tere Gedanken befielen, wechselte mit weniger werdenden Sommertagen und häufiger werden- den Herbsttagen seine fröhlichen Gedanken ge- gen schwermütige und bedrängende aus. Die Herbstgedanken erlebte der Melancholiker bis- lang als Zumutung, als Nötigung, als Angriff, die er abzuwehren versuchte. Jede Verteidigung zog ihn jedoch weiter hinein in einen Kampf, den er, der Melancholiker, regelmäßig als verloren auf- geben musste.
So zog der Melancholiker zuletzt aus seinem
Scheitern die Lehre, in diesem Krieg nicht mehr als Kämpfer aufzutreten, sondern, soweit mög- lich, jedes Mal das Ende der Schlacht abzuwar- ten.
Der Melancholiker lernte allmählich seinen Geg-
ner kennen und entwickelte eine geduldige Strate- gie. Je mehr seine, des Melancholikers, Gefühle und Empfindungen der Schwermut verfielen, des- to mehr strengte er sich an, genau zu beobachten, was geschah.
Der Melancholiker spaltete sich auf in einen Me-
lancholiker, der dem Feind das Feld überlies und sich nicht mehr wehrte und in einen Melan- choliker, der gleichermaßen außerhalb des Schlachtfeldes die Vorgänge unparteiisch beo- bachtete und Schlüsse zog.
So war es nur der halbe Melancholiker, der unter
den Einschlägen litt, der andere halbe Melan- choliker blieb unverletzt wie ein Richter, der die Parteien anhört, dann seine Gerechtigkeit aus- spricht, schließlich heim geht und sich um den vergangenen Tag nicht mehr schert.
Sein Gegner erkannte offenbar, dass seine Atta-
cken immer nur einen halben Melancholiker nie- derzwangen, gleichzeitig aber dem anderen hal- ben Melancholiker offenlegten, wie er, des Me- lancholikers Gegner, die Schlacht eröffnete, wäh- renddessen mal mehr mal weniger zustieß und schließlich den Melancholiker wieder freigab und von ihm abließ.
Wenn der eine halbe Melancholiker bemerkte,
dass die Schlacht zu einem Ende kam, gewahrte der andere halbe Melancholiker das Heraufziehen einer wunderbaren Melancholie, die nun der Me- lancholiker, der ganze Melancholiker, ungeteilt zuließ.
Der Melancholiker erlebte, dass der Zustand die-
ser Melancholie immer nach diesen verlorenen Schlachten auftrat, ähnlich wie am Ende schöner Tage, die sich aus dem Staube machen und einen gleichen Zustand der Melancholie erzeugen. Er, der Melancholiker, begann daher, seinen Gegner zu schätzen wegen des Krieges, der ihm geliefert wurde und der ihn nie gänzlich bezwang. Schon während der Schlacht freute er sich auf die Me- lancholie, die sich als Belohnung einstellte. Glei- chermaßen war das Ende einer schönen Zeit er- träglich traurig, da die Melancholie folgte.
Der Melancholiker glaubte, im Zustand der Me-
lancholie erlebe er die Welt am deutlichsten. Der heitere, sommergelaunte Melancholiker hingegen vermutete die Welt besser als sie ist. Helle und fröhliche Tage ließen kaum schlimme Nachrich- ten in des Melancholikers Wahrnehmung, obwohl er wusste, dass es arge Dinge gab.
Der herbstbeschwerte Melancholiker erkannte die
leichten und gelösten Begebenheiten nicht mehr und ließ den schweren und niederdrückenden Ge- danken freien Zugang, obwohl er wusste, dass Heiterkeit nicht aus der Welt verschwunden war.
Aber im Zustand der Melancholie versöhnte der
Melancholiker den Sommer mit dem Herbst. Er vereinigte die zerbrochenen Träume der Vergan- genheit mit den fröhlichen Erwartungen der Zu- kunft. Er brachte die Ängste von Morgen mit Ge- lungenem von Gestern zusammen.
Im Zustand der Melancholie war er müde und
wach zugleich. Der Zustand der Melancholie war für den Melancholiker ein Zustand der Zufrie- denheit. Hier war er weder der Schwermut des Herbstes noch der Verführung des Sommers aus- geliefert.
Und der Melancholiker, dem gelehrt wurde, dass
die Schwermut bekämpft werden solle wie eine Krankheit, erkannte, dass die Heiterkeit dann ebenso bekämpft werden müsse, weil sie aus dem Rausche kam und der Verführung glich. Er hatte jedoch erfahren, dass solche Kämpfe gleichwohl nicht siegreich überstanden werden können oder aber nicht bekämpft werden wollen. So entschloss er sich, seine Feinde zu mögen.
In Zukunft wollte er Schwermut und Heiterkeit
gleichermaßen begrüßen, wenn sie, abwechselnd und jede für sich, zur Visite kamen.
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