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Das Baudelaire-Buch wird jedoch klar, daß der Text über Baudelaire sich in
die Gesamtkonzeption des Paris-Buchs nur schwer
»Das Paris des Second Empire bei Baudelaire« / »Über noch integrieren läßt, so daß Benjamin dazu übergeht,
einige Motive bei Baudelaire« / »Zentralpark« / »Notes das Baudelaire-Projekt als selbständige Arbeit und
sur les Tableaux parisiens de Baudelaire« sogar als »Miniaturmodell« (I, 1073) bzw. als »Extrakt«
(I, 1078) des Passagen-Werks zu verstehen. Wie Ben-
Von Christine Schmider und Michael Werner jamin in einem Brief an Scholem betont, setzt die Ar-
beit am Baudelaire »notwendig die ganze Masse der
Gedanken und der Studien in Bewegung« (1079), mit
denen er sich in den letzten Jahren beschäftigt hat.
Konkret heißt dies, daß er die gesamten für die Passa-
Entstehungsgeschichte gen zusammengestellten Materialien nochmals sichtet,
um zu einer neuen Strukturierung der Notizen für den
Benjamins Interesse für Baudelaire, dem wir die Texte Baudelaire-Text zu gelangen. Diese Schematisierung
Das Paris des Second Empire bei Baudelaire, Über ergibt eine Liste mit 30 Kategorien, die jeweils mit
einige Motive bei Baudelaire, Notes sur les Ta- einem Farbsignet versehen werden. Es handelt sich
bleaux parisiens de Baudelaire verdanken, geht bis dabei um Zeichen, die jeweils eine geometrische Form
auf 1915 zurück, wo er den Lyriker die ersten Male in und eine Farbe kombinieren. So wird zum Beispiel der
seinen Briefen nennt. Ab 1917 erwähnt er seine Über- Kategorie ›Melancholie‹ ein schwarzes von einer vio-
setzungsversuche Baudelairescher Gedichte, die in der letten Senkrechten geteiltes Viereck zugewiesen (vgl.
1923 erschienenen Übertragung der Tableaux de Paris VII, 739 und Bolle 1999, 107). Die vom Passagen-Fun-
münden (1, 341). Erst 1935, als er sich dem ersten dus zu übertragenden Notizen werden nun ebenfalls
Exposé für das Passagen-Werk zuwendet, kommt der mit Hilfe dieser Signets gekennzeichnet und den Ka-
Gedanke an eine ausführlichere Beschäftigung mit tegorien zugeordnet.
Baudelaire wieder auf (vgl. I, 1121). Diese ist eindeutig Der sich solchermaßen abzeichnende vollständige
im Zusammenhang mit den Arbeiten am Passagen- Bauplan für die Baudelaire-Arbeit ist erst 1981 unter
Werk zu sehen, wie auch überhaupt die Baudelaire- den von Giorgio Agamben in der Bibliothèque Natio-
Studien inhaltlich und textgenetisch aufs engste mit nale gefundenen Handschriften entdeckt worden und
dieser Arbeit zur Pariser Moderne verbunden sind, an hat die klassifikatorische Funktion der Piktogramme
der Benjamin mit Unterbrechungen von 1927 bis zu eindeutig bewiesen. In seiner Untersuchung der Farb-
seinem Tod, vor allem aber zwischen 1934 und 1940 symbole hat Willi Bolle versucht zu zeigen, daß die
arbeitete (vgl. ebd.). Ende 1937 und mit einer finan- Signets nicht nur als Übertragungszeichen fungieren,
ziellen Unterstützung durch das Institut für Sozialfor- sondern auch eine symbolische Bedeutung besitzen,
schung von 80 Dollar monatlich, macht er sich an die die der interpretierenden Auflösung zugänglich ist
dokumentarischen Vorarbeiten zum Paris des Se- (Bolle 1999, 98–111 und 2000, 413–440). Bolle ordnet
cond Empire bei Baudelaire. Bis zum Frühjahr 1938 die konstruktiven Kategorien des Bauplans nach Far-
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stellt er im Rahmen seiner Recherchen in der Biblio- ben und Formen an, um chromatische und semanti-
thèque Nationale fast 200 Seiten Materialien in Form sche Korrespondenzen zwischen den Piktogrammen
von Notizen, Exzerpten bzw. Zitaten und Kommenta- sichtbar zu machen. Die Piktogramme des Bauplans
ren zu Baudelaire zusammen. Diese Aufzeichnungen entwerfen eine Topographie der Moderne, die, so
sind im Konvolut J, der umfangreichsten unter den Bolle, das »Paradigma einer konstellativen Ästhetik
thematischen Materialsammlungen des Passagen- und Geschichtsschreibung« veranschaulichen (Bolle
Werks, zusammengefaßt. Etwa zu diesem Zeitpunkt 2000, 427). Ob Benjamin tatsächlich die Farbsignets
stößt Benjamin bei seinen Arbeiten in der Bibliothek als Form einer materialen Geschichtsschreibung, als
auf L’Eternité par les astres, die »kosmische Spekula- eigene Schriftform mit ästhetischer Qualität inten-
tion« (I, 1071) des Revolutionärs Blanqui, unter deren dierte, läßt sich nicht mit letzter Endgültigkeit feststel-
Einfluß das geschichtsphilosophische Motiv der ewi- len. Bolles Deutungsversuch definiert sich denn auch
gen Wiederkehr immer mehr an Bedeutung gewinnt. nicht so sehr als einfache Darstellung der Kategorien
Gleichzeitig mit der Entdeckung Blanquis beginnt ein und ihrer Piktogramme, sondern als konstruktive Wei-
Transfer-Prozeß, der Materialien und Überlegungen terentwicklung von Benjamins »Konzeption der Ge-
aus dem Umfeld des Passagen-Werks für die ursprüng- schichtsschreibung als Bauplan bzw. als Entwurf«
lich als vorletztes Kapitel dieser Arbeit geplante Bau- (439), die sich Benjamins Verständnis von Historio-
delaire-Studie nutzbar zu machen sucht. Allmählich graphie als Konstellation verpflichtet weiß.
568 Dichtungsanalyse und Autorbild

Die Umstrukturierung der Notizen, die aus der matisch. Der Vorwurf, Benjamin habe der »materiellen
Durcharbeitung der Passagen–Dokumentation resul- Enumeration abergläubisch fast eine Macht der Erhel-
tiert, ergibt eine erste Gliederung des geplanten Bau- lung zugeschrieben« (1097) impliziert auch, daß Ben-
delaire-Buchs, die Benjamin im April 1938 Horkhei- jamin in Gefahr gerate, gerade den phantasmagori-
mer in einem ausführlichen Brief mitteilt. Er geht für schen Phänomenen zu verfallen, deren Scheinhaftig-
das Paris des Second Empire bei Baudelaire von keit seine Untersuchung zu denunzieren intendiert.
drei Teilen mit den Titeln »Idee und Bild; Antike und Adorno führt diese staunende »Darstellung der bloßen
Moderne; Das Neue und Immergleiche« (I, 1073) aus. Faktizität« (1096) auch, und damit ist ein zweiter
Diese erste Gliederung wird im Laufe des Sommers, grundlegender Vorwurf genannt, auf Benjamins falsch
den Benjamin teilweise bei Bertolt Brecht in Dänemark verstandene »Solidarität« (1097) mit dem Institut zu-
verbringt, abgeändert. Die neue Strukturierung sieht rück. Diese habe Benjamin dazu bewogen, »dem Mar-
vor, im ersten Teil die These der gesamten Arbeit – xismus Tribute zu zollen« und in einer Art »Vorzensur
»Baudelaire als Allegoriker« – (I, 1091) zu formulieren. nach materialistischen Kategorien« (ebd.) seiner spe-
Im zweiten Teil, der »Antithesis« (ebd.) mit dem Titel kulativen Theorie zu entsagen.
»Das second empire in der Dichtung von Baudelaire« Benjamin entgegnet der Kritik an seiner Arbeit in
(I, 1086), die der »kunsttheoretischen Fragestellung einer ausführlichen brieflichen Antwort, die metho-
des ersten Teils entschlossen den Rücken« kehrt und dische und philologische Argumente bemüht (vgl. I,
»die gesellschaftskritische Interpretation des Dichters« 1101–1107). Neben dem Verweis auf die Konstruktion
projektiert, sollen die »erforderlichen Daten« für »die der Baudelaire-Studie, welche bedingt, »daß der zweite
Auflösung« (I, 1091) beigebracht werden. Diese Syn- Teil des Buches wesentlich aus philologischer Materie
these soll der dritte Teil – »die Ware als poetischer gebildet« und »die philosophische Rekognoszierung
Gegenstand« – (ebd.) leisten, dem darüber hinaus zu- der Moderne« (1103) erst dem dritten Teil zugewiesen
kommt, die »Konvergenz der Grundgedanken mit dem sei, die vollständige Intention und theoretische Be-
Passagenplan zu erweisen« (1093). Diese neue Gliede- gründung der Arbeit somit also erst aus dem abge-
rung ist jedoch, angesichts des zunehmenden Termin- schlossenen Text zu ersehen sei, rechtfertigt Benjamin
drucks seitens des Instituts für Sozialforschung, das auch die philologische Dichte seiner Arbeit mit dem
den Baudelaire-Beitrag dringend für die Herbstnum- Hinweis auf die notwendige »Herausstellung der
mer der Zeitschrift einfordert, und bedingt durch die Sachgehalte, in denen der Wahrheitsgehalt historisch
schwierigen Pariser Arbeitsbedingungen, nicht einzu- entblättert wird« (1104) Benjamin erklärt sich jedoch
halten. Benjamin stellt also zunächst den mittleren Teil bereit, das zentrale Flaneurkapitel entsprechend der
der Arbeit fertig (vgl. 1086) und verzichtet vorerst auf Kritik Adornos, der in seinem Brief vom 1.2.1939
die »Armatur« (1087) des Baudelaire, bestehend aus noch weitere detailliertere Kommentare und Verbes-
dem ersten und dem dritten Teil, über welche die Zen- serungsvorschläge formuliert, umzuarbeiten (vgl.
tralpark-Fragmente und das Baudelaire gewidmete Brief Adornos an Benjamin vom 1.2.1939, I, 1107–
Konvolut J des Passagen-Werks Aufschluß erteilen. 1113; vgl. Benjamins Antwort vom 23.2.1939, I, 1114–
Ende September und nach intensivster Arbeit gelingt 1117).
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es Benjamin tatsächlich, das versprochene Manuskript Anfang 1939 und nach einer Periode »nachhaltiger
fast druckfertig auf den Weg zu bringen. Wiederum Depression« (1113) macht Benjamin sich an die Revi-
dreiteilig umfaßt es die »untereinander relativ unab- sion des Baudelaire. Wie aus dem Briefwechsel mit
hängigen Bestandstücke des durchaus selbständigen Adorno hervorgeht, plant Benjamin ursprünglich die
zweiten Teils des Baudelaire-Buchs« (I, 1090) mit den Überarbeitung aller drei Kapitel aus dem Paris des
Titeln »Die Bohème«, »Der Flaneur« und »Die Mo- Second Empire. So sind für den vormals der »Bohème«
derne«. Zu Benjamins großem Entsetzen wird der gewidmeten ersten Abschnitt in der neuen Fassung die
Aufsatz jedoch abgelehnt. In seiner ausführlichen Kri- »Motive der Passage, des noctambulisme, des Feuille-
tik vom 10.11.1938 führt Adorno die Gründe aus, die tons, sowie die theoretische Einführung des Begriffs
das Institut dazu bewogen haben, den Artikel zurück- der Phantasmagorie« vorgesehen (1124), während
zuweisen. An erster Stelle steht der Vorwurf mangeln- dem dritten, zuvor mit »die Moderne« betitelten Ab-
der Vermittlung zwischen pragmatischem Sachgehalt schnitt »das Motiv der Spur, des Typs, der Einfühlung
und marxistischer Theorie, die in eine »materiali- in die Warenseele« zugedacht sind (ebd.). Zur Redak-
stisch-historiographische Beschwörung« (I, 1096) tion dieser Kapitel ist es jedoch nicht mehr gekommen.
sozialhistorischer Motive münde. Benjamins gewollt Einzig die Überarbeitung des Abschnitts zum »Fla-
»asketische Disziplin« (1094), die zu einer Aussparung neur« wird von Benjamin fertiggestellt, wobei er den
der Deutung führte, erscheint Adorno höchst proble- Kommentaren und Vorschlägen Adornos in sehr un-
Das Baudelaire-Buch 569

terschiedlichem Maße stattgibt (vgl. Espagne/Werner gen Kapitelgliederungen, die auf den Listen aufbauend
1984, 640–646). Im August 1939 schließlich wird die und nach Motiven geordnet den Bauplan für das Bau-
neue Fassung des Flaneur-Kapitels unter dem Titel delairebuch erkennen lassen sowie metatextuelle Ar-
Über einige Motive bei Baudelaire nach New York beits- und Werkregienotizen und bruchstückhafte
geschickt, nachdem Benjamin im Mai gleichen Jahres Vorstufen zum Baudelairebuch (zur Beschreibung und
zum ersten Mal die Ergebnisse seiner Überarbeitung Analyse des Handschriftenmaterials vgl. Espagne/Wer-
anläßlich eines Vortrags in Pontigny unter dem Titel ner 1984, 1986 und 1987; Bolle 1999 und 2000). Die
Notes sur les Tableaux parisiens de Baudelaire Bemühungen Tiedemanns, den zweiten Pariser Nach-
vorstellt. Der Aufsatz stößt in New York auf begeisterte laß ins Adorno-Benjamin-Archiv zu überführen,
Aufnahme und erscheint im Januar 1940 in der Zeit- scheiterten zunächst, da die Witwe Batailles im Mai
schrift für Sozialforschung. 1982 die aufgefundenen Handschriften in einer Schen-
kungsurkunde der Bibliothèque Nationale überant-
wortete. Der darauffolgende Rechtsstreit wurde jedoch
Überlieferungsgeschichte zugunsten des Adorno-Benjamin-Archivs entschieden
und ermöglichte die Zusammenführung aller die Bau-
Als Benjamin 1940 vor den deutschen Truppen aus delaire-Arbeiten betreffenden Manuskripte in Frank-
Paris fliehen muß, teilt er seine Handschriften auf. Die furt. Da die Edition des ersten Bandes der Gesammel-
zum Baudelaire gehörenden Manuskripte vertraut er, ten Schriften Benjamins, der sämtliche bis dahin be-
genau wie die Aufzeichnungen und Materialien aus kannten Texte aus dem Umfeld der Baudelaire-Studien
dem Umfeld des Passagen-Werks, George Bataille an, enthielt, schon 1974 abgeschlossen war, haben die Her-
der sie in der Bibliothèque Nationale versteckt. Nach ausgeber im Band VII.2 die Pariser Handschriften
Kriegsende gelangen diese Dokumente über Pierre auszugsweise abgedruckt (vgl. VII, 735–770). Der Band
Missac, mit dem Benjamin eine enge Freundschaft zu den »Nachträgen« ist den erst im Laufe der lang-
pflegte, zu Adorno, der zum Nachlaßverwalter einge- wierigen Editionsarbeit aufgefundenen Handschriften
setzt worden war. Nach Adornos Rückkehr aus dem und Materialien gewidmet. Entsprechend der von den
Exil finden die Handschriften ihren Platz im Benja- Herausgebern intendierten Gewichtung »auf dem Ab-
min-Archiv in Frankfurt. Der den Baudelaire betref- druck neuer Paralipomena: auf der Mitteilungen von
fende Nachlaß war jedoch nicht vollständig, denn Schemata, Entwürfen und Vorstufen von Texten« (VII,
Benjamin hatte, als er nach Marseille floh, einen Teil 729), werden beispielhaft Dokumente aus dem Entste-
seiner Handschriften in seiner Pariser Wohnung in der hungsprozeß des Baudelaire-Projekts abgedruckt. In
Rue Dombasle gelassen. Von der Gestapo konfisziert, ihren Anmerkungen weisen die Herausgeber darauf
wurden diese Handschriften nach Berlin gebracht und hin, daß der vollständige Abdruck der Pariser Hand-
zu Kriegsende in Schlesien versteckt, wo sie teilweise schriften mit dem Ziel einer lückenlosen Dokumenta-
zerstört, bzw. von der Roten Armee beschlagnahmt tion des Entstehungsprozesses zwangsläufig zu Mehr-
wurden. 1957 übergab die Sowjetunion diese Hand- fachabdrucken und Unübersichtlichkeiten geführt
schriften dem Deutschen Zentralarchiv in Potsdam, hätte. Dies ist genauso richtig wie die Tatsache, daß die
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von wo aus sie später in die Akademie der Künste in Publikation sämtlicher neuaufgefundener Handschrif-
Ost-Berlin verlagert wurden. Es befand sich unter die- ten den Rahmen der Gesammelten Schriften, die nie als
sen Unterlagen vor allem das handschriftliche Manu- historisch-kritische Ausgabe intendiert war, sprengen
skript des Paris des Second Empire bei Baudelaire. würde. Dennoch ist es zu bedauern, daß ein so spek-
1981 schließlich stieß Giorgio Agamben in der Pariser takulärer Fund wie die Pariser Handschriften, der
Bibliothèque Nationale auf weitere bis dahin unbe- entscheidende Aufschlüsse über die Genese des Bau-
kannte Handschriften aus dem Passagen-Baudelaire- delaire-Projekts und Benjamins Strukturierungsver-
Komplex, die offensichtlich zu den von Bataille ver- suche erlaubt, »mit ein paar Beispielen« (Tiedemann,
steckten Manuskripten gehörten, nach Kriegsende VII, 736), die nur etwa ein Fünftel der aufgefundenen
aber verschollen blieben und nie an Adorno weiterge- Seiten ausmachen, dokumentiert ist. Zwar ist es nicht
leitet wurden. so, daß einzelne, als besonders wichtig anzusehende
Die Umschläge, die Agamben entdeckt hatte, ent- Materialien aus den Pariser Handschriften in den
hielten, neben bibliographischen Notizen zur Passa- Nachträgen fehlen, doch angesichts der hochkomple-
gen-Arbeit und zum Baudelaire, die schon beschrie- xen Entstehungsgeschichte der Baudelaire-Passagen-
benen Listen mit den zentralen Kategorien des Bau- Arbeit und der kontroversen Einschätzung des Fundes
delairebuchs und dem dazugehörigen farbigen und seiner Bedeutung für Benjamins Projekt einer
Siglesystem. Des weiteren fanden sich in den Umschlä- materialen Geschichtsschreibung (vgl. Tiedemann
570 Dichtungsanalyse und Autorbild

1983, 191 f.) wäre es wünschenswert gewesen, dem weniger in seinen Kommentaren zu Benjamins Werk
interessierten Leser und Forscher die Dokumente in schon 1950 den »fragmentarischen Charakter« des
ihrer Gesamtheit zugänglich zu machen. Spätwerks (Adorno 1990, 9) und die außergewöhnli-
che »Konkretion«, die das Rebus »zum Modell seiner
Philosophie macht« (10), hervorgehoben. Diese durch-
Bisherige Rezeption aus gegensätzliche Einschätzung der Baudelaire-Stu-
dien, in der das, was zunächst als Schwäche des Ben-
In den folgenden Überlegungen geht es darum, die jaminschen Verfahrens verstanden wird – sein Glaube
rezeptionsgeschichtlichen Besonderheiten von Benja- an die Evidenz der Dinge in ihrer konkreten Materia-
mins Baudelaire-Studien zu berücksichtigen und ihre lität – in den 60er Jahren zur spezifisch philosophi-
spezifischen Problemfelder abzustecken. Zu letzteren schen Leistung Benjamins, durch die »das Unauf-
gehört ihr besonderer Status als ›Miniatur-Modell‹ des schließbare wie mit einem magischen Schlüssel« sich
Passagenwerks, aber auch der unabgeschlossene Cha- öffnen läßt (83), aufgewertet wird, nimmt die konträ-
rakter des Paris des Second Empire bei Baudelaire ren Positionen, die in der Rezeptionsgeschichte ver-
und die fragmentarische Natur der Zentralpark- treten werden, vorweg. Zugleich läßt sich hier eine
Notizen sowie die nicht zu überschätzende Rolle, die Entwicklung der Rezeptionsgeschichte der Baudelaire-
Adorno in bezug auf die Rezeptionsgeschichte der Studien ablesen, die in den 60er Jahren, mehr oder
Baudelaire-Studien spielte. Die Person und das Den- weniger unter Absehung textgenetischer Zusammen-
ken Adornos haben, wie die Edition der Briefe Benja- hänge, den unvollendeten Status der Zentralpark–
mins in den 1960er Jahren und die Gesammelten Fragmente und Benjamins ›blitzartiges‹ Verfahren
Schriften deutlich machten, nicht nur die Entstehungs- ästhetisch motiviert und das Bild eines fragmentari-
geschichte der Baudelaire-Studien entscheidend be- schen Denkens und einer Philosophie der Unabge-
einflußt, sondern auch die spätere Aufnahme dieser schlossenheit kultiviert. Diese Sichtweise war lange
Texte maßgeblich geprägt. In bezug auf das Spätwerk durchaus repräsentativ für die Wahrnehmung des Ben-
und vor allem die Baudelaire-Studien ist festzustellen, jaminschen Spätwerks und der Baudelaire-Studien in
daß die schon den Entstehungsprozeß begleitende der deutschen Benjamin-Forschung. Sie erfährt jedoch
Kritik Adornos an der mangelnden Vermittlung des in den 80er Jahren eine Wandlung, und an Stelle der
»pragmatische[n] Gehalt[es]« (I, 1094) zu einer der Hypostasierung des Fragmentarischen als Grundkate-
wichtigsten rezeptionsgeschichtlichen Diskussionen gorie von Benjamins Denken tritt der Versuch, die
Anlaß gab, in der der Status des sozialhistorischen Ma- konstruktive Idee des unvollendet gebliebenen Werkes
terials im Mittelpunkt steht. Die diesbezügliche Fest- sichtbar zu machen und den Zentralpark–Fragmen-
stellung Heiner Weidmanns, daß »die Sekundärlitera- ten ihren Platz in der Gesamtkonzeption des Baude-
tur Benjamin vor Adornos schonungsloser Kritik in laire-Buches zuzuweisen.
Schutz nimmt« (Weidmann 1992, 146), muß jedoch Der Fund der Pariser Handschriften durch Giorgio
nuanciert werden. Die Forschungslage ist nicht ganz Agamben im Jahr 1981 markiert in diesem Zusam-
so eindeutig, wie Weidmanns Aussage es vermuten menhang eine eindeutige Zäsur. Zwar hat es auch
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läßt, und es gibt durchaus Stimmen, die Adornos Kri- schon vor Entdeckung der in der Bibliothèque Natio-
tik ihre Berechtigung zusprechen (vgl. Menninghaus nale aufgefundenen Materialien einzelne Versuche
1980, 158 und 259; Tiedemann 1983; Arabatzis 1998, gegeben, die »philosophische Bogenspannung« (I,
124–128). Weidmanns Verweis auf eine übereinstim- 1119), die der Gesamtkonzeption des Baudelaire zu-
mende Verteidigung Benjamins verdient jedoch noch grundeliegt, nachzuvollziehen (vgl. Menninghaus
eine weitere Präzisierung, insofern auch die Anwälte 1980; Witte 1988, 32–41). Diese waren jedoch notge-
Benjamins alles andere als geschlossen argumentieren drungen auf die Deutung der Konspekte, Notizen und
und teilweise durchaus widersprüchliche Argumente brieflichen Äußerungen beschränkt. Mit der Auswer-
anführen, um auf Adornos Kritik zu antworten (vgl. tung der Pariser Funde beginnt nun eine zweite Phase
Michael W. Jennings 1987, 30–43; Witte 1988, 32–33; der Rekonstruktion. Philologisch und textgenetisch
Witte 1994, 124; Garber 1992, 55–58, 74, 124; Arendt gestützt durch die Untersuchung des handschriftlichen
1971, 18–24; Nägele 1992, 80). Materials (vgl. Espagne/Werner 1984, 1986 und 1987),
Adornos eigene Position in bezug auf Benjamins versuchen zahlreiche Arbeiten, das konstruktive Prin-
Verfahren war jedoch selbst von Anfang an wider- zip der unvollendet gebliebenen Teile zu Baudelaire
sprüchlich. So hat er einerseits die unzureichende herauszuarbeiten bzw. den Benjaminschen Arbeitspro-
Dialektisierung und theoretische Einbindung der ma- zeß nachzuvollziehen (Buck-Morss 1991; Weidmann
teriellen Einzeldaten beanstandet, jedoch nichtsdesto- 1992) oder »das disparate Material des Baudelaire-
Das Baudelaire-Buch 571

Fragments gedanklich zu synthetisieren« (Garloff Entwicklung zeugt, wie die Baudelairesche)« (V, 399).
2003, 154–254, hier: 156). Diese Zweideutigkeit Baudelaires ist es jedoch gerade,
die eine Möglichkeit der Rettung in sich birgt. Zwar
verfügt Baudelaire nicht über das luzide Verständnis
Inhaltliche Hauptlinien, Thesen – »Das Paris der politischen Lage, wie es ein Konspirateur vom
des Second Empire« bei Baudelaire Schlage Blanquis besitzt, doch gibt er ihr durch sein
ambivalentes Verhalten als Zeuge Ausdruck. Durch
Ausgehend von Marx’ Überlegungen zur Pariser diese, vor allem gegen Brecht gewandte »epistemolo-
Bohème im nachrevolutionären Frankreich unter Na- gische List« (Fietkau 1978, 225), mittels deren der
poleon III. wird das erste Kapitel des Aufsatzes mit mangelnden politischen Einsicht Baudelaires ein auf
einem Vergleich zwischen den konspirativen Gepflo- Rettung zielender Zeugnischarakter zuerkannt wird,
genheiten der proletarischen Verschwörer und Baude- führt Benjamin die Duplizität des Lyrikers mit den
laires ästhetischer und politischer Haltung eröffnet. Strategien des politischen Verschwörers Blanqui eng
Nicht nur der doppelgesichtige Satanismus der Bau- (zur Bedeutung Blanquis für Benjamin vgl. I, 1071;
delaireschen Lyrik, sondern auch die abgründige Zwei- Abensour 1986, 219–247). Er eröffnet so eine Konstel-
deutigkeit seiner politischen oder theoretischen Äu- lation zwischen Dichtung und Revolution, die als
ßerungen rechtfertigen für Benjamin die Einordnung Klammer den gesamten Aufsatz umfaßt. Blanqui und
Baudelaires ins soziale Milieu der konspirativen Baudelaire erscheinen als die »ineinander verschlun-
Bohème. Mit Bezug auf verschiedene kunst- und lite- genen Hände auf einem Stein, unter dem Napoleon
raturkritische Schriften wie den Salon von 1846 und III. die Hoffnungen der Junikämpfer begraben hat[]«
die Aufsätze zu Pierre Dupont, in denen unvermittelt (I, 604). Gerechtfertigt wird die geschwisterliche Dar-
radikal gegensätzliche Positionen zur Frage der mora- stellung von politischer Tat und lyrischem Traum
lischen Nützlichkeit der Kunst und der Ideologie des durch die beiden gemeinsamen konspirativen Gepflo-
l’art pour l’art eingenommen werden, versucht Benja- genheiten. »Überraschende Proklamationen und Ge-
min, die ästhetische Widersprüchlichkeit Baudelaires heimniskrämerei, sprunghafte Ausfälle und undurch-
zu belegen. Auch Baudelaires politisch hochgradig dringliche Ironie« charakterisieren Baudelaires theo-
ambivalente Haltung, die sich in einer Revolte äußert, retische Aussagen, in denen der Dichter »seine
deren »verbissene Wut – la rogne« (I, 516) in ihrer Ansichten meist apodiktisch« (I, 514) vorträgt. Die
provozierenden Destruktivität nicht nur revolutionäre, »Geheimniskrämerei« der Konspirateure von Schlage
sondern auch reaktionäre Züge besitzt, wird durch eines Blanqui und Baudelaires putschistische »Rätsel-
Selbstaussagen und Briefe verdeutlicht. Benjamins kram«-Taktik (519), die vor allem in seiner Handha-
Urteil zu Baudelaires politisch doppeldeutiger Position bung der Allegorie durchschlägt, gründen in der glei-
ist denn auch ohne Appell: »Die politischen Einsichten chen, von Marx in Der achtzehnte Brumaire des Louis
Baudelaires gehen grundsätzlich nicht über die dieser Bonaparte beschriebenen Verlumpung der politischen
Berufsverschwörer hinaus. Ob er seine Sympathien Sitten und Werte, die das Second Empire charakteri-
dem klerikalen Rückschritt zuwendet oder sie dem siert. Verkörperung dieser Gesellschaft, deren politi-
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Aufstand von 48 schenkt – ihr Ausdruck bleibt unver- sche Regressivität mit einer rasanten wirtschaftlichen
mittelt und ihr Fundament brüchig« (515). Entschei- Entwicklung einhergeht, ist der Lumpensammler, der
dend ist in diesem Zusammenhang, daß Benjamin zusammen mit dem Flaneur und dem Spieler zu jenen
gerade nicht versucht, die ästhetische und politische schillernden Erscheinungen gehört, die das Resultat
Widersprüchlichkeit Baudelaires als durch das Schei- einer ökonomischen Realität sind, gleichzeitig jedoch
tern der republikanischen Hoffnungen bedingte Ent- als literarische Figur ins Imaginäre der Epoche Eingang
wicklung zu deuten, wie dies in der engagierten und gefunden haben. Benjamin führt das Verhalten des
sich Benjamin verpflichtet fühlenden Baudelairefor- Chiffonnier, der »die Abfälle des vergangenen Tages in
schung der 70er Jahre, die bestrebt ist, den Dichter für der Hauptstadt« (582) aufsammelt, um sie zu registrie-
eine progressive politische Position zu retten, gemein- ren und zu verwerten, als »ausgedehnte Metapher für
hin der Fall ist (Sahlberg 1974; Stenzel 1977; Oehler das Verfahren des Dichters nach dem Herzen von Bau-
1979. Zur kritischen Aufarbeitung vgl. Mettler 1988, delaire« (583) an. Identifikationsfigur für den der
305–309). »Es wäre ein großer Irrtum, in den kunst- Bohème zugehörigen Dichter und beliebtes Motiv der
theoretischen Positionen Baudelaires nach 1852, die sozialen Dichtung, erlaubt er Benjamin im Zuge seiner
sich von denen um 1848 so sehr unterscheiden, den Argumentation, den grundlegenden Unterschied zwi-
Niederschlag einer Entwicklung zu sehen. (Es gibt we- schen der erbaulichen Soziallyrik eines Sainte-Beuve
nige Künstler, deren Produktion so wenig von einer und Baudelaires Zweideutigkeit und blasphemischem
572 Dichtungsanalyse und Autorbild

Satanismus geprägten Gedichten zu unterstreichen. trollierbaren Realität der modernen Metropole stärker
Diese Duplizität erweist sich als strategische Notwen- Rechnung trägt, als die verharmlosenden Physiologien.
digkeit für Baudelaire, der sich inmitten eines literari- Es handelt sich um die Detektivgeschichte, die, an
schen Betriebs behaupten muß, dessen Entwicklung Cooper anknüpfend, die Großstadt als bedrohliche
immer mehr von den Gesetzen der »merkantile[n] Abenteuerwelt darstellt, in der sich der Bewohner un-
Verwertbarkeit« (529) bestimmt wird. Das Kapitel zur zähligen Gefahren ausgesetzt sieht. Während die Phy-
Bohème mündet in eine sozialgeschichtliche Analyse siologien das bedrohliche Moment der anonymer
des literarischen Marktes im Second Empire, der durch werdenden Großstadt entschärfen, machen die Detek-
die Einführung des Feuilletons einschneidende Verän- tivgeschichten gerade die »Verwischung der Spuren
derungen erfährt (vgl. Köhn 1989, 17–73). Die Schaf- des Einzelnen in der Großstadtmenge« (546) zu ihrem
fung eines neuen Absatzmarktes und die Notwendig- Thema. Die Unterscheidung zwischen beiden Gattun-
keit, diesen durch kurzgehaltene Informationen, deren gen ermöglicht es Benjamin, einen Zusammenhang
einziges Kriterium der Reiz des Neuen ist, zu befriedi- zwischen der Detektivgeschichte, die »einen Teil der
gen, drängt den Dichter immer mehr in die Rolle des Analyse von Baudelaires eigenem Werk« ausmacht
Feuilletonisten. Für Baudelaire, der Mühe hatte, sich (545), und den Fleurs du Mal herzustellen. Beide tra-
und seine Manuskripte im literarischen Betrieb zu gen der Erfahrung der großstädtischen Wirklichkeit,
plazieren, bleibt, wie Benjamin am einleitenden Ge- die ihre Bewohner einer Vielzahl visueller und hapti-
ständnis »Au lecteur« und verschiedenen anderen scher Schocks aussetzt und sie zur Herausbildung
Gedichten der Fleurs du Mal abliest, nur die Möglich- neuer »Formen des Reagierens« (543) zwingt, Rech-
keit, sich wie der Flaneur auf den Markt zu begeben, nung. Die Erfahrung der Moderne, die auf der Isoliert-
um dort einen Käufer für seine Ware zu suchen. Die heit des Subjekts und der Akkumulation flüchtiger,
Überblendung von Literat und Flaneur, die beide ge- gleichförmiger und bewegter Eindrücke beruht, wird
zwungen sind, sich an den Markt zu verkaufen, bildet von Benjamin im Paris des Second Empire bei Bau-
die Überleitung zum zweiten Kapitel. delaire weitgehend sozialgeschichtlich durch Verän-
derungen der städtischen Lebenswelt beschrieben. Die
zahlreichen Chocks, denen der Großstadtbewohner
Der Flaneur – Genealogie einer urbanen durch die Entwicklung eines reflektorischen Charak-
Figur ters begegnet, werden hier noch ganz konkret als Er-
fahrung der Menge, die dem Passanten Stöße versetzt,
Dem Flaneur, jener privilegierten Figur urbaner Per- beschrieben, bevor Benjamin in der überarbeiteten
zeption und Narration gewidmet, beginnen Benjamins Fassung des Aufsatzes seine lebensweltliche Analyse
Ausführungen mit gattungsgeschichtlichen Überle- durch Freuds Theorie des Bewußtseins als Reizschutz
gungen zu den verschiedenen Genres der Großstadt- theoretisch fundiert. Von Benjamin als Kristallisation
literatur, die in je unterschiedlicher Weise auf die ur- der Moderne gedeutet, wird die Herausbildung der
bane Entwicklung und die damit einhergehenden urbanen Kontingenzerfahrung an den drei Stationen
Veränderungen der Wahrnehmung reagieren. Benja- London, Paris und Berlin exemplifiziert. Die histori-
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min analysiert zunächst das Genre der literarischen sche Ungleichzeitigkeit der drei Städte, die mit der
Stadtanthologien, der physiologies, die es sich in der unterschiedlich weit vorangeschrittenen Industriali-
Tradition der Tableaux de Paris eines Louis-Sébastien sierung und Technisierung zusammenhängt, belegt
Mercier zur Aufgabe gemacht haben, die Großstadt Benjamin durch den Rekurs auf die beiden Extreme
und ihre Bewohner durch typologische Portraits und E.T.A. Hoffmann und E.A. Poe, zwischen denen der
Anekdoten darzustellen. Die kleinbürgerliche »Bon- Pariser Flaneur, der sich noch »gegen die Arbeitstei-
homie« (I, 539) dieser Gattung verharmlost und kom- lung« und die »Betriebsamkeit« (556) der Großstadt
pensiert, so Benjamin, die immer undurchschaubarer zur Wehr setzt, eine mittlere Position einnimmt (vgl.
und bedrohlicher werdende Realität der Großstadter- 550–557 und 627 f.). Ausgehend von Poes »Mann der
fahrung, die mit ihrer visuellen Reizüberflutung für Menge« analysiert Benjamin die für die großstädtische
eine dauernde sinnliche Überforderung sorgt. Indem Wahrnehmung konstitutive Erfahrung der Masse und
sie alle beunruhigenden Aspekte des städtischen Le- ihre narrative und ästhetische Darstellung. Die hoff-
bens ausblenden, weben sie »auf ihre Art an der Phan- nungslose Gleichförmigkeit der Londoner Menge,
tasmagorie« (541) der Pariser Moderne, an der auch deren entmenschtes Treiben durch eine »Mimesis der
der Flaneur partizipiert. ›fieberhaften ... Bewegung der materiellen Produk-
Benjamin wendet sich nun einer zweiten urbanen tion‹« (556) verstärkt wird, stellt den Kulminations-
Gattung zu, die der immer weniger faßbaren und kon- punkt einer industriellen und urbanistischen Entwick-
Das Baudelaire-Buch 573

lung dar, an dem gemessen Baudelaires Paris noch Leitbild des modernen Heros, der im Gefecht die Stöße
»einige Züge aus guter alter Zeit« (627) wahrt. Doch der Menge pariert und dessen Finten Baudelaire in
die Versuche des Pariser Flaneurs, sich sein Tempo von seiner Lyrik prosodisch nachbildet. Die Widmung an
Schildkröten, die er in den Passagen spazieren führt, Arsène Houssaye, die dem Spleen de Paris vorangestellt
vorschreiben zu lassen, sind auf Dauer zum Scheitern ist, formuliert das Ideal einer lyrischen Sprache, die
verurteilt. »Nicht er behielt das letzte Wort, sondern eine der großstädtischen Dynamik gemäße Faktur be-
Taylor, der das ›Nieder mit der Flanerie‹ zur Parole sitzt. »Sie müßte musikalisch ohne Rhythmus und
machte« (557). Noch ist jedoch Paris ein Schwellen- ohne Reim sein; sie müßte geschmeidig und spröd
raum, in dem sich moderne und vormoderne Züge genug sein, um sich den lyrischen Regungen der Seele,
kreuzen; schon längst nicht mehr mit dem »provinzi- den Wellenbewegungen der Träumerei, den Chocks
ellen Deutschland« (620) zu vergleichen, und doch des Bewußtseins anzupassen. Dieses Ideal, das zur fixen
auch noch nicht völlig dem barbarischen London an- Idee werden kann, wird vor allem von dem Besitz er-
geglichen, das ganz nach dem frenetischen Rhythmus greifen, der in den Riesenstädten mit dem Geflecht
industrieller Produktion lebt. Die Zwitterstellung der ihrer zahllosen einander durchkreuzenden Beziehun-
französischen Hauptstadt erklärt auch, warum die Fi- gen zuhause ist« (571 f.; Baudelaire 1975, 275 f.). Die
gur des Flaneurs bei Benjamin immer wieder zu chan- Engführung zwischen dem Bild der ›fantasque
gieren scheint. Ihre Ambivalenz ist in der Forschung escrime‹, das die Chocks der modernen Großstadt in
mehrfach kommentiert worden (zur Skizzierung der die Textur der lyrischen Sprache einträgt, und Baude-
von kulturkonservativen Zügen nicht immer ganz laires prosodischem Ideal in der Houssaye-Widmung
freien Verfallsgeschichte des Flaneurs vgl. Weidmann gibt einen Hinweis darauf, wie Benjamin sich die Ant-
1992, 85–87; Lindner 1986, 13–25; Bohrer 1996, 101– wort auf die zentrale poetologische Problematik der
105; Wellmann 1991, 161–165). Benjamins uneinheit- Baudelaire-Studien vorstellt: »Die Frage meldet sich
liche Bewertung des Flaneurs verstärkt dabei eine an, wie lyrische Dichtung in einer Erfahrung fundiert
Mehrdeutigkeit der Figur, die ihr gattungsgeschichtlich sein könnte, der das Chockerlebnis zur Norm gewor-
ohnehin schon eignet (zur Etymologie des Begriffs vgl. den ist« (614). Während Benjamin in Über einige
Parkhurst Ferguson 1994, 240; zur literaturgeschicht- Motive bei Baudelaire diese Fragestellung mit Be-
lichen Entwicklung vgl. Neumeyer 2001; Wellmann zug auf Freuds Überlegungen zum Reizschutz und
1991, 152–197; Parkhurst Ferguson 1994; Köhn 1989, Prousts Theorie des Gedächtnisses theoretisch begrün-
17–67). Ganz offensichtlich gilt jedoch Benjamins In- det und seine Theorie der Moderne über den Zusam-
teresse »weniger der geschichtlichen Erscheinung des menhang zwischen Chock, Strukturwandel der Erfah-
großstädtischen Spaziergängers, als vielmehr der hi- rung und Auraverlust entfaltet, privilegiert der erste
storisch-aporetischen Verlaufsform der literarischen Aufsatz eine stärker motivisch ausgerichtete Antwort,
Figur: ihrem Verschwinden am Ende des 19. Jahrhun- die aus der vielfältigen Figur des modernen Heros die
derts« (Wellmann 1991, 153). Seine Analyse zielt vor Quintessenz der Moderne herauskristallisiert. Benja-
allem auf das notwendige Ende einer künstlerischen min untersucht also die Personifikationen des Helden
Praxis, die unter den Vorzeichen von Vermarktung, in ihren changierenden Ausprägungen, die alle »eine
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industrieller Produktion und feuilletonistischer Kurz- ganz bestimmte geschichtliche Signatur tragen« (600),
lebigkeit den flanierenden Literaten zum sich und die der Moderne. Er entziffert sie im Selbstmörder,
seine Arbeitskraft anpreisenden Journalisten macht. welcher der Moderne die Stirn bietet, im Verbrecher,
In dem Moment, in dem die Passage, die den natürli- der den Contract social mit der Gesellschaft aufkündigt
chen Lebens- und Spazierraum des Flaneurs bildet, und im Lumpensammler, der dem Kehricht der großen
verschwindet und durch ihre ›Verfallsform‹, das Wa- Stadt zu ihrem Recht verhilft. Er findet sie in der Les-
renhaus, ersetzt wird, zeigt sich die Analogie zwischen bierin, die sich der ihr zugewiesenen Mutterrolle in
Ware und Flaneur in aller Deutlichkeit. Das Warenhaus der Produktivgesellschaft verweigert und so den »Pro-
erweist sich als »der letzte Strich des Flaneurs« (I, test der ›Moderne‹ gegen die technische Entwicklung«
557). (667) darstellt, im Dandy, dessen Physiognomie den
ennui zur Schau stellt und vor allem paradigmatisch
verkörpert in der Person des Dichters Baudelaire. »Die
Die Moderne – Ein heroisches Ideal Quellen, aus denen die heroische Haltung von Baude-
laire sich speist, brechen aus den tiefsten Fundamenten
Die Luzidität im Angesicht des Unausweichlichen – der der gesellschaftlichen Ordnung hervor [...]. Diese Ver-
Mut, aus »der Not eine Tugend« zu machen (I, 573) änderungen bestanden darin, daß am Kunstwerk die
– charakterisiert das im dritten Kapitel entwickelte Warenform, an seinem Publikum die Massenform un-
574 Dichtungsanalyse und Autorbild

mittelbarer und vehementer als jemals vordem zum und Nouveautés, die von vornherein schon dem Veral-
Ausdruck kam« (676). Der heroische Zug des moder- ten preisgegeben sind. Benjamin untersucht anschlie-
nen Dichters besteht also darin, daß er sich den Um- ßend die für den Allegoriker kennzeichnende »Sprach-
brüchen und Veränderungen in Wahrnehmung und geberde« (603) Baudelaires. Als erste Gedichtsamm-
Produktion stellt, ja sie sogar forciert, statt ihnen z. B. lung verwerten die Fleurs du Mal »Worte nicht allein
durch den Rückzug auf eine Ideologie des l’art pour prosaischer Provenienz sondern städtischer« (ebd.)
l’art auszuweichen. und bestimmen diese ›handstreichartig‹ zum allegori-
In seinem Brief an Horkheimer, der eine erste Glie- schen Gebrauch. Hier nun schließt sich die Parenthese,
derung und ein kurzes exposé liefert, skizziert Benja- mit der Benjamin den Aufsatz eröffnete. Wie zu Beginn
min Baudelaires paradigmatische Rolle in diesem spiegelt sich in der Person Baudelaires, dessen Technik
Zusammenhang: »Die einzigartige Bedeutung Baude- als »putschistische« (ebd.) bezeichnet wird, und der
laires besteht darin, als erster und am unbeirrbarsten daher dem konspirativen Milieu zugerechnet wird, das
die Produktivkraft des sich selbst entfremdeten Bild Blanquis. Die Tat des Konspirateurs erscheint als
Menschen im doppelten Sinne des Wortes dingfest »Schwester von Baudelaires Traum« (604).
gemacht – agnostiziert und durch die Verdinglichung
gesteigert – zu haben« (1074). Wie kein anderer hat
Baudelaire es sich zur Aufgabe gemacht, »der Moderne »Über einige Motive bei Baudelaire«
Gestalt zu geben« (584) und sie dadurch dereinst An-
tike werden zu lassen. In der »Korrespondenz zwischen Nach der Ablehnung des ersten Baudelaire-Aufsatzes
Antike und Moderne« besteht für Benjamin »die ein- durch das Institut für Sozialforschung überarbeitet
zige konstruktive Geschichtskonzeption bei Baude- Benjamin den Text grundlegend. Er streicht in der
laire« (678). Es ist die Stadt Paris, genauer gesagt, ihre zweiten Fassung eine ganze Reihe von Motiven, die
Hinfälligkeit, in der sich die wechselseitige Durchdrin- inhaltlich oder symbolisch für Das Paris des Second
gung von Antike und Moderne am deutlichsten aus- Empire bei Baudelaire, aber auch für das Passagen-
drückt. »Worin zuletzt und am innigsten die Moderne Werk zentral waren. Die verbleibenden Themen
der Antike sich anverlobt, das ist die Hinfälligkeit. Pa- werden im Kontext einer Theorie der modernen Sub-
ris« (586). Verstärkt wird das nagende Bewußtsein von jektivität gelesen, so daß die ursprünglich sozialhisto-
der Vergänglichkeit der Metropolen, das »jeder dich- rische Dimension des Aufsatzes wahrnehmungspsy-
terischen Evokation von Paris bei Baudelaire zu grunde chologisch perspektiviert und an eine Reflexion über
liegt« (1139), durch die Ende der 50er Jahre unter dem den Strukturwandel der Erfahrung gebunden wird. In
Baron Haussmann einsetzenden Bauvorhaben. Die der überarbeiteten Baudelaire-Studie knüpft Benjamin
städtebaulichen Maßnahmen des kaiserlichen Präfek- an seine epistemologischen Überlegungen aus den
ten, die ebenso sehr eine Bereinigung und Sanierung 30er Jahren an und rekurriert auf Begriffe, die er im
des mittelalterlichen Paris, wie auch die Verhinderung Kontext seiner Arbeiten zu den Bedingungen künstle-
zukünftiger Barrikadenkämpfe zum Ziel hatten, präg- rischer Produktion (das Kunstwerk im Zeitalter
ten das Imaginäre der Epoche aufs nachdrücklichste. seiner technischen Reproduzierbarkeit, 1936)
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Für Benjamins Interpretation ist das Motiv der städ- und zur Verkümmerung der Erfahrung (Erfahrung
tischen Hinfälligkeit jedoch vor allem bedeutsam, weil und Armut, 1933; Der Erzähler, 1936) entwickelt
»die Form dieser Überblendung« von Antike und Mo- hat. Diese um den Erfahrungswandel kreisende Be-
derne unverkennbar allegorisch ist (591). Benjamin grifflichkeit wird eingebunden in einen theoretischen
zielt darauf, Baudelaires seismographisches Bewußt- Zusammenhang, dessen drei Stränge die lebensphilo-
sein von der dem Untergang gewidmeten modernen sophischen Überlegungen Henri Bergsons zur moder-
Stadt zum Ausgangspunkt für eine weitergehende Re- nen Zeitlichkeit, Prousts Gedächtnistheorie und die
flexion über das Absterben der Dinge und Bedeutun- Freudschen Untersuchungen zur Funktion des Be-
gen in der industriellen Gesellschaft zu machen. wußtseins als Reizschutz sind. Der Aufsatz setzt ein mit
Anhand der Notizen aus dem Zentralpark, ver- einem ersten Beleg für die irreversiblen Veränderun-
schiedener brieflicher Exposés und Konspekte läßt sich gen, die der Erfahrungsbegriff in der Mitte des 19. Jh.s
rekonstruieren, daß dieser allegorische Zusammen- durchläuft. Ausgehend von dem Befund, daß »die Be-
hang über die »Entwertung der menschlichen Umwelt dingungen für die Aufnahme lyrischer Dichtung un-
durch die Warenwirtschaft« (1151) herzustellen ist. günstiger geworden sind« (I, 607), beschreibt Benja-
Deren Funktionieren beruht auf der »Antinomie zwi- min den für die Moderne prototypischen zerstreuten
schen dem Neuen und Immergleichen« (1083), der Leser, dessen begrenzte Willenskraft und Aufmerksam-
frenetischen Hervorbringung immer neuer Moden keit ihn zu einem undankbaren Publikum für den
Das Baudelaire-Buch 575

Dichter machen. Zwei Feststellungen ergeben sich für Gedächtnis und Erfahrung, den sich Benjamin für
Benjamin aus dieser historischen Situation. Zunächst seine Reflexion produktiv zu eigen macht. »Sein Titel
konstatiert er, daß Baudelaire sich keineswegs von die- zeigt an, daß es die Struktur des Gedächtnisses als ent-
sen neuen, »ungeneigtesten Lesern« (608) distanziert, scheidend für die philosophische der Erfahrung an-
sondern gerade sie im Einleitungsgedicht zum Adres- sieht« (608; zu Benjamins Bergsonlektüre vgl. Weber
saten der Fleurs du Mal macht. In einem zweiten 2000, 237–240; Münster 1992, 1135–1139; Makropou-
Schritt formuliert Benjamin eine mögliche Erklärung los 1989, 63–73). Benjamin stimmt dieser grundlegen-
für die auf größere Widerstände stoßende Rezeption den Rückbindung der Erfahrung an die Erinnerung,
lyrischer Dichtung. Es liege nahe, »sich vorzustellen, die seine Thesen aus dem Erzähler-Aufsatz bestätigt,
daß die lyrische Poesie nur noch ausnahmsweise den zu. »In der Tat ist die Erfahrung eine Sache der Tradi-
Kontakt mit der Erfahrung der Leser wahrt. Das könnte tion, im kollektiven wie im privaten Leben. Sie bildet
sein, weil sich deren Erfahrung in ihrer Struktur ver- sich weniger aus einzelnen in der Erinnerung streng
ändert hat« (608). Diese Arbeitshypothese versucht fixierten Gegebenheiten denn aus gehäuften, oft nicht
Benjamin nun in verschiedenen Bereichen zu bele- bewußten Daten, die im Gedächtnis zusammenflie-
gen. ßen« (608). Seine Kritik an Bergsons lebensphiloso-
phischer Gedächtnistheorie setzt jedoch an der man-
gelnden historischen Verortung derselben an. »Das
Die Lebensphilosophie – zwischen Rettung Gedächtnis geschichtlich zu spezifizieren, ist freilich
und Reaktion Bergsons Absicht in keiner Weise. Jedwede geschicht-
liche Determinierung der Erfahrung weist er vielmehr
Als Indiz für ihre Richtigkeit führt er das Aufkommen zurück« (608 f.). Bergsons Weigerung, seinen Erfah-
der Lebensphilosophie und ihrer kulturkonservativen rungsbegriff anders als a-historisch zu entfalten, wird
Bemühungen um die Rehabilitierung einer authenti- von Benjamin als Negation genau der geschichtlichen
schen, von den Einflüssen der industriellen Gesell- Matrix gesehen, die ihn zuallererst hervorgebracht hat.
schaft unberührten Erfahrung an. »Seit dem Ausgang »Er meidet damit vor allem und wesentlich, derjenigen
des vorigen Jahrhunderts stellte sie eine Reihe von Erfahrung näherzutreten, aus der seine eigene Philo-
Versuchen an, der ›wahren‹ Erfahrung im Gegensatze sophie entstanden ist oder vielmehr gegen die sie ent-
zu einer Erfahrung sich zu bemächtigen, welche sich boten wurde. Es ist die unwirtliche, blendende der
im genormten, denaturierten Dasein der zivilisierten Epoche der großen Industrie. Dem Auge, das sich vor
Massen niederschlägt« (I, 608). Benjamin bewertet die dieser Erfahrung schließt, stellt sich eine Erfahrung
Lebensphilosophie und ihr auf Bewahrung einer tra- komplementärer Art als deren gleichsam spontanes
ditionellen Zeitlichkeit zielendes Projekt, dessen Ent- Nachbild ein. Bergsons Philosophie ist ein Versuch,
wicklung er bei Dilthey einsetzen und über Klages und dieses Nachbild zu detaillieren und festzuhalten«
Jung im Faschismus enden sieht, kritisch. Seine Posi- (609).
tion läßt sich vor allem daran ablesen, daß er im fol-
genden den zentralen Begriff der Lebensphilosophie,
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das Erlebnis, umdeutet und als defiziente Erfahrungs- Proust – Die Partikularisierung
modalität definiert. (Zur Begriffsgeschichte von ›Er- der Erinnerung
lebnis‹ und ›Erfahrung‹ vgl. Weidmann 1992, 67 f.).
Während das Erlebnis in der Tradition Diltheys eine Benjamin setzt seine zugleich produktive wie kritische
ganzheitliche und unmittelbare Form der Erfahrung Lektüre der Bergsonschen Lebensphilosophie mit der
beschreibt, die eine kompensatorische Rückzugsmög- Einführung eines weiteren gedanklichen Bezugspunk-
lichkeit angesichts der zerfallenden Zeiterfahrung der tes in Form der Proustschen Gedächtnistheorie fort.
Moderne bietet, wertet Benjamin diesen Begriff als Ausgehend von der relativ apodiktisch formulierten
mechanischen Vorfall ab und stellt ihn der »Erfahrung These, daß »einzig der Dichter [...] das adäquate Sub-
im strikten Sinn« (I, 611) gegenüber. jekt« einer über den Begriff der Dauer konstituierten
Benjamins Rekurs auf die Lebensphilosophie ist Erfahrung sein kann, führt er Prousts A la Recherche
doppelt motiviert. Zum einen sieht er im Versuch der du temps perdu als Versuch ein, »die Erfahrung, wie
Lebensphilosophie, die leere Zeit der Moderne durch Bergson sie sich denkt, unter den heutigen gesellschaft-
den Rückzug auf traditionelle Ideen wie Dauer und lichen Bedingungen auf synthetischem Wege herzu-
Tradition zu negieren, ein Modernitätssymptom. Dar- stellen« (I, 609).
über hinaus exponiert Bergson in seinem Frühwerk Benjamins kompliziertes argumentatives Verfahren,
Matière et mémoire einen Zusammenhang zwischen das über Prousts lebensphilosophische Anleihen zu
576 Dichtungsanalyse und Autorbild

einer weiteren kritischen Distanzierung von Bergson Subjekts und die »Verminderung« (ebd.) der Erfah-
führt, ohne dessen wichtigstes Anliegen, die Rettung rung führt Benjamin u. a. Veränderungen im Bereich
einer ›wahren‹ Erfahrung, vollständig für sich aufzu- der Presse und Informationsvermittlung an, die zur
geben, ist der Versuch, der Unmöglichkeit intentiona- Folge haben, daß die Ereignisse systematisch als zu-
ler und natürlicher Herstellung wahrer Erfahrung zu sammenhanglose und gegen die Lebenswirklichkeit
begegnen. Zu diesem Zweck macht er sich Prousts des Lesers abgedichtete vermittelt werden. Schon im
»immanente Kritik« (ebd.) an Matière et mémoire, die ersten Baudelaire-Aufsatz hatte Benjamin die Entwick-
in einer Zurückweisung des willentlichen Zugriffs auf lung des literarisch-journalistischen Marktes und ihre
Erinnerung und der begrifflichen Umformulierung Auswirkungen untersucht. Die überarbeitete Fassung
der Bergsonschen mémoire pure zur mémoire involon- deutet nun die sozialhistorischen Phänomene vor dem
taire mündet, zu eigen. Mit Proust stellt Benjamin die Hintergrund der im Erzähler-Aufsatz entwickelten
der mémoire involontaire entspringende »Erfahrung Überlegungen zur Verkümmerung narrativ mitteilba-
im strikten Sinn« (611) der mémoire volontaire und ren Wissens (vgl. Makropoulos 1989; Honold 2000,
ihrem rein informativen, doch notwendig verarmten 363–398). Wie Benjamin dort ausführt, vermindern
Gehalt gegenüber. Eine Notiz aus dem Passagen-Werk die »säkulare[n] geschichtliche[n] Produktivkräfte«
präzisiert diesen Gegensatz. »Die mémoire volontaire (II, 442) das »Vermögen, Erfahrungen auszutauschen«
ist dagegen eine Registratur, die den Gegenstand mit (439), auf dem die Erzählung als traditionelle Form
einer Ordnungsnummer versieht, hinter der er ver- der Mitteilung beruht, und lassen die Sensation an die
schwindet. ›Da wären wir nun gewesen.‹ (›Es war mir Stelle der Tradition treten. Prousts Recherche erscheint
ein Erlebnis.‹)« (V, 280). Die Notiz verweist auf eine somit als ein letzter Versuch, mit Hilfe der mémoire
Jugendanekdote, die Benjamin in einem Brief an involontaire die Praxis des Erzählens für eine Epoche
Adorno erwähnt, um die Grundlagen seiner Theorie zu retten, in der letztere eigentlich längst zum Ana-
der Erfahrung, die zugleich eine des Vergessens ist, chronismus geworden ist. Das restaurative Moment
deutlich zu machen: »Wenn wir [...] irgendeines der der Proustschen Gedächtnistheorie, dessen zentraler
obligaten Ausflugsziele besucht hatten, so pflegte mein Begriff zum »Inventar der vielfältig isolierten Privat-
Bruder zu sagen: ›Da wären wir nun gewesen.‹ Das person« gehört und »die Spuren der Situation, aus der
Wort hat sich mir unvergeßlich eingeprägt« (I, 1133). heraus er gebildet wurde« (I, 611), trägt, wird von Ben-
Die Reaktion des Bruders macht deutlich, daß das ab- jamin nicht weniger als Symptom gewertet, als das
gehakte Erlebnis eine mechanische Erinnerung hin- Bergsonsche Nachbild: »Proust konnte als ein beispiel-
terläßt, die mehr dem ›gehabt haben‹ gilt, als dem ei- loses Phänomen nur in einer Generation auftreten, die
gentlichen Erinnerungsobjekt. Demgegenüber steht alle leiblich-natürlichen Behelfe des Eingedenkens
das ›ungewollte‹ Denken, so Benjamins Übersetzung verloren hatte« (V, 490). Demgegenüber treten bei
des Proustschen Begriffs der mémoire involontaire, Benjamin für die »Erfahrung im strikten Sinn« im
nicht unter der Herrschaft des Gedächtnisses, sondern »Gedächtnis gewisse Inhalte der individuellen Vergan-
im Zeichen einer spontanen, nicht bewußt gesteuerten genheit mit solchen der kollektiven in Konjunktion«
Vergegenwärtigung. (Zu Adornos Vorschlag, diese (I, 611). Als Beispiel führt Benjamin die Sphäre der
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Theorie um ein dialektisches Glied – das Vergessen – Feste und Kulte an, deren Rituale die Ausschließlich-
zu erweitern und Benjamins Entgegnung vgl. I, 1131 keit von willkürlichem und unwillkürlichem Einge-
und 1134; zu Benjamins Rekurs auf Proust vgl. Müller denken aufheben. Neu eingeführt wird an dieser Stelle
Farguell 2001, 325–339; zum Begriff der Erinnerung der Begriff des Eingedenkens, der eine Möglichkeit der
bei Benjamin vgl. Schöttker 2000, 260–297). In bezug Aktualisierung von Vergangenheit anzeigt und die Ret-
auf die von Proust postulierte Zufälligkeit der mémoire tung der Erfahrung erhoffen läßt. Benjamin analysiert
volontaire, von der abhängt, »ob der einzelne von sich die Überwindung der Disjunktion von bewußter und
selbst ein Bild bekommt, ob er sich seiner Erfahrung unbewußter Erinnerung jedoch erst im 10. Kapitel
bemächtigen kann« (I, 610), betont Benjamin, es habe des Aufsatzes weiter, wo er den Baudelaireschen Cor-
»keineswegs etwas Selbstverständliches« (ebd.), in die- respondance-Begriff in das Koordinatensystem Berg-
ser Sache dem Zufall anheimgegeben zu sein, und son-Proust einträgt.
insistiert auf dem historischen Index dieser Erfahrung:
»Diesen ausweglos privaten Charakter haben die in-
neren Anliegen des Menschen nicht von Natur. Sie Freud – das Bewußtsein als Reizschutz
erhalten ihn erst, nachdem sich für die äußeren die
Chance vermindert hat, seiner Erfahrung assimiliert Zunächst sucht Benjamin eine »gehaltvollere[] Be-
zu werden« (ebd.). Als Grund für die Vereinzelung des stimmung« (I, 612) der von Proust in seiner Aneig-
Das Baudelaire-Buch 577

nung von Bergsons Gedächtnistheorie unternomme- gen widerspruchsfrei zu halten. Er schließt die Existenz
nen Unterscheidung zwischen bewußter und unbe- von Dauerspuren im System Wahrnehmung-Bewußt-
wußter Erinnerung. Zu diesem Zweck beruft er sich sein aus, denn »sie würden die Eignung des Systems
in einer – wie er betont – heuristischen Lektüre Freuds zur Aufnahme neuer Erregungen sehr bald einschrän-
auf den im Dezember 1920 erschienenen Aufsatz Jen- ken, wenn sie immer bewußt blieben« (Freud 1975,
seits des Lustprinzips, dessen spekulativen Charakter 235). Hinterließe der Erregungsvorgang eine Dauer-
Freud selbst schon hervorgehoben hatte (Freud 1975, spur im Bewußtsein, so wäre dieses innerhalb kürze-
234). Freuds Überlegungen zur Unvereinbarkeit von ster Zeit saturiert und nicht mehr in der Lage neue
Erinnerung und Bewußtsein führen die schon im frü- Erregungen aufzunehmen. Benjamin kondensiert nun
hen Entwurf einer Psychoanalyse (1885) skizzierten dieses Argument sowie die folgende physiologische
Hypothesen zur Einschreibung der Erregung im psy- Bezugnahme Freuds auf J. Breuers Überlegungen zur
chischen System fort und entwerfen »vielleicht die Besetzungsenergie und spitzt sie auf den Begriff des
größte Annäherung an eine Freudsche Theorie des Reizschutzes zu, der ihm den Anschluß an seine eigene
Bewußtseins« (Nägele 1998, 67; zu Benjamins Freud- Chocktheorie erlaubt. Das Bewußtsein habe »als Reiz-
lektüre vgl. Raulet 1998, 115–129). Die zur zweiten schutz aufzutreten« (I, 613), führt Benjamin aus und
Freudschen Topik gehörenden und vom Autor selbst zitiert den entsprechenden Freudschen Passus, unge-
als metapsychologisch bezeichneten Ausführungen, achtet der Tatsache, daß Freud den hypothetischen
die, wie Benjamin präzisiert, im Zusammenhang mit Gestus seiner Argumentation unterstrichen und seine
Freuds klinischer Arbeit an den Traumata der Kriegs- Bewußtseinstheorie spekulativ an einem »undifferen-
und Unfallneurotiker entstanden sind, postulieren das zierten Bläschen reizbarer Substanz« (Freud 1975, 236)
Entstehen des Bewußtseins »›an der Stelle der Erinne- entwickelt hatte. »Für den lebenden Organismus ist
rungsspur‹« (I, 612; Freud 1975, 235). Diese Mutma- der Reizschutz eine beinahe wichtigere Aufnahme als
ßung und ihre Weiterentwicklung durch Freuds Schü- die Reizaufnahme« (613; Freud 1975, 237). Benjamin
ler Theodor Reik, der als Gedächtnisfunktion den setzt nun seine Überlegungen mit dem Satz fort, der,
»Schutz der Eindrücke« bestimmt und der destrukti- um mit Freud zu sprechen, den ›Nabel‹ der Argumen-
ven Erinnerung gegenüberstellt (I, 612), macht Ben- tation ausmacht: »Die Bedrohung durch diese Ener-
jamin zum Ausgangspunkt seiner Argumentation. gien ist die durch Chocks. Je geläufiger ihre Registrie-
Dabei macht er sich die psychoanalytische Grundan- rung dem Bewußtsein wird, desto weniger muß mit
nahme zu eigen, »›Bewußtwerden und Hinterlassung einer traumatischen Wirkung dieser Chocks gerechnet
einer Gedächtnisspur‹« seien »›für dasselbe System werden« (ebd.). Auf den ersten Blick scheint sich diese
miteinander unverträglich‹« (ebd.; Freud 1975, 235). Annahme perfekt in Freuds von Benjamin auch zitierte
Freuds Annahme, Erinnerungsreste seien »›oft am Überlegungen zur Entstehung der Traumata einzufü-
stärksten und haltbarsten, wenn der sie zurücklassende gen, die »das Wesen des traumatischen Chocks ›aus
Vorgang niemals zum Bewußtsein gekommen ist‹« der Durchbrechung des Reizschutzes... zu verstehen‹«
(612 f.; Freud 1975, 235), wird von Benjamin in die sucht (ebd.). Wie Benjamin ganz richtig referiert, re-
Begrifflichkeit Prousts übertragen, derzufolge Be- sultiert die traumatische Erfahrung aus dem »Fehlen
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standteil der mémoire involontaire nur werden kann, der Angstbereitschaft« (ebd.; Freud 1975, 241). Fällt
»was nicht ausdrücklich und mit Bewußtsein ist ›er- das vorbereitende Moment der Angstbereitschaft weg,
lebt‹ worden, was dem Subjekt nicht als ›Erlebnis‹ ist, laut Freud, das System Wahrnehmung-Bewußtsein
wiederfahren ist« (613). Er gewinnt dadurch eine dop- nicht imstande, durch eine Überbesetzung »die letzte
pelte Bestätigung seiner Beobachtung, daß das abge- Linie des Reizschutzes« (Freud 1975, 241) zu verstär-
hakte Erlebnis, welches der Bruder in seinem Ausruf ken und die eindringende Erregungsmenge zu binden.
›Da wären wir nun gewesen‹ symptomatisch benannt Die Folge ist u. a. die zwanghafte Wiederholung des
hatte, keinerlei dauerhafte Spuren im Gedächtnis hin- traumatischen Ereignisses in Träumen, die »die Reiz-
terläßt. Kaum ausgesprochen und der Registratur des bewältigung unter Angstentwicklung nachzuholen«
Bewußtseins überantwortet, verliert das Erlebnis jeg- versuchen (ebd.; Freud 1975, 241). Bei genauerem
liche Bedeutung, da es – wie Freud es ausdrückt – »im Hinsehen erweist sich jedoch, daß Benjamin eine Reihe
›Phänomen des Bewußtwerdens verpufft‹« (612; Freud unorthodoxer Bedeutungsverschiebungen durchfüh-
1975, 235). ren muß, um die Freudschen Konzepte mit seiner ei-
Wie ist diese neutralisierende Funktion des Bewußt- genen Terminologie in Übereinstimmung zu bringen.
seins zu erklären? Freud argumentiert zunächst rein So behält z. B. Benjamin aus naheliegenden Gründen
ökonomisch, wobei er, getreu seiner spekulativen Aus- den Chockbegriff bei, obwohl Freud selbst zwischen
gangsposition, vor allem bestrebt ist, seine Überlegun- einer molekularen oder histologischen Schädigung
578 Dichtungsanalyse und Autorbild

durch mechanische Gewalteinwirkung, wie sie die tung in einer Erfahrung fundiert sein könnte, der das
»alte, naive Lehre vom Schock« (Freud 1975, 241) po- Chockerlebnis zur Norm geworden ist« (ebd.).
stuliert, und einer psychoanalytischen Auffassung der Benjamins Antwort, daß eine solche Dichtung »ein
Reizdurchbrechung, die mit der »rohsten Form der hohes Maß von Bewußtheit erwarten lassen« müßte
Schocktheorie nicht identisch« (ebd.) ist, unterschei- (ebd.), eröffnet eine Perspektive, die in den folgenden
det. Als noch problematischer jedoch erweist sich die Kapiteln ausgeführt wird.
Frage, wie genau der Bezug zu klären ist zwischen ei- Vor allem aber analysiert er die schon im ersten Auf-
nerseits dem Normalfall der Reizaufnahme eines nicht satz interpretierte Anfangsstrophe aus Le soleil mit
geschädigten Bewußtseins, zum anderen der Krisensi- ihrer Beschreibung der fantasque escrime vor dem Hin-
tuation einer traumatischen Reizschutzdurchbre- tergrund von Baudelaires Aussagen zu Constantin
chung, die einen pathogenen Sonderfall darstellt, und Guys ekstatischer Chockparade (vgl. I, 616; vgl. I,
schließlich der von Benjamin postulierten moderne- 570 f.). Wie im Paris des Second Empire leitet er
spezifischen Chockerfahrung als historisch indiziertem dann über zum »innigen Zusammenhang, der bei Bau-
Dauerzustand. Benjamin versucht seinen Chockbegriff delaire zwischen der Figur des Chocks und der Berüh-
zunächst der normalen Reizbewältigung anzunähern, rung mit den großstädtischen Massen besteht« (618)
die – wie er im Rekurs auf Freud referiert – durch ein und der sich seiner Prosodie einschreibt, ohne daß das
»Training« (I, 614) erleichtert wird und der »Reizauf- Bild der Menge in den Gedichten der Fleurs du Mal
nahme die günstigsten Verhältnisse« entgegenbringe auftaucht. Die Beobachtungen und körperlich-hapti-
(ebd.; Freud 1975, 236). Hieran knüpft er nun sein schen Erfahrungen, die Poes Mann der Menge und
eigenes Verständnis der Reizabwehr: »Daß der Chock Baudelaires Flaneur Guys im großstädtischen »Reser-
derart abgefangen, derart vom Bewußtsein pariert voir elektrischer Energie« (630) machen, unterwerfen
werde, gäbe dem Vorfall, der ihn auslöst, den Charak- »das menschliche Sensorium einem Training komple-
ter des Erlebnisses im prägnanten Sinne« (ebd.). Zu xer Art« (ebd.) und bilden die Voraussetzungen für
bemerken ist jedoch, daß aus Freudscher Sicht das den reflektorischen Charakter. Solchermaßen vorbe-
Parieren des Chocks gar nicht denkbar ist, da der reitet auf technische und apparative Entwicklungen
Chockbegriff notwendig das Durchbrechen der Reiz- wie den Film, in dem die »chockförmige Wahrneh-
abwehr impliziert. Die gelungene Abwehr des Erre- mung als formales Prinzip zu Geltung« kommt (631),
gungsvorganges durch das Bewußtsein fällt bei Freud ist das moderne Subjekt für die Nutzung im industri-
ganz einfach unter die alltägliche Reizaufnahme und ellen Produktionsprozeß prädestiniert. Als Arbeitskraft
-abfuhr. Indem Benjamin die gängige Reizabwehr zur am Fließband wird es zu einem integralen Bestandteil
Chockabwehr aufwertet, dramatisiert er das normale der Maschine und verinnerlicht ihren monotonen
Funktionieren des Bewußtseins in der Moderne und Rhythmus. Die entwürdigende »Dressur des Arbeiters«
verleiht ihm eine fast pathologische Dimension (zur (ebd.), dessen Tun völlig »gegen Erfahrung abgedich-
Diskussion über die zu negative Darstellung der tet« (632) ist und an dem die Übung, die im vorindu-
Moderne in ihrer lebensweltlichen und urbanen Aus- striellen Handwerk noch entscheidend die Arbeit de-
prägung vgl. Jauß 1970, 57–66; Menninghaus 1980, finierte, »ihr Recht verloren« hat (ebd.), macht ihn zu
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261 f.). einem menschlichen Fortsatz der maschinellen Appa-


Nicht die Moderne als Krankheit ist jedoch der ratur. Die Monotonie seiner repetitiven Gesten ver-
Fluchtpunkt von Benjamins Argumentation, sondern deutlicht, daß, wie Marx formuliert, »nicht der Arbei-
die Bedeutung der permanenten Reizeinwirkung, die ter die Arbeitsbedingung, sondern umgekehrt die
sie für das Bewußtsein des lyrischen Dichters hat. So Arbeitsbedingung den Arbeiter anwendet« (631). In
mündet der Kommentar, in dem der abgefangene der Marxschen Analyse des kapitalistischen Arbeits-
Chock als Erlebnis definiert wurde, direkt in den poe- prozesses sieht Benjamin die Bestätigung seiner
tologischen Zusatz: »Es würde diesen Vorfall (unmit- Gleichsetzung zwischen dem Chockerlebnis des Pas-
telbar der Registratur der bewußten Erinnerung ihn santen in der Menge, das diese zu Automaten dressiert,
einverleibend) für die dichterische Erfahrung sterili- und dem reflektorischen »Mechanismus, den die Ma-
sieren« (I, 614). Dem Erlebnis, das als genormter und schine am Arbeiter« (632) in Bewegung setzt. Beide
abrufbarer Vorfall im Bewußtsein abgelegt wird, ist wiederum weisen eine Gemeinsamkeit mit einem drit-
seine bedeutungsstiftende Qualität für die dichterische ten, die entleerte Zeitlichkeit der Moderne exemplifi-
Erfahrung abhanden gekommen. Und folgerichtig ist zierenden Phänomen auf, dem Hasardspiel. Auch hier
denn auch die zentrale, den Fluchtpunkt aller sozial- handelt es sich um eine Tätigkeit, die in ihrer unend-
historischer und epistemologischer Überlegungen lich wiederholbaren Struktur keinerlei Entwicklungs-
darstellende Frage für Benjamin: »wie lyrische Dich- möglichkeit durch die Ablagerung von Erfahrung
Das Baudelaire-Buch 579

bietet. Statt die Vergangenheit mit einzubeziehen, ist Gerade weil Baudelaire voll ermessen konnte, »was der
im Glücksspiel jeder Zug immer wieder neu der erste Zusammenbruch eigentlich bedeutete, dessen er, als
– und zugleich unaufhörliche Repetition. Diese In- ein Moderner, Zeuge war« (ebd.), und ihm das Wissen
haltsleere, die dem Takt des Sekundenzeigers folgend darum, daß der symbolische Rückzug in die Sphäre
sich in unendlichen Wiederholungen von Einzelmo- des Kultischen nicht dauerhaft gelingen kann, nicht
menten verdinglicht, lastet schwer auf der »höllischen« weniger Anlaß zu lyrischem Schaffen war, als sein re-
Zeit, »in der sich die Existenz derer abspielt, die nichts, staurativer Wille, kommt den Fleurs du Mal ihre her-
was sie in Angriff genommen haben, vollenden dür- ausragende geschichtliche Bedeutung zu. »Unverwech-
fen« (635). selbar sind sie [...] darin, daß sie der Unwirksamkeit
des gleichen Trostes, daß sie dem Versagen der gleichen
Inbrunst, daß sie dem Mißlingen des gleichen Werks
Correspondance und Eingedenken Gedichte abgewonnen haben, die hinter denen in
nichts zurückstehen, in denen die correspondances
Das 10. Kapitel entwickelt im Rekurs auf den Baude- ihre Feste feiern« (641).
laireschen Correspondance-Begriff eine Vorstellung
erfüllter Zeitlichkeit, die der höllischen Zeit der Mo-
derne entgegengesetzt wird. Dabei zeigt Benjamins Spleen und Aura
Argumentation deutlich, daß er sich die rettende In-
tention der Correspondances genauso zu eigen macht, Dem a-historischen Gelingen von bedeutsamem Ein-
wie das melancholische Wissen um ihr Scheitern, mit gedenken in den Korrespondenzen entspricht das ge-
dem der Aufsatz schließt. Die Interpretation der Cor- schichtlich indizierte Mißlingen der Erfahrung, das
respondances, die erst relativ spät erfolgt, ist, wie Beryl seinen Ausdruck im spleen findet. »Das idéal spendet
Schloßmann zu Recht bemerkt, die »strategische Kli- die Kraft des Eingedenkens; der spleen bietet den
max« (Schloßmann 1992, 550) des Textes. Entschei- Schwarm der Sekunden dagegen auf« (I, 641). Die
dend ist für Benjamin die besondere Zeitlichkeit der temporale Wahrnehmung im spleen ist eine doppelte.
Correspondances, die er außerhalb der geschichtlichen Indem sie das moderne Subjekt einer unendlichen
Zeit verortet. »Die correspondances sind die Data des Folge isolierter zeitlicher Momente aussetzt, führt sie
Eingedenkens. Sie sind keine historischen, sondern zu einer Intensivierung des Zeitgefühls. »Im spleen ist
Data der Vorgeschichte« (I, 639). Diese Residuen einer die Zeitwahrnehmung übernatürlich geschärft; jede
idealen Zeit schlagen sich in jenen seltenen Tagen des Sekunde findet das Bewußtsein auf dem Plan, um ih-
Eingedenkens nieder, in denen die »Begegnung mit ren Chock abzufangen« (642). Diese ständige ›Alarm-
einem früheren Leben« (ebd.) spürbar wird, und die bereitschaft‹ des Bewußtseins macht auch verständlich,
Baudelaire in »La vie antérieure« beschwört. Sie ragen warum der spleen das Gefühl ist, »das der Katastrophe
aus der leeren, geschichtslosen Zeit der Moderne, die in Permanenz entspricht« (660). Zugleich jedoch führt
in einer Aneinanderreihung isolierter Erlebnisse da- die unendliche Sektionierung der Zeit zu ihrer völligen
hinfließt, heraus und beinhalten einen Begriff der Nivellierung. »Im spleen ist die Zeit verdinglicht; die
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Erfahrung, »der kultische Elemente in sich schließt« Minuten decken den Menschen wie Flocken zu. Diese
(638). Zwar versucht Baudelaire in der Rückbindung Zeit ist geschichtslos, wie die der mémoire involon-
der Correspondances an den Bereich des Kultischen, taire« (642). Als »mentaler Regulator«, wie es in einer
die Erfahrung entgegen der zersetzenden Wirkung der von Benjamin zitierten Poe-Erzählung heißt, generiert
Moderne als »krisensicher zu etablieren« (ebd.), doch das Bewußtsein den »leeren Zeitverlauf, dem das Sub-
kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich jekt im spleen ausgeliefert ist« (ebd.). Die leere Zeit
dabei nur noch um den Nachklang eines vergangenen, fließt nicht einfach dahin, sie gerinnt und verdinglicht
brüchig gewordenen Erfahrungsmodus handelt. In sich, um so, zugleich schwerelos und bedrückend, auf
Benjamins Interpretation sind also auch die Korre- dem Menschen zu lasten. Diese doppelte Verfassung
spondenzen ein weiteres ›Nachbild‹ einer verlorenen der Zeit ist es auch, die den Spleen zu einem integralen
Zeit und ihrer absoluten Präsenz, nicht anders als Bestandteil von Benjamins Theorie der Melancholie
Bergsons Philosophie oder Prousts mémoire involon- macht. Dem Subjekt der Moderne rinnt die Zeit un-
taire. Noch einmal beschwören sie das erfüllte Bild aufhaltsam aus den Händen. Sie läßt sich nicht still-
einer Erfahrung, in der individuelle und kollektive stellen im Moment bewußten Eingedenkens oder ab-
Erinnerung zusammenfallen, doch ihre resignative lagern, in der Hoffnung auf kumulative Erfahrung, die
Schönheit verdankt sich dem Bewußtsein, »einem un- als Bedingung von Tradition fungiert. Kaum gelebt, ist
wiederbringlich Verlorenen gewidmet« (ebd.) zu sein. der Augenblick auch schon wieder Vergangenheit,
580 Dichtungsanalyse und Autorbild

ohne je Gegenwart gewesen zu sein. »Der spleen legt des auratischen Bildes. Genau diese für Ritual und Kult
Jahrhunderte zwischen den gegenwärtigen und den konstitutive Ferne sieht Benjamin nun durch die Tech-
eben gelebten Augenblick« (661; zu Benjamins Theo- nisierung und Medialisierung der Reproduktionstech-
rie der Melancholie vgl. Bock 2000, 161). niken vom Verschwinden bedroht. Die beliebige Ver-
Um sich nicht vom Monster des ennui verschlingen vielfältigung des Kunstwerks läßt den Begriff der Ein-
zu lassen, werden verschiedene Praktiken gegen den maligkeit oder Originalität genauso obsolet erscheinen
spleen aufgeboten: »Hasardspiel, Flanieren, Sammeln« wie seine noch aus der religiösen oder kultischen
(I, 668). Es handelt sich um einen Versuch, die leere Sphäre stammende Unnahbarkeit, die unter dem ope-
Zeit zu füllen und den Wegfall symbolischer Erfahrung rativen Zugriff moderner Apparaturen zertrümmert
zu kompensieren bzw. phantasmagorisch zu verschlei- wird. Benjamins Argumentation wendet sich dann
ern. Mit Hilfe der Phantasmagorien versucht das Sub- jedoch einem Spezifikum der früheren optischen Ap-
jekt, sich über die modernespezifischen Verluste – Ver- parate zu, vor deren Hintergrund ein charakteristisches
kümmerung der Erfahrung, Verlust der Tradition und Motiv der Baudelaireschen Dichtung eine ganz eigene
kultischer Momente, Zertrümmerung der Aura etc. – Bedeutung entfaltet: Es handelt sich um die Tatsache,
mit genuin modernen Verfahren, die jedoch auf die daß der durch die ausgiebige Belichtungszeit noch ver-
Restitution vormoderner Zustände zielen, hinwegzu- längerte Blick des Portraitierten in den Apparat vom
trösten. Benjamins Kommentar hierzu ist jedoch un- Objektiv nicht zurückgegeben wird. Wie Benjamin
widerruflich: »Für den, der keine Erfahrungen mehr hervorhebt, wohnt dem Blick »aber die Erwartung
machen kann, gibt es keinen Trost« (642). Diese Trost- inne, von dem erwidert zu werden, dem er sich schenkt.
losigkeit der Moderne ist den Fleurs du Mal mit gna- Wo diese Erwartung erwidert wird [...] da fällt ihm die
denloser Klarheit eingeschrieben. Baudelaire verdankt Erfahrung der Aura in ihrer Fülle zu« (I, 646).
sie seinem Bewußtsein von der unwiderruflichen Zer- Die Betonung Benjamins liegt also auf dem Vermö-
trümmerung der Aura. »Baudelaires spleen ist das gen der Blickerwiderung als konstitutives Merkmal
Leiden am Verfall der Aura« (V, 433) formuliert Ben- auratischer Erfahrung. Bezeichnenderweise wird nun
jamin im Passagen-Werk und in Über einige Motive dieses Vermögen in den Gedichten Baudelaires, dessen
bei Baudelaire leitet dieser Gedanke zum 11. Kapitel Lyrik »im Verfall der Aura eins ihrer Hauptmotive« hat
über den Verlust der Aura über: »Mit Schrecken sieht (1187), als Verlorenes beschrieben. Baudelaire evoziert
der Schwermütige die Erde in einen bloßen Naturzu- metallene, stumpfe, kristalline oder spiegelnde Augen,
stand zurückfallen. Kein Hauch von Vorgeschichte denen die Fähigkeit, den Blick aufzuschlagen und zu
umwittert sie. Keine Aura« (I, 643 f.). erwidern, abhandengekommen ist und die so vom
Benjamin nimmt hier seine Überlegungen aus dem Verlust der Aura zeugen. Zwar betont Benjamin, daß
Kunstwerk-Aufsatz zur Entauratisierung in der Mo- Baudelaire die »Chiffre« der blicklosen Augen »nicht
derne wieder auf, um sie aus einer deutlich skeptische- planmäßig eingesetzt hat« (648), doch läßt er keinen
ren Perspektive zu beleuchten. Er führt den Begriff der Zweifel daran, daß an den Fleurs du Mal der Preis, »um
Aura zunächst in Zusammenhang mit den bislang ent- welchen die Sensation der Moderne zu haben ist: die
wickelten Konzepten ein und definiert sie als die in der Zertrümmerung der Aura im Chockerlebnis« (653),
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mémoire involontaire beheimateten Vorstellungen, die abzulesen ist. An dieser Stelle wird denn nun auch
sich, um den Gegenstand einer Anschauung gruppie- vollends klar, warum Baudelaire, »der Verfasser dieser
ren (vgl. 644). Die Verortung in der mémoire involon- Niederschriften«, kein Flaneur sein kann, ist ihm doch
taire macht deutlich, daß die Aura nicht intentional »der Schein einer in sich bewegten, in sich beseelten
abrufbar ist und sich auch nicht in einer bewußten Menge, in den der Flaneur vergafft war, ausgegangen«
Bedeutungszuweisung erschöpft. Dieses Verständnis (652). Anders als der echte Flaneur, dem sich die Men-
der Aura wird im folgenden am Beispiel des Kunst- schenmenge wie ein Schleier verklärend über die un-
werks überprüft, dessen auratische Qualität gerade menschliche Realität der modernen Großstadt legt,
darin besteht, daß seine Betrachtung sich nicht auf entsagt Baudelaire jeglicher phantasmagorischer Ver-
seine Wahrnehmung oder Verfügbarmachung reduzie- söhnung. Der »christliche Baudelaire«, der zu Beginn
ren läßt. Benjamin faßt diese Dimension der Aura in des Textes von »lauter jüdischen Engeln« in den Him-
einem Selbstzitat aus dem Kunstwerk-Aufsatz zusam- mel gehoben wird, so als sei eine Form messianischer
men, das sie als »einmalige Erscheinung einer Ferne« Erlösung durch das Eingedenken möglich, wird »im
(647) begreift (zum Begriff der Aura vgl. Fürnkäs 2000, letzten Drittel der Himmelfahrt, kurz vor dem Eingang
95–146; Stoessel 1983). Diese Bestimmung, die »den in die Glorie, wie von ungefähr fallen« gelassen (6, 317;
kultischen Charakter des Phänomens transparent« (I, zur spezifisch jüdischen Dimension des Eingedenkens
647) macht, beruht wesentlich auf der Unnahbarkeit vgl. Münster 1992, 1140–1141).
Das Baudelaire-Buch 581

»Zentralpark« sen, findet Benjamin in der Baudelaireschen Lyrik


wieder, wenn auch in einer für die 2. Hälfte des 19. Jh.s
Die fragmentarischen Notizen aus Zentralpark sind spezifischen Form. »Die allegorische Anschauungs-
in Zusammenhang mit der Arbeit an seinem ursprüng- weise ist immer auf einer entwerteten Erscheinungs-
lich geplanten Buch über Baudelaire entstanden. Teil- welt aufgebaut. Die spezifische Entwertung der Ding-
weise identisch mit dem Konvolut J des Passagen- welt, die in der Ware darliegt, ist das Fundament der
Werks und als Materialsammlung für den ersten und allegorischen Intention bei Baudelaire« (1151). Und
dritten Teil des Baudelaire-Buches vorgesehen, enthal- nicht zuletzt ist es Baudelaires Bewußtsein von der
ten die Zentralpark-Notate auch eine Reihe von aktuellen Krisensituation, deren ästhetische und poli-
Fragmenten, die in das Paris des Second Empire bei tische Umwälzungen eine der Frühen Neuzeit ver-
Baudelaire Eingang gefunden haben. Bei den Frag- gleichbare Umbruchssituation schaffen, in der Benja-
menten handelt es sich teilweise um entscheidende, min den idealen Nährboden für eine moderne Aus-
auf Notizform konzentrierte Reflexionen Benjamins, prägung des destruktiven Charakters und seiner
oder auch um metatextuelle Überlegungen, an denen allegorischen Intention sieht.
die Strukturierungsarbeit sichtbar wird, die Benjamin Hervorzuheben ist jedoch, daß dieser Epochenbruch
dem Materialfundus aus dem Passagen-Baudelaire- und die damit einhergehende gesellschaftliche und
Komplex angedeihen läßt (vgl. Espagne 1996, 43–58). geistesgeschichtliche Instabilität von Benjamin aufs
Der Titel der Notizsammlung geht, laut Adorno, auf nachdrücklichste historisch präzisiert werden. Für das
Benjamin selbst zurück und verweist auf die zentrale Verständnis der allegorischen Form bei Benjamin ist
Bedeutung der Fragmente. Es handelt sich weiter um dies ein zentraler Aspekt: Trotz, bzw. gerade wegen
eine Anspielung auf Benjamins New Yorker Projekte, Benjamins Beschäftigung mit dem barocken Trauer-
zu denen die Anmietung einer Wohnung am Central- spiel, dessen privilegierte Ausdrucksform die Allegorie
Park gehörte. darstellt, handelt es sich bei seinem Interesse für die
Die Zentralpark-Fragmente sind vor allem drei allegorische Betrachtungsweise bei Baudelaire nicht
Themen gewidmet: der Allegorie des 19. Jh.s in ihrem um eine simple Applikation eines feststehenden Kon-
Verhältnis zur Ware, der »charakterologischen« Be- zeptes auf die Moderne des 19. Jh.s. Wie vielfach betont
stimmung des Allegorikers im spleen (vgl. Lindner wurde (Lindner 2000, 50–52; Menninghaus 1980,
2000, 70–81, hier: 72) und der Frage der Sexualität mit 141–143; Steinhagen 1979, 666–685), entwickelt Ben-
ihren modernespezifischen Formen der Impotenz, der jamin seine Begriffe am historischen Gegenstand und
lesbischen Liebe und der Prostitution. in strenger Bezugnahme auf die werk- und entste-
Benjamin rekurriert in den Baudelaire-Studien auf hungsgeschichtlichen Hintergründe. Dazu gehört die
den Allegorie-Begriff, da er in den Fleurs du Mal eine Betonung darauf, daß die allegorische Anschauung im
Reihe von poetologischen und sozialgeschichtlichen 19. Jh. nicht mehr, wie im Barock, »stilbildend« (I,
Phänomenen sieht, deren Verbindung auf die »allego- 690), und Baudelaire daher kunstgeschichtlich isoliert
rische Intention« Baudelaires schließen lassen. Dazu war. Auch Benjamins Insistieren auf der Tatsache, daß
gehören die Fundierung seiner Lyrik in der Melancho- der Autor der Fleurs du Mal »keine Schule gehabt«
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lie, zu deren Beschreibung Benjamin auf ihr barockes habe (659) und seine allegorische Praxis als »›unzeit-
Verständnis zurückgreift. Die Einordnung Baudelaires gemäße‹ Verhaltungsweise« (677) zu betrachten sei,
als Melancholiker hängt eng mit seiner Charakterisie- lassen klar erkennen, daß Benjamins Interpretation
rung als Grübler zusammen. Benjamin bestätigt dem der allegorischen Form in den Fleurs du Mal keinesfalls
Lyriker, ein »schlechter Philosoph, ein guter Theore- als Versuch zu werten ist, eine allgemeingültige Theo-
tiker, unvergleichlich aber [...] allein als Grübler« (I, rie der Allegorie für das 19. Jh. zu entwickeln. Vielmehr
669) gewesen, und so zum Allegoriker prädestiniert zu handelt es sich um die Analyse eines lyrischen Werks,
sein: »Der Grübler als geschichtlich bestimmter Typus das seismographisch künstlerische und sozialge-
des Denkers ist derjenige, der unter den Allegorien zu schichtliche Tendenzen der Epoche aufzeichnet und
Hause ist« (ebd.). Auch das strukturelle Prinzip der auf singuläre Weise verarbeitet. Mehrere Notizen be-
barocken Allegorese, die in einer Doppelbewegung die nennen den konkreten ästhetischen und epistemolo-
Dinge aus ihrer natürlichen, kreatürlichen Bedeutung gischen Kontext, aus dem heraus die Baudelairesche
herausschält – »[d]as von der allegorischen Intention Allegorie entsteht. »Die Einführung der Allegorie ant-
Betroffene wird aus den Zusammenhängen des Lebens wortet auf ungleich bedeutungsvollere Art der gleichen
ausgesondert: es wird zerschlagen und konserviert Krise der Kunst, der um 1852 die Theorie des l’art pour
zugleich« (666) – um ihnen als entwerteten, abgestor- l’art entgegenzutreten bestimmt war. Diese Krisis der
benen Gegenständen eine neue Bedeutung zuzuwei- Kunst hatte sowohl in der technischen wie in der po-
582 Dichtungsanalyse und Autorbild

litischen Situation ihre Gründe« (I, 659, vgl. auch der Ware« annimmt, zielt nun die Reklame darauf,
685). »den Warencharakter der Dinge zu überblenden« (I,
Die Zentralpark-Fragmente zur Allegorie kreisen 671). Diese phantasmagorische Verklärung der Ware,
denn auch um die konkreten geschichtlichen Gründe die ihr den Anschein eines individuellen Wesens und
dieser Krise, in denen naturgemäß der entscheidende eines authentischen Wertes verleihen möchte, wird
Unterschied zur barocken Allegorie, zugleich aber auch zum Gegenstand von Baudelaires allegorischer Inten-
der eigentliche Grund für die Verwendung des Allego- tion. »Der trügerischen Verklärung der Warenwelt
riebegriffs liegt. Sie beruht darauf, daß »[d]ie Entwer- widersetzt sich ihre Entstellung ins Allegorische«
tung der Dingwelt in der Allegorie [...] innerhalb der (ebd.). Mehrfach hebt Benjamin die Versuche des Ly-
Dingwelt selbst durch die Ware überboten« (660) wird. rikers hervor, den so harmonischen wie trügerischen
Die der Allegorese zugrundeliegende Dequalifizierung Schein der Dinge in Trümmer zu legen (vgl. I, 1138
der Gegenstände, durch die diese für den Allegoriker und 1144). Diese Notizen lassen erkennen, wie die
verwertbar werden, wird also in der hochkapitalisti- »Auslöschung des Scheins« (670) vonstattenzugehen
schen Industrie- und Konsumgesellschaft noch über- hat: »Majestät der allegorischen Intention: Zerstörung
schritten. Dabei haben wir es nicht nur mit einem des Organischen und Lebendigen« (669 f.). Das Her-
quantitativen Schub, sondern auch mit einem quali- ausreißen der Dinge aus ihren organischen Zusam-
tativen Sprung zu tun, der den Allegoriebegriff völlig menhängen, das Benjamin als charakteristisch für die
neu ›konfiguriert‹ und seine kunstwissenschaftliche Ausstellung der Waren deutet, »ist ein für Baudelaire
Fundierung durch eine materialistische ersetzt. »Die sehr kennzeichnendes Verfahren« (670). Es erklärt
Embleme kommen als Waren wieder« (681), formu- auch Baudelaires Vorliebe für »das Motiv der Andro-
liert Benjamin und meint damit, daß sich die dem gyne, der Lesbischen, der unfruchtbaren Frau« und die
barocken Allegoriebegriff inhärente Entwertung der »Absage an das ›Natürliche‹« (661), die Benjamin
Dinge im 19. Jh. nicht mehr dem selbstverständlich durch die Wahl der Großstadt als privilegiertes Sujet
gegebenen religiösen Bezugsrahmen von kreatürlicher des Dichters illustriert sieht. In ihnen manifestiert sich
Vergänglichkeit und Todverfallenheit verdankt, son- die Verweigerung eines im Hochkapitalismus besten-
dern als gesellschaftlich produzierte das Ergebnis mo- falls anachronistischen Produktionszusammenhanges,
derner ökonomischer Arbeits- und Erzeugungspro- der auf seine Naturgegebenheit pocht. Die Natur kann
zesse darstellt. »Die Umfunktionierung der Allegorie nicht länger ein Refugium des versöhnenden Scheins
in der Warenwirtschaft ist darzustellen« (671), fordert sein, nicht zuletzt, weil der »sichernde«, unzähligen
nun Benjamin und führt im Rekurs auf Marx’ polit- optischen Stimuli ausgesetzte Blick im Angesicht der
ökonomische Überlegungen aus, wie die unter dem Moderne »der träumerischen Verlorenheit an die
Vorzeichen von Entfremdung und Verdinglichung ste- Ferne« enträt (650). Dieser »Verzicht auf den Zauber
hende Entwertung der Ware und ihre anschließende der Ferne« (670) ist nichts anderes als das Einverständ-
willkürliche Neubewertung zu einer modernen Form nis mit dem Verfall der Aura. Wie Benjamin lapidar
allegorischer Praxis wird. »Der Allegoriker greift bald bemerkt, sind »die Scheinlosigkeit und der Verfall der
da bald dort aus dem wüsten Fundus, den sein Wissen Aura [...] identische Phänomene« (ebd.), in deren
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ihm zur Verfügung stellt, ein Stück heraus, hält es ne- Dienst Baudelaire das Kunstmittel der Allegorie stellt.
ben ein anderes und versucht, ob sie zu einander pas- Hier deutet sich nun die zentrale Signifikanz des
sen: jene Bedeutung zu diesem Bild oder dieses Bild Chockprinzips an, das in diesem Zusammenhang, als
zu jener Bedeutung. Vorhersehen läßt das Ergebnis entauratisierende und zugleich allegorische Praxis
sich nie; denn es gibt keine natürliche Vermittelung seine Bedeutung voll entfaltet hätte.
zwischen den beiden. Ebenso aber steht es mit Ware Bedeutet dies nun, daß Baudelaire, durchaus in der
und Preis. [...] Ganz ebenso ergeht es dem Gegenstand Tradition der barocken Allegorese, mit der Auslö-
in seiner allegorischen Existenz. [...] In der Tat heißt schung des Scheins auf ein rettendes Moment zielt?
die Bedeutung der Ware: Preis; eine andere hat sie, als (Zur Rettung im Zeichen der frühneuzeitlichen Alle-
Ware, nicht« (V, 466; vgl. Zschachlitz 1991). Im Zuge gorie vgl. Lindner 2000, 61–69; Kaulen 2000, 639–642).
der von Marx konstatierten willkürlichen Preisgestal- Benjamin verneint dies, zumindest, was Baudelaires
tung der Ware, die nach nicht mehr nachvollziehbaren bewußte Intention angeht. »Dem destruktiven Impuls
und vom realen Gebrauchswert unabhängigen Krite- Baudelaires ist nirgends an der Abschaffung dessen
rien erfolgt, erhebt sich der Tauschwert zu ihrer einzi- interessiert, was ihm verfällt« (I, 666). Der »Ingrimm[]«
gen, und nach Benjamin allegorischen Bedeutung. (671), mit dem Baudelaire sich an die Zertrümmerung
In dem Maße, wie die »gegenständliche Umwelt des des Natürlichen und Auratischen macht, ist nicht ge-
Menschen [...] immer rücksichtsloser den Ausdruck tragen von der Hoffnung auf Transzendenz. Anders als
Das Baudelaire-Buch 583

in der barocken Allegorie, die den Substanzverlust und Erfahrung und Armut (II, 213–219)
Der Erzähler (II, 438–465)
die Vergänglichkeit alles Seienden auf die Spitze treibt, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Re-
um ein Umschlagen und eine Restitution von Sinn zu produzierbarkeit (I ,431–470)
provozieren, wird der seines Scheins entkleidete und Das Passagenwerk (V)
entwertete Gegenstand in den Baudelaire-Studien Ursprung des deutschen Trauerspiels (I, 203–409)
nicht zu einem Hoffnungsträger, der eine ›neue‹, wo-
möglich politische Bedeutung verspricht. Daran läßt Literatur
Abensour, Miguel (1986): »W. Benjamin entre mélancolie et
sich einerseits die Distanz zum Trauerspielbuch, aber
révolution. Passages Blanqui«, in: Heinz Wismann (Hg.):
auch zum Kunstwerk-Aufsatz und seiner sehr viel opti- Walter Benjamin et Paris. Colloque international 27–29
mistischeren Einschätzung des Auraverlustes ermes- juin 1983, Paris, 219–247.
sen. Adorno, Theodor W. (1990): Über Walter Benjamin, Frank-
furt a. M.
Arabatzis, Stavros (1998): Allegorie und Symbol. Untersu-
chung zu Walter Benjamins Auffassung des Allegorischen
Die Bedeutung der Baudelaire-Studien in ihrer Bedeutung für das Verständnis von Werken der
Bildenden Kunst und Literatur, Regensburg.
Arendt, Hannah (1971): Benjamin, Brecht. Zwei Essays, Mün-
Die herausragende Bedeutung, die den Baudelaire- chen.
Arbeiten im Kontext der Benjamin-Forschung zu- Baudelaire, Charles (1975/1976): Œuvres Complètes, 2 Bde,
kommt, verdankt sich vor allem zwei Aspekten. Zum hg. v. Claude Pichois, Paris.
einen handelt es sich bei diesen Texten um die einzigen Bock, Wolfgang (2000): Walter Benjamin – Rettung der Nacht.
Sterne, Melancholie und Messianismus, Bielefeld.
ausgearbeiteten Schriften aus dem Umfeld der Passa- Bohrer, Karl-Heinz (1996): Der Abschied. Theorie der Trauer,
gen-Arbeit. Anhand der Baudelaire-Studien läßt sich Frankfurt a. M.
somit die Differenz zwischen den Aufzeichnungen und Bolle, Willi (1999): »Geschichtsschreibung als ästhetische
Materialien und den durchgearbeiteten Texten ermes- Passion«, in: Literaturforschung heute, hg. v. Eckart Goe-
bel/Wolfgang Klein, Berlin, 98–111.
sen. Indem die Baudelaire-Texte also exemplarisch Bolle, Willi (2000): »Geschichte«, in: Opitz/Wizisla 2000, Bd.
veranschaulichen, wie die Ausarbeitung der Passa- 2, 399–442.
gen–Konvolute aussehen kann, erlauben sie wertvoll- Buck-Morss, Susan (1991): The Dialectics of Seeing. Walter
ste Aufschlüsse über Benjamins Projekt einer philoso- Benjamin and the Arcades Project, Cambridge/London.
Espagne, Michel/Michael Werner (1984): »Vom Passagen-
phisch-ästhetischen Erschließung des 19. Jh.s. Gerade Projekt zum ›Baudelaire‹. Neue Handschriften zum Spät-
hierin liegt nun der zweite, heute oft nur unzulänglich werk Walter Benjamins«, in: Deutsche Vierteljahrsschrift
wahrgenommene Punkt, der die Bedeutung der Bau- für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 58. Jg., H.
delaire-Texte ausmacht. Dem hochgesteckten episte- 4, 593–657.
Espagne, Michel/Michael Werner (1986): »Les manuscrits
mologischen und ästhetischen Anspruch des Trauer- parisiens de Walter Benjamin et le Passagen-Werk«, in:
spielbuchs in nichts nachstehend, handelt es sich bei Heinz Wismann (Hg.): Walter Benjamin et Paris. Colloque
den Baudelaire-Studien um den Versuch, ein lyrisches international 27–29 juin 1983, Paris, 849–882.
Werk, so wie es ins 19. Jh. »eingebettet ist« (I, 1072), Espagne, Michel/Michael Werner (1987): »Bauplan und be-
wegliche Struktur im ›Baudelaire‹. Zu einigen Kategorien
zu deuten und mittels einer kühnen Marxrezeption von Benjamins ›Passagen-Modell‹«, in: Recherches germa-
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auf die Überbauphänomene seiner Zeit zu beziehen. niques Nr. 17, 93–120.
Die Vielfalt der sozialökonomischen, gattungs- bzw. Espagne, Michel (1996): »Philologie et herméneutique:
l’exemple de Zentralpark«, in: Etudes Germaniques 51. Jg.,
kulturgeschichtlichen und historischen Reflexionen,
Nr. 1, 43–58.
die einen »perspektivisch gegliederten Durchblick in Ferguson, Priscilla Parkhurst (1994): Paris as a Revolution.
die Tiefe des neunzehnten Jahrhunderts« (1078) er- Writing the 19th-Century City, Berkely/Los Angeles/Lon-
lauben, schaffen eine »philosophische Bogenspan- don.
Freud, Sigmund (1975): »Jenseits des Lustprinzips«, in: Stu-
nung« (1119), die dem Baudelaire-Buch denn auch im dienausgabe, Bd. 3, Frankfurt a. M., 215–272.
Forschungsprogramm des Instituts für Sozialfor- Fietkau, Wolfgang (1978): Schwanengesang auf 1848. Ein
schung eine einzigartige Stellung zuweist. Rendez-vous am Louvre: Baudelaire, Marx, Proudhon und
Victor Hugo, Reinbek.
Fürnkäs, Josef (2000): »Aura«, in: Opitz/Wizisla 2000, Bd. 1,
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