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Hier spiegelt sich das Streben nach Beschreibungsadäquatheit, d.h. dass ein Phänomenbereich
vollständig und widerspruchsfrei beschrieben werden soll (wegen der Komplexität der menschlichen
Sprache wird dies nur im Idealfall erfüllt). [Erklärungsadäquatheit = (Reduktion der angenommenen)
Prinzipien (auf ein minimales Grundinventar), die verhindern bzw. rechtfertigen die
Erzeugungsmöglichkeit von Phrasen und Sätzen (Übereinstimmung von produzierten Daten im
Sprachlernprozess mit den angesetzten universalgrammatischen Prinzipien).
V3 Zum Phänomen Satz
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So gibt es z.B. durch das Zentrieren des Kriteriums der grammatischen Korrektheit bzw. der
Beschreibbarkeit durch eine Grammatik strukturalistisch und formalistisch orientierte Definitionen wie
der Satz ist „eine grammatische Kette von Wörtern“ oder der Satz ist „eine Kette von Wörtern, die
durch eine Grammatik beschreibbar ist“; psychologische Gesichtspunkte spielen bei folgenden
Definitionen eine Rolle, in denen „Sätze als Ausdruck mehr oder weniger genau spezifizierter mentaler
Einheiten“ beschreiben werden, vgl. der Satz ist „Ausdruck einer Proposition“ oder der Satz ist
„Ausdruck eines vollständigen Gedankens“; Definitionen wie der Satz ist „die Grundeinheit des
Diskurses“ dagegen sind textlinguistisch geprägt, den der Satz wird „als eine Einheit eines größeren
Phänomens, des Diskurses“ angesehen (vgl. Flohr/Lobin 2002: 127).
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Unter Phrasen versteht man Wortgruppen, „die syntaktisch eine Einheit bilden“ (Dürscheid 52010:
29). Sie werden nach dem jeweiligen Kern/Kopf der Phrase bezeichnet, z.B. Nominalphrase (NP) das
kleine Kind, Verbalphrase (VP) nach Hause fahren, Präpositionalphrase (PP) mit dem Kind,
Adjektivphrase (AP) sehr klein, Adverbphrase (AdvP) sehr oft (vgl. Dürscheid 52010: 29, Beispiele
auch dort).
hilft nicht bei der Definition dessen, was ein Satz ist. Heringer
(1996:18-19)4 meint, dass die meisten Definitionen an zwei
Mängeln leiden:
1. Der erste Mangel beruht darauf, den Satz von außen mit
logisierenden Begründungen zu definieren, wie Der Satz
ist eine Aussage. Das ist deshalb problematisch, weil jede
logische Sprache von natürlichen abgeleitet ist und man
sich mit logischen Definitionen im Kreis bewege, d.h. es
kommt zu einer Zirkeldefinition. Die Definition des Satzes
als Aussage schließt Fragesätze, Befehlssätze sowie
Modalität ausdrückende Sätze aus, weil Aussagen per
definitionem wahr oder falsch sein müssen. Das Postulat
der Zweiteiligkeit ist eine weitere Komponente dieses
Mangels. Sätze, die keine Zweiteiligkeit aufwiesen,
versuchte man mithilfe der Annahme einer Ellipse zu
erklären: vgl. Wasser! Es besteht allerdings keine
Einigung darüber, welche Teile elliptisch ausgelassen
wurden.
2. Der zweite Mangel ist die Definition, wonach einen Satz
Subjekt und Prädikat ausmachen, denn diese Definition
lässt sich bei weitem nicht auf alle Sprachen anwenden
(z.B. auf Pro-Drop-Sprache wie dem Ungarischen, in
denen Pronomina in bestimmten syntaktischen Positionen
zur Konstituierung eines grammatisch korrekten Satzes
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Heringer (1996) z.B. will den Satz in einer „weiteren Theorie menschlicher Kommunikation“
eingebettet sehen und geht von Texten aus, deren Elemente Sätze sind. Heringer (1996: 19) zufolge
ist der Satz die Einheit, die sich im Gebrauch der Sprache dadurch auszeichne, dass sprachliche
Kommunikation sich in Sätzen vollziehe und kommunikative Akte mit Sätzen vollzogen werden. Er
definiert dementsprechend den Satz als „das Schema für kleinste potentiell selbständige
Äußerungen“.
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Zu den Pro-Drop-Sprachen gehören u.a. – mit Ausnahme des Französischen – die romanischen
Sprachen: vgl. Spanisch: lo veo oder Italienisch: lo conosco
es seh-1SG = ‚Ich sehe es’ ihn kenn-1SG = ‚Ich kenne ihn’.
Aufgrund der ausgeprägten Flexionsmorphologie am Verb sind eindeutige Rückschlüsse, z.B. auf das
Subjekt möglich, was zur Nichtrealisierung bestimmter Pronomina führt. Am Beispiel des Deutschen,
bei dem ebenfalls durch die grammatische Kongruenz von Subjekt und Prädikat vergleichbare
Rückschlüsse gezogen werden können, zeigt sich, dass es keine notwendige Korrelation zwischen
morphologischem Typ der Sprache und ihrem Verhalten in Bezug auf Realisierung der Pronomina
gibt. Auch im Deutschen gibt es Fälle, in denen das Subjekt nicht realisiert wird, z.B. in
Kurznachrichten wie Ankomme mit 12-Uhr-Zug, allerdings handelt es sich dabei um in der
Umgangssprache auftretende Ausnahmen.
(1) mit dem Hinweis auf die Häufigkeit, d.h. die meisten
deutschen Sätze bestehen aus einem grammatischen
Subjekt und einem grammatischen Prädikat;
(2) wobei abweichende Formen, wie z.B. Schön. immer
durch kontext- und situationsabhängige (KoSi-
dependente) Faktoren erklärt werden können, vgl. Das
Bild ist schön. Peter singt schön.6
Ein anderer Ansatz besteht darin, nur vom finiten Verb (d.h.
dem Prädikat) auszugehen. Vorläufer dieses Ansatzes sind u.a.
Lehmann (1833: 6ff., zitiert nach Forsgren 1992: 5) und
Götzinger (1839: 5f., zit. nach Forsgren). Lehmann trennt
Logik und Grammatik. Er meint, dass beide Begriffe (Subjekt
und Prädikat) für die Logik notwendig sein können, die
Grammatik aber lediglich das finite Verb als Hauptbestandteil
des Satzes benötige. Götzinger geht hier insofern weiter, als er
diese Entscheidung für das finite Verb als satzkonstituierenden
Teil kommunikativ begründet. Nach Götzinger besitze einzig
das Verb die „Kraft des Sagens und Behauptens“ und bildet
deshalb die „Grundlage aller Mittheilung und allen
Gedankenaustausches“ (zit. nach Forsgren 1992: 5).7
Forsgren (1992) betont, dass die S-P-Funktion bzw. die P-
Funktion keine Definitionsalternativen darstellen, sondern von
Sprache zu Sprache entschieden werden muss, welches
syntaktische Kriterium zur Beschreibung der gegebenen
Sprache am geeignetsten ist. Nach Forsgren (1992) ist für das
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Verschiedene Sprachwissenschaftler (wie z.B. Behaghel 1934) lehnen den mehrgliedrigen
Satzbegriff ab, denn auch Einwortgebilde wie Halt!, Feuer! sind Sätze. In der Regel bringen sie aber
nichts an seine Stelle.
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Aus diesem Grunde sieht z.B. Forsgren Götzinger als frühen „Valenztheoretiker” an (vgl. Forsgren
1992: 5).
1.4. Periode
Nehmen wir einmal folgende Sätze und überprüfen sie
hinsichtlich der Übereinstimmung der Ergebnisse der
verwendeten Kriterien:
(1) Sie schreibt noch heute den Brief.
(2) Sie hat ihm versprochen, dass sie noch heute den
Brief schreibt.
(3) Er hat es ihr immer wieder gesagt, dass er es nicht
getan hat.
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Wobei nicht vergessen werden darf, dass über Intonation Emotionen, Kontaktbereitschaft,
Regionales, Dialektales u.a. ausgedrückt wird.
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Anakoluth (Abbruch, besonders in der gesprochenen Sprache): Was wollt ich doch gleich noch
sagen…Ach ja, der Peter hat letzte Woche geheiratet.; Ellipse: Heiko verbringt den Urlaub in Italien
und Manfred an der Ostsee. Ende gut, alles gut.; Fragment eine Erscheinung in verstümmelten
Texten; Nominalsatz (Satz ohne Prädikat, aber mit Subjekt, wird meist verstanden als Satz ohne sein):
Frau weg, Geld weg, alles weg.
Hauptsatz
Koordination/Reihung
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Kessel/Reimann (22008: 7, Beispiele auch dort) machen auf mögliche Zeichensetzungen bei
asyndetisch verbundenen Reihungen aufmerksam, z.B. Komma (Petra geht nicht ins Kino, ihr Freund
ist krank.), Semikolon (Ich wartete; er kam nicht) oder Doppelpunkt (Das ist meine Freundin: Sie ist
schön, intelligent und hat Humor.).
Exkurs: Konjunktionaladverbien
Von Konjunktionen sind die Konjunktionaladverbien zu unterscheiden. Konjunktionaladverbien
verbinden ebenfalls Sätze, sie haben aber im Gegensatz zu den Konjunktionen Satzgliedcharakter,
d.h. sie besetzen Positionen auf dem Satzfeld. Valenzgrammatisch betrachtet man sie als Angaben.
Hierzu gehören: außerdem, deshalb, daher, deswegen, demnach, folglich, insofern, trotzdem.
Kessel/Reimann (22008: 45, Beispiele auch dort) manchen darauf aufmerksam, dass es darunter auch
Homonyme geben kann, z.B. doch, vgl. Er putzt gern die Wohnung, doch er bügelt ungern seine
Hemden. (Konjunktion, da in Ø-Position, er besetzt Spitzenstellung) vs. Er putzt gern die Wohnung,
doch bügelt er ungern seine Hemden. (Konjunktionaladverb, doch besetzt Spitzenstellung, er im
Mittelfeld).
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Vgl. http://wortschatz.uni-leipzig.de/abfrage/ (Quelle: n-tv.de vom 01.01.2005).
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Vgl. http://wortschatz.uni-leipzig.de/cgi-portal/de/wort_www?site=22&Wort_id=72346&bl=208
(Quelle: fr-aktuell.de vom 04.01.2005)
Satz
Satzreihe (Parataxe)
Satzgefüge (Hypotaxe)
Koordination von Hauptsätzen
Subordination
Üb
er-/Unterordnung
Hauptsatz (Matrixsatz)
Nebensatz (NS)
eingeleiteter NS
uneingeleiteter NS
Nebensätze Beispiele
Konjunktionalsätze (durch eine Er sagt, dass er kommt.
subordinierende
Konjunktion/Subjunktion eingeleitete
Sätze)
Relativsätze (durch Er liest das Buch, das du
ein
empfohlen hast.
Relativpronomen oder Relativadverb
eingeleitete Sätze) Das ist das Haus, in dem/wo seine
Großeltern lebten. (P.Sz.)17
indirekte Fragesätze (durch ein Er weiß nicht, wer das ist.
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Das folgende Beispiel belegt gut, dass der deutsche Relativsatz im Gegensatz zum ungarischen in
der Regel unmittelbar an das Bezugswort angeschlossen gesetzt wird, um den engen Zusammenhang
zwischen beiden zu gewährleisten: Beide Überfälle wurden etwa einen Kilometer von der Wohnung
entfernt, in der Tobias Hansson zusammen mit seiner Mutter wohnt, verübt.(Tursten, Helene (12009):
Das Brandhaus. Aus dem Schwedischen von Lotta Rüegger und Holger Wolandt. München: btb
Verlag, S. 61, Hervorhebungen P. Sz.).
(Zeitpunkt oder sowie, während, sind, rufen wir die Eltern an.
Zeitraum des im bevor, bis,
Matrixsatz nachdem,
ausgedrückten seit/seitdem,
Sachverhalts solange, sooft
wird bezeichnet,
b während, vor,
nach a)
konditional falls, wenn, Wer wird der neue Trainer, falls
(Bedingung wird so(fern), bevor er den Posten abgibt?
bezeichnet, b als nicht, soweit
Bedingung von a)
final (Zweck, damit; auf dass, Sie schreibt alles in ihr
Ziel, auf das die dass, um…zu Notizheft, damit sie am Abend
im Verb des noch einmal alles nachlesen
Matrixsatzes kann.
ausgedrückte
Tätigkeit
gerichtet ist,
wird bezeichnet,
b als Zweck von
a)
konsekutiv (Folge (so)dass, weshalb, Richtet nicht, auf dass ihr nicht
wird bezeichnet, (auf dass), (als gerichtet werdet. (Wellmann
b als Folge von a) dass) 2008: 214)
konzessiv obwohl; obgleich, Obwohl es ihm nicht leicht fiel,
(Einschränkung wiewohl; half er ihr.
wird bezeichnet, ungeachtet Ein schlechter Meister ist
b als dessen…, dass; niemals glücklich, auch wenn er
unwirksamer trotzdem, auch Glück hat. (Wellmann 2008:
Grund von a) wenn, obschon 214)
modal (Art und indem; dadurch, Wie du gesät hast, (so) wirst du
Weise, unter dass; auf solche ernten. (Wellmann 2008: 214)
denen das Weise, dass, wie…
Geschen abläuft, (so)
wird bezeichnet,
b auf die Weise
von a))
exzeptiv (b als außer…dass; es sei Nicht einmal sich selbst vermag
Ausnahme von a denn, dass der Mensch zu lieben, es sei
denn, dass er sich als Ewiges
erfasse. (J. G. Fichte, Wellmann
2008: 214)
instrumental (b indem; dadurch Anfang und Ende einer Liebe
durch a) dass kündigen sich dadurch an, dass
man sich scheut, mit dem
anderen allein zu sein.
(Wellmann 2008: 214)
fehlender ohne dass Kein Mensch fühlt im andern
2. Satzarten/Satzmodi
Im Einklang mit den meisten einschlägigen Grammatiken
werden fünf Satzmodi unterschieden, die hier in Anlehnung an
Eroms (2000) nach ihrer ungefähren Häufigkeit angeordnet
sind (d.h. Wunsch- und Ausrufesätze sind eher seltene Typen):
Aussagemodus (Aussagesätze, Deklarativsätze)
Fragemodus (Fragesätze, Interrogativsätze)
Aufforderungsmodus (Aufforderungssätze)
Wunschmodus (Wunschsätze)
Exklamativmodus (Ausrufesätze, Exklamativsätze).
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So gibt es z.B. im Koreanischen Partikeln, die anzeigen, ob ein Satz im Aussage-, Aufforderungs-
oder Fragemodus steht; solche Satzmarker gibt es auch im Chinesischen (vgl. Dürscheid 52010: 64).
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Anmerkung zur Bezeichnung Prototyp: Die Generative Grammatik geht vom Nebensatz als
prototypischer Form aus.
S. Aussagesatz
S? Fragesatz
S! Aufforderungssatz
S- Wunschsatz
S\ Exklamativsatz/Ausrufesatz.
S!
¦
Vimp ¦
¦
¦ Vpart ¦
¦ ¦ ¦
Tritt zurück!
7 w-Verb-Zweit- V2 /
Fragesatz w:M w-
ittel Pronome
VL feld n /
8 w- w:V
Versicherungsfragesat or- w-
z feld Pronome
n, wohl
9 w-Verb-Letzt-
Fragesatz
Aufforderungsmodus
10 Verb-Erst-/Verb- V1(V2 Imperativ \
Zweit- )
Imperativsatz ja/nur, Indikativ \ X
11 dass- (und ob)- VL nicht
Verb- Konjunktiv \
Letzt- V1(V2 I
Aufforderungssatz )
12 Heischesatz
Wunschmodus
13 Verb-Erst- V1 (doch) Konjunktiv \ X
Wunschsatz VL doch II \ X
14 wenn-Verb-Letzt- Konjunktiv
Wunschsatz II
Exklamativmodus
15 Verb-Erst-/Verb- V1(V2 (vielleich Indikativ \ X
Zweit- ) t)
Exklamativsatz Indikativ \ X
16 Verb-Letzt- VL (so)
Exklamativ Indikativ \ X
satz V2(VL (aber
17 w-Verb- ) auch)
Zweit-/Verb-
Letzt-
Exklamativsatz
Literatur
Dürscheid, Christa (52010): Syntax. Grundlagen und Theorien. Mit einem
Beitrag von Martin Businger. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (=
UTB 3319).
Eroms, Hans-Werner (2000): Syntax der deutschen Sprache. Berlin/New
York: W. de Gruyter.
Flohr, Horst/Lobin, Henning (2002): Die Struktur von Sätzen: Syntax. In:
Müller, Horst M. (Hrsg.): Arbeitsbuch Linguistik. Paderborn u.a.:
Schöningh (= UTB 2169), 125-147.
Forsgren, Kjell-Åke (1992): Zum Problem des Satzbegriffs im Deutschen.
In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 114,
S. 3-27.
Heringer, Hans Jürgen (1996): Deutsche Syntax dependentiell. Tübingen:
Stauffenburg (= Stauffenburg Linguistik).
Hoffmann, Ludger (1999): Ellipse und Analepse. In: Redder,
Angelika/Rehbein, Jochen (Hg.): Grammatik und mentale Prozesse.
Tübingen: Stauffenburg (= Stauffenburg Linguistik), 69-90.
Kessel, Katja/Reimann, Sandra (22008): Basiswissen Deutsche
Gegenwartssprache. Tübingen/Basel: A. Francke.
Redder, Angelika (2009): Konjunktor. In: Hoffmann, Ludger (Hrsg.):
Handbuch der deutschen Wortarten. Berlin/New York: Walter de
Gruyter, 483-524.
Petrović, Velimir (1995): Einführung in die Syntax des Deutschen. Pécs:
JPTE.
Welke, Klaus (2007): Einführung in die Satzanalyse. Die Bestimmung der
Satzglieder im Deutschen. Berlin/New York: Walter de Gruyter.
Wellmann, Hans (2008): Deutsche Grammatik. Laut. Wort. Satz. Text.
Heidelberg: Universitätsverlag Winter.