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Ramakrishna und Brahmacharya II Startseite

Inhaltsverzeichnis

1. Brahmacharya in den verschiedenen Religionen


2. Ramakrishna und seine Frau Sarada Devi
3. Gandhis Einstellung zum Brahmacharya
4. Brahmacharya aus biologischer und soziologischer Sicht
5. Sexualität und Advaita-Vedanta
6. Die Sinneslust aus der Sicht unterschiedlicher Philosophien
7. Ist die sexuelle Lust, die höchste Lust?
8. Warum hat die Sexualität solch eine Bedeutung?
9. Brahmacharya aus der Sicht des Ayurveda
10. Einige Methoden des Brahmacharya
11. Die sexuelle Revolution
Ramakrishna's Biographie

1. Brahmacharya in den verschiedenen Religionen


Inhaltsverzeichnis

Keuschheit, Enthaltsamkeit oder Brahmacharya, ist eine der fünf


Yamas, der fünf moralischen Werte, die Patanjali, der Begründer
des Yoga, in den Yogasutras vorgeschrieben hat. Das Zölibat
wird als Voraussetzung zum Erfolg im Yoga betrachtet. In allen
Religionen wird es sehr betont. Es ist eines der fünf elementaren
Gelübde im Jainismus (einer atheistischen indischen Religion
(Philosopie) der Gewaltlosigkeit, in der der Glaube an einen oder
mehrere Götter explizit abgelehnt wird, die etwa im 6.Jh./5.Jh.
v.Chr. fast gleichzeitig mit dem ebenfalls atheistischem
Buddhismus entstand. Jaina-Mönche haben zu allen Zeiten
versucht, Priester anderer Religionen daran zu hindern, Tieropfer
zu bringen. Unter Mahaviras (Mahavira ist der Gründer des
Jainismus) sanftem Einfluss haben viele Könige die Sklaverei
und das Kastensystem in ihrem Land abgeschafft, die
Diskriminierung der Frauen nicht mehr geduldet, sowie das
Jagen, Töten und die Opferung von Tieren untersagt. Viele
Menschen wurden durch den Jainismus zu einem Leben in
Gewaltlosigkeit inspiriert. siehe: Ahimsa (Gewaltlosigkeit). Im
Jainismus gilt das Brahmacharya sowohl für Mönche als auch für
Laien. Die Jain-Mönche praktizieren das Gelübde des Zölibats.
Sie leben also vollkommen enthaltsam. Die Jain-Laien dagegen
praktizieren das Gelübde des Brahmacharya. Ihnen ist es also
gestattet, zur Zeugung von Kindern, miteinander intim zu sein.

Im Buddhismus ist das Brahmacharya ebenfalls als einer von


fünf Werten (Gewaltlosigkeit, Ehrlichkeit, Nichtstehlen,
Enthaltsamkeit, Unbestechlichkeit) vorgeschrieben. Im
Hinduismus wird es ebenfalls hoch gelobt. Ein Hindu soll
Brahmacharya in drei der vier Ashramas (4 Lebensstadien)
beachten: 1. als Brahmachari (Schüler), 2. als Vanaprastha
(Ruheständler) und schließlich 3. als Sannyasa (Mönch).
Sexualität wird nur in der Ehe toleriert. Und dort auch nur, um
Nachkommen zu zeugen.

Anmerkung

Die obige Aussage ist nicht ganz richtig. Das Brahmacharya soll
in allen 4 Lebensstadien praktiziert werden. In den Lebensstadien
als Schüler, Vorruheständler und als Mönch sollte man auf
jegliche sexuelle Aktivitäten verzichten. Als Verheirateter
dagegen ist das intime Beisammensein zur Zeugung von Kindern
dagegen erlaubt. Beschränkt man die sexuellen Aktivitäten allein
auf den Zeugungsvorgang, dann gilt dies nicht als Verstoss gegen
das Brahmacharya.

Ende Anmerkung

Im Christentum ist das Zölibat ebenfalls nicht unbekannt. St.


Paul (der Apostel Paulus) ermahnte die Christen: 1.Korinther
7,7-9: Ich wollte zwar lieber, alle Menschen wären, wie ich, aber
jeder hat seine eigene Gabe von Gott, der eine so, der andere so.
Den Ledigen und Witwen sage ich: Es ist gut für sie, wenn sie
blieben wie ich. Wenn sie sich aber nicht enthalten können,
sollen sie heiraten; denn es ist besser, zu heiraten als sich in
Begierde zu verzehren. Jesus hat einen sehr hohen Standard der
sexuellen Reinheit befürwortet. Matthäus 5,27-29: Ihr habt
gehört, daß gesagt ist (2. Mose 20,14): «Du sollst nicht
ehebrechen.» Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, sie zu
begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem
Herzen. Wenn dich aber dein rechtes Auge zum Abfall verführt,
so reiß es aus und wirf's von dir. Es ist besser für dich, daß eins
deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle
geworfen werde.

Quelle: Brahmacharya

Sufi Heilige (muslimische Heilige) scheinen die Aussage Jesus


zu bestätigen. Ein Sufi Heiliger hackte sich ein Bein ab. Als er
gefragt wurde, warum es das getan hat, antwortete er: „Als ich in
meiner Hütte meditierte, sah ich plötzlich eine Frau an mir
vorbeigehen. Dadurch geriet ich in Versuchung, als ich aus
meiner Hütte heraustrat. Mein Gewissen quälte mich und warnte
mich, dass ich dem Satan folgen würde, anstatt Gott. Deshalb
hackte ich sofort das Bein ab, welches zuerst aus der Hütte
herausgetreten war.“ Rabia, eine der größten weiblichen Sufi
Heiligen, hat niemals gereiratet, obwohl sie viele Angebote hatte.
Als sie gefragt wurde, warum sie es nicht tat, antwortete sie: „Ich
gehöre meinem Meister. Richte deine Fragen an ihn.“

Anmerkung

Obwohl ich im Internet nach dem Sufi recherchierte, der sich


sein Bein abhackte, habe ich nichts gefunden. Außerdem halte
ich das Beispiel nicht für geeignet, um Werbung für das
Brahmacharya zu machen. Es gab zu allen Zeiten Menschen, die
dem Extremen zuneigten. Sie sollten nicht unbedingt als Vorbild
gelten. Gilt es doch, die sexuelle Verhaftung, die sich letzten
Endes im Kopf abspielt, abzulegen. Selbst wenn der Sufi sein
Bein abhackte, wird er dadurch womöglich nicht die erotischen
Gedanken aus seinem Kopf vertreiben können. Da müsste er
vielleicht schon seinen Kopf abschlagen, um sie zu beseitigen.
Aber dieses soll ja bekanntlich noch andere negative Folgen mit
sich bringen. Jeder, der einen spirituellen Weg beschreitet, muss
also die Geduld aufbringen, sich mit seiner Sexualität
auseinander zu setzen. Auch wenn er sich entschlossen hat,
Brahmacharya zu praktizieren, wird die Sexualität ihn sicherlich
noch eine Weile bedrängen. Aber wenn er ernsthaft seiner
spirituellen Praxis nachgeht und das Brahmachraya beachtet,
dann wird diese Bedrängnis eines Tages abklingen und sich ganz
auflösen. Es hat übrigens eine ganze Menge Sufi-Heiliger
gegeben. Wer sich dafür interessiert, kann sich ja einmal die
Liste bekannter Sufis anschauen. Ich könnte mir vorstellen, dass
es sehr interessant ist, mehr von diesen Sufi-Heiligen zu erfahren.
Mir fehlt dazu leider die Zeit.

Ende Anmerkung

Indien ist von der Tradition des Brahmacharya durchdrungen.


Die Inder verehren Lord Shiva, dem grössten Bezwinger der
Sinneslust. Er verbannte Amor, den Gott der Sinneslust, durch
das Feuer seines dritten Auges. Obwohl Shiva verheiratet ist,
konnte ihn niemand an Selbstkontrolle übertreffen. Dann haben
wir den berühmten Grossvater Bhishma aus der Mahabharata,
einem indischen Epos, der das lebenslange Gelübde des
Zölibats auf sich nahm, und daraus erhebliche Vorteile zog. Die
Jain-Mythologie ist vollgestopft von aufschlussreichen und
erstaunlichen Geschichten über die Praxis der Keuschheit in der
Ehe.

Eine der Geschichten der Jains erzählt davon, wie ein Mann die
Mönche mit Essen versorgen wollte. Dies wird unter den Jains
als eine verdienstvolle Tat betrachtet, die dem
gläubigen Familienvater vorgeschrieben ist. Als der Mann sich
dem klösterlichem Oberhaupt, dem Acharya, näherte, empfahl
der Acharya ihm, den jungen Sohn und die Schwiegertochter
eines bestimmten reichen Mannes ebenfalls mit einer
Essensspende zu bedenken. Dies sei ein Akt, so erklärte der
Acharya, der ebenso verdienstvoll sei, wie die Verköstigung von
hundert Mönchen. Als der Mann den Acharya fragte, warum er
dieses tun solle, gab der Acharya das Geheimnis preis. Er sagte:
„Bereits vor ihrer Hochzeit sind die Braut und der Bräutigam an
einem keuschen Leben interessiert.“ Die Braut hatte sich an das
Oberhaupt der Mönche, den Acharya, gewandt und ihn gefragt,
wie sie die Keuschheit praktizieren könne. Sie wolle das Gelübde
der Keuschheit auch teilweise in der Ehe praktizieren. Der
Acharya hatte ihr geraten, die Enthaltsamkeit in den zwei
Wochen der abnehmenden Mondphase zu üben (von Vollmond
bis Neumond). Dementsprechend hatte die junge Frau einen Eid
geschworen, diesen Rat zu beachten. Ähnlich verhielt sich der
Bräutigam, ohne seine zukünftige Frau und ihre Absichten zu
kennen. Er suchte einen anderen spirituellen Lehrer auf, der ihm
empfahl, die Enthaltsamkeit in den zwei Wochen der
zunehmenden Mondphase zu beachten. Als sie einander
heirateten, erfuhr jeder vom anderen, welchen Eid er abgelegt
hatte. Sie hielten das Gebot der Keuschheit weiter in Ehren und
praktizierten ein Leben lang Brahmacharya.

2. Ramakrishna und seine Frau Sarada Devi Inhaltsverzeichnis

Eine alte Geschichte erinnert an die Beziehung zwischen Sri


Ramakrishna und seiner Frau, der heiligen Mutter Sri Sarada
Devi, die über viele Monate zusammen mit Ramakrishna in
einem Bett schlief, ohne das sich jemals eine Spur von
Körperbewusstsein in ihrem Gemüt regte. Ramakrishna beachtete
das Brahmacharya ebenso streng wie alle religiösen Lehrer,
Heiligen, Weisen und spirituellen Anwärter. Er achtete auch sehr
streng über das Leben seiner Schüler, den zukünftigen Mönchen,
zu denen auch Narendranath, der später weltbekannte Swami
Vivekananda, gehörte. Er riet seinen Schülern, nicht allzu
freundlich zu Girish Chandra Ghosh, einem bekanntem
bengalischen Dichter und verheiratetem Schüler zu sein, weil
dieser zuvor ein unbesonnenes Leben geführt hatte und die
Anzeichen seines ausschweifenden Lebens noch in ihm
vorhanden waren. Ramakrishna wünschte sich, dass nicht einer
seiner monastischen (mönchischen) Schüler einen Fehler beging,
nicht einmal unbeabsichtigt.

Es wird erzählt, dass einst bei Swami Vivekananda, während der


Meditation, das Bedürfnis nach Sinneslust in ihm erwachte.
Sofort setzte er sich in die Nähe glühender Kohlen. Die Wunden
brauchten einige Zeit um zu heilen. Wir wissen, wie vollkommen
Swami Vivekananda das Brahmacharya beherrschte. In
Patanjali's Raja Yoga Sutras II,38 wird gesagt: „Wenn
Brahmacharya, durch die unversehrte sexuelle Enthaltsamkeit in
Gedanken, Worten und in der Tat fest begründet ist, erlangt man
eine kraftvolle Vitalität und eine starke Willenskraft.“ Man
erlangt eine einzigartige Überzeugungsenergie, was immer man
auch sagt. Dies war das Geheimnis der Eröffnungsworte „Brüder
und Schwestern Amerikas“, die Swami Vivekananda auf dem
„Weltparlament der Religionen“ im Jahre 1893 in Chicago,
Ilinois, sprach. Durch Brahmacharya erlangt man einen enormen
Einfluss auf die Menschen. Nach Ansicht Swami Brahmanandas
ist Brahmacharya die beste Askese.
Anmerkung über Ramakrishnas Frau Sarada Devi:

Ein Bericht über Ramakrishnas schlechte Gesundheit, seine


Gleichgültigkeit der Welt gegenüber und seine ungewöhnlichen
Handlungen, gelangten bald auch nach Kamarpukur, einem Dorf
in Bengalen, in dem seine Mutter lebte und in dem Ramakrishna
am 18. Februar 1836 geboren wurde und den Namen Gadadhar,
einen Beinamen Vishnus, erhielt. Im Alter von sechs oder sieben
Jahren hatte Gadadhar seine erste spirituelle Ekstase. Als er
sieben Jahre alt war, starb sein Vater. Dies berührte ihn tief, da er
zum ersten Mal erkannte, wie flüchtig das Leben auf dieser Erde
ist. Mit neun Jahren erhielt er die heilige Schnur, die ihn in die
Brahmanankaste, die Priesterkaste, aufnahm. Im Jahre 1855, kam
der 19-jährige Galadhar, der sich fortan Ramakrishna nannte,
nach Dakshineswar, vier Meilen nördlich von Kalkutta, der
Hauptstadt des Bundesstaates Westbengalen, um in einem Kali-
Tempel als Priester seinen Dienst zu versehen. Die Berichte über
Ramakrishna, erfüllten das Herz seiner Mutter mit Sorge. Auf
ihre Bitte hin, kehrte er zu einer Luftveränderung, in sein Dorf
zurück. Seine Jugendfreunde interessierten ihn aber nicht mehr.
Ein göttliches Fieber verzehrte ihn. Den gössten Teil des Tages
und der Nacht verbrachte er auf dem Verbrennungsplatz in
Meditation. Dieser Ort brachte ihm die Vergänglichkeit des
menschlichen Körpers, mit all seinen Hoffnungen und
Bestrebungen, zum Bewusstsein. Ausserdem erinnerte es ihn an
Kali, die Göttin des Todes und der Zerstörung (die er so sehr
verehrte).

In wenigen Monaten verbesserte sich seine Gesundheit, und seine


natürliche Heiterkeit stellte sich teilweise wieder ein. Seine
glückliche Mutter dachte, jetzt sei die günstigste Zeit für eine
Verheiratung gekommen. Ramakrishna war mittlerweile 23 Jahre
alt. Eine Frau würde ihn auf die Erde zurückbringen, sagte sich
seine Mutter. Sie war hoch erfreut, als ihr Sohn ihrem Vorschlag
zustimmte. Ramakrishna selbst gab den Hinweis, wo die Braut zu
finden sei. Saradamani (Sarada Devi), ein fünfjähriges Mädchen,
lebte im Nachbardorf Jayrambati. Schon in diesem frühen Alter
hatte sie zu Gott gebetet, dass er ihren Charakter so fleckenlos
und rein wie eine weisse Blüte machen möge. Sie wurde als
Braut für Ramakrishna ausgewählt. Die Hochzeit fand 1859 statt.
Solch eine frühe Heirat ist in Indien mehr eine Verlobung. Die
Heirat selbst wird erst vollzogen, wenn das Mädchen ihre
Pubertät erlangt. In diesem Falle aber wurde sie nie vollzogen.
Ramakrishna blieb etwa 18 Monate in Kamarpukur und kehrte
dann ohne seine Braut in den Kali-Tempel nach Dakshineswar
zurück, um dort seine Arbeit als Priester weiter auszuüben.

Kaum hatte er das Gelände des Kalitempels betreten, wurde er


wieder vom spirituellen Wirbelwind erfasst. Seine Verrücktheit
vervielfältigte sich. Dieselben Meditationen und Gebete,
dieselben ekstatischen Stimmungen, dasselbe Weinen, dieselbe
Schlaflosigkeit, dieselbe Gleichgültigkeit gegenüber dem Körper
und der Welt, das gleiche göttliche Delirium. Er unterwarf sich
neuen Übungen, um Gier und Lust auszumerzen, die beiden
grossen Hindernisse beim spirituellen Fortschritt. Frauen
betrachtete er als eine Manifestation der göttlichen Mutter Kali.
Nicht einmal im Traum hatte er ein Lustempfinden. Wenn er in
Meditation versunken war, hüpften Vögel auf seinem Kopf
herum und suchten in seinem Haar nach Nahrung. Schlangen
krochen über seinen Körper, ohne dass Ramakrishna davon etwas
mitbekam. Schlaf kannte er nicht mehr. Tag und Nacht
verfolgeten ihn spirituelle Visionen. Ramakrishna sagte später,
dass bei einem fortgeschrittenen Gottesverehrer, das Denken
selbst zum Guru wird.

1872 besuchte Sarada Devi ihren Mann zum ersten Mal in


Dakshineswar. Vier Jahre zuvor hatte sie ihn zuletzt in
Kamarpukur gesehen und die Seligkeit seiner göttlichen
Gesellschaft genossen. Seitdem war sie noch sanfter, ernster und
selbstloser geworden. Sie hatte viele Gerüchte gehört über die
Geisteskrankheiten ihres Mannes. Je mehr sie darüber
nachdachte, um so stärker spürte sie, dass es ihre Pflicht war, bei
ihm zu sein und ihm zu dienen, so gut sie konnte. Sie war jetzt 18
Jahre alt, ihr Mann 36 Jahre. Ramakrishna sah es als seine Pflicht
an, seine junge Frau in allen Dingen zu unterweisen. Das
erstreckte sich vom Haushalt bis zur Erkenntnis Brahmans
(Gottes). Er weihte sie in die Geheimnisse des spirituellen
Lebens ein: Gebet, Meditation, Kontemplation und Samadhi
(Erleuchtung).

Totapuri, ein Mönch und Schüler Ramakrishnas, der von der


Heirat seines Meisters erfahren hatte, sagte einmal: „Was macht
das? Nur derjenige steht fest in der Brahman-Erkenntnis, der
Unterscheidungsvermögen und Entsagung beibehält, auch wenn
er mit einer Frau zusammen lebt. Nur derjenige erlangt die
Erleuchtung, der in Mann und Frau nur Brahman sieht. Ein
Mensch, der die Geschlechter unterscheidet, mag ein ehrlich
Strebender sein, aber vom Ziel ist er noch weit entfernt.“
Ramakrishna lebte mit seiner Frau in Dakshineswar zusammen,
aber ihr Bewusstsein war der Welt ständig entrückt.

Einige Monate nach Sarada Devis Ankunft arrangierte


Ramakrishna an einem auserwählten Tag eine besondere
Andacht für die göttliche Mutter Kali. Statt des Bildnisses der
Göttin Kali setzte er Sarada Devi an ihre Stelle. Der Anbeter und
die Angebetete gingen in tiefes Samadhi ein. Auf der
transzendentalen Ebene wurden ihre Seelen vereint. Nach einigen
Stunden kam Ramakrishna auf die normale Ebene zurück, sang
eine Hymne für die grosse Göttin und brachte zu Füssen Sarada
Devi's, sich selbst, seinen Rosenkranz und die Früchte seiner
langen Übungen dar. Durch seine Heirat bestätigte Ramakrishna
den Wert der Ehe für die spirituelle Entwicklung des Menschen,
und mit der Einhaltung seiner Mönchsgelübde demonstrierte er
die Notwendigkeit der Selbstbeherrschung, Lauterkeit und
Enthaltsamkeit bei der Verwirklichung Gottes. Durch seine
einzigartige spirituelle Beziehung zu seiner Frau bewies er, dass
Mann und Frau als spirituelle Gefährten zusammenleben können.
Sein Leben war somit eine Synthese des Eheleben mit dem
Leben eines Mönches.

Sarada Devi hatte in der Gesellschaft ihres Gatten


ungewöhnliche spirituelle Erlebnisse. Sie sagte: „Die Worte
fehlen mir, meine wunderbaren Empfindungen zu beschreiben,
wenn ich ihn in seinen verschiedenen Stimmungen beobachtete.
Unter dem Einfluss göttlicher Bewegtheit sprach er manchmal
über merkwürdige Themen, manchmal lachte und manchmal
weinte er, manchmal verharrte er bewegungslos im Samadhi.
Dies währte die ganze Nacht hindurch. Eine solche göttliche
Gegenwart strahlte aus ihm, dass ich dann und wann von Furcht
geschüttelt wurde und die Nacht kein Ende nahm. Monate
vergingen auf diese Weise. Eines Tages aber entdeckte er, dass
ich die ganze Nacht wach lag, weil ich befürchtete, dass er in
Samadhi gehen würde, wenn ich einschliefe. Darauf bat er mich,
im Nahabat, dem Musikturm des Kali-Tempels in
Dakshineshwar, zu übernachten.“

aus: The Gospel of Shri Ramakrishna (Das Vermächtnis)

Ende der Anmerkung

Anmerkung zu Girish Chandra Ghosh:

Girish Chandra Ghosh war einer der größten Dramatiker


Bengalens, der ein eigenes Theater in Kalkutta leitete. Er war ein
angesehener Dichter, Dramatiker und Schauspieler. Viele Jahre
lang führte Girish ein unbekümmertes, hedonistisches und
weltlich orientiertes Leben, ein kompletter Kontrast zu dem
Leben eines Heiligen. Er war ein selbsternannter Freigeist, der
nicht an Gott glaubte. Selbst als er Sri Ramakrishna zum ersten
Mal traf, sah er nichts Besonderes in ihm. Langsam jedoch fing
Ramakrishna an, sein Herz zu schmelzen und die schlafende
Spiritualität in ihm zu wecken. Schließlich wurde Girish Chandra
Ghosh einer von Ramakrishnas hingebungsvollsten Schülern.
Eines Tages sagte Ramakrishna zu Girish: „Ich kann sehen, daß
eine enorme Umwandlung in dir stattfindet. Du siehst nur dein
äußeres Leben, was du nach aussen tust, aber in dir findest du
soviel Göttlichkeit und Liebe zu Gott.“ Durch seinen
unerschütterlichen Glauben und seine Hingabe zu Gott war
Girish Chandra Ghosh in der Lage eine bemerkenswerte
Umwandlung zu erfahren, zu einem aufrichtigem und
hingebungsvollem Schüler Ramakrishnas zu werden. Die letzten
Worte von Girish waren: „Meister, du bist gekommen. Bitte
zerstöre meine weltliche Berauschtheit. Sieg für Sri
Ramakrishna! Lass uns gehen.“

Ende Anmerkung

3. Gandhis Einstellung zum Brahmacharya Inhaltsverzeichnis

Einer der größten Fürsprecher des Brahmacharya war Mahatma


Gandhi. Die Meinung Gandhis hat deshalb besonderes Gewicht,
weil er ein verheirateter Mann und Vater von 4 Kindern war, der
freiwillig das Gelübde des Brahmacharya auf sich nahm und es
erfolgreich erfüllte. Er hat zwei Kapitel seiner Autobiographie
dem Brahmacharya gewidmet. Gandhi verkörperte alle
moralischen Werte der Wahrheit. Für ihn war Brahmacharya
unerlässlich, um Wahrheit und Gewaltlosigkeit zu praktizieren.
Ausserdem wies er auf die Bedeutung des Brahmacharya im
sozialen Leben hin. Er beschrieb seine Erfahrungen, die das
Brahmacharya auf die Kontrolle anderer Sinne, besonders auf
den Geschmackssinn, hat, und welche Rolle dem Brahmacharya
bei einer Diät oder beim Fasten zukommt.

4. Brahmacharya aus biologischer und soziologischer Sicht


Inhaltsverzeichnis

Weil die Weltreligionen sich immer stärker den Fragen der


Sinneslust und der Bedeutung des Brahmacharya zuwenden, ist
es lohnend, einmal die biologische und soziologische
Entwicklung der Sexualität zu betrachten. Der Überlebenstrieb
und der sexuelle Trieb sind die zwei stärksten Triebe im
Menschen. Darwin zufolge haben wir diese Instinkte von unseren
Vorfahren übernommen. Der Sexualtrieb hat seine Wurzeln in
unserer vielschichtigen und ursprünglichen Erbsubstanz, die für
die Fortpflanzung der Menschheit verantwortlich ist, die sich aus
der asexuellen Fortpflanzung der Amöbe heraus entwickelte.

Anmerkung zur Amöbe:

Amöben sind weit verbreitete Wechseltierchen. Man findet


Amöben in Gewässern, z. B. im Schlamm von Tümpeln, manche
leben auch im Boden. Am leichtesten sind sie durch einen
Heuaufguss zu erhalten, für den man am besten Gras von
überschwemmten Wiesen nimmt, weil dort etliche Cysten
(Hohlraum mit flüssigem Inhalt) mit den Dauerstadien der
Amöben vorhanden sein dürften. Manche Arten leben in feuchten
Böden. Amöben nehmen so lange Nahrung auf, bis eine für die
Art typische Grenzgröße erreicht ist. Dann teilt sich der Zellkern
in zwei identische Tochterkerne auf. Nun schnürt sich der
Zellleib ein und es entsteht eine vollständige Kopie der
ursprünglichen Amöbe. Es teilt sich also eine Eltern-Zelle in
zwei Tochter-Zellen. Dieser Prozess der Fortpflanzung findet
etwa alle 24 Stunden bei Amöben statt. Man bezeichnet diese Art
der Fortpflanzung als ungeschlechtlich, da der Genbestand sich
nicht verändert und nur die Individuenanzahl sich verdoppelt.
Aus diesem Grund bezeichnet man die Amöbe auch als potentiell
unsterblich. Geschlechtsorgänge wurden bei Amöben bisher
nicht nachgewiesen.

Ende Anmerkung

Der Mensch ist aber auch ein soziales Wesen, ein „Herdentier“.
Existentielle Probleme entstehen dort, wo der sexuelle Instinkt in
Konflikt mit dem Herden-Instinkt gerät. In den Gesellschaften
der menschlichen Urzeit, war die Konkurrenz um die Partnerin,
die Hauptursache für soziale Konflikte. Dieses Problem wurde
durch die Einführung der Institution der Ehe, sowie durch ihre
spätere Verfeinerung und Heiligsprechung gelöst. Die Zügelung
der sexuellen Triebe mit Hilfe von Richtlinien, wurde zur Norm
in allen menschlichen Gesellschaften. Diese Regeln wurden
durch Gesetze und durch die Religion festgeschrieben.
Gleichzeitig fanden die Menschen heraus, dass die sexuelle
Energie in spirituelle Energie umgewandelt werden kann.
Dadurch lassen sich höhere spirituelle Zustände erreichen, die zu
einer höheren Erfüllung und Lebensfreude führen. Daher ist der
Mensch bemüht, sich von seiner animalischen Natur, die sich auf
Essen, Schlafen, auf die Überwindung der Angst und die
Erfüllung seiner sexuellen Begierden beschränkt, zu lösen, sich
von seiner Sinneslust zu befreien.

Aber es gab nicht viele, die dieses erhabene Ziel anstrebten, noch
war es für alle möglich, dieses Ziel zu erreichen. Als ausserdem
die Sexualität zum Tabu erklärt wurde, entstanden weitere
Probleme. Sexuelle Perversionen, Sexualität mit kriminellem
Hintergrund, sexuelle Unterdrückung, Heuchelei, usw., waren
das Resultat. Dann kam Siegmund Freud mit seiner
epochemachenden Entdeckung vom Unterbewusstsein und seiner
Vorstellung von der Libido, vom Es, von der Erotik, usw..
Heutzutage wird Sexualität in erster Linie als Entspannung
betrachtet. Seine biologischen, moralischen, ethischen und
spirituellen Aspekte dagegen, werden vernachlässigt. Heutzutage
ist es möglich, Eltern zu werden, ohne jemals Sex miteinander
gehabt zu haben, oder Sex miteinander zu haben, ohne jemals
Eltern zu werden. Die Institution der Ehe, ihre Heiligkeit und
Unantastbarkeit ist nicht mehr vorhanden. Sie ist durch neue
Normen, Gesetze und Konzepte ersetzt worden, die die sexuellen
Beziehungen regeln.

Die autoritären Beschränkungen des sexuellen Verhaltens, des


orthodox-religiösen und puritanisch-viktorianischen Zeitalters
wurde durch eine ungehinderte Sexualisation der modernen
Gesellschaft ersetzt. Literatur, Malerei, Bildhauerei und die
Musik wurden sexualisiert. Theater, Film und Fernsehen
unterlagen ebenso diesem Einfluss. Die neuen
Kommunikationsmedien, Radio und Fernsehen, brachten sowohl
die erotisch-alkoholische Athmosphäre der Nachtklubs, als auch
hässliche und gewaltverherrlichende Filme, sowie frivole
Sexspiele in Millionen Haushalte. Die Zeitschriften und die
Werbung konnten sich diesem Trend ebenfalls nicht entziehen.
Selbst die Wissenschaften, besonders die Historie, Psychologie,
Biologie und die Sozialwissenschaften wurden nachteilig
beeinflusst. Es gibt in der heutigen Psychologie, in der
Soziologie und in der Anthropologie eine viel größere Toleranz
gegenüber der Sexualität. Dadurch wurde die natürliche
Sexualität, durch die moderne Kultur, in eine hässliche, teilweise
sogar perverse, Form, umgewandelt. Aber spirituelle Sucher
betrachten das Brahmacharya immer noch als das wichtigste
Mittel, um spirituelle Ziele zu erreichen.

Anmerkung Viktorianisches Zeitalter:

Das viktorianische Zeitalter wird in der britischen Geschichte als


der Zeitabschnitt der Regierung Königin Viktorias von 1837 bis
1901 bezeichnet, dass von einer florierenden Wirtschaft
gekennzeichnet war. Das lag vor allem daran, dass die
industrielle Revolution im Bergbau und Maschinenwesen ihre
Folgen zeigte und Großbritannien lange Zeit einen
technologischen Vorsprung sicherte. Vor allem der Ausbau des
Eisenbahnnetzes hatte weitreichende Auswirkungen. Vom
zunehmendenden Wohlstand profitierte eine religiöse und
moralisch gewissenhafte Mittelschicht.

Dass die Viktorianische Zeit aber keineswegs so rosa war, sieht


man an der Situation der soziale Unterschicht: Etwa zwei Drittel
der Bevölkerung gehörten der sozialen Unterschicht an. Deren
eine Hälfte bestand aus Armen, Tagelöhnern, Häuslern
(Kleinstbauern mit eigenem Haus) und anderen Menschen, die
am Rande oder unterhalb des Existenzminimums lebten. Die
andere Hälfte setzte sich aus Land-, Bau- und Industriearbeitern,
Hausangestellten, Seeleuten und Soldaten zusammen, deren
Lebensstandard stark von der Konjunktur abhing. In der ersten
Hälfte des Jahrhunderts gingen oft Aufstände und Plünderungen
von der Unterschicht aus. Die Landarbeiter waren 1851 die
größte Beschäftigungsgruppe und stellten etwa ein Viertel aller
männlichen erwachsenen Erwerbstätigen dar. In vielen Regionen
waren die Löhne sehr gering und die Arbeitstage lang. Oft fehlte
eine feste Behausung. Die Nahrung war knapp und hing von der
Region, den Ernteerträgen und der Bereitschaft der Landherren,
überschüssige Lebensmittel zu spenden, ab. Oft waren Arbeiter
auf ihre Kleingärten angewiesen; Wilderei war riskant. Mit dem
Bau von Fabriken in ländlichen Gegenden wechselten
Landarbeiter verstärkt zur Industrie.

Auch in den Fabriken waren die Arbeitsbedingungen


beklagenswert. Die allermeisten Unternehmer hatten nur wenig
Kapital, hingen von kurzfristigen Krediten ab und standen unter
großem Konkurrenzdruck. Daher schienen akzeptable Gewinne
nur mit möglichst hoher Maschinenauslastung und möglichst
geringen Löhnen erzielbar. Der Arbeitstag dauerte meist zehn bis
zwölf Stunden ohne Unterbrechung, in Textilfabriken bis zu 16
Stunden. Häufig gingen nicht nur Männer, sondern auch deren
Frauen und Kinder arbeiten. Um die Familie zu ernähren, wurden
bereits Fünfjährige mit Gewalt zu harter Arbeit gezwungen, was
zu schweren Gesundheitsschäden und einem frühen Tod führte.
Besonders übel waren die Bedingungen in Kohlebergwerken.
Entspannung fanden viele Arbeiter im Alkohol und in
gelegentlichen Prügeleien mit den Iren, die nach der großen
Hungersnot verstärkt aus Irland zuwanderten.

Um von der Armut abzuschrecken, verbot das Armenrecht von


1834 staatliche Zuschüsse an Arbeitsfähige; man errichtete
Arbeitshäuser. Die Depression, die bis in die 1840er Jahre
andauerte, schuf jedoch eine Situation, für die das Gesetz nicht
ausgelegt war. Viele verloren ihre Arbeit und verarmten.
Angesichts der abschreckenden Arbeitshäuser sahen Arbeitgeber
keine Notwendigkeit für Lohnerhöhungen. Ob der
Lebensstandard der Arbeiter in der frühviktorianischen Zeit
insgesamt stieg oder sank, ist umstritten. Die Depression der
letzten Jahrzehnte des Jahrhunderts erhöhte zwar die Gefahr von
Arbeitslosigkeit, die Löhne jedoch blieben bei sinkenden
Lebenshaltungskosten konstant, sodass sich die Situation der in
Lohn befindlichen Arbeiter eher verbesserte. In den 1830er und
40er Jahren regelten mehrere Gesetze die Arbeitsbedingungen
von Kindern und Frauen neu. Weitere Gesetze zur Regelung der
Arbeitszeiten folgten. Entgegen kritischen Vorhersagen führten
sie nicht zu Umsatzeinbrüchen, da gesündere und weniger müde
Arbeiter die Produktivität steigerten. Dennoch blieb die Arbeit
oftmals gefährlich. Allein 1875 starben 800 Bahnarbeiter bei
Unfällen; jedes Jahr verunglückten um die 1.000 Grubenarbeiter.

Der Begriff „Arbeiteraristokratie“ bezeichnet diejenigen 10 %


der Industriearbeiter und Handwerker, die eine langjährige
Ausbildung hinter sich hatten, zum Beispiel Maschinenbauer. Im
Gegensatz zu ungelernten Arbeitern, die mit der gesamten
Familie in einem einzigen Zimmer oder Kellerraum hausten,
konnten sich einige der besser bezahlten ausgebildeten Arbeiter
ein kleines Reihenhaus in den Elendsvierteln mit zwei oder drei
Zimmern leisten. Seit den 1840er Jahren strebten sie nach einem
bürgerlichen, respektablen Lebenswandel, was sich etwa in
eigenen Zeitungen und Genossenschaften ausdrückte.

Als Beispiel für viktorianische Doppelmoral wird allerdings auch


oft die ausufernde Prostitution genannt, die scheinbar der oftmals
gepriesenen Selbstbeherrschung und ehelichen Treue
widerspricht. Tatsächlich tendierten viele Männer des
Mittelstands dazu, die Heirat bis zum Aufbau einer gewissen
finanziellen Sicherheit aufzuschieben und Zuflucht bei
Prostituierten, deren tatsächliche Gesamtzahl schwer zu ermitteln
war, zu suchen. Umgekehrt erschien die Prostitution vielen
Frauen, hauptsächlich aus der Unterschicht, als Möglichkeit zur
Aufbesserung des Einkommens. Nach zahlreichen Fällen von
Geschlechtskrankheiten wurden in den 1860er Jahren die
ärztliche Zwangsuntersuchungen bei mutmaßlichen Prostituierten
angeordnet. Dies schien legitim, da „gefallene Mädchen“ als
bereits verdorben galten.

Ende Anmerkung

5. Sexualität und Advaita-Vedanta Inhaltsverzeichnis

Lasst uns nun betrachten, warum alle Religionen der Welt, in


solch einem Ausmass, auf der Enthaltsamkeit bestehen. Das
oberste Ziel aller spirituellen Bemühungen ist es, das
Körperbewusstsein zu überwinden und Gottesbewusstsein zu
erreichen. Da die Sinneslust die gröbste Form des
Körperbewusstseins ist, ist es dem spirituellen Ziel genau
entgegengesetzt. Entsprechend der monistischen Advaita-
Vedante-Philosophie gibt es nur eine Seele, Brahman oder
Atman. (Monismus: alles ist göttlich, im Monismus wird nicht
wie beim Dualismus zwischen Gott und Natur unterschieden.
Brahman ist Gott, Atman die individuelle Seele. Laut Advaita-
Vedante sind sie identisch.) Es existiert keine Dualität zwischen
Brahman und Atman. Alle Ideen von Dualität sind eine Illusion.
Aber Sexualität kann nicht ohne Dualität existieren. Wie könnte
Sexualität also zum Advaita gehören?

Anmerkung zum Advaita-Vedanta:

Mir persönlich liegt die Advaita-Philosophie schwer im Magen,


besonders wenn ich immer wieder lese, wie sie missverstanden
wird. Die Advaita-Philosophie ist nichts als eine Theorie, die
durch nichts bewiesen ist. Niemand weiss, ob es einen Gott, eine
Seele gibt. Niemand weiß, ob es eine Reinkarnation gibt. Aber
viele Advaita-Sympathiesanten betrachten die Advaita-Vedante-
Philosophie als die reine Wahrheit, die über jeden Zweifel
erhaben ist, und nehmen sie immer wieder als Entschuldigung,
um ihr sinnliches Leben zu rechtfertigen. Sie versuchen, alles mit
dem Mäntelchen des Göttlichen zuzudecken (Ihr Standard-
Argument lautet: „Wenn alles göttlich ist, dann ist natürlich auch
die Sexualität göttlich.“), anstatt sich einmal das Leben des
Advaita-Vedanta-Gründers Shankara anzusehen, für den
Brahmacharcha und Meditation selbstverständlich waren. Es ist
nicht wichtig, ob es Gott, den Atman oder die Reinkarnation gibt.
Das einzig wichtige ist, wie man sein Leben gestaltet.

Im Advaita Vedanta gilt: „Wesentliches Charakteristikum des


Advaita-Vedanta ist die Wesensidentität von Atman, der
individuellen Seele, und Brahman, der Weltseele (Gott), deshalb
die Bezeichnung Advaita-Vedanta (Nichtzweiheit). Hier besteht
der Erkenntnisprozess des Menschen und der Weg zur Erlösung
darin, diese Einheit zu erkennen. Dualität tritt demnach nur dort
auf, wo Unwissenheit herrscht. Die wahre Erkenntnis, die diese
Unwissenheit überwindet, führt zur Advaita-Erfahrung und damit
zur Befreiung. Shankaras wichtigster Beitrag besteht in der
Entwicklung des Brahman-Begriffs ohne Form und Attribute.“

Mir gefällt diese Aussage überhaupt nicht. Sie bringt zum


Ausdruck, dass Befreiung über den Intellekt, durch Erkenntnis,
erlangt werden könne. Dem kann ich nicht zustimmen. Befreiung
ist, meiner Ansicht nach, in erster Linie ein physiologischer
Vorgang, nämlich die Sublimation (Umwandlung) sexueller
Energie in spiritueller Energie. Genau genommen findet natürlich
ein komplizierter physiologischer Prozess statt, den niemand
genau kennt. Die einzige intellektuelle Tätigkeit kann also nur
darin bestehen, sein Leben nach sinnvollen spirituellen Regeln
auszurichten. Alles andere macht die Natur von ganz allein.
Davon auszugehen, dass Erleuchtung durch Erkenntnis, also
durch intellektuelle Tätigkeit zustande kommt, ist ein
Trugschluss.

Ende Anmerkung

Anmerkung Shankara:

Shankara bewertete die äußere Welt mit ihren Erscheinungen als


Illusion und verabschiedete sich von der Vorstellung eines Gottes
mit menschlichem Antlitz und mit menschlichen Eigenschaften.
Er bezeichnete das Wesen des Brahman als das, was jenseits der
Sinne liegt, als unpersönlich, formlos, ewig und unveränderlich.
Shankara betont die Eigenverantwortung und die
Erlösungsfähigkeit des Menschen: „Die Ketten, die uns durch
unsere Unwissenheit binden, durch lustvolle Begierden und die
Früchte unseres Karmas, kann niemand lösen außer wir selbst“.
Er weist auch darauf hin, dass intellektuelles Streben ohne
spirituelle Dimension nicht ausreicht. Immer wieder weist
Shankara auf die Wichtigkeit der Überwindung der Sinne hin:
„Wer mit dem Schwert der wahren Begierdelosigkeit den
Haifisch der Sinneslust getötet hat, überquert das Meer dieser
Welt ohne Hindernis". Die Bindung an Körper, Gegenstände
oder Menschen bewertet er als verhängnisvoll für den, der nach
Befreiung strebt.“

Ende Anmerkung

6.0 Die Sinneslust aus der Sicht unterschiedlicher


Philosophien Inhaltsverzeichnis

Entsprechend den dualistischen Schulen der Vedanta und des


Jainismus, ist die Seele reines geschlechtsloses Bewusstsein. (Ich
bin ein wenig überrascht, dass hier im Zusammenhang mit dem
Vedanta von Dualismus gesprochen wird, wird doch zumindest
das Advaita-Vedanta, der bekanntesten Form des Vedanta, als
eine monistische Philosophie betrachtet.) Es kann zwischen den
Seelen keinen Geschlechtsunterschied geben. Um die eigene
spirituelle Natur zu verwirklichen, sollte man sich von der Idee
lösen, dass man dieser Körper, dass man Mann oder Frau, ist.
Der allererste Schritt dazu, besteht darin, die Sinneslust in jeder
Form zu meiden.

Anmerkung Dualität:

Wie wir bereits gesagt haben, tritt Dualität im Vedante nur dort
auf, wo Unwissenheit herrscht. Im Advaita-Vedanta bezieht sich
der Monismus also nur auf die Identität Brahmans und Atmans.
Im Dvaita-Vedanta, dem „Vedanta der Zweiheit“ dagegen ist der
Atman ewig vom Brahman getrennt. Der Monismus im Advaita-
Vedanta besteht also darin, dass Brahman und Atman eins
werden können. Beinhaltet das Advaita-Vedanta dadurch nicht
auch gleichzeitig eine duale Philosophie, da Brahman und Atman
scheinbar auch getrennt sein können?

Der Jainismus dagegen wird als duale Philosophie betrachtet. Er


geht davon aus, dass sich in der Welt zwei Prinzipien gegenüber
stehen: Geistiges und Ungeistiges. Das Geistige beruht auf einer
unendlichen Anzahl individueller Seelen (Jiva). Das Ungeistige
umfasst die 5 Kategorien: Bewegung, Ruhe, Raum, Stoff und
Zeit. Alles Stoffliche ist beseelt, nicht nur Menschen und Tiere,
sondern auch Pflanzen und Wasser.

Bei vegetarismus.ch wiederum wird gesagt: Der Jainismus kennt


keinen externalen (äusseren) Gott. Das Göttliche ist in jedem
Lebewesen: Mensch, Tier und Pflanze (und in mikroskopisch
lebenden Organismen), aber nicht in der unbelebten Materie. Es
ist eine dualistische Auffassung, d. h. er unterscheidet zwischen
Jiva (Seele) und Ajiva (Nicht-Seele). Jiva ist die Seele, die
empfindende Energie, deren Hauptcharakteristika Bewusstheit
ist, was sowohl Wissen, als auch Intuition umfasst. Ajiva ist die
Materie, die nicht-empfindende Energie und besteht aus den fünf
grundlegenden Faktoren, Bewegung, Ruhe, Raum, grobe Materie
und Zeit. (Frage: Der Jainismus leugnet zwar die Existenz eines
äußeren Gottes, wenn ich aber sage, es gibt eine Seele, gibt es
dann nicht auch einen übergeordneten Gott?)

In jedem Lebewesen ist Jiva und Ajiva miteinander verbunden,


denn ohne Seele wären wir tot, und ohne Materie der Körper
nicht sichtbar. Die Verbindung zwischen Jiva und Ajiva wird
durch Karma, dem Prinzip der Verursachung, verstärkt oder
reduziert. Jeder Gedanke, jedes Wort, jede Tat erzeugt Karma,
das im Jainismus als subtile Materie betrachtet wird. Schlechtes
Karma, wie z.B. Gewalt, Gier, Hass verursacht stärkere Bindung
als gutes Karma, z.B. das Streben nach Wissen und gute
Handlungen. Je weniger wir durch Karma gebunden sind, desto
mehr ist es uns möglich, unser eigenes Potential zu entfalten und
nicht in Aktions-, Reaktionsmechanismen verhaftet zu sein. In
der Philosophie der Jains gilt es als höchstes Ziel, alle
karmischen Bindungen aufzulösen, d.h. die Lösung der Seele von
der Materie zu erreichen, so dass die Seele mit dem Tod ins
Moksha, in den Zustand der Befreiung eingehen kann und nicht
noch einmal den Zyklus des Lebens durchlaufen muss.

Die ursprüngliche Reinheit und Allwissenheit der Seele wird


durch feinstoffliche Substanzen, die als Folge von Karma
eindringen, getrübt. Dies zwingt zum Verbleib im Kreislauf der
Wiedergeburten (Samsara), bis alles Karma getilgt ist. Eine
solche Reinigung der Seele wird im Jainismus durch sittliche
Lebensweise und strenge Askese erreicht. Ist eine Seele von allen
Verunreinigungen befreit, so steigt sie in den höchsten Himmel
auf, um dort in ruhiger Seligkeit zu verharren. Dieses Stadium
erreichen jedoch nicht alle Seelen. Die sogenannten unfähigen
Seelen können aufgrund ihrer natürlichen Veranlagung nie aus
Samsara befreit werden.

Ich stelle mir gerade die Frage, ob man den Monismus und
Dualismus wirklich so streng voneinander trennen kann?
Andererseits sollte man sich vielleicht auch einmal die Frage
stellen, ob diese Philosophien nichts als reine Theorien sind, die
versuchen, das Unerklärbare zu erklären? Wer sagt denn, dass es
Gott, Seelen und die Wiedergeburt gibt? Sollte man diese ganzen
Philosophien nicht einfach zum Teufel jagen, falls es den gibt?

Bei Peter Möller lesen wir: Ein persönlicher Gott, der etwa den
Einzelseelen übergeordnet wäre, existiert im Jainismus nicht. Die
Seele besitzt die Anlage zu Allwissenheit, moralischer
Vollkommenheit und ewiger Glückseligkeit. Sie kann diese
Anlage jedoch nicht entfalten, da sie mit Materie durchsetzt,
infiziert ist. Dadurch wird die Seele zu einem sterblichen?, mit
einem materiellen Leib behafteten Lebewesen. Erlösung ist nur
dadurch möglich, daß die Materie aus der Seele entfernt wird.
Dies wird erreicht durch einen asketischen, tugendhaften
Lebenswandel. Weiter ist bei Peter Möller zu lesen, dass man
offensichtlich auch noch zwischen dem idealistischen (die das
Bewußtsein, den Geist oder die Idee als das Primäre der Welt
bzw. des Seins betrachtet) und dem materialistischen (die die
Materie bzw. die körperlichen Dinge als das Primäre der Welt
bzw. des Seins betrachtet) Monismus unterscheidet.

Ende Anmerkung

Anmerkung zur Brahman-Atman Lehre:

Sehr interessant ist auch was Peter Möller über die Brahman-
Atman-Lehre schreibt:
1. In der brahmanischen Religion (die vor der Gründung des
Hinduismus durch die indo-arischen Eroberer Indiens bestand) ist
Gott keine Person, das heißt kein Über-Mensch, sondern eine
unpersönliche geistige Kraft. (Der Hinduismus hat dann später
aus Brahman einen persönlichen Gott gemacht.)

2. In der brahmanischen Religion gab es keine ewige


Fortexistenz der individuellen Einzelseelen. (Einige Spielarten
des Hinduismus glauben allerdings daran.)

3. Die Welt nur als Trugbild, Illusion etc. abzutun (wie dieses
z.B. bei Shankara geschieht), halte ich für falsch. Denn in
meinem praktischen täglichen Leben ist die Welt mit ihrer
Vielheit trotz allem Philosophierens nun einmal sehr real.

4. Ein kritischer Punkt der Karmalehre ist, daß sie Sozialpolitik


erschwert bzw. unmöglich macht, wenn die missliche Lebenslage
von Menschen und anderer Lebewesen als ein Produkt ihrer
bösen Taten in früheren Inkarnationen angesehen wird.
Weiter lesen wir bei Peter Möller:

Brahman: Ursprünglich Gebet, Zauberspruch beim Opfer. Im


Brahmanismus wandelt sich seine Bedeutung vom Gebet zum
Objekt des Gebets, zum allgemeinen schöpferischen Weltprinzip,
zum Urgrund allen Seins, zur Weltseele. Brahman steht hinter
oder jenseits aller Erscheinungen, jenseits von Raum und Zeit,
jenseits von gut und böse. Brahman umschließt alles. Aus
Brahman ist alles hervorgegangen und in Brahman kehrt alles
zurück. Erst im späteren Hinduismus wird aus dieser
unpersönlichen geistigen Kraft, einem Neutrum, der persönliche,
männliche Gott Brahman.

Atman: Ursprünglich (Lebens)Hauch, Atem (sprachlich mit


diesem Wort verwandt). Die Einzelseele. Atman ist das einzig
wahre Sein, das wahre Selbst des Menschen, das hinter allen
konkreten Formen und Bewußtseinsinhalten des Menschen steht
(so wie Brahman hinter allen konkreten Formen der Welt), das
bei allen Veränderungen der Wahrnehmungen, Gedanken und
Gefühle unveränderlich bleibt. Wenn man den Körper wegdenkt
und von dem verbleibenden Bewußtsein alles Wollen, Denken,
Fühlen, Begehren und Erinnern abrechnet, dann kommt man
ungefähr zu dem, was Atman ist. (Vielleicht soetwas, wie
Bewußtsein ohne jeden Inhalt. Aber Bewußtsein ohne Inhalt ist
mir nicht vorstellbar.) Atman ist der im Menschen verborgen
ruhende göttliche Urgrund. (Das „unerschaffene
Seelenfünktlein“, wie Meister Eckhart es nannte.)

Brahman und Atman sind eines: Das kosmische Prinzip


Brahman und das psychische Prinzip Atman sind völlig
wesensgleich (aham brahma asmi = ich bin Brahman). Es gibt
überhaupt nur eine wahre Wesensheit in der Welt, die im
Weltganzen betrachtet, Brahman, im Einzelwesen erkannt,
Atman heißt. Das Weltall ist Brahman, Brahman aber ist der
Atman in uns.

Erkenntnis: Die Erkenntnis, daß Brahman und Atman eines ist,


ist die höchste Wahrheit. Sie ist allerdings nicht mit dem
Verstand begreifbar, sondern nur in mystischer Ekstase erlebbar.
Wahrheit kann nicht mit dem Verstand erkannt werden. Sie ist
überhaupt nur wenigen Menschen zugänglich und auch diesen
nur nach einem langen Prozeß der Selbstdisziplin, Entäußerung,
Askese, Auferlegung von Anstrengungen und Qualen, völliger
Abziehung der Aufmerksamkeit und des Wollens von der
äußeren Welt etc.

Mokscha: Erlösung. Da das Leben als Leiden angesehen wird,


gilt die immerfortige Wiedergeburt nicht als erwünscht.
Erstrebenswert ist, durch richtigen Lebenswandel und damit
durch die Erkenntnis der Wahrheit, die Kette der Wiedergeburten
zu durchbrechen, die individuelle Existenz zu überwinden und in
Brahman aufzugehen, wie ein Fluß im Meer aufgeht. Dafür ist
notwendig, daß alle Taten vergolten sind, kein Karman mehr
übrig ist, das zur Wiedergeburt drängt.

Ende Anmerkung

Anmerkung zur Physiologie spiritueller Vorgänge

Nun soll die „Erleuchtung“ einmal aus physiologischer Sicht


betrachtet werden. Was passiert, bei der Meditation, wenn der
Verstand zum Schweigen kommt? Dieses Schweigen ist ein
physiologischer Zustand. Der Verstand kommt dann zum
Schweigen, wenn durch kontemplative Methoden (Beten,
Meditation, Zen, Autogenes Training, u.a.) 1. im Stirnbereich des
Gehirns ein Aktivitätsanstieg stattfindet und 2. im Parietallappen
(etwa von der Kopfmitte bis zum oberen Hinterkopf), eine
Verminderung der Gehirnaktivität stattfindet. Durch die
Abnahme der Gehirnaktivität im Scheitellappen verlieren die
Meditierenden oder Betenden den Sinn für das Selbst, die Ich-
Identität und erfahren sehr oft ein Gefühl von Raum- und
Zeitlosigkeit. Der Scheitellappen scheint am Höhepunkt der
Meditation immer weniger mit Blut versorgt zu werden. Er wird
sozusagen abgeschaltet. Der Scheitellappen gibt uns Orientierung
in Raum und Zeit und verleiht uns ein Gefühl für unseren
Körper. Wird dieses Areal still gelegt, können wir nicht mehr
zwischen unserem Körper und der äußeren Welt unterscheiden.
Es entsteht der Eindruck, als würden wir mit der Welt
verschmelzen. Dieses Gefühl spielt bei vielen Religionen eine
entscheidende Rolle.

Der amerikanische Hirnforscher und Religionswissenschaftler


Andrew Newberg hat an der University of Pennsylvania mit einer
radioaktiven Markierungssubstanz und einem speziellen
Computertomografen die neurophysiologischen Auswirkungen
zweier traditionsreicher spiritueller Praktiken auf die
Hirnaktivität sichtbar gemacht. Und ist dabei auf interessante
Befunde gestoßen. Sowohl bei meditierenden tibetanischen
Buddhisten im Zustand des „Einsseins mit dem Kosmos“ wie
auch bei tief im Gebet versunkenen Franziskanernonnen ging die
Durchblutung des Scheitellappens drastisch zurück. Ein
Hirnareal, das sonst unentwegt rattert, verstummt in der Stille der
Versenkung. Dies ist insofern bedeutsam, als sich in diesem
Hirngebiet auch das Orientierungsareal befindet, also jene
Nervenzellverbände, die normalerweise Informationen über
Zeitabläufe und räumliche Orientierung verarbeiten. Aufgrund
der Reizblockade im oberen Teil des Scheitellappens wäre es
somit durchaus erklärbar, dass sich das subjektive Erleben bei
der spirituellen Versenkung gänzlich in der Raum- und
Zeitlosigkeit (in der Leere) verliert. In derartigen
Transzendenzzustände meint der spirituell Entgrenzte, die
Unendlichkeit in Erhabenheit zu berühren.

Franziskanerschwester Celeste, eine der


Versuchsteilnehmerinnen in der Studie des Neurologen Newberg,
erklärte dem Nachrichtenmagazin Newsweek, was sie während
ihres dreiviertelstündigen Gebets vor der Tomografiemessung
empfand: „Ich fühlte Einkehr, Frieden, Offenheit zur Erfahrung.
Da war eine Bewusstheit und eine Empfindsamkeit für die
Anwesenheit Gottes um mich herum. Und ein Gefühl der
Zentriertheit, der Ruhe, des Nichts; aber auch Momente der Fülle
der Anwesenheit Gottes. Gott hat mein Sein durchdrungen.“ Da
buddhistische Meditationsmeister und Franziskanernonnen
gemäss der Newberg-Studie in hirnphysiologisch vergleichbaren
Endzuständen landen, scheint es für das Hirn also keinen
Unterschied zu machen, woran wir glauben.

Damit soll gesagt werden, wenn der Verstand schweigt, dann


schweigt er also nicht aus Zufall, sondern weil ein
physiologischer Prozess ihn zum Schweigen bringt. Dahinter
stehen natürlich irgendwelche Neurotransmitter, oder anders
ausgrückt körpereigene Drogen, die übrigens nicht süchtig
machen, da sie gleich nach ihrer Interaktion mit dem Rezeptor
abgebaut werden. Und eigentlich schweigt der Verstand nicht
wirklich, weil der Stirnbereich hoch aktiv ist. Nur der
Scheitellappen kommt zur Ruhe.

aus: Ein Gefühl schöner als Glück

Ende Anmerkung

7. Ist die sexuelle Lust die höchste Lust? Inhaltsverzeichnis


Das Ziel des von Patanjali begründeten Yogas, ist die
Verminderung der Gedankenwellen, die an der Oberfläche des
Gehirns entstehen. Diese Gedankenwellen können durch äussere
Anregungen, durch die Sinne oder durch das Unterbewusstsein in
Form von Erinnerungen, Phantasien und Wünschen, empfangen
werden. Wie uns Sigmund Freud gezeigt hat, können die
unbewussten Eindrücke sehr tief sein. Die Wurzeln der sexuellen
Begierden, sind in der Tat, sehr tief in uns verborgen. Wenn es
uns nicht gelingt, sie vollkommen zu beseitigen, dann wird es
keine perfekte Meditation und keine Erleuchtung geben.
Patanjali's Yoga-Sutras beschreiben fünf Geistesgifte, die die
Ursachen unserer Leiden sind. Eines dieser Geistesgifte ist das
Gefühl, das uns an Objekte, Tätigkeiten und Personen bindet, die
uns Vergnügen bereiten. Die Sinneslust ist ein solches Gefühl, da
sie uns kurzzeitig sexuelle Ekstase bereitet. Die Ursache allen
Leids ist die Unwissenheit oder Ignoranz. Die Überwindung der
Sinneslust hilft uns, die Unwissenheit abzuschwächen. Man kann
die Sinneslust aber nur überwinden, wenn die Unwissenheit
vollständig beseitigt ist.

Entsprechend der Tantra-Philosophie, ist Brahmacharya (sexuelle


Enthaltsamkeit) notwendig, um die Kundalini, die Energie, der
göttlichen Shakti, die im unterstem Energiezentrum, dem
Basischakra (Muladhara) ruht, zu wecken. Ist die Kundalini
geweckt, dann steigt sie aufwärts und durchläuft fünf weitere
Chakren, um sich im höchsten Energiezentrum, dem
Kronenchakra (Sahasrara), mit dem höchsten Geist, Brahman, zu
vereinen. Bei einem normalen Menschen verweilt die Kundalini
in den drei untersten Chakren, dem Basischakra (Muladhara),
Sakralchakra (Swadhishthana = Sexualchakra) und dem
Solarplexuschakra (Manipura), die identisch mit Schlafen, Essen
und der Zeugung sind. Die Kundalini-Shakti bleibt dann auf
diese drei Zentren begrenzt. Dieses Konzept hat eine gewisse
Ähnlichkeit mit Freud's Konzept der drei Ebenen der Libido
(dem Geschlechtstrieb): oral, anal und genital.

Im allgemeinen wird geglaubt, dass der Mensch das grösste


Glück durch die Sexualität erfahren kann. Ein Kind allerdings,
dessen Sexualität noch nicht erwacht ist, leitet seine
Sinnesfreuden nicht aus der Sexualität ab. Vielmehr empfindet es
Lust am Essen. Der Mund ist das Zentrum seiner Lust. Die
Sexualität ist nach dem Essen also das nächste Zentrum in der
Entwicklung der sinnlichen Lust. Könnte es nicht weitere
Zentren der Lust geben? Die Tantras erklären, dass dieses
tatsächlich der Fall ist. Das Herzchakra (Anahata), das
Kehlkopfchakra (Vishuddha), das Stirnchakra (Ajna) und das
Kronenchakra (Sahasrara) sind solche höheren Zentren. Es ist
also ein grosser Fehler zu glauben, dass uns das sexuelle
Vergnügen den maximal möglichen Genuss verschafft. Alle
Heiligen und Weisen bestätigen uns durch ihre persönliche
Erfahrung, dass das Vergnügen grösser und grösser wird, um so
mehr man die höheren Energiezentren aktiviert, sie öffnet, sie
zum Erblühen bringt. Es wird gesagt, dass dann, wenn die
Kundalini das höchste Chakra erreicht und sich das
Kronenchakra öffnet, man eine Seligkeit erfährt, die weit höher
als die sexuelle Lust ist, und die in jeder Zelle des Körpers
vibriert. Alle weltlichen Freuden erscheinen dagegen
unbedeutend. Es wird gesagt, dass das sexuelle Vergnügen nicht
einmal ein sechzehntel der Freude ausmacht, die man erlangt,
wenn man alle sinnlichen Wünsche aufgibt.

8. Warum hat die Sexualität solch eine Bedeutung?


Inhaltsverzeichnis

Etymologisch (die Etymologie ist die Sprachwissenschaft, die die


Herkunft und Bedeutung der Wörter ergründet) bedeutet das
Wort Brahmacharya, in etwas eingehen, mit etwas zu
verschmelzen, die Identität mit Brahman, dem höchsten Geist,
herzustellen. Vyasa, der Kommentator der Yoga-Sutras dagegen,
verstand unter Brahmacharya, die Kontrolle der Sexualität und
die Aufgabe jeglicher Sinneslust. Darunter verstand er nicht nur
die körperliche Enthaltsamkeit von allen sexuellen Genüssen,
sondern auch die Verwirklichung von geistigem Brahmacharya,
die das Denken, Sehen, Sprechen, Beobachten und sich Hingeben
an erotische Gedanken beinhaltet. Brahmacharya kann also
verschiedene Dimensionen besitzen: feinstoffliche,
übersinnliche und geistige, aber auch grobe, körperliche und
psychologische. Die Sexualität spielt im Leben der meisten
Menschen solch eine dominierende Rolle, dass man einmal über
ihre soziale Bedeutung nachdenken sollte. Seit der Forderung
Siegmund Freud's, sich von der sexuellen Unterdrückung zu
befreien, und der konsequenten Sexualisierung der westlichen
Kultur, haben die sozialen Dimensionen der Sexualität einerseits,
und das Brahmacharya andererseits, einen wesentlich grösseren
Stellenwert erhalten.

Wir stimmen nicht mit der Ansicht Siegmund Freuds überein,


dass die Sexualität die stärkste Antriebskraft im Menschen ist,
und dass die vollkommene sexuelle Entwicklung das Ziel sein
kann, um einen psychisch gesunden Menschen zu erhalten. Aber
wir müssen zugeben, dass Freud uns mit tiefen Einblicken ins
Unterbewusstsein vertraut gemacht hat. Die Wurzeln der
Sinneslust sind in der Tat tief in uns verborgen. Selbst Krishna
hat es bei seiner Beantwortung einer Frage Arjunas angedeutet.
Er beschreibt nicht nur die Energie der Sinneslust, sondern er
beschreibt in einer eingehenden Analyse auch die drei Quellen,
der die Sinneslust entspringt. Arjuna stellte Krishna die Frage:
„Durch welche Kraft wird der Mensch eigentlich angetrieben,
sich der Sünde hinzugeben, obwohl er ihr eigentlich abgeneigt
ist?“

Der gesegnete Krishna antwortete: „Es sind die Wünsche, es ist


unser Zorn, der zügelose Appetit der Leidenschaften, die aus der
inneren Unruhe heraus geboren werden und uns zur Sünde
verleiten. Wir sollten sie als unsere Feinde betrachten. Das
Wissen wird von diesem Feind, wie ein unersättliches Feuer, mit
dem Wunsch nach Sinneslust überschattet. Die Sinne, die Psyche
und der Verstand sind der Ursprung unserer Leidenschaft.
Übernehmen sie die Kontrolle, dann rufen sie in uns die
Sinneslust hervor.“ Krishna zufolge, sind die Wünsche,
besonders die Sinneslust, sehr mächtig. Sie können sogar einen
intelligenten Menschen überwältigen. Die Wünsche haben drei
Quellen, der sie entspringen, d.h. sie ruhen und entspringen drei
unterschiedlichen Ebenen. Es ist verständlich, dass der Mensch
durch seine Sinne genießen möchte. Aber die Sinneslust ruht
auch in seiner Psyche. Das heisst, dass das Individuum auch
durch seine Phantasie, durch seine Erinnerungen und
seine psychischen Fähigkeiten, geniessen kann. Der dritte Sitz
der Sinneslust, der Intellekt, ist der bedeutendste und tiefste. Der
Intellekt ist eine Funktion des Verstandes, der zu
festen Schlussfolgerungen und Entscheidungen kommt,
die später die Form des Glaubens und der Überzeugungen
annimmt, die unser Denken und Handeln beeinflussen.

Was bedeutet es also, dass der Intellekt, der Hauptsitz der


Sinneslust ist? Wenn jemand durch Erfahrung, Überlegung oder
durch einen falschen Glauben, zu der Überzeugung gelangt, dass
es gut ist, dem Sex zu frönen, dass es der Gesundheit, dem
Frieden und dem Glück dient, dass es das einzig wahre Ziel des
Lebens ist, seine Sinneslust auszuleben, dann wird dieser
Wunsch ganz fest ins Gehirn eingraviert. Es ist leicht, die Sinne
zu kontrollieren. Man könnte sich mit ein wenig Anstrengung,
aller sinnlichen Phantasien, Erinnerungen und
Gedanken enthalten. Aber es ist sehr viel schwieriger, die
Sinneslust zu besiegen, wenn sie erst einmal in Form einer festen
Überzeugung, Wurzeln in unserem Verstand geschlagen hat.
Daher riet Krishna Arjuna, die Sinneslust bereits in ihrem
Ursprung zu kontrollieren. Darum sagte Krishna zu Arjuna:
„Erkenne das göttliche Selbst, das jenseits des Verstandes ist und
kontrolliere den Intellekt, durch das göttliche Selbst und besiege
dadurch deine Wünsche, deine Sinneslust.“

Anmerkung Göttliches Selbst:

Das Göttliche Selbst ist nur für den von Bedeutung, der religiös
ist. Yoga ist aber nicht zwangsläufig an religiöse Vorstellungen
gebunden.

Ende Anmerkung

Es ist wichtig, den Mechanismus der Sinneslust gründlich zu


verstehen, wenn jemand Brahmacharya praktizieren möchte. Im
Katha Upanishad (philosophische Schriften, 700 v.Chr. bis 200
v.Chr.) erhalten wir das Konzept der Shreyas und Preyas.
Shreyas bedeutet, dass etwas langfristig von Vorteil ist. Preyas ist
das, das nur für einen kurzen Moment Freude und Vergnügen
bereitet, das langfristig aber schädlich ist. Die Menschen werden
normalerweise von dem angezogen, was ihnen Vergnügen
bereitet. Dass die Sinneslust die grösste Anziehungskraft besitzt,
braucht nicht betont zu werden. Aber nur sehr wenige Menschen
wissen und verstehen, dass es zum Ruin des Menschen führen
kann, wenn die Sinneslust nicht kontrolliert wird. Wenn jemand
davon überzeugt ist, dass die Sexualität für ihn heilsam ist, dann
wird er nicht darüber nachdenken, sie zu überwinden. Aber
heutzutage wird die Ansicht, dass die Sinneslust heilsam sei, mit
Hilfe der Medien in aller Welt verbreitet.

9. Brahmacharya aus der Sicht des Ayurveda


Inhaltsverzeichnis

Von den fünf Yamas, den fünf moralischen Werten des Rajayoga
(Gewaltlosigkeit, Ehrlichkeit, Nichtstehlen, Brahmacharya
(Enthaltsamkeit), Unbestechlichkeit) hat allein Brahmacharya
eine physiologische Komponente, das durch die indische
Medizin, dem Ayurveda, studiert wurde. Entsprechend Ayurveda
gibt es sieben Dhatus, sieben Elemente, im menschlichen Körper.

Die sieben Dhatus:

1. Rasa = Nährstoffe
2. Rakta = Blut, Hämoglobinanteil des Blutes
3. Mamsa = Muskeln, Muskelgewebe
4. Meda = Fett, Fettgewebe
5. Asthi = Knochen, Knochengewebe
6. Majja = Knochenmark und Nerven
7. Shukra = Samen (weiblich: Eizelle)

Die Nahrung, die wir essen, wird verdaut, in seine Nährstoffe


(Rasa) umgewandelt, die vom Körper aufgenommen werden.
Rasa wird in Blut, Blut in Fleisch, Fleisch in Fett, Fett in
Knochen, Knochen in Mark und Mark in Samen (Eizellen),
umgewandelt. Entsprechend dieser Theorie entspricht Samen
dem 7. Dhatu, dem wichtigsten und am stärksten verfeinertem
Dhatu. Der Samen (die Eizellen) ist (sind) also die Essenz aller
sechs vorhergehenden Dhatus. Folglich kann man seinen Verlust
als einen großen Verlust betrachten. Wird der Samen dagegen
bewahrt, dann wird er vom Körper aufgenommen und in Ojas
(spirituelle Energie) umgewandelt. Ojas ist noch subtiler (feiner)
als der Samen. Ojas besitzt einen physischen, als auch einen
feineren geistigen Aspekt. Es ernährt nicht nur den Körper,
sondern auch das Gehirn und das Nervensystem. Es verleiht dem
Menschen Charm und körperliche Ausstrahlung, es schärft den
Intellekt, erhöht das Gedächtnis, verleiht ihm Heiterkeit,
Gelassenheit und Seligkeit.

Entsprechend Ayurveda würde folglich ein übermäßiger Verlust


des Samens, durch sexuelle Befriedigung, zur Schwächung der
vorhergehenden sechs Dhatus (Nährstoffe, Blut, Muskeln, Fett,
Knochen, Knochenmark) führen, da die Energie hauptsächlich
für die Erzeugung neuer Samenzellen (Spermien) benötigt wird.
Ausserdem würde es die Produktion von Ojas (spiritueller
Energie) vermindern. Es wird daher ausdrücklich empfohlen, den
Samen nur zur Zeugung zu nutzen und ihn nicht andersweitig zu
vergeuden. Gibt es irgendwelche Entsprechungen dieser Theorie
in der modernen Physiologie? Wahrscheinlich nicht. Es ist
schwierig, für diese Theorie des Ayurveda in der
schulmedizinischen Physiologie entspechende Bestätigungen zu
finden. Beide Systeme, sowohl die moderne Schulmedizin, als
auch Ayurveda, haben ihre eigenen Theorien und Konzepte, die
völlig unterschiedlich zu einander sind und es gibt keinen
vernünftigen Grund, ein Konzept mit Hilfe des anderen zu
bestätigen.

Entsprechend der modernen Physiologie wird das periphere


Nervensystem des Menschen durch zwei Nervensysteme,
nämlich durch das somatische Nervensystem und das vegetative
Nervensystem (autonomes Nervensystem), geregelt. Das
periphere Nervensystem umfasst den Teil des Nervensystems,
der außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegt. Das
somatische Nervensystem steht unter der Kontrolle des
Menschen. Es regelt die Motorik (Bewegung), die
Oberflächensensibilität (Tastsinn) und die Tiefensensibilität
(Eigenwahrnehmung des Körpers). Das autonome Nervensystem
besteht aus zwei Komponenten, dem sympathischen
(Sympathikus) und dem parasympathischen Nervensystem
(Parasympathikus). Die Autonomie des vegetativen
Nervensystems (VNS), bezieht sich auf den Umstand, dass über
das VNS biologisch festliegende, automatisch ablaufende
innerkörperliche Anpassungs- und Regulationsvorgänge
ablaufen, die deswegen vom Menschen willentlich nicht direkt,
also allenfalls indirekt beeinflusst werden können. Die meisten
Organe werden von beiden Systemen, also vom Sympathikus, als
auch vom Parasympathikus, gesteuert, die antagonistisch (mit
entgegengesetzter Wirkung) wirken und dadurch eine äußerst
feine Regulation der Organtätigkeit ermöglichen.

Sowohl der Sympathikus als auch der Parasympathikus werden


im hohen Grade während des Geschlechtsverkehrs angeregt.
Wann immer wir emotional beunruhigt sind, sei es durch Zorn,
Angst oder in sexueller Erregung, wird das autonome
Nervensystem aktiviert. Das Herz fängt an, schneller zu
schlagen, die Atmung wird schnell und unregelmäßig, es bildet
sich Schweiß und die Speichelabsonderung nimmt zu oder ab.
Solche wiederholten unnatürlichen Aufregungen des autonomen
Nervensystems, sowie des Herz-Kreislaufs-Systems und der
Atmung, können dauerhafte Schäden dieser Organe nach sich
ziehen.

Es ist bekannt, daß die Samen-Flüssigkeit, das Ejakulat,


Absonderungen der Prostata enthält, die an der Unterseite der
urinausscheidenden Blase zu finden ist. Dieses prostataische
Drüsensekret enthält Phosphate, von denen nachgewiesen
worden ist, dass sie nützlich für die Gehirntätigkeit sind.
Glycerin-3-Phosphat wird häufig als Gehirnstärkungsmittel
benutzt. Außerdem produziert die Prostata Chemikalien, die
Prostaglandine (Gewebshormone) genannt werden, die eine
große Vielfalt an entzündungshemmenden und schützenden
Effekten auf verschiedene Organe des Körpers haben.
Synthetische (künstliche) Prostaglandine werden heutzutage
flächendeckend als entzündungshemmende, anti-arthritische
(Gelenkerkrankungen) Arzneimittel benutzt. Es scheint, daß die
Absonderung der natürlichen Prostaglandine, der Methode von
Mutter Natur entspricht, den Körper gegen eine große Anzahl
von Entzündungen zu schützen und den natürlichen Widerstand
des Körpers zu unterstützen.

In welchem Ausmass der Verlust des Samens das natürliche


prostaglandin-regelnde System beeinflußt und zum Verlust der
natürlichen Phosphate führt, und ob solch ein Verlust für die
körperliche und geistige Gesundheit eines Mannes von
Bedeutung ist, ist schwierig zu sagen. Aber wenn die oben
genannten Tatsachen zutreffen, dann kann davon ausgegangen
werden, dass häufige sexuelle Befriedigung, und damit
einhergehend, ein übermässiger Samenverlust, die körperliche
und geistige Gesundheit eines Mannes beeinflussen. Ojas
dagegen entwickelt, in Begriffen der modernen Physiologie
ausgedrückt, die Fähigkeit, größeren körperlichen und geistigen
Stress besser zu ertragen.

Es gibt viele andere Wege, durch die diese Chemikalien verloren


oder gewonnen werden können. Entsprechend der Philosophie
des Ayurveda, kann Ojas auch durch viele andere Arten als durch
Sexualität verloren gehen. Es bleibt festzuhalten, dass bei Frauen
die Eizelle die Rolle übernimmt, die bei Männern die Samenzelle
spielt. Es ist aber unvernünftig, zu großen Wert auf die
physiologischen Aspekte des Brahmacharya zu legen. Jedoch
kann eine Tatsache nicht bestritten werden. Häufige sexuelle
Befriedigung führt zur Aufregung des Herz-, Atmungs- und
Nerven-Systems. Kein Yogaschüler, der eine tiefe,
langanhaltende Meditation anstrebt, sollte sich solch einer
Aufregung aussetzen. Durch entsprechende Praxis ist es möglich,
längere Zeit unbeweglich in einer Meditationshaltung zu
verbringen. Aber ohne Brahmacharya ist es unmöglich, längere
und tiefere Meditationen zu erfahren.
Calcium- und Phosphormangel durch Samenerguss

Bei Lebensstrom fand ich:

Die wenigsten wissen um die chemischen Vorgänge beim


Geschlechtsverkehr, genauer gesagt, beim Samenerguss, sei er
willkürlich herbeigeführt oder als Pollution im Schlaf auftretend.
Man hat festgestellt, dass der menschliche Same nicht nur die
Hormone der Geschlechtsdrüsen (Hoden) enthält, sondern auch
Nährstoffe wie Lecithin, Phosphor, Calcium, Eisen und Vitamin
E, sowie Cholesterin. Die chemische Zusammensetzung ist
ähnlich wie die des Nerven- und Hirngewebes.

Dr. Raymond Bernard schreibt darüber: „Lorand weist darauf


hin, dass Überaktivität der Geschlechtsdrüse mit starker
Ausscheidung von Phosphor und Calcium verbunden ist.
Während der Pubertät entsteht ein ähnlicher Calcium- und
Phosphormangel im Blut, weil unter dem Einfluss des
Wachstumshormons die Knochen wachsen und sich das Skelett
streckt. Gerade diese beiden Stoffe werden dem Körper durch
Samenerguss entzogen.“

Havelock Ellis hat die Beobachtung gemacht, daß frühzeitig und


ausgiebig Masturbierende im Wachstum zurückbleiben. Der
junge Organismus wird über Gebühr beansprucht, bevor er voll
entwickelt ist. Laut McCallum und Voegtlin führt Calciumentzug
aus den Nervenzellen zu Übererregbarkeit, die nur durch erhöhte
Calciumzufuhr beigelegt werden kann. Da beim Samenerguß viel
Calcium verlorengeht, erklären sich einerseits die nervösen
Symptome und andererseits die schwere Müdigkeit nach dem
Orgasmus. Das gleiche gilt für den Phosphorverlust. Phosphor ist
wesentlich für die Ernährung der Nerven- und Hirngewebe, und
ausgesprochener Mangel kann Neurosen und Psychosen
verursachen.

10. Einige Methoden des Brahmacharya Inhaltsverzeichnis

Da die Sinneslust verschiedene Quellen hat, aus denen sie


gespeist wird, die Sinne, die Psyche und den Verstand, sollte die
Praxis des Brahmacharya von verschiedenen Ebenen aus
erfolgen. Sri Krishna rät Arjuna in der Bhagavad Gita zuallererst
die Sinne zu kontrollieren: „Darum solltest du zuerst deine Sinne
kontrollieren und diesen Feind, den Zerstörer des Wissens und
der Selbstverwirklichung, zu besiegen.“ Um nicht in Versuchung
zu geraten, sollte man Leute, Plätze, Tätigkeiten und Situationen
meiden, die lüsterne Gedanken anregen könnten. In der
spirituellen Kriegsführung, ist der Flug über diesen tödlichen
Feind, die Sinneslust, die beste Möglichkeit, ihn zu besiegen.
Seien wir also nie zu selbstbewusst. Wir sollten die Sinneslust
niemals unterschätzen.
Einige Beschränkungen in der Ernährung, können außerdem
helfen, die Anziehungskraft der turbulenten Sinne, zu
vermindern. Mahatma Gandhi praktizierte verschieden Diäten
und war der Meinung, daß gelegentliches Fasten hilft, die
Sinneslust zu überwinden. Die Kontrolle des Gaumens wird
häufig unterschätzt und oft nicht so praktiziert, wie sie sein
sollte. Dann gibt es einige Yogaübungen, die, obwohl sie sehr
wirkungsvoll sind, den Nachteil haben, das sie das
Körperbewusstsein, und damit die Sinneslust, fördern. Man sollte
also prüfen, ob die eine oder andere Yogaübung der eigenen
spirituellen Entwicklung im Wege steht.

Wie wir wissen, befürwortete Sri Ramakrishna keine


Yogaübungen. Er riet sogar seinem Schüler Yogen, der sich auch
Yogindra und später Swami Yogananda nannte, davon ab,
Yogaübungen zu praktizieren. (Swami Yogananda sollte nicht
mit dem später berühmten Yogi Paramahansa Yogananda
verwechselt werden, denn der wurde erst 1893, sieben Jahre nach
Ramakrishna's Tod, geboren. Der Yogananda, von dem hier die
Rede ist, ist ein Schüler Ramakrishnas, der bereits 1861 geboren
wurde. Er war ein reicher Aristokrat, seiner Natur nach vornehm
und zurückhaltend, und der erste Schüler, der von Ramakrishnas
Frau Sarada Devi initiert wurde. Unter der Initiation versteht man
die vollständige Aufnahme des Schülers durch den/die
Meister/in) Stattdessen empfahl er Yogen die Mantrameditation,
von der dieser schon sehr bald profitierte. Ramakrishna bat
andere seiner Schüler, über die göttliche Mutter Kali zu
meditieren, bevor sie einschliefen. Er riet seinen Schüler Latu, an
ihn selber zu denken, falls unreine Gedanken in ihm aufstiegen.
Alle diese Techniken haben im allgemeinen den Sinn, sich mit
dem Göttlichen zu vereinen. (Anmerkung: Dem kann ich nicht
zustimmen. Um Yoga zu praktizieren, bedarf es keiner religiösen
Orientierung, auch wenn Ramakrishna dieses selbstverständlich
anders sah.)

Es soll daran erinnert werden, dass die Sinneslust nicht außerhalb


unseres Körpers stattfindet. Sie findet in unserer Psyche statt.
Folglich ist es wichtig, unsere Einstellung dem anderen
Geschlecht gegenüber zu überprüfen. Seinem Schüler Swami
Vijnanananda gab Sri Ramakrishna die Empfehlung, den Kontakt
mit Frauen gänzlich zu vermeiden. Anderen erklärte er, Frauen
als die Verkörperung der göttlichen Mutter zu betrachten. Im
indischen Epos Ramayana, sagt Narada in seiner Hymne an Sri
Rama, dass alle Männer Gott Rama verkörpern und alle Frauen
die Göttin Sita. Diese Haltung ist sehr hilfreich, wenn wir unser
lüsternes Schauen auf das andere Geschlecht verändern wollen.
Die Lösung des Problems liegt vielleicht darin, die anderen als
sexlose, reine und selige Seelen, und nicht als männliche und
weibliche Körper, zu betrachten. Leider ist es nicht so einfach
und erfordert ein beharrliches und ausdauerndes Bemühen.
Diese sind einige der Methoden die in der Praxis des
Brahmacharya angewendet werden. Anpassungen und
Veränderungen sollten entsprechend dem Individuum und seinen
speziellen Lebensumständen vorgenommen werden. So hat
Ramakrishna verheirateten Leuten empfohlen, als Brüder und
Schwestern zu leben, nachdem sie ein oder zwei Kinder gezeugt
haben. Er wußte, daß nicht alle Menschen in der Lage sind,
vollkommenes Brahmacharya zu praktizieren. Deshalb machte er
für Verheiratete einige Zugeständnisse. Es gibt ähnliche Regeln,
in allen Religionen, die das Sexualleben der verheirateten
Verehrer regelt. Das Befolgen dieser Regeln ist weitaus
wichtiger, als das Gelübte des absoluten Brahmacharya, das nur
von den Mönchen eingehalten werden sollte. Es ermuntert, zu
sehen, dass viele verheiratete Paare, angespornt durch das
Vorbild Ramakrishnas und seiner Frau Sarada Devi versuchen,
Brahmacharya bereits in der Ehe zu praktizieren und sich
bemühen, das Sakrament der Ehe, in einen heiligen Stand zu
erheben.

11. Die sexuelle Revolution Inhaltsverzeichnis

Nach den Aussagen des russischen revolutionären


Soziologen Pitrim Sorokin (1989 bis 1968), dem Gründes des
ersten soziologischen Lehrstuhls an der Universität Petrograd,
der später in die USA emigrierte und 1930 den ersten
soziologischen Lehrstuhl an der Universtät Harvard gründete,
gibt es eine seltsame, undefinierte Revolution, die in der
modernen Zeit stattfindet. Diese Revolution betrifft nur das
Individuum und geht von keiner Armee und von keinem
Bürgerkrieg aus. Und dennoch wird diese stille Revolution, die er
die sexuelle Revolution nannte, die von Milliarden Menschen auf
der ganzen Welt getragen wird, in die sexuelle Anarchie führen.
Diese Revolution, ist wegen ihrer tiefgründigen Veränderung auf
das Individuum und auf die Gesellschaft, ebenso wichtig, wie
alle anderen Revolutionen. Einer seiner gefürchteten Effekte, ist
der Zusammenbruch der Familie, die den Grundpfeiler einer
gesunden und stabilen Gesellschaft darstellen. In den USA und in
den europäischen Ländern, brechen die Familienstrukturen
immer weiter auseinander. Allein in Großbritanien erleben jedes
Jahr 150.000 Kinder unter 16 Jahren, die Scheidung ihrer Eltern.
Die Anzahl der alleinerziehenden Mütter vervierfachte sich auf
360.000 in der Zeit von 1971 bis 1989. 1980 wurden 12 Prozent
aller Kinder nicht in einer Ehe geboren, 1991 waren es bereits 28
Prozent. 19 Prozent aller Familien haben mittlerweile nur noch
ein Elternteil, sie sind also alleinerziehend und 30 Prozent aller
Geburten, finden ausserhalb der Familien statt.

In den USA findet geradezu eine Epedemie an


Jugendschwangerschaften statt. Jugendliche, die selber fast noch
Kinder sind, bekommen Kinder. Dieses hat zu einer Krise des
öffentlichen Gesundheitswesens geführt. Und die
Scheidungsraten verdoppeln sich etwa alle 10 Jahre.
Zwei Fünftel aller Kinder verleben zumindest einen Teil ihrer
Kindheit, in Ein-Eltern-Haushalten.Es ist nicht so, dass Kinder
alleinerziehender Eltern sich nicht ebenfalls positiv entwickeln
können, aber sie zeigen im Gegensatz zu den traditionellen
Familien, eher ein auffälliges Verhalten, und zwar psychisch,
emotional, pädagogisch und in ihrem Umgang mit Zigaretten und
Alkohol. Sie sind weniger erfolgreich in der Schule, ernähren
sich ungesünder, sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen,
neigen stärker zu Fehlverhalten und Kriminalität, sind anfälliger
für psychiatrische Erkrankungen und sterben früher. Darum ist
der Zusammenhalt in der Familie so wichtig. Der Verlust des
Gemeinschaftsgefühls in der Gesellschaft, findet seinen
Ausdruck in Verbrechen, Vandalismus und in Gewalttätigkeiten.
Die Entwicklung einer gesunden Sexualerziehung, sowie stabiler
Familienverhältnisse, sind folglich die wichtigsten
soziologischen Notwendigkeiten unserer Zeit.

Anthropologisch (menschlich) gesehen, gibt es verschiedene


Arten von Ehen. Im Hinduismus sind acht verschiedene Arten
von Ehen beschrieben worden, aber die Monogamie hat sich am
Ende, mit allgemeiner Zustimmung, durchgesetzt. Im Islam ist
die Polygamie (Heirat mit mehreren Frauen) erlaubt. Es gibt aber
auch einige Stämme, in denen die Polyandrie (Vielmännerei) in
Mode ist. Neben der traditionellen Familie, in der ein Mann und
eine Frau zusammen leben und den Kern einer Familie bilden,
gibt es auch viele andere Arten von Familien. Obwohl die
traditionelle Ehe und Familienstruktur, möglicherweise in der
industriellen und nachindustriellen Zeit nicht als Ideal betrachtet
werden können, so hat das Kind doch das innerste Bedürfnis
nach fürsorglicher Betreuung, am besten durch die eigenen
Eltern, die bis zum Alter von etwa 20 Jahren anhält. Danach
wünscht man sich die Unterstützung eines Ehepartners, der
einem durch Freud und Leid, bis ans Lebensende, zur Seite steht.
Dieses ist ein bemerkemswerter Charakterzug des Menschen.

All' dies kann in der modernen Kultur nicht erfüllt werden, die
durch sexuelle Zügellosigkeit bestimmt wird. Der
Sozialwissenschaftler Pitrim Sorokin schlägt deshalb vor, die
Kultur und das soziale Leben so anzuheben, dass sich innerhalb
der Gesellschaft, eine gesunde Sexualität entwickeln kann. Sie
besteht im wesentlichen darin, die Kultur vom Tabu der
Sexualität zu befreien. Die Hauptveränderung einer solchen
kulturellen Erhebung sollte darin bestehen, die Künste, sowie die
Medien, einschliesslich Radio und Fernsehen, von ihrer sexuellen
Orientierung zu befreien. Gleiches gilt für den Freizeitbereich,
den Sport, die Wissenschaften und die Philosophie, die sozialen
und humanistischen Lehrfächer, die Ethik und die Gesetze, kurz
gesagt, für unsere gesamte Lebensart. Die Aufwertung der Liebe,
der Ehe und der Familie sind ebenfalls Teil dieser Umwandlung.
Dieses kann man als die soziologische Dimension des
Brahmacharya betrachten, die man nicht übersehen sollte, selbst
wenn man Brahmacharya in Gedanken, Worten und in der Tat
praktiziert.

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