26 27 5 28 29 6 30 31 32 7 33 31 34 35 8 36 37 38

53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70
aTp aTp aTp
39 40 41 9 42 39 11 44 45 41 47 48 42 3 2 1 4 7

71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88

6 13 6 9 2 12 10 16 10 11 14 7 14 16 15 16 19 18

389
"Dans cette pièce pour la flûte, le déroulement des événements se fait de façon monodique ; j’ai eu
envie d’écrire une série de compositions qui investiguerait l’espace entre ce que j’appellerai « la
composition automatique » et « la musique informelle ». Dans la musique à la caractère automatique,
il s’agit d’un processe dont il ne reste ensuite que l’evidence passée ; ce type de musique existe
quand sont en jeu des systèmes tels que les sons apparaissent comme la représentation ou la mise
en évidence de ces systèmes, donc de processus morts. A l’opposé, la musique informelle existe
comme pris de position par rapport á un matériau existant, présente (sous forme d’accords, de
rhythmes …)" – (s. Anm. 245) S.116.
390
Es handelt sich um dieselbe Anordnung wie zu Beginn des Kapitels (S.263/264), wo die Takte
allerdings nach Modulen geordnet waren.

326
89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106
70
11 20 18 19 18 20 21 24 23 26 27 22 27 23 29 25 30 26

107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124

31 36 27 30 35 39 38 39 28 39 41 40 29 44 30 31 32 34

Quasi una cadenza


125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142

48 33 37 46 34 43 1 3 35 37 4 38 1 6 39 10 9 9

143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160

40 12 11 12 42 16 14 43 44 13 43 44 42 19 15 19 23 17

161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178

22 20 18 29 22 29 26 33 31 30 39 31 37 34 36 36 42 37

179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196

43 45 47 43 43 45 46 7 6 4 2 2 5 1 10 10 3 8

meno mosso
197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214

15 15 12 17 32 23 23 20 14 33 32 22 33 27 33 31 33 28

ancora piu mosso


215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 GP 226 GP 227

22 39 38 42 40 41 35 36 32 43 45 46 47

327
V.4. Harmonik von Carceri d'Invenzione II c
Im Zuspielband391 von Carceri d'Invenzione IIc erscheinen die acht Akkorde in
"Reinstform": so offensichtlich und unverändert wie sonst nirgends im gesamten
Zyklus.

Der Rhythmus der vier Flötenstimmen besteht überwiegend aus Impulsen, die den
Beginn jeden Taktes markieren (und so auch das Zusammenspiel des Solisten mit
dem Band erleichtern).

"Diese Komposition kann mit oder ohne koordinierenden "Click-Track" über Kopfhörer gespielt
werden. Da neue [musikalische] Ereignisse des Zuspielbandes exakt (und nur) zu Beginn jeden
Taktes erscheinen, ist eine Live-Aufführung möglich, bei der der Flötist seine Tempi daran misst. Das
Konzertband ist jedoch für das Abspielen auf einem Vier-Spur-Gerät gedacht, so dass der Klang
zweier Kanäle über Lautsprecher und der "Click-Track" über Kopfhörer simultan verfügbar sind." 392

Die Akkorde erscheinen in Feldern, d.h. die Töne des Akkordes werden jeweils
einmal gespielt, wobei maximal vier Töne gleichzeitig erklingen können. Es gibt
Überlappungen von Akkorden und es gibt unvollständige Akkordfelder.

Die Gesamtanlage ist vergleichsweise symmetrisch und orientiert sich grob am


Flötenpart:

Takt: 1-9 10-128 129-138 139-178 179+180


asymmetrische symmetrische
alle Akkorde
Flöten: tacet Akkorde Akkorde tacet
(Vorschläge)
mit Vorschlägen ohne Vorschläge

Die ersten neun und die letzten beiden Takte pausieren die vier Flöten.

Kurz nach der Mitte, während des Teils "Quasi una Cadenza" (Takt 129-138), spielen
die Flöten jeweils zwei bis sechs Vorschlagsnoten mit anschließend ausgehaltenem
Akkordton; dabei kommen alle acht Akkorde untransponiert vor.

Davor erscheinen die asymmetrischen Akkorde in verschiedenen Transpositionen,


unterbrochen durch Takte mit Vorschlagsnoten und anschließender Generalpause.

Danach erscheinen die symmetrischen Akkorde in verschiedenen Transpositionen


ohne Unterbrechung.

391
Es enthält vier Spuren, die jeweils mit einer Flötenstimme bespielt sind.
392
"This composition may be played with or without the coordinating click track over headphones.
Since new events occur exactly (and only) at the beginning of each bar a live performance is possible
with the flautist orientating his tempi around this fact. The concert tape is, however, intended for
performance on a four-track tape recorder, so that 2-channel sound over loudspeakers and click track
over headphones are simultaneously available." – Vorbemerkung in der Partitur zum Zuspielband,
Skizzenblatt [7] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIc.

328
Zu Beginn sieht die Verteilung der Töne auf die Stimmen so aus393:

Tempo 80
Takt 1... ...9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
Flöte 1 1 8 2 7
Flöte 2 3 5 6 2 4 8 3 6 1 4
Flöte 3 4 6 5 4 2 3
Flöte 4 2 7 7 1 5 7 6
Akkord As I0 As I1 As II0 As II1
Klang non vibrato Flatterzunge

Die Zahlen entsprechen den Akkordtönen, von unten nach oben gezählt; die
Oktavlagen scheinen dabei recht frei zugeordnet zu sein394, sie umfassen jedoch das
gesamte Register der Flöte. So lange die Flächen rechts von der Zahl gefärbt sind,
so lange werden die Töne jeweils ausgehalten. "Weiße" Takte entsprechen Pausen.
Nicht immer werden alle Töne eines Akkordes verwendet; so erscheint in der Regel
die letzte Transposition eines Akkordtypus verkürzt (hier As I1, wo die Töne 1=h und
3=fis fehlen und As II1, wo der 5.Ton=d fehlt).
8 8
7 7
7 7
6 6
6 6
5 5
5 (5)
4 4
4 4
3 (3)
3 3
2 2
2 2
1 (1)
1 1
As I0 As I1 As II0 As II1

Die Töne in Takt 10 bis 20 der vier Flöten sieht dementsprechend so aus:

Akkord As I0 beginnt hier Akkord As I1 beginnt hier

Während die Töne von Akkord As I0 der Reihe nach von unten nach oben verwendet
werden, ist das bei Akkord As I1 bereits nicht mehr der Fall.

393
In der Grafik wurden Generalpausen berücksichtigt, Pausen innerhalb der Stimmen, die kürzer als
ein ganzer Takt sind, wurden vernachlässigt.
394
Die Oktavlagen entsprechen natürlich nicht denen der Grundform des Akkords.

329
Für den ersten Teil (bis Takt 128) ist die Reihenfolge der Akkordtöne tabellarisch
zusammengestellt.395

Akkord As I Akkord As II Akkord As III


As I0 1 2 3 4 5 6 7 8 As II0 1 2 3 4 5 6 7 As III0 1 2 3 4 5 6
As I1 2 4 6 8 7 5 (3 1) As II1 2 5 1 4 7 3 6 As III1 2 4 6 3 5 1
As I2 3 6 1 4 7 2 5 8 As II2 3 7 4 1 5 2 6 As III2 3 6 4 1 5 2
As I3 4 1 6 3 8 5 2 7 As II3 4 2 7 5 3 1 6 As III3 4 2 6 5 1 3
As I4 5 3 1 7 6 4 2 8 As II4 5 4 3 2 1 7 6 As III4 5 4 3 2 1 6
As I5 6 5 4 3 2 1 8 7 As II5 6 7 1 2 3 4 5 As III5 6 5 4 3 2 1
As I6 7 8 1 2 3 4 5 6 As II6 7 2 4 6 1 3 5
As I7 8 2 4 6 1 3 5 7 Akkord As IV
As IV0 1 2 3 4 5
As IV1 2 4 1 3 5
As IV2 3 1 4 2 5
As IV3 4 5 1 2 3
As IV4 5 2 1 3 4

Die Reihenfolge der jeweiligen Transposition liest sich von links nach rechts, im
Schema bzw. in der Partitur zusätzlich innerhalb eines mehrstimmigen Taktes von
oben (Flöte 1) nach unten (Flöte 4).396

Zur Herleitung der Permutationen lässt sich wenig sagen; ein paar Kriterien fallen
jedoch ins Auge:

• Die Originalversion des Akkords (0-Transposition, erste Zeile) erscheint in


unveränderter Reihenfolge.

• Jede nachfolgende Transposition beginnt jeweils mit dem zweiten Ton der
vorangegangenen; dadurch ergibt sich auch in der ersten Spalte die Reihenfolge
der ersten Zeile.

• Mehrere Zeilen enthalten zuerst die geraden Zahlen, dann die ungeraden. (z.B.
As I1 oder As III1)

• Mehrere Zeilen enthalten die Reihenfolge der ersten Zeile von einem anderen
Wert beginnend. (z.B. As I6 oder As IV3)

• Mehrere Zeilen enthalten dasselbe von rechts nach links gelesen. (z.B. As I5 oder
As II4)

In der Ausarbeitung der Partitur wurden die Zahlenreihen jedoch nicht immer
genauso übernommen. Wahrscheinlich spielen nicht die Zahlenreihen, sondern die
Zusammenklänge (der Impulse) innerhalb der vier Stimmen die entscheidende
Rolle.397 Die Zusammenklänge innerhalb der Takte 19 bis 28398 lesen sie sich dann
so:

395
Skizzenblatt [3] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIc.
396
Die Zahlen für die Akkorde von Takt 10 bis 20 sind hier – zur besseren Übersicht – farbig unterlegt.
397
Studien dazu finden sich auf Skizzenblatt [2] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIc.

330
"Tonale" Konstruktionen wie z.B. der c-moll-Dreiklang in Takt 20 fallen beim Hören
auf, auch wenn sie durch ausgehaltene Dissonanzen (in Takt 20 das e der Flöte 1)
und den polyphonen Charakter der Textur "aufgeweicht" werden.
Nach Takt 20 kommen zwei Takte (schraffiert) mit je vier bis sechs Vorschlagsnoten
(Flatterzunge, decrescendo) und der Spielanweisung

"Alle Vorschlagsnoten-Gruppen so schnell wie möglich. Der Rest des Takts bleibt LEISE." 399

Über ihre Konstruktion liegen keine Hinweise vor; möglicherweise sind sie aus
Akkordtönen abgeleitet.

Da im weiteren Verlauf genauso vorgegangen wird, genügt die schematische


Darstellung der Verteilung der Töne auf die Stimmen400 mit kurzen Anmerkungen.

Schema von Takt 29 bis 48:

Tempo
Takt 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
Flöte 1 5 5 6 1 2 2 2
Flöte 2 4 6 6 1 3 4 3 1 3 4 2
Flöte 3 2 3 2* 4 3 5 1 5 4
Flöte 4 1 3 4 5 1
Akkord As III0 As III1 As III2 As IV0 As IV1 As IV2 As IV3
Klang vibrato vibrato

* In der Partitur wie auf dem Skizzenblatt steht als Ton 2=d2 statt f.

Die durch die "schraffierten" Takte voneinander abgegrenzten Felder


verschiedenartiger Akkorde unterscheiden sich teilweise zusätzlich durch
Klangfarben, z.B. Takt 10 = non vibrato; Takt 23 = Flatterzunge; Takt 31 = vibrato.
Und auch eine gemeinsame Dynamik unterstützt den Zusammenhalt innerhalb eines
Akkordfeldes und grenzt verschiedene voneinander ab.

... dort vorkommende Akkorde:

As III0 As III1 As III2 As IV0 As IV1 As IV2 As IV3

398
ohne die "schraffierten" Takte 21 und 22.
399
"All grace-note groups as fast as possible. Remainder if bar remains SILENT." – Bemerkung auf
Skizzenblatt [7] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIc.
400
Die Oktavlagen sind dabei nicht berücksichtigt.

331
Akkord As III2 enthält nur die Töne 3=a und 6=h; Akkord As IV3 fehlen die Töne 3=dis
und 5=d.

... daraus entstehende Zusammenklänge401:

Auffällig ist, wie sich die Abschnitte der beiden Akkordtypen As III und As IV auch
bezüglich des Registers voneinander abheben: As IV ist im wesentlich tieferen
Register. Außerdem schlägt sich der Intervallaufbau des Akkordes402 auch in den
engen Zusammenklängen nieder.

Schema von Takt 49 bis 63:

Tempo 62
Takt 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63
Flöte 1 4 5 1
Flöte 2 2 1 7 3 4
Flöte 3 6 1 3 5 3 6 7 2 6
Flöte 4 2 5 3 4 5
Akkord As III3 As III4 As II2 As II3
Klang Flatterzunge non vibrato + poco glissando

Takt 54 kommt als neue Klangfarbe non vibrato + poco glissando dazu; das
Glissando geht dabei (grafisch) tendenziell leicht aufwärts, nicht jedoch zum darauf
folgenden Ton. Auch der (abrupte) Tempowechsel von Viertel=80 auf Viertel=62 fällt
mit dem Akkordwechsel zusammen.

... dort vorkommende Akkorde:

As III3 As III4 As II2 As II3

Bei Akkord As III4 fehlen die Töne 1=c, 2=es, 4=as und 6=g; von Akkord As II3
werden gar nur die Töne 2=cis und 6=b verwendet.

401
in den endgültigen Oktavlagen der Partitur, teilweise – zur besseren Übersicht – enharmonisch
verwechselt.
402
vier kleine Sekunden, wenn man die Akkordtöne in enge Lage bringt.

332
... daraus entstehende Zusammenklänge:

Schema von Takt 64 bis 81:


Takt 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 7 4 75 76 77 78 79 80 81
Flöte 1 4 6 5 7 4 8 7
Flöte 2 3 7 2 8 3 8 2 3 1 4 8
Flöte 3 6 5 4* 7 2 6 3 1
Flöte 4 1 1 5 6 5 2 7
Akkord As I2 As I3 As I4 As I5 As I6
Klang non vibrato

dort vorkommende Akkorde:

As I2 As I3 As I4 As I5 As I6

Von Akkord As I6 kommt nur Ton 7=b vor. Takt 74 enthält – unvermittelt – eine
Generalpause; sie fällt aus dem Gesamtklang jedoch nicht besonders heraus, denn
die "schraffierten" Takte enthalten außer den Vorschlagsnoten ja ebenfalls für den
Rest des Taktes Generalpausen.

daraus entstehende Zusammenklänge:

Der Zusammenklänge haben bisweilen einen so großen Abstand voneinander, dass


sie – auch wenn Töne im mittleren Bereich noch ausgehalten werden – immer mehr
den Charakter von Spaltklängen bzw. von voneinander unabhängigen linearen
Stimmenführungen haben. Dazu kommt, dass sich Stimmen in derselben Lage
klanglich kaum voneinander unterscheiden, da ja vier gleiche Instrumente mit
gleicher Klangfarbe und fast gleicher Dynamik spielen.

333
Schema von Takt 82 bis 91:
Tempo
Takt 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91
Flöte 1 7 7
Flöte 2 4 5 1** 1 6 6
Flöte 3 3 6 5 4 2
Flöte 4 2 3
Akkord As II3 As II4 As II5
Klang vibrato

* In der Partitur steht als Ton 4=h1 statt ges.


** In der Partitur steht als Ton 1=cis2 statt a.

... dort vorkommende Akkorde:

As II3 As II4 As II5

Vom Akkord As II5 wurde nur Ton 6=d verwendet.

... daraus entstehende Zusammenklänge:

Auffällig, wie der Zusammenklang in Takt 88 durch abrupten Registerwechsel


hervorgehoben wird und wie die Intervallzusammensetzung fast Takt 84 gleicht, dem
anderen Takt innerhalb dieses Bereichs mit drei Impulsen.

Schema von Takt 92 bis 109:

Tempo 70
Takt 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109
Flöte 1 4* 1 6 6 1 2 6
Flöte 2 3 4 2 4 4 2 6 5 1
Flöte 3 2 1 5 3 5 3 6 3 4 3
Flöte 4 6 5 2 5 1 3 4
Akkord As III3 As III4 As III5 As III0 As III1 As III2
Klang Triller vibrato molto

Die Takte 92 bis 96 wirken durch die eingefügten kurzen Generalpausen homophon.
Der Wechsel der Satztechnik und auch der Klangfarbe fällt auf den Übergang zum
nächsten 48-Takte Zyklus (Doppelstrich und Tempowechsel wie nach Takt 48). Nach
Takt 96 wird zu alledem das Register gewechselt.
334
... dort vorkommende Akkorde:

As III3 As III4 As III5 As III0 As III1 As III2

Vom letzten Akkord As III2 wurden nur die Töne 3=a, 4=c und 6=h verwendet.

... daraus entstehende Zusammenklänge:

* In der Partitur steht als Ton 4=c2 statt es.

Schema von Takt 110 bis 128:

Tempo
Takt 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128
Flöte 1 4 2 3 3 5* 7 1 5 2
Flöte 2 ? 2 1 4 6 5 2 2 6 8
Flöte 3 5 5 4 2 3** 7 1 3 6
Flöte 4 ?? ? 1 4 3 4 5 5
Akkord As IV3 ? As IV4 As III2 As III4 As II6 As I7
Klang Triller (keine Angabe) Triller

* In der Partitur steht als Ton 5=d2 statt des.


** In der Partitur steht als Ton 3=fis1 statt f.

Die Zuordnung der Töne zu Akkorden ist in diesem Bereich nicht eindeutig, da
Skizze403 und Partitur404 stark voneinander abweichen.
Akkord As IV4 ist angegeben, Akkord As IV3 jedoch ebenfalls nicht, so dass seine
vage Zuordnung nur auf der Suche nach einem möglichst baugleichen Akkord
beruht.
In Takt 110 ist die Herkunft des Tons h der Flöte 4 in der Partitur unbekannt, da er im
Skizzenblatt gar nicht erwähnt ist.
Die anderen beiden unbekannten Töne, es2 in Takt 110 und c2 in Takt 111 lassen
sich eventuell auf die fehlenden Töne 1=e und 3=dis beziehen.
Der Ton in Takt 128 lässt sich als Verdoppelung von Ton 5=as von Akkord As I7
erklären; die Skizzen geben keine genauere Auskunft.

403
Skizzenblatt [3] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIc.
404
Blatt [10] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIc.

335
... dort vorkommende Akkorde:

As IV3 As IV4 As III2 As III4 As II6 As I7

Bei Akkord As III4 fehlen die Töne 1=c, 4=as und 6=g.

... daraus entstehende Zusammenklänge:

Die Takte 110 bis 113 sind – wie bereits die Takte 92 bis 96 – durch kurze
Generalpausen am Ende jeden Taktes von homophonem Charakter. Möglicherweise
haben die beiden Bereiche die Funktion der Vorbereitung auf den vierstimmigen
homophonen (fast choralartigen) Teil "Quasi una Cadenza" (Takt 129 bis 138).

Schema von Takt 129 bis 138 ("Quasi una Cadenza"):

Tempo 48 quasi una cadenza


Takt 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138
Flöte 1 8 6 7 7 6 6 7 5* 5 6
Flöte 2 7 5 6 6 5 5 6 4 4 5
Flöte 3 2 4 2 2 2 2 2 4 2 2
Flöte 4 1 3 1 1 1 1 1 3 1 1
Akkord As I0 As II0 As III0 As IV0
S I0 S II0 S III0 S IV0

* In der Partitur steht als Ton 5=g2 statt es.

Hier kommen erstmals die symmetrischen Akkorde vor und zwar jeweils nach ihrem
asymmetrischen Verwandten.
Der Begriff der "Kadenz" wird insofern auf die vier Flöten angewandt, dass jeder der
Akkordtöne drei bis sechs Vorschlagsnoten hat, bevor er ausgehalten405 wird. Für die
Vorschlagsnoten gilt hier:

"Alle Vorschlagsnoten Flatterzunge, fff, so schnell wie möglich zu spielen, gefolgt von der Note in
Klammern406, die ausgehalten wird – nicht Flatterzunge – bis zum Ende des Taktes, mit dem
dynamischen Level piano." 407

405
Im Gegensatz zu dem vorangegangenen Teil werden die Akkordtöne auch nicht über mehrere
Takte ausgehalten.
406
Dabei handelt es sich um den auszuhaltenden Akkordton.

336
... dort vorkommende Akkorde:

As I0 S I0 As II0 S II0 As III0 S III0 As IV0 S IV0

... daraus entstehende Zusammenklänge:

Wegen der Vorschlagsnoten und insbesondere bezüglich des Registers sind diese
Takte wenig choralartig: nur an drei Stellen stehen sie im engen Satz (Takt 129, Takt
134 und Takt 138, also Anfang, Mitte und Schluss), ansonsten recht hoch und weit
auseinander.

Schema von Takt 139 bis 158:

Tempo 66 molto espressivo 60 60


Takt 139 140 141 142 143 14 4 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158
Flöte 1 7 4 2 6 2 1 1 5
Flöte 2 6 3 6 7 5 3 3 4 6
Flöte 3 5 1 5 3 4 1 4 2 7
Flöte 4 4 2 1 6 5 2 3
Akkord S I0 S II0 S III0 S IV0 S III1
Dichte 4 2 1 2 1 2 1 2 1 1 4 1 1 2 1 2 1 2 1 1

Ab hier werden nur noch die symmetrischen Akkorden verwendet.


Und ab hier ist auf dem Skizzenblatt die Dichte der Impulse extra notiert: Der Beginn
der beiden Akkorde S I0 und S IV0 ist durch vier gleichzeitige Impulse besonders
betont.

... dort vorkommende Akkorde:


7
6
5
4
3
2
1
S I0 S II0 S III0 S IV0 S III1

407
"N.B. All grace-notes Fluttertongue, fff, play as fast as possible, followed by note in brackets, which
held, non-Flz., until end of bar, with dynamic level of p." – Bemerkung auf Skizzenblatt [10] aus der
Mappe von Carceri d'Invenzione IIc.

337
Die Akkorde kommen alle vollständig vor; die Reihenfolge bei den ersten vier
Akkorden – bei den nicht transponierten – ist "rückwärts", d.h. von Ton 7 nach Ton 1,
oder besser: der Akkord wird von oben nach unten gelesen statt – wie zu Beginn –
von unten nach oben.

... daraus entstehende Zusammenklänge:

Man sieht deutlich die Abwärtsbewegung innerhalb der ersten vier Akkorde. In Takt
149 gibt es bereits die erste Überschneidung: unten die drei letzten Töne von Akkord
S III0, oben bereits der erste Ton von Akkord S IV0. Mit dem ersten transponierten
Akkord S III1 dreht sich die Bewegungsrichtung wieder um.

Schema von Takt 159 bis 180:


Tempo 54 60
Takt 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180
Flöte 1 1 3 5 7 5 6 7 3
Flöte 2 2 1 1 2 4 4 4 5
Flöte 3 3 6 4 3 6 3 1 6
Flöte 4 4 5 2 6 1* 2 5 2
Akkord S II1 S I1 S II2 S III2 S IV2
Dichte 4 1 1 2 1 2 1 2 1 1 4 1 1 2 1 2 1 2 1 1 0 0

* In der Partitur steht b1 statt a.

Auch hier wird der Beginn von Akkord S II1 und Akkord S III2 durch vier gleichzeitige
Impulse hervorgehoben. Der zweite Impuls fällt zugleich mit einem Tempowechsel
zusammen.

... dort vorkommende Akkorde:


6
5
4
3
2
1

S II1 S I1 S II2 S III2 S IV2

Die Akkordtöne kommen – wie im vorausgegangenen Abschnitt – alle vollständig vor


und die Reihenfolge – von Ton 1 nach Ton 6 – ist nicht mehr abgewandelt, der
Akkord wird von unten nach oben wiedergegeben.
Das zusammen wirkt wie eine Tendenz zur "Klärung" am Ende des Stückes.

338
... daraus entstehende Zusammenklänge:

Man sieht deutlich die – im Gegensatz zu den ersten vier Akkorden des
vorangegangenen Teils – jetzt aufwärts strebende Tendenz innerhalb der
Akkorde408, wobei sich der Schluss der vorangegangenen Akkordes mit dem Beginn
des darauf folgenden in Takt 166, Takt 169 und Takt 174 überschneidet. Bei
letzterem ist das hohe cis von Akkord S III2 ins ganz tiefe Register gesetzt.409

Ein Zusammenspiel zwischen der Linie der Soloflöte und der Textur der vier
begleitenden Flöten scheint nicht forciert zu sein; vielmehr scheinen sich zwei
Komponenten gegenüber zu stehen, die von der Anlage her unterschiedlicher kaum
sein könnten.

Dennoch gibt es verbindende Elemente: Das offensichtliche Element der gleichen


Instrumente, was eine Mischung der Klangfarben mit sich bringt410 und dadurch
individuell verschiedene Beziehungen zwischen beiden Texturen erklingen lässt, und
das "technische" Element der gemeinsamen acht Akkorde, die im Solopart nicht
offensichtlich erscheinen, jedoch dessen Grundlage sind, was aus Aufzeichnungen
und Aussagen des Komponisten hervorgeht.411

408
Diese Tendenz beginnt bereits in Takt 154 mit der ersten Transposition von Akkord S III.
409
Wie würde es klingen, wenn auch dieser Ton im ganz hohen Register gespielt wäre ? – Als
Impulse dann cis4 und c1, dazu als weiter klingende Töne der vorausgegangenen Takte h2 und d3.
410
auf jeden Fall dann, wenn alle Stimmen live gespielt sind oder wenn alle von CD erklingen...
411
Im Kapitel zur Tonhöhendisposition wurde nicht detailliert darauf eingegangen, da sich die Skizzen
des Soloparts zu wenig eindeutig zuordnen ließen.

339
V.5. Orchesterpart von Carceri d'Invenzione IIa
Das Orchester besteht aus 13 solistischen Streichern, zwei Hörnern und Holzbläsern.
Dabei wird die Oboe 2 und das Englisch Horn vom selben Spieler gespielt, genauso
Klarinette 1 und Es-Klarinette, sowie Klarinette 2 und Bass-Klarinette.
Die unteren drei Saiten des Kontrabasses sind umgestimmt zu Es, As und cis.

"Meine Absicht ging dahin, den instrumentalen Texturen des Ensembles die Möglichkeit zu geben, die
streng prädeterminierten, aus Modulen zusammengesetzten Klangmuster des Solisten auf freiere
Weise zu kommentieren; und die Art, wie das geschähe, sollte bisweilen an Wettstreit gemahnen,
bisweilen relative Unabhängigkeit zeigen, zu anderen Malen spezifische Tendenzen der Sololinie
verstärken." 412

Das Stück beginnt solistisch, wie auch Carceri d'Invenzione IIc, endet jedoch in
kleiner Besetzung: die beiden Hörner und der Kontrabass begleiten die Soloflöte.
Dazwischen erklingen neben verschiedensten Kombinationen von Soloinstrumenten
auch die Streicher als Ensemble, sowie das ganze Orchester als Tutti.
"Im Vergleich mit der Flötenpartie ist die orchestrale Aktivität weit weniger kontinuierlich, obgleich
auch deren Entfaltung von zyklischen Erwägungen beherrscht wird, die durch die Registervariationen
der Flöte bestimmt sind." 413

Die besetzungstechnische wie klangliche Organisation des Orchesterparts richtet


sich also nach bereits definierten Einteilungen des Flötenparts. Aus den
vorausgegangenen Kapiteln lassen sich drei Arten von Einteilungen übernehmen:

1. Die Takte sind in vier (permutierte) Zyklen à 48 Takte eingeteilt. Markante


Stellen sind demnach Takt 49, 97, 144 und 192.

2. Die Module sind ursprünglich in gleicher Weise in vier (permutierte) Zyklen à


48 Takte eingeteilt. Diese Modulzyklen sind wegen der späteren Einschübe
und Eliminationen länger als die Taktzyklen. Markante Takte, in denen ein
neuer "regulärer" Durchlauf der Module beginnt, sind Takt 65, 129 und 186.

3. Die fünf Register-Abschnitte und der Teil "Quasi una cadenza" schließlich
markieren die Takte 82, 113, 129, 147 und 187.

Die folgende Übersicht zeigt an, in welchen Takten welche Instrumente spielen.
Takte, in denen sich die Besetzung nicht ändert, wurden weggelassen; Teiltakte
wurden in dieser groben Übersicht nicht berücksichtigt, weshalb z.B. in Takt 122 der
allmählichen Eintritt der Streicher nur in der Partitur selbst erkennbar ist. Die
Satztechnik und die dominierenden Klangfarben sind im Text beschrieben.

412
"My intention was to allow the ensemble textures to comment more freely on the rigorously pre-
determined modular patterns of the soloist in a way which would sometimes suggest competition, at
others amplification of specific tendencies in the solo line." – (s. Anm. 2) S.135 bzw. S.9.
413
"In contrast to the flute, the orchestral activity is rather discontinuous, even though its deployment is
similarly governed by cyclic considerations making reference to the flute’s frequent change of registral
focus." – Ebda S.135 bzw. S.9.

340
Quasi moto perpetuo
Takt 1 10 14 23 32 36 40 44 65 66 68 69 70 71 72 73 75 76 80 81 82 90 91 93 95 96
Solo-Fl
Ob.1
Ob.2
E.Hn
Es-Clar
Clar.1
Clar.2
BssCl
Bsn.
Hn.1
Hn.2
Vln 1
Vln 2
Vln 3
Vln 4
Vln 5
Vln 6
Vln 7
Vln 8
Vla 1 pizz
Vla 2 pizz
Vc 1 pizz
Vc 2 pizz
DB pizz pizz

Das Orchester beginnt ganz allmählich, sich zum Flötenpart hinzuzufügen, indem die
Violinen paarweise mit eher homophonen kurzen Gestalten beginnen, die sich –
analog zur Stimmenvielfalt – allmählich zu größeren zusammenhängenden
polyphoneren Gebilden ausdehnen.

Nach den Violinen folgen die immer tieferen Streicher pizzicato und komplettieren –
etwa um Takt 48 herum – den Streicherklang; mit Takt 48 ist der erste Taktlängen-
Zyklus (vgl. Kapitel V.3.a) vollendet.

Beispiele für Zusammenspiel zwischen Flöte und Streichern bzw. zwischen den
Streichern untereinander finden sich z.B. in Takt 35 ff: Modul 26 der Soloflöte wird
von Violine 6+7+8 durch jeweils eine zeitgleich beginnende Gruppe von
Vorschlagsnoten imitiert.

Im weiteren Verlauf spielen die Violinen 1+3+5 die gleiche Abfolge von Trillern (tr)
und Noten (n) ohne Triller:

tr – n – n – tr – n – n – tr – n – tr – n – tr – n – n – tr – tr – tr – tr.

In Takt 38/39 werden die Töne der Flöte in Violine 1-5 jeweils nacheinander
(oktavgleich) verdoppelt und ausgehalten, quasi als Hall-Effekt des Flötenmoduls.
Dasselbe passiert in Takt 54/55 mit Trillern innerhalb der Violinen 1-4.

Eine Fülle von vertikalen Pfeilen innerhalb der Partitur macht auf weitere rhythmische
Beziehungen zwischen verschiedenen Instrumenten aufmerksam.

341
Nachdem mit Takt 64 (=Modul 48) von der Soloflöte alle Module vorgestellt
wurden414, setzen jetzt die Holzbläser ein, diesmal solistisch in der Reihenfolge von
den tiefen zu den hohen Instrumenten.

Mit Erreichen der registermäßigen Einschränkung zur Terz fis-a (Takt 73) enden die
Streicher und mit dem Einsatz der beiden Hörner ab Takt 75 hat sich das gesamte
Orchester vorgestellt. Nach Takt 80 wird das Flötenregister wieder entfaltet und die
Holzbläser pausieren nach und nach.

Etwa mit Takt 96, dem Abschluss des zweiten Taktlängen-Zyklus, setzen die
Streicher wieder – von unten nach oben – ein und spielen alle pizzicato.
Quasi una cadenza
Takt 97 104 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 128 129 130 131 137 138
Solo-Fl
Ob.1
Ob.2
E.Hn
Es-Clar
Clar.1
Clar.2
BssCl
Bsn.
Hn.1
Hn.2
Vln 1 pizz
Vln 2 pizz
Vln 3
Vln 4
Vln 5
Vln 6
Vln 7
Vln 8
Vla 1 pizz
Vla 2 pizz
Vc 1 pizz
Vc2 pizz
DB

Bei Takt 109, dem Einsatz der beiden Violinen, spielt die Flöte wieder im gesamten
Register. Der Streichersatz ist diesmal kammermusikalischer, denn es spielen nur
zwei statt der gesamten acht Violinen und die Instrumente hören nach und nach
wieder auf, so dass in diesem Bereich nie alle gleichzeitig spielen.

Parallel zur Registerreduktion der Soloflöte kommen auch die Hörner und die
Holzbläser – von unten nach oben – wieder dazu und bleiben bis zum Beginn415 des
Teils "Quasi una cadenza" (Takt 129).

In den Takten davor kommen auch die Streicher wieder dazu und bauen zu Takt 129
hin mit den anderen Instrumenten einen Klangteppich aus Liegetönen und Trillern
auf. Während des Teils "Quasi und cadenza" variieren die Gestalten der Streicher
wieder, oder genauer: Die vier Klangfarben Liegeton, Glissando, Triller und Tremolo
wechseln sich scheinbar zyklisch permutiert ab, von Stimme zu Stimme verschieden.

414
mit Ausnahme der eliminierten Module 43 und 46.
415
Mit Takt 129 beginnt auch der dritte "reguläre" Durchlauf der permutierten 48 Module (vgl. 1.Schritt
in Kapitel 3.b).

342
Während des nun folgenden eingeschobenen Teils416 (Takt 139 bis 185) liegt der
Schwerpunkt auf Kombinationen von Soloinstrumenten:
"verschiedene Solo-Kombinationen mit / um / gegen [den Part der] Solo-Flöte." 417

Teil, der nur bei Carceri d'Invenzione IIa vorkommt.


Takt 139 140 141 142 143 144 145 146 147 149 150 151 152 155 156 157 160 161 162 163 164 168 169 171 172 173
Solo-Fl
Ob.1
Ob.2
E.Hn
Es-Clar
Clar.1
Clar.2
BssCl
Bsn.
Hn.1
Hn.2
Vln 1 solo
Vln 2
Vln 3
Vln 4
Vln 5
Vln 6
Vln 7
Vln 8
Vla 1
Vla 2
Vc 1
Vc2
DB

Im Übergang verklingen die Liegetöne der Streicher418 und die Violine 1 wird als
erstes Soloinstrument, später zusammen mit der Es-Klarinette, der Flöte
gegenübergestellt. Ein Zusammenspiel zwischen Flöte und Violine wird während
Takt 139 bis 143 durch gemeinsame rhythmische Impulse mit gleichen (!) Tonhöhen
und insgesamt durch gleichzeitig erklingende ähnliche Gestalten deutlich; die Es-
Klarinette ahmt in Takt 146 z.B. die Tremoli der Flöte in ihrem eigenen Rhythmus
nach.
Zu den beiden höchsten Instrumente erklingen zwischen Takt 147 und Takt 149 als
Kontrast dazu die beiden tiefsten, Bass-Klarinette und Kontrabass, mit
gespenstischen anmutenden419 homophonen Flächen. Zur Kombinationen Flöte +
Horn 1 (Takt 156) kommen die beiden extremen Klarinetten, Es- und Bass-Klarinette
(Takt 157) mit leicht verschobenen Trillern und Gruppen von Vorschlagsnoten.

Das Horn wird abgelöst durch Oboe 1 und Viola, deren Part aus abwechselnd
ausgehaltenen Liegetönen besteht. Diese werden miteinander verbunden durch
Gruppen mit kurzen Notenwerten, die in der Art eines durchbrochenen Satzes in der
einen Stimme begonnen und in der anderen weitergeführt werden; der Übergangston
wird dabei von beiden Instrumenten gespielt. (Takt 164 ff.)

416
Dieser Teil deckt sich mit dem vierten Abschnitt der Registerentwicklung in Kapitel V.3.b).
417
"various solo-combinations with / around / against solo-flute" – Bemerkung an dieser Stelle auf
Übersichtsblatt <3> aus der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.
418
Mit Beginn des dritten 48-Takte-Zyklus (Takt 145) sind sie verstummt, bis auf die (solistische) Violine 1
419
Anweisung "spettrale" in der Partitur; spettro (it.) = Gespenst.

343
In ähnlicher Manier kommen die nächst tieferen Kombinationen dazu: Englisch Horn
+ Cello (Takt 172) und Fagott + Kontrabass (Takt 174).
Die Solo-Kombinationen enden schließlich mit dem Trio von Es-Klarinette (Holz),
Horn 1 (Blech) und Violine 1 (Streicher). Die beiden letzteren erklingen sogar kurz
ohne Soloflöte, da die Module von Takt 182 und 183 Pausen sind.

piu movimento meno mosso


Takt 174 175 176 177 178 179 180 181 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 201 202 203
Solo-Fl
Ob.1
Ob.2
E.Hn
Es-Clar
Clar.1
Clar.2
BssCl
Bsn.
Hn.1
Hn.2
Vln 1
Vln 2
Vln 3
Vln 4
Vln 5
Vln 6
Vln 7
Vln 8
Vla 1
Vla 2
Vc 1 pizz arco
Vc2 pizz arco
DB

Kurz vor "Quasi una cadenza" war bereits ein kurzer Tutti-Teil, der jedoch wenig420
gemeinsam hat mit dem jetzt folgenden.
""tutti" (alle Instrumente: extrem dicht)." 421

Seine extreme Dichte wird v.a. durch arpeggio- bzw. fanfarenartige Gruppen kurzer
Töne und Felder von Trillern erzeugt. Die Streicher zeigen dabei – im Gegensatz zu
den Bläsern – homophone Bereiche einiger assoziierter Stimmen.
Dass die Linie der Soloflöte gegen ein permanent zwischen forte und vierfachem
fortissimo spielendes Orchester bestehen kann, liegt an deren Registerbereich: Mit
Takt 186 beginnt im ganz hohen Register422 der letzte Abschnitt, der allmähliche
Abstieg ins tiefe Register.
In Takt 193, nach dem Ende des vierten 48-Takte-Zyklus, verklingen die Bläser;
allein die Bass-Klarinette und die beiden Hörner erscheinen am Schluss noch einmal.
Die Textur der Streicher (ohne Kontrabass) wird ab Takt 193 – wie bereits Takt 49 ff.
– als "string variations" bezeichnet; Takt 206, 211, 216 und 223 werden als

420
Liegetöne und Triller sind die Gemeinsamkeiten, alles jedoch weit weniger dicht als jetzt und von
den jeweils anderen Holzbläsern gespielt (Oboe 2 und Klarinette 1+2 statt Englisch Horn und Es- +
Bass-Klarinette).
421
""tutti" (all instruments: extremely dense)" – Bemerkung zu Takt 186 ff. auf Übersichtsblatt <3> der
Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.
422
zwischen a3 und es4..

344
Variationen I, III, IV und V gekennzeichnet; bereits ab Takt 193 dominieren meist
polyphone Liegetöne.

Die Bassklarinette macht ab Takt 205 durch ihr quirliges Spiel "quasi un
improvisazione" 423 auf sich aufmerksam und nimmt rhythmisch Bezug auf den
Flötenpart.
Die erste Generalpause (3 Sekunden) bricht diesen Teil recht abrupt ab und nur
Flöte, die beiden Hörner und der Kontrabass markieren den Schluss, unterbrochen
und gebremst durch eine weitere Generalpause (4 Sekunden).

meno mosso ancora piu mosso


Takt 204 205 211 212 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 GP 226 GP 227
Solo-Fl
Ob.1
Ob.2
E.Hn
Es-Clar
Clar.1
Clar.2
BssCl
Bsn.
Hn.1
Hn.2
Vln 1
Vln 2
Vln 3
Vln 4
Vln 5
Vln 6
Vln 7
Vln 8
Vla 1
Vla 2
Vc 1
Vc2
DB

Je detaillierter der Blick in die Partitur, desto mehr Beziehungen werden erkennbar.

Über die Funktionen der verschiedenen Instrumentengruppen und über den


Gedanken, dieses Stück als Flötenkonzert zu bezeichnen (oder besser nicht), ist in
den Skizzen ein ausführlicher Text formuliert. Sie mögen als Anregung für weitere
Erkundungen dienen.

"In Carceri d'Invenzione II sind die verschiedenen orchestralen Sektionen auf klar umrissenen
Wegen in Bezug auf Textur und Strategie der Entwicklungsbahn definiert. Die Streichersektion z.B.
stellt nach und nach ein Repertoire an "gestischen Typen" zusammen, von dem sie, nachdem die
Expansion (von zwei Solo-Violinen zu den gesamten Streichern) vollendet wurde, ein komplexes
Gitter von Wiederholungen, Reflexionen, Verformungen und Gegenvorschlägen formen, aus dem
diese Instrumentengruppe niemals zu entkommen vermag. Selbst an den "leersten" Momenten der
Partitur sind Echos, Filtrationen oder Schatten von identischen Bereichen der Textur mehr oder
weniger präsent.
Die Blasinstrumente sind beweglicher: sie funktionieren als "Bote", fast wie in der alten griechischen
Tragödie. Sie üben sozusagen eine vermittelnde Funktion aus, indem sie dem Tutti-Ensemble aus
zweiter Hand von der Aktionen der Soloflöte "berichten". Oftmals treten sie auch als "Chorus" auf, in

423
Spielanweisung in der Partitur an dieser Stelle.

345
Momenten, wo verschiedene Instrumente sich mit der Flöte in einem rhetorischen Fluss von kleinen
kammermusikalischen Formen zusammentun (etwas, was den Streichern selten gelingt).
Die Flöte selbst ist genauso eingefangen: in ihrem eigenen begrenzten Tonraum, in dem fragwürdigen
Kontrast zwischen isolierten Fragmenten und langen linearen Entfaltungen. Obwohl sie beides ist,
zentrale Persönlichkeit und Initiator vieler Ketten von Aktivität, gelingt es ihr selten, als integrierter
"Solist" im normalen Sinne des Begriffs hervorzutreten.
Demnach ist dieses Werk weniger ein Konzert als vielmehr ein Komplex von diversen quasi-
autonomen Gruppen, von denen eine – die der Flöte – aus nur einen einzelnen Ausführenden besteht.
Wenn irgendeine generelle Tendenz festgestellt werden kann, dann ist sie eine eher lineare,
melodische oder heterophonische Formulierung des anfänglichen Materials. Während das Stück
seinen Schlussteil erreicht, halten mehr und mehr Instrumente lange Noten aus, die sich zu größeren
oder kleineren Merkmalen der Struktur des 8-Akkord-Hintergrunds addieren (...)424. Am Schluss bleibt
nur die Flöte mit ihrer horizontalen Melodie hartnäckig verbunden, aber auch die wird "weggefressen"
von der statischen (...) Klang, bis sie vollständig absorbiert wurde. (Sie übernimmt dennoch die
Schlüsselposition der zentralen Töne, um die sich das letzte Erscheinen der Akkorde dreht.)" 425

424
In Takt 221 ergeben die ausgehaltenen Töne von Violine 6+7+8, Viola 1+2 und Celli 1+2
tatsächlich Akkord S III0, und in Takt 225 ergeben die Töne von Violine 2+3+4+6+7+8 Akkord S IV0.
425
"In Carceri d'Invenzione II the various orchestral sections are defined in clearly distinct ways in
respect of texture and strategy of developmented trajectory. For instance, the string section gradually
builds up a repertoire of "gestural types" from which, after the expansion (from two solo violins up to
full strings) has been completed, form a complex grid of repetitions, reflections, distortions and
counter-proposals out of which this group of instruments never manages to escape. Even at the
"emptiest" moments of the score (point ?) echoes, filtrations or shadows of identical areas of texture
are more or less continually present. The wind instruments are more mobile: they function as
'messengers', rather than in ancient greek tragedy. That is to say they exercise a mediatory function
by 'reporting' at second hand the action of the flute soloist to the tutti ensemble. Often they act as
'chorus', too, at moments where several instruments ally themselves with the flute in a rhetorical flow
of small chamber forms (something which the strings seldom manage). The flute itself is also
inprisoned: in its own limited range, in the questionable contrast between isolated fragments and long
linear unfoldings. Although it is both central personality and initiator of many chains of activity it seldom
manages to emerge as an integrated 'soloist' in the normal sense of the term. Then this work is less a
concerto than a complex of diverse, quasi-autonomuous groups of which one – that for flute – contains
only a single performer. If any general tendency be observable, it is towards a more linear, melodic or
heterophonic formulation of the initial material. As the piece reaches its conclusion, more and more
instruments hold long notes which add up to larger or smaller differations of the 8-chord background
structure (…). At the end only the flute remains attached obstinately to its horizontal melody, but this,
too, is "eaten away" by the static (…) sound, until it is completely absorbed (taking over, however, the
key role of central pitches around which the final chordal presentation is revolved)." – Text auf
Skizzenblatt [4] der Mappe von Carceri d'Invenzione IIa.

346
VI. Carceri d’Invenzione III

"Das Stück setzt die Behandlung vieler bereits umrissener Probleme fort. Dabei liegt der Akzent im
besonderen auf der Opposition / Integration unterschiedlicher Verlaufsebenen, der strukturellen
Entfaltung metrischer Kunstgriffe und der antiphonischen Anordnung des Ensembles." 426

Carceri d'Invenzione III wurde 1986 komponiert als drittes und letztes Kernstück
des Zyklus; danach folgten noch die Komposition von Mnemosyne und Intermedio
alla ciaccona.
Nachdem in Carceri d'Invenzione I Streicher und Bläser in Form eines
Kammerorchesters vorgestellt wurden und in Carceri d'Invenzione IIa den
Streichern der Vorzug gegeben wurde – als Kontrast zur Soloflöte –, kommen jetzt
(wieder) 15 Blasinstrumente427 mit viel Perkussion zur Anwendung; Streicher
kommen in Carceri d'Invenzione III nicht mehr vor. Die drei Perkussionisten spielen
jeweils 7-11 Instrumente.428
Die Aufteilung der Instrumente auf der Bühne ist genau festgelegt: Sie sind
zusammengefasst als Ensemble I (Flöten, Oboen, Hörner, Trompeten, Perkussion 2)
und Ensemble II (Klarinetten, Bass-Klarinette, Fagott, Posaunen, Tuba, Perkussion
3). Perkussion 1 steht zwischen beiden Ensembles.

"Genügend Platz sollte zwischen Gruppe I und II sein, um die räumliche und kompositorische Intention
deutlich zu machen. Dabei sollten die Gruppen nicht so weit voneinander entfernt sein, dass ein
kompakter Ensemble-Klang nicht mehr zu erzeugen ist." 429

Diese Aufteilung in Ensembles ist für den zweiten Teil des Stücks besonders
relevant, wo diese beiden Klang-Gruppen einander bewusst gegenüber gestellt
werden. Zu Beginn und ganz am Ende dominieren Sololinien einzelner Instrumente.

Bezüglich der Skizzen zu Carceri d'Invenzione III sei an dieser Stelle noch erwähnt,
dass auffallend viele ausformulierte Texte zum Stück vorliegen. Daraus lässt sich
schließen, dass die Vorüberlegungen zum Stück den Komponisten wahrscheinlich
über einen längeren Zeitraum hinweg beschäftigt haben. Womöglich ist Carceri
d'Invenzione III weniger als Einzelstück denn als Wegweiser für den gesamten
Zyklus zu verstehen.

426
"Carceri d'Invenzione III continues to examine many of the concerns already outlined above in
connection with other sections of the cycle. In particular, the opposition / integration of diverse levels of
discourse, the structural deployment of complex metric devices and antiphonal ensemble layout have
been emphasized." – (s. Anm. 2) S.136/167 bzw. S.10.
427
Genau genommen handelt es sich um 15 Spieler, die zusammen 21 Instrumente spielen: 2 Flöten,
davon die erste auch Piccolo, die zweite auch Piccolo und Altflöte; 2 Oboen, davon die zweite auch
Englisch Horn; 2 B-Klarinetten, davon die zweite auch Es-Klarinette; Bass-Klarinette; Fagott, auch
Kontrafagott; 2 Hörner, 2 Trompeten, 2 Posaunen und Bass-Tuba.
428
1.Spieler: 5 Pauken, 2 Timbales, 3 Congas, Sizzle-Becken, Peitsche, hängendes Becken
(medium), Handtamburin, kleines Tam-Tam, 2 Gongs, Schlittenglöckchen, kleine Holztrommel. –
2.Spieler: 5 Bongos, 5 Holzblocks (so groß wie möglich), 2 Kastagnetten, Standtamburin,
Handtamburin, Tenor-Trommel, hängendes Becken (sehr groß), Tam-Tam (mittelgroß), 2 Gongs. –
3.Spieler: 5 Tom-Toms, 5 Tempelblocks (so groß wie möglich), Holztrommel (groß), hängendes
Becken, Tam-Tam (medium), 2 Gongs.
429
"Instrumental layout – N.B. Sufficient space should be left between group I and II to make the
spatial and compositional intention clear. At the same time the groups should not be so far apart that a
compoact ensemble sound is no longer feasible." – Bemerkung in den Skizzen zu Carceri d'
Invenzione III.

347
VI.1. Skizzen von Carceri d'Invenzione III
Es liegen in der Mappe von Carceri d'Invenzione III 12 große Übersichtsblätter vor
(A4 bis A3) und 23 kleinere Skizzenblätter. Die Skizzenblätter (2) und (7) enthalten
Material zu einem anderen Stück des Zyklus: Intermedio alla ciaccona.

Übersicht [1] Rhythmus-Studien T.102-128 und T.132-141


Übersicht [2] Rhythmus-Studien T.34-85
Übersicht [3] Text + Notizen
Übersicht [4] "Form plan pt.1" T.1-41
Übersicht [5] "Form plan pt.2" (leer)
Übersicht [6] Rhythmus-Studie T.93-121 Tbn.1-4
Übersicht [7] quasi Part. T.108-110 u.a. Holzbläser + Rhythmus-Studien
Übersicht [8] "Triple point systems" T.101-157
Übersicht [9] "Pulse cycle 4-6" T.101-157
Übersicht [10] "Pulse cycles + structure cycles" T.122-157
Übersicht [11] Tonhöhen-Studien
Übersicht [12] "1st bar scheme"

Blatt (1) Text "Carceri III"


Blatt (2) Intermedio Rhythmus + Klangzuordnung T.76-86
Blatt (3) Taktlängen Übersicht
Blatt (4) Rhythmus-Studien
Blatt (5) Rhythmus-Studien
Blatt (6) Rhythmus-Studien + Text: Verfahren (anders als (23))
Blatt (7) Intermedio Text + Rhythmus-Studien
Blatt (8) Part. T.128-130 unvollständig + mit Notizen
Blatt (9) Part. T.43-46 unvollständig + mit Notizen
Blatt (10) Anmerkungen (auf Briefumschlag) Text + Studien
Blatt (11) Anmerkungen (auf Zettel) Text
Blatt (12) Rhythmus-Studien T.57-66 Oboe 1/2
Blatt (13) Rhythmus-Studien T. 70-79 Oboe 1/2
Blatt (14) Text + Studien: Viertelton-Akkord-Veränderungen
Blatt (15) Part. T.20-28 mit Text
Blatt (16) Text
Blatt (17) Rhythmus-Studien T.100 ff. Tbn.1+2 verschiedene Stadien
Blatt (18) "Rhythmic structure", "melodic materials" T.106, 115, 119-121 Bläser
Blatt (19) Rhythmus T.89-102 Hrn 1/2; Rhythmus T.86-88 Hrn 1+2 + Text
Blatt (20) Text zu Carceri III
Blatt (21) Rhythmus-Studien + Text (unvollständig)
Blatt (22) Tonhöhen-Studien + Text
Blatt (23) Rhythmus T.89-120 Hrn 1+2 mit Notizen

Zusätzlich findet sich auf Blatt 6 der Mappe des Stücks Kurze Schatten ein Text
zum mittleren Teil von Carceri d'Invenzione III.

348
VI.2. Gesamtanlage und Taktdisposition

"Im Verlauf von Carceri d'Invenzione III werden unterschiedliche Gegensätze ausgewertet: zunächst
der Kontrast Blechbläser / Holzbläser, dann hoch / tief, zum Schluss Ensemble I / Ensemble II." 430

Zwei Abschnitte innerhalb des Stücks lassen sich deutlich unterscheiden: Ein erster
Teil (Takt 1 bis 88), in dem der Kontrast zwischen polyphonen Holzbläser-Linien und
homophonen Blechbläser-Einsätzen (mit Perkussion) allmählich aufgehoben bzw.
sogar teilweise umgekehrt wird, und ein zweiter Teil (Takt 101 bis 153), in dem die
Akzente des "irregulären Metronoms" dominieren und die Gegenüberstellung von
Ensemble 1 und Ensemble 2 verdeutlichen. Der dritte Kontrast – hoch-tief – scheint
die ganze Zeit über mehr oder weniger präsent zu sein, besonders vielleicht im
"Zwischenraum" zwischen beiden Teilen (Takt 89 bis 100), allerdings fällt bereits in
Takt 61 ff. z.B. das tiefe Register der Blechbläser besonders deutlich auf.

Ein weiterer Gedanke – um nicht zu sagen der Hauptgedanke von Carceri


d'Invenzione III – ist der Umgang mit dem Metrum, wie Ferneyhough bereits in den
Skizzen formuliert:

"Carceri d’Invenzione III – Zentrales Prinzip – Spannungsfeld zwischen Tempo und Metrum, wie bei
den bereits verwendeten irrationalen Metrumstechniken und neuen additiven/subtraktiven Tempo-
Konfigurationen vorgestellt. Die Verknüpfung dieser zwei Ebenen garantiert Möglichkeiten im Makro-
/Mikro-Übergang." 431

Diese Komponente weist auf die Bedeutung des sogenannten "irregulären


Metronoms" hin und damit auf einen weiteren Zusammenhang zwischen den
einzelnen Teilen des gesamten Zyklus.

VI.2.a) Gesamtanlage

1.Teil: Takt 1 bis 73 "first period"

Bereits bei grober Durchsicht der Partitur lassen sich zuerst genannten Gegensätze
gut wieder erkennen. In der folgenden (einführenden) Übersicht ist die Kombination
der Instrumente innerhalb der Takte wiedergegeben. Akzente der
Perkussionsinstrumente wurden durch Buchstaben angedeutet; schraffierte Flächen
bei den Blechbläsern deuten die Benutzung des Dämpfers an. Takte, in denen sich
die Besetzung nicht verändert, wurden teilweise übersprungen.

430
"Various oppostitions are exploited during the course of Carceri d'Invenzione III – first of all: brass
/ woodwind, later: high / low and, finally: Ensemble I / Ensemble II (the instruments being antiphonally
placed)." – (s. Anm. 2) S.137 bzw. S.11.
431
"Carceri d’Invenzione III - Central principle – tension-field between tempo and metre, as
exemplified by previously employed irrational metre techniques and new additive-subtractive tempi
configurations. Interlocking of these two levels guarantees macro/micro transitorial capacity." –
Bemerkung auf Skizzenblatt (1) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III.

349
Takt 1 11 12 17 18 19 20 21 30 31 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
Flöte/Piccolo Piccolo
Flöte/Piccolo Piccolo
Oboe
Oboe/Engl.Horn
Klarinette (B) B-Klarinette
Klarinette (B/Es) B-Klarinette
Bass-Klarinette
Fagott
Horn 1
Horn 2
Trompete 1
Trompete 2
Posaune 1
Posaune 2
Bass-Tuba
Percussion 1 z z
Percussion 2 x x x x x
Percussion 3 y

Nach dem Beginn der Solo-Klarinette setzen in Takt 12 die Blechbläser mit kurzen,
akzentuierten, von Perkussion 2 unterstützten Akkorden ein. Manchmal bleiben
einige Akkordtöne liegen, was neben dem akkordisch-homophonen Klang auch
einen flächigen Klangteppich erzeugt. In Takt 19 kommt die Bass-Klarinette mit einer
bzgl. der Soloklarinette zuerst spiegelbildlichen, später selbständig polyphonen
Stimme dazu. In Takt 31 folgt die zweite Klarinette ebenso eigenständig, in Takt 34
die beiden Piccolo-Flöten und schließlich in Takt 55/56 die beiden Oboen.

45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66
Piccolo
Piccolo
Oboe Oboe
Oboe Oboe
Klar.
Klar.
Bass-Kl.
Fagott
Horn
Horn
Trpte
Trpte
Pos
Pos
Tuba
Perc.1 z z z z z z z z z z z
Perc.2
Perc.3 y y

350
Holz- und Blechbläser unterscheiden sich nicht nur durch ihre spezifische
Klangfarbe, sondern auch durch die gegensätzliche Satztechnik. Allerdings nähern
sich die beiden Extreme allmählich an und kehren sich ab dem Oboen-Einsatz sogar
um, dass etwa bei Takt 86 einem völlig polyphonen Blechbläsersatz homophone
Klangflächen der Holzbläser gegenüber stehen, was die Beendigung des
Holzbläsersatzes in Takt 88 zur Folge hat.

67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89
Piccolo
Piccolo
Oboe
Oboe
Klar.
Klar.
Bass-Kl.
Fagott
Horn
Horn
Trpte
Trpte
Pos
Pos
Tuba
Perc.1 z z z z z z z z z z
Perc.2
Perc.3

Zwischenteil: Takt 74 bis etwa Takt 92

Nach einer Übergangsphase von etwa 14 Takten, in der der Holzbläserpart


zunehmend homophon-blockartig wird und allmählich verklingt bestreiten allein
Blechbläser und Perkussion 1 bis 3 diesen kurzen Teil. Ein Kontrast zwischen hohem
und tiefem Register fällt dabei nicht in besonderem Maße auf. Wahrscheinlich
beginnt mit Takt 92 der 2.Teil.432

Der Übergang vom Kontrast Holz-Blech zum Kontrast Ensemble I-II erscheint
besonders elegant und geschmeidig, da zuerst eine Reduktion zum "puren"
Blechbläsersatz vorgenommen wird, ehe innerhalb der verbliebenen Instrumente die
Teilung der beiden Ensembles deutlich wird. Erst dann (Takt 102) setzen die
Holzbläser wieder ein, diesmal in der neuen Gegenüberstellung, die sich auch in der
Partitur durch eine entsprechende Anordnung der Stimmen wiederspiegelt.433

432
Übersichtsblatt [12] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III im Groben und Blatt [8] im Detail
weisen darauf hin, dass "pulse cycle 4" in Takt 101 beginnt. Blatt [12] enthält nicht die aktuellen
Taktzahlen, aber der Beginn eines weiteren Zyklus ist etwa acht Takte vor "pulse cycle 4" eingetragen.
Der Beginn dieses Zyklus bereits in Takt 89 scheint plausibel.
433
Diese neue Einteilung der Stimmen wurde im weiteren Verlauf auch in die Übersichtsdarstellung
übernommen.

351
90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112
Flöte Flöte
Flöte Flöte
Oboe
Oboe
Horn
Horn
Trpte
Trpte
Perc.2 x x x x x x xx x
Perc.1
Perc.3 y y y y y y y y
Klar.
Klar.
Bass-Kl.
Fagott
Pos
Pos
Tuba

2.Teil: etwa Takt 93 bis 153 "second period"

Ab Takt 102 beginnt deutlich eine weitere Differenzierung der Akzentsetzungen.


Waren bisher die Akzente hauptsächlich von Perkussion und "vielen" Instrumenten
ausgeführt, so wird jetzt unterschieden zwischen verschieden "gewichteten"
Akzenten.
113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134
Flöte Piccolo
Flöte Piccolo
Oboe
Oboe
Horn
Horn
Trpte
Trpte
Perc.2 x x x x x x x x x x x x x x x x x x x
Perc.1 z z z z z z z z z z z z z
Perc.3 y y y y y x y y y y y y y y y y y y y y
Klar.
Klar. Es-Klar.
Bass-Kl.
Fagott Kontrafagott
Pos
Pos
Tuba

352
"Ein Solo-Instrument; zwei Instrumente desselben Ensembles; ein bis vier Instrumente desselben
Ensembles (oder gleiche Parts von beiden); von allen nicht anderweitig beschäftigten Instrumenten zu
manifestierender Impuls; von allen Instrumenten zu manifestierender Impuls, egal, in welche Aktivität
sie gerade einbezogen sind." 434

Auf diese Weise gelingt es, die beiden Ensembles in allen nur denkbaren
Kombinationen von Instrumenten (hörbar) einander gegenüber zu stellen.

Die Dichte der – hier mit den Buchstaben x, y und z gekennzeichneten – Akzente der
drei Perkussionsparts nimmt in auffallender Weise zu, wobei die Akzente gleichzeitig,
paarweise oder nacheinander erklingen. Fast immer jedoch erscheinen die Akzente
zusammen mit einer kleineren oder größeren Kombination von anderen
Orchesterinstrumenten.
135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 158 159 164
Piccolo
Piccolo Flöte Altflöte
Oboe
Engl.Hrn Englisch Horn
Horn
Horn
Trpte
Trpte
Perc.2 x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x
Perc.1 z z z z z z z z z z z z z z zz z z
Perc.3 y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y
B-Klar.
Es-Klar.
Bass-Kl.
K-Fagott
Pos
Pos
Tuba

Zwischen Takt 145 und 147 nimmt die Aktivität der beiden Ensembles spürbar ab
und es bleibt abwechselnde, sich bisweilen überschneidende Einsätze von Englisch
Horn, Bass-Klarinette, Kontrafagott, Posaune 2, Piccolo-Flöte, Klarinette 1 und
Altflöte. Die Perkussionsinstrumente dominieren bei dieser Übergangsphase zum
nächsten Stück des Zyklus: Mnemosyne, das bereits in Takt 161 beginnt.435 Falls
Carceri d'Invezione III als Einzelstück aufgeführt wird, endet das Stück mit Takt
164.

Auf Skizzenblatt [12] ist nach diesem zweiten Teil ein weiterer Teil von etwa 40
Takten angehängt ("3rd period"), der aber offenbar nicht realisiert wurde, zumindest
nicht innerhalb von Carceri d'Invenzione III. Mnemosyne ist mit 153 Takten deutlich
länger und in sich selbständig organisiert, so dass vermutlich auch dort diese 40
Takte nicht auskomponiert wurden.
434
"one solo instrument; two instruments from same ensemble; one-to-four instruments from same
ensemble (or equal parts from both); impulse to be manifested by all instruments not otherwise
engaged; impulse to be manifested by all instruments no matter what activity they are engaged in." -
Bemerkung auf Skizzenblatt [8] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III.
435
"In complete Carceri d'Invenzione cycle, the soloist in Mnemosyne begins playing here [Beginn
von Takt 161]. Where Carceri d'Invenzione III is played alone, ignore this instruction." – Bemerkung
an entsprechender Stelle in der Partitur von Carceri d'Invenzione III.

353
VI.2.b) Taktdisposition
Das Grundmetrum der insgesamt 164 Takte sind Achtel, die nur in besonderen
Fällen436 – sie sollen etwas später begründet werden – regulär, triolisch, quintolisch
und sogar septolisch in kleinere Werte unterteilt werden.

Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Taktlänge 3/8 3/8 5/8 5/8 6/8 3/8 7/8 4/8 3/8 2/8 2/8 3/8 4/8 4/8

15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
4/8 3/16 1/16 3/8 4/8 3/8 1/8 1/8 1/8 3/8 4/8 5/32 15/32 4/8 3/40 1/20

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46
4/8 3/16 11/16 3/8 5/16 1/16 2/8 3/8 5/8 3/8 2/8 7/8 6/8 3/56 1/14 6/8

47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62
21/64 1/8 19/64 1/8 1/8 8/8 3/8 3/8 8/8 3/8 3/8 3/8 5/8 3/16 7/16 1/8

63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78
1/8 1/8 8/8 1/8 2/8 8/8 3/8 3/16 5/8 5/8 5/16 15/16 3/16 3/16 5/24 8/12

79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94
3/8 1/8 7/48 5/48 2/8 1/16 2/12 3/8 4/8 4/8 1/8 4/8 1/8 3/8 5/8 4/8

95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110
3/8 1/8 2/8 9/8 2/8 8/8 1/8 1/8 3/8 3/8 3/8 6/8 1/8 3/8 3/8 1/8

111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126
1/8 2/8 1/8 3/8 6/8 2/8 1/8 2/8 5/8 7/8 9/8 4/8 1/8 5/8 5/8 1/8

127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142
4/8 5/8 1/8 7/8 3/8 6/8 5/8 5/12 3/12 3/8 4/10 3/8 1/12 1/8 4/10 4/8

143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158
6/12 5/12 3/8 2/10 3/8 8/8 3/12 10/8 1/8 6/8 5/8 3/12 3/8 5/8 3/8 3/8

159 160 161 162 163 164


4/8 3/10 5/16 4/12 3/8 3/8

Bezüglich der Organisation der Taktlängen lässt sich zu Beginn ein Schema
identifizieren: Die Anzahl der Achtel pro Takt (Zähler der Taktlänge) entspricht der
Anzahl der Halbtonschritte der Akkorde von unten nach oben gelesen.

436
Die entsprechenden Takte sind in der Übersicht farbig unterlegt.

354
So haben die Längen der Takte 1 bis 7 folgende Zähler:

1 2 3 4 5 6 7
3–3–5–5–6–3–7 3/8 3/8 5/8 5/8 6/8 3/8 7/8

Ihre Abfolge entspricht der Intervallfolge von Akkord I As.

3 3 5 5 6 3 7

Die Zähler der Takte 8 bis 13 entsprechen der Intervallfolge von Akkord I S.

8 9 10 11 12 13
4–3–2–2–3–4 4/8 3/8 2/8 2/8 3/8 4/8

Die Takte 16 und 17 enthalten (als Nenner) 16-tel statt Achtel, was dieses Akkord-
Schema zu stören scheint. Dennoch lassen sich die Zähler der Takte 14 bis 18
Akkord II As zuordnen:
14 15 16 17 18 19
4–4–1–1–3–4 4/8 4/8 3/16 1/16 3/8 4/8

Takt 16 und 17 waren ursprünglich in zwei Takte der Länge 1/8 unterteilt. Allein der
überlagerte (erste) Akzent-Zyklus437 hat die Betonung der zweiten 16-tel von Takt 17
veranlasst.
Takt 16 alt Takt 17 alt Takt 16 neu Takt 17 neu

Aus wurde .

Als logische Konsequenz wurde demnach der Taktstrich verschoben, so dass die
Betonung zu Beginn des "neuen" Takt 17 liegt.

Takt 16 alt Takt 17 alt


1/8 1/8
3/16 1/16
Takt 16 neu Takt 17 neu

437
"pulse cycle 1" wird der Zyklus auf Skizzenblatt [4] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III
genannt.

355
Das gleiche Prinzip spaltet Takt 20 (ursprüngliche Länge 4/8) in einen 3/8-Takt und
einen 1/8-Takt, den anschließend eingefügten Takt 21. Dadurch lassen sich Takt 19
bis 25 ebenfalls aus Akkord II As ableiten.
19 20 21 22 23 24 25
4–4–1–1–3–4 4/8 3/8 1/8 1/8 1/8 3/8 4/8

4/8

Die folgenden Takte 26 bis 33 entsprechen Akkord II S.

26 27 28 29 30 31 32 33
5–4–1–4–5 5/32 15/32 4/8 3/40 1/20 4/8 3/16 11/16

5/8 1/8 5/8

Takt 26 und 27 ergeben zusammen 5/32 + 15/32 = 20/32 oder (gekürzt) 5/8.438

Takt 29 und 30 ergeben 3/40 + 2/40 = 5/40 oder (gekürzt) 1/8. In Takt 29/30
bestimmt so erstmals eine quintolische Unterteilung die Taktlängen; die 32-tel-
Quintole der Impulse innerhalb des "gemeinsamen" Taktes ist dafür verantwortlich.
Die fünf quintolischen 32-tel des Taktes entsprechen genau gerechnet fünf 40-teln
des Taktes439; der Akzent auf der vierten 40-tel teilt den Takt somit in 3/40 + 2/40
bzw. 3/40 + 1/20.

Takt 26 / 27 Takt 28 Takt 29 / 30 Takt 31 Takt 32/33

Takt 32 und 33 ergeben 3/16 + 11/16 = 14/16. Dies lässt sich (noch) nicht auf 5/8
kürzen. Vernachlässigt man jedoch die Septolenbildung, dann enthält der Takt
zweimal fünf 16-tel (statt zweimal sieben 16-tel) und lässt sich auf 5/8 kürzen.

Die Takte 35 bis 41 entsprechen Akkord II As.

35 36 37 38 39 40 41
3–2–3–5–6 5/16 1/16 2/8 3/8 5/8 3/8 2/8

3/8 6/8440

438
Im Notenbeispiel unten – es ist Übersichtsblatt [4] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III
entnommen – ist Takt 26/27 nur in 16-tel statt 32-tel unterteilt; dadurch ist die Akzentuierung
entsprechen gröber als in der neuen Taktunterteilung.
439
mathematisch: 1/8 entspricht 4/32 oder 5/40.
440
Takt 40 und 41 ergeben zusammen nur 5/8 statt 6/8.

356
Die Takte 42 bis 50 schließlich entsprechen Akkord IV S.

7–6–1–6–7 42 43 44 45 46 47 48 49 50
7/8 6/8 3/56 1/14 6/8 21/64 1/8 19/64 1/8

1/8 7/8

Takt 42 Takt 43 Takt 44 / 45 Takt 46 Takt 47 / 48 / 49 / 50

Die mehrfache Unterteilung des zweiten 7/8-Taktes kommt durch die Überlagerung
zweier Akzentzyklen zustande.
In Takt 44 und 45 wird die Septole des zweiten Akzentzyklus genau umgerechnet:
Die beiden Takte ergeben zusammen 3/56 + 4/56 = 7/56 oder (gekürzt) 1/8.
Für die Takte 47 bis 50 ist die Längeneinteilung etwas modifiziert: Den beiden
akzentuierten Achtelnoten wird jeweils ein vollständiger Takt von 1/8 Länge
zugestanden. Von den acht Achteln des unteren Systems sind dann noch sechs
übrig, die etwa so verteilt werden, dass die "mittlere" isolierte Achtel möglichst an der
ursprünglich festgelegten Stelle des Taktes steht. Daraus ergibt sich eine
Unterteilung in 21/64 + 1/8 + 19/64 + 1/8 bzw. 21/64 + 8/64 + 19/64 + 8/64 = 56/64
oder (gekürzt) 7/8.

Sehr wahrscheinlich lassen sich auch die folgenden Takte in ähnlicher Weise den
Akkorden zuordnen. Es liegen jedoch keine detaillierteren Unterlagen darüber vor;
Übersichtsblatt [4] der Mappe von Carceri d'Invenzione III endet mit Takt 50.

Allein die Idee zu sich überlagernden Zyklen bezüglich Taktlänge und


Taktunterteilung formuliert Ferneyhough so, ohne nähere Angaben zur Anwendung:

"In den Zyklen der Taktunterteilung und der Taktlängen gibt es eine Taktlänge mehr als
Unterteilungen, so dass die Dichte (jeweils innerhalb der Takte) sich fortschreitend im Kreis
bewegen." 441

441
"In cycles of bar-subdiv. + bar-lengths, have one more bar length than subdiv., so that densities
cycle progressively round." – Bemerkung auf Skizzenblatt [3] aus der Mappe von Carceri
d’Invenzione III.

357
VI.3. Analyse von Carceri d'Invenzione III

1.Teil (Takt 1-73)

Wie bereits erwähnt steht im 1.Teil der Kontrast zwischen polyphonen Holzbläser-
Soli und homophonen Blechbläser-Akkorden im Mittelpunkt. Eine Übersichtsplan442
zeigt, wie die einzelnen Solo-Linien nacheinander einsetzen. Die drei Puls-Zyklen
koordinieren dabei die Akkorde der Blechbläser.

Takt* 1 12 18 24 31 34

I As 3 3 5 5 6 3 7
Solo-Klarinette
IS 4 3 2 2 3 4
First pulse cycle
II As 4 4 1 1 3 4
Bass Clarinet
11 II S 5 4 1 4
Second pulse cycle
7 III As 3 2
2 Piccolos
4 III S 6 5
2nd Clarinet
5

* Die Taktzahlen sind der Partitur entnommen und stimmen nicht exakt mit der Übersicht überein.

Auffällig ist auch hier, wie die Zahlenreihen der acht Akkorde sich innerhalb der acht
verschiedenen Ebenen wiederspiegeln – hier farbig dargestellt. Innerhalb der Linien
scheinen sie – was das Ergebnis in der Partitur angeht – keine Gliederungsfunktion
zu haben.443 Allerdings korrespondiert der Einsatz der jeweils folgenden Ebene mit
den Zahlenreihen.

Die Reihenfolge der Einsätze ist zu Beginn ganz regelmäßig und symmetrisch: Die
Akkorde setzten ihrer Zahl nach ein. Die Symmetrie besteht darin, dass bei den
Akkorden I und II (von links nach rechts gelesen) die asymmetrischen Akkorde
beginnen, bei III und IV die symmetrischen:

I As – I S – II As – II S – III S – III As – IV S – IV As.

442
Übersichtsblatt [12] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III. Es ist hier bis auf die Kolorierung
exakt übernommen. Die beiden Teile des Übersicht befinden sich auf dieser und der folgenden Seite
auf derselben Höhe.
443
Man betrachte z.B. die Takte der Solo-Klarinette bis zum ersten Bläserakkord: Es fällt keine
besondere Gliederung der Melodielinie innerhalb dieses Abschnitts auf.

358
Eine weitere Symmetrie entsteht (zufällig ?) bezüglich der Anzahl der Takte, nach
denen der nächste Einsatz folgt444:

11 – 7 – 4 – 5 – 4 – 7 – 11.

Die gestrichelten Linien oben in der Übersicht beziehen sich auf die Textur der
einzelnen Instrumente:

"Wo die feine [farbige] Linie eines Instruments endet, werden dessen Strukturen mit denen des
nächsttieferen Instruments in der Übersicht zusammengefasst." 445

Takt* 41 55

3 5 6

3 3 5 6

IV As 1 10 3 8
Oboe + Engl.Horn
IV S 7 6 1 6 7
Third pulse cycle

11

* Die Taktzahlen sind der Partitur entnommen und stimmen nicht exakt mit der Übersicht überein.

Die Funktion der drei Puls-Zyklen lässt sich in der Partitur z.B. deutlich zwischen Takt
11 und 16 der Klarinettenstimme erkennen: Mit jedem Akkord wechselt der Charakter
der Solostimme, von "freier Melodie" (Takt 111) zu Tonleiterbewegung (Takt 112) zu
Tonwiederholungen (Takt 114) und wieder zu "freier Melodie" (Takt 115).446
Zur Anordnung der Impulse innerhalb der Puls-Zyklen liegen leider keine
ausführlichen Skizzen vor, aber im Interview mit Richard Toop äußert sich
Ferneyhough zu den drei Puls-Zyklen des 1.Teils:

"Es ist interessant, dass ich in Carceri d'Invenzione III mit einem dreifachen irregulären Metronom
gearbeitet habe, während ich in Carceri d'Invenzione II mit einem doppelten irregulären Metronom
gearbeitet habe; und Carceri d'Invenzione III versucht im ersten Abschnitt sehr deutlich damit zu
sein. Es ist ziemlich klar, dass die Funktion der Bass-Instrumente im ersten Teil des Stücks die ist,
Auslöser [Trigger] zu sein für neue Materialtypen in den Holzbläsern und neue Holzblasinstrumente
zunehmend vorzustellen, um eine keilförmigen Aufbau zu bilden. Was vielleicht nicht so offensichtlich

444
Die gestrichelten Linien unten in der Übersicht mit den zugehörigen Zahlen deuten dies an.
445
"Where an instrument's fine line ends, its structures are subsumed to those of the next instrument
down in the pattern." – Bemerkung auf Übersichtsblatt [12] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione
III.
446
"Where a pulse occurs all instruments change character as well as tempo." – Bemerkung auf
Übersichtsblatt [12] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III.

359
ist, ist, dass es drei Ebenen von Trigger-Aktionen gibt, von Impulsen, die neues Material hervortreten
lassen, die nicht gleichzeitig funktionieren, sondern nacheinander. Die Tenor-Trommel gibt immer
einen einzigen Staccato-Impuls mit einer Gruppe von Blasinstrumenten – das ist ein Metrum-/Tempo-
Zyklus. Der zweite ist der der Bass-Trommel, der verschiedene Ausdrucksformen hat, indem sie einen
langen Wirbel spielt und dabei können lange Akkorde in den Bläsern sein, obwohl sie alle gleichzeitig
beginnen. Die dritte Schicht ist die der Bongos, mit denen man, weil fünf verschiedene Tonhöhen zur
Verfügung stehen, eine ganze Menge verschiedener Impulse gleichzeitig erzeugen kann, so dass
man gleichzeitig den Auslöser [Trigger] für die Bläser geben kann (sie beginnen gleichzeitig) und die
Bongos eine gewisse Zahl an Impulsen mit einer bestimmten Tonhöhenkonstellation zueinander
spielen lassen kann.
Dadurch haben wir diese drei Tempo-Typen: ein Tempo, das zunehmend subtrahiert wird vom
Basistempo von 52, eins, das zunehmend addiert wird (Ich glaube, es nimmt jedes Mal drei Schläge
pro Minute zu, während die andere Ebene zwei Schläge abnimmt, oder umgekehrt), und es gibt eine
Ebene, die sich, wie ich sage, in geometrischen Relationen bewegt, wobei ein Drittel oder Fünftel
eines bestimmten Schlages addiert oder subtrahiert werden. Und indem ich diese drei Ebenen in einer
permutativen Sequenz ineinander greifen lasse, ergibt sich die Möglichkeit, eine Bläser-/Percussion-
Trigger-Ebene zu haben, die deutlich unterscheidbare Längen und Typen von Texturen und
Variationsmodellen hat, während durch den Hintergrund klar wird, zu welchen dieser Ebenen das
Material gehört." 447

Aus der Partitur lässt sich leicht erkennen, dass der erste Pulszyklus ist, der ab Takt
12 von der Tenor-Trommel (Perkussion 2) durch einen Einzelton ausgeführt wird,
während der zweite Pulszyklus ab Takt 24 durch ein Tremolo der Bass-Trommel
(Perkussion 3) deutlich gemacht wird und der dritte Pulszyklus ab Takt 41 durch
jeweils eine Gruppe gleichmäßiger Impulse der fünf Bongos von Percussion 1
vertreten ist.

Auch dass die Einsatzfolge der der Puls-Zyklen entspricht, wird deutlich.
Tempoänderungen fallen meist mit neuen Impulsen zusammen. Die folgende
Übersicht zeigt die Impulse der drei Zyklen mit Takt- und Tempo-Angabe (in Achtel).

Takt 11 12 14 15 17 21 24 27 29 30 33 36 37 41
Tempo 52 78 52 41,6 52 48 67 59 52 65 78 48 52 78
Perc.2 o o o o o o o o o
Perc.3 o o o
Perc.1 o

447
"It's interesting that I was working in Carceri d'Invenzione III with a triple irregular metronome,
whereas in Carceri d'Invenzione II I was working with a duple irregular metronome; and Carceri
d'Invenzione III attempts in the first section to be very explicit about this. It's quite clear that the
function of the brass instruments in the first part of the piece is to trigger new types of material in the
woodwind, and to introduce new woodwind instruments progressively to produce a wedge-shaped
build-up. What is perhaps not quite so apparent is that there are three levels of trigger action, of
impulses setting off new material; functioning not concurrently, but in sequence. The tenor drum is
always giving one single staccato impulse with a group of brass instruments – this is one metre/tempo
cycle. The second one is that of the bass drum, which has a different articulation in that it is playing a
long roll, and there can be long chords in the brass, although they all start simultaneously. The third
layer is that of the bongos, in which, because you've got five different pitches, you can have several
different impulses simultaneously, so that as well as triggering the brass (they start simultaneously),
the bongos can play a certain number of impulses in a certain pitch relationship to each other.
So we have these three types of tempo: one tempo which is progressively subtracted from the basic
tempo of fifty-two, one which is progressively additive (I think it's adding three per minute each time,
whereas the other is subtracting two, or vice versa) and then there's one that moves in what I call
geometric relationships, which are by adding or subtracting a third of [or ?] a fifth of the length of a
particular beat. And by interlocking these three levels in a permutative sequence, it gave me the
possibility of having the brass/percussion trigger-level producing clearly different lengths and types of
texture and different types of variational pattern, whilst in the background making clear which of these
levels the material belongs to." – (s. Anm. 6) S. 299-300.

360
Takt 44 45 48 50 52 53 54 56 57 59 61 62 64 65 67 68 70 74
Tempo 65 47,3 52 66 56 82 69 51 72 52 78 65 52 accel. 72
Perc.2
Perc.3 o o
Perc.1 o o o o o o o o o o o o o o o

Der von Ferneyhough angesprochene Zusammenhang von Tempo und Pulszyklus


wird nicht unmittelbar deutlich; dass das Grundtempo (Achtel = 52) häufig
wiederkehrt, ist dagegen kaum zu übersehen. Möglicherweise gibt es einen
zusätzlichen Einfluss auf die Disposition der jeweiligen Taktlänge.

Auch die Auswirkung der Puls-Zyklen auf das Zusammenspiel von Solo-Klarinette
und Bass-Klarinette lässt sich z.B. zwischen Takt 18 und 23 schön beobachten. Es
wechseln sich synchronisierte (homophone) und nicht synchronisierte (polyphone)
Bereiche ab: Takt 18/19 ist rhythmisch synchron und melodisch fast spiegelbildlich
angeordnet; Takt 19/20 erscheint mit Ausnahme von Dynamik und Klangfarbe (viele
Triller) eher polyphon-unabhängig; Takt 21-23 ist wieder synchronisiert wie Takt
18/19.

Das Accelerando zwischen Takt 70 und Takt 74 markiert wahrscheinlich den


Übergang zum "Zwischenteil", denn eine allmähliche Temposteigerung passt nicht in
das vorgestellte Impulsraster.

Betrachtet man in der Partitur die Akkorde der Bläser zu Beginn des Teils, so fällt
auf, dass sie genau die Töne der acht Akkorde in ihrer Grundform (nicht transponiert)
enthalten:

Takt 12 Takt 14 Takt 15 Takt 17 Takt 21 Takt 24 Takt 27 Takt 29 Takt 30 Takt 33

I As II As III As IV As IS II S I As III S IV S neue Form ?


ohne a + e ohne f d doppelt f dazu ohne g + fis

Bisweilen fehlen einzelne Akkordtöne, andere sind etwas länger ausgehalten,


dennoch lassen sie sich gut identifizieren. In Takt 27 erscheint Akkord ein I As
zweites Mal und markiert damit möglicherweise einen neuen Abschnitt. (Dass
entgegen der vorherigen Akkorde kein Ton übergebunden wird spricht ebenfalls
dafür.) Ab Takt 33 verschwimmen die Akkorde: Sie lassen sich nicht mehr genau
zuordnen und bestehen mehr und mehr aus übergebundenen Tönen.

Zur Struktur-Idee des 1. Teils schreibt Ferneyhough in den Skizzen folgenden


ausführlichen Text:
"Die Solo-B-Klarinette wechselt das Tempo mit jedem Impuls der Bläsergruppe innerhalb des
"addit./subtract." Systems, wobei darin enthaltene irrationale Taktwechsel eine präzise proportionale
Prolatio-Bewegung erlauben. (Später können diese Systeme auswechselbar werden.) Prolatio-, Color-

361
und Talea-Systeme werden kontinuierlich miteinander verknüpft, und jedes unabhängige System wird
spezifische Einschränkungen haben, die dem aufgezwungen werden – z.B. Tonhöhen-Material, das
durch klare Hierarchien der Frequenz relativ begrenzt ist, oder Funktionen, die durch kleine
melodische Formeln wie durch Raga-Methoden gelenkt werden. Die 'tickenden' Impulse ihrerseits
dehnen sich in Bezug auf ihre Länge aus, um als vollständige komplexe Gruppen zu erscheinen, die
sich manchmal überkreuzen oder verschmelzen. Dies ist für den Anfang vorgesehen durch einzelne
Instrumente, die [den Ton] nach einem Staccato-Impuls in Akkordform [weiter] aushalten, der eine
bestimmte Proportion der Periode lang dauert, bis zum nächsten (zu- oder abnehmenden) Impuls;
unterschiedlich in Fällen, wo zwei oder mehr Impulssysteme sich überlagern. Später werden 'Ticks',
wenn sie dichter werden und eigene metrische Patterns bilden, eventuell aufgeteilt in solche, die eine
gleichmäßige Anzahl an Impulsen in aufeinanderfolgenden Takten haben und solche, deren Anzahl
sich von Takt zu Takt verändert. Dazu kommt: Eine Pattern-Geschwindigkeit kann eventuell
beibehalten werden für eine reguläre oder irreguläre Anzahl von Impulsen in (oder über) aufeinander
folgende Takte. Die Impulse ihrerseits können ihr [der Pattern-Geschwindigkeit] rhythmische Formeln
entgegen stellen, wenn es das Tempo erlaubt (und dadurch einen neuen 'Makro-Impuls' erzeugen,
gerade wenn das Stück sein Ende erreicht).
Nach dem Klarinetten-Solo kommt die Bass-Klarinette dazu, um die einzelne Linie über die weitere
Komposition auszudehnen. Später kommt die zweite Klarinette im mittleren Register dazu (...). Später
im Stück wechselt die 'Unisono'-Idee zu ausgehaltenen Tönen plus eng begrenztes Tonhöhen-
Material in den anderen Stimmen, das vielleicht zur Hauptnote des Intervalls zurückkehrt. 2 Piccolos
kommen zu den Instrumenten hinzu. 'Choral' folgt – hauptsächlich zwei Instrumente. Dann gewaltsam
die Bläsersektion allein, immer auf die betonte Zeit, so dass eventuell neue, irrationale Takte
organisiert werden müssen, um mit möglichen irrationalen 'Ticks' zurecht zu kommen." 448

Das Vorgehen ist bisweilen erst vorsichtig angedeutet und noch nicht vollständig
durchdacht, während die Instrumente und deren Behandlung bereits recht genau
festgelegt sind.

"Zwischenteil" Takt 74 - 93

Die Aufgabe dieses Teils ist, überzuleiten der Art der Akzentsetzung des ersten Teils
zu der des zweiten Teils. Um die neue Unterscheidung von Ensemble I und II im
Gegensatz zu Holz- und Blechbläsern im 1.Teil deutlich zu machen, werden die
Akzente diffuser und die Satztechnik der Instrumentengruppen weniger eindeutig.

448
"Solo (Bb)Clarinet changes tempo with each impulse of brass group-chords according to
'addit./subtract.' system, whilst internal irrational bar changes allow for precise proportional prolational
motion. (These may be exchangable systems later.) Prolation, color and talea systems will be
continually interlocked, and each independent system will have specific restrictions imposed upon it –
for instance, pitch material relatively limited with clear hierarchies of frequency, and functions
signposted by small melodic 'formulae' due to raga methods. The "ticking" impulses, for their part,
expand in length to encompass as entire complex groups, sometimes (depending on synchronisation
of overlapping tick-systems) crossing or merging. This is suggested at the outset via single
instruments holding-on after a staccato pulse in chord form, lasting for a specific proportion of the
period until the next impulse (increasing or decreasing; different in cases where two or more impulse
systems are superimposed). Subsequently, 'ticks', as they increase in density, taking on a metric
pattern of their own, may be subdivided into those maintaining a regular number of impulses in
successive bars and those varying this number from bar to bar. Also: a pattern-speed may be
maintained for regular or irregular numbers of impulses into (or across) subsequent bars. In their turn,
impulses may have rhythmic formulas attacked to them if tempo allows (thus generating a new 'macro-
impulse' just as the piece reaches its end).
After solo clar., bass clar. added to extend single line over wider compos. Later, add 2nd clar. in middle
register to 'find' previous two, later in piece, have 'unison' idea changed to held note plus only limited
pitch material in other voice, perhaps returning to main note of intervals. (Bsp…)
Join 2 piccolos to these instruments.
'Chorale' follows – mainly low instruments. Then violent purely brass, section, always on down-beat,
so that new, irrational bars may need to be organised to cope with possible irrational ticks." –
Bemerkung auf Skizzenblatt (1) aus der Mappe von Carceri d'Invezione III.

362
2.Teil (Takt 93-164) "Triple point system"
"Der mittlere Teil449 von Carceri d'Invenzione III sollte kontinuierlich dicht sein im Hinblick auf die
Anzahl der überlagerten Ebenen / Anzahl der Instrumente je Ebene bei nur 1 oder 2 Ebenen.
Kombiniere die Instrumente kontinuierlich neu, vielleicht häufig wechselnde Kombinationen nach nur
wenigen Takten. Überlagere [sie] mit verschiedenen Solo-Instrumenten (als in sich vollständige
Ebenen-Prozesse – vielleicht mit "sich entfaltenden" Rhythmus-/Tonhöhen-Linien. Das Material der
Perkussion wird mehr und mehr vorherrschend als rhythmischer Impuls, der zu Beginn des dritten
Hauptabschnitts450 in ein "gebrochenes" Tutti ausbricht, das mit kurzen, "unbalancierten",
gewaltsamen Blöcken der Bläser durchsetzt ist – hoch und tief kontrastierend –, kontinuierlich
unterbrochen: die beiden beginnen allmählich [miteinander] zu verschmelzen, bis zu einem Punkt, wo
alle gleichzeitig sehr schnelle Impuls- (Permutations-)Texturen spielen – viel systematische Repetition.
Dies geht einige Seiten lang sehr dicht weiter – Holzbläser werden zunehmend weniger aktiv – lange
Noten. Perkussion pulsiert weiter, Tonhöhen der Instrumente nehmen ab (keine Rotationen ? Æ Bass-
Trommel ?). Die Schlusstakte werden plötzlich in einen sfffz-ppp <><><> Puls des "totalen" Akkordes
transformiert (jedes Mal mindestens zwei Farben = "Multiplikation" der Eröffnung !), wogegen die
Crotales in allen drei Perkussionen fffff in komplexen Rhythmen spielen (sowohl gestimmte Crotales,
als auch einzelne Paare, in der Hand gehalten). Am Ende kommen alle Phrasen zu einer einzelnen
rhythmischen Linie der 3 Crotales-Paare zusammen." 451

Wie bereits beim 1.Teil ist wiederum die Verwendung der Zahlen aus den acht
Akkorden grundlegend für die Anlage dieses Teils. Im Unterschied zu vorher werden
jedoch jeweils die "komplementären" Zahlen verwendet, d.h. jeweils die Differenz zur
Zahl 12452. Jeder Akkord hat somit seine Entsprechung im Akkord mit *.
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
I As 3 3 5 5 6 3 7 IS 4 3 2 2 3 4
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
I As* 9 9 7 7 6 9 5 I S* 8 9 10 10 9 8

_ _ _ _ _ _ _ _ _
II As 4 4 1 1 3 4 II S 5 4 1 4 5
_ _ _ _ _ _ _ _ _
II As* 8 8 11 11 9 4 II S* 7 8 11 8 7

_ _ _ _ _ _ _ _ _
III As 3 2 3 5 6 III S 6 5 3 3 5 6
_ _ _ _ _ _ _ _ _
III As* 9 10 9 7 6 III S* 6 7 9 9 7 6

_ _ _ _ _ _ _
IV As 1 10 3 8 IV S 7 6 1 6 7
_ _ _ _ _ _ _
IV As* 11 2 9 4 IV S* 5 6 11 6 5

449
Ferneyhough spricht hier vom "mittleren Teil", da auf Übersichtsblatt [12] noch ein dritter Teil
vorgesehen ist; daher bezieht sich der Text auf den zweiten Teil des Stücks.
450
Hier scheint es sich um den nicht mehr auskomponierten Teil zu handeln, denn die Verwirklichung
sucht man vergebens in der Partitur.
451
"Carceri III middle section should be continually dense in terms of number of superimposed layers /
number of instruments per layer if only 1 or 2 layers. Continually recombine instruments, perhaps often
changing combinations after only a few bars. Overlay with different solo instruments (as entire layer
processes in themselves – perhaps with "unfolding" rhythmic / pitch lines. Material of percussion
becomes more and more predominant as rhythmic pulse, breaking out at beginning of 3rd main section
in a "broken" tutti interspersed with short, "unbalanced" violent blocks of wind – contrasting high + low
–, continually interrupted: the two gradually begin to merge until a point where all play at once in very
rapid impulse (permutation) textures – much systematic repetition. This continues very densly for
several pages – wind become progressively less active – long notes. Percussion continues pulsing,
instruments getting lower in pitch (no rotations ? Æ bass drums ?). Final bars suddenly transformed
into a sfffz-ppp <><><> pulsing "total" chord (each time at least two colours = "multiplication" of
opening !) against which play fffff crotales in complex rhythms in all three percussion (both tuned
crotales and single pairs, hand-held). At end, all phrases come together in a single rhythmic line for 3
crotales-pairs e.g." – Bemerkung auf Skizzenblatt 6 aus der Mappe von Kurze Schatten.
452
Versteht man die 12 Halbtonschritte innerhalb der Oktav als Grundmenge, so lässt sich zu jedem
Intervall ein Komplementärintervall bilden mit (y = 12 – x) Halbtonschritten.

363
Im Sinne einer "negativen" Verwendung von bereits vorhandenem Material wird die
Zahlenreihe schließlich noch von rechts nach links, also "rückwärts" gelesen.

Die Übersicht des 2.Teils sieht dann so aus453:


Takt 101 107 111 114 119

5 9 6 7 7 9

8 9 10
4th pulse cycle
8 9 11

7 8 11
5th pulse cycle
6 7 9

6 7 9

4 9 2 11

5 6
6th pulse cycle

Da jetzt die Instrumente nicht mehr solistisch-polyphon verwendet werden, sondern


allein innerhalb von Ensembles, stehen im Grunde alle Zyklen für die Anordnung von
Impulsen zur Verfügung. Wie beim ersten Teil werden drei Zyklen als Puls-Zyklen
definiert (I S*, II S* und IV S*).

I As* wird nicht näher beschrieben und wird vermutlich für die Arbeit mit beiden
Ensembles generell verwendet.454

II As* steht für die (Tutti-) Impulse eines oder beider Ensembles (+ zugeordnete
Perkussion).455

III As* steht für Impulse einer Gruppe von ein bis vier Instrumenten desselben
Ensembles (+ zugeordnete Perkussion).456

III S* steht für den Impulse eines Soloinstruments (+ zugeordnete Perkussion).457

453
Sie entspricht – mit dem Teil auf der folgenden Seite – der Fortsetzung von Übersichtsblatt [12] aus
der Mappe von Carceri d'Invenzione III. Die Takte von Skizzenblatt und Partitur stimmen – im
Unterschied zum 1.Teil – diesmal miteinander überein.
454
Das Ende dieses Zyklus (Takt 144) fällt etwa zusammen mit dem Ende der Ensemble-Textur;
danach dominieren wieder Solo-Linien von wenigen Instrumenten.
455
"All pulses affect complete A- or B-ensembles (including any operation independently)." –
Bemerkung auf Übersichtsblatt [12] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III. – "impulse to be
manifested by all instruments not otherwise engaged" bzw. "impulse to be manifested by all
instruments no matter what activity they are engaged in." – Bemerkungen auf Übersichtsblatt [8] aus
der Mappe von Carceri d'Invenzione III.
456
"affects a maximum of 4 instruments in one or other ensemble (i.e. may be 1, 2, 3 or 4 instruments
at will)." – Bemerkung auf Übersichtsblatt [12] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III. – "one-to-
four instr. from same ensemble (or equal parts from both)." – Bemerkung auf Übersichtsblatt [8] aus
der Mappe von Carceri d'Invenzione III.

364
IV As* schließlich steht für einen Impuls von zwei Instrumenten desselben
Ensembles (+ zugeordnete Perkussion).458

Mit Takt 157 endet die Übersicht, mit Takt 164 klingt das Stück vollend aus.
Takt 137 147 157

9 I As*

10 9 8 I S*

11 8 8 II As*

8 7 II S*

10 9 III As

9 7 6 III S*

IV As*

11 6 5 IV As*

Über die drei Puls-Zyklen liegen ausführliche Übersichten459 vor, die auch die
Binnengliederung verdeutlichen.

Betrachtet man z.B. den Beginn des 4.Puls-Zyklus, so lässt sich gut erkennen,
welche Regeln hier angewandt werden.

"Prozess – Takt / Dichte Korrespondenz gespiegelt innerhalb der Sektionen." 460

Die erste Sektion z.B. enthält – analog zur ersten Zahl des Zyklus – 8 Takte (Takt
101 bis 109). Die Länge der Takte wurde (vermutlich) bereits zu Beginn definiert. Die
Anzahl der Impulse pro Takt – sie sind innerhalb der Takte dann relativ gleichmäßig
verteilt – richtet sich nach den Zählern der acht Takte, von hinten nach vorne
gelesen.
Takt 1 2 3 4 5 6 7 8

Zähler des Takts 1 1 3 3 3 3+2+1 1 3

Anzahl der Impulse 3 1 3+1+2 3 3 3 1 1

457
"All pulses affect one instrument only." – Bemerkung auf Übersichtsblatt [12] aus der Mappe von
Carceri d'Invenzione III. – "one solo instrument." – Bemerkung auf Übersichtsblatt [8] aus der Mappe
von Carceri d'Invenzione III.
458
"All pulses affect two instruments in same ensemble." – Bemerkung auf Übersichtsblatt [12] aus
der Mappe von Carceri d'Invenzione III. – "two instruments from same ensemble." – Bemerkung auf
Übersichtsblatt [8] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III.
459
Es handelt sich um Übersichtsblatt [9] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III. Die drei Zyklen
sind jeweils separat notiert, während sie in der hier folgenden Erläuterung zusammengefasst sind.
460
"process – bar / density correspondence mirrored within sections." – Bemerkung auf
Übersichtsblatt [9] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III.

365
In den anderen Sektionen des 4.Puls-Zyklus wird genauso verfahren, im 5.Puls-
Zyklus auch. Der 6.Puls-Zyklus wird dichter konzipiert:

"gleicher Prozess, plus jeden Takt einen [Impuls ?] mehr im Hinblick auf die Dichte:" 461

Als letzter Schritt wird noch definiert, welche Impulse später bei der instrumentalen
Ausarbeitung verwendet werden und welche nicht mehr erscheinen. Die Formel sieht
etwa so aus, auch wenn sie nicht immer konsequent angewandt wurde:

Der erste Impuls einer Sektion wird nicht gezählt. Ab dem zweiten wird jeweils die
Anzahl der Impulse eines Taktes weitergezählt, um zum nächsten "betonten" Impuls
zu gelangen. Konsequenterweise würde dann jeder erste Impuls im Takt "betont"
werden. Dies wird durch leichte Modifikationen462 vermieden.

Die so differenzierten Puls-Zyklen lesen sich dann (in ein System zusammengefasst)
so:

Die "betonten" Impulse werden durchnummeriert für die Zuordnung der Impulsarten
aus den verbleibenden fünf Zyklen463.

Die so entstandenen Impulse lassen sich größtenteils in der Partitur wiedererkennen.

461
"process – ditto, plus one extra each time (each bar) in respect of density." - Bemerkung zum
6.Puls-Zyklus auf Übersichtsblatt [9] aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III.
462
womöglich Lese- und Übertragungsfehler ?!?
463
Die "betonten" Noten aller drei Puls-Zyklen wurden auf Übersichtsblatt [8] aus der Mappe von
Carceri d'Invenzione III zusammengefasst und tatsächlich durchnummeriert, vermutlich zur
einfacheren Übertragung in die Partitur.

366
Diese Korrespondenz zwischen Skizzen und Partitur zeigt die folgende Übersicht, wo
die Impulse – der Nummerierung nach – den Instrumenten zugeordnet sind, die sie
tatsächlich spielen.
Die Farben464 entsprechen dabei den Zyklen der in der auf Seite 364 und 365
vorgestellten Impulsarten.
Der "allgemeine" As I*-Zyklus wird dabei nur insofern berücksichtigt, als Akzente, die
auf Skizzenblatt [8] keiner Impulsart zugeordnet wurden, hier grau bzw. hellblau
gefärbt sind, je nach Zugehörigkeit zu Ensemble I (oben, hellblau) oder Ensemble II
(unten, grau).

Takt 101 102 103 104 105 106 107 108 110 111 112 113 114 115
Flöte 1 x x x x x x x x
Flöte 2 x x x x x x x x x x
Oboe 1 x x x x x x x x x
Oboe 2 x x x x x x x x x
Horn 1 x
Horn 2
Trompete 1 x x
Trompete 2 x
Percussion 2 x x x x x x x x x x
Percussion 1
Percussion 3 x x x x x x x x x x x
Klarinette 1 x x x x x x
Klarinette 2 x x x x x x
Bass-Klar. x x x x x x x x
Fagott x x x x x x x
Posaune 1 x
Posaune 2 x
Tuba x x x x
Impuls Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11a 11b 12a 12b 13 14 15a 15b 16a 16b 17 18
Pulse cycle 4 o (o) o o o o o o o o o o o o o
Pulse cycle 5 o o o o o o o
Pulse cycle 6

Man sieht sehr schön, wie der As 3*-Zyklus (1-4 Instrumente desselben Ensembles)
in Takt 107, der As 4*-Zyklus (2 Instrumente desselben Ensembles) in Takt 111 und
der III S*-Zyklus (Solo-Instrument) in Takt 114 beginnt.465

Da der As 2*-Zyklus aus zwei Arten von Impulsen besteht, ist er auch mit zwei
verschiedenen Farben dargestellt:

"impulse to be manifested by all instruments not otherwise engaged"

und

"impulse to be manifested by all instruments no matter what activity they are engaged in." 466

Die folgenden Seiten zeigen die Rhythmusdisposition und die Übertragung der
Impulse auf die Instrumente der Partitur im direkten Vergleich.

464
Die Zuordnungen sind übernommen von Übersichtsblatt [8] aus der Mappe von Carceri
d'Invenzione III.
465
An dieser Stelle erscheint auch die erste Abwandlung: der Impuls in Takt 114 wird nicht von einem
Soloinstrument gespielt, sondern von Fagott und Posaune 1 gleichzeitig.
466
beide Zitate s. Anm. 455.

367
Takt 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125
Flöte 1 x x x x x x x
Flöte 2 x x x x x x x
Oboe 1 x x x x x x x x x
Oboe 2 x x x x x x x x x x
Horn 1 x x x x x x x
Horn 2 x x x x x x x
Trpt 1 x x x x x x
Trpt 2 x x x x x x
Perc 2 x x x x x x x x x
Perc 1 x x
Perc 3 x x x x x x x x
Klar 1 x x x x x x x
Klar 2 x x x x x x x
Bs-Klar. x x x x x x
Fagott x x x x x x x
Pos 1 x x x
Pos 2 x x x
Tuba x x x x
Impuls Nr. 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41
PC 4 o o o o o o o
PC 5 o o o o o o o o o o o
PC 6 o o o o o o

368
Takt 126 127 128 129 130 131 132 133 134
Picc 1 x x x x x x x x
Picc 2 x x x x x x
Oboe 1 x x x x x x x
Oboe 2 x x x x x x
Horn 1 x x x x x x x x x
Horn 2 x x x x x x x x
Trpt 1 x x x x x x x
Trpt 2 x x x x x x x
Perc 2 x x x x x x x x x x x x
Perc 1 x x x x x x x
Perc 3 x x x x x x x x x x
Klar 1 x x x x x x x x x
Klar 2 x x x x x x x x
Bs-Klar. x x x x x x x x x x x
Fagott x x x x x x
Pos 1 x x x x x
Pos 2 x x x x x x x
Tuba x x x x x x
Impuls Nr. 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64
PC 4 o o o o o o o o
PC 5 o o o o (o) o o o
PC 6 o o o o o o o

369
Takt 135 136 137 138 139
Picc 1 x x x x
Picc 2 x x x x x
Oboe 1 x x x x x x x
Oboe 2 x x x x x x
Horn 1 x x x x x x x x
Horn 2 x x x x x x x x
Trpt 1 x x x x x x
Trpt 2 x x x x x x
Perc 2 x x x x x
Perc 1 x x x x x x
Perc 3 x x x x x x x x x
Klar 1 x x x x x x x x
Es-Klar x x x x x x x x x
Bs-Klar. x x x x x x x
K-Fagott x x x x x
Pos 1 x x x x x x
Pos 2 x x x x x x x
Tuba x x x x
Impuls Nr. 65a 65b 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82a 82b 83
PC 4 (o) o o o o o
PC 5 o o o o
PC 6 o o o o o o o o o o o

Die Dichte der Impulse nimmt im Verlauf des Teils zu: Während zu Beginn (um Takt
110) nur etwa ein bis zwei Impulse pro Takt vorkamen, sind es inzwischen drei bis
sechs Impulse; in Takt 159 gibt es sogar neun Impulse.
Meist lässt sich jedem Impuls der drei Puls-Zyklen ein Impulstypus (Solo-Instrument,
Instrumentengruppe...) zuordnen; der Rhythmus stimmt dabei bisweilen nur
näherungsweise überein. Einige wenige Impulse erscheinen jedoch nicht in der
Partitur.
Betrachtet man Takt z.B. 136, so lassen sich in der Partitur problemlos zwei Impulse
erkennen: Nr.68 gleich zu Beginn des Taktes in den Hörnern und Posaune 2 – beide
beginnen gleichzeitig und mit Akzent ff bzw. sffz – und Nr.69 von allen Instrumenten
kurz nach der Mitte des Taktes innerhalb der 11:12-Klammer. Nr.70 ist nicht
eindeutig indentifizierbar, da allein die drei Perkussionsinstrumente weiterspielen,
aber keinen gemeinsamen Impuls mehr haben und auch keinen besonders
hervorgehobenen in einem der Instrumente.
Es bleibt die Frage: Welcher Impuls entspricht nun Impuls Nr.70 ?

370
Takt 140 141 142 143 144
Picc 1 x > <
Flöte 2 > <
Oboe 1 x x > < x
Engl Hrn x > < x
Horn 1 x > < x x
Horn 2 x > < x x
Trpt 1 x x x > < x x
Trpt 2 x x > < x x
Perc 2 x x x > < x x x
Perc 1 x x x
Perc 3 x x > < x x x
Klar 1 x x x x > < x x
Es-Klar x x > < x x
Bs-Klar. x x > < x
K-Fagott x > <
Pos 1 x > < x
Pos 2 x > <
Tuba x > < x
Impuls Nr. 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95a 95b 96a 96b 97 98 99 100 101 102 103 104
PC 4 o o o o
PC 5 o o o o o o
PC 6 o o o o o o o o (o) o o o o

Impuls Nr.95 erscheint gleichzeitig in Puls-Zyklus 4 (Nr.95b) und 6 (Nr.95a). Beide


Impulse werden dem gesamtem Ensemble zugeordnet, so dass sich nicht
unterscheiden lässt, welches Instrument welchen Impuls spielt.

371
Takt 145 146 147 148
Picc 1 x x x
Flöte 2 x x x
Oboe 1 x x
Engl Hrn x x x
Horn 1 x x x
Horn 2 x x
Trpt 1 x x x
Trpt 2 x x x
Perc 2 x x x x x x
Perc 1 x x x x x x
Perc 3 x x x x
Klar 1 x x x
Es-Klar x x x
Bs-Klar. x x x x x x
K-Fagott x x x
Pos 1 x x x x
Pos 2 x x x x x
Tuba x x x x x
Impuls-Nr. 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125
PC 4 o o
PC 5 o o o o
PC 6 o o o o o o o o o o o o o o o

Takt 149 150


Impuls-Nr. 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140
Picc 1 x
Altflöte
Perc 2 x x
Perc 1 x x x x
Perc 3 x x x x x x x
Klar 1 x
Bs-Klar. x
Pos 2 x x
Tuba
126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140
PC 4 o
PC 5 o
PC 6 o o o o o o o o o o o o o

372
Takt 151 153 154
Impuls-Nr. 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151
Picc 1
Altflöte x
Perc 2 x x x x x x x
Perc 1 x x x
Perc 3 x x
Klar 1
Bs-Klar.
Pos 2
Tuba
141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151
PC 4 o o o o

PC 6 o o o o o o o Solo

Anhand der Impulstypen ist schön zu erkennen, dass der III S*-Zyklus (Solo-
Instrument) am weitesten hinten im Stück endet: Die Tutti-Impulse (II As*) nehmen
kontinuierlich ab, während die Solo-Impulse bis zum Schluss bleiben. Dadurch wird
der Part der Perkussionsinstrumente, die meist das Solo-Instrument "begleiten",
gestärkt und dominiert mehr und mehr gegen Ende.

Ab Takt 153 beginnt die Altflöte ("Solo"), d.h. der Klang der Flöte steigt von hohen
Piccolo-Register (bis Takt 153) über die Altflöte (Takt 153-158) hinab zum
Bassflöten-Register von Mnemosyne (ab Takt 161, wenn das Stück direkt im
Anschluss gespielt wird). In diesem Übergangsbereich (Takt 154-159) kommen auch
keine (konstruierten) Impulse mehr vor und der dünne, perkussionslastige Satz wird
mehr und mehr zersetzt durch drei bis fünf Sekunden lange Generalpausen. Die
Dynamik verschwindet schließlich ins pianissimo "al niente".

373
VI.4. Das "irreguläre Metronom"

VI.4.a) Anwendung in Carceri d'Invenzione III


Die beiden Teile von Carceri d'Invenzione III bilden fast einen Gegensatz – etwa
von "geordnet" zu "vermischt" –, und zwar sowohl in Bezug auf den Umgang mit den
Instrumenten als auch in Bezug auf die metrische Komponente.

Im 1.Teil werden Holzbläser und Blechbläser/Perkussion deutlich voneinander


getrennt: Die Holzbläser treten nach und nach in selbständigen solistischen Linien
auf und fügen sich im Laufe des Teils zu homophonen Flächen zusammen (z.B.
Klarinetten Takt 51 bzw. alle Holzbläser Takt 86-88). Die Blechbläser treten
zusammen mit den Perkussionsinstrumenten zuerst homophon-akkordisch auf und
nehmen später polyphonere Züge an (z.B. die beiden Hörner in Takt 65 mit
rhythmisch-kanonischen Strukturen bzw. alle Blechbläser in Takt 86-88).
Im 2.Teil wird diese klare Trennung der Instrumentengruppen aufgehoben. Zwar ist
das Orchester in Ensemble I und Ensemble II geteilt, dennoch werden die Gruppen
nur bei wenigen Impulsen direkt gegenübergestellt (z.B. Takt 124 Impulse Nr.36 und
37). Es überwiegen Impulse verschieden zusammengestellter kleinerer Gruppen aus
einem oder beiden Ensembles, so dass man sagen kann, alle nur erdenklichen
Kombinationen werden hier nacheinander ausprobiert, vielleicht mit Ausnahme der
Gegenüberstellung von Holz und Blech aus dem 1.Teil.

Der 1.Teil wirkt also relativ überschaubar in Bezug auf die Besetzung und die
Satztechnik, während im 2.Teil die Vielfalt der Möglichkeiten im Vordergrund steht.

Dieselbe Gegenüberstellung trifft auch auf die metrische Komponente zu: Der 1.Teil
enthält genau drei rhythmisch-metrische Ebenen, die durch die drei Perkussionsparts
und deren Spielweise (Perk.2: Einzelimpuls / Perk.3: Tremolo / Perk.1: Impulsfolge)
vertreten sind. Auch ist die Tempoentwicklung innerhalb dieser drei Schichten – nach
Aussage des Komponisten467 – gleichmäßig organisiert.

Der 2.Teil enthält ebenfalls drei rhythmisch-metrische Ebenen (Puls-Zyklen), die in


sich jedoch nach verschiedensten Kriterien "ungleichmäßig" angeordnet sind.468
Dazu kommt, dass die Impulse nicht mehr nur durch drei Spielarten der
Perkussionsinstrumente verdeutlicht werden, sondern einer weiteren Filterung
unterliegen, nämlich den fünf übrigen Zyklen für die Impulstypen. Diese fünf (übrigen)
Zyklen, die im 1.Teil für die Solo-Instrumente benötigt wurden, stehen im 2.Teil für
diese doppelte Impuls-Konstruktion zur Verfügung. Die Konsequenz dieser
Vorgehensweise für das musikalische Material – besonders gegen Ende des Stücks
– beschreibt Ferneyhough so:

"Und während das Stück weitergeht, in Wirklichkeit im allerletzten Abschnitt, sind die gewaltigen
blockartigen Texturen das allmähliche – immer deutlicher werdende – Einbringen dieser Impuls-
Muster, so dass am Ende des Stückes die Anzahl der Impulse so groß ist, dass diese die Form der
Figuren selbst übernehmen; sie machen sich unabhängig von ihrer Trigger-Funktion und werden
selbst musikalische Gestalten – hauptsächlich in den Perkussionsinstrumenten, aber auch in anderen.
Und im Abschnitt vor dem letzten gewaltigen Fortissimo-Abschnitt finden wir die

467
s. Zitat S.359/360 bzw. Anm. 447.
468
s. Rhythmus-Übersichten ab S.366.

374
Perkussionsinstrumente, wie sie vier oder fünf mal innerhalb eines Taktes verschiedene Blöcke von
Holz- und Blechblasinstrumenten auslösen und verschiedene Kombinationen vom Solo bis zum
totalen Tutti des Ensembles. Also wieder ein „Eintunneln“: man beginnt mit einfachen Impulsen im
Abstand von einigen Takten, die zu drei verschiedenen Tempoebenen gehören, die allmählich
während des Ablaufs des Stückes nicht schneller und schneller, sondern dichter und dichter werden,
und immer deutlicher ein Sub-Metrum erscheinen lassen innerhalb dieses dreifachen weit skalierten
Metrums." 469

In Bezug auf Carceri d'Invenzione II schreibt er:

"Während in Carceri d'Invenzione II die Technik des "irregulären Metronoms" als Grundschicht
angewendet wurde, tritt sie hier als der eigentliche Generator der Aktion zutage, und zwar so, dass
jedes neue Ereignis durch einen Impuls ausgelöst wird, den in erster Linie ein oder mehrere
Schlaginstrumente geben. Besonders der erste Teil entwickelt sich deutlich aus der Verzahnung dreier
solcher "Trigger"-Muster; meist aktivieren sie unterschiedliche Typen von Blechbläser-Materialien,
doch steuern sie auch die Einführung neuer Holzbläserschichten und deren zunehmende textliche
Transformation. Spätere Abschnitte des Werkes bringen in immer stärkerem Maß Impulse an die
Oberfläche, die ursprünglich ausgespart gewesen waren. Der Schlussteil verstärkt dies noch, indem er
jedem Impuls die Möglichkeit gibt, alles auszulösen: von einem Soloinstrument bis zum gesamten
Tutti; er kulminiert – und endet – genau in dem Moment, wo die Tempozunahme und die Fülle der
Impuls-Aktivitäten diesen Prozess als konkretes Material um seiner selbst willen erscheinen lassen
könnten." 470

Die Impulse treten also dermaßen in den Vordergrund, dass sie statt das Material zu
ordnen, selbst die Rolle des Materials übernehmen. Das heißt, dass hier die zeitliche
(rhythmisch-metrische) Ordnung des Stücks zum Material mutiert.

"Im Zuge der Tendenz von Carceri d'Invenzione II, sich von gewaltsamen, aphoristischen Texturen
zu ruhigeren und ausgedehnteren Formen der Expansion zu bewegen, erweitert das dritte Stück der
Serie den zeitlichen Horizont noch mehr, während er gleichzeitig mit Hilfe eines klar definierten Netzes
von ineinander greifenden Schlagzeit-Patterns neu definiert wird, die – konsequent wahrnehmbar oder
nicht – den Ort der isolierten aktiven Gruppen definieren, die die so komponierte Vordergrund-Aktivität
des Stückes enthalten. Wenn die Solo-Flöte in Carceri d'Invenzione II weniger ein reiner Solist war
als vielmehr eine "Gruppe von einem" gegen andere, größere Gruppen, dann ist hier tendenziell das
Gegenteil der Fall, d.h. jeder einzelne Ausführende ist eine Solist. Es ist nur selten der Fall, dass mehr
als ein paar Instrumente gleichzeitig auftreten; oftmals sind es jeweils nur ein oder zwei [Instrumente],
die das Hauptargument präsentieren. Wie im ersten und zweiten Stück der Serie [Carceri

469
"And as the piece goes on, in fact in the very last section but one, the violent block-like textures are
the gradual bringing-in, more and more explicitly, of these impulse patterns, such that at the end of the
piece the number of impulses is so big that it takes on the form of figures in themselves; they make
themselves independent of their trigger function, and become musical shapes - mainly in the
percussion instruments, but also in other things. And in the section before the last very violent
"fortissimo" section, we find the percussion triggering four or five times in a bar different blocks of
brass and woodwind instruments, and different conbinations from solo to total "tutti" of the ensemble.
So again, a funneling-down: you're starting with single impulses at several bars' distance, belonging to
three different tempo levels, which gradually in the course of the piece become not faster and faster,
but denser and denser, and make more and more explicit a sub-metre within this triple large-scale
metre." – (s. Anm. 6) S.300.
470
"Whereas, in Carceri d'Invenzione II the irregular metronome technique was employed as a
substratum, in the present work it emerges as the veritable generator of the action, in that each new
event is "triggered" by an impulse given, in the first instance, by one or more percussion instruments.
The first section in particular emerges from the interlocking activities of three such triggering patterns.
For the most part activating various types of brass materials, they also regulate changes in density
and number of woodwind layers, as well as their progressive transformation. Later sections of the work
allow more and more initially concealed impulses to surface, and the final section focuses in on the
tendency by specifying anything from a solo instrument up to all available instruments to be activated
by each impulse. The process concludes at the precise instant at which increase of base tempo and
completeness of presentation of percussive pulse activity would allow this formally active stratum to be
perceived as concrete material in its own right." – (s. Anm. 2) S.137 bzw. S.10/11.

375
d'Invenzione I und II] wird dies mit Hilfe eines Repertoires an "Textur-Typen" umgesetzt, von denen
sich einige auf spezielle Klangfarben der Instrumente beziehen, andere, eher übergreifend
anwendbare, bewegen sich notwendigerweise von Aktivitätsebene zu Aktivitätsebene. (...)
Ein solches gegenseitiges Anziehen, Zurückschlagen, Nebeneinanderstellen und Überlappen bildet in
Wirklichkeit die Substanz der Oberflächenarbeit, die sich wiederum an den Formationen der
Zeitarchitektur der tiefer liegenden Ebene orientiert, die – wie bereits oben erwähnt – durch die
Schlagzeit-Patterns erzeugt wird." 471

Diese Idee des "irregulären Metronoms"472, also der (künstlichen) "irregulären"


rhythmisch-metrischen Zeitordnung innerhalb eines Stücks, wurde in Carceri
d'Invenzione III am konsequentesten mit Orchestermitteln dargestellt – auf drei
simultan erscheinenden Ebenen. Die Voraussetzungen dazu – deutet Ferneyhough
an – wurden bereits in den vorangegangenen Stücken des Zyklus geschaffen.

VI.4.b) Zusammenhänge im gesamten Zyklus

Nicht nur das doppelte "irreguläre Metronom" von Carceri d'Invenzione II wurde in
Carceri d'Invenzione III weiterentwickelt, auch die "Interventions"-Texturen von
Carceri d'Invenzione I erscheinen offenbar – in neuer Form – in Carceri
d'Invenzione III wieder, um verschiedene "allmählich auseinander driftende
Schichten" deutlich zu machen.

"Nimm alle "Interventionen" in Carceri d'Invenzione I für konstante Wiederbenutzung, so dass einige
Ebenen sich jeweils überlappen, als ob sie auf verschiedene Weise "gelesen" werden, und so
allmählich auseinander driftende Schichten bilden." 473

Der Blick ganz zum Anfang des Zyklus zeigt sogar, dass bereits Superscriptio mit
seinen sich verschiebenden Akzenten dem Keim zum "irregulären Metronom" in sich
trägt.

471
"Following on the tendency of Carceri d'Invenzione II to move from violent, aphoristic textures
towards calmer and more extended forms of expansion, the third piece in the series expands the
temporal horizon even more, whilst simultaneously redefining it by means of an increasingly clearly
defined web of interlocking beat patterns which, consistently audible or not, defines the location of the
isolated groups of activity comprising forground activity of the piece so composed. If the solo flute in
Carceri d'Invenzione II was less a pure soloist than a "group of one" against other, larger groups, so
here the opposite is tendencially true i.e. each and every performer is a soloist. It is only seldom that
more than a few instruments perform simultaneously; often only one or two are presenting the main
argument at any given moment. As in No 1 + 2 of the series this is carried out by reference to a
repertoire of "texture types" some of which are specific to particular instrumental timbres, others of
much more general applicability moving as necessary from level to level of activity. (…) Such
attractions, repulsions, apporictions and overlappings form, in fact, the substance of the surface
working, itself orientated towards the lower-level temporal architectonic formations provided by the
beat patterning mentioned above." – Bemerkung auf Skizzenblatt (29) aus der Mappe von Carceri
d'Invenzione III.
472
Eine wörtliche Definition des Komponisten zum "irregulären Metronom" liegt nicht vor, obwohl er
den Begriff sicher selbst geschaffen hat und ihn in den Texten auch häufig verwendet.
473
"Take all "interventions" in Carceri d’Invenzione I and subject to constant "re-readings" such that
some layers of each overlap, as one "read" differently, to produce gradually diversifying strata." –
Bemerkung auf Skizzenblatt [3] aus der Mappe von Carceri d’Invenzione III. Möglicherweise handelt
es sich nur um eine Idee der Wiederverwendung; die Realisierung lässt sich aufgrund der nicht näher
beschriebenen Veränderungen schwer nachweisen.

376
"Die Funktion von Carceri d´Invenzione III ist, die Idee auszuarbeiten, die es bereits an der Basis von
Superscriptio gab und die während des ganzen Zyklus weiterentwickelt wurde: die Bildung
verschiedener Ebenen der metrischen Organisation. In Superscriptio haben wir diese seltsamen
Takte von 3/10 und 5/12 oder 7/24. – Ich sehe dies nicht als Wechsel des Tempos, sondern als
Wechsel der metrischen Werte. Und in jedem der Stücke des Zyklus (mit Ausnahme des Violinstücks
[Intermedio alla ciaccona], das in einer leicht veränderten Weise funktioniert) gibt es einen sehr
großen Anteil an Vor-Organisation des Stückes, die verbunden ist mit der Variationstechnik, die den
Zyklen von Taktmodellen aufgezwungen wurde." 474

Der Name Intermedio I bzw. Intermedio II für die beiden zwischen den Carceri
d'Invenzione genannten Stücken gelegenen "Zwischenspiele"475 meint vielleicht
auch, dass diese Stücke von der Idee des "irregulären Metronoms" weniger betroffen
sind.

Das letzte Stück des Zyklus, Mnemosyne, schließlich widmet sich nochmals diesem
Thema, diesmal (wieder) in Form von drei sich überlagernde Schichten, von denen
diesmal aber nur jeweils eine – durch die Solo-Bassflöte – in Erscheinung tritt,
während die anderen etwa "weitergefühlt" werden.

"In Carceri d'Invenzione II habe ich bereits die beiden Hörner in dieser Weise verwendet. Ich habe
ihnen überlappende duale metrische Muster gegeben. In Carceri d'Invenzione I gibt es bereits diese
vertikalen Blöcke des gesamten Ensembles, die plötzlich abbrechen in ein neues Metrum einer 10er
oder 12er Proportion. Ich sehe das als einen Bezug von I zu II zu III. Und das Bassflötenstück ist
pervers in dieser Hinsicht: Es treibt diese Struktur noch weiter, die Sie in den Entwürfen gesehen
haben, in denen immer eine triolische oder sogar sextolische rhythmische Struktur im Hintergrund
vorgesehen ist, die die Bassflöte dann in ein bis drei rhythmische Linien übersetzt, die gleichzeitig
gespielt werden." 476

474
"The functon of Carceri d'Invenzione III is to extend the idea which was right at the basis of
Superscriptio, and extends through every work in the cycle, that is, of creating different levels of
metric organisation. In Superscriptio we have these weird bars of 3/10 and 5/12, or 7/24 – I don't see
these changes as changes of tempo, but as changes of metric value. And in each of the pieces of the
cycle (except the violin piece, which works in a slightly different way) there is a very major part of the
pre-organiosation of the piece which is involved with the variation technique imposed upon cycles of
bar patterning. (s. Anm. 6) S.299.
475
Das erste "Zwischenspiel" ist die Nr.2 des Zyklus, Intermedio alla ciaccona; das zweite sind die
Etudes Transcendentales, die Nr.6 des Zyklus, die im Gesamtzusammenhang des Zyklus auch mit
Intermedio II betitelt sind.
476
"And in Carceri d'Invenzione II I had already used the two horns in this way: I'd given them
overlapping dual metric patterns. In Carceri d'Invenzione I we already have the vertical blocks of the
whole ensemble that suddenly break into a new metre of a '12' or '10' proportion. I saw this as being a
I to II to III relationship. And the bass flute piece is perverse in this respect: it takes even further this
structure you've seen in the sketches, in which there is always a triple or even sextuple rhythmic
structure suggested in the background, which the bass flute translates then into between one and
three rhythmic lines played concurrently." – (s. Anm. 6) S.300.

377
VII. Mnemosyne und Intermedio alla Ciaccona
Die beiden Stücke sollen an dieser Stelle gemeinsam betrachtet werden, da sie eng
miteinander verwandt sind, sowohl in Bezug auf die Kompositionsweise als auch in
Bezug auf das Skizzenmaterial.

Mnemosyne – das Schlussstück des Zyklus – wurde zuerst komponiert.

"[Mnemosyne] war nicht gedacht als "geschmackvoller leiser Schluss" (...). Von meinem Standpunkt
aus war es als eine Erweiterung zu erachten; eine Verdichtung der Techniken, die bis zu diesem
Punkt in dem Zyklus verwendet wurden. Für mich war es ein sehr dicht zu schreibendes Stück. Ich
habe es gern geschrieben, weil das Endergebnis schließlich eine Art freie Reaktion auf die Dichte war,
auf das kompositorisch vorherbestimmte Substrat der Rhythmus- und Tonhöhenstruktur. Und in dieser
Weise verstehe ich es nicht als "leise". Dynamik spielt überhaupt keine Rolle. Eher spielt Dichte eine
Rolle, d.h. Dichte der Struktur in Relation mit der tatsächlichen Anzahl der Noten und solche Dinge.
Ich denke zusätzlich zu den ziemlich verschiedenen Parametern in diesem Stück. Was den Titel
angeht ist Mnemosyne der Name der alten griechischen Göttin der Erinnerung – der Mutter der
Musen. Es schien ein angemessener Titel zu sein, weil es zum letzten Male langsam (und zum ersten
mal wie eine ausdrückliche harmonische Progression) die Struktur der acht Akkorde auffaltet. Es ist
eine Art Kathedrale-unter-dem-Meer-Typ vom Klang her, ziemlich ähnlich dem Debussy-Prelude, in
dem sich alles in Zeitlupe bewegt und zu einer tieferen Oktavlage reduziert ist, wie ein Tonband, das
langsam abgespielt wird. Ich hielt die Bassflöte für sehr geeignet, um diese spezielle Qualität
auszudrücken." 477

Intermedio alla Ciaccona wurde direkt im Anschluss komponiert und verwendet


dasselbe Material wie Mnemosyne, jedoch in "gegensätzlicher" Art und Weise.

"Interludio I (Violin-Solo) – Dauer ca.9' – Gebildet auf einer Kette von ineinander greifenden
Rhythmen, die auf einer Ebene gefiltert sind und die Wechselrate der Texturtypen angeben; sie
"spüren" einander auf, indem sie immer wieder in konkreten gestischen Formen an die Oberfläche
treten. "Fugale" Behandlung des Materials – Verknüpfung von Linien der Rhythmus- und der
Tonhöhenstrukturen, genauso wie von sich gegenseitig beeinflussenden Veränderungsmustern." 478

477
"It wasn't thought as a "tasteful quiet ending" (…). From my point of view it was considered as an
amplification, a densification of the techniques that until that point have been treated in the cycle. For
me it was a very dense piece to write; I enjoyed writing it because the final result was a sort of free
reaction to the dense, compositionally predetermined substrata of rhythmic and pitch structure. And I
don't, in that sense, see it as being "quiet": dynamic doesn't play a role at all; rather density plays a
role, that is, density of structure in relation to the actual number of notes, and things like that. I think
according to quite different parameters in that piece. As far as the title is concerned, Mnemosyne is
the name of the eponymous ancient Greek goddess of memory – the mother of the Muses. It seemed
an appropriate title because it for the last time unfolds, slowly (and for the first time, as an explicit
harmonic progression), the structuring of the eight chords. It's a sort of cathedral-under-the-sea type of
sound, rather like the Debussy prelude, in which everything is moving in slow motion, and is reduced
to a lower octave level like a tape being played slowly. I thought the bass flute very apposite to
express this particular quality." – (s. Anm. 6) S. 300-301.
478
"Interludio I (violin solo) – Duration 9' – Built on a chain of interlocking rhythms, which on one level,
filtered, dictate the rate of change of texture-types, one another from themselves "traces", surfacing
now and again in concrete gestual form. "Fugal" treatment of material – interlocking of lines of rhythm
and pitch structures, as well as of interreferential variational patterns." – Bemerkung auf Skizzenblatt
(7) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III.

378
VII.1. Skizzen von Mnemosyne und Intermedio alla Ciaccona
Zu Intermedio alla Ciaccona liegen – außer der Reinschrift der Partitur – keine
Skizzen vor.479

In der Mappe von Carceri d'Invenzione III gibt es jedoch einen kurzen Text und eine
Übersicht, die sich auf Intermedio alla Ciaccona beziehen. Sie befinden sich auf
den Skizzenblättern (2) und (7) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III.

Blatt (2) Intermedio alla Ciaccona Rhythmus + Klangzuordnung T.76-86


Blatt (7) Intermedio alla Ciaccona Text + Rhythmus-Studien

Zu Mnemosyne liegen ausführliche Skizzen vor, die sich sowohl auf den Solopart als
auch auf die acht Flötenparts des Zuspielbands beziehen. Zudem ist die Partitur des
Zuspielbands vollständig enthalten.

(1) Tape pitches T.121-152 (Fortsetzung von (13))

(2) Rhythmus T.1-52 Solo; Schichtenversion, ausführlich (2 Blätter A-3)

(3) primary bar scheme T.1-152; Töne Flöte 1-8

(4) Rhythmus T.53-152 Solo; "rhythmic grid" mit Zahlen + Farben

(5) Rhythm. T.1-57 Solo; bass flute solo distribution 1st period (2 Blätter A-4)

(6) Tonhöhen (anderes Stück ?)

(7) distribution of available pitches; Takte + Tempi; variational types

(8) (Text)

(9) Rhythmus T.53-88 Solo; ohne Zahlen (Fortsetzung von (2))

(10) Rhythmus T.89-126 Solo; ohne Zahlen (Fortsetzung von (9))

(11) Model plan VII T.90-108 Solo (Layout mit Notizen)

(12) pitch matrix T.1-60 (+ up/low derivates)

(13) pitch matrix T.61-120; T.121-152 (Fortsetzung von (12))

(14) Partitur Soloflöte (zweimal 8 Blätter Din A-4)

(15) Partitur Zuspielband (Spuren 1-5) (3 Blätter Din A-4)

(16) Partitur Zuspielband (Spuren 5-8) (3 Blätter Din A-3)

479
Auf die Frage nach dem Grund für das Fehlen ausführlicher Skizzen antwortete Ferneyhough der
Verfasserin 1999 in Royaumont, dass das Stück erst kurz vor der Uraufführung des Gesamtzyklus
quasi am Frühstückstisch des Hotels entstanden ist und direkt aus Mnemosyne abgeleitet ist, so dass
weitere Skizzen nicht notwendig waren.

379
VII.2. Verwandtschaft der beiden Stücke
"In nur einem Fall gab es einen sehr klaren materiellen Zusammenhang, und das war bei den beiden
Stücken des Zyklus, die zuletzt geschrieben wurden, dem Bassflötenstück Mnemosyne und dem
Violinstück Intermedio alla Ciaccona, in denen die Intervallstruktur beider Stücke identisch ist und
die rhythmische Struktur beider Stücke über weite Strecken identisch ist. Das war wahrscheinlich
weitgehend deswegen der Fall, weil, nachdem ich das Bassflötenstück geschrieben hatte, das sich
sehr mit der harmonischen Fortschreitung auseinandergesetzt und eine sehr in sich gekehrte
Komposition ist (...), das Violinstück dagegen eine absichtlich übertriebene, hässliche, direkte und
extrovertierte Komposition war. Es war gerade eine Idee von mir, dass, wenn man dasselbe Material
nimmt, man tatsächlich eine bestimmte Art von Ausdruckskraft dadurch ableiten kann, dass man
genau das Gegenteil damit macht." 480

Als "gemeinsames" Material kommt neben den acht Akkorden des gesamten Zyklus
die Taktdisposition, die Rhythmik innerhalb der Takte, die dadurch entstehende
Dichte und die Tonhöhenorganisation innerhalb der Solostimme in Frage.

Das größte Problem stellt wahrscheinlich die "Übertragung" der harmonischen


Konzeption der acht Stimmen des Zuspielbands von Mnemosyne dar: Wie kann
man das, was gleichzeitig in mehreren (Flöten-)Stimmen passiert, in einer (Violin-)
Stimme zusammenfassen ?
Eine Antwort gibt Mnemosyne selbst, indem der Soloflötenpart aus drei simultan
ablaufenden Stimmen besteht, von denen aber nur jeweils eine gespielt wird.
Eine andere Antwort ist die Idee einer "fiktiven Polyphonie":

"Und wie in allen meiner Werke für Soloinstrumente strebe ich auch hier danach, Aspekte einer
fiktiven "Polyphonie" anzudeuten, nicht vermittels polyphoner Schichten im eigentlichen Sinn, sondern
auf dem Weg über parametrische Organisationsebenen, die man gewöhnlich als "sekundär"
ansieht." 481

Ein denkbares Beispiel für eine solche "fiktive Polyphonie" – auch wenn sie nicht so
in Intermedio alla Ciaccona angewandt wurde, könnte diese Grafik darstellen482:

Impulsdichte

Tonhöhe

Dynamik

480
"In only one case there was a very clear material relationship, and that was between the last two
pieces in the cycle to be written, the bass flute piece Mnemosyne and the violin piece Intermedio alla
ciaccona, in that the intervallic structure of both pieces was identical, and the rhythmic structure of
both pieces was in large part identical. Probably that happened mainly because having written the
bass flute piece, which concentrates very much on harmonic progression and is a very withdrawn
piece (…), I think the violin piece was a deliberately "overdrawn", ugly, direct, extrovert composition. It
was just an idea of mine that if one took the same material, one could in fact derive a certain
expressive power from doing exactly the opposite sort of thing." – (s. Anm. 6) S. 298.
481
"As with all my solo instrumental works, I aim here at evoking facets of a "fictional polyphony", not
by means of literally polyphonic strands of sound, but rather through what are usually considered
"secondary" parametric levels of organisation." – (s. Anm. 2) S.134 bzw. S. 9.
482
"Canon of parametres" – Bemerkung und Grafik (vermutlich zu Time and Motion Study III) auf
einem Skizzenblatt aus der Mappe von La terre est un homme.

380
VII.3. Analyse und Vergleich
Es bietet sich an, soweit möglich, Mnemosyne und Intermedio alla Ciaccona im
direkten Vergleich zu analysieren.

VII.3.a) Taktdisposition
Mnemosyne ist – nach der tempomäßig freien Einleitung – in 10 Teile eingeteilt, die
(äußerlich) jeweils durch einen Doppelstrich, verbunden mit einem Wechsel des
Grundtempos und des Grundcharakters, voneinander getrennt sind.

Intermedio alla Ciaccona ist in nur 5 Teile unterteilt, die sich hauptsächlich durch
ihren Grundcharakter voneinander unterscheiden. Das Grundtempo bleibt hier
während des ganzen Stücks konstant.

"Das gewählte Grundtempo sollte die praktische Realisation der raschesten Gruppen ermöglichen und
sollte irgendwo zwischen Achtel = 54 - 60 liegen und vom Beginn bis zum Ende konstant bleiben." 483

Die Reihenfolge der Takte von Intermedio alla Ciaccona jedoch entspricht – bis auf
wenige Ausnahmen – der von Mnemosyne von hinten nach vorne gelesen484.

So entsprechen die Takte des 5.Teils (molto pesante) von Intermedio alla Ciaccona
denen des 1. und 2.Teil von Mnemosyne mit Ausnahme der Takte 18-38, wobei die
Zuordnung der Anfangstakte von Mnemosyne mehrere Möglichkeiten zulässt.

1.Teil: piacevole (Achtel = 60)


M -Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Länge 4/8 1/8 5/8 5/8 1/8 4/8 5/8 1/8 7/8 3/8 6/8 5/8 5/8 3/8 3/8 4/8 3/8
I -Takt 112 111 (110) (119) (111) (112) 110 109 108 107 106 105 104 103 102 101 100
Werte von Akkord II S Akkord I As von rechts nach links II As von

M -Takt 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
Länge 1/8 1/8 4/8 6/8 5/8 3/8 2/8 3/8 8/8 3/8 10/8 1/8 6/8 5/8 3/8 3/8 5/8
I -Takt
rechts nach links III As von rechts nach links IV As v. rechts n. links Werte von Akkord III S
2.Teil (Achtel = 54)
M -Takt 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51
Länge 5/8 6/8 2/8 3/8 7/16 2/8 9/16 9/16 2/8 7/16 9/16 2/8 13/16 4/8 11/16 9/16 9/16
I -Takt 99 98 97 96 95 94 93 92 91 90 89 88 87
molto pesante: 5.Teil

Auffällig ist, wie sich die Zahlenproportionen der acht Grundakkorde in den Zählern
der Takte des ersten Teils wiederspiegeln, während die Nenner immer Achtel sind.

483
"The chosen basic tempo should permit practical realisation of the fastest groups and should lie
somewhere between = 54 - 60, and remain constant from beginning to end." – Bemerkung in den
Performance Notes zur Partitur von Intermedio alla Ciaccona. Dieses Tempo entspricht etwa dem
mittleren Tempo von Intermedio alla Ciaccona.
484
Die Taktzahlen von Mnemosyne sind in der obersten Zeile der Takt-Tabelle in schwarz als "M-
Takte" notiert; die "gemeinsamen" Taktlängen stehen in der mittleren Zeile; die Taktzahlen von
Intermedio alla Ciaccona sind in grauer Schrift in der untersten Zeile als "I-Takte" bezeichnet.
Letztere sind – wie die zugehörigen Ausdrucksbezeichnungen – quasi von hinten nach vorne bzw. von
rechts nach links zu lesen.

381
Die Takte des 3.Teils von Mnemosyne fehlen in Intermedio alla Ciaccona.

3.Teil (Achtel = 60)


M -Takt 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
Länge 4/8 4/8 7/16 4/8 2/8 2/8 7/16 11/16 9/16 4/8 3/8 4/8 15/16 4/8
I -Takt

Die Takte des 4.Teils decken sich in beiden Stücken (trasparente und subito più
delicato). Takt 76 kann sogar als gemeinsame "Achse" verstanden werden.

4.Teil: trasparente (Achtel = 40)


M -Takt 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76
Länge 19/16 2/8 11/16 9/16 4/8 4/8 9/16 9/16 11/16 3/8 4/8
I -Takt 86 85 84 83 82 81 80 79 78 77 76
subito più delicato: 4.Teil

Die Takte des 3.Teils (molto enfatico) von Intermedio alla Ciaccona entsprechen
genau denen des 5.Teils (sostenuto) von Mnemosyne.

5.Teil: sostenuto (Achtel = 60)


M -Takt 77 78 79 80 81 82 83
Länge 5/12 1/8 5/12 5/8 1/8 4/12 5/8
I -Takt 75 74 73 72 71 70 69
molto enfatico (con tutta la forza): 3.Teil

Die Takte des 2.Teils (quasi cantando) von Intermedio alla Ciaccona entsprechen
denen des 6. und 7.Teils von Mnemosyne.

6.Teil: spezzato (Achtel = 66)


M -Takt 84 85 86 87 88 89 90 91 92
Länge 1/8 7/12 3/16 6/12 5/12 5/8 3/16 3/16 4/12
I -Takt 68 67 66 65 64 63 62 61 60

7.Teil: retorico (Achtel = 60)


M -Takt 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106
Länge 3/16 1/8 1/8 4/12 6/12 5/12 3/16 2/8 3/16 8/12 3/16 10/12 1/8 6/12
I -Takt 59 58 57 56 55 54 53 52 51 50 49 48 47 46
quasi cantando: 2.Teil

Die Takte des 1.Teils (quasi senza vibrato) von Intermedio alla Ciaccona
entsprechen denen des 8. und 10.Teils von Mnemosyne, wobei Takt 114 von
Mnemosyne – aus welchem Grund auch immer – nicht übernommen wurde.

382
8.Teil: sinuoso, quasi sfibrato (Achtel = 80)
M -Takt 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122
Länge 5/12 3/16 3/16 5/12 5/8 6/12 2/8 3/16 4/10 1/8 5/12 5/8 1/10 4/8 5/12 1/8
I -Takt 45 44 43 42 41 40 39 38 37 36 35 34 33 32 31

9. Teil: piu enfatico (Achtel = 49,6)


M -Takt 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138
Länge 7/10 3/8 6/12 5/8 5/10 3/8 3/12 4/8 3/10 1/8 1/8 4/12 6/8 5/10 3/8 2/8
I -Takt 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15

10.Teil: tenebroso (Achtel = 40)


M -Takt 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153
Länge 3/12 8/8 3/10 10/8 1/8 6/12 5/8 3/8 3/10 5/8 5/12 6/8 2/8 6/12 6/12
I -Takt 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
quasi senza vibrato: 1.Teil

Auffällig ist, dass erst gegen Ende von Mnemosyne triolische und quintolische
Taktunterteilungen auftreten: Im 1.Teil dominieren sogar reine Achtel-Unterteilungen,
bis im 2.Teil 16-tel-Unterteilungen dazu kommen, im 5.Teil schließlich 12-tel und im
8.Teil 10-tel.

Bezogen auf Intermedio alla Ciaccona enthält der 1.Teil alle drei Arten von
Unterteilungen, der 2. und 3.Teil keine quintolischen mehr, der 4. und 5.Teil auch
keine triolischen mehr, sondern nur noch Achtel- und 16-tel-Unterteilungen, bis am
Ende die Achtelunterteilungen allein übrig bleiben.

Über die genaueren Kriterien für die Auswahl und die Abfolge der Takte innerhalb
der Teile liegen keine Angaben vor.

In Mnemosyne werden den 10 Teilen sechs verschiedene Tempi zugeordnet:

Achtel = 80 8.Teil
Achtel = 66 6.Teil
Achtel = 60 1.Teil 3.Teil 5.Teil 7.Teil
Achtel = 54 2.Teil
Achtel = 49,6 9.Teil
Achtel = 40 4.Teil 10.Teil

Achtel = 60 wird als mittleres Tempo verwendet485; erst zum Schluss nimmt das
Grundtempo vom schnellsten Wert (80) rapide ab zum langsamsten Wert (40).

Eine gewisse Symmetrie in der Anordnung ist nicht zu übersehen. Warum die Tempi
gerade in diesen Relationen gewählt wurden, lässt sich schnell ausrechnen:
Von 60 ein Zehntel abgezogen bzw. hinzugezählt ergibt die benachbarten Werte 54
bzw. 66. Dies entspricht einer quintolischen Verzerrung des Tempos.
Von 60 ein Drittel abgezogen bzw. hinzugezählt ergibt die Randwerte 40 bzw. 80.
Dies entspricht einer triolischen Verzerrung des Tempos.
49,6 lässt sich auf diese Weise nicht herleiten.486

485
Wie bereits in Anmerkung 483 erwähnt, in Intermedio alla Ciaccona wird konstant das Tempo
Achtel = 54 - 60 erwartet, also das mittlere Tempo von Mnemosyne.
486
Naheliegend wäre, von 54 ein weiteres Zehntel abzuziehen; dies ergäbe jedoch auf 48,6 statt 49,6.

383
VII.3.b) Rhythmusdisposition
Mnemosyne ist zwar ein Stück für Solo-Instrument, dennoch ist es auf bis zu drei
gleichberechtigten Systemen gleichzeitig notiert. Dazu kommen bisweilen
untergeordnete Extra-Systeme für die Artikulation und die Verschiedenartigkeit der
Fingersätze487 oder Systeme für die Spielweise (Tremolo, Triller, Flatterzunge etc.)
und Richtung und Gefälle der Glissandi.488

In den 10 Teilen stehen unterschiedliche Systeme im Mittelpunkt, was sich unschwer


aus der Partitur erkennen lässt. So beschränkt sich der 2.Teil fast ausschließlich auf
die Systeme 1 und 2, der 6.Teil auf die Systeme 2 und 3 und in den Teilen 8 bis 10
erscheinen maximal zwei Systeme gleichzeitig. Die genaue Zuordnung der Systeme
zu den Teilen lautet:489

1.Teil Achtel = 60 1+2+3 - [static]


2.Teil Achtel = 54 1+2
3.Teil Achtel = 60 1+2+3 - [Æ 3 Æ 3+2]
4.Teil Achtel = 40 1+3
5.Teil Achtel = 60 1+2+3 - [Æ 2 Æ 3+1]
6.Teil Achtel = 66 2+3
7.Teil Achtel = 60 1+2+3 - [Æ 1 Æ 1+2]
8.Teil Achtel = 80 3 ... (2) - fastest section
9.Teil Achtel = 49,6 2 ... (1) -
10.Teil Achtel = 40 1 - slowest section

In den Teilen des mittleren Tempos (Achtel = 60) kommen also alle drei Systeme
gleichermaßen vor, während in den übrigen Teilen nur zwei Systeme im Mittelpunkt
stehen und die Teile 8 bis 10 sich sogar nach und nach auf nur ein System
beschränken. Dies hat neben der zeitlichen Bedeutung auch eine räumliche: die
"Eintunnelung" des Registers der Flöte.490

Neben dem Grundtempo eines Teils bestimmen noch weitere rhythmisch-metrische


Elemente die Impulsverteilung innerhalb von Mnemosyne.

Verwendung mehrerer rhythmisch-metrischer Ebenen gleichzeitig

Ausführliche Skizzen existieren zur Rhythmusdisposition der drei Systeme, obwohl in


die Partitur nur ein Bruchteil der so organisiertem Impulse wirklich erscheint. Um das
Verfahren zur rhythmischen Disposition vorzustellen – es beruht auf den bereits bei
der Analyse von Superscriptio vorgestellten Techniken – genügt es hier, die ersten
vier Takte von Mnemosyne ganz detailliert zu betrachten.491

487
Dies ist z.B. in Takt 28 der Fall.
488
Dies ist z.B. in Takt 36 der Fall.
489
Skizzenblatt 7 aus der Mappe von Mnemosyne. Die Färbung ist nicht original.
490
siehe Kapitel VII.3.d).
491
Eine Reduzierung der Konstruktionen dreier Systeme auf ein Partitursystem liegt bereits in den –
vor Mnemosyne entstandenen – Etudes Transcendentales Nr.1 und Nr.2 vor. Richard Toop hat das
Vorgehen ausführlich beschrieben in TOOP, Richard: Brian Ferneyhough's Etudes
Transcendentales: A Composer's Diary (Part 1). (1991; engl.) in: EONTA< – Arts Quarterly. Vol.1
No.1 (1991), S.55-89.

384
Die Grundidee des Verfahrens, mehrere Systeme gleichzeitig zu verwenden, liegt in
der Möglichkeit, mehrere metrische Ebenen gleichzeitig zu verwenden, wobei sie als
solche erkennbar bleiben und so förmlich gegeneinander "ausgespielt" werden
können.492

In einem ersten Schritt lassen sich diese drei metrischen Ebenen für die ersten vier
Takte bzw. für den gesamten 1.Teil von Mnemosyne ablesen.493

System 1 enthält jeweils drei (hier gleichmäßige) Impulse pro Takt. Es handelt sich
also um eine triolische Aufteilung.
System 2 enthält jeweils fünf Impulse innerhalb von zwei aufeinander folgenden
Takten. Es handelt sich um eine quintolische Aufteilung.
System 3 enthält wieder Gruppen von drei Impulsen, wobei sich fünf Gruppen auf
vier aufeinander folgende Takte verteilt sind. Es lässt sich dabei eine Mischung aus
triolischer und quintolischer Aufteilung herauslesen.

Sehr schön lässt sich dasselbe Verfahren für den 2.Teil (Takt 39 bis 51) aus der
Partitur direkt ablesen:

System 1

System 2

System 1 enthält jeweils fünf Impulse pro Takt. Es handelt sich also um eine
quintolische Aufteilung.
System 2 enthält jeweils sieben Impulse innerhalb von zwei aufeinander folgenden
Takten. Es handelt sich um eine septolische Aufteilung.

Der nächste Schritt – die vollständige Skizze494 der drei Systeme – enthält weitere
rhythmische Differenzierung innerhalb der Ebenen, die zeigen, dass offenbar
dasselbe Verfahren im nächst kleineren Bereich nochmals angewandt wurde, d.h.
statt innerhalb der Takte nun innerhalb der Impulsgruppen. Eine quintolische Unter-
Unterteilung sticht für System 1 und 2 ins Auge, eine eher triolische für System 3.

492
Alle drei Systeme von Takt 1-4 sind ausnotiert auf Skizzenblatt 2 aus der Mappe von Mnemosyne.
493
Das Beispiel gibt eine vereinfachte Notation der Takte 1-4 von Skizzenblatt 2 aus der Mappe von
Mnemosyne wieder.
494
Skizzenblatt 2 aus der Mappe von Mnemosyne.

385
Allzu kleine Werte – wie z.B. die beiden 16-tel in Takt 2 – wurden in System 1 nicht
weiter unterteilt, wohl aber im (dadurch dichteren) System 3 – z.B. die 32-tel am
Ende von Takt 4.

Für die endgültige Partitur wurden – wie bereits erwähnt – nur einzelne Impulse aus
den drei Systemen ausgewählt. Sie sind in obigem Beispiel durch Notenköpfe
markiert.
Die Konsequenz für den Flötisten ist, dass er sich alle drei rhythmisch-metrischen
Ebenen vorstellen muss, um die wenigen Impulse zeitlich exakt zu platzieren.

Vergleich zwischen Mnemosyne und Intermedio alla Ciaccona

Die einzige ausführliche Skizze495 zu Intermedio alla Ciaccona bezieht sich auf die
Takte 76 bis 86, den 4.Teil, dessen Takte zugleich auch zum 4.Teil von Mnemosyne
gehören (Takt 76 bis 66496), auch wenn sie nicht identisch in Erscheinung treten.

An dieser Stelle lässt sich die rhythmische Unterteilung innerhalb der Takte zwischen
den beiden Stücken gut vergleichen, da die Skizze eine vereinfachte Darstellung des
Rhythmus von Intermedio alla Ciaccona enthält497.

Von Takt 76 von Intermedio alla Ciaccona erscheinen die Proportionen 6:7 und 5:3
ebenfalls in Takt 76 von Mnemosyne, allerdings von rechts nach links gelesen. Das
Verfahren erinnert an die "negativen Rhythmen", die bereits in Superscriptio
gebildet wurden.498

495
Es handelt sich um Skizzenblatt (2) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III.
496
Die Takte von Mnemosyne sind hier zwar in umgekehrter Reihenfolge dargestellt (auf Takt 76 folgt
Takt 75 usw.); innerhalb der Takte wurde die Reihenfolge der Noten jedoch nicht verändert.
497
Die Vereinfachung ist in dem Notenbeispiel durch den * gekennzeichnet. Von Mnemosyne wurde
– mit Ausnahme der Takte 72 und 73, die das mittlere System wiedergeben – nur das obere
Notensystem berücksichtigt; die anderen Systeme zeigen sonst keinerlei Ähnlichkeit mit Intermedio
alla Ciaccona und sind daher nicht extra angeführt.
498
vgl. Beschreibung des Verfahrens auf S. 122.

386
Die Noten- und Pausenwerte wurden jedoch nicht exakt übernommen und auch ein
Tausch von beiden – nach dem Vorbild der "negativen Rhythmen" – führt nicht zu
einem direkteren Zusammenhang zwischen beiden Taktversionen.

[76] [75] [74]

Von Takt 77 wurde neben der Proportion 4:3 auch die Anzahl und ungefähre
Verteilung der Impulse übernommen. Eine Art Spiegelung wie im vorangegangenen
Takt liegt nicht vor. Allein die Quintole zu Beginn ist in Mnemosyne eine Triole und
die darauf folgende Note folgt direkt im Anschluss.

Takt 78 enthält die Proportion 12:11 von Takt 74, diesmal allerdings erscheint der
Takt wieder "gespiegelt", denn die Klammer ist in Takt 78 gleich zu Beginn des
Taktes statt am Ende. Die Triole ist auch wieder innerhalb der Klammer enthalten,
sie bezieht sich jedoch statt auf drei 16-tel jetzt auf drei 32-tel.

Die Takte 79 und 80 aus Intermedio alla Ciaccona haben beide die Länge von 9/16
und entsprechen den Takten 72 und 73 aus Mnemosyne. Letztere sind zusammen
genommen vollkommen symmetrisch ! Die Achse ist dabei der Taktstrich.
Diese Symmetrie wurde jedoch in Intermedio alla Ciaccona nicht übernommen; die
Proportion 11:12 bricht sie deutlich; vielleicht rührt diese Proportion von einem
Zusammenhang mit dem vorhergegangenen Takt her (Proportion 12:11).
Dennoch scheint die Symmetrie so gewichtig zu sein, dass an dieser Stelle nicht
System 1 von Mnemosyne übernommen wurde, sondern System 2.

[72] [73] [71]

Eine Verbindung zwischen Takt 81 und Takt 71 tritt nicht in Erscheinung.

Takt 82 entspricht – wegen der Proportion 9:8 – Takt 70 in der gespiegelten Version.

387
[70] [69] [68]

Die Takte 83 und 84 sind wieder zusammengefasst – durch die verbindende Triole.
Ähnlichkeit mit den Takten 69 und 68 aus Mnemosyne haben sie kaum, allein die
Proportion 8:11 in Takt 68 könnte zur Proportion 11:8 in Takt 83 passen.

Die Verbindung der Takte 85 und 86 mit den Takten 67 und 68 aus Mnemosyne
sind wieder offensichtlich: Die Proportionen beider Takte finden sich in gespiegelter
Version in Intermedio alla Ciaccona wieder.

[67] [66]

Die Buchstaben unter den Noten von Intermedio alla Ciaccona bezeichnen auf dem
Skizzenblatt die Vorschrift für die Spielweise der jeweiligen Note. Es handelt sich um
zwei (meist verschiedene) Bezeichnungen, die zwei Möglichkeiten darstellen499.

A bzw. a steht für Arpeggio


G bzw. g steht für Glissando
J steht für Jeté (Wurfbogen; gettato mit Glissando)
r steht für "rapid group" (schnelle Vorschlagsfigur)

Die Komposition selbst enthält bisweilen andere und noch nicht genannte
Spielweisen, wie z.B. ein Tremolo oder Flageolett-Töne. Die Zuordnung nachträglich
zu vergleichen fällt nicht schwer bis auf die Tatsache, dass der Rhythmus bisweilen
auch nicht identisch ist.

499
Die obere Buchstabenzeile entspricht der farblichen Kennzeichnung der Noten auf Skizzenblatt (2)
aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III, die untere Zeile entspricht den unterhalb der Noten
hinzugefügten – meist abweichenden – Symbolen.

388
Ein Verfahren für die Schaffung einer Beziehung zwischen Mnemosyne und
Intermedio alla Ciaccona auf der differenziertesten Ebene der rhythmischen
Ausgestaltung wird in den Skizzen angedeutet. Das Verfahren lässt sich nicht
konkret in der Ausarbeitung der Partituren wiedererkennen, aber es liefert eine
Erklärung für die zu Beginn von Kapitel VII angesprochene

"Kette von ineinander greifenden Rhythmen, die auf einer Ebene gefiltert sind und die Wechselrate
der Texturtypen angeben." 500

Drei rhythmische Zellen werden auf dem Skizzenblatt501 vorgestellt:

Zelle a Zelle b Zelle c

Zwei Eigenschaften (mindestens) haben diese Zellen jeweils: ihre Gesamtlänge und
die Unterteilung ihrer Impulse. Diese beiden Eigenschaften erlauben Permutationen
– außer den bereits vorgestellten drei "Grundformen" sechs weitere:

Zelle b' Zelle c' Zelle a'


= Zelle b in der Länge von a = Zelle c in der Länge von b = Zelle a in der Länge von c

Zelle c'' Zelle b'' Zelle a''


= Zelle c in der Länge von a = Zelle b in der Länge von c = Zelle a in der Länge von b

Reiht man die drei Zellen aneinander, so entsteht eine rhythmische Figur (links
Beispiel), die sich mit Hilfe der Kombination verschiedener Permutationen vielseitig
verändern lässt.

Zellen a + b + c Zellen b' + c' + a' Zellen c'' + b'' + a''

500
vgl. Anmerkung 478 auf Seite 378.
501
Es handelt sich um Skizzenblatt (7) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III. Von demselben
(!) Blatt stammt auch das wieder aufgegriffene Zitat von Anmerkung 500.

389
Das Verfahren wird im weiteren Verlauf so beschrieben:

"Nimm eine Sequenz von Rhythmen: Permutiere alle Kombinationen in einer Gesamtlänge, dann
beginne an verschiedenen Stellen und transformiere jeden der Rhythmen nach seinem eigenen
Entwicklungsschema." 502

Noch ausführlicher:

"Bilde Material-Ketten von einer begrenzten Zahl an Original-Zellen auf einmal (...). Ordne die
hierarchischen Ableitungen neu in bezug auf die Häufigkeit der Erscheinung und den Grad der
Beziehung, dann trenne die Kette an neuen Stellen, um die Menge und die neue Länge des Materials
in jedem gegebenen Takt neu zu definieren. Das Resultat selbst kann dann wieder durch weitere
Patterns "fiktiver Takte" behandelt werden, indem verschiedene Segmente der Kette a) umgekehrt
und b) als neue Basis-Einheiten wieder verwendet werden können." 503

Für den 7.Teil von Mnemosyne liegt ein "Model plan" vor504, der auch auf eine
solche Behandlung rhythmischer Zellen hindeutet, indem Kombinationen von Zellen
in der Rhythmus-Partitur eingekreist und mit den Buchstaben a bis e benannt sind.
Eine konsequente Anwendung lässt sich jedoch nicht herauslesen.

VII.3.c) Das Zuspielband von Mnemosyne


"Gleich anderen Werken des Zyklus beruht auch Mnemosyne auf der vielschichtigen Wechselwirkung
verschiedener metrischer und zeitlicher Strukturen, wobei die "Metronomfunktion" vom
Tonbandmaterial übernommen wird, das aber ausschließlich die Taktschwerpunkte betont. Im
Gegensatz zu Carceri d'Invenzione II wurde bei Mnemosyne die Tonbandpartie früher realisiert als
die Solostimme, die folglich strukturell von der formalen Anordnung abhängt, welche das Band
exponiert." 505

Die metrisch ordnende Funktion des Zuspielbands liegt darin, dass jeweils der erste
Impuls eines Taktes dadurch betont wird, dass von einer oder mehreren Flöten
gleichzeitig ein neuer Ton oder eine Gruppe neuer Töne gespielt werden. Im
weiteren Verlauf des Taktes erscheinen keine neuen Töne; die bereits angespielten
werden jedoch meist über mehrere Takte hinweg ausgehalten.

502
"Take a sequence of rhythms: permutate all combinations in one overall length, the begin at
different points + transform each of rhythms according to own developing." – Bemerkung auf
Skizzenblatt (7) aus der Mappe von Carceri d'Invenzione III.
503
"Build material-chains on only a limited number of original cells at once (…). Reorder the
hierarchical derivations as to frequency of occurance and degree of relationship, then cut the chain at
new points, in order to redefine the amount and new length of material in any given bar. This result
can itself then be treated by further "fictive bar" patterns, according to which various segments of chain
can a) be reversed b) be treated, again, as a new basic unit." – Bemerkung auf Skizzenblatt (7) aus
der Mappe von Carceri d'Invenzione III.
504
Es handelt sich um Skizzenblatt 11 aus der Mappe von Mnemosyne.
505
"Like other works in the cycle, Mnemosyne is based on the multilayered interaction of diverse
metrical and temporal patterns, whereby the "metronome" function is here assumed by the tape
materials, which emphasize exclusively the downbeats of each measure. In distinction to Carceri
d'Invenzione II, the tape part of Mnemosyne predated the solo part, which, in consequence, remains
structurally dependent on the formal layout which the former expounds." – (s. Anm. 2) S.137 bzw.
S.11.

390
Gliederung des Parts der 8 Flöten des Zuspielbands

Die Anzahl der Flöten nimmt im Laufe des Stücks zu. Zu Beginn (noch vor dem
1.Teil) spielt die Soloflöte eine Einleitung506 in freiem Zeitmaß. Während des 1.Teils
setzen dann nacheinander die Flöten 1 bis 4 ein. Mit dem 2. und 5.Teil setzen
paarweise die restlichen vier Flöten ein.507

1.Teil 2.Teil 5.Teil Ende


Takt 1 Takt 2 Takt 3 Takt 7 Takt 39 Takt 77 (Takt 152)

Die Anzahl der Flöten nimmt fast unmerklich zu: Flöte 2 setzt mit demselben Ton ein,
den Flöte 1 gerade aushält. Flöte 4 setzt gerade dann ein, wenn Flöte 2 einen
Moment pausiert. Überhaupt haben die Flöten zu Beginn viele Pausen, so dass erst
in Takt 23 (!) alle Flöten einmal gleichzeitig spielen.

Viele verschiedene Klangfarben stehen für den Flötenton zur Verfügung.

"Flatterzunge – Klangfarbentriller – Triller (mehrstimmig) – Glissando – Tremolo – Smorzato


(gedämpft) – Atemgeräusch – Dauer der Pause am Ende der Note." 508

Sie erscheinen nacheinander, gleichzeitig in verschiedenen Stimmen, miteinander


kombiniert in derselben Stimme509 oder ineinander übergehend.510

1.Teil 2.Teil 3.Teil 4.Teil 5.Teil 6.Teil 7.Teil 8.Teil 9.Teil 10.Teil Ende
Triller + Gliss.
Flatterzunge
Liegeton n.v.
Glissando
Tremolo
Triller (mehrst.)
Tonrepetitionen
Wellengliss. m.v.

Bisweilen ist der Wechsel der Klangfarbe zu Beginn eines neuen Formteils (beim
Erscheinen eines der acht Akkorde) besonders deutlich, z.B. zu Beginn des 9.Teils,
wo abrupt vom Liegeton (non vibrato) zur Flatterzunge gewechselt wird, bei
gleichzeitigem Wechsel der Tonhöhen. Unterstützt wird die Zäsur zusätzlich durch
die gleichzeitigen Akzente der Akkordtöne.

506
Wenn Carceri d'Invenzione III und Mnemosyne direkt hintereinander gespielt werden, beginnt
diese Einleitung – als Überleitung – bereits in Takt 161 von Carceri d'Invenzione III.
507
In der Partitur sind die Flöten anders nummeriert, was sich aber nur auf die Aufstellung der Flöten
und die Richtung im Raum, aus der der Ton kommt, auswirkt und an dieser Stelle vernachlässigt
werden kann.
508
"Flz. – Colour-trill – Trill (multiple) – Glissando – Tremolo – Smorzato – Breath-noise – Duration of
rest at end of note." – Bemerkung aus Skizzenblatt 3 aus der Mappe von Mnemosyne.
509
So erscheint z.B. am Ende Triller und Glissando gleichzeitig oder im 4. und 5.Teil werden Liegeton
und wellenförmiges Glissando miteinander verbunden.
510
Z.B. im 8.Teil geht ein Liegeton vom non vibrato in Flatterzunge über.

391
Die acht Akkorde des Zuspielbands

Jeder Akkord erscheint nur ein einziges Mal und das als "verzerrte" Version des
Akkords. Ab dem 3.Teil leitet solch ein Akkord jeweils den neuen Formteil ein:

3.Teil 4.Teil 5.Teil 6.Teil 7.Teil 8.Teil 9.Teil 10.Teil


III As IV As II As I As IS II S III S IV S

Erstaunlich ist der Beginn mit Akkord III As. Vermutlich wurde deswegen nicht mit I
As begonnen, weil dieser Akkord 8 Töne enthält und erst 6 Flötenstimmen verfügbar
sind.511

Die Akkordtöne entsprechen nicht den Originaltönen, sondern sind "verzerrt"; sie
enthalten jetzt Vierteltöne, die ihr Klangbild verändern. Die Akkorde sind dennoch
wiederzuerkennen, da die Anfangstöne genau erhalten geblieben sind und die
Anzahl der Töne und die Proportionen (Intervalle) in etwa.

Die Abweichung der "verzerrten" Akkorde (oberes System) von den Originalen
(unteres System) lässt sich gut erkennen, indem man die Differenz entsprechender
Töne in der Anzahl der Vierteltonschritte betrachtet (Zahlen zwischen den
Systemen).

Akkord I As (6.Teil; Takt 84) Akkord II As (5.Teil; Takt 77)

So stimmen in Akkord I As und II As sogar die unteren beiden Akkordtöne überein,


während die Abweichung nach oben hin immer größer wird. Dabei liegen die
abweichenden Töne über den Originaltönen, bei Akkord I As später auch darunter.

Akkord III As (3.Teil; Takt 52) Akkord IV As (4.Teil; Takt 66)

511
Womöglich sollte das Stück ursprünglich mit Akkord I As (1.Teil) beginnen und die allmähliche
Zunahme der Stimmen wurde erst später konzipiert.

392
Bei Akkord IV As ist die Abweichung – besonders des obersten Tons – so groß, dass
die Zuordnung fraglich erscheint und eine andere Reihenfolge, ggf. mit anderen
Oktavlagen angemessener erscheint512.

Akkord I S (7.Teil; Takt 93) Akkord II S (8.Teil; Takt 107)

Bei Akkord I S sind drei Töne unverändert übernommen; zwei fehlen jedoch in der
Übertragung, so dass der "verzerrte" Akkord nur fünf statt sieben Tönen enthält. Der
Grund dafür ist möglicherweise, dass an dieser Stelle die Dichte des Satzes geringer
sein sollte und daher nur fünf statt sieben Stimmen gleichzeitig einsetzen sollten.

Akkord III S (9.Teil; Takt 129) Akkord IV S (10.Teil; Takt 142)

Über die Kriterien für die Größe der Abweichung gibt es keine Anhaltspunkte. Die
Symmetrie der symmetrischen Akkorde I S, II S, III S und IV S geht bei der
"Verzerrung" verloren.

Innerhalb der Komposition erscheint der Übergang von einem Akkord zum nächsten
fließend, da alle Flöten pp und legato spielen und die Töne fast unmerklich enden,
bevor neue "dazu" erklingen.

Die Akkorde werden immer zusammen begonnen; die Töne dazwischen setzen
einzeln oder in kleinen Gruppen ein, sind unterschiedlich lang und mit Pausen
unterschiedlicher Länge durchsetzt. Daher sind die Bereiche zwischen den Akkorden
weniger dicht.

Generalpausen existieren kaum, und wenn, dann eher als kurze Atempausen.

512
Die Töne der "verzerrten" Akkorde sind exakt übernommen von Skizzenblatt 3 aus der Mappe von
Mnemosyne.

393
VII.3.d) "Eintunnelung" der Solostimme von Mnemosyne

"Das Schlussstück des Zyklus ist gleichzeitig das langsamste und das harmonisch klarste. Wie der
Titel (...) indirekt andeutet, werden die in den meisten der sechs vorangegangenen Kompositionen
abgewandelten Akkordmuster hier ein weiteres Mal aufgefächert (...) als allgegenwärtiger Hintergrund,
der dazu dient, frühere 'harmonische Räume' erneut ins Spiel zu bringen oder auszuweiten;
außerdem, um eine diskrete, aber ständig präsente Reihe von Zentraltönen bereitzustellen, um die der
Solist eine begrenzte Zahl von Intervallketten flicht, welche mit strengen Binnenbezügen ausgestattet
und ebenfalls aus den acht Initial-Akkorden abgeleitet sind. Je reicher die Klanglichkeit des
Hintergrunds wird – sie steigert sich von vier bis zu acht Stimmen –, desto größer wird auch der
Spielraum für die Flexibilität der melodischen Variationsmöglichkeiten. Da jedoch im Schlussteil der
Komposition die Anzahl der abgeleiteten Intervalle sich allmählich reduziert, finden sich die
Klanggesten der Bassflöte zunehmend 'eingekreist', 'gefangengesetzt', und zwar innerhalb der
Grenzen, die durch die Tonband-Materialien gezogen sind, bis am Ende der Prozess unweigerlich
zum 'Fade-Out' führt." 513

Die Töne der Flöten des Zuspielbands geben also den "Spielraum" für die Soloflöte
an (1.Vorgabe). In der zeitlich freien Einleitung spielt die Flöte das c2 als Zentralton
mit kleinen Abweichungen aufwärts und abwärts. c2 ist auch der erste Ton vom
Zuspielband, mit Beginn des 1.Teils.

Im weiteren Verlauf bewegt sich die Solostimme in einem engen Bereich um die
gegebenen Hauptnoten herum. Das bedeutet, dass die Flexibilität der Soloflöte
zunimmt, je mehr Flöten (mit verschiedenen Tönen) einsetzen.

Aber nicht nur die Stimmenzahl der begleitenden Flöten bestimmt den Spielraum der
Soloflöte. Für jeden Teil ist eine bestimmte Anzahl von (Sekundär-)Intervallen
angegeben, die – von den Hauptnoten aus gerechnet – von der Soloflöte benutzt
werden dürfen (2.Vorgabe).

Die folgende Übersicht zeigt für jeden Formteil die Sekundärintervalle bzw. -töne
aufwärts und abwärts. Sie sind hier von (der Hauptnote) c2 aus angegeben, werden
aber von jeder anderen Hauptnote (der begleitenden Flöten) aus in gleicher Weise
berechnet.514

513
"The concluding piece of the entire cycle is at once the slowest and the harmonically most explicit.
As the title obliquely implies (…), the chordal patterns diffracted through the most of the previous six
compositions are once more unfolded (…) as a ubiquitous backdrop serving both to repropose or
expand earliuer 'harmonic spaces' and to provide a reticent but insistent series of central pitches,
around which the flutist weaves a limited number of rigidly referential intervallic chains, themselves
derived from the initial series of eight chords. Thus, the richer the background sonority becomes
(progressing from four up to eight prerecorded bass flute lines), the greater the scope for flexibility in
respect of melodic invention. ince, however, during the final section of the composition, the number of
derived intervals is progressively reduced, the gestures of the solo part find themselves increasingly
circumscribed ('imprisoned') within the limits defined by the dense chordal sonorities of the tape until
the inevitable fade out occurs." – (s. Anm. 2) S.137 bzw. S.11.
514
Diese Bereiche kann man sich als "Vektoren" vorstellen, die vom "Punkt" c2 aus angegeben sind,
aber jeweils von jedem beliebigen Punkt ausgehen können. Die schwarzen Notenköpfe zeigen die
Sekundärtöne in Bezug auf c2 als Hauptnote. Der gestrichelte Taktstrich trennt die Sekundärtöne in
obere und untere Ableitungen.

394
"Aufstellung der verfügbaren Tonhöhen" 515

1.Teil: 2.Teil:

3.Teil: 4.Teil:

5.Teil: 6.Teil:

7.Teil: 8.Teil:

9.Teil: 10.Teil:

Ein bestimmtes Muster für den Korridor der verfügbaren Tonhöhen entsteht so für
jeden Formteil neu. Bildlich betrachtet (horizontal) lassen sich sogar kleine
Regelmäßigkeiten in der Anordnung erkennen.

Vierteltöne 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

1.Teil h c cis
2.Teil gis b h c cis
3.Teil h c cis d fis
4.Teil fis b c cis d fis
5.Teil fis c d es
6.Teil a c
7.Teil b c d es f
8.Teil gis c d f
9.Teil g h c
10.Teil c

Im 7. und 8.Teil stehen nur noch 3+3 Töne zur Verfügung, im 9.Teil nur noch 2+2
und im letzten Teil stehen nur noch je ein höherer und ein tieferer Ton zur Verfügung.
Auch auf diese Weise wird der Korridor immer enger und die Solostimme ist
"gefangen" im vorgegebenen Repertoire.

Die beiden Vorgaben bewirken leicht gegenläufige Prozesse: Zu Beginn spielen nur
wenige Flötenstimmen (maximal 4), die Referenztöne haben jedoch einen
vergleichsweise "breiten" Korridor von 4+4 Tönen (zusammen 32 mögliche Töne,
wenn es keine Überschneidungen gibt). Am Ende spielen zwar alle 8 Flöten, die
Korridore sind mit 1+1 Ton jedoch sehr eng (zusammen 16 mögliche Töne, wenn es
keine Überschneidungen gibt).

Auch die Anordnung der Sekundärtöne innerhalb des Korridors wird auf
verschiedene Weise organisiert (und dadurch weiter eingeschränkt; 3.Vorgabe):

515
"Distribution of available pitches" – Übersicht auf Skizzenblatt 7 aus der Mappe von Mnemosyne.

395
"Variationstypen:
1) Zeichne die Oberfläche des Akkordes in konstanten Sekundärintervallen nach (z.B. jeweils 1 Ton
tiefer als die Hauptnote).
2) Nimm im Kreis herum die verschiedenen abgeleiteten Tonhöhen der Hauptnoten, mit Repetitionen
beim Wechsel.
3) Spiegele obere und untere Ableitung.
4) Jedes Ereignis benötigt nur eine Auswahl der intervallischen Möglichkeiten (wobei ein Prinzip sich
auf den gesamten Takt beziehen kann).
5) Nimm zwei Intervalle, lies den Akkord ein zweites Mal, wobei diese Intervalle für aufeinander
folgende Tonhöhen abwechselnd verwendet werden.
N.B.: Wichtig – in komplexer Harmonik –, den Zusammenhang der Sekundärtonhöhen zum Kontext
klar zu machen (oder andere Formen der Betonung des Kontexts)." 516

Gut hörbar sind diese Einschränkungen besonders zu Beginn und ganz am Ende
des Stücks, wo die wenigen Referenztöne sehr dicht umspielt werden.
Ein paar Stichproben517 zeigen die an dieser Stelle für die Soloflöte zur Verfügung
stehenden Töne während des Verlaufs von Mnemosyne:

In Takt 1 sind zu dem einen Hauptton c2 nur die vier nächstgelegenen Vierteltöne als
Sekundärtöne ausgewählt, was der Soloflöte kaum Bewegungen erlaubt.518
In Takt 3 kommt ein zweiter Hauptton dazu, was bereits hier dazu führt, dass sich die
Bereiche der oberen und der unteren Ableitungen überschneiden.

516
"Variational types: 1) tracing the shape of the dhord in constant secondary intervals (i.e. tone lower
than each main tone). 2) cycle round with different [derivated] pitches for each main note, changing
with repetitions. 3) mirror upper and lower derivation. 4) each event utilises only a [few] of the
intervallic possibilities (where some principle can apply to entire [bar], 5) take two intervals, reread
chord alternating those intervals for successive pitches. N.B.: Important – in complex harmonic [form]
– to make clear the relevance of [the] secondary pitches via their [context] (or other forms of textural
emphasis)." – Bemerkung auf Skizzenblatt 7 aus der Mappe von Mnemosyne. Wörter in eckigen
Klammern waren schlecht lesbar und wurden daher sinngemäß ergänzt.
517
Es wurden hier einige Takte ausgesucht, wo sich der Korridor deutlich verändert. Die Darstellung
wurde übernommen aus den Skizzenblättern 12 und 13 aus der Mappe von Mnemosyne. Die Töne
wurden innerhalb der Takte zur besseren Übersicht bisweilen anders angeordnet. Die Töne von Takt
93 stimmen mit der Skizze überein, nicht jedoch mit der Vorschrift von Skizzenblatt 7; die Töne von
Takt 107 sind (hier) nach der Vorschrift von Skizzenblatt 7 gebildet, sie stimmen jedoch nicht mit dem
Tonvorrat von Skizzenblatt 13 überein. An dieser Stelle sind die Angaben auf Skizzenblatt 13 nicht
ganz eindeutig in Bezug auf Oktavversetzungen und die Zuordnung zu den oberen oder unteren
Ableitungen.
518
Der "Tritonus" aus der Vorgabe von Skizzenblatt 7 wird (noch) nicht zugelassen (Er kommt erst ab
Takt 10.), stattdessen ein weiterer Viertelton. Falls es sich nicht um ein Versehen handelt, kann man
auch hier von einer allmählichen Ausweitung des "Spielraums" sprechen.

396
In Takt 9 sind sogar nur die nächstgelegenen drei Vierteltöne erlaubt; dennoch wird
der "Spielraum" der Soloflöte durch das Hinzukommen der dritten (Begleit-)Flöte
weiter vergrößert.
Akkord I Sv Akkord II Sv

Da die Hauptnoten zu Beginn des 2.Teils (Takt 39) bereits mehr als eine Oktav
auseinander liegen, wird der "Spielraum" der Soloflöte bereits auf über zwei Oktaven
ausgeweitet, wobei auch im Mittelbereich genügend Tonhöhen zugelassen sind
(insgesamt 20 verschiedene Tonhöhen im gesamten Bereich).
Die Töne der "verzerrten" Form von Akkord I S erscheinen zu Beginn des 7.Teils
(Takt 93) und erlauben der Soloflöte 24 verschiedene Tonhöhen. In der Partitur
werden nur drei davon verwendet: der höchste (b3), einer aus dem mittleren Bereich
(as2) und (fast) der tiefste (e1).
Ähnlich "dicht" ist auch die Tonvorgabe für Takt 107, den Beginn des 8.Teils.
Aufgrund des längeren Taktes kann die Soloflöte diesmal 10 von 30 verschiedenen
Tönen spielen. Die Soloflöte wagt sich auch diesmal – wenn auch nicht so deutlich –
wieder in Richtung der Extremtöne.

Dass die Töne der Soloflöte nicht vollständig den (prinzipiell) vorgegebenen Tönen
entsprechen, mag an künstlerischer Freiheit oder an Ungenauigkeiten beim
Abschreiben und Ablesen oder schlicht an dem anstrengenden Transponieren im
Vierteltonbereich liegen. Nicht zuletzt deswegen existieren wohl ausführliche Skizzen
zu den Tonhöhen aller Takte.

Durch die weit gehende Identität der Klangfarbe (Solo-Bass-Flöte und Bass-Flöten
auf dem Zuspielband) wirkt die "Eintunnelung" der Solostimme noch eindringlicher.

Intermedio alla Ciaccona wirkt – ohne "gängelndes" Zuspielband – im Gegensatz


zu Mnemosyne wie eine Befreiung. Das Solo-Instrument darf sich diesmal
buchstäblich frei bewegen, gleichsam improvisatorisch frei.

Dieser starke Kontrast verbindet die beiden Stücke ebenso, wie er die jeweilige
Wirkung des einzelnen Stücks durch die Gegenüberstellung verschärft.519

519
Ein Effekt, der sich auch bei den Stichen von Piranesi findet. Die Gegenüberstellung des
Gefangenseins im Kerker mit der Unendlichkeit desselben nach vorne (Der Betrachter steht förmlich
mitten drin.) wie in die Tiefe (Es erscheint keine nach hinten begrenzende Wand.).

397
VIII. Etudes Transcendentales

VIII.1. Zyklus im Zyklus / Anordnung der Etüden


Nachdem bisher die Stücke des Zyklus jeweils eine Einheit für sich gebildet hatten in
dem Sinne, dass es sich jeweils um ein zusammenhängendes Stück gehandelt hat,
ist dies bei den Etudes Transcendentales anders: Neun Lieder zwischen etwa 1 ½
und 6 Minuten Dauer bilden zusammen eine Art Zyklus im Zyklus.

Der Titel "Etudes" bezieht sich in erster Linie auf die Textsammlung von Ernst
Meister, die den Liedern teilweise zugrunde liegt. Der Zusatz "Transcendentales"
weist wohl auf den besonderen Umgang mit dem Text bzw. der Stimme im Verhältnis
zur Musik bzw. instrumentalen "Begleitung".

"Der Titel kann verstanden werden als Wortspiel mit dem ursprünglichen Titel des Sammlung von
Texten von Ernst Meister: "Etüden". Gleichzeitig impliziert er eine Annäherung an das vokale Medium,
das einerseits technisch virtuos ist, andererseits ein Versuch ist, die Beziehung Stimme – Instrument
in einer Art und Weise zu betrachten, die jenseits der eher traditionellen Einstellung gegenüber
wortbezogener Musik." 520

Nicht alle Texte der Etüden sind von Ernst Meister, die meisten stammen sogar von
Alrun Moll, die von Ferneyhough um Texte zum Thema "Stein" im weitesten Sinne
gebeten wurde.

"Ich war sehr beeindruckt von den Gedichten, die Alrun Moll vor einigen Jahren schrieb. Meine
ursprüngliche Idee war, ausschließlich Gedichte von Ernst Meister zu nehmen, aber nach einer Weile
empfand ich, dass es für mich zu wenige seiner Werke gab, die sich mit diesen speziellen Themen
auseinander setzten – mit dem Tod, dem Resonanzpotential von Steinen, der Idee von verschiedenen
Arten von Steinen: Edelsteine, Grabsteine, Natursteine in der Landschaft usw. und ihre kulturelle
Bedeutung – Ich fand nicht, dass es genügend davon bei Ernst Meister gab, so dass ich den ganzen
Zyklus auf die Weise hätte vollenden können, wie ich es ursprünglich wollte. Daher bat ich Alrun Moll,
eine Serie von Texten zu schreiben (Ich glaube, es waren ungefähr zwanzig.), die sich mit diesem
Themenbereich auseinander setzten. Und von diesem Original-Reservoir wählte ich die speziellen
Texte, die mich am ehesten an die formalen oder expressiven Anliegen erinnerten, an denen ich
schon in meinen Gedanken an musikalischen Gestalten und Strukturen arbeitete." 521

520
"The title may be understood, in part, as a play on the generic title of the Ernst Meister texts set:
"Etüden"; at the same time it implies an approach to the vocal medium which is both technically
virtuosic and an attempt to look at the relationship voice / instrument in a fashion advancing beyond
some of the more traditional assumptions associated with verbally-related music." – Bemerkung auf
Skizzenblatt [A2] aus der Mappe von Etudes Transcendentales. Wahrscheinlich handelt es sich hier
um eine Ankündigung, da der Text nicht im Präsens, sondern im Futur formuliert ist.
521
"I was very imposed by the poem Alrun Moll had been writing for several years. My original idea
was to take entirely Ernst Meister poems, but I felt after a while that there weren't enough of his works
available to me which concern themselves with this particular circle of themes – of death, the
resonance potential of stones: precious, gravestones, natural stones in the landscape, and so on, and
their cultural significance – I didn't feel there was enough if this in Ernst Meister to enable me to
complete the cycle on the scale which I originally intended. Therefore I asked Alrun Moll to write me a
series of (I think there must have been about twenty) texts, circling around this set of themes. And
from the original reservoir I chose the particular texts which seemed to me most redolent of the formal
or expressive concerns which I had been working on in my imagination of musical shapes and
textures." – (s. Anm. 6) S. 297.

398
Die folgende Übersicht soll einen ersten Einblick in die Etudes Transcendentales
erlauben:522

Nr.1 Etüden I (Ernst Meister) 36 Takte ca. 3 min Oboe


Nr.2 Etüden II (Ernst Meister) 22 Takte ca. 2 ½ min Oboe Cello
Nr.3 Komet (Alrun Moll) 39 Takte ca. 1 ½ min Cello Cembalo
Nr.4 Kartusche (Alrun Moll) 28 Takte ca. 2 ½ min Flöte
Nr.5 Elysium (Alrun Moll) 30 Takte ca. 2 ½ min Ensemble
Nr.6 Der Grund kann nicht reden (Ernst Meister) 48 Takte ca. 3 ½ min Alt-Flöte Cello
Nr.7 Kalypso (Alrun Moll) 47 Takte ca. 2 ½ min Picc.Ob.Cemb.
Nr.8 Pythia (Alrun Moll) 79 Takte ca. 3 min Cembalo
Nr.9 Persephone (Alrun Moll) 90 Takte ca. 6 min Ensemble

Verbunden sind die Etüden bisweilen durch Atacca-Einsätze (zwischen Nr.5 und Nr.6
und zwischen Nr.8 und Nr.9).
Zäsuren entstehen durch Fermaten (zwischen Nr.4 und Nr.5 und zwischen Nr.6 und
Nr.7). Eine etwas längere Fermate ("Fermata abbastanza") trennt Nr.3 von Nr.4.

Das Ensemble ist – zusätzlich zum Mezzo-Sopran – besetzt mit Flöte (auch Alt-Flöte
in Nr.6 und Nr.9 und Piccolo-Flöte in Nr.7 und Nr.9), Oboe (auch Englisch Horn in
Nr.5), Cello und Cembalo.
Zur Auswahl der Ensemble-Instrumente schreibt Ferneyhough:

"Ich hatte genug vom Klang des "Pierrot Lunaire" Ensembles mit der Klarinette, dem eher weißen
Sound; und ich suchte etwas, das für meinen Stil fremdartig schien: eine unnachgiebig metallische
Qualität. Und nachdem ich Superscriptio geschrieben hatte, was in derartiger Qualität war, wollte ich
mich nicht noch einmal auf die Flöte konzentrieren, also entschied ich mich, es mit der Oboe zu
versuchen, und in diesem Stadium hatte ich schon das erste Lied geschrieben. Zu diesem Zeitpunkt
war das erste Lied noch nicht notwendigerweise als Teil eines größeren Werkes vorgesehen: es war
vielmehr ein reines Experiment, ein Versuch, auf meine Weise vokalen Ausdruck wiederzugewinnen
und die Interpretation oder Integration von Text in einen musikalischen Kontext. Also war dies
wiederum eine Reihe von zufälligen Gegebenheiten: die Wahl der Oboe und der Wunsch nach
mindestens einem harmonischen Instrument, wobei das Cembalo eine perfekt geeignete Begleitung
war. In gewisser Weise war es gar kein besonders geeignetes Instrument, weil es (a) sehr leise war
und (b) je komplexere Harmonien man spielt, umso weniger differenziert wirken die Zusammenklänge
schließlich. Ich musste also sehr vorsichtig sein beim Gebrauch des Cembalos in diesem Werk –
damit es nicht auf einer gewissen Stufe der Entropie ankam, in der das Cembalo z.B. bestenfalls
Ersatz für Perkussionsinstrumente war." 523

Das Cello hat seine besonderen Qualitäten sicher in seiner Klangvielfalt und im
besonders großen Ambitus; bisweilen entsteht durch spezielle Anweisungen und
extreme Lage sogar der Klang einer Geige.

522
Der vollständige Text der 9. Etüde findet sich auf Seite 420.
523
"I was tired of the 'Pierrot Lunaire' ensemble sound, with the clarinet – the rather white sound – and
I was interested in having something which for my style seemed alien: a hard-edged metallic quality.
And having written Superscriptio, which itself has this quality, I didn't want again to concentrate on
the flute, so I decided to ally it to the oboe, and at that stage I'd already written the first song. At that
point the first song was not seen as part of a larger work, necessarily; it was a pure experiment in
trying to reapproach, on my part, vocal gesturalization, and the interpretation of the integration of text
into a musical context. So again, that was a series of quite fortuitous circumstances: having chosen
the oboe, then having wanted at least one harmonic instrument, the harpsichord seemed a perfectly
suitable concomitant. In a sense it was not a very suitable instrument, because (a) it's very quiet, and
(b) the more complex the harmonies you play, the less differentiated the final sounds become. So I
had to be very careful in the use of the harpsichord in this work – that one didn't arrive at a certain
stage of entropy in which the harpsichord was just a replacement for percussion instruments, for
instance." – (s. Anm. 6) S. 294.

399
Weitere Vorgaben deutet Ferneyhough an524, die jedoch nicht vollständig umgesetzt
wurden.
So soll jedes Instrument in genau fünf der neun Lieder vorkommen; dies ist der Fall.
Außerdem soll jede Kombination genau einmal vorkommen mit Ausnahme der Tutti-
Besetzung, die zweimal vorkommt. Letzteres stimmt: In Nr.5 und Nr.9 spielen alle
Instrumente. Dass jede mögliche Kombination genau einmal vorkommt, ist schlicht
unmöglich bei nur neun Liedern. Es gibt jedoch drei von vier möglichen Duos (Cello
und Stimme fehlt), drei von sechs möglichen Trios und eines von vier möglichen
Quartetten (Flöte, Oboe und Cembalo in Nr.7).
Die "Tutti-Lieder" sollen in der Mitte und ganz am Schluss kommen. Auch dies ist der
Fall.

Auch Entwicklungen innerhalb dieses Zyklus von neun Etüden spielen eine große
Rolle: Zum einen gliedern sie den Zyklus in drei Gruppen, zum anderen zeigen sie
Gegensätze und Zusammenhänge innerhalb des Zyklus auf.

"Die Instrumentierung jedes Liedes ist sehr spezifisch: in der ersten Dreiergruppe herrscht die Oboe
vor – speziell im eröffnenden Duo von Oboe und Stimme. In der zweiten Gruppe steht die Flöte im
Vordergrund, was sich wiederum durch ein Duo mit der Singstimme ankündigt. In der dritten ist das
Cembalo besonders aktiv und hat 'sein' Duo im achten Stück. Nur die Lieder 5 und 9 sind für das
gesamte Ensemble geschrieben." 525

Die Rolle der Stimme entwickelt sich dabei von mittlerer Wichtigkeit in der ersten
Etüde über größte Wichtigkeit in der mittleren zu geringster Wichtigkeit in der letzten
Etüde.526

"Der Zyklus gliedert sich in drei Untergruppen mit je drei Stücken. Meine ursprüngliche Absicht – die
ich allerdings nicht bis ins letzte Detail ausgeführt habe – bestand darin, das mehr 'automatisierte'
Ende des kompositorisch-konzeptionellen Spektrums sich im ersten Stück jeder Gruppe spiegeln zu
lassen, das mehr 'informelle' im zweiten und relativ komplexe Zusammenstöße oder
Wechselbeziehungen der beiden Haltungen im dritten. Diese Anordnung sollte des weiteren für das
Verhältnis der Untergruppen zueinander maßgebend sein. In Wirklichkeit liegen die Dinge
unvermeidlicherweise komplexer: jeder Satz zeigt mehr oder weniger deutlich hervortretende
Eigenschaften beider Enden des Spektrums." 527

Richard Toop hat Ferneyhouhgs Beschreibungen zur Anordnung des Etüden-Zyklus


im Verlauf des Gesamtzyklus Carceri d'Invenzione grafisch dargestellt.
Die Gegensätze von "automatisiert" und "informell" sind dabei hervorgehoben, auch
wenn sie in der endgültigen Komposition nicht so deutlich erscheinen.

524
Bemerkungen auf Skizzenblatt [A2] aus der Mappe von Etudes Transcendentales.
525
"The instrumentation of each song is very specific: in the first group of three the oboe predominates
– most strikingly in the opening voice / oboe duet. In the second group, the flute assumes the
foreground, again announced by a duet with voice (song 4). In the third group, it is the harpsichord
which is notably active, although 'its' duet falls in eighths, rather than seventh, place. – (s. Anm. 2)
S.136 bzw. S.10.
526
Bemerkung auf Skizzenblatt [A4] aus der Mappe von Etudes Transcendentales.
527
"The piece is divided into three times three subgroups: although not finally carried out into the last
detail, my original intention was to reflect the more 'automatised' end of the spectrum in the first piece
in each group, the more 'informal' in the second, and a relatively complex collision, interpenetration or
interaction of both in the third. This layout was to be further mirrored in the relationship of the three
subgroups to each other, each one primarily embodied one of the three defining generative
categories. In the event, the things inevitably became more ambiguous: each movement has more or
less clearly evident qualities characteristic of both ends of the compositional / conceptual axis." – (s.
Anm. 2) S.136 bzw. S.10.

400
528
"Ferneyhough's overall plan for the Carceri d'Invenzione cycle"

autom. Superscriptio
(Solo Piccolo)

Carceri d'Invenzione I Carceri d'Invenzione III


(16 Instrumente) (15 Bläser + 3 Perkussion)

Etudes Transcendentales / Intermedio II


(Mezzo-Sopran
Flöte
Carceri d'Invenzione II Oboe
(Flöte + 20 Instrumente) Cello
Cembalo)

inform. Intermedio I Mnemosyne


(Solo Violine) Bass-Flöte + Band

autom. = automatisiert
inform. = informell
synth. = synthetisch

autom. inform. synth.

I II III

autom. inform. synth. autom. inform. synth. autom. inform. synth.

Flöte Alt-Flöte Alt-Flöte Piccolo Flöte


Oboe Oboe Engl.Horn Oboe Oboe
Cello Cello (pizz.) Cello Cello Cello
Stimme Stimme Stimme Stimme Stimme Stimme Stimme Stimme Stimme
Cembalo Cembalo Cembalo Cembalo Cembalo

(Oboen-Gruppe) (Flöten-Gruppe) (Cembalo-Gruppe)

Zur Gegenüberstellung von "automatisiert" (I) und "informell" (II) gibt es von
Ferneyhough selbst folgende Übersicht:529

"Die kompositorische Realisation dieses strukturellen Schemas kann als übergeordnetes "Thema" des
gesamten Zyklus Carceri d'Invenzione gesehen werden:

(I) (II)

1) völlig automatisierte Erzeugung 1) frei erfundene ("physiognomische")


(Material ist der pure Nachweis Figuren. Prozess drückt die materielle
der Methode). Substanz aus.

2) a) Automatisierte Figuren, neu geordnet 2) a) Frei erfundene Figuren, eingebunden


in Takt-Längen-Verformungstechnik. in ein Netzwerk von Konventionen über
Wechselbeziehungen.

b) Freie Behandlung des Materials, aber b) Frei erfundene Figuren, neu geordnet
räumliche Ordnung durch Punktgitter des in Takt-Längen-Verformungstechnik.
automatisierten Systems.

3) Freie "thematische" Behandlung von 3) Frei erfundene Rhythmen, die


automatisch hergeleiteten Figuren. automatisierte Filterprozesse regulieren."

528
Die Grafik ist entnommen aus dem Artikel von Richard Toop (s. Anm. 491) S.60.
529
"The compositional realisation of this structural scheme might be seen as the overall "theme" of the
entire "Carceri"-cycle: I.1) Fully automatised generation (material is purely evidence of a method). – I.
2)a) Automatised figures, reordered by bar-length distortion techniques. – I.2)b) Free treatment of
material but spatially located by point-grid of automatised system. – I.3) Free "thematic" treatment of
automatically-derived figures. – II.1) Freely invented ("physiognomic") figures. Process express
material substance. – II.2)a) Freely-invented figures, enclosed in a network of interreferential
conventions. – II.2)b) Freely-invented figures, reordered by bar-length distortion techniques. – 3)
Freely-invented rhythms, employed to regulate automatised filtering processes." – Übersicht auf
Skizzenblatt [A5] aus der Mappe von Etudes Transcendentales.

401
Sie bezieht sich nicht allein auf die (geplante) Anlage der Etüden, sondern spiegelt
die Gegenüberstellung mitsamt Anhaltspunkten zur kompositorischen Umsetzung
innerhalb des ganzen Zyklus Carceri d'Invenzione wieder.

Innerhalb des Gesamtzyklus sollte die Länge der Etudes Transcendentales


insgesamt etwa 18 (statt in Wirklichkeit 27) Minuten betragen:

"Die Länge liegt zwischen dem Flötenkonzert [Carceri d'Invenzione II] und Carceri d'Invenzione III,
wie es auch in die Anordnung des Zyklus passt und zur Tendenz, dass die Stücke immer länger
werden. Bei einer kompletten Aufführung des Zyklus wäre es ratsam, zwischen dem Flötenkonzert
und den Etudes Transcendentales eine Pause einzuschieben, so dass jede Hälfte des Programms
etwa 45 Minuten dauert." 530

Zum Zeitpunkt dieser Aussage waren die Etüden offenbar noch nicht vollendet531,
d.h. Carceri d'Invenzione III, Intermedio alla Ciaccona und Mnemosyne waren
auch noch nicht vollendet bzw. vermutlich noch nicht einmal begonnen. Die
Relationen der Stücke zueinander hat sich im Nachhinein deutlich verschoben. Sie
wurden im Laufe des Zyklus nicht länger, sondern die Etudes Transcendentales
sind schließlich der längste Teil des Zyklus geworden.

Dies wirkt wie ein Widerspruch, da die Etudes Transcendentales mit ihren etwa 1 ½
bis 6 Minuten langen Einzelstücken zugleich die kleinsten Einheiten des
Gesamtzyklus enthalten. Einzig Superscriptio ist mit seinen etwa 5 ½ Minuten
Dauer ein wenig kürzer als die Etüde Nr.9.

"Wieder ist es dieses ziemlich dialektische Ineinandergreifen von Extremen, das mich interessierte. In
gewisser Weise ist es eine Art "mise-en-abîme" des gesamten Zyklus, obwohl sich die Anzahl der
Sätze [=9] unterscheidet von der Anzahl der Stücke des Zyklus [=7]. Nichtsdestoweniger sind die
Parallelen recht klar – die Idee, dass die Stücke so kurz sein sollen, dass sie auf der einen Seite
fassbar sind als kleine, kompakte Formen. Auf der anderen Seite bewegen sie sich in sich so schnell
aufgrund ihrer Natur, dass der Geist und das Bewusstsein ständig hinterher rennen und man nur
verstehen kann, was in dem Stück steckt, nachdem es fertig ist; und man muss dann versuchen sich
das zu Nutze zu machen, was man gerade erfahren hat beim Versuch, das eine Stück zu erfassen,
während das nächste Stück sofort folgt. Und es war für mich in höchstem Maße bedeutend für die
Auswahl der Texte, für die Art, wie die Texte vertont wurden und für die Relation, in der die
musikalischen Formen zu den Texten standen, dass ich versuchen wollte, eine Art unterbrochener
Kontinuität zu entwerfen." 532

530
"In length it lies between the Flute Concerto and Carceri III as befits this order in the cycle and this
latters tendency to increased length of work as it goes on. In a complete performance of the cycle, it
would presumably be advisable to insert a pause between the Flute Concerto and "Transcendental
Studies", so that about 45' music is allotted to each half of the programme." – Bemerkung auf
Skizzenblatt [A2] aus der Mappe von Etudes Transcendentales.
531
vgl. auch Anm. 520.
532
"Again it's this rather dialectical interlocking of extremes which interested me. In a sense, it's a sort
of "mise-en-abîme" of the entire cycle, although it's got a different number of movements than the
cycle has pieces. Nevertheless, the parallelism is quite clear – the idea of the pieces being so short
that on the one hand they are comprehensible as small, compact battery-like forms. At the same time
they move so fast in themselves by their very nature, that the mind and the spirit are always running to
keep up, so that you only catch up with what's in a piece when it's finished, and you've got to then try
and reutilize that which you've just experienced in trying to come to terms with the one piece in the
one that immediately follows. And it as tremendously important for me in the choice of texts, and in the
way the texts are laid out in the music, and in the way I relate the musical forms to the texts, that I
should try to create some sort of broken continuity." – (s. Anm. 6) S.296.

402
Auffallend lang ist die letzte Etüde; mit über 6 Minuten Dauer ist sie fast doppelt so
lang wie die längste der anderen acht Etüden.

Durch die nochmalige Verwendung des gesamten Ensembles – sogar mit


(abwechselnd) allen drei Flöten – wirkt die 9.Etüde nicht nur als ausführliches
Schlussstück, sondern auch als Zusammenfassung des gesamten Etüden-Zyklus.

"Das letzte Stück ist zugleich Rekapitulation, "Verdichtung" und instrumentale Ausschmückung aller
vorangegangenen Sätze." 533

Von der Textbehandlung her wirkt diese Etüde auffallend vielseitig: der Text wird z.B.
– im Gegensatz zu den anderen Etüden – nicht ein einziges Mal vollständig
gesungen. Dreimal setzt die Stimme ein: zuerst mit aneinander gereihten, perkussiv
klingenden Konsonanten, die unterstützt werden durch die von der Sängerin
gespielten Claves; beim zweiten Mal folgt ein ausgedehntes Melisma bzw. eine
Quasi-Koloratur, die ausschließlich aus einer Folge von Vokalen gebildet ist; beim
dritten Anlauf erst lässt sich der Text als solcher identifizieren, allein er wird (erstmals
im Zyklus) gesprochen statt gesungen.

"Das letzte Lied hat den Charakter einer ausgedehnten "Fantasie", die das generelle Layout des
Stücks als Ganzes wiederaufnimmt. Der Beitrag der Stimme nimmt in den mittleren Liedern
tendenziell zu (in Bezug auf das Solo) und nimmt gegen Ende ab (in Bezug auf einen Stil, in dem die
Stimme über weite Strecken eher als Erweiterung von instrumentalen Resonanzen und Figurationen
etc. zu hören ist denn als eine unabhängige selbständige Einheit)." 534

Aufgrund der besonderen Rolle der Etude Transcendentale Nr.9 wird diese –
stellvertretend für die anderen, nicht weniger interessanten Etüden – hier näher
untersucht, auch im Hinblick auf einen höranalytischen Zugang.

Für die anderen acht Etüden sollen an dieser Stelle ein paar wenige Stichworte des
Komponisten kleine Anhaltspunkte liefern:535

"Song-Analyse

Song 1 (als erstes komponierter Song) Grundform 36 Takte – wie unterteilt ? Versuche auszuarbeiten,
wie das Taktschema gemacht ist. Prinzipien des Systems zur Taktlängen-Unterteilung. Prinzipien des
Filter-Systems. Referenz-System für die Ableitung der Tonhöhen der zweiten Hälfte.

Song 2 (als zweites komponierter Song) Verknüpfung von zwei Extremen (Cello + "the rest").
Verknüpfung von zwei formalen Kategorien (überlappendes Prinzip). Verschiedene
Entwicklungsbahnen von "informellen" und "automatisierten" Materialien.

533
"The last piece is both a recapitulation, "densification" and instrumental embellishment of all
preceding movements." – Bemerkung auf Skizzenblatt [A4] aus der Mappe von Etudes
Transcendentales. Das Blatt ist datiert vom März 1982.
534
"The final movement will be in the nature of an extended "fantasia" retracing the general layout of
the work as a whole. The vocal contribution will tend to increase towards the middle movements
(towards the solo) and decrease towards the conclusion (towards a style in which the voice is heard
largely as an extension of resonance, figurations etc. emanation from the instruments rather than as
an independent entity in its own right)." – Bemerkung auf Skizzenblatt [A2] aus der Mappe von Etudes
Transcendentales.
535
Ziemlich ausführliche Analysen der Etüden Nr.1, Nr.2, Nr.3 und Nr.6 finden sich in dem Artikel von
Richard Toop. (s. Anm. 491) S.61-88.

403
Song 3 (als viertes komponierter Song) Verschiedene Perspektiven der Möglichkeiten des
"Verknüpfungs"-Prozesses (Cembalo: "automatisiert" / "frei" – Cello: "frei" – "automatisiert").
Multimetrische Konzeption. Interaktion von instrumentalem und vokalem Part.

Song 4 (als siebtes komponierter Song) Erzeugung des Flöten-Materials. Einfachheit der Form.
Repetitive Tonhöhenmuster in der Stimme.

Song 5 (als sechstes komponierter Song) Doppelter metrischer Plan auf zwei Ebenen (Taktlängen-
Unterteilungsschemata). System der Konstanz und Variation innerhalb der metrischen Patterns.
Überschneidungstechnik bei der Entwicklung des Cembalo-Parts. Beispiele von verschiedenen
Graden an Klarheit dieser Ideen.

Song 6 (als drittes komponierter Song) Gegenüberstellung von Tonhöhen- und Rhythmus-Ableitungen
in der Stimme mit denen in den Instrumenten. Taktlängen-Unterteilungssysteme als definierender
Faktor bezüglich der Platzierung von instrumentalem Material. Typen des instrumentalen Materials.

Song 7 (als fünftes komponierter Song) Gegenüberstellung von metrischen Patterns und strikten
Akkord-Ableitungen in der Stimme mit freien Elementen in den Instrumenten. Idee von "Resonanz-
Pausen" als formale Strukturelemente.

Song 8 (als letztes komponierter Song) Metrisches Schema. "Absurde" Überlappung von Fragmenten
in der Stimme und im Cembalo. Verknüpfung von zwei zerhackten Text-Aufstellungen in der Stimme.
Ästhetik der vokalen Entwicklung und der "Sampling-Technik" des Cembalos. ("Toter Punkt" des
Zyklus)." 536

536
"Song-analysis. Song 1 (first song composed) Basic form 36 bars – how subdivided ? Try and work
out how bar-scheme was done. Principles of bar-length subdivision system. Principles of filter system.
Reference system for pitch derivation of second half. Song 2 (second song composed) Interlocking of
two extremes (cello + the rest). Interlocking of two formal categories (overlapping principle). Different
development-trajectories of "informal" and "automatic" materials. Song 3 (fourth song composed)
Different perspective on "interlocking" process possibilities (hpschd: "autom." / "free" – cello: "free" /
"autom."). Multimetric conception. Interaction of instrumental and vocal part. Song 4 (seventh song
composed) Generation of flute materials. Simplicity of form. Repetitive pitch patterns in voice. Song 5
(sixth song composed) Double metric plan on one level (bar-length subdivision schemes). System of
constancy and variation in metric patterns. Cross-over technique in development in harpsichord part.
Examples of various degrees of clarity of these ideas. Song 6 (third song composed) Opposition of
pitch / rhythm derivation in voice to that in instruments. Bar-length subdivision system as defining
factor in placing of instrumental materials. Types in instrumental materials. Song 7 (fifth song
composed) Opposition of metric patterns and strict chord-derivations in voice to free elements in
instruments. Idea of "resonance-pauses" as formal structuring element. Song 8 (last composed) Metric
scheme. "Absurd" overlapping of fragments in voice and in harpsichord. Interlocking of two chopped-
up text-settings in voice. Aesthetics of vocal development and sampling-technique of harpsichord.
("Dead point" of cycle)." – Übersicht zu den Etüden Nr.1 bis Nr.8 (ohne Nr.9) auf Skizzenblatt [A1] aus
der Mappe von Etudes Transcendentales. Demnach wurde Nr.9 nach allen anderen Etüden
komponiert.

404
VIII.2. Skizzen von Etudes Transcendentales
Zu jeder Etüde existieren zwei Mappen, eine mit Skizzen im Format A4 und kleiner,
die andere mit größeren Übersichtsblättern (B bis S). Dazu gibt es zwei Mappen mit
Skizzen zu den Skizzen allgemein (A und T), eine Mappe mit Teilen einer Analyse
der 8.Etüde, drei Mappen mit Partiturseiten (V, W und X) und eine mit den
gesammelten Texten der Etüden (Y).
Im folgenden sind die für die Etude Transcendentale Nr.9 relevanten Skizzen
angegeben.

Etude Transcendentale Nr.9 – Einzelblätter A4 und kleiner

J [1] (10x10 cm) Notizen zum Rhythmus


J [2] (10x10 cm) Stichworte zur Anlage
J [3] (10x10 cm) Notizen zu Bar-Scheme Version 1, Proportions
J [4] (10x10 cm) Stichworte zu Cembalo und Instrumentation (Beginn)
J [5] (10x10 cm) Stichworte zu Klangfarben und Text (Konsonanten + Vokale)
J [6] bar overlapping scheme (version 1); Rückseite: Partitur T.1-5 mit Cembalo (!)
J [7] Studien zur Notation überlagerter irrationaler Rhytmen
J [8] Rhythmus von Oboe und Flöte T.51-61 (rot und schwarz notiert)
J [9] Entstehung des Rhythmus der Vocalise (T.50-63): Grundrhythmus + 2 Filter
J [10] Studien zu rhythmic development
J [11] Rhythmus von Cembalo und Claves (T.6-10) (alte Version)
J [12] Stichworte zur Anlage; Rhythmus-Studien (Piccolo+Oboe+Cello)
J [13] Rhythmus Cembalo-Cadenza+Picclo+Oboe+Cello (alte Version)
J [14] Partitur T.64-72; Notizen

Etude Transcendentale Nr.9 – Einzelblätter A3 und größer

S [1] hapsichord pitch materials transpositions; Studien zum Rhythmus der inserts
S [2] (MM-Papier, ca.60x40 cm) final bar scheme; Rückseite: bar overlapping scheme
S [3] Paritur T.1-9 (ohne Cembalo) mit Notizen über Tonhöhen und Anlage
S [4] ganz viele Notizen und Studien zum Rhythmus
S [5] rhythmic patterns and subdivision system (T.10-41) + Stichworte
S [6] Rhythmus Cembalo (alte Version)
S [7] Rhythmus Cembalo (T.73-76) alte Version; Cello-Kadenz (T.13-16)
S [8] Rhythmus Cembalo (T.19-32), farbige Kennzeichnung akkordischer Strukturen
S [9] Entstehung des Rhythmus der Konsonanten (T.19-34)
S [10] Rhythmus von the reasonable tutti (T.42-48)
S [11] flute categories; Rhythmus-Studien
S [12] Rhythmus von Flöte, Oboe, Cello und Voice (T.51-62)
S [13] Rhythmus-Zellen Nr.1-12; Notizen; Taktschema (tutti 1T.43-47 und T.84-92)

405
VIII.3. Analyse der Etude Transcendentale Nr.9

VIII.3.a) Gesamtanlage
Die Etüde lässt sich am deutlichsten anhand der Erscheinungsform der Stimme
gliedern: So werden im Anfangsteil (etwa bis Takt 38) ausschließlich Konsonanten
vorgetragen, im Mittelteil (etwa Takt 39 bis 63) ausschließlich Vokale und im
Schlussteil (etwa ab Takt 64) der gesprochenen Text.

Zwei Instrumentengruppen stehen sich in dieser zweiten der beiden Tutti-Etüden


gegenüber: die Melodieinstrumente Flöte, Oboe und Cello und die eher rhythmisch-
perkussiven Instrumente Claves (gespielt von der Sängerin), Cembalo und Stimme.
Die Rolle des Cello kann wechseln, wenn es z.B. pizzicato das Cembalo "begleitet";
ebenso flexibel ist die Stimme: die Konsonanten vertreten den perkussiven Part, die
Vokale den melodisch-fließenden; der gesprochene Text kann als "Mittelweg" oder
als "Sonderweg" verstanden werden.

Die Etüde beginnt mit einem Vorspiel in sehr hoher Lage von den drei Melodie-
Instrumenten Flöte, Oboe und Cello. Sie beginnen gleichzeitig und unisono mit dem
Ton fis3, gefolgt vom kanonartigen Wechsel zu den Tönen, g3 und a3 in drei
verschiedenen Tempi und drei verschiedenen Klangfarben (Piccolo: Triller, Oboe:
non vibrato und Cello: Flageolett). Durch die extreme Lage und den Zusammenklang
der verschiedenen Instrumente und Klangfarben auf ein und demselben Tonhöhe
sind die einzelnen Instrumente anhand ihrer klanglichen Charakteristika nicht zu
identifizieren. Erst in der Auseinanderentwicklung, spätestens in den Kadenz-Teilen,
wird allmählich klar, welches Instrument was spielt.

intransigente quasi una fantasia (= unversöhnlich wie eine Phantasie)


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
3/8 5/16 4/8 5/16 2/8 3/8 17/32 5/8 5/16 4/8 5/16 2/8 5/16 17/32 3/8 5/16 5/8 1/16
Flöte Picc.
Oboe
Cello alla cadenza
Sopran
Claves Claves
Cembalo

Bis Takt 38 etwa geht dieser Anfangsteil, bei dem jedes Instrument durch einen
kurzen Kadenz-Teil ("alla cadenza") für ein paar Takte virtuos hervortritt. Das
liegetonartige Verharren auf extrem hohen Tönen wird dabei abrupt abgelöst durch
eine wesentlich dichtere und unruhigere Bewegung im deutlich nach unten
ausgedehnten Register. Die Kadenz des Cembalos, die letzte der vier Kadenzen,
wird unterstützt durch Pizziccato-Töne des Cello ("quasi come un cembalo").In Takt
10 kommen die Claves dazu und kündigen den perkussiven Klang der von der
Stimme vorgetragenen Konsonanten an.

Die Stimme hat ihren ersten Einsatz schließlich gemeinsam mit dem Cembalo in Takt
19 und beendet damit die Dominanz der extrem hohen Linien der
Melodieinstrumente.

406
19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
5/16 1/16 5/16 4/8 5/16 2/8 3/8 17/32 5/8 5/16 2/8 5/16 17/32 5/16 5/16 3/8 3/8 3/16 3/8 1/16
Fl. alla cadenza
alla cadenza
quasi...cembalo
Konsonanten

alla cadenza

Mit dem ersten (vom Komponisten so bezeichneten) Tutti-Teil in Takt 42 bis 48, dem
"vernünftigen Tutti", setzen die Claves wieder ein und bereiten den zweiten Einsatz
der Stimme vor, die Vokalise, die in Takt 50 beginnt.

florido (= blühend, figuriert)


39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58
2/8 2/8 2/8 3/8 5/16 5/8 17/32 5/16 5/16 17/32 5/16 11/32 9/32 3/32 9/32 3/32 7/32 9/32 11/32 9/32

Vokalizzo
Claves

1.Tutti ("reasonable")

Sie endet mit dem zweiten Tutti-Teil, dem "unvernünftigen Tutti", das auch den
Mittelteil der Etüde etwa in Takt 65 abschließt.

inquieto (= unruhig) piacevole (= angenehm, hübsch, gefällig) subito scorrevole (= plötzlich fließend)
59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78
9/32 5/16 5/16 17/32 5/16 5/16 1/8 3/16 3/16 3/16 5/16 1/8 3/8 1/8 2/8 1/16 2/8 7/32 3/32 7/16

Text gesprochen

2.Tutti ("unreasonable") 3.Tutti ("maniacal")

In Takt 66 beginnt der Schlussteil der Etüde mit dem Beginn des gesprochenen
Textes. Nur der Beginn ist in der Partitur festgelegt. Der weitere Verlauf des Textes
wird mehr und mehr unabhängig vom musikalischen Fortgang. Zum Beginn des
gesprochenen Texts steht bei Takt 66 der Partitur:
"Stimme beginnt während des angezeigten Taktes. Es soll ruhig und gleichmäßig gesprochen werden
und kein Versuch gemacht werden, den Text zu "dramatisieren". Artikulation mit Hilfe von leichten
Pausen. Es soll KEINE Rücksicht auf Struktur oder Lautstärke der Instrumente genommen werden,
auch wenn die Stimme gelegentlich verdeckt wird." 537

Das Ende des gesprochenen Textes ist also nicht exakt festgelegt und hängt vom
persönlichen Tempo der Vortragenden538 ab. Es folgt ein dritter Tutti-Teil, das
"wahnsinnige Tutti".

537
"Voice begins during bar indicated. Speak calmly and evenly. Make no attempt to "dramatise" the
text. Artuculate by means of slight pauses. Pay NO attention to texture or volume of instrumental
materials, even if the voice be occasionally obscured." – Bemerkung in der Partitur von Etudes
Transcendentales, S.59.
538
Die Grafik zeigt, an welcher Stelle z.B. bei der Uraufführung der Text zu Ende gesprochen war.
Brenda Mitchell trug damals den Text vor.

407
Ab Takt 82 sind die Takte durch immer länger werdende Pausen und stetig
wechselnde Besetzungen voneinander getrennt. Dieses "Coda-Quodlibet" – es
beginnt mit dem vierten und "letzten" Tutti-Teil – markiert sowohl das Ende der Etüde
als auch das des Zyklus der Etudes Transcendentales.

"Sogar die Musik wird in der letzten Analyse von zunehmend aufdringlichen Fermaten abgetragen,
wobei die Strategien für eine Fortdauer dieses Diskurses Stück für Stück negiert werden. Stimme und
Musik sind nicht in der Lage gewesen, noch länger zu koexistieren; gleichzeitig ist die Musik erschöpft,
wenn seine Wurzeln in der stimmlichen Artikulation überstiegen worden sind. Diese problematische
Beziehung muss neu definiert werden." 539

Coda-Quodlibet
ombroso acerbo etereo violente lont/furioso elegante duro trasparente
79 80 81 82 (2") 83 (3") 84 (4") 85 (5") 86 (6") 87 (7") 88 (8") 89 (9") 90
5/16 1/16 5/16 3/8 5/16 4/8 5/16 2/8 3/8 17/32 5/8 5/16
Picc. Fl. Alt-Fl. Fl.

(Nachspiel)
4.Tutti ("final")

Die Takte 83 bis 90 enthalten dabei – mit Ausnahme von Takt 86 – genau die
Besetzungskombinationen, die in den vorangegangenen Etüden (noch) nicht
vorkamen.

Die folgende Übersicht zeigt, welche Besetzungen in den Etüden bereits vorkamen
und welche in der Etüde Nr.9 "nachgeholt" wird (mit Taktangabe), so dass tatsächlich
alle Besetzungen genau einmal vorkommen.540

"Duos" Stimme + ... "Trios" Stimme + ... "Quartette" Stimme + ...

Etüde Nr.1 ... Flöte Takt 88 ... Flöte + Oboe Takt 83 ... Flöte + Oboe + Cello

Etüde Nr.4 ... Oboe Etüde Nr.6 ... Flöte + Cello Etüde Nr.7 ... Flöte + Oboe + Cembalo

Takt 84 ... Cello Takt 98 ... Flöte + Cembalo Takt 90 ... Flöte + Cello + Cembalo

Etüde Nr.8 ... Cembalo Etüde Nr.2 ... Oboe + Cello Takt 87 ... Oboe + Cello + Cembalo
(und Takt 86)
Takt 85 ... Oboe + Cembalo

Etüde Nr.3 ... Cello + Cembalo

539
"Even music, in the final analysis, is worn away by increasingly obtrusive fermatas, the strategies
for the continuance of its discourse being negated one by one. Voice and music have not been able to
coexist any longer; at the same time music is exhausted when its roots in vocal articulation have been
transcended. The problematic relationship between them must be defined anew." – Bemerkungen
Ferneyhoughs in DRIVER, Paul: Speaking with tongues – Composing for the voice: a
correspondence-conversation. Brian Ferneyhough interviewed by Paul Driver. (1989; engl.) in:
Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers,
Amsterdam 1996, S.368.
540
mit Ausnahme von Takt 86 von Etüde Nr.9.

408
VIII.3.b) Taktdisposition
"Ich lege manchmal Taktarten symmetrisch an, aber in nachträglichen Bearbeitungen verwische ich
gerne meine Spuren. Für den Hörer bleibt nichts übrig von derlei Umrissen. Viel wichtiger als
irgendwelche formalen Proportionen ist mir der Eindruck, dass verschiedene Ebenen des Werks
miteinander in Konflikt geraten, dass eine gewisse Verschwommenheit oder Labilität der sich
bedingenden Ebenen zustande kommt, wo der Hörer dann – je nach Vermögen – hin und her
pendelt." 541

Die Anordnung der Takte von Etüde Nr.9 ist auf den ersten Blick seltsam: Zu Beginn
kommen noch "gewohnte" Taktlängen vor wie 3/8 oder 5/16. Die erste Auffälligkeit ist
ein Takt, dessen Länge zusammengesetzt ist aus 7/16 + 3/32. Im weiteren Verlauf
werden die Takte dann tendenziell kürzer: 1/16 oder 3/32 sind keine Ausnahme
mehr. Überhaupt häufen sich die Unterteilungen in 32-tel. Erst gegen Ende werden
die Takte wieder länger und es überwiegen die Unterteilungen in 16-tel und Achtel.
Die Entstehung dieser Entwicklung der Taktlängen ist in den Skizzen ausführlich
dokumentiert, so dass sich die einzelnen Schritte dorthin gut verfolgen lassen.

Idee der Permutation

Eine erste Version542 der Anordnung der Takte ist die reine Permutation von sechs
Takten. Diese Takte sind insofern untereinander verwandt, dass sie alle aus Achtel-
Unterteilungen bestehen, der erste und der letzte Takt gleich sind (5/8) und der dritte
und fünfte Takt die doppelte Länge des vierten und zweiten Taktes haben. Dadurch
entsteht zusätzlich eine gewisse Symmetrie.
same

5 3 4 2 6 5
8 8 8 8 8 8

x2
x2

Bei gleichbleibender Reihenfolge liefern ihre Permutationen 6 mal 6 Takte.

5/8 3/8 4/8 2/8 6/8 5/8

3/8 4/8 2/8 6/8 5/8 5/8

4/8 2/8 6/8 5/8 5/8 3/8

2/8 6/8 5/8 5/8 3/8 4/8

6/8 5/8 5/8 3/8 4/8 2/8

5/8 5/8 3/8 4/8 2/8 6/8

541
LESLE, Lutz: Die Wunde zeigen - Der englische Komponist Brian Ferneyhough im Gespräch
mit Lutz Lesle. (1993; dt.) in: Neue Zeitschrift für Musik. (Mainz, 1993) 43.
542
Skizzenblatt [J3] aus der Mappe von Etudes Transcendentales. Das Blatt hat die Größe von nur
10 x 10 cm.

409
Verfeinerung der Permutationen: von regelmäßig nach "komplex"

Um insgesamt mehr Takte durch die Permutationen zu gewinnen, wird die Anzahl
der zugrunde liegenden Takte auf neun erhöht, wobei auch eine größere Vielfalt
durch die Hinzunahme von 16-tel- und 32-tel-Unterteilungen entsteht. Dennoch wird
der 2/8-Takt doppelt und der 5/16-Tekt sogar dreimal verwendet.
Zur besseren Übersicht bei der Permutation werden die Takte mit a bis i
bezeichnet.543

a b c d e f g h i
3 5 4 5 2 3 7+3 5 5
8 16 8 16 8 8 16 32 8 16

Eine allzu große Regelmäßigkeit der Taktfolge lässt sich vermeiden, indem nur jeder
zweite Takt "wandert", während die anderen Takte an gleicher Position bleiben. Bei
einer solchen Konstellation lassen sich sogar zwei Arten von Taktgruppen bilden, die
Hauptgruppen (mit fünf permutierenden Takten) und die Nebengruppen (mit vier
permutierenden Takten.544

Hauptgruppen Nebengruppen

(1) a b c d e f g h i
a b c d e f g h i (A)
(2) c b e d g f i h a
a d c f e h g b i (B)
(3) e b g d i f a h c
a f c h e b g d i (C)
(4) g b i d a f c h e
a h c b e d g f i (D)
(5) i b a d c f e h g
a b c d e f g h i (E)
(6) a b c d e f g h i

Nachdem die Taktgruppen nun erfolgreich in verschiedensten Reihenfolgen


zusammengestellt sind – die erste und letzte Gruppe sind dabei jeweils gleich –
bleibt die Frage der linearen Anordnung innerhalb der Etüde.

Die Pfeile zwischen den Gruppen geben erste Hinweise: So werden die Haupt- und
Nebengruppen abwechselnd verwendet.

Der nächste Schritt erlaubt die Bildung neuer Taktlängen als Ableitung aus den
bereits permutierten Original-Taktlängen.

543
"bar-overlapping scheme (3rd sketch)" – Diese und die folgende Übersicht stammen von der
Rückseite von Skizzenblatt [S2] aus der Mappe von Etudes Transcendentales. Die Farben sind nicht
original.
544
"principle groups" und "persuing groups". Die Großbuchstaben und Zahlen ganz links und ganz
rechts helfen, die Gruppen in der Gesamtübersicht der Etüde wieder zu finden. Sie sind original.

410
Idee der Überlappungen 545

Die Haupt- und Nebengruppen sollen nun in solcher Weise miteinander verbunden
werden, dass sie sich jeweils über eine bestimmte Länge hinweg überschneiden.
Diese Länge entspricht den Originaltakten, angefangen beim letzten Takt (5/16),
wobei bei jeder Überschneidung ein Takt addiert wird. Die zweite Überschneidung
hat so die Länge von 5/8 + 5/16, die dritte von 7/16+3/32 + 5/8 + 5/16.

Zyklus I basic

Zyklus II overlap 1st 3/8 bar 5/16th into rear

Zyklus III overlap 1st 5/16 bar a further 5/8th into rear

Zyklus IV overlap 1st 4/8 bar a further 7/16th + 3/32th into rear

Zyklus V overlap 2nd 5/16 bar a further 3/8th into rear

Zyklus VI overlap 1st 2/8 bar a further 2/8th into rear

Zyklus VII overlap 2nd 3/8 bar a further 5/16th into rear

Zyklus VIII overlap 1st 7/16 + 3/32 bar a further 4/8th …

Zyklus IX overlap 1st 5/8 bar a further 5/16th into rear

Zyklus X overlap 3rd 5/16 bar a further 3/8th into rear

Neue Taktlängen entstehen, indem die Überlappungen die Takte der beiden
beteiligten Gruppen in kleinere Einheiten spalten546. Besonders deutlich – durch die
häufigen 32-tel-Nenner – wird die Spaltung, sobald die Überschneidung die
Taktlänge 7/16+3/32 impliziert.

Wenn die Überlappung jedes Mal um eine Taktlänge zunimmt, werden – wie in der
Grafik sichtbar – 10 Zyklen von je einer Haupt- und einer Nebengruppe benötigt. Es
stehen jedoch nur 6 Haupt- und 5 Nebengruppen zur Verfügung.

Daher werden nicht alle Zyklen verwendet, sondern nur die mit Pfeil
gekennzeichneten: nach der einmaligen Vorstellung der Original-Taktreihe sind es
die Zyklen II, III, VII, IX und X.547

545
"bar-overlapping scheme (1st sketch)" – Übersicht von Skizzenblatt [J6] aus der Mappe von
Etudes Transcendentales. Die Farben sind ebenfalls nicht original.
546
Dies wird aus der Grafik nicht deutlich, weil alle Takte hier gleichlang dargestellt sind.
547
Laut Notizen auf der Rückseite von Skizzenblatt [S2] sollten ursprünglich die Überlappungen
"symmetrisch" ausgewählt werden, d.h. erst 1 Takt, dann 1+2 Takte, dann 1+2+3 Takte, dann
1+2+3+2 Takte und schließlich 1+2+3+2+1 Takte (= totale Überlappung). Dann wäre Zyklus IV statt
Zyklus III ausgewählt worden, was jedoch nicht der Fall ist.

411
Die Aneinanderreihung der Zyklen wird nochmals extra dargestellt als "definitives
Überlappungsschema" 548.
(1) (2) (3) (4) (5) (6)

(A) (B) (C) (D) (E)


5 5 +5 5 +5+ 7 + 3 +3+2+ 5 5 +5+ 7 + 3 +3+2+ 5+4+ 5 total
16 16 8 16 8 16 32 8 8 16 16 8 16 32 8 8 16 8 16 overlap

5 15 37 +3 50 +3

Zur besseren Übersicht ist die Länge der Überlappungen hier zusätzlich in der
Anzahl der 16-tel bzw. 32-tel angegeben. So kann man schön sehen, in welcher
Relation diese Bereiche immer größer werden.

a b c d e f g h i
3 5 4 5 2 3 7+3 5 5
8 16 8 16 8 8 16 32 8 16
5
15
37 +3
50 +3
54 +3

Endgültiges Taktschema als Grundlage für die Form

Diese Konstruktion bildet die Grundlage für die Etüde und deren formale und
instrumentale Gliederung. Die Zyklen sind jetzt wieder neu von I bis VI
durchnummeriert.549 Die Zählung der Takte der Partitur wird aus den Gruppen
übernommen, soweit möglich. Bei den Überlappungen werden die Takte in geeignete
kleinere Einheiten unterteilt.

Zyklus I: enthält (Hauptgruppe 1: a-b-c-d-e-f-g-h-i) ohne Überlappung:

3 5 4 5 2
8 a 16 b 8 c 16 d 8 e
Takt 1 Takt 2 Takt 3 Takt 4 Takt 5

3 7 + 3 5 5
8 f 16 32 g 8 h 16 i
Takt 6 Takt 7 Takt 8 Takt 9

548
"Definitive overlap-scheme" – Grafik von Skizzenblatt [S2] aus der Mappe von Etudes
Transcendentales. Die Farben sind nicht original.
549
"Etudes Transcendentales No.9 – final bar scheme" – Übersicht auf der Vorderseite von
Skizzenblatt [S2] aus der Mappe von Etudes Transcendentales. Die Takte sind auf Millimeterpapier
im Original-Maßstab gekennzeichnet.

412
Zyklus II:
enthält (Hauptgruppe 2: c-b-e-d-g-f-i-h-a) und (Nebengruppe A: a-b-c-d-e-f-g-h-i) mit
Überlappung von 5 :

Einsatz der Claves

4 5 2 5 7 + 3 3
8 c 16 b 8 e 16 d 16 32 g 8 f
Takt 10 Takt 11 Takt 12 Takt 13 Takt 14 Takt 15

5 5 3
16 i 8 h 8 a
Takt 16 Takt 17 1 5 Takt 20
16 16 1
Takt 18 Takt 19 16 Takt 21 Takt 22
3 5 4
8 a 16 b 8 c

Einsatz der Stimme (Konsonanten) und des Cembalo

Takt 23 Takt 24 Takt 25 Takt 26 Takt 27 Takt 28


5 2 3 7 + 3 5 5
16 d 8 e 8 f 16 32 g 8 h 16 i

Der Beginn der Hauptgruppe des Zyklus fällt zusammen mit dem Einsatz der Claves
(Takt 10); die Konsonanten der Stimme setzen zu Beginn der Nebengruppe ein (Takt
19).
Bei der Überlappung (Takt 18 bis 20550) entstehen zwei 1/16-Takte neu.

Zyklus III:
enthält (Hauptgruppe 3: e-b-g-d-i-f-a-h-c) und (Nebengruppe B: a-d- c -f-e-h-g-b-i) mit
Überlappung von 15 :

2 5 7 + 3 5 5 3
8 e 16 b 16 32 g 16 d 16 i 8 f
Takt 29 Takt 30 Takt 31 Takt 32 Takt 33 Takt 34

florido: Einsatz der Claves; Beginn von "The reasonable tutti"

3 5 4
8 a 8 h 8 c
Takt 35 5 3 1 2 2 2
16 8 16 8 8 8
Takt 36 Takt 37 Takt 38 Takt 39 Takt 40 Takt 41 Takt 42
3 5 4 3
8 a 16 d 8 c 8 f

Takt 43 Takt 44 Takt 45 Takt 46 Takt 47


5 (2) 5 7 + 3 5 5
16(8) e 8 h 16 32 g 16 b 16 i

Ende von "The reasonable tutti"

550
Die Überlappung ist jeweils hellgrau unterlegt. Ihre Länge in 16-tel bzw. später noch dazu in 32-teln
lässt sich an den Strichen darin überprüfen.

413
Der Beginn des "vernünftigen Tutti" fällt mit dem Ende der Überlappung zusammen
(Takt 42), das Ende davon mit dem Ende des Zyklus.
Die Takteinteilung während der Überlappung wird von den Takten der beteiligten
beiden Gruppen beeinflusst. Takt 36 dürfte nur die Länge von 3/16 haben, damit
keine "Lücke" zwischen h und c der Hauptgruppe entsteht.

Zyklus IV:
enthält (Hauptgruppe 4: g-b-i-d-a-f-c-h-e) und (Nebengruppe C: a-f-c-h-e-b-g-d-i) mit
Überlappung von 37 + 3 :

7 + 3 5 5 5 3 3 4
16 32 g 16 b 16 i 16 d 8 a 8 f 8
Takt 48 Takt 49 5 + 1 9 3 9 3 9 7
16 32 32 32 32 32 32 32
Takt 50 Takt 51 Takt 52 Takt 53 Takt 54 Takt 55 Takt 56
3 3 4
8 a 8 f 8 c

Beginn von Vokalizzo

inquieto: Beginn von "The unreasonable Tutti"

5 2
c 8 h 8 e
9 11 2 + 1 2 + 1
32 32 8 32 8 32
Takt 57 Takt 58 Takt 59 Takt 60 Takt 61 Takt 62 Takt 63
5 2 5 5 7 + 3 5
8 h 8 e 16 b 16 g 16 32 d 16 i

Ende von Vokalizzo


piacevole: Ende von "The unreasonable Tutti"

Der Beginn des Vokalizzo-Teils ist bereits einen Takt von der Überlappung platziert,
während das Ende mit dem Ende des Zyklus zusammenfällt. Das "unvernünftige
Tutti" beginnt einen Takt von Ende der Überlappung und endet einen Takt vor Ende
des Zyklus.
Die Längen der Takte 61 und 62 sind miteinander vertauscht: g müsste die Länge
von 7/16 + 3/32 haben, d die Länge von 5/16.
Das Ende der – inzwischen deutlich längeren – Überlappung wird nicht durch einen
Extra-Taktwechsel deutlich gemacht, sondern ist in Takt 60 verborgen.

Zyklus V:
enthält (Hauptgruppe 5: i-b-a-d-c-f-e-h-g) und (Nebengruppe D: a-h-c-b-e-d-g-f-i) mit
Überlappung von 50 +3 :

5 5 3 5 4 3
16 i 16 b 8 a 16 d 8 c 8
Takt 64 1 3 3 3 5 1 3 1
8 16 16 16 16 8 8 8
Takt 65 Takt 66 Takt 67 Takt 68 Takt 69 Takt 70 Takt 71 Takt 72
3 5 4
8 a 8 h 8 c

Beginn des gesprochenen Textes

414
Ende von "The maniacal Tutti"

7 + 3 (2) 5 5 (7 + 3)
f 16 32 (8) e 8 h 16 (16 32) g
2 1 2 7 3 7 5 1
8 16 8 32 32 16 16 16
Takt 73 Takt 74 Takt 75 Takt 76 Takt 77 Takt 78 Takt 79 Takt 80 Takt 81
5 2 5 7 + 3 3 5
16 b 8 e 16 d 16 32 g 8 f 16 i

subito scorrevole: Beginn von "The maniacal Tutti"

Der Beginn der gesprochenen Textes schließlich fällt zusammen mit dem Beginn der
vorletzten Überlappung. Das "wahnsinnige Tutti" ist zentral eingebettet in die
Überlappung.
Die Längen zweiter Takte der Hauptgruppe sind hier nochmals vertauscht; so müsste
e die Länge von 5/16 haben und g die Länge von 7/16+3/32.

Zyklus VI:
enthält (Hauptgruppe 6: a-b-c-d-e-f-g-h-i) und (Nebengruppe E: a-b-c-d-e-f-g-h-i) mit
totaler Überlappung:

Coda-Quodlibet: Beginn von "The disorientated tutti" (Ende am Ende desselben Taktes)

3 5 4 5 2
8 a 16 b 8 c 16 d 8 e
3 5 4 5 2
8 a 16 b 8 c 16 d 8 e
3 5 4 5 2
8 a 16 b 8 c 16 d 8 e
Takt 82 Takt 83 Takt 84 Takt 85 Takt 86

3 7+ 3 5 5
8 f 16 32 g 8 h 16 i
3 7+ 3 5 5
8 f 16 32 g 8 h 16 i
3 7+ 3 5 5
8 f 16 32 g 8 h 16 i
Takt 87 Takt 88 Takt 89 Takt 90

Die totale Überlappung markiert das (logische) Ende der Etüde. Die länger
werdenden Pausen zwischen den Takten wirken wie ein Ritardando (innerhalb der
Pausen), während die verschiedenartigen Besetzungen den Quodlibet-Charakter
hervorheben.

Neben Angaben zur Besetzung und zur Form enthält das Skizzenblatt auch
stichwortartige Angaben zur Verwendung der Instrumente. So werden z.B. die "alla
cadenza"-Teile etwas näher beschrieben.

"1.Kadenz (Cello) viele wörtlich wiederholte Tonhöhen / viersaitige rhythmische Figuren / plötzliche
harmonische Glissandi" 551

551
"1st Cadenza (Cello) many repeated literated pitches / 4-string rhythmic figures / sudden harmonic
Glissandi" – Anmerkung zu Takt 13 auf Skizzenblatt [S2] aus der Mappe von Etudes
Transcendentales.

415
VIII.3.c) Rhythmusdisposition
Nachdem das vorangegangene Formschema eine Grobgliederung anhand der
Taktlängen und Überschneidungen möglich gemacht hat, wird die nächst feinere
Organisation durch die Platzierung von bestimmten Impulsen innerhalb der Takte
erreicht. An diesen Stellen beginnen z.B. Liegetöne oder markante Phrasen
einzelner Instrumente.

Auch dieses neue Verfahren552 bezieht sich auf die bereits definierten Taktlängen.

Der Zähler der neun Ursprungstakte definiert jeweils die Anzahl der Impulse/Akzente
pro Takt bzw. die speziellen Proportionen der Akzente:

a b c d e f g h i
3 5 4 5 2 3 7+3 5 5
8 16 8 16 8 8 16 32 8 16

Die Notenwerte richten sich später nach der Länge des Taktes, in die die Proportion
jeweils hinein passen soll.

Mit Takt 10 – dem Beginn von Zyklus II der Taktdisposition – beginnt das erste
Unterteilungssystem. Die Längen der Takte sind also bereits der ersten Permutation
unterworfen, während die Proportionen noch der Original-Taktfolge nach verwendet
werden.

Oboe Cello Cello


Claves Oboe Oboe
Piccolo Cello
Piccolo / Oboe

Dadurch ergeben sich erste Neu-Proportionierungen: So ist Takt 10 (4/8-Takt =


Länge von c) in drei gleiche Impulse (= Unterteilung von a) unterteilt.

Die ersten beiden dieser Impulse finden sich in der Partitur repräsentiert durch die
erste Note der Claves und den neuen Ton der Oboe, der den Beginn einer auffälligen
Phrase markiert. Der dritte Impuls erscheint nur indirekt: Es fällt kein musikalisches
Ereignis auf diese Zählzeit, außer dass die Oboenphrase gerade verklungen ist.
In den weiteren Takten wird analog verfahren. Die Zuordnungen der Impulse zu
Ereignissen in der Partitur fällt sofort ins Auge und ist daher an dieser Stelle nur für
die Takte 10 bis 12 angegeben.

552
"Song 9: rhythmic patterns and subdivision system" – Überschrift von Skizzenblatt [S5] aus der
Mappe von Etudes Transcendentales.

416
Nachdem die Proportionen von acht der neun Takte verteilt sind, beginnt ein zweites
Unterteilungssystem (in Takt 18). Durch den vorgezogenen Beginn ist es gegenüber
dem ersten System um eben jenen (neunten) Takt versetzt. Es entstehen in der
Folge mehrere Impulse pro Takt und der Satz wird dichter.
Dieser Umstand fällt (fast) zusammen mit dem Beginn der Konsonanten und des
Cembalo (Takt 19). Der Stimme und dem Cembalo (und den Claves) wird auf diese
Weise ermöglicht, ein von den Melodie-Stimmen unabhängiges Impuls-System zu
verwenden.

Nach weiteren 8 Takten setzt ein drittes Unterteilungssystem nach gleichem Muster
ein und erweitert die rhythmischen Möglichkeiten noch etwas mehr.

417
Nachdem auch dieses System die Taktfolge knapp zweimal durchlaufen hat, bricht
die Konstruktion in Takt 41 ab.553 Mit Takt 42 beginnt das "vernünftige Tutti".

Dieses Verfahren, Unterteilungssysteme allmählich zu überlagern und so von einer


rhythmisch glätteren Struktur zu immer mehr Auslösern für musikalische Ereignisse
zu gelangen, könnte für eine Änderung des Anfangs der Etüde Ausschlag gebend
gewesen sein.

In einer früheren Version beginnt bereits in Takt 3 (!) mit Liegetönen mit Trillern und
Akkorden, alles in mittlerer bis tiefer Lage. Der Beginn der Claves war bereits für Takt
4 in Stichworten markiert.

553
Skizzenblatt [S5] ist vollständig ausgefüllt und eine Fortsetzung findet sich nicht in den Skizzen.

418
Nachträglich schreibt Ferneyhough über die Wirkung des Anfangs und die Folgen für
den weiteren Verlauf der Etüde:

"Der Beginn der Stimme, nach dem weitschweifigen Abbruch eines Kanons im hohen Register von
Holzbläsern und Cello, wird zur hektischen Artikulation vom konsonantischen Material des Textes
beschnitten, wobei die Claves begleiten (oder sich einmischen). Das Spiegelbild davon ist eine
anschließende Vocalise, in der die Vokale vom Text abstrakt und in melismatischer, fast
instrumentartiger Form präsentiert werden. Anstatt diese frei fließenden Adern noch einmal
zusammen zu bringen in einer Art Bekräftigung der sprachlichen Integrität, wird der vollständige Text
lediglich gegen die Musik gesprochen, wobei die zwei Dimensionen einander völlig ignorieren. Diese
Taktik wurde nicht als irgendeine Form absurdesten Darstellung beabsichtigt; was ich wirklich
bezwecken wollte, war, dass meine tiefe Sorge über Angelegenheiten von Übersetzung und
Äquivalenz im Minenfeld von Musik-/Sprachanalogien herüberkommt. Es wäre nicht nützlich gewesen,
ein Kosmetikum zu liefern, das die Bruchstellen verdeckt mittels einer ideologisch "optimistischen"
Versöhnung." 554

VIII.3.d) Umgang mit dem Text


Eine nicht zu unterschätzende Komponente der Etudes Transcendentales bildet
der Text der Stücke. Dennoch wurde er im Kompositionsprozess – erst an zweiter
Stelle genauer betrachtet – zur bereits fertigen Melodielinie der Stimme hinzugefügt.
Der Grund dafür ist der in diesen Stücken "geübte" Umgang mit dem Text:
"In allen Liedern habe ich mit voller Absicht – um eine klischeehafte Textinterpretation zu vermeiden –
die vokale Linie komponiert, bevor ich ihr den Text unterlegte, wobei ich aber selbstverständlich die
Binnenstruktur des Textes und seine Bedeutung genau berücksichtigte." 555

Eine der Kernfragen für den Umgang mit Text ist für Ferneyhough:

"Inwieweit ist es möglich, eine musikalische Sprache in Beziehung zu setzen zu einem viel größeren
Feld des Diskurses, das auch andere Formen im kommunikativen Bereich einschließt ?" 556

Die 9.Etüde scheint in besonderem Maße die "anderen Formen" auszuloten, da sie
als einzige der Etüden den Text in Konsonanten, Vokalen und gesprochener Form
darbietet. In allen anderen Etüden werden die Texte durch (irgendeine Form von)
Gesang vorgetragen.

554
"The entry of the voice, after a lengthy demolition of a high-register pitch canon in woodwind and
cello, is pared down to the hectic enunciation of the consonantal material of the text, accompanied (or
interfered with) by claves. The mirror image of this is a subsequent vocalise in which the vowels of the
text are abstracted and presented in melismatic, almost instrumentalized form. Instead of bringing
these free-floating strands together once more in some sort of affirmation of linguistic integrity the full
text is merely spoken against the music, the two dimensions ignoring one another completely. This
tactic was not intended as some form of absurdist statement; what I really aimed at getting across was
my deep concern with issues of translation and equivalence in the minefield of music/language
analogies. It would not have been useful to provide some cosmetic papering over the cracks by means
of an ideologically "optimistic" reconciliation." – (s. Anm. 539) S.367.
555
"In order to avoid a clichéd text interpretation, I deliberately composed the vocal lines prior to
adding the textual underlay (although naturally taking precise account of text's significance and
internal structure)." – (s. Anm. 2) S.136 bzw. S.10.
556
"To what extent is it possible to relate a musical language to, or locate a musical language in, a
more general field of discourse that includes, or takes note of, or reflects upon, other forms of
communicative discipline ? " – (s. Anm. 6) S.295.

419
Der ursprüngliche Text der 9.Etüde stammt von Alrun Moll und heißt "Leuchtfeuer –
Persephone". Nicht nur den Titel, sondern auch einzelne Wörter und die Abfolge der
Zeilen hat Ferneyhough leicht verändert. Die direkte Gegenüberstellung der beiden
Versionen – mit genau übernommener Position der Zeilen – zeigt die
Gemeinsamkeiten557 und Unterschiede am deutlichsten:

ursprüngliche Textvorlage558 modifizierte Version der Etüde

Leuchtfeuer – Persephone Persephone

entflügelt
Nachtflut treiben meine Ruder
steil steil
ruht der Abgrund ruht der Abgrund
bleicher Spiegel bleicher Spiegel
mit fahler Iris mit fahler Iris
blauen die Kristalle sank die Flut
in lodernder Gewissheit
versteinert im Widerschein
ihr Begehren Hochzeit
ein Gletscherbrand der wildernden Kristalle
in atemloser Halle das Irrlicht blaut
mondsteinentrückt
Licht fiel zum Opfer ein Gletscherbrand
in atemloser Halle

der taube Schrei der Taube Schrei


am Flammenriff am Flammenriff
der Stalaktiten der Stalaktiten
Weißdorn in lodernder Gewissheit
geschwisterreich eisgeborgen
in blütenloser Trauer versteinert
die Netzhaut riss das Gefieder
Mundraub frohlockt Weißdorn
an schattenleerer Mauer in blütenloser Trauer

Tropfsteinhöhle die Netzhaut riss


Mundraub frohlockt
an schattenleerer Mauer

Eishöhle

Der Text der Etüde wurde insgesamt etwas länger, etwas ausgeschmückter. Auffällig
ist der Bedeutungswechsel von "der taube Schrei" zu "der Taube Schrei" ; es ist
unwahrscheinlich, dass es sich an dieser Stelle um eine Ungenauigkeit beim
Abschreiben handelt.

Der fragmenthaften Beschreibung der Stimmung geht auch durch die großzügigen
Veränderungen und Erweiterungen scheinbar nichts Wesentliches verloren.

Ob die Gegenüberstellung von Konsonanten und Vokalen in der Etüde unabhängig


von einer textlichen Bedeutung allein die Gegensätzlichkeit von perkussivem und
linienartigem Klangspektrum des "Instruments" Stimme verdeutlichen soll, oder ob es

557
Die farblichen Hervorhebungen dienen hier der besseren Übersicht.
558
Skizzenblatt [Y5] aus der Mappe von Etudes Transcendentales.

420
auch einen Zusammenhang zwischen beiden Extremen gibt, der –
naheliegenderweise – in der gemeinsamen Textvorlage begründet ist, soll der
nächste Vergleich zeigen. Möglicherweise bilden die im Anfangsteil benutzen
Konsonanten zusammen mit den im Mittelteil benutzten Vokalen den im Schlussteil
vorgetragenen Text.
Vom musikalischen Ausdruck her gesehen ist sogar denkbar, dass Anfangsteil und
Mittelteil sowohl durch die Stimme als auch mit Hilfe der "anderen" Instrumente
beschreiben, was im Schlussteil – wenn auch fragmentartig beschreibend –
ausgesprochen wird.

Zum Versuch einer Zuordnung wurden die Vokale559 des Mittelteils über dem
(gesprochenen) Text notiert, die Konsonanten des Anfangsteils unter ihm. Die
Reihenfolge wurde dabei nicht verändert.

Vokale: e ü e ei e ei e u ∂
Text: entflügelt treiben meine Ruder
Konsonanten: nt g t bt n n d

Die Vokale scheinen eindeutig übernommen worden zu sein, mitsamt dem offenen
"o" der zweiten Silbe von "Ruder". Bei den Konsonanten fehlen einige, so dass
womöglich in erster Linie die zum Verständnis notwendigen "wichtigeren"
Konsonanten übernommen wurden, ergänzt mit "Verzierungen" wie z.B. das "t" bei
"treiben".

Vokale: ei u e a u ei ∂ ie e
Text: steil ruht der Abgrund bleicher Spiegel
Konsonanten: stml t d

Eine geeignete Zuordnung der Konsonanten ist nur für den Beginn der Zeile
(bedingt) möglich. Der Rest dieser und die gesamte nächste Zeile scheint
übersprungen worden zu sein.

Vokale: i ∂ a i a ie u
Text: mit fahler Iris sank die Flut

Die Vokale sind weiterhin problemlos zuzuordnen mit Ausnahme der Verwechslung
der beiden Laute bei "fahler".

Vokale: i ie ∂ o ei e i e i a ∂
Text: im Widerschein Hochzeit der wildernden Kristalle
Konsonanten: m w d n h ch tz sch t d w ld rr ndn kr s l

559
"∂" steht in der Partitur für ein offenes "o". Auch die Pfeile, die den allmählichen Übergang von
einem Vokal zum anderen markieren sind der Partitur entnommen; die Länge ist nicht original.

421
Ab dem "Widerschein" passen die Konsonanten wieder. Dass die Zuordnung wohl
kein Zufall ist, zeigen die auffälligen Übereinstimmungen bei "Kristalle".

Vokale: a i o ü
Text: das Irrlicht blaut mondsteinentrückt
Konsonanten: d s b

Auch die Vokale scheinen sich jetzt auf die "wichtigen" Stellen zu konzentrieren, wie
z.B. den Übergang bei "mondsteinentrückt", der gut zuzuordnen ist. Die Konsonanten
enthalten an dieser Stelle möglicherweise Permutation, da eine lineare Zuordnung
nicht mehr möglich ist.

Konsonanten: rr d g b l m l ch rr s p g m l t ch n s n k d t b sch k t d f l t s

Vokale: e i a o
Text: ein Gletscherbrand in atemloser Halle

Die im Text ausgedrückte Atemlosigkeit spiegelt sich in den großzügigen


Übergängen der Vokale wieder, bevor dieser Part beendet ist. Danach lassen sich
die Konsonanten wieder besser zuordnen.

Text: der Taube Schrei am Flammenriff der Stalaktiten


Konsonanten: t rr m f m r f d st l kt n

Text: in lodernder Gewissheit eisgeborgen versteinert das Gefieder


Konsonanten: sg l nrn g w st n t rr g f d

Text: Weißdorn in blütenloser Trauer


Konsonanten: w sd

Mit dem markanten Wort "Weißdorn" endet auch der Part der Konsonanten.

Text: Die Netzhaut riss

Text: Mundraub frohlockt an schattenleerer Mauer

Text: Eishöhle

Die Länge der Vokal- und Konsonanten-Abschnitte richtet sich dabei offenbar nach
musikalischen Gegebenheiten.

422
"Die Musik hat totale Autonomie ab dem Moment, wo die reine Materialeinteilung des Textes in der
musikalischen Form berücksichtigt wurde. Natürlich war es notwendig, das, was auf dem Papier
stand, in Form der Menge der Silben, der Länge der Linie, der Struktur der Verse usw. einzuarbeiten
in mein Konzept für die musikalische Struktur. Diese Dinge mussten untrennbar miteinander
verbunden werden. Wenn ich an diesem Punkt angelangt war, schrieb ich den Vokalpart unter
Berücksichtigung der Erfordernisse der musikalischen Struktur – der Dichte, des Verhältnisses
zwischen vokaler und instrumentaler Gestik, der Grade an Automatismus bzw. Formlosigkeit der
beiden Levels usw.. Danach wieder zum Text zurückzugehen und ihn tatsächlich in die bereits
ausgearbeitete Vokallinie einzusetzen, war etwas, das ich sehr aufregend fand, weil die Erfordernisse
der Situation ziemlich schwer wiegende Probleme aufwarfen, die mich zu sehr radikalen Lösungen
560
zwangen."

560
"The music has total autonomy after the moment at which the mere material distribution of the text
has been taken account of in the musical form. Of course it was necessary to integrate that which was
on the paper, in terms of quantitiy of syllables, length of lines, structure of verse, and so on, into my
concept for a musical structure. These things had to be inseparably united. Having arrived at that
point, I wrote the vocal part according to the exigencies of the musical (!) structure – the type of
density, the type of relationship between vocal gesture and instrumental gesture, the degree of
automatism or informality of the two levels, and so on. Afterwards, going back to the text and actually
inserting it into the already formed vocal line was something I found very exciting, because the
exigencies of the situation sometimes brought me up against quite serious problems which forced me
to come to very radical solutions." – Bemerkung zu den Etüden allgemein. (s. Anm. 6) S.296.

423
2.Teil: höranalytische Aspekte

IX. Piranesis Stiche Carceri d´Invenzione – "Raumphantasien"

"Piranesis Carceri d´Invenzione ("Kerker der Erfindung, erfundene Kerker") beeindruckten mich in
erster Linie wegen ihrer augenfälligen Intensität, ihrem Reichtum und ihrer expressiven Kraft." 561

Was sind das für Stücke, die Ferneyhough so beeindruckten, dass er einen ganzen
Zyklus von sieben Werken mit dem Titel Carceri d´Invenzione komponiert ?

--- Titelblatt der Carceri d'Invenzione: 1. und 2. Zustand ---

Giovanni Battista Piranesi

Giovanni Battista Piranesi (1720-78), ein italienischer Grafiker und Architekt,


beschäftigte sich zeitlebens mit fantasievoller Architektur. Ausgehend von den
Prachtbauten des alten Rom (und deren Ruinen) schuf er Radierungen von ebenso
imposanten Bauwerken seiner Imagination. Die Grundbegriffe seiner
Raumvorstellung waren dabei "ampio" (= weit) und "magnifico" (= großartig).

561
(s. Anm. 2) S.131 bzw. S.7.

424
Sein wohl bekanntestes Werk ist die 1761 veröffentlichte Sammlung von 16
Radierungen mit dem Titel Carceri d´Invenzione. Bereits um 1745 entstand die
Erstausgabe davon mit 14 Radierungen unter dem Titel "Invenzioni capric di
Carceri..." (wobei mit "Capricci" etwa Spielereien, "launige Erfindungen von Kerkern",
Variationen über das Thema gemeint sind).

In seinem ersten eigenen Werkzyklus, der "Prima Parte di Architetture e Prospettive",


weist er 1743 bereits auf seine künstlerischen Ambitionen hin: Auf 12 Radierungen
stellt er den Raum als das Thema seiner Arbeiten vor. Seine Motive sind Tempel,
Brücken, Grabmäler, Ruinen, Höfe und Plätze und natürlich Kerker, anhand derer er
seine imaginären Raumphantasien darlegt – nach dem architektonischen Vorbild des
alten Rom. Im Laufe dieser Studien entwickelte Piranesi seine Lust am Experiment,
seinen Drang, aus den alten Konventionen auszubrechen, und seine Formen neuer
Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten, sowohl im inhaltlichen Bereich, der
Architekturdarstellung, als auch im technischen Bereich, dem Medium der
Radierung.562

Die Phantasie spielte dabei für Piranesi eine große Rolle: Zwar finden sich Analogien
zu bestimmten antiken Bauten, jedoch wird fast alles übersteigert dargestellt und
einfallsreich kombiniert. Die Großartigkeit ("magnificenza") des alten Rom soll nicht
wiederhergestellt, sondern mit den Möglichkeiten der Zeichnung bzw. Radierung
weiterentwickelt werden – zum Teil in Dimensionen, die in Form einer praktischen
Ausführung eines solchen Bauwerks nicht realisiert werden könnten. Eine
Übersteigerung seiner Raumvorstellung erreicht Piranesi zum einen durch
Verwendung von Perspektiven, die aus der Bühnenbildgestaltung herrühren, wie z.B.
die "Scena per angolo", den Blick über Eck in ein Gebäude zur Illusion großer
Raumtiefen. Zum anderen erfahren seine Räume meist keine Abgrenzung durch den
Bildrand, sie scheinen irgendwo anzufangen und aufzuhören und dabei über den
Bildrand hinweg zu "schwappen". Der Zuschauer wird genötigt, in der Kulisse
herumzulaufen, ohne zu verweilen, immer auf der Suche nach neuen Entdeckungen.
In den Bildern entsteht so eine Dynamik, die eigentlich der Statik von Bildern
tatsächlich existierender Gebäude widerstrebt.563

Der Betrachter kann sich im Bild wiederfinden als winzige Staffagefigur, als
Entdeckungsreisender in der Unendlichkeit des allzu monumentalen Raumes; der
Kontrast zwischen dem Menschen und seiner steinernen Umgebung könnte kaum
größer sein. Und das, obwohl Piranesi seine architektonischen Elemente allein aus
dem klassischen Formenrepertoire entnimmt: Brücken, Pfeiler, Säulen, Bögen,
Treppen und Stege sind sein Vokabular.

562
Durch eine verfeinerte Technik und speziellere Materialien und Farblösungen ließen sich nach und
nach auch dunklere Flächen einer Radierung durch erkennbare Muster plastisch und damit räumlich
darstellen. Möglicherweise ging diese Entwicklung Hand in Hand mit der Motivation Piranesis, den
dunklen Kerker als Thema eines Zyklus zu wählen, um so einen Gedanken bis an seine äußersten
Konsequenzen durchzuführen.
563
Man betrachte zum Vergleich Tafel XV der Carceri d'Invenzione und die Tafel der "Ponte
magnifico" von Piranesi. Bei letzterem genügen wenige Blicke, um sich in der Komposition des Bildes
zurechtzufinden und sich die Anlage des Gebäudes in etwa räumlich vorzustellen. Bei ersterem
werden die Blicke eher länger verweilen: Fragen tauchen auf, wohin sich der vom vorderen Pfeiler
ausgehende Bogen fortsetzt, wie der Bogen rechts dahinter weitergeht, in welcher Ebene der Steg
darunter verläuft usw., es bleibt die Frage, wie man sich des Gebäude in der Realität schließlich
vorstellen soll.

425
--- Tafel XV der Carceri d'Invenzione "Der Pfeiler mit der Lampe": 2. Zustand (oben) und
"Ponte magnifico" aus Prima parte… (unten) ---

426
Erweiterung des Vorstellungsvermögens / Perspektive / Unendlichkeit

Zu seinem Eindruck von den Stichen schreibt Ferneyhough:


"...Später wurde ich mir nach langem Nachdenken darüber klar, dass es die meisterliche Entfaltung
von Schichtenaufbau und Perspektive war, die den Anlass für die außerordentliche Unmittelbarkeit
und die geradezu körperliche Wirkung gab: in ein und demselben Augenblick wird der Betrachter
unausweichlich nach unten zum dunklen Zentrum gezogen, gleichzeitig aber auch von zentrifugalen
Strahlen aus absolut unnaturalistischen, einander widerstreitenden Kraftlinien nach außen
geschleudert." 564

--- Tafel XI der Carceri d'Invenzione "Der Bogen mit dem Muschelornament": 1. und 2. Zustand ---

564
"After much subsequent reflection it struck me that it was the masterly deployment of layering and
perspective which gave rise to this impression of extraordinary immediacy and almost physical impact.
At one and the same time the observer is drawn ineluctably down towards the dark center while
forcibly thrust away along centrifugal rays of absolutely non-naturalistic, mutually conflicting lines of
force." – (s. Anm. 2) S.131 bzw. S.7.

427
Piranesi entfaltet in den Carceri d'Invenzione sein "Konzept des sich ständig
erweiternden Raumes".565 Variierende Arkadenreihen werden (besonders im zweiten
Zustand der Carceri d'Invenzione) durch Treppen und Stege erweitert; immer neue
Kombinationen ermöglichen eine beliebige Fortsetzung der Szenerie in die Tiefe des
Raumes. Oft sind Stege oder Treppen im Hintergrund nur angedeutet und
überlassen dem Vorstellungsvermögen des Betrachters eine genauere Deutung.566
Der Grundriss eines Gewölbes lässt sich als Gewebe vorstellen, deren Zellen die
Grundfläche in alle Himmelsrichtungen unendlich erweitern können.567
Schließlich scheinen die Säulen, teilweise von Rauch vernebelt, in den Himmel zu
wachsen, Stockwerk um Stockwerk.568

"Die luftigen Laufstege, die freischwebenden Zugbrücken, die fast überall den Galerien und
Steintreppen gegenüberstehen, entsprechen dem Wunsch, dem Raum alle nur möglichen Kurven und
Parallelen einzubeschreiben. Diese in sich geschlossene Welt ist mathematisch gesehen
unendlich." 569

565
HÖPER, Corinna: Giovanni Battista Piranesi – Die poetische Wahrheit. Ausstellungskatalog,
Stuttgart 1999, S.11.
566
vgl. auch die Fortsetzung der Rundbögen im Hintergrund von Tafel XI der Carceri d'Invenzione.
567
Tafel VI der Carceri d'Invenzione hätte etwa eine Aneinanderreihung von Quadraten als
Grundriss; wobei man – wie bei den anderen Tafeln auch – die Bodenfläche kaum erkennen kann: der
Betrachter "stolpert" gleich auf die ersten Treppenstufen.
568
vgl. Tafel VII der Carceri d'Invenzione mit der vertikal scheinbar nicht enden wollenden Säule in
der Mitte. Auf das Mittel der "Vernebelung" der Perspektive durch Rauchwolken verzichtete Piranesi
im zweiten Zustand der Carceri d'Invenzione, mit Ausnahme von Tafel VI ("Das rauchende Feuer").
569
"The frail catwalks, the drawbridges in midair which almost everywhere double the galleries and the
stone staircases, seem to correspond to the same desire to hurl into space all possible curves and
paralleles. This world closed over itself is mathematically infinite." – YOURCENAR, Marguerite: The
Dark Brain of Piranesi. New York 1984. Ferneyhough selbst führte dieses Zitat an im Programmheft
von Donaueschingen (s. Anm.2) S.131 bzw. S.7.

428
--- Tafel XIV der Carceri d'Invenzione "Der gotische Bogen" ---
1. und 2. Zustand

Tafel XIV birgt ein auffälliges Beispiel für räumliche Unlogik innerhalb der Carceri
d'Invenzione. Sie ist in den Vorzeichnungen noch nicht vorhanden; erst der spätere
Verlauf der breiten Treppe, dargestellt in einer gegenüber der sonstigen
Bildkomposition widersprüchlichen Perspektive, erzeugt die räumliche Verwirrung.

In der Zeichnung von Edinburgh sind zwei Bögen wie Arkaden nebeneinander in
einer Ebene und davor, parallel dazu, die breite Treppe.
Die Londoner Zeichnung deutet eine zweite Arkadenreihe davor an durch eine Mauer
mit Rundbogen und Ansatz eines weiteren Bogens, der dann aber wie bei einer
Ruine abbricht. Die Treppe verläuft hier nicht mehr parallel vor der Arkadenreihe,
sondern führt durch den zentralen gotischen Bogen hindurch (senkrecht zur Ebene
der Arkaden) und anschließend dahinter parallel zur Arkadenreihe.
In dem Bild des ersten Zustands der Carceri d'Invenzione schließlich erscheint die
ganze Szenerie spiegelbildlich. Der linke und der mittlere Pfeiler sind weiterhin durch
den "gotischen Bogen" miteinander verbunden. Die parallele Rundbogenruine steht
vor dem mittleren Pfeiler und ist mit diesem durch eine Brücke verbunden. Der
Verlauf der Treppe stört nun die innere Logik des Raumes: Die Treppe wird erst
parallel zur Arkadenebene geführt, dann senkrecht zu ihr und schließlich wieder
parallel, aber zwischen den beiden Pfeilern hindurch. Man könnte meinen, der
mittlere Pfeiler stünde nicht in einer Ebene mit dem linken, sondern in einer Flucht
hinter dem Rundbogen und dem mittleren Pfeiler.

Der zweite Zustand der Radierung verstärkt diese Irritation nun noch durch weitere
Stege und Geländer, einen weiteren angedeuteten "gotischen Bogen" rechts von
dem zentralen, sowie durch das Seil "vor" dem "gotischen Bogen".

429
--- Vorzeichnung zu Tafel XIV der Carceri d'Invenzione (Edinburgh, National Gallery of Scotland) ---

--- Vorzeichnung zu Tafel XIV der Carceri d'Invenzione (London, British Museum) ---

430
Der Unterschied zwischen erstem und zweitem Zustand570 der Carceri d'Invenzione
– auch bei den anderen Tafeln – ist v.a. der, dass der zweite Zustand Details im
Hintergrund genauer ausführt. Die Räumlichkeiten werden immer mehr zugebaut mit
zusätzlichen Treppen, hölzernen Verbindungsstegen, weiteren Gemäuern und
angedeuteten Folterinstrumenten aller Art. So wird in den Bildern eine größere
Tiefenwirkung erzeugt, Ausdruck von Unendlichkeit in Richtung Hintergrund.

"Der Künstler studiert antikes Formenrepertoire und bedient sich daraus wie aus einer Sammlung,
jedoch nicht in der Nachahmung (imitatio), sondern in der Weiterentwicklung und Neuschöpfung
(invenzione) architektonischer Strukturen, die eine Idee verbildlichen sollen, bei der die logische und
tektonische Ausführbarkeit in der Realität keine Rolle spielt. (...) Die monumentale Übersteigerung ist
Programm und Mittel zum Zweck. Damit erreichen Piranesis Architekturdarstellungen eine neue
Wahrnehmung von Raum, die so in der Realität niemals erfahrbar sein kann." 571

Ausdruck von Stimmung


"In Piranesis Vorstellung erscheint Architektur als Ausdrucksträger von Stimmung, von schöpferischer
Fantasie, die auf den Betrachter überspringt. Sie ist wahr in der Verwendung der Mittel, d.h. des seit
der Antike überlieferten historischen Formenrepertoires, sie ist poetisch in der Umsetzung, d.h. in der
Loslösung von Architektur aus ihrem rein materiellen Erscheinungsbild, sowie ihrer Einbindung in eine
neue Wirklichkeit." 572

Die Carceri d'Invenzione -Sammlung ist sicherlich ein Höhepunkt in Piranesis Werk,
auch was den Ausdruck von Stimmung betrifft. Trotz aller intellektuellen Anregung in
Bezug auf die Erweiterung der Raumvorstellung scheinen die Tafeln aber dennoch
eine bedrückende Grundstimmung aufzuweisen, erzeugt durch das ausbalancierte
Spiel von Licht und Schatten573, durch die furchterregenden Foltergeräte (Seile,
Flaschenzüge, Hebel, Räder, das Sägepferd ... ) und nicht zuletzt durch die
abweisende Atmosphäre der Kerkerszenerie mit den wuchtigen, massiven Pfeilern,
Bögen und Treppen und den eher instabil wirkenden, förmlich angeklebten Leitern
und Holzstegen. Oft wurden die Bilder daher als Ausdruck von Dämonie und
Exzentrik verstanden.

Ein treffendes Beispiel für eine solche, deutlich romantisierende und


psychologisierende Interpretation findet sich in Thomas de Quinceys "Confessions of
an English opium eater" 574 von 1821. Sehr wahrscheinlich beschreibt de Quincey
seinen Eindruck von Tafel VII (2.Zustand):

"... eine Folge von Radierungen des Künstlers, die seine Träume genannt werden und Halluzinationen
während eines Fieberanfalls wiedergeben. Einige dieser Blätter (...) stellen weite gotische Hallen dar:
Auf deren Boden stehen allerhand Folterwerkzeuge und Geräte, Räder, Seile, Flaschenzüge, Hebel,
Katapulte etc. und drücken Anwendung ungeheurer Gewalt und Überwindung jeden Widerstandes
aus. An den seitlichen Wänden dahinkriechend, nimmt man Treppen wahr und auf ihnen, sich nach
oben tastend, Piranesi selbst; verfolgt man die Treppe eine Stück weiter, so erkennt man, dass sie
plötzlich abrupt endet, ohne jedes Geländer, und dem, der dieses Ende erreicht hat, keinen Schritt
weiter gestattet, es sei denn in die Tiefe. Was immer mit Piranesi geschehen mag, man vermutet zum
wenigsten, dass seine Mühen hier auf irgendwelche Weise ein Ende finden werden. Aber man erhebe

570
Damit sind gemeint die Erstausgabe von 1745 und die Endfassung von 1761.
571
(s. Anm. 566) S.11.
572
Ebda S.11.
573
Die im Bild vorkommenden Leuchten sind immer dunkel, statt dessen werden die Wände erhellt
durch "Scheinwerfer" außerhalb des Bildes.
574
zitiert aus WILTON-ELY, John: Giovanni Battista Piranesi – Vision und Werk. München 1978,
S.89.

431
seine Augen und man erblickt einen zweiten, höher gelegenen Treppenlauf: Auf dem ist wiederum
Piranesi wahrzunehmen, der diesmal schon am Rande des Abgrunds steht. Nochmals blicke man
höher und bemerke eine noch luftigere, ferne Flucht von Treppen; aufs neue bemüht sich hier
Piranesi, bedauernswert, mit seinem Emporstreben – und so weiter, bis die unvollendeten Treppen
zusamt Piranesi sich im Dämmer der Halle verlieren. – Mit derselben Fähigkeit zu endlosem
Wachstum und Selbstwiederholung entwickelte sich die Architektur in meinen Träumen."

Neben dieser (wohl bekanntesten) Andeutung eines fieberhaften Alptraumes gibt es


viele ähnliche Deutungsversuche, z.B. die Carceri d'Invenzione seien das Produkt
von Piranesis angeblich jähzornigem Charakter und seinem sprunghaften
Temperament oder sie seien während einer schöpferischen Krise entstanden oder
als Folge tiefer Depression des Künstlers.

--- Tafel VII der Carceri d'Invenzione "Die Zugbrücke": 1. und 2. Zustand ---

Ging es Piranesi eher um den Ausdruck von Stimmung oder eher um das Spiel mit
der Phantasie des Betrachters oder um beides gleichermaßen ?

"Die Elementargesetze architektonischer Raumbildung werden rücksichtslos völlig neu interpretiert,


die Folge der Carceri d'Invenzione wird zu einer Experimentalreihe über die Aussagefähigkeit von
architektonischer Struktur." 575

"Vielleicht ist es gerade diese Rücksicht Piranesis, die eine Annäherung an die Carceri d'Invenzione
zwar bedingt möglich macht, letztendlich jedoch zu Ratlosigkeit und damit zur Flucht in jedwede Art
von Interpretation führt, ja den auf der Suche nach dem Sinn in den Raumlabyrinthen herumirrenden
Betrachter und Kunsthistoriker zum eigentlichen Insassen der metaphysischen Gefängnisse macht." 576

575
(s. Anm. 566) S.131, dort zitiert aus REUDENBACH, B.: G.B.Piranesi – Architektur als Bild.
München 1979.
576
Ebda S.131, anschließende Überlegung zum Zitat von Reudenbach.

432
So gesehen scheint der Betrachter förmlich eingesperrt innerhalb der Grenzen
seines eigenen Vorstellungsvermögens... .

Ausdruck von schöpferischer Phantasie / Raum


"Und was ich auf der anderen Seite ganz speziell an diesen Bildern mochte, als ich sie etwa 1980
wiederentdeckt hatte, war, dass sie uns die Funktion einer Ecke eines Bildes sehr haben bewusst
werden lassen. Das heißt, der Rauminhalt war so überladen mit Ausdruck, mit explosiver und
implosiver Energie, dass die Ecke des Bildes entweder als völlig bedeutungslos verstanden werden
konnte, so dass man sich vorstellen kann, das Bild setze sich in einem "Hyperspace" jenseits fort,
oder sie konnte als eine gewaltsame Aktion verstanden werden, bei der das Bild gezwungen wird, sich
selbst in einer Art und Weise zu begrenzen, die seiner Natur eigentlich fremd ist." 577

Im Vergleich von Tafel VI (2.Zustand) mit seinen "Vor-Bildern" wird sehr schön
deutlich, wie Piranesi seine (neue) Form von Tiefenwirkung erzeugt:

--- "Gruppo di colonne" und "Carcere oscura" aus Prima parte ---

In "Carcere oscura" von Piranesi (aus "Prima parte...") sind bereits keine klaren
Begrenzungslinien mehr vorhanden; die Oberfläche der Wände wirkt rau und erfährt

577
"And on the other hand what I liked specifically about these pictures when I rediscovered them
about 1980 was that they made us very aware of the function of the edge of a picture. That is, the
content was so hyper-loaded with expression, with explosive and implosive energy, that the edge of
the picture could either be seen as a complete irrelevance, so that the picture might be imagined as
continuing in some hyper-space beyond, or it could be seen as some sort of rape action whereby the
picture was being forced to limit itself in a way which was alien to its nature." – (s. Anm.6) S.290.

433
durch das Spiel von Licht und Schatten eine feine Musterung. Der Blick des
Betrachters ist in Ermangelung der Großen Figuren direkt auf die Säule gerichtet, die
diagonale Achse der "Scena per angolo". Der Boden ist flach angelegt und
verschwindet fast aus dem Bild; einzig drei winzige Gestalten scheinen sich dort
noch zu bewegen. Die beiden Fluchtpunkte liegen zwar außerhalb des Bildes, der
Blick durch den rahmenden Bogen verleiht dem Betrachter jedoch eine gewisse
Stabilität.

--- Tafel VI der Carceri d'Invenzione ("Das rauchende Feuer"): 1. und 2. Zustand ---

Auf Tafel VI der Carceri d'Invenzione wurde der rahmende Bogen entfernt: der
Betrachter steht näher an der Säule, deren Wölbung nun außerhalb des Bildes liegt.
Vom Boden vor der Säule ist nichts mehr übrig; seltsame Stelen (größer als die
menschliche Figur daneben) stehen auf der einzigen "freien" Fläche. Von links droht
eine dunkle, mit Leitern, Stegen und dem Flaschenzug behangene Säule den
Betrachter zu erschlagen. Im Hintergrund lassen angedeutete Treppen und Bögen
eine Fortsetzung der Szenerie ins Unendliche vermuten: Der Raum scheint keinen
Anfang und kein Ende zu haben. Er besteht aus Durchgängen, Zwischenräumen und
Hallen, die zum eher Weitergehen denn zum Verweilen auffordern. "Der Raum
erscheint als Torso, die Architektur ist in Bewegung, der Betrachter wird zum
Entdecker." 578

Mysteriöse Rauchschwaden – im Bild weiß belassene Bereiche – verschleiern


zusätzlich architektonische Anhaltspunkte und füllen den verbleibenden Raum mit
weiteren Details wie Ketten, Balken und Stelen.

578
(s. Anm. 566) S.96.

434
Noch auffälliger wird in den Tafeln II, V und XVI "die Klarheit der Konzeption einer
didaktischen Überfülle der Details geopfert." 579

"Die Oberflächenstrukturen der roh behauenen Wände, das Labyrinth der Verliese und das sich in den
düsteren Räumlichkeiten entfaltende Spiel von Licht und Schatten schienen Piranesi offenbar überaus
geeignet, seine Vorstellungen von Raumkonzepten weiterzuentwickeln und nun nicht mehr an
verschiedenen Themen, wie noch in der "Prima parte", sondern mehrfach an einem, dem Kerker,
durchzuspielen." 580

Ferneyhough bemerkt:

"Ich versuche in diesem Werk die Energetik der Carceri-Serie Piranesis von sehr verschiedenen
Seiten aus zu beleuchten." 581

Sprengen des Rahmens / Energie


"Es gibt absolut keine illustrative Absicht in meiner Komposition. Der einzige Grund, warum ich den
Titel überhaupt verwendete, ist, dass er sehr angebracht zur Beschreibung meiner zentralen Anliegen
schien; das heißt, dass aller Ausdruck in der Kunst sich auf irgendeine Weise von der Beschränkung
ableitet. Man kann sich nur dann in einer sinnvollen Art frei bewegen, wenn man sich in einem
bestimmten Raum befindet, dessen Ausdehnung zuvor in gewisser Weise festgelegt worden ist. Und
das schien eng mit den Dingen zusammenzuhängen, auf die ich bei meiner Interpretation von Piranesi
gekommen bin." 582

Untersucht man einige kompositorische Details von z.B. von Tafel VII (2.Zustand), so
lassen sich die folgenden, plausibel klingenden perspektivischen Zusammenhänge
formulieren:

1. In der Bildmitte befindet sich eine leicht geöffnete Zugbrücke und dahinter (!),
durch diese leicht verdeckt, eine hohe Säule mit Wendeltreppe.

2. Der (erst im 2.Zustand eingefügte) Holzsteg unterhalb der Brücke trifft hinter der
Wendeltreppe auf die hohe Säule und scheint so "durch" diese Säule hindurch zu
verlaufen: das vordere Geländer vor der Säule entlang, das – nicht sichtbare –
hintere Geländer hinter der Säule. Die beiden y-förmigen Träger des Steges
bestätigen scheinbar diese Perspektive.

3. Sowohl der Holzsteg als auch die Zugbrücke sind am hinteren Brückenpfeiler
(rechts im Bild) verankert und weisen direkt an der Säule offenbar in dieselbe
Richtung. Der vordere Pfeiler der Brücke ist verdeckt durch das Gemäuer links im
Bild. Dennoch scheint auch der Steg in Richtung des verdeckten Pfeilers zu
zeigen. Der Holzsteg scheint also mit der Brücke in derselben Ebene zu liegen
und wäre die Zugbrücke geschlossen, so könnte man sich sogar das Geländer
des Steges und das der (geschlossenen) Zugbrücke entsprechend parallel
vorstellen.

579
(s. Anm. 574) S.97.
580
(s. Anm. 566) S.11.
581
(s. Anm. 541) S.42.
582
"There is absolutely no illustrative intent in my composition. The only reason I used the title at all is
that it seemed very apposite in describing my central concerns; that is , that all expression in art in
some way derives from limitation. You can only act freely in a particular space which has been to
some extent mapped out previously. And this seemed to lock in closely with the things which my
Piranesi interpretations had suggested to me." s (s. Anm. 6) S.291.

435
Diese drei Details, die Brücke vor der Säule, die Ebene von Säule und Steg und die
(gleiche) Ebene von Brückenpfeilern und Steg, erscheinen für sich gesehen
durchaus schlüssig. In ihrer Addition ergeben sie jedoch eine widersprüchliche und
damit (in der euklidischen Geometrie) unmögliche Gesamtanlage mit etwa diesen
daraus folgenden Details:

4. Würde die Zugbrücke geschlossen, so müsste sie, wie der Steg, durch die Säule
hindurch führen oder aber an ihr zerschellen...

5. Die Brücke lässt sich gar nicht in der Ebene des Stegs schließen, sondern ragt,
wenn sie halb geöffnet ist, aus der Ebene in Richtung des Betrachters, also
förmlich aus dem Bild heraus.

"Mit den Carceri d'Invenzione – schreibt Ulya Vogt-Göknill – zeigt Piranesi sehr klar, wie die
euklidische Geometrie nicht die einzige architektonische Lösung darstellt. Es handelt sich
offensichtlich um den Bruch des Künstlers mit den Gesetzen der Zentralperspektive. Piranesi
verschiebt nicht nur den Punkt der Betrachtung heraus aus dem Bild, sondern er nimmt sogar mehrere
Fluchtpunkte an und lässt so den euklidischen Raum buchstäblich zusammenbrechen..." 583

Die Vorstellung einer berstenden Zugbrücke verleiht dem Bild eine gewisse Dynamik,
und zwar in dem Sinne, dass das Auge wie das Hirn des Betrachters gefordert wird,
eine schlüssige, in sich vereinbare Perspektive zu schaffen durch Überprüfen aller
weiteren Details und Beseitigung des scheinbar "unentwirrbaren, sinnverwirrenden
Geflechts von Elementen und Strukturen" 584, des perspektivischen Widerspruchs.585
Die Illusion der aus dem Bild ragenden Brücke verleiht dem Bild so eine gewisse
Eigendynamik, eine besondere Form von Energie.

Sie wurde erzeugt durch die "Beschränkung" auf eine realistische Darstellung der
Umgebung der Brücke und das gleichzeitige Überschreiten dieser Grenze durch die
perspektivisch widersprüchliche und unvereinbare Darstellung der Brücke selbst,
also durch das Wechselspiel von vorgegebener Grenze und deren Überschreitung.

"Durch die sinnverwirrende, scheinbare Gleichzeitigkeit verschiedener Fluchtpunkte in der


Architektonik dieser Bilder entsteht eine phantastische Energiebeladenheit. Aus der gleichzeitigen
Anwesenheit verschiedener Blickwinkel und Erfahrungsräume – das meint eigentlich der Titel
"Carceri" – ergeben sich Kraftlinien von solcher Stärke, dass sie die förmlichen Ränder des Bildes
überlaufen und platzen lassen." 586

583
"Nelle Carceri d'Invenzione – scrive Ulya Vogt-Göknill – il Piranesi dimonstra chiaramente che la
geometria euclidea non rappresenta per lui l´unica soluzione architettonica. E´ evidente la rottura dell´
artista con le leggi della prospettiva centrale. Il Piranesi non sposta soltanto il punto di osservazione,
facendo così letteralmente crollare lo spazio euclideo..." – MELCHIORRE, Alessandro: I Labirinti di
Ferneyhough. (1984; ital.) in: I Quaderni della Civica Scuola di Musica. Numero speziale dedicato a
Brian Ferneyhough. Mailand 1984, S.27.
584
(s. Anm. 574) S.93.
585
Ein inhaltlicher Widerspruch drängt sich ebenfalls auf: Eine Zugbrücke soll ja verbinden, wenn sie
geschlossen ist, und nicht in dem Moment, wo sie ihren eigentlichen Zweck erfüllen könnte, ihre
Funktionalität verweigern.
586
(s. Anm. 541) S.41.

436
Idee der musikalischen Umsetzung
"Einer der Aspekte an Piranesi, die mich interessierten, war, wie ich schon sagte, die Perspektive –
die gegenseitig inkompatiblen Perspektiven, die durch eine Art ihnen aufgezwungener
kompositorischer List zur Koexistenz gezwungen wurden. Und in diesem speziellen Fall war die Idee
die, auf möglichst vielen Ebenen das Zusammenhangspotential von Wechselbeziehungen von
grundsätzlich unveränderlichem Material relativ deutlich zu machen; die Idee war, wie oft das Material
wörtlich wiederholt wird, wie oft es annähernd unverändert wiederholt wird, wie oft es in irgendeiner
variierten Form wiederholt wird, usw.; und was dann die Ebenen des Wahrnehmungspotentials sind,
die das Ohr dazu bringen können, damit zu spielen, den Intellekt auf das Zusammenspiel von Kräften
zu konzentrieren, die diese zyklisch ineinander greifenden Wiederholungen erzeugen." 587

"Und ich mag vielmehr die zweideutige graue Zone, die entsteht durch den willkürlichen Beginn von
weiß, in einer geraden Linie, die plötzlich abbricht; die ungeheuerliche Multiplikation von manchmal
ziemlich gegensätzlichen perspektivischen Linien, die das Bild selbständig hervorbringt: dieser
ungeheuerliche Konflikt von dieser ausdrucksvollen Überverwirrung und der völlig zweideutigen
Überrationalisierung, die die Ecke des Bildes hervorbringt. Das gab mir den Hinweis auf etwas, an das
ich oft in der Musik gedacht habe, und das war, daß man, wenn man genügend Energien bilden kann
in einer musikalischen (oder jeder Art von künstlerischen) Sprache, dazu fähig ist (oder die Sprache
fähig ist), einen Salto Mortale über die Ecke eines Bildes zu machen, oder über das Ende – den
Doppelstrich am Schluß – einer Komposition, in einer solchen Art, die ermöglicht, die Welt außerhalb
des Objekts selbst zu modifizieren, zu verändern und in einem anderen Licht zu zeigen.
Und das ist wohl eine Art idealistischer Antwort auf die Frage, was ein Kunstwerk bedeutet, wofür es
steht, was es bewirkt und was es ausdrückt." 588

Eine interessante Assoziation zum Thema "Kerker" liest Thomas Meyer589 aus dem
Notenbild der Musik Ferneyhoughs heraus:

"Ferneyhough komponierte seine Werke immer gleich mit Tusche ins Reine, und dies mit aller
Akribie. Dabei entstehen Partituren, die wohl manchen Interpreten schon an den Rand seiner
Möglichkeiten gebracht haben. Auch das eine Art 'Kerker der Erfindung'."

587
"One of the things about Piranesi which interest me, as I said, was perspective – the mutually
incompatible perspectives being forced into co-existence by some sort of compositional stratagem
imposed upon them. And in this particular case the idea was to make relatively clear on as many
levels as possible the inter-referential potential of basically invariant material; the idea how often the
material literally repeats, how often it repeats approximately, how often it repeats in a certain sort of
varied form and so on; and what are then the levels of perceptual potency which the ear can bring to
play upon focussing the intellect into the interplay of forces which these cyclic interlocked repetitions
generate." – (s. Anm. 6) S.298/299.
588
"And I rather liked the ambiguous grey zone created by the arbitrary beginning of white, in straight
line, suddenly breaking off; the tremendous multiplication of sometimes quite contrary perspectival
lines which the picture itself generated: this tremendous conflict of the expressively over-complex and
the completely arbitrary over-rationalisation which the edge of the picture provided. And that gave me
the hint of something which I´ve thought a lot about in music, which was that if you can create enough
energies in a musical (or any sort of artistic) language, you´re capable (or the language is capable) of
doing a salto mortale over the edge of a picture, or over the end – the final double bar line – of a
composition in such way as to be able actually to modify, to change, to show in a different light the
world outside the object itself. And that would be a sort of idealistic answer to the question of what
does a work of art mean, and what is it for, what does it do, how does it express ?" – (s. Anm.6)
S.290/291.
589
MEYER, Thomas: Ein Geflecht einander widerstrebender Kraftlinien - Der Komponist Brian
Ferneyhough. (1987; dt.) in: Musiktexte. Heft 18, Köln 1987, S.33.

437
X. höranalytische Studien zum Zyklus Carceri d’Invenzione

Nachdem eine Reihe kompositionstechnischer Aspekte in den vorigen Kapiteln


betrachtet wurde, stellt sich unweigerlich die Frage, was beim Hören der Stücke des
Zyklus wahrgenommen wird:

Æ Was lässt sich als Höreindruck in Worte fassen ?


Dass die Antwort auf eine solche Frage sehr umfangreich und womöglich dennoch
höchst unpräzise sein wird, liegt auf der Hand. Dennoch soll der Versuch gemacht
werden, dieser – doch elementaren – Frage im Hinblick auf die Vollständigkeit der
Analyse nachzugehen.

Um es vorweg zu nehmen: Das Ergebnis dieses Kapitels wird keine Antwort sein,
vielmehr kreisen die Gedanken um eine Differenzierung der Fragestellung, um
graduelle Abstufungen und mögliche Grenzen der Hörwahrnehmung, um die
Verwendung bzw. Angemessenheit des Begriffs "Energie" und darüber hinaus um
die Suche nach geeignetem Vokabular zur Beschreibung des bewussten oder
unbewussten Höreindrucks.

Der massivste Unterschied zwischen der Analyse des Notentextes (mit dem Auge)
und der höranalytischen Herangehensweise (mit dem Ohr) besteht wohl darin, dass
das Gehörte sich nicht nur auf analytisch (visuell) nachweisbare Eigenschaften der
Komposition beziehen muss, wie z.B. das Wiedererkennen von bereits Gehörtem,
sondern auch eine Ausdrucksebene tangieren kann, die eher subjektiv ist, die
womöglich nur im Unterbewusstsein wahrgenommen wird, die schwer (bzw. gar nicht
?) "nachweisbar" ist. Das Phänomen, dass jeder etwas anderes hört, wenn keine
konkrete Aufgabe die Wahrnehmung fokussiert, erschwert das Finden einer
"gültigen", quasi objektiven Antwort.

Um nicht allzu einseitig – als Einzelperson, die sich inzwischen ausführlich mit der
Musik beschäftigt hat, – an diesen Themenkomplex heranzugehen, sollen zwei
Studien mit mehreren "qualifizierten", aber dennoch möglichst unvoreingenommenen
Teilnehmern das Fundament dieses Kapitels bilden.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Hörwahrnehmung in Zusammenhang mit


dem Zyklus fand im Rahmen von mehreren Kolloquien590 statt, wo (unabhängig
voneinander) der Anfang von Carceri d'Invenzione IIa und die Etude
Transcendentale Nr.9 unter verschiedenen Fragestellungen höranalytisch unter die
Lupe genommen wurden.591

590
Sie fanden zwischen 1999 und 2001 an der Albert Ludwigs Universität Freiburg / Breisgau und der
Paul Sacher Stiftung Basel statt und dauerten jeweils rund zwei Stunden. Die jeweils ca. 15
Teilnehmer waren Musikwissenschaftler und Studenten der Musikwissenschaft. An dieser Stelle darf
ich mich nochmals bei allen Mitwirkenden für die rege Teilnahme an den Diskussionen bedanken.
591
Letztere war auch Gegenstand einiger Stunden Einzelunterrichts im Fach Höranalyse
(Aufbaustudium Kirchenmusik) an der Stuttgarter Musikhochschule, die eine besonders intensive und
individuelle Auseinandersetzung ermöglichten. Auch diesen Studenten sei für ihr Engagement herzlich
gedankt.

438
X.1. Studie 1: Carceri d'Invenzione IIa592

Bei der Beschäftigung mit Carceri d'Invenzione IIa stand die Grundfrage im
Mittelpunkt,

Æ Inwieweit sind Strukturen eines "komplexen" Stückes durch Hören wahrnehmbar ?

Die Frage nach der Wahrnehmbarkeit muss zuerst einmal weiter präzisiert werden
und zwar in zwei Richtungen: a) die räumliche, die des Fokussierens durch
Information und b) die zeitliche, die der graduellen Abstufung in Bezug auf die
Häufigkeit des Hörens.

a) Auf was soll gehört werden ? – Auf analytische Fakten, die durch das Studium der
Kompositionstechnik bereits bekannt sind und deren "Durchhörbarkeit" ggf. noch
unter Beweis zu stellen ist ? – Oder drängt sich – unabhängig davon – eine
andere, evtl. nicht-analytische Ausdrucksebene auf, die womöglich besser vor der
"kompositionstechnischen" Ebene beschrieben werden sollte, da sie nur durch
unvoreingenommenes Hören in Erscheinung tritt ?

b) Es gibt graduelle Unterschiede bzgl. der Fähigkeiten des Hörers und der
Intensität der Beschäftigung mit dem Stück, die eine unterschiedliche Bewertung
der Aussagen notwendig machen. Eine Skala der verschiedenen Schritte des
(hörenden) Kennenlernens eines Stücks könnte etwa so aussehen:

• Erster Eindruck: Situation eines unvorbereiteten und damit unbefangenen


Konzertbesuchs; Aspekte der Form wie Wiederholung oder Entwicklung
können (vage) wahrgenommen werden, ebenso subjektive Empfindungen
beim Hören.

• Fokussiertes Hören: Durch Informationen z.B. aus dem Programmheft zum


Konzert können Anmerkungen zur Kompositionstechnik oder zum
(intendierten) Ausdruck kritisch überprüft werden. Fragen zur
Wahrnehmung bestimmter Aspekte würden hauptsächlich mit "Ja" oder
"Nein" beantwortet.

• "Aktives" Hören: Aspekte der Wiederholung oder Entwicklung können nach


mehrmaligem Hören präzisiert werden; mit dem Einblick in die Partitur
kann die Notentreue der Interpretation beurteilt593 und über deren
musikalische Angemessenheit diskutiert werden. Verschiedene
Interpretationen können differenziert miteinander verglichen werden.

• Auswendig kennen / selbst Aufführen: Der höchste Grad an durch Hören


angeeigneter Kenntnis eines Stücks besteht darin, es aus dem Gedächtnis

592
Diese erste Studie entstand im Rahmen eines Kolloquiums im Oktober 2001 in Freiburg. Der
Mitschnitt der Uraufführung des Zyklus 1986 in Donaueschingen wurde bei der Analyse angehört.
593
Je nach Hörfähigkeit und Informationsdichte des Stücks mag dies bereits beim ersten Hören mit
Partitur möglich sein. Die Aufgabe, innerhalb einer Wave-Datei von Carceri d'Invenzione IIa
bestimmte Takte zu finden und die Taktstriche an den entsprechenden Stellen der Datei zu markieren,
erforderte bisweilen mehrmaliges Anhören der Zielbereiche.

439
wiederzugeben, sei es durch genaue Beschreibung, durch Interpretation
am Instrument oder durch Aufführung als Dirigent.594

Das Kolloquium begann – gemäß dieser Schritte – mit einem ersten,


unvoreingenommenen Hören der ersten etwa drei Minuten595 des Stücks. Noten der
ersten zwei Seiten standen zur Verfügung, um sich dabei etwas in die
Notationsweise einzulesen. Die Präzisierung der Fragestellung lautete:

Æ Sind irgendwelche Strukturen oder Tendenzen bereits jetzt wahrnehmbar ? –


Wenn ja, welche ?

Hier waren Antworten zum subjektiven Empfinden ebenso erwünscht wie Angaben
zur Wahrnehmung von kompositionstechnischen Prozessen. Nach anfänglichem
Zögern meldete sich ein Student mit der Bemerkung, der Tonumfang der Soloflöte
sei zuerst auf die beiden extremen Bereiche beschränkt gewesen und hätte sich
allmählich von beiden Seiten zum mittleren Register hin bewegt, wo er schließlich
eng eingegrenzt war.

Es folgten Anmerkungen und Fragen zur Partitur: Ist die Einteilung in Takte sinnvoll
bzw. hörbar ? – Wie exakt sind Tempo, Metrum und Rhythmus überhaupt umsetzbar
? – Wie wird so etwas dirigiert ? – Werden die Taktschwerpunkte geschlagen oder
nur jeweils der Taktbeginn ?

Die Antworten waren sparsam, um nicht zu weit vom Thema abzuschweifen: Die
Einteilung in Takte ist einerseits ein ordnendes Element in Bezug auf die
Modulkonstruktion; der Takt bildet den Rahmen, innerhalb dessen sich die Ereignisse
abspielen. Andererseits wird der Beginn eines Taktes häufig durch Akzente oder den
Wechsel der Klangfarbe oder den Einsatz einer neuen Instrumentengruppe deutlich
hörbar markiert.

Im Sinne eines "fokussierten Hörens" wurde nun derselbe Teil ein weiteres Mal
angehört mit der (ausführlichen) Information über die Tonhöhenentwicklung der
Soloflöte. Dazu wurde die Grafik mit den Tonhöhenbereichen erklärt und das
Notenbeispiel mit den Registerbereichen der Takte 1 bis 39 gezeigt. Beim nun
folgenden Hören konnte das Notenbeispiel mitgelesen werden; zur Orientierung
wurde an einzelnen Stellen die Taktzahl genannt. Die Fragestellung war nun:

Æ Kann man die Eingrenzung des Flötenregisters zur kleinen Terz (fis-a) hören ?596

Dem wurde weitgehend zugestimmt, wobei eingeschränkt wurde, dass "Ausrutscher"


in extreme Register597 die Eindeutigkeit des Prozesses untergraben und das
Erkennen erschweren. Und noch mehr wurde erkannt: Man kann die extrem hohe
Lage der Flöte besonders gut erkennen, da die Klangfarbe in diesem Bereich sehr
auffällig ist. Es liegt also nicht nur eine allmähliche Einschränkung des Registers,
594
"Auswendig kennen" geht weit über ein stures mechanisches auswendig Lernen hinaus, da die
Voraussetzung dazu ein Gliedern und auf gewisse Weise Verstehen ist.
595
bis Takt 77.
596
Oder der Situation angemessener: Können jetzt auch die anderen Teilnehmer des Kolloquiums die
Eingrenzung hören ? – Zu hören, dass es sich um die Zieltöne fis und a handelt, wurde natürlich nicht
erwartet.
597
Es handelte sich hierbei vermutlich um die "roten Einschübe" der Modulanordnung, die auch
bezüglich der Tonhöhen "wörtlichen Zitate".

440
sondern zugleich eine allmähliche Einschränkung des Klangfarbenspektrums vor.
Dabei sind hohe Töne gut durchhörbar, mittlere weniger gut, tiefe ganz schlecht. Im
Hinblick auf die Orchesterbegleitung lässt sich feststellen: Das tiefe Register ist zu
Beginn solange gut hörbar, wie die Flöte unbegleitet spielt. Wenn die
Orchesterinstrumente einsetzten, wird der Flötenpart mehr und mehr von den
anderen Instrumenten überdeckt, besonders wenn sich die Registerbereiche
überlappen.

Ein Blick auf die allmähliche Zunahme der Instrumente598 verdeutlichte den
Zusammenhang: Bis Takt 72 setzen nach und nach alle Orchesterinstrumente ein
und in demselben Zeitraum findet die Einschränkung des Flötenregisters statt. Das
Zusammenspiel beider Prozesse erschwert also zusätzlich die Durchhörbarkeit der
Flötenstimme.

Ein weiteres Detail wird deutlich, wenngleich es beim Hören (noch) nicht aufgefallen
ist: Bevor die Außengrenzen des Flötenregisters eingeschränkt werden, wird der
mittlere Bereich zwischen den beiden Extremen ausgedehnt. Dieser Prozess – bis
Takt 48 – fällt mit der Zunahme der Streicher zusammen und endet, bevor die Bläser
einsetzten. Dass mit Takt 48 der erste Taktzyklus durchlaufen wurde und mit Takt 73
der erste Modulzyklus, konnte nicht gehört werden; es handelt sich offenbar um
gliedernde Momente, deren Existenz evtl. hörbar ist, deren Bedeutung jedoch auf
anderem Wege erschlossen werden muss.

Eine andere Bemerkung fiel jedoch, die bereits zum nächst intensiveren
Hördurchgang überleitete: Die Wiederkehr einer Phrase wurde erkannt. Da für die
ersten Takte die Partitur vorlag, konnte die Phrase sogar lokalisiert werden: Takt 2
erscheint in Takt 14 wörtlich599 wieder.

Um die Teilnehmer auf die nächste Frage vorzubereiten, folgte eine knappe
Einführung in den Aufbau des Stücks in Bezug auf die Anordnung der 48 Module: Es
wurden die beiden "Kurven" zur vorläufigen bzw. endgültigen Anordnung der Module
zu Beginn von Kapitel V.3.b) erläutert und die Tabelle am Ende desselben Kapitels
betrachtet im Hinblick auf das mehrmalige Erscheinen von Modul 2 (= Takt 2).

Wie kaum anders zu erwarten war, schlossen sich Fragen zur Modulanordnung an:
Wie genau funktioniert der Umgang mit Zahlenreihen ? – Ist der Begriff "Zitat"
geeignet, wenn ein Modul wiederkehrt ? – Was impliziert der Begriff "Zitat" ? – Wird
nicht die gesamte Abfolge der 48 Module "zitiert" ? – Sind die 48 Module "steigernd"
angeordnet, in dem Sinne, dass die Module immer komplizierter werden, je später sie
erscheinen ?600 – Welche Kriterien gibt es zum Wiedererkennen eines Moduls ?

Ein Blick auf die Erscheinungsformen von Modul 2 zeigte, dass die (gleichen bzw.
ähnlichen) rhythmischen Proportionen offenbar das "gemeinsame" Kriterium sind. Es
fiel außerdem auf, dass die Module nicht unbedingt wörtlich wiederkehren, sondern
auch verändert werden. Der Vergleich mit der "entwickelnden Variation" drängte sich

598
vgl. Grafik in Kapitel V.5.
599
Tonhöhen, Klangfarben und Proportionen sind identisch; die Taktlänge und der genaue Rhythmus
sind weichend. Der Vorschlag zu Beginn von Takt 2 wurde nach kurzer Erörterung zur Phrase dazu
gezählt, da er in Takt 14 wieder vorkommt; die Notation (noch vor Beginn von Takt 2) erweckte jedoch
den Anschein, dass der Vorschlag möglicherweise noch zu Takt 1 gehören könnte.
600
Das ist nicht der Fall, wie sich einfach nachprüfen ließ.

441
auf. Andererseits durfte an dieser Stelle nicht der Hinweis fehlen, dass sich
Veränderungen verschiedener Module durchaus soweit annähern können, dass sie –
wenn man die Genese nicht kennt – vom gleichen Modul abzustammen scheinen.601

Nach dieser weiteren Auseinandersetzung mit dem Werk folgte der dritte
Hördurchgang (wiederum bis Takt 77) mit der Fragestellung

Æ Inwieweit lässt sich Modul 2 in seinen verschiedenen Erscheinungsweisen


wiedererkennen ?

Zur besseren Orientierung stand ein Schaubild zur Verfügung mit der Flötenstimme
der Takte 2, 14, 67, 75602, 189 und 190 im Vergleich603 und die Takte 67 und 75
wurden, kurz bevor sie erklangen, angesagt.

Das Ergebnis war denkbar eindeutig: die wörtliche Wiederkehr von Modul 2 in Takt
75 wurde einwandfrei erkannt, schließlich ist der Takt umgeben vom eingegrenzten
Tonhöhenbereich fis-a; besonders die letzten fünf Töne des Moduls oder – noch
genauer – die drei Spitzentöne davon dienten als Erkennungsmerkmal.

Takt 67 war – in Ermangelung dieses Merkmals – nicht wiedererkannt worden. Die


Übereinstimmung allein der rhythmischen Proportionen kann mitunter dadurch nicht
(oder nur schwer) wahrgenommen werden, als der Taktstrich nicht (oder nur schwer
in Zusammenhang mit den begleitenden Instrumenten) wahrgenommen werden kann
und damit Beginn und Ende des Moduls verschleiert sind. Der Rhythmus selbst
scheint nicht so prägnant zu sein, dass er allein – ohne Tonhöhenübereinstimmung –
mit seinem Original in Verbindung gebracht werden kann.

Ein Blick z.B. auf Modul 14 und seine (rhythmischen) Veränderungen untermauerte
die Schwierigkeit, die Veränderungen der Module mit dem Original in Verbindung zu
bringen. Auf einen extra Hördurchgang wurde aufgrund geringer Erfolgsaussichten
verzichtet.

Die Möglichkeit, unter Umständen (irgendwann oder irgendwie) alle 48 Module


wiedererkennen zu können, wurde angezweifelt. Die Frage wurde laut, ob es eine Art
"Zumutbarkeitsgrenze" gibt, was von einem Hörer erwartet werden kann und was
nicht: Gibt es eine "anthropologische Konstante" ? – Wieviel Komplexität verträgt der
Mensch ?
Die Idee der "Flaschenpost" kam auf: Komponiert, "abgeschickt", irgendwann wird es
vielleicht jemand "verstehen". Vielleicht wird man es nie "verstehen" ?
Die Frage nach dem Sinn der ausgefeilten Struktur wurde gestellt: Handelt es sich
um eine bloße Anordnung, die sowieso irgendwie stattfinden muss, damit ein Stück
entsteht ? – Warum ist die Struktur so akribisch konstruiert, wenn man dies alles
doch nicht wahrnimmt ? – Ist es überhaupt sinnvoll, dass das Stück durch Hören
ergründet werden soll ? – Wenn nein, klingt dann jedes Stück dieser Stilrichtung
gleich ?!?

601
Dies ist z.B. bei den Takten mit nur einem Impuls der Fall.
602
Entgegen der (ursprünglichen) Modulanordnung handelt es sich bei Takt 75 nicht um die wörtliche
Wiederkehr von Modul 14, sondern um die von Takt (!) 14, was unschwer visuell wie auditiv
nachzuweisen war. Auch dieses "Versehen" ließ sich augenzwinkernd als Zeichen der komplexen (im
Sinne von "anspruchsvollen") Struktur verstehen: Sie benötigt viel Konzentration...
603
Dies sind alle Takte, in denen Modul 2 in Erscheinung tritt.

442
Fragen über Fragen, die für den Moment gar keine Antwort liefern, sondern eher
einer Kapitulation gleich kommen.

Eine etwas konstruktivere Diskussion könnte darüber geführt werden, inwieweit sich
eine solche Zumutbarkeitsgrenze im Laufe der Zeit verändert; atonale Stücke z.B.
Weberns Bagatellen oder Schönbergs Pierrot Lunaire werden heute viel spezifischer
wahrgenommen als zu Beginn dieser Kompositionsrichtung.

Diese Argumentation würde weit gehend parallel laufen zu der der Aufführbarkeit
bzw. der Grenze in Bezug auf die größtmöglichen Genauigkeit einer Aufführung.

Um nicht nur Details der Konstruktion durch Hören mehr oder weniger erfolgreich auf
den Prüfstand zu stellen, sondern auch über den Ausdruck – möglicherweise auf
einer ganz anderen Ebene – zu sprechen, wurde die Radierung VI aus der
Sammlung Carceri d'Invenzione von Piranesi gezeigt mit dem Hinweis, dass
Ferneyhough durch diese Bilder zur Komposition angeregt wurde. Die Frage dazu
lautete:

Æ Lassen sich die beiden "beobachteten" Phänomene – die Eingrenzung des


Tonraums und die Wiederholung von Modulen – mit dem Ausdruck der Stiche von
Piranesi vergleichen ? – Mit welchem Vokabular lassen sich etwaige Analogien
beschreiben ?

Spontan wurde geäußert, dass wohl eher Bilder von Escher als von Piranesi als
Vorbild in Frage kommen. Im nächsten Augenblick wurde dies jedoch wieder
relativiert mit dem Argument, dass ein Bild von Escher wohl "einfacher" konzipiert sei
und daher eher der "geradlinigen" Musik z.B. eines Arvo Pärt entsprechen würde.

Eine andere Überlegung war, dass solch ein Bild von Piranesi eher einem
Bühnenbild für das barocke Theater gleiche: für jede Art Ausdruck sei es irgendwie
geeignet.

In ähnlicher Weise wurde argumentiert, man könne wohl jedes Bild als vermeintliches
Vorbild heranziehen und würde sicher irgendwelche Analogien zur Musik [von
Carceri d'Invenzione IIa] finden.

Schließlich wurde doch eine auffällige Gemeinsamkeit zwischen der Musik und der
Radierung benannt: das Fehlen eines Bezugspunkts. Das Auge bzw. Ohr läuft in
beiden Fällen – Piranesi wie Ferneyhough – Gefahr, sich in der Fülle an Information
zu verlieren.

Vielleicht macht gerade diese Aussage, nach der weit schweifenden Diskussion, ein
Hauptcharakteristikum des Stücks, des Zyklus oder gar der Kompositionsweise
deutlich: Das Fehlen eines Bezugspunktes.

Aus Zeitgründen musste die Diskussion hier leider abgebrochen werden. Weitere
interessante Überlegungen wären neben der Relativität eines Bezugspunktes auch
die Chancen, die sich aus seinem Fehlen möglicherweise für den Hörer ergeben:
Z.B. die Freiheit des Hörers, möglichst viele eigene Gedanken in die Musik hinein zu
tragen bzw. ihr zu entnehmen, ohne von vornherein (bewusst oder unbewusst)
vorgeschriebenen Pfaden zu folgen.

443
X.2. Studie 2: Etude Transcendentale Nr.9604
Bei der Beschäftigung mit der Etude Transcendentale Nr.9 standen zwei
Grundfragen im Mittelpunkt:

Æ Welche (neuen ?) Formen des Zusammenhangs gibt es (hier) zwischen Text und
Musik ?

Æ Wie tritt die – von Ferneyhough so bezeichnete – "Energie" in Erscheinung ?

Zum Einstieg wurde der Text der Etüde ausgeteilt mit Fragen zum ersten Eindruck
(der sich vielleicht im Laufe der Analyse verändert) und zur Analyse selbst.

Die Frage zur Besetzung war einfach zu beantworten. Allerdings wurden die hohen
Stellen des Cello aufgrund des untypischen Klangs bisweilen einer Geige
zugeordnet.

Eine Grobgliederung anhand der Einsätze der Stimme fiel ebenfalls nicht schwer. Die
Gegenüberstellung von Konsonanten und Vokalen war klar. Ob es dabei auch einen
Zusammenhang untereinander und dadurch auch mit dem (gemeinsamen) Text gibt,
war nicht eindeutig herauszuhören. Es gab zu wenig konkrete Anhaltspunkte; die
Annahme, dass es "logisch" wäre, wenn die Vokale und Konsonanten aus dem Text
stammten, setzte sich schließlich durch.

Eine Feingliederung des Stücks wurde etwa im Stil der bereits vorgestellten
Grafiken605 dargestellt. Statt Taktzahlen markierten Zeitangaben der Aufnahme (in
Minuten und Sekunden) den Verlauf; meist waren sie jedoch unnötig, da anhand der
präzisen Beschreibung der musikalischen Ereignisse und der Verwendung der
Instrumente ein Zurechtfinden innerhalb der Grafik problemlos möglich war.

Zur exakten Abgrenzung der Formteile wurde – im Unterschied zur Analyse des
reinen Notentexts – jeweils ein einzelner Liegeton als "Scharnier" herausgehört: Das
es2 der Oboe in T.38/39 als Trennung von Anfangsteil und Mittelteil bzw. (noch
deutlicher) das h2 der Oboe in Takt 49 (direkt vor dem Vokalizzo-Einsatz) und g1/a1
des Cello in Takt 65 (direkt von dem gesprochenen Text) als Trennung von Mittel-
und Schlussteil.606

Für eine Detailanalyse z.B. des Anfangsteils (bis etwa zum Ende der Konsonanten)
wurde eine weitere Grafik angefertigt, die zusätzlich den Verlauf der Melodielinien
der Instrumente in etwa wiedergibt. An dieser Stelle fiel der deutliche Gegensatz von
Liegetönen und "unruhigeren Passagen" auf.

604
Diese zweite Studie entstand im Rahmen des Einzelunterrichts im Dezember 2001 in Stuttgart. Es
wurde bei der Analyse wiederum der Mitschnitt der Uraufführung des Zyklus 1986 in Donaueschingen
angehört. Die Untersuchung zu den "Energie-Niveaus" fand im Januar 1999 im Rahmen eines
Kolloquium in Freiburg statt, die weiterführende Diskussion fand ihre Fortsetzung im März 2001 in
Basel.
605
vgl. S.406-408.
606
Bei der Analyse des reinen Notentexts fallen diese Töne erstaunlicherweise nicht in besonderem
Maße auf.

444
Nach dem Hinweis, dass es sich bei den "unruhigeren Passagen" um Teile mit der
Bezeichnung "alla cadenza" handelt, die jedes Instrument genau einmal für einige
Takte spielt, ließ sich der Anfangsteil noch etwas genauer gliedern.
Ganz detailliert wurde daraufhin der Kadenz-Teil des Cello beschrieben und als
weiteres Schaubild gezeichnet: mit Melodie-Verlauf, Tonraum, Spielweise,
Artikulation und Dynamik.

Nach dem analytischen Teil und dem damit verbundenen Kennenlernen der Etüde
wurde im Blick auf die Interpretation des Gehörten nach etwaiger Tonmalerei
gefragt:607

Æ Wie wird mit dem gesprochenen Text bzw. dem Inhalt des Textes umgegangen ?
Gibt es so etwas wie "Tonmalerei" ? – Wenn ja, wo ?

Grundsätzlich wurden festgestellt, dass es beim Hören so wirkt, als ob die


Instrumente den Text lautmalerisch kommentieren:

"bei entflügelt treiben flattern ziellose Flötenmelodiefetzen, die fahle Iris wird durch einen fahl
klingenden Oboen-Ton kommentiert, wildernde Kristalle bäumen sich in schnellen Cembalo-, Oboen-
und Flötennoten auf, in der atemlosen Halle verschnaufen die Instrumente immer öfters, bis
schließlich die Pausen überwiegen, statt einer Taube "schreit" die Flöte, Stalaktiten hört man im
Pizziccato tropfen und die lodernde Gewissheit züngelt in schnellen Streicherfiguren (Springbogen?)
empor." 608

Etwas konsterniert wurde beim Blick in die Partitur zur Kenntnis genommen, dass es
sich bei der vermeintlichen Tonmalerei offenbar nur um Zufälle dieser einen
Interpretation handelt, um Zusammenhänge, die – laut Angabe des Komponisten609 –
so offenbar gar nicht erwünscht sind. Die Frage, ob an der Stelle des Persephone-
Textes denn auch ein Frühlingsgedicht hätte vertont werden können, wurde spontan
bejaht; bei der nächsten Überlegung aber wieder deutlich verneint:

Æ Wörter zum Themenbereich "Stein" werden im Text häufig verwendet. Spiegelt


sich dieser Themenbereich – dennoch – irgendwie in der Musik wieder ?

Es wurde eingeräumt, dass sich Wörter zum wie z.B. Kristalle, Flammenriff usw. in
der Musik wiederspiegeln, und zwar in der "schroffen" Tongebung. Die Musik ist
bisweilen laut, akzentuiert, scheinbar zusammenhanglos und wenig sanglich, was an
die Schroffheit von Felsen erinnert.
Die Folgerungen für den Ausdruck der Etüde sind beachtlich: Ebenso, wie ein
einzelner Stein für sich von der Umgebung isoliert ist, wirken viele Phrasen innerhalb
des Stückes für sich isoliert. Die Stimme selbst wirkt durch die (vorgeschriebene)
Ruhe und Gleichgültigkeit wie verSTEINert.

Das heißt, dass (auch) auf einer anderen Ebene als der der (puren) tonmalerischen
Ausdeutung einzelner Wörter ein Gesamt-Ausdrucksbild geschaffen wurde, das dem

607
Dazu muss bemerkt werden, dass die Studenten die Partitur (noch) nicht gesehen haben und
daher auch nicht ahnen können, dass nur der Beginn des gesprochenen Textes mit dem Notentext
der anderen Instrumente korrespondiert und im weiteren Verlauf Stimme und Instrumenten sich
nebeneinander her bewegen, tendenziell unabhängig voneinander.
608
Der Unmittelbarkeit und Spontaneität wegen wurde der Wortlaut eines Studenten hier wörtlich
übernommen.
609
vgl. Anmerkung zum Beginn des gesprochenen Textes in der Partitur S.59.

445
Gesamtausdruck des Textes entspricht. In diese Konzeption passt auch die förmliche
"Pulverisierung" des Textes in voneinander getrennte – und dadurch sinnentstellte –
Konsonanten und Vokalen.
Ob diese Interpretation auch im Sinne des Komponisten ist, bleibt offen. Er schreibt
über seine Intention und Motivation:

"Und außerdem findet sich eine meiner ältesten Interessen natürlich in diesem Liederzyklus wieder: In
welchem Ausmaß ist es möglich, eine musikalische Sprache zu einem weiteren Feld des Diskurses in
Relation zu setzen oder darin zu platzieren, das andere Formen der Kommunikation einschließt oder
mit einbezieht oder darüber reflektiert ? " 610

Im Programmheft zur Uraufführung zitiert Ferneyhough ein Bild der Woge:

"Der amerikanische Dichter John Ashbery sagt über Träume: 'Sie erscheinen seltsam nur, weil wir sie
nicht wirklich sehen konnten, Und dies wurde uns erst klar, an einem Punkt, wo sie zerfallen, Wie eine
Woge am Felsen sich bricht, ihre Form Preisgebend in einer Geste, die diese Form ausdrückt.' " 611

Möglicherweise passt zu diesem Bild auch der Zusammenhang von Text und Musik
in der 9.Etüde: So kann man zu Beginn des gesprochenen Textes nicht ahnen, dass
er sich ab dem Moment seines Beginns immer unabhängiger von der Musik bewegt.
Die Eigenständigkeit des Textes wird erst dann klar, wenn an irgendeiner Stelle Text
und Musik eindeutig nicht mehr zueinander passen, wenn ein Widerstand erscheint,
wenn "die Woge sich am Felsen bricht". In dieser Geste erst wird klar, dass der
gesprochene Text längst eigene Wege geht.612

Æ Ist dies eine Ausdrucksform von "Energie" ? Wie lässt sich der Höreindruck
möglicherweise mit solch einem Vokabular beschreiben ? Ferneyhough selbst
benutzt Begriffe wie "musikalische Energie" oder "Kraftlinien"...

Der Begriff der "musikalischen Energie" ist von vornherein problematisch, zumal er
nicht eindeutig – und für diese Stücke anwendbar – definiert ist.613 Intuitiv wurde
"Energie" von den Studenten mit "Bewegungsdichte" gleichgesetzt. Die Kadenzteile
innerhalb der 9.Etüde wurden spontan als treffende Beispiele für besonders dichte
"Energiefelder" genannt.

Folgende These wurde aufgestellt: Wenn es ein "Mehr" und ein "Weniger" an
Energie gibt, dann müsste man z.B. eine Skala von (1) bis (5) bilden können, mit der
sich der "Energiegehalt" einer beliebigen Stelle z.B. innerhalb der 9.Etüde in Zahlen
ausdrücken lässt.

610
"And also, one of my old interests, of course, repeats itself in this song-cycle: to what extent it is
possible to relate a musical language to, or locate a musical language in, a more general field of
discourse that includes, or takes note of, or reflects upon, other forms of communicative discipline." –
(s. Anm. 6) S.295.
611
"In his poem 'Self-portrait in a convex mirror' John Ashbury says of dreams: 'They seemed strange
only because we could't actually see them And we realized this only at a point where they lapse Like a
wave breaking on a rock, giving up It's shape in a gesture that expresses that shape.' " – (s. Anm. 2)
S.33 bzw. 8. Das Zitat findet sich (auch) zu Beginn des Aufsatzes Il Tempo Della Figura.
612
Um noch ein "reales" Bild hinzuzunehmen: Die Energie einer Tsunami-Welle wird erst offenbar,
wenn die Welle lange Zeit nach seiner Entstehung auf die Küste trifft. Dann wird die (zerstörerische)
Kraft frei; auf ihrem Weg über den weiten Ozean ist die Welle jedoch kaum spürbar.
613
Frühe Definitionsversuche reichen bis Ernst Kurth (Musikpsychologie. 1931) zurück. Aus heutiger
Sicht stellen sie jedoch – für die vorliegenden Stücke – keine passende und eindeutige Beschreibung
zur Verfügung.

446
Für die Zuordnung einer Stelle zu dieser Skala wurden zunächst die Extrema
verschiedener Parameter gesammelt und intuitiv gegenübergestellt bzw. zugeordnet:

Einteilung in 5 verschiedene "Energie-Niveaus"

niedrig ("wenig Energie") hoch ("viel Energie")


(1) (2) (3) (4) (5)

piano forte
wenige Instrumente viele Instrumente
wenig Bewegung viel Bewegung
gleichmäßige Bewegung ungleichmäßige Bewegung
wenige verschiedene Klangfarben viele verschiedene Klangfarben
wenige verschiedene Gestalten viele verschiedene Gestalten
Liegetöne rhythmische und melodische Impulse
kleiner Ambitus großer Ambitus
homophon polyphon
Stimmen aufeinander bezogen Stimmen unabhängig voneinander

Zur Überprüfung der Skala wurden 10 Stellen des Beginns der Etüde ausgewählt
und der Skala zugeordnet: 1. Takt 1 – 2. Takt 10 (Einsatz der Claves) – 3. Takt 13
(Beginn der Cello-Kadenz) – 4. Takt 19 (Beginn der Konsonanten) – 5. Takt 36 (nach
den Kadenz-Teilen) – 6. Takt 42 (Beginn der Claves / 1.Tutti) – 7. Takt 49 (Einzelton
der Oboe vor dem Vokalizzo-Einsatz) – 8. Takt 50 (Beginn Vokalizzo) – 9. Takt 63
(Ende 2.Tutti) – 10. Takt 66 (Beginn des gesprochenen Textes).

Eine Einteilung dieser Stellen in "Energie-Niveaus" könnte dann so aussehen:

5
Energie-Niveau

0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
ausgewählte Stellen

Dieser "Präzedenzfall" wurde vorgestellt, Einwände wurden laut, eine Diskussion


schloss sich an, mindestens ein Widerspruch zeigte sich.

Ergebnis: Eine lineare Einteilung dieser Art erwies sich als nicht zutreffend.

Begründung:614 Eine Pause – z.B. im Schlussteil der 9.Etüde – hätte nach dieser
Einteilung ein sehr niedriges "Energie-Niveau"; dies wurde jedoch von den meisten
Studenten so nicht wahrgenommen. Die immer länger werdenden Pausen lassen die
Spannung und damit die "Energie" innerhalb der Pause selbst steigen. Die

614
in Form eines Beispiels, das dieser Einteilung widerspricht. (So ergibt sich – im mathematischen
wie philosophischen Sinne – ein Widerspruchsbeweis.)

447
Erwartungshaltung, ob und wann und wie es weitergeht, entspricht nicht dem so
definierten "Energie-Niveau".

Die Suche nach mehrdimensionalen Einteilungen – statt einer linearen Skala –


schien aussichtsreicher, eine "komplexe" Formel mit vielen Unbekannten etwa.
Oder eine dynamischere Veranschaulichung von "Energie", vielleicht im Sinne einer
Hüllkurve; sie könnte treffender sein als das zweidimensionale Schaubild.
Auch eine Zuordnung von verschiedenen "Aggregatszuständen" der "Energie" wäre
vorstellbar.
Generell könnte die Betrachtung von Übergangsbereichen statt (punktuellen) Stellen
der in der linearen Gegenüberstellung gezeigten "Relativität" der Extrema entgegen
kommen.
Schließlich wurden neue, andersartige Begriffe für solche Übergangsbereiche
formuliert:

Stau / Widerstand Durchbruch


Spannung Ausgleich / Entspannung
Kontraktion Expansion
Kontinuität Diskontinuität
Gewohnheit Überraschung
Oberfläche Tiefe
Stabilität Instabilität
Bestätigung / Konsistenz Transformation
... ...

Eine abschließende Antwort auf die Frage nach der Beschreibung des musikalischen
Ausdrucks z.B. mit Hilfe des Begriffs der "Energie" blieb auf diesem Wege der
Höranalyse (noch) aus. Es konnte jedoch nachgewiesen werden, dass gewohnte
Denkweisen hier nicht mehr weiter führen und daher andere Wege eingeschlagen
werden müssen.

Dennoch wurde kaum bestritten, dass es grundsätzlich eine Verbindung des


Ausdrucks der 9.Etüde mit dem Ausdruck der Stiche von Piranesi gibt. Allein, die
Formulierung fällt (noch) schwer; sie scheint jenseits der heutigen Möglichkeiten des
sprachlichen Ausdrucks zu liegen.

Vielleicht sind unsere heutigen Ohren auch noch nicht so weit, die "Energie" so klar
zu erkennen, dass sie nicht nur im Unterbewusstsein vorhanden ist, sondern sich
objektiv (mit entsprechendem Wortschatz) beschreiben lässt.

Ein Versuch, einer passenden Beschreibung der vorhandenen "Energie" doch noch
etwas näher zu kommen, könnte sein, sich nochmals auf den Spuren des
Komponisten zu bewegen, diesmal – vor dem Hintergrund der Notentextanalyse und
der Höranalyse – durch Ergründung seiner in Worte gefassten Denkweise.

448
Zusammenfassung:
Ferneyhoughs Zyklus Carceri d'Invenzione – "Zeitphantasien"
Was Piranesi als "Raumphantasien" in Bilder gefasst hat, findet auf musikalischer
Ebene sein Pendant möglicherweise in Ferneyhoughs "Zeitphantasien"615 oder
allgemeiner in Form von – beiden Künstlern gemeinsamen – "Architekturphantasien".

"Rote Fäden" durch den Zyklus

Superscriptio (Kap.III) gleicht einem Experiment, einer Studie: Auf völlig


automatisierte Art und Weise wurde auf verschiedenen Ebenen mit dem "Motiv" der
Zahlenreihe 3-2-1-7-10-9-1-5-2-3-3 umgegangen. Sie wurde in erster Linie in Form
einer für das ganze Stück maßgeblichen Intervallreihe umgesetzt. Diese
Intervallreihe wurde – wie eine Zwölftonreihe – vorwärts und rückwärts (Krebsgang),
aufwärts und abwärts (Umkehrung), transponiert, als vollständige und als Teilreihen
gelesen.
Die Zahlenreihe wurde auf die Anzahl der Halbtonschritte angewandt wie auf die
Anzahl der Vierteltonschritte. Sie wurde für voneinander entfernte Referenztöne
ebenso benutzt wie für dazwischen liegende kleinere Tongruppen; es wurden
abwechselnd Töne aus zwei oder drei parallelen Reihen ausgewählt. Auch in
parallelen Schichten wurden drei und sogar fünf Reihen in verschiedenen
Registerbereichen miteinander kombiniert. Durch diese Verfahren entstand neben
der linearen eine ineinander verschränkte Anwendungsweise.
Die Zahlenreihe wurde außer der Tonhöhendisposition auch dem Rhythmus und der
Phrasierung zugrunde gelegt: So wurde eine durch die Zahlenreihe definierte Anzahl
von Tönen jeweils zu einer Phrase zusammengefasst. Pausen wurden eingefügt
nach einer durch die Zahlenreihe definierten Anzahl von Noten. Sogar die Länge der
Pausen wurde bisweilen durch die Zahlenreihe vorgegeben.
Auf rhythmischer Ebene wurde durch die Bildung des "negativen Rhythmus" auch auf
freiere Art und Weise Zusammenhang geschaffen.
Außerdem wurde Zusammenhang zwischen den verschiedene Abschnitten
geschaffen, indem die Längen der Takte nach bestimmten Regeln weiterentwickelt
wurden. Das Taktraster eines neuen Formteils ging also direkt aus dem eines
vorangegangenen Formteils hervor. Dabei wurde zum ersten Mal vom Komponisten
mit "irregulären Metren" umgegangen und die darin enthaltenen Möglichkeiten zur
Zeitgestaltung kennen gelernt. Nach der selben Idee der Schaffung von
Zusammenhang wurde mit der Anzahl der Impulse pro Takt verfahren.
Schließlich wurde die blockweise Gegenüberstellung verschiedener Texturen
erprobt, indem Formteile sich deutlich z.B. bezüglich ihrer Impulsdichte
unterscheiden und indem innerhalb der Formteile Primär- und Sekundärteile
einander schroff unterbrechen.
All diese Verfahren wurden streng automatisiert durchgeführt, d.h. es wurden Regeln
aufgestellt und nach diesen Regeln wurde relativ streng verfahren, kleine
Abweichungen eingeschlossen.
Wenn Superscriptio das Lehrbuch "Einführung in den Umgang mit musikalischen
Zusammenhängen auf allen Ebenen" darstellt, dann sind die weiteren Teile des
Zyklus die kunstvoll erweiterte Anwendung davon.

615
Der Begriff der "Phantasie" soll dabei nicht Unrealistisches bezeichnen. Im Gegenteil: Utopie im
Sinne von durchaus realisierbaren zukunftsweisenden Ideen sind damit gemeint.

449
Nach diesem "Vorspiel" geht es "bunter" zur Sache: Statt einer einfachen
Zahlenreihe werden acht verschiedene Zahlenreihen in Form von acht
Grundakkorden vorgestellt, die dem gesamten restlichen Zyklus zugrunde liegen.
Diese acht Zahlenreihen sind so gewählt, dass sie sowohl miteinander verwandt sind
– z.B. durch gemeinsame Töne der Akkorde – als auch einander gegenübergestellt
werden können – z.B. als symmetrische und asymmetrische Akkorde.
Vorgestellt werden diese Akkorde bzw. Zahlenreihen zuerst einmal als
Tonhöhenmaterial von Carceri d'Invenzione I (Kap. IV). Die Verfahren im Umgang
mit den Akkordtönen als Intervallreihen entspricht den bereits in Superscriptio
erprobten Verfahren. Dazu kommt die verschiedenartigste Kombination von
verschiedenen Akkorden.
Die Zusammenhänge bezüglich der Entwicklung der Taktlängen wurden im Vergleich
mit Superscriptio weiter verfeinert.
Die blockhaften Gegenüberstellungen werden zum Hauptmerkmal des Stücks: So
werden im Verlauf des Stücks "Streicher-Einsätze" als Kontrast zum dominierenden
Klang von Bläsern, Klavier und Perkussion platziert, die wiederum von "Tutti-
Interventionen" des gesamten Orchesters unvermittelt unterbrochen werden.
Aufgrund der regelmäßigen, jedoch zeitlich verzögerten Wiederkehr dieser Elemente
kann von einer Spiralform des Stücks gesprochen werden.
Ein direkter Zusammenhang zwischen Taktlänge und Anzahl der Impulse und damit
auch zwischen Taktlänge und Rhythmus blieb in Superscriptio noch aus, ist hier
jedoch explizit nachzuweisen. Dies bestätigt die Anwendung bisher nur theoretisch616
vorgestellten Verfahren in konkreten Werken.

Carceri d'Invenzione II (Kap. V) stellt die blockhafte Gegenüberstellung in den


Hintergrund zugunsten von Zusammenhängen auf allgemeinster und feinster Ebene:
Auf allgemeinster Ebene ist die Anordnung der Taktlängen eng verbunden mit der
Anordnung von Modulen und dadurch mit der rhythmischen Gesamtanlage des
Stücks.
Permutationen und sich überlagernde Zyklen sind für die Taktanordnung
verantwortlich. Hierin lässt sich eine Weiterentwicklung der Spiralform von Carceri
d'Invenzione I sehen. Ferneyhough selbst bezeichnet Carceri d'Invenzione II
bisweilen sogar als "Passacaglia" um die besondere Bedeutung der Wiederholung in
diesem Stück hervorzuheben.

Zur Funktion der Wiederholung im gesamten Zyklus bemerkt Ferneyhough:

"... die Idee von Wiederholung, Spiegelung, Parallelisieren und Resonieren [war] die ganze Zeit etwas,
das ich immer im "Mittelgrund", wenn nicht sogar im Vordergrund meines Denkens hatte, einfach
deswegen, weil ich in meiner Musik zur Weiterentwicklung und nicht zur Wiederholung tendiere. Eine
der Einschränkungen, die ich mir aufbürdete, war die, in jedem Stück möglichst viele verschiedene
relevante Formen der Bezugnahme zueinander zu finden; und Bezugnahme impliziert immer
Wiederholung; sei es ein wahrnehmbares Muster, sei es vorkommendes Material, seien es
kompositorische Prozesse." 617

616
Das Verfahren wurde z.B. in dem Aufsatz Duration and Ryhtm as compositional resources von
Ferneyhough vorgestellt.
617
"... the whole time the idea of repetition, of mirroring, of paralleling, of resonating, was something
which I always had in the middleground, if not in the foreground of my mind, simply because I tend to
move on and not repeat in my music. One of the restictions I placed on myself was, in each piece, to
find as many different relevant forms of inter-reference as possible; and inter-reference always implies
repetition, be it of a perceptual model, be it of actual material, be it of compositional processes." – (s.
Anm.6) S.298.

450
Verfahren, die in Superscriptio zur Einfügung von Referenztönen oder Pausen
gefunden wurden, werden jetzt zum Einfügen und Eliminieren ganzer Takte
angewandt, um so zu einer Weiterentwicklung der (sonst rein zyklischen)
Permutationen zu gelangen.
Die Disposition des Tonraums ist von der Anordnung der Takte nur peripher tangiert.
Hier steht die deutliche "Eintunnelung" des Registers der Soloflöte im Vordergrund.
Sie geschieht in allen Versionen des Stücks durch Vorgaben der zu verwendenden
Töne, in der Orchesterversion zusätzlich – indirekt – durch die Disposition der
Orchester-"Begleitung": Je mehr Instrumente einsetzen, desto weniger lässt sich die
Soloflöte durchhören; schließlich sind fast nur noch die Spitzentöne erkennbar,
während das ganze Orchester spielt.
Auf kleinster und feinster Ebene wird mit dem Rhythmus der Transformationen der
48 verschiedenen Module umgegangen618: Die Gewichtung der Proportionen wird
leicht verändert, längere Werte werden in eine bestimmte Anzahl gleichmäßiger
kürzerer Impulse unterteilt, kürzere Impulse werden miteinander zu längeren Werten
verbunden, eine bestehende Folge gleichmäßiger Impulse wird neu unterteilt, Teile
eines Moduls werden abgespalten, Teile verschiedener Module werden miteinander
kombiniert. So entsteht jeweils eine Reihe allmählich sich verändernder Module, die
ihre Position im Verlauf des Stücks im Grad der Veränderung ihres
Erscheinungsbildes repräsentieren. Quasi als Groteske erscheinen schließlich einige
Module so verändert, dass man sie einem anderen Original zuordnet, wenn man die
Entstehungsgeschichte nicht kennt.
Die Idee der blockhaften Gegenüberstellung findet ihren Ausdruck in der Koppelung
mit der "Eintunnelung" des Tonraums und der Anordnung der Module: Wörtliche
Wiederholung einzelner Module sprengen den Rahmen des vorgegebenen
Tonraums.
In der Version mit Zuspielband von Carceri d'Invenzione II erscheinen die acht
Grundakkorde in aller Deutlichkeit und unterstützen zusätzlich die Wahrnehmung der
Form.

Carceri d'Invenzione III (Kap. VI) baut v.a. die Idee eines "irregulären Metronoms"
weiter aus.
Die Funktion des "Auslösers"619 neuer musikalischer Ereignisse wird in diesem Stück
thematisiert. In Superscriptio ist bereits aufgefallen, dass melodische Phrasen fast
immer durch Akzente eingeleitet wurden. Waren diese Akzente zu Beginn des Stücks
identisch mit dem Taktanfang und hatten synchronisierende, ordnende Funktion, so
hat sich deren Rolle immer mehr verselbständigt, so dass sie bisweilen die
Taktordnung überlagerten, innerhalb der Phrasen unvermittelt auftauchten, bis sie
völlig verschwanden.
Nach dieser linearen Verwendung im Solo-Piccolo-Stück wurde im Orchesterpart von
Carceri d'Invenzione II die erste vorsichtige Kombination dieses "irregulären
Metronoms" mit anderen instrumentalen Schichten erprobt. Etwa in der Mitte des
Stücks spielen die beiden Hörner eine selbständige Textur, die hauptsächlich aus
mikrotonal variierten Tonrepetitionen mit Akzenten und Liegetönen besteht. Die
Schicht bleibt im Hintergrund und eine ordnende Funktion innerhalb des Stücks wird
(noch) nicht offenbar. Erst in Carceri d'Invenzione III tritt diese Schicht in vielfältiger
Form in den Vordergrund, eng verbunden mit den Zahlenproportionen der acht
Grundakkorde:

618
Das Verfahren wurden z.B. in dem Aufsatz Il Tempo della Figura von Ferneyhough vorgestellt.
619
Ferneyhough spricht vom "Trigger".

451
Drei Puls-Zyklen stehen den Sololinien der Holzbläser gegenüber. Sie beeinflussen
durch Akkordeinwürfe der Blechbläser den Verlauf dieser Sololinien, indem sie den
Wechsel des Charakters dieser Sololinien lokalisieren. Die Situation ist etwa
vergleichbar mit der eines Gesprächs, wo einer der Teilnehmer einem anderen bei
dessen Ausführungen ins Wort fällt und neue Fakten ins Spiel bringt, die den
Unterbrochenen nötigen, seine Argumentation auf anderer Ebene weiter zu führen.
Diese Metronom-Funktion wird nach und nach von drei sich überschneidenden Puls-
Zyklen wahrgenommen, die auf unterschiedliche (Spiel-)Weise auf sich aufmerksam
machen und die Textur komplexer werden lassen. Das Gespräch wird zur heftigen
Diskussion. Im zweiten Teil des Stücks schließlich bestimmen diese drei Metronom-
Ebenen in Form von drei neuen Puls-Zyklen den gesamten weiteren Verlauf und
ordnen das angerichtete "Chaos" auf neue Weise: Alle Instrumente des Ensembles
werden genau einer der drei Metronom-Ebenen zugeordnet und kommen so in
verschiedenen Kombinationen mehr oder weniger gewichtig zu Wort. Am Ende
bestimmt diese Abfolge der Diskussionsbeiträge das Gespräch und führt es so ad
absurdum. Das dreifache "irreguläre Metronom" hat sich vollkommen verselbständigt
und bestimmt jegliche Aktion. Ein weiteres Beispiel für eine "Eintunnelung", diesmal
nicht in Bezug auf die Tonhöhenordnung, sondern in Bezug auf die Länge der
Phrasen und damit in Bezug auf das Erscheinen überhaupt.
Die Zahlenproportionen der acht Grundakkorde sind insofern eng verbunden mit den
Schichten des "irregulären" Metronoms, als sie unmittelbar die Einsatzfolge der Puls-
Zyklen und die der Soloinstrumente des ersten Teils bestimmen. Da die
Zahlenproportionen auch die Zähler der Taktlängen bestimmen und sich daraus –
zumindest im zweiten Teil des Stücks – wiederum die Anzahl der Impulse innerhalb
eines Taktes ableiten, nehmen diese Proportionen sogar Einfluss auf die kleinsten
(rhythmischen) Details der Pulszyklen selbst.
Die Akkorde selbst erscheinen zu Beginn des Stücks wörtlich in den Bläsereinwürfen
und machen dadurch bereits aufmerksam auf die besondere Einbeziehung ihrer
Zahlenverhältnisse im Verlauf des gesamten Stücks.
Die Takte vor dem "Central Tutti" von Carceri d'Invenzione I (Takt 100-105) nehmen
übrigens in auffälliger Weise die in Carceri d'Invenzione III hervorgehobene
Wirkung von Bläser-Einwürfen auf die Textur der Solostimme (hier Klavier) vorweg.

In Mnemosyne (Kap. VII) wird bezüglich der Tonhöhen die "Eintunnelung" von
Carceri d'Invenzione II weiter geführt, bezüglich der rhythmischen Disposition wird
die Durchdringung der rhythmisch-metrischen Ebenen von Carceri d'Invenzione III
weiter geführt. Die gemeinsame Grundlage in Form der Zahlenproportionen zeigt
sich nur ganz zu Beginn, wo sich die Zähler der Taktlängen aus den Zahlen der
Halbtonschritte der Akkorde ableiten lassen.
Strukturen eines "irregulären Metronoms" und damit einer regulären, triolischen,
quintolischen bzw. sogar septolischen Unterteilung sind nun auf allen Tempo-Ebenen
zu finden: Jeder Teil hat ein vom Anfangstempo abgeleitetes Grundtempo. Jedes
Flötensystem hat – neben der gemeinsamen Takteinteilung, die mehr und mehr in
den Hintergrund tritt – eine eigene Art der Unterteilung in Impulsgruppen. Jede
Impulsgruppe hat eine daraus abgeleitete Art der Binnenunterteilung und damit der
Anordnung der Impulse innerhalb der Phrase.
Die Determination scheint die rhythmische Disposition voll und ganz zu beherrschen.
Allein die Realisierung in nur einer Flötenstimme zu jedem Zeitpunkt macht eine
Auswahl notwendig, die die nicht ausgewählten Stränge im Hintergrund agieren
lässt. So wird die Determination gewaltsam durchbrochen; gewaltsam, weil der Bruch

452
abrupt innerhalb einer Phrase geschehen kann, wie bei Carceri d'Invenzione I
bereits im Groben innerhalb eines Streichereinsatzes geschehen.
Die begleitenden Flöten des Zuspielbandes schränken den Spielraum der Soloflöte
ein, indem sich deren Tonhöhen nur innerhalb eines bestimmten Rahmens bewegen
dürfen, der durch die Klänge des Zuspielbandes vorgegeben ist. Die Deutlichkeit der
"Eintunnelung" wird gegenüber Carceri d'Invenzione IIa also verstärkt, indem die
Regeln nicht nur auf dem (Skizzen-)Papier bestehen, sondern simultan hörbar sind.
Das Erscheinen der Akkorde auf dem Zuspielband unterstützt dabei die formale
Gestaltung von Mnemosyne und dehnt auf das ganze Stück aus, was in Carceri
d'Invenzione III nur für den Anfang in kleineren Dimensionen deutlich gemacht
wurde.
Intermedio alla ciaccona macht diese "Eintunnelung" bzw. Durchdringung der
Determination nur noch deutlicher, indem das wilde, ungezähmte Stück das
Gegenteil umso deutlicher hervorhebt. Im Vergleich mit den Bildern von Piranesi
könnte man sagen: Erst die Vorstellung von Freiheit macht den Kerker zum
wirklichen Gefängnis; da erst wird die Mauer zum einschränkenden Gemäuer. Oder
noch etwas pathetischer: Die bewusste Ermangelung des Gefühls von Freiheit sperrt
nicht nur den Körper, sondern auch die Seele im Kerker ein.
Vielleicht macht gerade das die bedrohliche Wirkung der Piranesi-Stiche aus.

Den Etudes Transcendentales (Kap. VIII) kommt sicherlich eine Sonderposition


innerhalb des Zyklus zu: Die Verwendung von Text bringt eine neue Komponente ins
Spiel.
Rein technisch gesehen werden die bereits beschriebenen Prozesse fortgesetzt und
auch die Verwendung der Zahlenproportionen findet weitere Experimentierfelder.
Überlagerten sich bei Carceri d'Invenzione III bzw. bei Mnemosyne noch drei
voneinander unabhängige Puls-Zyklen bzw. rhythmisch-metrische Ebenen, so treten
diese bei der 9. Etüde als eine gemeinsame Matrix in Erscheinung. Sowohl die
Taktlängen sind aus ein und demselben Material der neun Ursprungstakte gebildet –
eine Gemeinsamkeit mit Carceri d'Invenzione II – als auch die Impulse der
Rhythmusdisposition. Zur formalen Anlage des ganzen Stücks werden die Takte
selbst partiell überlagert, wobei die lineare Aneinanderreihung übergeht in die
vertikale Übereinanderstellung. Zur Rhythmusdisposition wird die Abfolge der
zugeordneten Impulse der neun Takte kanonartig übereinandergelegt. So wird die
strengst mögliche Determination des Rhythmus aufgrund nur einer Zahlenreihe
erreicht – der Zahlenreihe der neun Ursprungstakte.

Betrachtet man die Schlüsse der Stücke unter der Fragestellung, ob das Stück evtl.
doch noch irgendwie weiter gehen könnte, so sind Mnemosyne und die 9. Etüde
sicher die beiden klarsten Stücke: In beiden sind die sie beherrschenden Prozesse
so zu Ende geführt, dass jegliche Art der Fortsetzung des Stücks einem Neubeginn
entsprechen würde; in Mnemosyne müsste der Tonraum gewaltsam erweitert
werden, in der 9. Etüde der Zeitraum (d.h. das Taktschema).
Eine Erweiterung des in sich vollständigen Unterteilungssystems würde einen neuen
Umgang mit der Architektur des Stücks erfordern.

Sehr viel konnte durch die Analyse des Notentextes herausgefunden und mit den
Stichen von Piranesi (Kap. IX) in Bezug gesetzt werden. Nach "Energie" wurde hier
nicht explizit gefragt. Die Höranalyse (Kap. X) warf ohne entsprechende Hinweise auf
die Bedeutung des Begriffs "Energie" jedoch Probleme auf.

453
Was bisher in beiden Bereichen analytisch nicht nachgewiesen werden konnte, kann
nur synthetisch angegangen werden mit Hilfe dreier Aufsätze von Ferneyhough:
In Die Taktilität der Zeit620 (1988) beschreibt er anhand von Mnemosyne, wie sein
Begriff von "Energie" mit der sinnliche Erfahrung von Zeit zusammenhängt und wie er
dies musikalisch umzusetzen bemüht ist.
In Il Tempo della Figura621 (1984) wird der Begriff der "Figur" eingeführt und mit der
Verteilung von "Energie" in Zusammenhang gesetzt. Ashberys Bild der Welle622
erscheint dabei besonders treffend.

Im frühesten der drei Aufsätze, in Form, Figur, Stil – eine vorläufige


Einschätzung623 (1982) schließlich wird die Intention des Umgangs mit "Energie"
allgemein und auch gerade in Bezug auf den Zyklus Carceri d'Invenzione formuliert,
auch wenn die musikalische Ausformulierung des Zyklus sich zu dieser Zeit noch
mehr oder weniger in der Planungsphase befand.

"Zeitphantasien" – wie in Die Taktilität der Zeit 1988 beschrieben

Der Umgang mit dem Faktor Zeit innerhalb seiner Kompositionen ist für Ferneyhough
von größter Bedeutung. Die kompositorischen Interessen diesbezüglich in Worte zu
fassen, birgt – auch für ihn – Schwierigkeiten in Bezug auf die sprachlichen
Ausdrucksmöglichkeiten. Anhand eines konkreten Beispiels – Mnemosyne – fällt
das Finden einer geeigneten Sprache leichter, um die zentralen Aspekte seiner
kompositorischen Interessen vorsichtig zu formulieren, "nämlich die Konzeption von
Zeit und die konkrete Empfindung ihrer Präsenz." 624
Ferneyhough stellt in dem Aufsatz dar, wie er ein "neues Verfahren der Interaktion
zwischen großangelegter Form / Variationsstruktur und ihrer zeitlichen
Aufeinanderfolge" 625 gefunden und angewandt hat. Zur sprachlichen Formulierung
wird vorsichtig ein Weg gewählt, ähnlich dem bei der Suche nach einer Definition von
"Energie" im Rahmen der Höranalyse der 9.Etüde:
"Wenn es nicht völlig unangemessen wäre, musikalische Ereignisse von zum Beispiel hoher
Amplitude solchen Kriterien wie "Gewicht" zuzuordnen, würde es auch legitim erscheinen, nach

620
FERNEYHOUGH, Brian: The Tactility of Time. überarbeitete und erweiterte Fassung eines
Vortrags bei den Darmstädter Ferienkursen 1988. (1988; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James
Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.42-50. Übersetzung ins
Deutsche von Claus-Steffen Mahnkopf in: Musiktexte. Heft 35, Köln 1990, S.14-17.
621
(s. Anm. 373) S.127-136 bzw. S. 27-30.
622
s. Anm. 611.
623
FERNEYHOUGH, Brian: Form, Figure, Style - an intermediate assessment. (1982; engl.) in:
Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik. Bd.19, Mainz 1984, S.60-66. (ital.) Forma, figura, stile: una
valutazione provvisoria. in: I Quaderni della Civica Scuola di Musica. Numero speziale dedicato a
Brian Ferneyhough. Mailand 1984, S.101-108. (engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und
Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.21-28. Übersetzung ins Deutsche
von Claus-Steffen Mahnkopf: Form, Figur, Stil - eine vorläufige Einschätzung. in: Musiktexte. Heft 37,
Köln 1990, S.7-10.
624
"the concept of time and the concrete sensation of its presence as manifest" – (s. Anm.620) S.42
bzw. S.14.
625
"a new approach to processing the interaction between large-scale formal / variational structure
and its temporal contiguity" – Ebda S.42 bzw. S.14.

454
gemeinhin annehmbaren Begriffen für ein sich ständig veränderndes Gleichgewicht zwischen der
Identität von einzelnen Ereignis-Objekten und ihren zeitlichen Bezugsrahmen zu suchen." 626

Die Blickrichtung geht dabei tatsächlich mehr in Richtung der Beschreibung eines
Prozesses denn eines (punktuellen) Ereignisses. Der Grund dafür ist naheliegend:
Zeit ist eine prozessuale Angelegenheit; die Abfolge (!) von Ereignissen und die
Wahrnehmung davon führen zur Wahrnehmung der Zeit selbst. Als Bezugsrahmen –
als Koordinatensystem – stehen zwei Komponenten zur Verfügung: das (objektiv)
gegebene Metrum des Stücks als dessen gröbstes Zeitraster und die (subjektive)
Perspektive des Zuhörers, dessen zeitliche Wahrnehmung durch Körperfunktionen
wie z.B. den Herzschlag beeinflusst wird.
"Wenn wir einem Musikstück intensiv zuhören, gibt es Momente, in denen unser Bewusstsein sich aus
dem unmittelbaren Fluss der Ereignisse löst und sich abseits stellt, vergleicht, abtastet, sich bewusst
ist, dass es in einem 'spekulativen Zeit-Raum' der Dimensionen operiert, die sich von denen, die für
den musikalischen Diskurs an und für sich geeignet sind, unterscheiden. (...) Gelegentlich habe ich die
Erfahrung gemacht, dass Zeit mit einem gewissen Impetus über die innere Oberfläche des Gehirns
streicht: Die Bedeutung und konsequente Abfolge von Widerständen, die mittels des
Entwicklungsmodells geleistet werden, auf das der Verstand sich gerade eingerichtet hat, vereinigt
vielleicht mit einer Form von Trägheitsenergie, die durch diese Begegnung erzeugt wird (und durch die
separate Wahrnehmung, dass dies passiert), scheint eine reguläre Gliederung von empirischer
Kontinuität und daher von der Wahrnehmung der Zeit als ein deutlich affektives Gebilde zu schaffen.
Ein spezifisches Kompositionsproblem, an dem ich gerade gearbeitet habe, lautet: Wie kann dieser
"objekt-gewordene" Zeitsinn in Qualitäten, die spezifisch Form artikulieren, eingekleidet werden ? Eine
Annäherung an dieses Problem habe ich durch eine große Vielfalt von wechselnd aufeinander
bezogenen Ebenen in Mnemosyne versucht. Es dreht sich um Fragen hinsichtlich des Metrums als
bestimmender Bestandteil von Erfahrungseinheiten." 627

Die verschiedenen zeitlichen Schichten von Mnemosyne wurden anhand des


Notentexts bereits differenziert: Die Teile haben verschiedene (Grund-)Tempi; die
erste Note eines Takts wird jeweils durch einen neuen Ton der begleitenden Flöten
markiert; die drei Schichten der Solostimme sind in verschiedene sich überlagernde
Taktgruppen gegliedert; innerhalb dieser Taktgruppen herrschen verschiedene
Unterteilungen vor; schließlich wird für die (lineare) Solostimme immer nur ein Teil
einer der drei Schichten verwendet, so dass die Stimme permanent zwischen den
Schichten hin und her wechselt. Was soll durch diese Überlagerung verschiedenster
– und dennoch auf einander bezogener – zeitlicher Schichten für den Hörer erreicht
werden ?

626
"I employ the term 'tactile' even though I am well aware of the problems attached to the uncritical
transference of vocabulary from one area of discourse to another. (…) If it would not be entirely
inappropriate to classify musical events of, for instance, high amplitude according ro criteria such as
'weight' then it would also seem legitimate to seek communally acceptable terms for the fluctuating
balance between the identity of discrete event-objects and their temporal frames of reference." – Ebda
S.42/43 bzw. S.14.
627
"When we listen intensively to a piece of music there are moments when our consciousness
detaches itself from the immediate flow of events and comes to stand apart, measuring, scanning,
aware of itself operating in a 'speculative time-space' of dimensions different from those appropriate to
the musical discourse in and of itself. (…) There have been occasions when I had the experience of
time 'sliding' across the inner surface of the brain with a certain impetus: it seems to be the weight and
sequential ordering of resistance offered by whatever evaluational model the mind is currently attuned
to, combined perhaps with some form of inertial energy generated by this encounter (and by the
separate awareness that this is happening) which creates an irregular segmentation of experimental
continuity and, hence, of the awareness of time as a distinct affective entity. One specific
compositional problem I have recently been working on is: How can this 'objectivized' sense of time be
invested with specific form-articulating qualities ? One approach to this issue has been adopted, on a
plurality of interreferential levels, in Mnemosyne and revolves around questions of meter as defining
feature of experience-units." – Ebda S.43 bzw. S.14.

455
"Wir nehmen Ereignisse wahr, als ob sie eine gewisse Dichte, Durchlässigkeit hätten, als ob sie sich
mit höherer oder geringerer Dynamik hinsichtlich der Summe der in ihnen enthaltenen Informationen
bewegten. Wenn das wahrgenommenen Potential in der Informationssubstanz verhältnismäßig hoch
ist, ist der Zeitraum für eine wirksame Rezeption und intensive Beschäftigung mit der Information
gewöhnlich umfassender, so dass der Zeitrahmen, wenn er bewusst komprimiert ist, ein Gefühl von
Bedrängnis, von 'zu wenig Zeit' als einen die Rezeption konditionierenden Hauptfaktor hervorbringt –
der Hörer wird dahin geleitet, den musikalischen Fluss als 'schnell' zu begreifen." 628

Das Bild eines Zeitpfeils, der durch ein bestimmtes musikalische Ereignis mehr oder
weniger stark oder auch gar nicht abgelenkt wird, verdeutlicht eine mögliche
Empfindung des Hörers. Inwiefern hängt der Grad der Ablenkung dabei mit dem
inneren Zusammenhang der musikalischen Ereignisse zusammen ?
"Je mehr die innere Integrität eines musikalischen Ereignisses seine Eigenständigkeit behauptet,
umso geringer ist das Vermögen des 'Zeitpfeils', dieses ungestraft zu durchqueren; er wird durch den
Kontakt 'verbogen'. Aus dem gleichen Grund jedoch 'beschädigt' der Einfluss des Zeitvektors das
Ereignis-Objekt und zwingt es damit, seine Zeugungsgeschichte zu offenbaren, die Textuierung seiner
Aufeinanderfolge: Sein Wahrnehmungspotential ist durch den Zusammenstoß neu bestimmt worden.
Während das Stück fortschreitet, stolpern wir beständig über weitere Stufen in diesem
katastrophischen Hindernisrennen. Die Energieakkumulation und der -aufwand über und zwischen
diesen entgegengesetzten Momenten wird als eine Art verinnerlichtes Metronom wahrgenommen, und
in der Tat feuert eine Version dieses Verfahrens die expressive Welt von Mnemosyne offensichtlich
an: Die retardierenden und die katastrophischen Zeitgeraden-Modifizienten werden gleichberechtigt
nebeneinander verwendet, um zeitliche Bewusstheit durch die Linse des Materials zu bündeln." 629

Die Art der Wahrnehmung, der "Stress" während der Wahrnehmung, hängt demnach
eng mit der Frage zusammen, wie das musikalische Ereignis entstanden ist. Eine
unmittelbare Beziehung zwischen Material und Zeiterfahrung scheint auf diese Weise
existent zu sein. Die "Linse des Materials" macht es erst möglich, die (immaterielle)
Zeit erfahrbar zu machen, da das Material Widerstände bildet. Man kann das Material
als eine Art mobile Leinwand verstehen, auf die der Zeit"strahl" projiziert wird, um ihn
dadurch sichtbar zu machen.
"Es versteht sich, dass wir bei mehreren musikalischen Objekten, die direkt aufeinander folgen, den
Verlauf der Zeit unterschiedlich wahrnehmen, je nach dem, ob zum Beispiel diese Objekte
wechselseitig aufeinander bezogen sind, ob sie durch graduelle Umformungen eines oder mehrerer
Parameter miteinander verbunden sind, ob verschlüsselbare Konsistenz in vermittelnden
'Puffermaterialien' vorhanden ist usw." 630

628
"We perceive discrete events as being of a certain density, translucency, as moving with a greater
or lesser degree of dynamicism relative to the amount of information contained. If the perceived
potential for informational substance is rather high, the time frame required for the efficient reception
and absorptionof that information is usually more expansive, so that if the time frame is deliberately
compressed a sense of pressure, of 'too little time', emerges as a major factor conditioning reception –
something which leads the listener to categorize the musical flow as 'fast'. – Ebda S.44 bzw. S.15.
629
"The more the internal integrity of a musical event suggests its autonomy, the less the capacity of
the 'time arrow' to travers it with impunity; it is 'bent' by the contact. By the same token, however, the
impact of the time vector 'damages' the event-object, thus forcing it to reveal its own generative
history, the texturation of its successivity: its perceptual potential has been redefined by the collision.
As the piece progresses we are continually stumbling across further stages in this catastrophic
obstacle race. The energy accumulation and expenditure across and between these confrontational
moments is perceived as a form of internalized metronome, and in fact it is a version of this procedure
which most clearly fuels the expressive world of Mnemosyne: the retardational and catastrophic
timeline modifiers are employed equally to focus temporal awareness through the lense of material." –
Ebda S.45 bzw. S.15.
630
"It's clear that, if we have several musical objects following-on from one another, we will perceive
the flow of time differently according to whether (e.g.) these objects are obviously cross-related,
whether they are connected by gradualistic transformations in one or more parameters, whether there
exist codifiable consistencies in intervening 'buffer-materials', and so on." – Ebda S.46 bzw. S.16.

456
Das Zeitraster für diese Art der Wahrnehmung ist ein inneres ("irreguläres" ?)
Metronom und zugleich ein Messinstrument für den momentanen Energieaufwand.
Es bleibt die Frage:
"Wie kann 'Transparenz' und 'Widerstand' musikalischer Materialien im Hinblick auf zeitliche
Perspektive als expressive Energie in den Vordergrund gestellt werden ?" 631

Ferneyhough nennt zwei Hauptkriterien bei Mnemosyne: die "metrische


Kontextualisierung", d.h. der beschriebene Zusammenhang zwischen den
verschieden zeitlichen Schichten, und die "Polyphonie der Unterbrechung". Letztere
– der abrupte Wechsel von einer Schicht zur anderen innerhalb der Solo-
Flötenstimme – lebt vom dadurch hervorgerufenen Überraschungseffekt.
"Der Grad an 'Taktilität' (...) wird erstens zum großen Teil vom Ausmaß wahrnehmbarer
Regelmäßigkeit oder Konsistenz, die in der vorherrschenden Schicht gegeben ist, diktiert, und
zweitens vom Grad an Deutlichkeit, der die unterbrechenden Funktionen ein gewisses Maß an
Vorhersagbarkeit annehmen lässt." 632

Obwohl die Arbeit mit dem Tonraum der Soloflöte in Bezug auf das Zuspielband ein
weiterer Aspekt der Überschneidung verschiedener Ebenen ist und eine nicht zu
unterschätzende Rolle in Mnemosyne spielt, betont Ferneyhough nochmals die
Wichtigkeit der Zeitorganisation für seine gesamte Kompositionsweise:
"Es ist meine Sicht im allgemeinen, dass die Bewusstheit von Zeitverlauf als sinnlich fassbare und
daher relativ unabhängige Gegebenheit in hohem Maße sowohl von den gemeinsamen
Resonanzfähigkeiten dieser verschiednen Organisationsebenen, als auch vom gespaltenen
Erstaunen abhängig ist, das im Strudel ihrer gelegentlichen Überschneidung, Kollision und
gegenseitigen Untergrabung erzeugt wird. Das scheint mir eine wichtige Quelle der Komposition zu
sein." 633

Das (neue) Bild der Welle – wie in Il Tempo della Figura 1984 beschrieben

Das Zitat von John Ashbery634 über die Welle verwendet Ferneyhough, um die
Erscheinungsform von Energie möglichst treffend zu beschreiben. Der Begriff der
"Figur" dient dabei als Bezeichnung für den (spezifischen) Träger der (allgemeineren)
Energie. Obwohl der Begriff durch seine traditionelle Anwendung stark vorbelastet
erscheint, passt er doch auch für diese neue Definition am besten.

631
"How can 'transparency' and 'resistance' of musical materials with respect to temporal perspective
be foregrounded as expressive energy ?" – Ebda S.45 bzw. S.15.
632
"The degree of 'tactility' (…) is dictated in large measure, firstly by the amount of perceptible
regularity or consistency set up in the predominant layer and, secondly, by the degree of explicitness
with which the interruptive functions themselves assume a certain measure of predictability." – Ebda
S.48 bzw. S.17.
633
"It is my view in general that the awareness of temporal flow as a sensually palpable and thus
relatively independent given is in large part dependent on both the communal resonantial capabilities
of these several levels of organisation and the disruptive astonishment generated in the wake of their
occasional intersection, collision and mutual subversion. This is to me a major compositional
resource." – Ebda S.50 bzw. S.17.
634
s. Anm. 611.

457
"... die Figur [wird] als ein Element der musikalischen Signifikanz vorgeschlagen, die sich vollständig
aus Einzelinformationen zusammensetzt, die eher von ihrer kontextuellen Disposition als von ihrer
inhärenten referenziellen Kapazität definiert sind." 635

Vielleicht ist der radikale Umgang mit dem Text innerhalb der Etudes
Transcendentales ein brachiales Mittel, um gewaltsam wegzukommen von
vorgefertigten, tradierten Interpretationen, hin zu neuer Freiheit der Elemente,
aufgrund der Befürchtung,
"dass eine zunehmende Vorliebe für vorgeformte Elemente eine partielle Entmündigung eben dieser
Elemente hervorbringt." 636

Die "Figur" wird also weiterhin ein signifikantes musikalisches Element betrachtet,
jedoch wird sie nicht in erster Linie durch ihr innewohnendes Material bestimmt,
sondern durch ihre Verbindung mit dem sie umgebenden Kontext. Diese Sichtweise
korrespondiert mit der vorrangigen Berücksichtigung von Zeitabläufen statt
Zeitpunkten im Hinblick auf "musikalische Energie".
"Im folgenden werde ich verschiedene Wege prüfen, an denen entlang die Suche nach solch einer
Definition der Figur fortgesetzt und im besonderen auf die Kategorien "musikalische Energie" und
"Kraftlinien" hin ausgerichtet werden kann, da diese mir von großer Nützlichkeit dafür scheinen, die
anvisierte Relation zwischen musikalischen Objekten und jenen formalen Zwängen, die die
Wechselwirkungen der spezifischen Charakteristika jener Objekte aufzuwerfen streben, genauer zu
umreißen." 637

Genau genommen geht es um die Beziehung zwischen musikalischen Objekten und


"jenen formalen Perspektiven, die hervorgerufen werden durch die Interaktion von lokalen,
untergeordneten Aspekten derselben Objekte, die hervortreten als frei-fließende, mobile strukturelle
Radikale, die das Potential besitzen, sich selbst zu entfalten und zu reproduzieren in unabhängig
voneinander bedeutsamen Flugbahnen." 638

Die einer "Figur" innewohnende Möglichkeit zur Transformation steht diesmal im


Vordergrund. Dies bedeutet eine weitere Annäherung des Materialbegriffs and den
Zeitbegriff: Transformationen sind (schrittweise) Veränderungen im Laufe der Zeit.
Im Hinblick auf das Bild der Welle schreibt Ferneyhough:
"Kehren wir zum Ashbery-Zitat vom Anfang zurück: Zwei Hauptideen scheinen hier unentwirrbar
miteinander verflochten. Zuerst die Auffassung, dass das Gegenwärtige selbst einzig als gespürte
Abwesenheit sich konstituiert, sodann, dass unsere Verbindung zur Realität vielleicht als eine
spezielle Form der Bewegung angesehen werden kann. Was ist letzten Endes "Expression" ? Wie ist
eine Art Übergang von einem Zustand zu einem anderen, in dem weder der Anfang noch das Ende
von primärer Wichtigkeit sind, sondern eher das "nicht länger" und "noch nicht", von denen sie
geprägt werden. Das Bild der Welle verweist hier sowohl auf irgendeine natürliche, ungeformte
Rückströmung kreativen Potentials, die Ereignisse gemäß einer wie immer gearteten Form eines
dynamischen Gesetzes gestaltet, als auf den flüchtigen, unkörperlichen Augenblick der
Wahrnehmung, der auf dem Rücken der Welle als einer unwiederholbaren Spur des Seienden weiter

635
"… the figure is proposed as an element of musical signification composed entirely of details
defined by their contextual disposition rahter than their innate, stylistically defined referential capacity.
– (s. Anm. 373) S.34 bzw. S.27.
636
"that an increasingly merked preference for hisorically preformed elements will lead to a partial
disenfranchisement of those same elements." – Ebda S.34 bzw. S.27.
637
"In this presentation I will be examining various paths towards the isolation of figural significance
and, in particular, will be focussing on the concepts of musical energy and lines of force as being of
some utility in making more precise the envisioned relationship between musical objects (seen as
morphologically discrete, self-consistently affective signals) and those formal perspectives suggested
by the interaction of local, ancillary aspects of those same objects considered as free-floating mobile
structural radicals possessing the potential to unfold and reproduce themselves in independently
meaningful linear trajectories." – Ebda S.34 bzw. S.27.
638
Dies ist die etwas ausführlichere wörtliche Übersetzung des letzten Teils der Aussage.

458
getragen wird. Die gefangene Energie der Welle (in gewissen Sinne die Welle selbst), die von der
unbiegsamen Widerstandsfähigkeit des Felsens in eine konkrete Form hinaus geworfen ist, trägt dazu
bei, denjenigen Übergang vom Physikalischen zum Konfigurativen zu bewirken, wodurch er als
Bewegung mit Symbolischem ausgestattet wird." 639

Geeignete Definitionen von "musikalischer Energie" und " musikalischer Kraft" lassen
sich aus diesem Bild schön ableiten:
"Kraft als Befreiung gefangener Energie findet in einer Energie ihr Gegenstück, die als die Anwendung
einer Kraft auf ein widerstandsfähiges Objekt definierbar ist. (...) Demgemäß sind musikalische Kraft
und musikalische Energie nicht identisch. Energie ist konkreten musikalischen Objekten in dem Maße
eingesetzt, wie sie fähig sind, Kräfte sichtbar zu machen, die auf sie wirken. Kraftlinien entstehen im
Raum zwischen Objekten (...) und bemächtigen sich, als ihrer Gegenstände, des verbindenden
Impetus, der in der Bewegung von einem zum anderen Objekt entsteht." 640

Mit der Bezeichnung der "musikalischen Kraft" scheint der Weg geebnet für ein
Gebilde, das zwischen der eher materiellen "Figur" und der zeitlichen Transformation
vermittelt und dadurch die in beiden Elementen enthaltene "Energie" zum Vorschein
treten lässt: die "Kraftlinie". Verzerrungen oder gar Beschädigungen beeinflussen
diese "Kraftlinien", wie bereits im vorangegangenen Abschnitt in Bezug auf den
(wahrnehmbaren) Zeitpfeil angesprochen.
"Es gibt Objekte, die der Verzerrung der an sie gerichteten Kräfte widerstehen. Ihre beschädigte,
verletzte Integrität teilt uns das Maß der entfalteten Kräfte und Energien mit; es ist ihre
'Ausdrucksgeschichte'. Gerade wie einige musikalische Objekte elastischer als andere sind, so muss
die Natur und Quantität der Kräfte, denen sie ausgesetzt sind, mit einem Blick auf ihre graduelle
'Verwitterung' oder ihre plötzliche, in alle Richtungen verweisende 'Dematerialisierung' bedacht
werden. In solchen Momenten ist es die Kraftlinie selbst, die, gleich einer Welle, eine momentane
physikalische Gestalt als den klanglichen Vordergrund annimmt, der auf eine Wolke mit Energie
angefüllter Partikel projiziert ist, die die Gelegenheit suchen, sich in einem weiteren gestisch konkreten
Objekt zu vereinheitlichen." 641

Eine weitere Begriffseinführung ist notwendig für Prozesse, die nicht an der
Oberfläche ablaufen und dadurch nur indirekt wahrnehmbar sind:

639
"Returning to the Ashbery citation from the beginning: two main ideas seem to be inextricably
entwined in those few lines. Firstly, the view that the present constitues itself only as sensed
absence; secondly, that our 'life-line' to reality might perhaps be interpreted as a special form of
motion. What, after all, is 'expression' but a sort of passage from one state to another, in which
neither the presumptive beginning and end points are primarily, but rather the 'no longer' and 'not yet'
whose impressum they bear. In this context the image of the wave refers both to some natural,
unformed undertow of creative potential, shaping events according to whatever form of dynamic law,
and to the fleeting insubstantial moment of perception, born along on the crest of the wave (which is,
in a sense, the wave) being ejected into concrete form by the unyield resistance of the rock, is
instrumental in effecting the transition from the physical to the configurational, thereby becoming
invested, as action, with symbolic stature." – (s. Anm. 373) S.35 bzw. S.28.
640
"Force, as the liberation of entrapped energy, finds its counterpart in an energy definable as the
application of force to a resistant ovject. (…) Thus: musical force and musical energy are not identical.
Energy is invested in concrete musical objects to the extent that they are capable of rendering forces
acting upon them visible. Lines of force arise in the space between objects (…) and takte as their
vehicular object the connective impetus established in the act of moving from one discrete musical
event to another." – Ebda S.35 bzw. S.28.
641
"There are objects which resist distortion by the forces directed at them; their damaged, violated
integrity signals to us the measure of those same forces and energies deployed: it's their 'expressive
history'. Just as some musical objects are comparatively more resilient, so the nature and power of the
forces to which they are exposed need to be calculated with a view to gradual 'weathering', erosion, or
their sudden omnidirectional 'dematerialization'. At such moments it is the line of force itself, which,
like a wave, assumes momentary physical shapes as a spectral foreground projected into the cloud of
energized particles seeking, opportunity to congeal into a further, gesturally coherent (delimited)
object." – Ebda S.35 bzw. S. 28.

459
"Die Geste ist 'gefrorene' Kraft insofern, als sie für eine expressive Empfindung, für einen abwesenden
Austausch expressiver Energien steht." 642

Mit diesem Begriff, der auch in dem Ashbery-Zitat verwendet wird, verdeutlicht sich
ein weiteres Mal die Analogie mit dem Bild der Welle.
"John Ashbery bedient sich des Bilds vom Bewusstsein als dem Rücken einer Welle, die, ständig das
Material, aus dem sie besteht, verändernd, von der Meeresenergie fortgetrieben wird, aber im
strengen Sinne (wie alle Wellenformen) nicht tatsächlich sich bewegt. Die Funktion und Natur einer
Figur ist bruchlos mit diesem Bild verknüpft." 643

Ist eine Welle Ausdruck einer gleichmäßigen, berechenbaren, automatisierten


Bewegung, so stellt sich – im Hinblick auf die musikalische Verwendung von
automatisierten wie auch informellen Elementen – die Frage nach der Bedeutung der
informellen Komponente in diesem Zusammenspiel.
"Das ständige Hinzuziehen von 'unscharfen Parametern' dieser Art ist die Hauptfunktion der Figur
insofern, als sie es dem Organismus gestattet, sich von vielen Seiten zu zeigen." 644

Durch subjektive Entscheidungen des Komponisten werden also zwar


Regelmäßigkeiten durchbrochen, aber gerade dadurch erst wird die Möglichkeit
geschaffen, sogar unendlich (!) viele Seiten eines musikalischen Ereignisses
aufzuzeigen. Die Verwendung verschiedener musikalischer Parameter ist dabei der
Sache unbedingt dienlich.
"Falls diese Technik [der eher automatisierten Transformationen] für eine angemessene Zeitdauer
angewandt wird, wird ihre Homogenität teilweise als ein Oberflächenphänomen wahrgenommen, als
ein Regler, der anderen Aspekten des Diskurses wirkungsvoller herauszutreten gestattet. Falls
darüber hinaus weitere parametrische Schichten mit einbezogen werden, etwa Instrumentation,
Register, Tonhöhe, Artikulation etc., besteht selbstverständlich eine großes Potential für die
Erzeugung von signifikantem, formalem Impetus auf vielen Ebenen. Je mehr diese individuellen
Aspekte als gestisch konkrete Einfälle zusammengeführt werden, desto reicher sind die Konflikte, die
ihre kontextuelle Unabhängigkeit zwischen aufgespeicherter Energie und ihrem kraftvollen Zerfall
aufwirft." 645

Je größer die Vielfalt der verwendbaren Parameter ist, desto mehr Möglichkeiten
bestehen auch zur Erzeugung von besonderer 'Tiefenwirkung' innerhalb des
musikalischen Diskurses anhand ihrer Binnenordnung.

642
"The gesture is 'frozen force' to the extent that it stands for expressive energies." – Ebda S.35 bzw.
S.28.
643
"John Ashbery employs the image of consciousness as the crest of a wave, always changing the
material of which it is composed, always driven forward by the sea'as restless energy but, in a certain
sense (like all wave forms) not really moving. The function and nature of the figure asr closely allied to
this image." – Ebda S.36 bzw. S.28.
644
"The constant creation of 'fuzzy-parameters' of this sort is the primary purpose of the figure, to the
extent that it supports the deconstruction and subsequent opening-up of the self-enclosed organism in
an indefinite number of possible directions." – Ebda S. 39 bzw. S.29.
645
"If these techniques are repeated over the total duration of a fragment of whatever length, their
homogenity will tend to be registered, to a certain degree, as a subcutaneous phenomenon, as a
regulator permitting other aspects of the discourse to be exposed more effectively. If, moreover the
other parametric variables, such as instrumentation, register, pitch, secondary articulation etc. are
taken into account, there is clearly a vast scope for multiple stratification of formally significant linear,
figurally-fuelled impetus. The more that individual aspects are reunited as concrete gestural elements,
the more their contextual independence engineers rich conflicts between the thereby accumulated
energy and its forceful dissolution." – Ebda S. 40 bzw. S.30.

460
"Eine Art und Weise, 'Tiefenperspektive" zu gewinnen, ist daher, Verfahrensweisen zu suchen, die
nach Belieben vom einen Standpunkt im Feld zu einem anderen transferiert zu werden fähig sind." 646

In Bezug auf ihre Bedeutung für die Kompositionsweise wird der Begriff der "Figur"
abschließend noch einmal reflektiert.
"Streng genommen ist es nicht sehr nützlich, nach starren Definitionen des Begriffs 'Figur' zu suchen.
Es leuchtet nach diesen Bemerkungen ein, dass eine Figur nicht materialiter existiert; eher
repräsentiert sie eine Art und Weise, konkrete gestische Konstellationen wahrzunehmen, zu
kategorisieren und einzusetzen. Das impliziert kompositorische Einstellungen, weil diese Attitüden es
sein werden, die, indem sie sich schrittweise enthüllen, das Maß bilden, wonach wir den
kontinuierlichen Fluss des Diskurses wahrnehmen. Musik ist nicht totes Material; auch nicht abstrakte
Form. Noch weniger ist sie ein bedeutungsloses Manövrieren in einem lieblosen, willkürlichen Raum.
Die Idee der als eine konstruktive Reformulierung der Geste betrachteten Figur soll den Weg zu der
Ermöglichung der musikalischen Aura bereiten, zu dem Ideal eines Werks, das, als ob es selbst ein
anderes Subjekt sei, in ein Gespräch mit dem Zuhörer eintritt." 647

zukunftsweisende "Architekturphantasien"
als Intention des Zyklus – wie bereits in Form, Figur, Stil – eine vorläufige Einschätzung 1982
angedeutet.

"In der Kunst, in der Malerei wie in der Musik handelt es sich nicht darum, die Formen zu
reproduzieren, sondern die Kräfte zu fassen. (Gilles Deleuze)" 648

Eine eher automatisierte Kompositionsweise kann als Weiterentwicklung des


seriellen Denkens verstanden werden – mit allen damit verbundenen
wahrnehmungstechnischen Schwierigkeiten. Eine gegenteilige, eher informelle
Kompositionsweise betont die – hier so gut wie gar nicht vorhandene – Komponente
des Zufalls oder der Improvisation, auch wenn der musikalische Ausdruck für
unvorbereitete Hörer vielleicht ein wenig in diese Richtung geht. Ferneyhough
bemerkt zu seiner Position innerhalb des Geflechts von "automatisiert" und
"informell":
"Alle strukturierenden Systeme sind bis zu einem gewissen Grad willkürlich und spontan, so wie
Spontaneität meist nichts als der letzte Schritt eines oft langatmigen und heftigen
Selbstprogrammierungsrituals seitens des Komponisten ist." 649

646
"One way of achieving 'depth perspective' will be to seek procedural modalities amenable to being
transferred at will from one point of observation in the field to one or more others." – Ebda S.38 bzw.
S.29.
647
"The search for a fixed definition of the term 'figure' is, in my view, an enterprise of at best doubtful
utility. It will, I hope, have emerged from the above considerations, that a figure does not exist, in
material terms, in its own autonomous right; rather, it represents a way of perceiving, categorizing and
mobilizing concrete gestural configurations, whatever the further purpose of these latter might be. It
implied compositional attitudes, since it will be these attitudes which, ba revealing themselves
gradually, form the measure according ro which we are enabled to perceptually ground the continuing
flow of the discourse. Music is not dead material, nor yet abstract form. Still less is it meaningless
maneuvering in an uncaring, arbitrary void. The idea of the figure seen as a constructive and
purposive reformulation of the gesture should clear the path for aura, the visionary ideal of a work
entering into conversation with the listener as if it were another aware subject." – Ebda S.41 bzw. .30.
648
"En art, et en peinture comme en musique, il ne s'agit pas de reproduire ou d'inventer des formes
mais de capter des forces." – (s. Anm. 623) S.21 bzw. S.7.
649
"All structuring systems are, to some extent, arbitrary and spontaneous, just as most spontaneity is
nothing but the final stage of a frequently lengthy and intense ritual of self-programming of the part of
the composer." – Ebda S.22 bzw. S.7.

461
Traditionelle Implikationen scheinen den Weg zu einer adäquaten Rezeption seiner
Musik eher zu verstellen denn zu öffnen.
"Viele gegenwärtige Musik verlässt sich stark auf Varianten eines ziemlich begrenzten Repertoires
von gestischen Typen, die kalkuliert sind, die rezeptive und interpretatorische Fähigkeiten des Hörens
in einer kulturell ganz spezifischen Fasson zu erregen." 650

Die Argumentation für prozessuale Begriffe wie "Energie" führt daher – wie bereits
angedeutet – zu einem radikalen Bruch mit bereits vorbestimmten musikalischen
Elementen. Zu den für seine Kompositionstechnik durchaus positiven Folgen dieses
Bruchs, oder vorsichtiger, dieser "Verdünnung", erklärt Ferneyhough:
"Falls semantisch beladene Elemente aufgefordert sind, Direktheit der Kommunikation zu garantieren,
dann führt die Verdünnung eben dieser Elemente (als ein Resultat ihrer Integration in organisch
formale Muster) dazu, sie als funktionierende ikonische Signale in Zweifel zu ziehen: Falls
andererseits arbiträre formale Modelle aufgebürdet sind, bewahren die gestischen Elemente ihre
monadische Unschuld einzig auf die hohen Kosten dessen, dass sie unter einer Bedingung radikal
schizophrener Loslösung von ihrem Kontext erscheinen, der Anspruch auf ein konventionelleres
Ineinandergreifen von Ebenen zu erheben scheint, als es in der Tat der Fall ist. (...) Falls dem so ist,
wäre es erfreulich, einer erneuten Konzentration, nicht auf einen noch weiteren Ausblick auf 'ready-
made', gefundene Objekte, sondern – mittels einer intensiven Erforschung der Energiequellen, die
gestische Komplexe mit ihrem vorwärtstreibenden Antrieb für ihre Zukunft ausstatten – auf diese
Kraftlinien selbst als Ausdruck im Wartezustand fähig zu sein." 651

Daher gibt es einen Bedarf an neuen Perspektiven für die Frage nach dem
musikalischen Stil.
"Es ist folgerichtig zwingend, dass die Ideologie der holistischen Geste zugunsten eines
Konstruktionstypus entthront ist, der stärker dem transformatorischen und energetischen Potential
jener Subkomponenten Rechnung trägt, aus denen sich die Geste zusammensetzt. In erster Linie ist
es eine Frage der bewussten Anwendung perzeptueller Kategorien hinsichtlich des 'Nachlebens' einer
Geste, weil hier, im Moment ihrer Auflösung, die einengende Verformung des gestischen Materials
als formale Energie entbunden werden kann. Eine Geste, deren partikularisierende definierende
Merkmale – Timbre, Tonhöhenanteil, Lautstärke etc. – eine Tendenz entfaltet, aus jenem spezifischen
Kontext auszubrechen, um zu unabhängig bedeutenden Wurzeln zu werden, die frei sind, sich zu
rekombinieren, sich zu weiteren gestischen Formen zu verdichten, mag, aus Mangel an einer anderen
Nomenklatur 'Figur' genannt werden. Die wohlerwogene Vergrößerung des dissoziierenden Potentials
spezifischer parametrischer Aspekte einer Figur schafft eine Einheit als zugleich materiale Präsenz,
semantisches Zeichen und zeitlicher Brennpunkt der Linien organisierender Kraft bis zum Augenblick
ihrer oft heftigen Freigabe." 652

650
"Much recent music relies heavily on variants of a rather limited repertoire of gestural types
calculated to energize the receptive and interpretational faculties of the listener in a culturally quite
specific fashion." – Ebda S.23 bzw. S.8.
651
"If semantically loaded elements are to be called upon to guarantee directness of communication,
the dilution of these same elements as a result of their integration in organic formal patterns leads to
them being called into question as functioning iconic signals: if, on the other hand, more arbitrary
formal models be imposed, the gestural elements retain their monadic innocence only at the
considerable cost of appearing in a condition of radically schizophrenic disassociation from their
circumambient context, which latter itself pretends to a more conventional interlocking of levels than is,
in fact, present. (…) If so, it would be pleasant to be able to foresee a renewed concentration, not
upon still further vistas of ready-made, found objects, but. by means of an intense investigation of the
energy sources which invest gestural complexes with their propulsive drive towards the future, upon
these lines of force themselves as expression in waiting." – Ebda S.24/25 bzw. S.8.
652
"It is thus imperative that the ideology of the holistic gesture be dethroned in favor of a type of
patterning which takes greater account of the transformative and energic potential of the
subcomponents of which the gesture is composed. It is a question, in the first instance, of the
conscious employment of perceptual categories in respect of the 'afterlife' of a gesture, since it is here,
at the moment of dissolution, that the constrictive preforming of gestural material is able to be released
of formal energy. A gesture whose component defining features – timbre, pitch, contour, dynamic level
etc. – display a tendency towards escaping from that specific context in order to become

462
Mit Hilfe des neu eingeführten Vokabulars lässt sich – groteskerweise auf der
Grundlage der hiermit teilweise überwundenen streng seriellen Vorgaben – ein
neues "Konzept des Parameters" formulieren.
"Die tiefsten Zweifel gegen das sogenannte 'serielle' Denken bezogen sich auf die Perzeption, dass
totale Mobilität der parametrischen Anwendung dazu tendierte, eine Folge von kontextlosen Monaden
zu generieren, deren aurale Logik durch keine Mittel in offenkundiger Weise auf den abstrakten
Spielregeln, denen sie ihre Existenz verdanken, folgte. (...) Die resultierende 'Dematerialisierung' des
Ereignisses, seine Ausstrahlung in den ihn definierenden Kontext, sowie die Erleuchtung desselben,
ist eine essentielle Vorbedingung für die Einführung jener ausgespannten Ketten von wechselseitig
verankerten Perspektiven, ohne die das Ereignis mit Notwendigkeit hinsichtlich größerer formaler
Berücksichtigungen in weiter Kommunikationslosigkeit verbleiben muss. So betrachtet erfährt das
Ereignis eine Rückkehr zu sich selbst als einer affektiven Substanz genau an jenem Punkt, an dem
die Illusion beständiger Identität prozessual überschritten wird." 653

Der Zyklus Carceri d'Invenzione stellt hierbei zugleich Experimentierfeld als auch
Musterbeispiel für den Umgang mit dieser Kompositionsweise dar.
"Expressive Energie verdankt sich in einem hohen Maße der zusammenpressenden Kraft der
Begrenzung; gefangene Bewegung hat eine ganz eigentümliche Kraft, und es ist exakt dieser
Impetus, der die Auflösung der Geste in eine Wolke von befreiten, formbildenden Atomen bestimmt.
(...) Mehr denn je ist es wahrscheinlich, dass es die Konsistenz der wie immer eingeführten
stilistischen Mittel ist, die, indem sie gleichzeitig sich der Erfindung ebenso widersetzen wie zu ihr
ermutigen, am fähigsten zu sein beweist, die Arten expressiver Vitalität zu validieren, die, ähnlich
Piranesis Architekturfantasien, sich nicht damit zufrieden stellt, emsig innerhalb der Grenzen des
individuellen Werks eingefangen zu verbleiben." 654

In diesem Sinne war die Motivation für die Komposition des abendfüllenden Zyklus
Carceri d'Invenzione vielmehr das möglichst umfassende Hörbar-Machen
musikalischer (!) Architekturphantasien.

independently signifying radicals, free to recombine, to 'solidify' into further gestural forms may, for
want of other nomenclature, be termed a figure. The deliberate enhancement of the separatist
potential of specific parametric aspects of the figure produces a unit at one and the same time material
presence, semantic sign and temporary focus of the lines of organizational force until the moment of
their often violent release." – Ebda S.26 bzw. S.9.
653
"The deepest doubts concerning serial thingking are related to the perception that total mobility of
parametric deployment tended to generate a series of contextless monads, whose aural logik by no
means obviously followed from the abstract rules of play to which they owed their existence. (…) The
resultant 'dematerialization' of the event, its radiation into, and illumination of its defining context, is an
essential prerequisite for the establishment of those taut chains of mutually embedded perspectives
without which the event must needs remain largely incommunicado in respect of larger formal
concerns. In this fashion, the event experiences a return to itself as affective substance at the very
moment at which the illusion of stable identity is processually transcended." – Ebda S.26/27 bzw. S.9.
654
"Expressive energy derives, in large measure, from the impactingpower of restriction; arrested
motiom has a peculiar force all its own, and it is precisely this impetus which informs the dissolution of
the gesture into a cloud of liberated, form-building atoms. (...) More than ever, it is likely to be the
consistency of whatever stylistic means are adopted that, simultaneously resisting and encouraging
invention, will prove most capable of validating a species of expressive vitality which, like the
architectural fantasies of Piranesi, does not content itself with remaining industriously imprisoned
within the limits of the individual work." – Ebda S.27/28 bzw. S.10.

463
Anhang: Formen und Transpositionen der Superscriptio-Reihe (I)

Transpositionen der Originalreihe

OB

OH

OC

ODes

OD

OEs

OE

OF

OFis

OG

OAs

OA

464
Anhang: Formen und Transpositionen der Superscriptio-Reihe (II)

Transpositionen der Umkehrung

UB

UH

UC

UDes

UD

UEs

UE

UF

UFis

UG

UAs

UA

465
Anhang: Formen und Transpositionen der Superscriptio-Reihe (III)

Transpositionen des Krebsgang

KAs

KA

KB

KH

KC

KDes

KD

KEs

KE

KF

KFis

KG

466
Anhang: Formen und Transpositionen der Superscriptio-Reihe (IV)

Transpositionen der Krebsumkehrung

UKC

UKDes

UKD

UKEs

UKE

UKF

UKFis

UKG

UKAs

UKA

UKB

UKH

467
Anhang: Transpositionen der acht Grundakkorde von Carceri d'Invenzione

I As II As III As IV As IS II S III S IV S

468
Anhang: Formen und Transpositionen der "Schönberg-Reihe" (I)

Transpositionen der Originalreihe

Sch 1
(O 1)

Sch 2
(O 2)

Sch 3
(O 3)

Sch 4
(O 4)

Sch 5
(O 5)

Sch 6
(O 6)

Sch 7
(O 7)

Sch 8
(O 8)

Sch 9
(O 9)

Sch 10
(O 10)

Sch 11
(O 11)

Sch 12
(O 12)

469
Anhang: Formen und Transpositionen der "Schönberg-Reihe" (II)

Transpositionen der Umkehrung

Sch 1
(U 1)

Sch 2
(U 2)

Sch 3
(U 3)

Sch 4
(U 4)

Sch 5
(U 5)

Sch 6
(U 6)

Sch 7
(U 7)

Sch 8
(U 8)

Sch 9
(U 9)

Sch 10
(U 10)

Sch 11
(U 11)

Sch 12
(U 12)

470
Anhang: Formen und Transpositionen der "Schönberg-Reihe" (III)

Transpositionen des Krebsgang

Sch 1
(K 1)

Sch 2
(K 2)

Sch 3
(K 3)

Sch 4
(K 4)

Sch 5
(K 5)

Sch 6
(K 6)

Sch 7
(K 7)

Sch 8
(K 8)

Sch 9
(K 9)

Sch 10
(K 10)

Sch 11
(K 11)

Sch 12
(K 12)

471
Anhang: Formen und Transpositionen der "Schönberg-Reihe" (IV)

Transpositionen der Krebsumkehrung

Sch 1
(KU 1)

Sch 2
(KU 2)

Sch 3
(KU 3)

Sch 4
(KU 4)

Sch 5
(KU 5)

Sch 6
(KU 6)

Sch 7
(KU 7)

Sch 8
(KU 8)

Sch 9
(KU 9)

Sch 10
(KU 10)

Sch 11
(KU 11)

Sch 12
(KU 12)

472
Anhang: Modulschema von Carceri d'Invenzione IIa

Quasi moto perpetuo


Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Modul 1 2 3 4 5 6 7 5 8 9 1 10 11 2 12 10

17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
13 14 15 16 8 17 3 18 19 11 20 21 22 23 24 4 20 25

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52
26 27 5 28 29 6 30 31 32 7 33 31 34 35 8 36 37 38

53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70
39 40 41 9 42 39 11 44 45 41 47 48 42 3 2 1 4 7

71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88
6 13 6 9 2 12 10 16 10 11 14 7 14 16 15 16 19 18

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106


11 20 18 19 18 20 21 24 23 26 27 22 27 23 29 25 30 26

107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124
31 36 27 30 35 39 38 39 28 39 41 40 29 44 30 31 32 34
Quasi una cadenza
125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142
48 33 37 46 34 43 1 3 35 37 4 38 1 6 39 10 9 9

143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160
40 12 11 12 42 16 14 43 44 13 43 44 42 19 15 19 23 17

161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178
22 20 18 29 22 29 26 33 31 30 39 31 37 34 36 36 42 37

179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196
43 45 47 43 43 45 46 7 6 4 2 2 5 1 10 10 3 8
meno mosso
197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214
15 15 12 17 32 23 23 20 14 33 32 22 33 27 33 31 33 28
ancora piu mosso
215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 GP 226 GP 227
22 39 38 42 40 41 35 36 32 43 45 46 47

473
Anhang: Vortragsbezeichnungen und ihre deutschen Übersetzungen

abbastanza genügend
agevole leicht
agile beweglich, flink, munter
agitato bewegt, aufgeregt, erregt, ungestüm
alla mandoline wie eine Mandoline
al tall(one) am Frosch (des Bogens)
alla punto estr. d'arco am extremsten Punkt des Bogens
amabile lieblich, freundlich, liebenswürdig
ancora noch einmal
animato belebt
appassionato leidenschaftlich
appena kaum
arm.nat. natürliches Flageolett
arrabiato wütend
balbettando stotternd
balzando springender Bogen
ben marcato gut markiert, betont hervorgehoben
bouchée stopfen (Horn)
brash keck, frech, vorwitzig, unverschämt
breathy hauchig, überhaucht, tonarm
brillante glänzend
brutale brutal
brutto hässlich, schlecht, unerfreulich
calando nachlassend, abnehmend an Tempo und Tonstärke
calmandosi beruhigend
calmato ruhig, beruhigt
calmo ruhig
cantabile singend
cantando singend
chiaro klar
coi ottone mit Blech, Messing
col legno mit dem Holz (Rückseite des Bogens bei Streichinstr.)
come sopra wie oben
come una voce bianca wie eine weiße Stimme
con bravura im virtuosen Stil
con calore mit Wärme
con forza mit Kraft, mit Stärke
con sordino mit Dämpfer
convulsivo krampfhaft, erschütternd
damp ! dämpfen ! (Glocken)
dandyish dandyhaft
deciso entschieden, bestimmt
deliberato entschlossen
delicato zart
detaché locker, nicht gebunden
diluendo verlöschend
distinto klar, deutlich
dolce sanft, lieblich
energico entschlossen, energisch

474
enfatico betont
esitando zögernd
espansivo sich ausdehnend
esplosivo explosiv
espressivo ausdrucksvoll
etouffé erstickt, sofort gedämpft
exaggerated elegant übertrieben elegant
fastidioso lästig, unangenehm
febbrile fieberhaft
ferocissimo sehr wild, ungestüm, sehr stürmisch
flamboyant prunkvoll, reich verziert, überladen
flautando flötend
florido blühend, figuriert
fluido flüssig
formal formell
freddo kalt
fuggevole flüchtig
giusto rein, genau im Tempo
grazioso anmutig, reizend
grottesco grotesk
implacable unversöhnlich, unnachgiebig, unerbittlich
importunate lästig, zudringlich
in modo barocco in barocker Manier
in rilievo als Relief, Erhöhung
incalzandosi antreibend, drängend
inquieto unruhig
insistente beharrlich
intenso heftig, intensiv
intimo innig
intransingente unnachgiebig
irritato gereizt, erregt
isterico hysterisch
leggiero leicht, ungezwungen
lento langsam
lievo leicht
liquido flüssig
lontano weit, fern, entfernt
lucido glänzend, klar
lusingando schmeichelnd
lusingendoso schmeichelnd
maligno boshaft, bösartig
manieroso gekünstelt
marcato markiert, betont hervorgehoben
martellato gehämmert
morbido weich, zart
morendo ersterbend
nevroso neurotisch
non troppo nicht zu sehr
ombroso schattig
pedantic pedantisch
perdendosi sich verlierend, leiser werdend

475
pesante schwerfällig, plump
piacevole angenehm, hübsch, gefällig
più sehr
quasi echo wie ein Echo
quasi niente wie nichts
quasi un improvisazione wie eine Improvisation
rapido schnell
ravvivando (das Tempo) belebend
retorico rhetorisch
riservato zurückhaltend, vertraulich, reserviert
risoluto entschlossen, kräftig im Vortrag
rudo rau
rumoroso lärmend, geräuschvoll
scintillante glänzend, funkelnd
scioltamente ungebunden, frei im Vortrag
scorrevole gleitend, fließend, flüssig
scuro dunkel
scurrile sonderbar, bizarr, befremdend
secco trocken, unbegleitet
senza sordino ohne Dämpfer
sereno ernst
slap schlagen
sly and insidious hinterlistig und heimtückisch
soave lieblich, sanft
sospeso schwebend, hängend
sostenuto zurückhaltend
spaccato gehackt
spettrale gespenstisch
spezzato gebrochen
stridulo schrill, gellend
suave mild, glatt
sul ponticello am Steg (Streichinstrumente)
sulle corde auf den Saiten
sussurando flüsternd, säuselnd
svelto rasch, schnell, flink, aufgeweckt
tenebroso finster
teneramente zart, sanft, zärtlich
tenero zart, sanft, zärtlich
tenuto ausgehalten
tranquillo ruhig
trasparente durchsichtig
tumultuoso stürmisch
tutta la forza mit aller Kraft
uguale gleich, identisch
veloce rasch, schnell
violente heftig
vulgar vulgär, gewöhnlich

476
Anhang: Die 16 Stiche Carceri d'Invenzione von Giovanni Battista Piranesi

Giovanni Battista Piranesi – Carceri d'Invenzione – I "Titelblatt"

477
Piranesi – Carceri d'Invenzione – II "Der Mann auf der Folter"

478
Piranesi – Carceri d'Invenzione – III "Der runde Turm"

479
Piranesi – Carceri d'Invenzione – IV "Die große Piazza"

480
Piranesi – Carceri d'Invenzione – V "Die Löwenreliefs"

481
Piranesi – Carceri d'Invenzione – VI "Das rauchende Feuer"

482
Piranesi – Carceri d'Invenzione – VII "Die Zugbrücke"

483
Piranesi – Carceri d'Invenzione – VIII "Die Treppe mit Trophäen"

484
Piranesi – Carceri d'Invenzione – IX "Das große Rad"

485
Piranesi – Carceri d'Invenzione – X "Gefangene auf einer vorstehenden Plattform"

Piranesi – Carceri d'Invenzione – XI "Der Bogen mit dem Muschelornament"

486
Piranesi – Carceri d'Invenzione – XII "Das Sägepferd"

Piranesi – Carceri d'Invenzione – XIII "Der Ziehbrunnen"

487
Piranesi – Carceri d'Invenzione – XIV "Der gotische Bogen"

Piranesi – Carceri d'Invenzione – XV "Der Pfeiler mit der Lampe"

488
Piranesi – Carceri d'Invenzione – XVI "Der Pfeiler mit den Ketten"

489
Literaturverzeichnis
(innerhalb der Rubriken jeweils chronologisch geordnet, angefangen mit den wichtigsten bzw.
aktuellsten Texten)

Texte zum Zyklus Carceri d'Invenzione

FERNEYHOUGH, Brian: Carceri d´Invenzione. Program notes to the first


performance of complete cycle at the Donaueschingen Musiktage,
Donaueschingen, 17 October 1986. (1986; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg.
James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam
1996, S.131-138. Übersetzung ins Deutsche von Josef Häusler in:
Donaueschinger Musiktage '86, Donaueschingen 1986 , S.7-13.
TOOP, Richard: Carceri d´Invenzione – Brian Ferneyhough in conversation with
Richard Toop. (1986; engl.) in: Ferneyhough, Carceri d'Invenzione. Peters
Edition, London 1987, S.6-11. (engl.) Carceri d´Invenzione: in conversation
with Richard Toop. in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard
Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.290-302.

CAVALOTTI, Pietro: Einige Bemerkungen über die Tonhöhenorganisation in


Brian Ferneyhoughs Zyklus "Carceri d'Invenzione". (2000; dt.) in:
Mitteilungen der Paul Sacher Stiftung. Nr.13, Basel 2000, S.48-53.
HÄUSLER, Josef: Große Dimensionen – Zyklische Formen. Brian Ferneyhough:
Carceri d'Invenzione. (1996; dt.) in: Spiegel der neuen Musik –
Donaueschingen. Kassel 1996, S.352-354.
TOOP, Richard: "Prima le Parole ..." – on the sketches for Ferneyhoughs
Carceri d´Invenzione I-III. (1994; engl.) in: Perspectives of new music.
Vol.32/1 (1994) S.154-175.
TOOP, Richard: Brian Ferneyhough's Etudes Transcendentales: A Composer's
Diary (Part 1). (1991; engl.) in: EONTA< – Arts Quarterly. Vol.1 No.1 (1991),
S.55-89.
FERNEYHOUGH, Brian: Les Carceri d´Invenzione – L'analogie créatrice. (1990;
frz.) in: Ars Musica Magazine 90. Programm und Information zum Festival Ars
Musica '90 – new gesture and virtuosity in music. Brüssel, 1990, S.17.
FERNEYHOUGH, Brian: Les Carceri d´Invenzione – dialectique de l´automatique
et de l´informe. (1986; frz.) in: Entretemps. No.3, Paris 1987, S.115-126.
FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1986; engl.) in: Studienpartitur zu
Intermedio alla ciaccona. Edition Peters P-7346, London 1986.
FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1986; engl.) in: Studienpartitur zu
Mnemosyne. Edition Peters P-7347, London 1986.
FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1986; engl.) in: Studienpartitur zu
Carceri d'Invenzione III. Edition Peters P-7293, London 1986.
FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1985; engl.) in: Studienpartitur zu
Etudes Transcendentales/Intermedio II. Edition Peters P-7301, London
1985.
FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1985; engl.) in: Studienpartitur zu
Carceri d'Invenzione II. Edition Peters P-7292, London 1985.
FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1985; engl.) in: Studienpartitur zu
Carceri d'Invenzione IIb. Edition Peters P-7292b/c, London 1985.

490
TOOP, Richard: A propos de Superscriptio – entretien avec Brian Ferneyhough.
(1983; frz.) in Entretemps No.3, Paris 1987, S.89-93. (engl.) On Superscriptio:
An Interview with Brian Ferneyhough, and an Analysis. in: Contemporary
Music Review 1995, Vol.13, Part 1, S.3-6.
TOOP, Richard: "Superscriptio" pour flûte piccolo solo – analyse. (frz.) in
Entretemps No.3, Paris 1987, S.95-106. (1983; engl.) On Superscriptio: An
Interview with Brian Ferneyhough, and an Analysis. in: Contemporary Music
Review. 1995, Vol.13, Part 1, S.7-17.
FERNEYHOUGH, Brian: Conductor's Notes. (1982; engl.) in: Studienpartitur zu
Carceri d'Invenzione I. Edition Peters P-7291, London 1982.
FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1982; engl.) in: Studienpartitur zu
Carceri d'Invenzione I. Edition Peters P-7291, London 1982.
FERNEYHOUGH, Brian: Preface. (1982; engl.) in: Studienpartitur zu Superscriptio.
Edition Peters P-7289, London 1982.
FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1982; engl.) in: Studienpartitur zu
Superscriptio. Edition Peters P-7289 London, 1982.

Texte zur Kompositionsweise und zu anderen Stücken von Ferneyhough


(inklusive Texte zur "New Complexity"; mit * bezeichnete Texte beziehen sich in besonderer Weise auf
Carceri d'Invenzione)

LIPPE, Klaus: «Pitch Systems» im Vierten Streichquartett von Brian


Ferneyhough. (2000; dt.) in: Mitteilungen der Paul Sacher Stiftung. Nr.13,
Basel 2000, S.54-60.
FERNEYHOUGH, Brian: Présentation du Trio à cordes. (1999; frz.) in: Brian
Ferneyhough – textes réunis par Peter Szendy. (Hrsg. L´Harmattan/IRCAM)
Paris 1999, S.49-60.
FERNEYHOUGH, Brian: La "Musique informelle" (a partir d´une lecture
d´Adorno). (1999; frz.) in: Brian Ferneyhough – textes réunis par Peter
Szendy. (Hrsg. L´Harmattan/IRCAM) Paris 1999, S.109-118.
TEXIER, Marc: Le dernier des modernes. (1999; frz.) in: Brian Ferneyhough –
textes réunis par Peter Szendy. (Hrsg. L´Harmattan/IRCAM) Paris 1999, S.9-
26.
NICOLAS, François: Une ecoute à l´œvre: d´un moment favori dans "La chute
d´Icare". (1999; frz.) in: Brian Ferneyhough – textes réunis par Peter Szendy.
(Hrsg. L´Harmattan/IRCAM) Paris 1999, S.27-46.
MALT, Mikhaïl: Brian Ferneyhough et l´aide informatique à l´ecriture. (1999; frz.)
in: Brian Ferneyhough – textes réunis par Peter Szendy. (Hrsg.
L´Harmattan/IRCAM) Paris 1999, S.61-106.
PADDISON, Max: Der Komponist als Kritischer Theoretiker – Brian
Ferneyhoughs Ästhetik nach Adorno. (1999; dt.) in: Musik und Ästhetik.
Heft 10, Stuttgart 1999, S.95-100.
BARRETT, Richard: Brian Ferneyhough: Solo Works. (1998; engl.) in: Booklet zur
CD KTC 1206. Übersetzung ins Deutsche von Nico Eikelenboom.
MAHNKOPF, Claus-Steffen: Kritik der neuen Musik. (1998; dt.) Kassel 1998.
FELLER, Ross Alan: Random Funnels in Brian Ferneyhough´s «Trittico per
Gertrude Stein». (1997; engl.) in: Mitteilungen der Paul Sacher Stiftung.
Nr.10, Basel 1997, S.32-38.
491
*KELLER, Christoph: Die Ferneyhough-Familie – Zürich: Tage für Neue Musik
1996. (1997; dt.) in: Dissonanz. Neue Schweizerische Musikzeitung. Heft 51
(Februar 1997) S.34-36.
MAHNKOPF, Claus-Steffen: Ferneyhoughs Streichtrio. (1997; dt.) in: Musik und
Ästhetik. Heft 1/2, Stuttgart 1997, S.97-104.
LIPPE, Klaus: Notation und Aufführung bei Brian Ferneyhough. (1997; dt.) in:
Musik und Ästhetik. Heft 1/2, Stuttgart 1997, S.93-97.
ALBÈRA, Philippe: Musik der Utopie. (1995; frz.) in: Booklet zur CD
Contrechamps/Akkord 205772. Übersetzung ins Deutsche von Martin
Kaltenecker.
FERNEYHOUGH, Brian: Third String Quartet. (1994/95; engl.); Übersetzung ins
Deutsche von Wolfgang Gratzer: Zum "Dritten Streichquartett". in: GRATZER,
Wolfgang (Hrsg.): Nähe und Distanz – Nachgedachte Musik der Gegenwart.
Bd.1, Hofheim 1996, S.140-159.
PANISELLO, Fabián: Zum "Dritten Streichquartett" von Brian Ferneyhough.
(1995; dt.) in: GRATZER, Wolfgang (Hrsg.): Nähe und Distanz –
Nachgedachte Musik der Gegenwart. Bd.1, Hofheim 1996, S.160-181.
STADELMAN, Jeffrey: Brian Ferneyhough, 1976-94. (1995; dt.) in: Von
Kranichstein zur Gegenwart. 50 Jahre Darmstädter Ferienkurse. Stuttgart
1996, S.469-475.
FERNEYHOUGH, Brian: Theodor Adorno selon Brian Ferneyhough. (1994; frz.)
in: Voix Nouvelles 1995. Royaumont 1995, S. 4-5.
FELLER, Ross Alan: Multicursal Labyrinths in the work of Brian Ferneyhough.
(1994; engl.) Dissertation, Urbana-Champaign 1994.
FERNEYHOUGH, Brian: Parallel Universes. (1993; engl.) in: Darmstädter Beiträge
zur Neuen Musik. Bd.20, Mainz 1994, S.17-22. (engl.) in: Collected Writings.
(Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers,
Amsterdam 1996, S.76-83.
MOSCH, Ulrich: Musikalische Komplexität (1993; dt.) in: Darmstädter Beiträge zur
Neuen Musik. Bd.20, Mainz 1994, S.120-129.
FERNEYHOUGH, Brian: Pierrot Lunaire pour les temps presents. (1994; frz.) in:
Voix Nouvelles 1994. Royaumont, 1994, S. 4-5.
*LESLE, Lutz: Die Wunde zeigen - Der englische Komponist Brian Ferneyhough
im Gespräch mit Lutz Lesle. (1993; dt.) in: Neue Zeitschrift für Musik.
(Mainz, 1993) S.40-43.
BOROS, James: Why complexity ?. (1993; engl.) in: Perspectives of New Music 31.
Heft 1/1993, S.6-9.
TOOP, Richard: On complexity. (1993; engl.) in: Perspectives of New Music 31.
Heft 1/1993, S.42-57.
FERNEYHOUGH, Brian: Quartuor à cordes No.4. (1992; frz.) in: Ars Musica 92.
Brüssel 1992, S.44. (nicht identisch mit dem gleichnamigen Text in Collected
Writings)
FERNEYHOUGH, Brian: String Quartet No.4. (1992; engl.) in: Collected Writings.
(Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers,
Amsterdam 1996, S.153-164.
HARVEY, Jonathan: Brian Ferneyhough. (1992; engl.) in: Brian Ferneyhough –
Werkkatalog. Edition Peters, London 1992. (Neuauflage 2000).
BOROS, James: Composing a viable (if transitory) self: Brian Ferneyhough in
conversation with James Boros. (1992; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg.
James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam
1996, S.431-446.

492
FELLER, Ross: A Verbal Crane Dance: Interview with Ross Feller. (1992; engl.)
in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood
Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.447-463.
SCHICK, Steven: Developing an Interpretive Context: Learning Brian
Ferneyhough´s Bone Alphabet. (1992; engl.) in: Perspectives of New Music.
Vol.32/1, 1994.
STADELMAN, Jeffrey: Leaps and Circuits to Trail: Interview with Jeffrey
Stadelman. (1992; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und
Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.464-509.
HINZ, Klaus-Michael: Schönheit und Kalkül – Manierismus in der neuen Musik.
(1992; dt.) in Musiktexte 49. Köln 1992, S.19-23.
GRONEMEYER, Gisela / OEHLSCHLÄGEL, Reinhard: Jedem das Seine – Zu den
Darmstädter Ferienkursen 1992. (1992; dt.) in: Musiktexte 46/47. Köln 1992,
S.32-39.
BARRIÈRE, Jean-Baptiste: Interview with Jean-Baptiste Barrière. (1991; engl.) in:
Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood
Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.406-421.
DE LISA, Antonio: Interview with Antonio De Lisa. (1991; engl.) in: Collected
Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic
Publishers, Amsterdam 1996, S.422-430.
FERNEYHOUGH, Brian: Responses to a Questionnaire on 'Complexity'. (1990;
engl.) in: Complexity?. (Hrsg. Joël Bons) Amsterdam 1990, S.17-19. (engl.)
unvollständig in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop)
Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.66-71. Übersetzung ins
Deutsche (unvollständig) von Brian Ferneyhough: Was heißt und zu welchem
Ende dient Komplexität ?. in: Musiktexte. Heft 35, Köln 1990, S.38-40.
BONS, Joël: Joël Bons in interview with Brian Ferneyhough. (1990; engl.) in:
Complexity?. (Hrsg. Joël Bons) Amsterdam 1990, S.15.
BONS, Joël (Hrsg.): Complexity? – an inquiry into its nature, motivation and
performability. (1990; engl.) Amsterdam 1990. (enthält u.a. noch Beiträge
von David Alberman, Irvine Arditti, Milton Babbitt, Richard Barrett, Célestin
Deliège, Chris Dench, Luca Francesconi, Harry Halbreich, Jonathan Harvey,
Taco Kooistra, Alessandro Melchiorre, Richard Rijnvos, Rodney Sharman)
FERNEYHOUGH, Brian: Konservativ – Stand des Materials – Manierist. (1990;
dt.) in: Musiktexte. Heft 36, Köln 1990, S.68. (Auszug aus: Brian Ferneyhough,
Lecture am 21.7.90 bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik
Darmstadt).
FERNEYHOUGH, Brian: Kurze Schatten. (1990; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg.
James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam
1996, S.139-152.
BOROS, James: Shattering the Vessels of Receives Wisdom: Brian
Ferneyhough in convesation with James Boros. (1990; engl.) in: Collected
Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic
Publishers, Amsterdam 1996, S.369-405.
KNOCKAERT, Yves: Brian Ferneyhough: De obsessie van het complexe. (1990;
holl.) in: Ars Musica Magazine 90. Programm und Information zum Festival Ars
Musica '90 – new gesture and virtuosity in music. Brüssel, 1990, S.16.
OEHLSCHLÄGEL, Reinhard: Zur sogenannten Komplexität. (1990; dt.) in:
Musiktexte. Heft 35, Köln 1990, S.3-4.

493
SAARIAHO, Kaija: Scattered thoughts of complexity in music. (1990; engl.) in:
Complexity?. (Hrsg. Joël Bons) Amsterdam 1990, S.34. (dt.) Kunst ist mehr als
Kunsthandwerk – Verstreute Gedanken zur Komplexität in der Musik. in:
Musiktexte. Heft 35, Köln 1990, S.5.
TOOP, Richard: Mehr Überzeugung als Theorie. (1990; dt.) in: Musiktexte. Heft 35,
Köln 1990, S.6-12.
MAHNKOPF, Claus-Steffen: Kundgabe – Komplexismus und der
Paradigmenwechsel in der Musik. (1990; dt.) in: Musiktexte. Heft 35, Köln
1990, S.20-28.
*FERNEYHOUGH, Brian: Duration and Rhythm as Compositional Resources.
(1989; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop)
Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.51-65.
*DRIVER, Paul: Speaking with tongues – Composing for the voice: a
correspondence-conversation. Brian Ferneyhough interviewed by Paul
Driver. (1989; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard
Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.336-368.
*FERNEYHOUGH, Brian: The Tactility of Time. überarbeitete und erweiterte
Fassung eines Vortrags bei den Darmstädter Ferienkursen 1988. (1988; engl.)
in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood
Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.42-50. Übersetzung ins Deutsche
von Claus-Steffen Mahnkopf in: Musiktexte. Heft 35, Köln 1990, S.14-17.
TOOP, Richard: Four facets of the «The New Complexity». (1988; engl.) in:
Contact. A journal of contemporary music. No.32, York 1988, S.4-50.
ALBÈRA, Philippe: Le pari la complexité (1988; frz.) in: Ars Musica Magazine 90.
Programm und Information zum Festival Ars Musica '90 – new gesture and
virtuosity in music. Brüssel, 1990, S.16.
ALBÈRA, Philippe: Avant-propos. (1988; frz.) in: Contrechamps. No.8, Paris 1988,
S.5-7.
ALBÈRA, Philippe: Parcours de l´œvre. (1988; frz.) in: Contrechamps. No.8, Paris
1988, S.8-40. (engl.) Interview with Philippe Albèra. in: Collected Writings.
(Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers,
Amsterdam 1996, S.303-335.
MAHNKOPF, Claus-Steffen: Vers une musique figurelle ?. (1988; frz.) in:
Contrechamps. No.8, Paris 1988, S. 45-63.
ERBER, James: Transit: «Carrefour Culturel». (1988; frz.) in: Contrechamps. No.8,
Paris 1988, S.79-85.
TOOP, Richard: «Lemme-Icône-Epigramme». (1988; frz.) in: Contrechamps. No.8,
Paris 1988, S.86-127.
ANDERSSON, Magnus: Brian Ferneyhough: Kurze Schatten II – considérations
d´un interprète. (1988; frz.) in: Contrechamps. No.8, Paris 1988, S.128-138.
GRIFFITH, Paul: Entretien. (1988; frz.) in: Contrechamps. No.8, Paris 1988, S.163-
174.
FERNEYHOUGH, Brian: Time and Motions Study Cycle. (1987; engl.) in: Collected
Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic
Publishers, Amsterdam 1996, S.112-116.
HÜBLER, Klaus K.: Denk-Bilder, bewegt – Eine Annäherung an Brian
Ferneyhough. in: Musiktexte. Heft 18, Köln 1987, S.26-31. (ebenfalls im
Programmheft zum Konzert der Reihe Horizonte vom 11. Juni 1986 in
Freiburg/Breisgau)

494
*MEYER, Thomas: Ein Geflecht einander widerstrebender Kraftlinien - Der
Komponist Brian Ferneyhough. (1987; dt.) in: Musiktexte. Heft 18, Köln
1987, S.32-35.
NICOLAS, François: Eloge de la Complexité. (1987; frz.) in: Entretemps. No.3,
Paris 1987, S.55-67.
ARTAUD, Pierre-Yves: Unity Capsule – une explosion de quinze minutes. (1987;
frz.) in: Entretemps. No.3, Paris 1987, S.107-114.
NICOLAS, François: De quelques techniques de composition et du sens que
prend la notion de figure chez Brian Ferneyhough. (1986; frz.) in: Materiel
Conservatoire National Supérieur de Paris. Paris 1986, S.7-21.
LECLERC, Sophie: Le second Quatuor à cordes. (1986; frz.) in: Materiel
Conservatoire National Supérieur de Paris. Paris 1986, S.22-27.
*FERNEYHOUGH, Brian: Il Tempo della Figura. überarbeitete Fassung eines
Vortrags bei den Darmstädter Ferienkursen 1986. (1984/86; engl.) in:
Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood
Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.33-41. (frz.) Le Temps de la Figure.
in Entretemps. No.3, Paris 1987, S.127-136. Übersetzung ins Deutsche von
Claus-Steffen Mahnkopf in: Musiktexte. Heft 36, Köln 1990, S. 27-30.
*FERNEYHOUGH, Brian: Frammenti diversi. (1984; ital.) in: I Quaderni della Civica
Scuola di Musica. Numero speziale dedicato a Brian Ferneyhough. Mailand
1984, S.112-123.
FERNEYHOUGH, Brian: Divining Rods and lightning Conductors: A View of
Composition teaching. (1984; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James
Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996,
S.29-32. (ital.) Bacchette da rabdomante e parafulmini: uno sguardo
all´insegnamento della composizione. in: I Quaderni della Civica Scuola di
Musica. Numero speziale dedicato a Brian Ferneyhough. Mailand 1984,
S.109-111.
MELCHIORRE, Alessandro: I Labirinti di Ferneyhough. (1984; ital.) in: I Quaderni
della Civica Scuola di Musica. Numero speziale dedicato a Brian
Ferneyhough. Mailand 1984, S.4-41. teilweise Übersetzung ins Französische
in: Entretemps. No.3, Paris, 1987) S.69-88.
BONS, Joël: Ear Mail: Brian Ferneyhough in conversation with Joël Bons. (1984;
engl.) in: Key Notes No.20, Amsterdam 1984, S.11-15. (engl.) Interview with
Joël Bons. in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop)
Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.217-233.
TOOP, Richard: Interview with Richard Toop. (1983; engl.) in: Collected Writings.
(Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers,
Amsterdam 1996, S.250-289.
GRIFFITH, Paul: Interview with Brian Ferneyhough. (1983; engl.) in: New sounds,
new personalities – British composers of the 1980s. London 1985, S.65-84.
(engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood
Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.234-249.
FERNEYHOUGH, Brian: Form, Figure, Style - an intermediate assessment.
(1982; engl.) in: Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik. Bd.19, Mainz 1984,
S.60-66. (ital.) Forma, figura, stile: una valutazione provvisoria. in: I Quaderni
della Civica Scuola di Musica. Numero speziale dedicato a Brian
Ferneyhough. Mailand 1984, S.101-108. (engl.) in: Collected Writings. (Hrsg.
James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam
1996, S.21-28. Übersetzung ins Deutsche von Claus-Steffen Mahnkopf: Form,

495
Figur, Stil - eine vorläufige Einschätzung. in: Musiktexte. Heft 37, Köln 1990,
S.7-10.
FERNEYHOUGH, Brian: Lettera a Dieter Mack. (1982; ital.) in: I Quaderni della
Civica Scuola di Musica. Numero speziale dedicato a Brian Ferneyhough.
Mailand 1984, S.99-100.
FERNEYHOUGH, Brian: Second String Quartet. (1981; engl.) in: Collected
Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic
Publishers, Amsterdam 1996, S.118-130. (frz.) Deuxième quatuor à cordes. in:
Contrechamps No.8, Paris 1988, S.149-162. Erstveröffentlichung: Cahier
Musique I. Festival de La Rochelle, 1981.
FERNEYHOUGH, Brian: Time and Motions Studies – Second String Quartet.
(1981; ital.) in: I Quaderni della Civica Scuola di Musica. Numero speziale
dedicato a Brian Ferneyhough. Mailand 1984, S.63-78. Erstveröffentlichung:
Cahier Musique II. Festival de La Rochelle 1981.
FERNEYHOUGH, Brian: Composer – Computer – Active Form. (1980; engl.) in:
Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood
Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.14-20. (frz.) Compositeur -
Ordinateure - Forme Aktive. in: Le compositeur et l´ordinateur. (Hrsg. IRCAM)
Paris 1981, S.48-55. (ital.) Compositore – Computer: Forma attiva. in: I
Quaderni della Civica Scuola di Musica. Numero speziale dedicato a Brian
Ferneyhough. Mailand 1984, S.94-98.
FERNEYHOUGH, Brian: Funerailles, obsèques, célébration rituelle et solennelle
de deuil – A propos de Funerailles I – A propos de Funerailles II. (1980;
frz.) in: Cahier Musique I. Festival de La Rochelle, 1980. (ital.) Funerailles,
esequie, celebrazione rituale e solenne del lutto – A proposito di Funerailles,
versione 2. in: I Quaderni della Civica Scuola di Musica. Numero speziale
dedicato a Brian Ferneyhough. Mailand 1984, S.61-62.
FERNEYHOUGH, Brian: Unity capsule: an instant diary. (1980; engl.) in: Collected
Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic
Publishers, Amsterdam 1996, S.98-106. (frz.) Unity capsule: un journal de
bord. in Contrechamps. No.8, Paris 1988, S.193-148. Erstveröffentlichung
(frz.) in: Cahier Musique I. Festival de La Rochelle, 1981. (ital.) Unity capsule:
un diario di bordo. in: I Quaderni della Civica Scuola di Musica. Numero
speziale dedicato a Brian Ferneyhough. Mailand 1984, S.53-60.
FERNEYHOUGH, Brian: Aspects of notational and compositional practice.
(1978; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop)
Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.2-13. (ital.) Aspetti di
notazione e della prassi compositiva. in: I Quaderni della Civica Scuola di
Musica. Numero speziale dedicato a Brian Ferneyhough. Mailand 1984, S.87-
93.
FERNEYHOUGH, Brian: Apropos Schnitzeljagd. (1977; dt.) Information und
Kommentar im Programm der Donaueschinger Musiktage, Donaueschingen
1977.
FERNEYHOUGH, Brian: Time and Motions Study II. (1977; engl.) in: Collected
Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic
Publishers, Amsterdam 1996, S.107-111.
GOTTWALD, Clytus: Brian F. oder Von der Metaphysik des Positivismus. (1977;
dt.) in Melos. Juli/August 1977, Mainz 1977, S.299-308. (frz.) Brian F. ou la
métaphysique du positivisme. in: Contrechamps. No.8, Paris 1988, S. 64-78.

496
CLEMENTS, Andrew: Interview with Brian Ferneyhough. (1977; engl.) in:
Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood
Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.204-216. (ital.) Intervista a Brian
Ferneyhough. in: I Quaderni della Civica Scuola di Musica. Numero speziale
dedicato a Brian Ferneyhough. Mailand 1984, S.42-52.
FERNEYHOUGH, Brian: Time and Motion Study II. (1977; engl. und dt.) in: Beiheft
zur Schallplatte Musicaphon LC 0522.
HALBREICH, Harry: Brian Ferneyhough – Sonaten für Streichquartett. (1977; dt.)
in: Informationen zu den 31. Ferienkursen für Neue Musik, 11-28.Juli 1982.
Darmstadt 1982.
FERNEYHOUGH, Brian: Epicycle, Missa Brevis, Time and Motion Study III.
(1976; dt.) in: Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik. Bd.16, Mainz 1976,
S.45-55. (ital.) in: I Quaderni della Civica Scuola di Musica. Numero speziale
dedicato a Brian Ferneyhough. Mailand 1984, S.79-86. (engl.) in: Collected
Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic
Publishers, Amsterdam 1996, S.86-97.
SCHAAF, Elke: Das Portrait: Brian Ferneyhough. (1973;dt.) in Melos.
Juli/Aug.1973, Mainz 1973, S.214-220.

Texte zu Piranesi

HÖPER, Corinna: Giovanni Battista Piranesi – Die poetische Wahrheit.


Ausstellungskatalog, Stuttgart 1999, S.129-146.
WILTON-ELY, John: Giovanni Battista Piranesi – Vision und Werk. München
1978, S.89-100.
YOURCENAR, Marguerite: The Dark Brain of Piranesi. New York 1984.

Texte zur Analyse allgemein und zur Höranalyse speziell


(alphabetisch geordnet)

ADORNO, Theodor W.: Alban Berg. Wien 1968.


ADORNO, Theodor W.: Philosophie der neuen Musik. Frankfurt/Main 1958.
ADORNO, Theodor W.: Musikalische Schriften I-III. Frankfurt/Main 1978.
BARTHELMES, Barbara: Unmögliche akustische Objekte. in: Positionen. Heft 37
(Wahrnehmung.), Berlin 1998, S.28-30.
BLOMANN / SIELECKI (Hrsg.): Hören – eine vernachlässigte Kunst ?. Vorträge
des gleichnamigen Kongresses in Herne 1995, Hofheim 1997.
BORIO, Gianmario / MOSCH, Ulrich (Hrsg.): Ästhetik und Komposition – Zur
Aktualität der Darmstädter Ferienkursarbeit. Bd.20 der Darmstädter
Beiträge zur Neuen Musik. (1994; dt./engl./frz.) Mainz 1994.
BORRIS, Siegfried: Klangbilder und Hörmodelle der Neuen Musik. in: Der Wandel
der musikalischen Hörens. Bd.3 der Veröffentlichungen des Instituts für Neue
Musik und Musikerziehung Darmstadt. Berlin 1965, S.72-81.

497
DAHLHAUS, Carl: Textgeschichte und Rezeptionsgeschichte. in:
Rezeptionsästhetik und Rezeptionsgeschichte in der Musikwissenschaft.
(hrsg. von Hermann Danuser / Friedhelm Krummacher) Laaber 1991, S.105-
114.
DAHLHAUS, Carl: Musikästhetische Paradigmen. in: Funkkolleg Musik. 14.
Kollegstunde, Tübingen 1979.
DANUSER, Hermann: Zur Interdependenz zwischen Interpretation und
Rezeption in der Musik. in: Rezeptionsästhetik und Rezeptionsgeschichte in
der Musikwissenschaft. (hrsg. von Hermann Danuser / Friedhelm
Krummacher) Laaber 1991, S.165-177.
DE LA MOTTE-HABER, Helga / KOPIEZ, Reinhard: Der Hörer als Interpret. in:
Schriften zur Musikpsychologie und Musikästhetik. Frankfurt/Main 1995.
DE LA MOTTE-HABER, Helga: Psychologie und Musiktheorie. in Schriftenreihe
zur Musikpädagogik. Frankfurt/Main 1976.
DE LA MOTTE-HABER, Helga: Musikpsychologie. Köln 1972.
DE LA MOTTE-HABER, Helga: Handbuch der Musikpsychologie. Laaber 1996.
DE LA MOTTE-HABER, Helga: Wahrnehmung und ästhetische Erfahrung. in:
Positionen. Heft 37 (Wahrnehmung.), Berlin 1998, S.2-7.
ECO, Umberto: Das offene Kunstwerk. Frankfurt/Main 1973.
EGGEBRECHT, Hans Heinrich: Über begriffliches und begriffloses Verstehen
von Musik. in: Musik und Verstehen – Aufsätze zur semiotischen Theorie,
Ästhetik und Soziologie der musikalischen Rezeption. (hrsg. von Peter Faltin /
Hans-Peter Reinecke) Köln 1973, S.48-57.
FALTIN, Peter: Der Verstehensbegriff im Bereich des Ästhetischen. in: Musik und
Verstehen – Aufsätze zur semiotischen Theorie, Ästhetik und Soziologie der
musikalischen Rezeption. (hrsg. von Peter Faltin / Hans-Peter Reinecke) Köln
1973, S.58-65.
GIESELER, Walter / LOMBARDI, Luca / WEYER, Rolf-Dieter: Instrumentation in
der Musik des 20. Jahrhunderts. Akustik - Instrumente -
Zusammenwirken. Celle 1985.
GIESELER, Walter: Komposition im 20.Jahrhundert. Details – Zusammenhänge.
Celle 1975.
GOEBEL, Johannes: Trennung der Ohren vom Körper. in: Positionen. Heft 37
(Wahrnehmung.), Berlin 1998, S.7-12.
GRATZER, Wolfgang: Perspektiven einer Geschichte abendländischen
Musikhörens. Laaber 1997.
GÜMPEL, Martin: Neue Spieltechniken in der Querflöten- Musik nach 1950.
Kassel 1974.
HEIDBRINK, Ludger: Intensität als Kategorie ästhetischer Erfahrung. in: Musik
und Ästhetik. Heft 10, Stuttgart 1999, S.5-27.
HOPP, Winrich (Hrsg.): Klang und Wahrnehmung. Bd.41 der Veröffentlichungen
des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt. Mainz 2001.
INGARDEN, Roman: Untersuchungen zur Ontologie der Kunst. Tübingen 1962.
KELTERBORN, Rudolf: Form - Gestalt - Struktur. Die Bedeutung des Hörens für
die Analyse neuerer Musik. in: Musiktheorie. Heft 3/1987 (Hörprobleme
Neuer Musik), Laaber 1987, S.231-239.
KOLNEDER, Walter: Visuelle und auditive Analyse. in: Der Wandel der
musikalischen Hörens. Bd.3 der Veröffentlichungen des Instituts für Neue
Musik und Musikerziehung Darmstadt. Berlin 1965, S.57-71.

498
KROPFINGER, Klaus: Überlegungen zum Werkbegriff. in: Rezeptionsästhetik und
Rezeptionsgeschichte in der Musikwissenschaft. (hrsg. von Hermann Danuser
/ Friedhelm Krummacher) Laaber 1991, S.115-131.
KURTH, Ernst: Musikpsychologie. Berlin 1931.
PFROGNER, Hermann: Vom Hören Neuer Musik. in: Der Wandel der
musikalischen Hörens. Bd.3 der Veröffentlichungen des Instituts für Neue
Musik und Musikerziehung Darmstadt. Berlin 1965, S.23-29.
REINECKE, Hans-Peter: Hörprobleme im Lichte akustisch-tonpsychologischer
Forschung. in: Der Wandel der musikalischen Hörens. Bd.3 der
Veröffentlichungen des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung
Darmstadt. Berlin 1965, S.48-56.
RIEHM, Rolf: Imaginieren, hören, begreifen: im Fluss. in: Musiktheorie. Heft
3/1987 (Hörprobleme Neuer Musik), Laaber 1987, S.251-266.
SANIO, Sabine: Neue Musik ... und die Wahrnehmung der Täuschung. in:
Positionen. Heft 37 (Wahrnehmung.), Berlin 1998, S.13-15.
STEPHAN, Rudolf: Hörprobleme serieller Musik. in: Der Wandel der musikalischen
Hörens. Bd.3 der Veröffentlichungen des Instituts für Neue Musik und
Musikerziehung Darmstadt. Berlin 1965, S.30-40.
STOCKHAUSEN, Karlheinz: Die Kunst zu hören. in: Musiktheorie. Heft 3/1987
(Hörprobleme Neuer Musik), Laaber 1987, S.207-230.
STOFFER, Thomas H.: Parallelen zwischen Ernst Kurths Konzeption der
Musikpsychologie und der gegenwärtigen Entwicklung der kognitiven
Musikpsychologie. in: Jahrbuch der deutschen Gesellschaft für
Musikpsychologie. Bd.2, Wilhelmshaven 1985, S.87-98.
VOGEL, Thomas (Hrsg.): Über das Hören. Tübingen 1996.
WELLEK, Albert: Musikpsychologie und Musikästhetik. Frankfurt 1963.
WERNER, André: Psychoakustische Phänomene. in: Positionen. Heft 37
(Wahrnehmung.), Berlin 1998, S.31-36.
WÜTHRICH-MATHEZ, Hans: Mit oder ohne Leim. Zum Hören von
Zusammenhang in der neuen Musik. in: Musiktheorie. Heft 3/1987, Laaber
1987, S.241-250.
ZIMMERMANN, Michael: Gegenwärtige Tendenzen der Musikästhetik. in:
Funkkolleg Musik. 15. Kollegstunde, Tübingen 1979.

Partituren

FERNEYHOUGH, Brian: Superscriptio. Edition Peters P-7289, London 1982.


FERNEYHOUGH, Brian: Carceri d'Invenzione I. Edition Peters P-7291, London
1982.
FERNEYHOUGH, Brian: Intermedio alla ciaccona. Edition Peters P-7346, London
1986.
FERNEYHOUGH, Brian: Carceri d'Invenzione II. Edition Peters P-7292, London
1982.
FERNEYHOUGH, Brian: Carceri d'Invenzione IIb. Edition Peters P-7292b/c,
London 1982. (Die Partitur für das Zuspielband konnte vollständig den Skizzen
entnommen werden.)

499
FERNEYHOUGH, Brian: Etudes Transcendentales/Intermedio II. Edition Peters P-
7301, London 1985.
FERNEYHOUGH, Brian: Carceri d'Invenzione III. Edition Peters P-7293, London
1986.
FERNEYHOUGH, Brian: Mnemosyne. Edition Peters P-7347, London 1986. (Die
Partitur für das Zuspielband stellt der Verlag auf Anfrage leihweise zur
Verfügung.)

Aufnahmen

Eine Kopie des Live-Mitschnitts der Uraufführung des gesamten Zyklus


(Donaueschingen, 1986) stellte mir der SWR für Studienzwecke freundlicherweise
zur Verfügung.

FERNEYHOUGH, Brian: La Chute d'Icare. Superscriptio. Intermedio alla


ciaccona. Etudes Transcendentales. Mnemosyne. Armand Angster (Klarinette),
Harrie Starreveld (Flöte), Irvine Arditti (Violine), Brenda Mitchell (Stimme), Nieuw
Ensemble, Leitung: Ed Spanjaard. Etcetera KTC 1070.

FERNEYHOUGH, Brian: Prometheus. La Chute d'Icare. On Stellar Magnitudes.


Superscriptio. Carceri d'Invenzione III. Luisa Castellani (Stimme), Felix Renggli
(Flöte), Ernesto Molinari (Klarinette), Ensemble Contrechamps, Leitung: Giorgio
Bernasconi, Zsolt Nagy, Emilio Pomàrico. Accord ACC 205772.

FERNEYHOUGH, Brian: Carceri d'Invenzione IIb. (u.a.m.) Roberto Fabbricciani


(Flöte). PILZ / ARTS 447167-2.

FERNEYHOUGH, Brian: Intermedio alla ciaccona. (u.a.m.) Irvine Arditti (Violine).


Montaigne / Auvidis MO789003.

FERNEYHOUGH, Brian: Mnemosyne. (u.a.m.) Kolbeinn Bjarnason (Flöte). P


Millennio 006.

FERNEYHOUGH, Brian: Carceri d'Invenzione IIc. (u.a.m.) Carin Levine (Flöte).


Musicaphon M55710.

500
Literaturangaben, auf die häufig verwiesen wird

Anm. 2: FERNEYHOUGH, Brian: Carceri d´Invenzione. Program notes to the


first performance of complete cycle at the Donaueschingen Musiktage,
Donaueschingen, 17 October 1986. (1986; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg.
James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam
1996, S.131-138. Übersetzung ins Deutsche von Josef Häusler in:
Donaueschinger Musiktage '86, Donaueschingen 1986 , S.7-13.

Anm. 6: TOOP, Richard: Carceri d´Invenzione – Brian Ferneyhough in


conversation with Richard Toop. (1986; engl.) in: Ferneyhough, Carceri
d'Invenzione. Peters Edition, London 1987, S.6-11. (engl.) Carceri
d´Invenzione: in conversation with Richard Toop. in: Collected Writings. (Hrsg.
James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam
1996, S.290-302.

Anm. 44: TOOP, Richard: A propos de Superscriptio – entretien avec Brian


Ferneyhough. (1983; frz.) in Entretemps No.3, Paris 1987, S.89-93. (engl.)
On Superscriptio: An Interview with Brian Ferneyhough, and an Analysis. in:
Contemporary Music Review 1995, Vol.13, Part 1, S.3-6.

Anm. 49: TOOP, Richard: "Superscriptio" pour flûte piccolo solo – analyse.
(frz.) in Entretemps No.3, Paris 1987, S.95-106. (1983; engl.) On
Superscriptio: An Interview with Brian Ferneyhough, and an Analysis. in:
Contemporary Music Review. 1995, Vol.13, Part 1, S.7-17.

Anm. 59: TOOP, Richard: Interview with Richard Toop. (1983; engl.) in:
Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood
Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.250-289.

Anm. 107: FERNEYHOUGH, Brian: Duration and Rhythm as Compositional


Resources. (1989; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und
Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.51-65.

Anm. 187: CAVALOTTI, Pietro: Einige Bemerkungen über die


Tonhöhenorganisation in Brian Ferneyhoughs Zyklus "Carceri
d'Invenzione". (2000; dt.) in: Mitteilungen der Paul Sacher Stiftung. Nr.13,
Basel 2000, S.48-53.

Anm. 245: FERNEYHOUGH, Brian: Les Carceri d´Invenzione – dialectique de


l´automatique et de l´informe. (1986; frz.) in: Entretemps. No.3, Paris 1987,
S.115-126.

Anm. 373: FERNEYHOUGH, Brian: Il Tempo della Figura. überarbeitete Fassung


eines Vortrags bei den Darmstädter Ferienkursen 1986. (1984/86; engl.) in:
Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood
Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.33-41. (frz.) Le Temps de la Figure.
in Entretemps. No.3, Paris 1987, S.127-136. Übersetzung ins Deutsche von
Claus-Steffen Mahnkopf in: Musiktexte. Heft 36, Köln 1990, S. 27-30.
Anm. 381: TOOP, Richard: "Prima le Parole ..." – on the sketches for
Ferneyhoughs Carceri d´Invenzione I-III. (1994; engl.) in: Perspectives of
new music. Vol.32/1 (1994) S.154-175.

Anm. 491: TOOP, Richard: Brian Ferneyhough's Etudes Transcendentales: A


Composer's Diary (Part 1). (1991; engl.) in: EONTA< – Arts Quarterly. Vol.1
No.1 (1991), S.55-89.

Anm. 539: DRIVER, Paul: Speaking with tongues – Composing for the voice: a
correspondence-conversation. Brian Ferneyhough interviewed by Paul
Driver. (1989; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard
Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.336-368.

Anm. 541: LESLE, Lutz: Die Wunde zeigen - Der englische Komponist Brian
Ferneyhough im Gespräch mit Lutz Lesle. (1993; dt.) in: Neue Zeitschrift für
Musik. (Mainz, 1993) S.40-43.

Anm. 566: HÖPER, Corinna: Giovanni Battista Piranesi – Die poetische


Wahrheit. Ausstellungskatalog, Stuttgart 1999, S.129-146.

Anm. 574: WILTON-ELY, John: Giovanni Battista Piranesi – Vision und Werk.
München 1978, S.89-100.

Anm. 583: MELCHIORRE, Alessandro: I Labirinti di Ferneyhough. (1984; ital.)


in: I Quaderni della Civica Scuola di Musica. Numero speziale dedicato a Brian
Ferneyhough. Mailand 1984, S.4-41. teilweise Übersetzung ins Französische
in: Entretemps. No.3, Paris, 1987) S.69-88.

Anm. 589: MEYER, Thomas: Ein Geflecht einander widerstrebender Kraftlinien


- Der Komponist Brian Ferneyhough. (1987; dt.) in: Musiktexte. Heft 18,
Köln 1987, S.32-35.

Anm. 620: FERNEYHOUGH, Brian: The Tactility of Time. überarbeitete und


erweiterte Fassung eines Vortrags bei den Darmstädter Ferienkursen 1988.
(1988; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop)
Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.42-50. Übersetzung ins
Deutsche von Claus-Steffen Mahnkopf in: Musiktexte. Heft 35, Köln 1990,
S.14-17.

Anm. 623: FERNEYHOUGH, Brian: Form, Figure, Style - an intermediate


assessment. (1982; engl.) in: Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik. Bd.19,
Mainz 1984, S.60-66. (ital.) Forma, figura, stile: una valutazione provvisoria.
in: I Quaderni della Civica Scuola di Musica. Numero speziale dedicato a Brian
Ferneyhough. Mailand 1984, S.101-108. (engl.) in: Collected Writings. (Hrsg.
James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam
1996, S.21-28. Übersetzung ins Deutsche von Claus-Steffen Mahnkopf: Form,
Figur, Stil - eine vorläufige Einschätzung. in: Musiktexte. Heft 37, Köln 1990,
S.7-10.
Literatur zu Ferneyhough in alphabetischer Reihenfolge

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(Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers,
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BONS, Joël (Hrsg.): Complexity? – an inquiry into its nature, motivation and
performability. (1990; engl.) Amsterdam 1990. (enthält u.a. noch Beiträge
von David Alberman, Irvine Arditti, Milton Babbitt, Richard Barrett, Célestin
Deliège, Chris Dench, Luca Francesconi, Harry Halbreich, Jonathan Harvey,
Taco Kooistra, Alessandro Melchiorre, Richard Rijnvos, Rodney Sharman)
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FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1986; engl.) in: Studienpartitur zu
Mnemosyne. Edition Peters P-7347, London 1986.
FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1986; engl.) in: Studienpartitur zu
Carceri d'Invenzione III. Edition Peters P-7293, London 1986.
FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1985; engl.) in: Studienpartitur zu
Etudes Transcendentales/Intermedio II. Edition Peters P-7301, London
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FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1985; engl.) in: Studienpartitur zu
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FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1985; engl.) in: Studienpartitur zu
Carceri d'Invenzione IIb. Edition Peters P-7292b/c, London 1985.
FERNEYHOUGH, Brian: Conductor's Notes. (1982; engl.) in: Studienpartitur zu
Carceri d'Invenzione I. Edition Peters P-7291, London 1982.
FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1982; engl.) in: Studienpartitur zu
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FERNEYHOUGH, Brian: Performance Notes. (1982; engl.) in: Studienpartitur zu
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Voix Nouvelles 1994. Royaumont, 1994, S. 4-5.
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FERNEYHOUGH, Brian: Time and Motions Study Cycle. (1987; engl.) in: Collected
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Vortrags bei den Darmstädter Ferienkursen 1986. (1984/86; engl.) in:
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Claus-Steffen Mahnkopf in: Musiktexte. Heft 36, Köln 1990, S. 27-30.
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Scuola di Musica. Numero speziale dedicato a Brian Ferneyhough. Mailand
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Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996,
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Ferneyhough. Mailand 1984, S.101-108. (engl.) in: Collected Writings. (Hrsg.
James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers, Amsterdam
1996, S.21-28. Übersetzung ins Deutsche von Claus-Steffen Mahnkopf: Form,
Figur, Stil - eine vorläufige Einschätzung. in: Musiktexte. Heft 37, Köln 1990,
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Civica Scuola di Musica. Numero speziale dedicato a Brian Ferneyhough.
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(Hrsg. James Boros und Richard Toop) Harwood Academic Publishers,
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Nachbemerkung
Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist die Analyse der Kompositionstechnik.
Höranalytische wie wahrnehmungstechnische Gesichtspunkte und eine ästhetische
Einordnung werden zwar angesprochen, jedoch nicht in gleicher Ausführlichkeit zu
einem Ergebnis gebracht. Zudem werden eher Fragen gestellt als Antworten
formuliert.
Eine Erweiterung der höranalytischen Studien und eine ästhetische Einordnung ist
die logische und angemessene Fortführung der kompositionstechnischen Analyse.
Im Rahmen dieser Arbeit war es jedoch sinnvoll, sich auf Anregungen für weiter
gehende Untersuchungen zu beschränken. Der Grund dafür liegt auf der Hand:
Fragen der Wahrnehmung bedürfen ausführlicher Diskussion. Die wenigen – in der
Arbeit dokumentierten – Gelegenheiten in Form von Kolloquien und
Unterrichtseinheiten boten nur einen knappen Einstieg in die Materie. Erst eine
tiefgründigere Auseinandersetzung, z.B. in Form von höranalytischen Seminaren mit
Kompositionsstudenten über ein oder mehrere Semester, bietet die Möglichkeit für
einen objektiven und vielschichtigen Zugang.
Dasselbe gilt für die ästhetische Beurteilung: Selbst die Diskussionen der Ästhetik-
Foren 1990 und 1992 in Darmstadt haben – trotz auf "New Complexity"
spezialisierter Gesprächsteilnehmer – mehr Problemfelder aufgezeigt als klare
Positionen dargelegt. Aus dieser Erfahrung heraus halte ich es schlicht für
unangemessen, vorschnelle Antworten auf ästhetische Fragen zu präsentieren.
Die vorliegende Arbeit bietet insofern die Voraussetzung zu neuen, differenzierten
Denkansätzen, als jetzt ausführlich dargestellt ist, über was genau gesprochen wird:
Die Musik liegt nicht nur als vager Eindruck oder schwer verständliche Partitur vor,
sondern die Intention des Komponisten kann mit der kompositorischen Umsetzung
im Detail verglichen werden.
Damit ist – exemplarisch an diesem Zyklus – der Weg bereitet für eine ausführliche
und erfolgversprechende Auseinandersetzung mit dem Werk Ferneyhoughs:
Aufgrund der jetzt möglichen Diskussion – je engagierter, desto erfolgreicher –
können die angedeuteten Aspekte für die Hörwahrnehmung und die ästhetische
Einordnung weiter präzisiert werden.

Mein Dank gilt der Paul Sacher Stiftung Basel, die mir freundlicherweise Einsicht
gewährte in ihre Skizzensammlung "Brian Ferneyhough", Herrn Ulrich Mosch, der als
wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung für "komplexe" Fragen zur Verfügung
stand, sowie Frau Evelyne Diendorf und Frau Johanna Blask für organisatorische
Fragen, Herrn Wilhelm Schlüter vom Internationalen Musikinstitut Darmstadt, der mir
den Zugang zu vielen gedruckten Quellen ermöglichte und hilfreiche Kontakte
knüpfte, Frau Andrea Baaske vom Institut für Neue Musik Freiburg, Herrn Prof. Dr.
Christian Berger von der Universität Freiburg, der die Arbeit betreut hat, den Basler
Stipendianten und den Freiburger und Stuttgarter Studenten, die bei den
höranalytischen Studien sich engagiert zu Wort gemeldet haben, Herrn Prof. Klaus
Feßmann, der mir zum ersten Mal eine Partitur von Ferneyhough vorlegte, Herrn
Prof. Brian Ferneyhough, der mir v.a. in Royaumont geduldig eine lange Liste an
Fragen beantwortete, den Teilnehmern der Kompositionskurse von Royaumont für
ihr Interesse an meiner Arbeit, darunter besonders Herrn Johannes Drescher, der mir
mit seinen differenzierten Fragen zur Analyse weitere Denkanstöße gab, dem Verlag
Peters, Frankfurt, der mir die Noten zu 'Mnemosyne' auslieh, und dem
Südwestrundfunk, der mir einen Mitschnitt der Uraufführung des Zyklus zur
Verfügung stellte.

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