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Lars Riebold
Thema - Rhema
Kurzgeschichte eines linguistischen Begriffspaares1
Archiv für Begriffsgeschichte · Bd. 42 · © Felix Meiner Verlag 2001 · ISSN 0003-8946
linguistics, hg. von John Lyons (Harmondsworth 1970) 140-165,162-164; vgl. zum »britischen
Kontextualismus« Hallidays, welcher der funktionalen Sprachbetrachtung der Prager Schule na
hesteht, E. Weigand: Zusammenhang, a. a. O. [Anm. 3] 172; Luise Lutz: Zum Thema >Thema<.
Einführung in die Thema-Rhema-Theorie (Hamburg 1981) 80-94.
10 H. Bussmann:Thema vs. Rhema, a. a. O. [Anm. 3] 784; E. Weigand: Zusammenhang, a. a. O.
[Anm. 3] 168-177, bes. 176 f.
11 E. Weigand: Zusammenhang, a. a. O. [Anm. 3] 177.
12 Vilem Mathesius: A functional analysis of present day english on a general linguistic basis
(Paris 1975 [1961]) 81.
13 Frantisek Dane§: Zur linguistischen Analyse der Textstruktur. In: Folia Linguistica 4
(1970) 72-78,72 f.
14 Vgl. E. Weigand: Zusammenhang, a. a. O. [Anm. 3] 177-181, bes. 180.
15 Noam Chomsky: Aspects of the theory of syntax (Cambridge Mass. 1965) 221, Anm. 32.
16 Vgl. N. Chomsky: Deep structure, surface structure, and semantic interpretation. In: Seman-
tics. An interdisciplinary reader in philosophy, linguistics and psychology, hg. von Danny D.
Steinberg I Leon A. Jakobovits (Cambridge Mass. 1971) 183-216, 205 ff.; L. Lutz: Einführung,
a.a.O. [Anm. 9] 13.
17 Eduard Bene§: Thema-Rhema-Gliederung und Textlinguistik. In: Studien zur Texttheorie
und zur deutschen Grammatik. Festgabe für Hans Glinz zum 60. Geburtstag, hg. von Horst Sitta
/ Klaus Brinker (Düsseldorf 1973) 42-62,42.
18 Zum folgenden vgl. L. Lutz: Einführung, a.a.O. [Anm. 9] 11-15; Eduard BeneS:Thema-
Rhema-Gliederung, a.a.O. [Anm. 17] 42f.; P. SGALL:The czech tradition. In: Syntax. Ein interna
tionales Handbuch zeitgenössischer Forschung. Halbbd. 1, Vol. 1, hg. von Joachim Jacobs / Arnim
von Stechow / Wolfgang Sternefeld / Theo Vennemann (Berlin, New York 1993) 349-368,
355 ff.
19 Vgl. Henri Weil: De Γordre de mots dans les langues anciennes comparees aux langues
modernes (Paris 31879 [1844]) 11.
20 Georg von der Gabelentz: Die Sprachwissenschaft, ihre Aufgaben, Methoden und bishe
rigen Ergebnisse (Leipzig 1901); Repr. in: History of Linguistics. 18th and 19th Century German
Linguistics. Bd. 7 (London, Tokio 1995) 365.
2i Ebd. 369 f.
22 Ebd. 370.
23 Vgl. Hermann Paul: Principien der Sprachgeschichte (Halle 21886) 99 ff.
»durchgehendes gesetz [sic!]«, daß »das psychologische prädicat als das bedeutsa
mere, das neu hinzutretende stets das stärker betonte element«24 sei, und wies die
Annahme zurück, daß das »psychologische Subjekt< formal durch seine Stellung
am Anfang einer Äußerung definiert sei: »Der subjectsbegriff ist zwar immer
früher im bewusstsein des sprechenden, aber indem er anfängt zu sprechen, kann
sich der bedeutsamere prädicatsbegriff schon so in den Vordergrund drängen,
dass er zuerst ausgesprochen und das subject erst nachträglich angefügt wird.«25
Erst der Sprachphilosoph Hermann Ammann (1885-1956) kritisierte die
Mehrdeutigkeit des Ausdrucks »psychologisches Subjekt/Prädikat< und führte in
einer 1928 erschienenen Schrift statt dessen die Termini >Thema< für den »Gegen
stand der Mitteilung« und >Rhema< für »das Neue, das was ich dem Hörer über
das Thema zu sagen habe«,26 ein. Er wies darauf hin, daß für die Gliederung einer
Mitteilung in alte und neue Aspekte verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, so
vor allem die »Differenz der Bewußtseinslage zwischen Sprechendem und Hörer,
die das Wesen der Mitteilung konstituiert«27, aber z. B. auch die Sprechermoti
vation sowie die Einbettung der Äußerung in den situativen und sprachlichen
Kontext.28
V. Mathesius löste sich endgültig vom >Psychologismus< der deutschen Jung
grammatiker und konzentrierte sich auf rein linguistische, sprachvergleichende
Untersuchungen über die Gesetzmäßigkeiten der Wortfolge.29 Er unterschied
eine formal-grammatische von einer »informationstragenden Struktur« des Sat
zes, die er »aktuale Satzgliederung« bzw. »Satzperspektive« nannte: »Während die
formale Gliederung die Zusammensetzung des Satzes aus den grammatischen
Elementen betrifft, handelt es sich bei der aktualen Satzgliederung um die Art
und Weise, in der der Satz in den Sachzusammenhang eingebettet ist, aus dem
heraus er entstanden ist. [...] die Grundelemente der aktualen Satzgliederung sind
der Ausgangspunkt der Aussage, d. h. das, was in der gegebenen Situation bekannt
oder zumindest evident ist und wovon der Sprecher ausgeht, und der Kern der
Aussage, d. h. das, was der Sprecher über den Ausgangspunkt der Aussage oder im
Hinblick darauf aussagt.«30
24 Ebd. 101.
25 Ebd. 102.
26 Hermann Ammann: Die menschliche Rede. Sprachphilosophische Untersuchungen. Teil II
(Repr. Darmstadt 1974 [Lahr 1928]) 141; zu >Thema< vgl. bereits ders.: Die Stellungstypen des la
teinischen attributiven Adjectivums und ihre Bedeutung für die Psychologie der Wortstellung auf
Grund von Ciceros Briefen an Atticus untersucht. In: Indogermanische Forschungen 29 (1911/12)
1-121,14-23, insbes. 15: »Das Thema stellt gleichsam den Kristallisationskern dar, an den der neu
mitzuteilende Inhalt anschießen [!] soll.«
27 H. Ammann: Die menschliche Rede, a. a. O. [Anm. 26] 141.
28 Vgl. ebd. 139-161.
29 Vgl. V. Mathesius: Zur Satzperspektive im modernen Englisch. In: Archiv für das Studium
der neueren Sprachen und Literaturen 155/156 (1929) 202-210.
30 V. Mathesius: o.T [1939]. In: Postilla Bohemica 2 (1972) 16-22, 16f; vgl. L. Lutz: Ein
führung, a. a. O. [Anm. 9] 12,16.
31 Vgl. z.B. den Sammelband: Papers on functional sentence perspective, a.a.O. [Anm. 8];
P. Sgall:The czech tradition, a.a.O. [Anm. 18]; L. Lutz: Einführung, a.a.O. [Anm. 9] 105ff.; H.-
W. Eroms: Satzperspektive, a.a.O. [Anm. 3]; Hans-Heinrich Lieb: Integrational Linguistics. In:
Syntax, a. a. O. [Anm. 18] 430-469,459: »view functions«; H. Bussmann: Thema vs. Rhema, a. a. O.
[Anm. 3] 785.
32 Vgl. P. Sgall:The czech tradition, a.a.O. [Anm. 18]; J. van Kuppevelt:Topic and Com
ment, a. a. O. [Anm. 3] 4630f.; V. Mathesius: A functional analysis, a. a. O. [Anm. 12]; E. Weigand:
Zusammenhang, a. a. O. [Anm. 3].
33 Vgl. einen Standardtext zu diesem Aspekt, nämlich E. Weigand: Zusammenhang, a.a.O.
[Anm. 3]; Longman dictionary of applied linguistics, hg. von Jack C. Richards / John T. Platt I
Heidi Weber (Harlow, Essex 21987) 296; Dictionary of language and linguistics, hg. von Rein
hard R. K. Hartmann / Francis C. Stork (London 1972) 239; Theodor Lewandowski: Lingu
istisches Wörterbuch 3 (Heidelberg 51990) 1183; vgl. aber Mario Pei: Artikel »comment« und
Artikel »topic«. In: ders.: Glossary of linguistic terminology (New York, London 1966) 44,279.
34 J. Firbas: Some aspects, a.a.O. [Anm. 8] 25; vgl. E. Weigand: Zusammenhang, a.a.O.
[Anm. 3] 170f.; P. Sgall:The czech tradition, a.a.O. [Anm. 18] 355.
basis of a possible question [...] which part of the sentence is the topic and which
is the comment: the elements that are necessarily present in the question belong
to the topic; those that cannot be in the question belong to the comment«.35
Schließlich wurde von E Danes vorgeschlagen, die Thema/Rhema-Unter
scheidung von Sätzen und Äußerungen auf Texte zu übertragen: »[...] jeder Text
[kann] als eine Sequenz von Themen betrachtet werden [...]. Die eigentliche the
matische Struktur des Textes besteht dann in der Verkettung und Konnexität der
Themen, in ihren Wechselbeziehungen und ihrer Hierarchie, in den Beziehungen
zu den Textabschnitten und zum Textganzen, sowie zur Situation. Diesen ganzen
Komplex von thematischen Relationen im Text nenne ich die thematische Pro
gression (TP). Diese Progression stellt das Gerüst des Textaufbaus dar.«36 Die
heutige Textlinguistik hat diese Überlegungen aufgegriffen.37
Außerhalb der Prager Schule sind Karl Boost in Deutschland,38 Jean-Marie
Zemb in Frankreich39 und Μ. A. K. Halliday in England40 für die Thema/
Rhema-Diskussion wichtige Autoren. In der amerikanischen Linguistik hat
Charles F. Hockett die Thema/Rhema-Unterscheidung der Sache nach un
ter der Bezeichnung topic/comment< in die Diskussion eingeführt: »The most
general characterization of predicative constructions is suggested by the terms
>topic< and >comment< for their ICs: the speaker announces a topic and then says
something about it.«41 Hockett hat außerdem den universellen Charakter der
entsprechenden Phänomene hervorgehoben 42
Zu den wenigen Philosophen, die sich zumindest zum Begriff >Thema< (topic)
im hier relevanten Sinn äußern,43 gehört Gilbert Ryle.44 Er unterscheidet drei
35 P. Sgall: Focus and the question test. In: Folia Linguistica 7 (1975) 301-305, 302; vgl. E.
Weigand: Zusammenhang, a. a. O. [Anm. 3] 175 f.; J. van Kuppevelt: Topic and Comment, a. a. O.
[Anm. 3] 4631; Th. Lewandowski: Wörterbuch, a. a. O. [Anm. 33] 1183.
36 F. Dane§: Textstruktur, a.a.O. [Anm. 13] 74.
37 Vgl. U. Fries:Textlinguistik, a.a.O. [Anm. 8]; L. Lutz: Einführung, a.a.O. [Anm. 9] 108f.;
H.-W. Eroms: Satzperspektive, a.a.O. [Anm. 3] 81-97; Th. Lewandowski: Artikel »thematische
Progression«, a. a. O. [Anm. 33] 1184.
38 Vgl. Karl Boost: Neue Untersuchungen zum Wesen und zur Struktur des deutschen Sat
zes: Der Satz als Spannungsfeld (Berlin 51964 [1955]); dazu: L. Lutz: Einführung, a. a. O. [Anm. 9]
14; H.-W. Eroms: Satzperspektive, a. a. O. [Anm. 3] 32-58.
39 Vgl. Jean-Marie Zemb: Les structures logiques de la proposition allemande (Paris 1968);
dazu: L. Lutz: Einführung, a.a.O. [Anm. 9] 95-104;H.-W. Eroms: Satzperspektive, a.a.O. [Anm.
3] 19-24.
40 Vgl. Μ. A. K. Halliday: Language structure, a.a.O. [Anm. 9]; dazu: E. Weigand: Zusam
menhang, a. a. O. [Anm. 3] 172; L. Lutz: Einführung, a. a. O. [Anm. 9] 80-94.
41 Charles F. Hockett: A course in modern linguistics (New York 1958) 201.
42 Vgl. Ch. F. Hockett: The problem of universals in language. In: Universals of language, hg.
von Joseph H. Greenberg (Cambridge Mass. 21966 [1963]) 1-29,23; dazu: L. Lutz: Einführung,
a. a. O. [Anm. 9] 13.
43 Im Philosophers Index 1940-1996 sind unter dem Stichwort >Thema/Rhema< 0 Einträge,
unter >theme/rheme< 1 Eintrag und unter >topic/comment< im hier relevanten Sinne 5 Einträge
verzeichnet.
44 Gilbert Ryle: >About<. In: Analysis 1 (1933) 10-12.
Bedeutungsvarianten des Satzes »S handelt von Q«, die er als »purely linguistic«45
charakterisiert. Darunter gibt es eine Variante, um die es im gegebenen Kontext
geht. »S handelt von Q« heißt dann, »that the sentence S is part of a conversation
or discourse and that S and all or most of the other sentences [...] are alike in con
taining the noun [...] >Q< [...]. So >Q< signifies what is the central topic of the con
versation [...], which is >about< Q in the sense of revolving around it.«46 Auf ähn
liche Weise bestimmt auch Peter F. Strawson im Kontext referenztheoretischer
Überlegungen den Ausdruck >topic<47
Abstract
This article reviews the history of the interconnected terms - known already to
Aristotle - »thema/rhema«, placing particular emphasis on the research approach
of the School of Prague. In addition, it makes reference to the different usage of the
terms in contemporary linguistic schools.
45 Ebd.ll.
46 Ebd. 10; vgl. dazu J. van Kuppevelt: Topic and Comment, a. a. O. [Anm. 3] 4630.
47 Peter F. Strawson: Identifying reference and truth-values. In: Semantics, a.a.O. [Anm. 16]
86-99,97 f.