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Bildanalyse

anhand ausgewählter Beispiele der neuzeitlichen


Kartographiegeschichte aus der Sammlung Woldan

Verfasser

Mag. Andreas Cappel, BA BA BA


Inhaltsverzeichnis
1 Einführung ....................................................................................................................................... 1

2 Was sind Karten? ............................................................................................................................. 1

3 Die sogenannte ‚Wieder-Woldan-Map‘ .......................................................................................... 2

3.1 Beschreibung ........................................................................................................................... 2

3.2 Datierung und Entstehungsort ................................................................................................ 6

3.3 Erich Woldan (1901 – 1989) .................................................................................................... 7

3.4 Rezente Erkenntnisse .............................................................................................................. 8

4 Ortelius‘ ‚Typus Orbis Terrarum‘ ..................................................................................................... 9

4.1 Abraham Ortelius – Biographische Notizen ............................................................................ 9

4.2 Entwicklung des Typus ‚Atlas‘ ................................................................................................. 9

4.3 Gesamtkomposition des ‚Theatrum Orbis Terrarum‘ ........................................................... 10

4.4 ‚Typus Orbis Terrarum‘ – Beschreibung ................................................................................ 10

5 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................... 12

6 Literaturverzeichnis ....................................................................................................................... 13

6.1 Monographien und Zeitschriften .......................................................................................... 13

6.2 Internetquellen...................................................................................................................... 13

i
1 Einführung
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“- So lautet eine bekannte Redewendung aus dem
Volksmund und dass es sich bei Karten um eine bildliche Darstellung handelt, darüber herrscht
Einhelligkeit. Abgebildet wird dabei ein mehr oder weniger großer geographischer Raum
meistens in zweidimensionaler Form als Fläche. Karten begleiten die Geschichte des
Menschen seit vielen Jahrhunderten und viele von ihnen strahlen aus unterschiedlichen
Gründen einen gewissen Zauber aus, sei es aufgrund ihrer historischen Bedeutung, ihrer
Einzigartigkeit oder ihrer kunstvollen, mit Liebe zum Detail durchgeführten Gestaltung – sie
„sichtbar gewordene Geographie vergangener Zeit“1, aber nicht nur das, denn sie geben auch
Einblick in politische Zustände und Veränderungen im Laufe der Zeit.
Karten sind somit auch eine wertvolle Quelle für die Perioden des Kolonialismus und
Imperialismus, unter deren thematischen Schwerpunkt die Lehrveranstaltung zur
Fachdidaktik stand und bieten sich ausgezeichnet für analytische Betrachtungen an. Aus etwa
500 Jahren Entdeckungs- und Eroberungsgeschichte standen fünf aus der Sammlung Woldan
(aufbewahrt in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) ausgewählte Exemplare
aus dem Zeitraum zwischen dem späten 15. Bis ins späte 19. Jahrhundert für eine nähere
Begutachtung zur Auswahl.

2 Was sind Karten?


Die Antwort auf diese Frage scheint auf den ersten Blick relativ einfach zu sein. Karten sind
allgegenwärtig, jeder kennt sie, sie helfen uns bei der Orientierung im Raum und schließlich
ist die Raumkenntnis ein wesentliches Charakteristikum mobiler Gesellschaften heute, wie
auch in früheren Zeiten, dennoch herrschte in der Gelehrtenwelt lange Zeit Unklarheit
darüber, was eine Karte wirklich ist und wie man diesen Gegenstand am besten definieren
kann. Als Kurz- bzw. Minimaldefinition könnte man folgende Beschreibung anführen: „eine
verkleinerte, verebnete Darstellung der Erdoberfläche“2. Nach einer etwas komplexeren,
weiteren Definition der Internationalen Kartographischen Vereinigung ist eine Karte eine
„versinnbildlichte Repräsentation geographischer Realität, die auf der Kreativität und den
Entscheidungen eines Kartographen (oder heute auch einer Kartographin) beruht und

1
Oswald Dreyer-Eimbcke, Die Entdeckung der Erde. Geschichte und Geschichten des kartographischen
Abenteuers (Frankfurt am Main 1988) 14.
2
Dreyer-Eimbcke, Entdeckung der Erde, 15.
1
bestimmte Aspekte und Charakteristika darstellt, um räumliche Beziehungen abzubilden.“3
Hierin werden vier zentrale Elemente zur Sprache gebracht, die das Wesen von Karten
ausmachen: Zunächst einmal deren Historizität, zweitens die zentrale Rolle der
Kartenproduzenten, die in der früheren Zeit tatsächlich ausschließlich Männer waren, dann
der konstruktive Charakter der Karten, die nie ein objektives Abbild der Welt geben können,
weshalb es auch bei der Analyse insbesondere der quellenkritischen Methode bedarf, und
schließlich die Korrelation zwischen Karten und Weltsicht, worunter nicht nur die
geographischen Vorstellungen, sondern die komplexe Verflechtung von sozialen, politischen
und moralischen Ansichten gegenüber der Welt gemeint sind. Karten waren seit jeher
Wissensspeicher und Orientierungshilfen. In ihnen sind Zeit und Raum in einem repräsentiert.

3 Die sogenannte ‚Wieder-Woldan-Map‘


Der Name, unter dem diese Karte in Fachkreisen bekannt ist, rührt von zwei privaten
Sammlern, nämlich dem Niederländer F.C. Wieder und dem Österreicher Erich Woldan (auf
letzteren wird in Kapitel 3.3 näher eingegangen), in deren Besitz sich dieses Objekt befand.
Das besondere Charakteristikum dieser Karte liegt darin, dass sie an der Wende zur Neuzeit
(für Details zur möglichen Datierung vgl. Kapitel 3.2) entstanden ist und altes Wissen mit
neuen Erkenntnissen vereint.

3.1 Beschreibung
In einem 1954 erschienenen Zeitschriftenartikel widmete sich Woldan ausführlich dem in
seiner Sammlung befindlichen Objekt, „an important milestone in the history of
cartography“4. Gleich zu Beginn macht er auf die Einzigartigkeit der Karte aufmerksam.
Mittelalterliche Weltkarten (Inkunabel-Karten) lassen sich grundsätzlich nämlich in drei Typen
unterteilen: schematische Kopien von Karten in Manuskripten aus dem frühen Mittelalter
bzw. von Zonenkarten oder Karten des Typs ‚Orbis terrarum‘5 (ab 1472), dann Karten nach
dem Muster sogenannter Klosterkarten (ab 1475) und schließlich Kopien der bekannten

3
Zit. nach: Ute Schneider, Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis
heute (Darmstadt 2004) 7.
4
Vgl. Erich Woldan, A Circular, Copper-Engraved, Medieval World Map. In: Imago Mundi 11 (1954) 13-
16, hier: 16.
5
Im anglophonen Sprachraum unter der Bezeichnung ‚O-T map‘ bzw. ‚T-O map‘ bekannt.
2
Abbildung 1

Weltkarte des Ptolemäus mit mehr oder weniger umfangreichen Verbesserungen im Bereich
Nordeuropa (ab 1477). Die vorliegende Karte, eine anonyme, in Kupfer gestochene Rundkarte
der gesamten Erde lasse sich hingegen keiner dieser Gruppen zuweisen. Sie ist auf dickem
Inkunabel-Papier gedruckt, das kein Wasserzeichen aufweist, und misst 170 mm in Nord-Süd
und 173 mm in West-Ost-Richtung. Der Durchmesser beträgt 175 mm. Als Vorbild für die
inhaltliche Darstellung ist zwar der ptolemäische Typus ersichtlich, doch fühlt sich der Autor
nicht verpflichtet, diesem auch bis ins kleinste Detail zu folgen6. Abweichungen davon
aufgrund neuerer Erkenntnisse betreffen etwa die Darstellung Italiens, die im Vergleich zu
vielen gedruckten ptolemäischen Karten des 15. Jhdts., wo noch eine auffällig West-Ost-Lage
zu beobachten war, nunmehr eine realitätsnähere Ausrichtung von Nordwesten nach

6
Vgl. Woldan, Medieval World Map, 14.
3
Südosten aufweist. Skandinavien – in früheren Fassungen von Karten noch als Insel konzipiert
– ist hier erstmals als Halbinsel repräsentiert. Ebenfalls als Halbinsel verzeichnet ist das
heutige Grönland und somit ein Teil der Neuen Welt (als Teil des eurasiatischen Kontinents),
das auf dem vorliegenden Objekt erstmals in der Geschichte der Kartographie mit einem
Namen versehen ist, nämlich „Engrovelant“,7 was nach Ansicht von Woldan vermutlich auf
einen Irrtum des Kopisten zurückzuführen ist und eine Verballhornung darstellt: „probably a
mutilation oft he name due tot he copyist’s error, a frequent occurence in the 15th century.“8
Außergewöhnlich für Asien ist die korrekte Darstellung des Kaspischen Meeres, wie sie nicht
einmal in Fra Mauros Karte aus dem Jahr 1450 zu finden ist, wo bloß die Umrisse angedeutet
sind.

Deutlich zum Ausdruck kommt etwa auch der mittelalterliche christliche Glaube an ein
irdisches Paradies, das im äußersten Osten liegt und in dem vier Flüsse ihren Ursprung haben.
Dies sind: Fison (= Ganghes), Eurates (= Euphrat), Tigris und Nil.9 Es gibt keine Unterteilung in
Zonen oder derlei, die Beschriftung erfolgt in lateinischer Sprache, wobei – wie für die Zeit
generell üblich – ‚ae‘ durch ‚e‘ repräsentiert wird. Gleich beim ersten Blick auf die Karte ist der
überdurchschnittlich hohe Anteil der Landmasse auffallend: Die Kontinente erstrecken sich
bis an die Ränder der Karte, an denen die Himmelsrichtungen angeführt sind: Septentrio (=
Norden), Oriens (= Osten), Auster (= Süden), Occidens (= Westen). Wie für zahlreiche
mittelalterliche Kartenmanuskripte typisch ist der Ozean nur durch ein schmales Band
repräsentiert, was an die antike Vorstellung vom Okeanos als dem Ringstrom erinnert. Eigens
mit Namen versehen sind folgende Meere: „Indicum Mare“ (= Indischer Ozean), „Persicum
Mare“ (= Arabisches Meer), „Rubrum Mare“ (Rotes Meer); diese drei Meere sind miteinander
verbunden und als Binnenmeer konzipiert. Südlich davon fließt aus dem fernen Osten

7
Campbells Kritik an Woldan, wonach dieser behauptet hätte, dass die Karte die erste sei, die die Neue
Welt zeige (nämlich in Form von Grönland), obwohl sie vom Autor als Teil Eurasiens konzipiert wurde
(vgl. Tony Campbell, The Earliest Printed Maps. 1472-1500 (London 1987) 24), erachte ich für haltlos,
zumal dies der österreichische Gelehrte nie so postuliert hat. Er betont in seinem Aufsatz lediglich die
Tatsache, dass das Gebiet erstmals namentlich auf einer Karte erwähnt wird. Campbell verweist am
angeführten Ort noch auf eine andere, früher datierbare Karte, nämlich jene von Claudius Clavus
(Kartenmanuskript aus dem Jahr 1427), wo Grönland auf realistischere Weise weiter im Westen
positioniert ist (dort ist auch Island ausgewiesen, was auf der ‚Wieder-Woldan-Map‘ aus welchen
Gründen auch immer fehlt).
8
Vgl. Woldan, Medieval World Map, 15.
9
Diese Vorstellung findet sich in allen Kartenmanuskripten von Kosmas Indikopleustes (6. Jhdt.) bis zu
Andrea Bianco (1436) und in Inkunabelkarten des klösterlichen Typs (vgl. Woldan, Medieval World
Map, 15).
4
kommend in Ost-West-Richtung der Nil (dieser wird aufgrund seiner schier unermesslichen
Länge als einziger gleich dreimal genannt), um dann auf dem Gebiet des heutigen Afrika nach
Norden zu schwenken; weiters finden sich: „Arcanum Mare“ (Kaspisches Meer), „Pontus10
Euxinus“11 (Schwarzes Meer), „Sarmaticum“12 und schließlich „Germanicus Oceanus“.
Bezeichnungen für den Atlantik, das östlich von Asien gelegene Meer (heute Pazifik) und
seltsamerweise auch für das Mittelmeer fehlen hingegen. Neben den Gewässern (Meeren und
wichtigen Flüssen13) – durch eng aneinander liegende Linien dunkel erscheinend14 - und den
drei hellen Kontinenten15, auf denen teilweise Gebirgszüge eingezeichnet sind, aus denen die
Flüsse entspringen oder durch die sie auch durchfließen (die Vorstellung von Tälern fehlt hier
noch), sind schließlich zusätzlich – allerdings sehr vereinzelt – in der Geschichte äußerst
bedeutsame Städte (gekennzeichnet mit einem Turm, z.B. Rom, Karthago, Theben, Alexandria
oder Jerusalem („Hierusalem“)) und wichtige Landschaften angeführt. Rund um das
Mittelmeer, in Europa, Asien und Nordafrika, wo der Kenntnisstand noch sehr hoch war, sind
die Bezeichnungen, deren Schreibweise nach Ansicht von Woldan „unusually correct“16 sind
und die sich teilweise mit den Namen der römischen Provinzen decken, detaillierter, gegen
die Ränder zunehmend seltener bis überhaupt nicht vorhanden: Werfen wir zur Illustration
etwa einen Blick auf Afrika17. An der nordafrikanischen Küste sind (von Westen nach Osten)
die Gebiete „Mauritania Tingitanica“, „Mauretania Cesariensis“, „Marmarica“18 und „Egyptus“

10
‚pontus‘ ist die latinisierte Form des griechischen Wortes ‚pontos‘, dessen Verwendung auf das hohe
Alter der Bezeichnung hinweist. Alle anderen kleineren Meere, die vermutlich auch erst zur Zeit der
Römer bekannt wurden, tragen die Bezeichnung ‚mare‘. Einmal findet sich die Bezeichnung ‚oceanus‘
in Verbindung mit ‚Germanicus‘, um das Nordmeer zu illustrieren.
11
In seiner antiken, ursprünglich aus dem Griechischen stammenden Bezeichnung wörtlich übersetzt:
„das gastfreundliche Meer“.
12
Da das Adjektiv neutral ist, ist wohl ‚mare‘ als dazugehöriges Nomen zu ergänzen.
13
Ihr Verlauf wird in Form einer einfachen dunklen Linie entweder den tatsächlichen Gegebenheiten
– soweit eben damals bekannt – entsprechend oder fiktiv eingezeichnet. Den Namen ist jeweils „Fl“
für ‚flumen‘ beigestellt.
14
Nur rund um etwaige Namensbezeichnungen finden sich helle Stellen um deren Lesbarkeit zu
ermöglichen.
15
Bei den Küstengebieten ist die Linienführung äußerst eng, sodass die Gewässerränder sehr dunkel
erscheinen und sich deutlich von der Landmasse abheben.
16
Woldan, Medieval World Map, 14.
17
Für eine Auflistung aller auf der Karte namentlich genannten geographischen Örtlichkeiten vgl.
Woldan, Medieval World Map, 14.
18
Zwischen Ägypten und der Kyrenaika.
5
verzeichnet19, südlich davon noch „Cetusia“, noch südlicher „Libia Interior“20 und im Gebiet
des heutigen Nigeria „Aethiopia“21. Entlang des Nils, der etwas besser erforscht war, finden
sich neben einigen bekannten ägyptischen Städten (Alexandria und Theben) noch die
sagenumwobene „Meroe Insula“ im heutigen Sudan und die „Trogloditica Regio“. Der Rest
des Kontinents ist ein weißer Fleck (abgesehen vom (teilweise sehr fiktiven) Verlauf des Nils
und seiner zahlreichen Quellflüsse). Die ‚dunklen‘ Landstriche sind also in der Karte hell und
abgesehen von fiktiven Verläufen von Flüssen und Küstenlinien ohne weitere Hinweise
ausgeführt. Es fehlen Darstellungen von mythischen Wesen, Ungeheuern etc. und
Fantasiebezeichnungen. Lediglich im Norden finden sich die „Hyperborei M.[ontes]“, also die
Bergketten der Hyperboräer, eines fabelhaften Volkes, das schon nach Vorstellungen der alten
Griechen (vgl. Herodot) im äußersten Norden ein Leben in Glückseligkeit genießen durfte.

3.2 Datierung und Entstehungsort


Da die Karte wie oben erwähnt unsigniert und undatiert ist, lassen sich über den
Entstehungszeitraum nur Vermutungen anstellen. Vielfach sind über den Namen eines
Stechers oder Verlegers Rückschlüsse über das Datum der Herstellung möglich, aber leider
fehlen dazu jegliche Hinweise. Zahlreiche Gelehrte (z.B. Hind, Buron, Kamal, Bagrow oder
Bagrow-Skelton)22 haben sich bislang zu diesem Problem geäußert. Obwohl jeder von ihnen
einen bestimmten Zeitraum für mehr wahrscheinlich hält, der von den Ansichten der
Fachkollegen jeweils differiert, lässt sich die in Frage kommende Periode – und darin sind sich
alle einig – auf etwa zehn Jahre im ausgehenden 15. Jahrhundert einengen, die Zeit zwischen
1480-1490. Es handelt sich somit um eine von 14 bekannten Karten, deren Entstehung auf die
Zeit vor 1501 angesetzt wird. Einer der Besitzer, Erich Woldan, präferierte die Mitte der 80er
Jahre: „to be ascribed to approximately 1485“23. In Ermangelung augenscheinlicher
Datierungshilfen muss man sich auf die tatsächlich abgebildeten Inhalte konzentrieren und
daraus seine Interpretationen ableiten. Für zweckdienliche Hinweise empfiehlt sich ein

19
Der Vollständigkeit halber müssen hier selbstverständlich auch die der westafrikanischen Küste
vorgelagerte Inselgruppe der „Fortunate Insule“ (die ‚glückseligen Inseln‘, die heutigen Kanaren)
erwähnt werden.
20
Also das ‚innere Libyen‘, wobei ‚Libye‘ einfach die ursprüngliche Bezeichnung des afrikanischen
Kontinents (etwa bei den griechischen Schriftstellern Hekataios und Herodot zu finden).
21
Äthiopia bezeichnete in der Antike einfach ein Land im äußersten Süden, dort, wo die
‚Brandgesichter‘ leben, und ist nicht mit der Lage das heutigen Staates Äthiopien gleichzusetzen.
22
Für biographische Details dazu vgl. Campbell, Earliest printed maps, 23.
23
Woldan, World map, 13.
6
genauerer Blick auf die Darstellung des afrikanischen Kontinents. Dabei fällt auf, dass der
Autor der Karte zwar mehr Details verzeichnet als auf den Karten des Ptolemäus-Typs
ersichtlich sind, dennoch ist aber auch sehr klar deutlich, dass er keine Kenntnisse über den
tatsächlichen Verlauf der südöstlichen Küste Afrikas und der Verbindung des Atlantiks mit dem
Indischen Ozean hatte. Die Karte muss somit vor der Umrundung des Kaps der Guten Hoffnung
im Jahr 1488 durch den Portugiesen Bartolomeu Dias entstanden sein.

Der Zeitraum der Entstehung lässt sich also mit einiger Wahrscheinlichkeit auf ein
Jahrzehnt einengen, auch der Herstellungsort kann wohl mit Berufung auf mehrere Indizien
relativ genau spezifiziert werden. Aufgrund der Tatsache, dass in Kupfer gestochene Karten
während des Mittelalters nur in Italien produziert wurden, stehen Alternativen kaum zu
Debatte. Scharfäugig hat Woldan beobachtet, dass die Landschaft Venetien als einzige auf der
Apenninenhalbinsel mit einem Namen versehen ist. Ist das bloß Zufall? In der Tat ist Venedig
im Mittelalter zu einer Großmacht aufgestiegen und weithin bekannt geworden. Woldan
meint daraus schließen zu können, dass dort auch der Ursprung der Karte zu suchen sei, zumal
es zur gleichen Zeit andere bedeutende gedruckte Karten gab (wie zum Beispiel Bartolomeo
dallo Sonettis ‚Isolario‘24): „it can be assumed with most probability that Venice was the place
of production“25

3.3 Erich Woldan (1901 – 1989)26


Erich Woldan wurde 1901 in Wien als Sohn eines Magistratsbeamten geboren. Nach der
Schulzeit in Wien und Graz kehrte er nach dem Zusammenbruch der Österreichisch-
Ungarischen Monarchie in seine Heimatstadt zurück, um dort Jus zu studieren und danach
zunächst im Rechnungshof seine ersten beruflichen Erfahrungen zu sammeln. Nach dem
Anschluss trat Woldan der NSDAP bei und konnte dadurch vermehrt seinen
wissenschaftlichen Interessen nachgehen, so arbeitete er bis 1945 für den Geographischen
Dienst in Berlin. Nach dem Krieg kehrte Woldan wieder nach Wien zurück, wo er sich wenig
später pensionieren ließ und für die Geographische Gesellschaft tätig war, deren Leitung er ab
1949 übernommen hatte. Mit Akribie widmete er sich seiner bereits vor dem Krieg

24
Auf die zeitlich etwas früher anzusetzende, aber ebenfalls aus dieser Region stammende wichtige
Karte von Fra Mauro wurde bereits weiter ohne hingewiesen.
25
Woldan, World map, 15.
26
Vgl. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Erich Woldan, online unter
http://www.oeaw.ac.at/biblio/Woldan/projekte/edwoldan/Erich_Woldan_zur_Person.pdf
(1.4.2015).
7
begonnenen Sammeltätigkeit historischer Cartographica
und Reiseberichte. Bis ins hohe Alter unternahm er noch
zahlreiche Reisen, darunter mit 84 sogar noch eine
Weltreise. Trotz vieler verlockender Angebote aus
Europa und Übersee besann sich der uneigennützige
Privatgelehrte seiner Wurzeln und vermachte seine
umfangreiche Sammlung (darunter fallen Bücher,
Inkunabeln, Atlanten, Landkarten, Globen, Bilder,
Münzen, etc.) 1980 der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften, die ihn dafür mit ihrer höchsten
Auszeichnung, der Medaille ‚Bene Merito‘,
Abbildung 2
auszeichnete.27

3.4 Rezente Erkenntnisse


‚Rezent‘ ist freilich ein vager, schwer zu definierender Begriff, doch in einer über 500-jährigen
Geschichte, auf die die Kartographie in der Neuzeit zurückblickt, darf auch ein Zeitraum von
einem Vierteljahrhundert noch dazugezählt werden.

Drei Jahre nach seiner verdienstvollen Monographie über die frühesten Karten
meldete sich Campbell mit einigen einschneidenden Korrektiven erneut zu Wort.28 Lange Zeit
war man der Ansicht bestärkt durch die vorliegenden Dokumentationen und den äußeren
Eindruck, dass die Karte in zwei Fassungen erhalten geblieben sei, nämlich jene, die sich im
Besitz der oben genannten Sammler Wieder („with the mountains coloured“29) und Woldan
(„white in my copy“30) befanden. Diese Meinung muss nun revidiert werden. Auf Campbells
Veranlassung wurden die beiden Exemplare (genauer gesagt die Woldan-Fassung mit einer
Reproduktion von Wieders Fassung) von Dr. Johannes Dörflinger und dem Konservator der
Woldan-Sammlung in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Gerhard Holzer,
verglichen. Das Ergebnis war in der Tat verblüffend, denn es handelt sich um dasselbe
Exemplar. Dieses befand sich zunächst (zumindest bis 1930) im Besitz von Wieder31, wurde

27
Vgl. Günther Hamann, Professor Dr. Erich Woldan: Ein verdienter historischer Geograph wurde
geehrt. In: Der Globusfreund 28/29 (1980/81) 7.
28
Vgl. Tony Campbell, The Wieder-Woldan Incunable World Map. In: Imago Mundi 42 (1990) 83.
29
Woldan, World map, 14.
30
Woldan, World map, 13.
31
1930 wurde sie von Buron reproduziert.
8
dann nach dessen Tod 1944 an Woldan verkauft32, der es noch vor 1954, dem Datum seiner
Publikation, umfangreich restaurierte.

4 Ortelius‘ ‚Typus Orbis Terrarum‘


4.1 Abraham Ortelius – Biographische Notizen33
Abraham Ortelius wurde im April 1927 in Antwerpen als ältestes von drei Kindern geboren.
Sein Familienname, den er später der Tradition entsprechend latinisierte, hieß ursprünglich
Ortels und seine Vorfahren stammen aus Süddeutschland. Nach dem frühen Tode seines
Vaters 1537 sorgte sich sein Onkel Jacob van Meteren um seine Ausbildung, ein
Universitätsstudium wurde ihm jedoch nicht zuteil. Seinen Lebensunterhalt bestritt Ortelius
zumindest bis 1570 als Illuminist von Landkarten und als Händler von Büchern und Karten.
Ortelius eignete sich im Selbststudium eine umfassende Allgemeinbildung an er sprach
zahlreiche Sprachen, darunter Latein, Griechisch, Deutsch, Englisch und einige romanische
Sprachen. Ortelius lebte in bescheidenen Verhältnissen, erst durch den Erfolg seines
‚Theatrum Orbis Terrarum‘ gelangte er zu größerem Ansehen und etwas Wohlstand. Er starb
schließlich in Antwerpen am 28. Juni 1598.

4.2 Entwicklung des Typus ‚Atlas‘34


Neuzeitliche Vorformen des Typus ‚Atlas‘ lassen sich in der Rezeption der ‚Geographike
hyphegesis‘ des alexandrinischen Geographen und Astronomen Claudius Ptolemäus, der im 2.
nachchristlichen Jahrhundert lebte, durch die Renaissance festmachen. Über den
byzantinischen und den arabischen Kulturraum gelangte das Werk des Ptolemäus in Form
eines Kartenkanons, der 27 ‚Tabulae antiquae‘ umfasste, um 1400 nach Italien. Dort wurde
die Handschrift weitertradiert und im Verlauf der Jahre durch nicht-ptolemäische moderne
Karten, sogenannte ‚Tabulae modernae‘, erweitert, sodass sich im Druck von Martin
Waldseemüller aus dem Jahr 1513 neben 27 alten bereits 20 ‚Tabulae Modernae‘ finden, die
einen separaten Buchteil mit eigenem Titel (‚In Claudii Ptolemei Supplementum‘) bilden. Der
moderne Typus des ‚Weltatlas‘ wurde um 1560 im Rahmen der italienischen

32
Woldan behauptete selbst einmal in einem Brief, die Karte 1928 erworben zu haben.
33
Peter H. Meurer, Fontes Cartographici Orteliani. Das „Theatrum Orbis Terrarum“ von Abraham
Ortelius und seine Kartenquellen (Weinheim 1991) 17-19.
34
Meurer, Fontes Cartographici Orteliani, 7-12.
9
Kartenverlagsszene weiter konkretisiert in Form von ‚Sammelatlanten‘35, die aus Karten
unterschiedlicher Formate zusammengestellt waren, stark in Auswahl, Zahl und Abfolge der
einzelnen Kartenblätter variierten und Karten unterschiedlicher Verlagsprovenienz in sich
aufnahmen. Zur Vervollkommnung gelangte dieses Projekt schließlich bei Abraham Ortelius‘
‚Theatrum Orbis Terrarum‘. Der erste, der für seine publizierte Sammlung von Karten (ab
1585) die Bezeichnung ‚Atlas‘ verwendete, war hingegen Gerhard Mercator (1512-1594).

4.3 Gesamtkomposition des ‚Theatrum Orbis Terrarum‘ 36


Nach vielen Jahren intensivster Vorbereitungen erschien 1570 das ‚Theatrum Orbis Terrarum‘
beim Antwerpener Verleger Egidius Coppens Diesth. Das Titelblatt, das im Renaissancestil
ausgeführt ist, zeigt Allegorien der Kontinente in Form von Frauengestalten. Nach dem
Titelblatt befindet sich eine Widmung an König Philipp II. von Spanien, der Ortelius 1573 zum
königlichen Kartographen ernannt hatte. In dem Werk befindet sich weiters ein Verzeichnis
von Kartographen (alphabetisch geordnet nach deren Vornamen), der ‚Catalogus auctorum‘,
der für die moderne Forschung von unermesslichen Bedeutung ist. Der eigentliche Kartenteil
besteht aus 53 Blättern mit 70 Karten. Am Beginn steht eine Weltkarte, der ‚Typus Orbis
Terrarum‘ , daran schließen sich Tafeln der Kontinente Amerika, Asien, Afrika und Europa an.
Den Abschluss bilden schließlich Regionalkarten. Das Werk war dermaßen erfolgreich, dass in
den Folgejahren zahlreiche Neuauflagen37 erschienen (auch in anderen Sprachen, wie
Niederländisch Französisch und Deutsch (1572), ursprünglich allerdings in Latein). Einige Zeit
später wurde das ‚Theatrum‘ noch um das ‚Additamentum‘, eine Sammlung zusätzlicher
Detailkarten Europas, erweitert.

4.4 ‚Typus Orbis Terrarum‘ – Beschreibung


Der ‚Typus Orbis Terrarum‘ ist in ovaler Projektion dargestellt, eine Entwicklung die auf Peter
Apian zurückgeht. Am unteren Ende der Weltkarte befindet sich als Motto ein Zitat aus Ciceros
‚Tusculanae disputationes‘ (IV 17,37): „Quid ei potest videri magnum in rebus humanis, cui
aeternitas omnis, totiusque mundi nota sit magnitudo.“ („Was kann demjenigen an den

35
In die Fachliteratur sind dies als sogenannte ‚Lafreri-Atlanten‘, benannt nach dem in Rom tätigen
Kupferstecher, Drucker und Verleger Antonio Lafreri (1512-1577)
36
Gerhart Egger, Theatrum Orbis Terrarum. Die Erfassung des Weltbildes zur Zeit der Renaissance und
des Barocks (Wien 1970) 30-31.
37
Zwischen 1570 und 1612 erschienen 40 Neuauflagen.
10
menschlichen Dingen groß erscheinen, dem die ganze Ewigkeit und die Größe des ganzen
Kosmos bekannt ist?“).

Abbildung 3

Darin wird die Bedeutungslosigkeit menschlicher Angelegenheiten angesichts der Größe der
Welt zum Ausdruck gebracht. In seinem Vorwort betont Ortelius, dass sich die unendliche
Größe der Welt durch Betrachtung einprägen sollte.

Auf der vorliegenden Fassung der Karte aus des Sammlung Woldan, die ins Jahr 1573 datiert
wird, befinden sich die Längen und Breitengrade eingezeichnet, dazu als breite rote Linien die
fünf Breitenkreise („Circulus Aequinoctialis“ (Äquator), „Tropicus Cancri“ (nördlicher
Wendekreis), „Tropicus Capricorni“ (südlicher Wendekreis), „Criculus Arcticus“ (nördlicher
Polarkreis) und „Circulus Antarcticus“ (südlicher Polarkreis). Die Welt schwebt gleichsam im
wolkenbehangenen Himmel. An den Rändern finden sich die Bezeichungen der
Himmelsrichtungen: „Septentrio“ (Norden), „Oriens“ (Osten), „Meridies“ (Süden) und
„Occidens“ (Westen). Die Karte ist vollständig koloriert, jeder Kontinent in einer eigenen
Farbe; die Beschriftung ist größtenteils in lateinischer Sprache gehalten, einige Bezeichnungen
sind auf Spanisch („Mar del Nort“, „Mar del Sud“); namentlich bezeichnet werden die

11
Kontinente, Regionen, Inseln, und Städte; diese sind mit roter Farbtupfern hervorgehoben;
teilweise finden sich auch kurze Erläuterungen, beispielsweise zu Neu Guinea: „Nova Guinea
nuper inventa que an sit insula an pars continentis Australis incertum est“ (Neu Guinea wurde
neulich entdeckt und ob es eine Insel oder Teil des Südkontinents ist, ist unsicher) oder zum
Südkontinent mit der Bezeichnung „Terra Australis nondum cognita“: „Hanc continemten
Australem, nonnulli Magellanicam regionem ab eius inventore nuncupant.“ (Einige nennen
diesen Kontinent Australis, einige Magellanische Region nach ihren Entdecker. Die Vorstellung
von einem hypothetischen sagenumwobenen Südkontinent reicht bis in die Antike zurück und
verdankt seine Entstehung der Vorstellung des Ptolemäus, wonach alle Meere von
Kontinenten umgeben seien wie das Mittelmeer. Der Südkontinent wurde auch als
notweniges Gegengewicht zur Landmasse im Norden angesehen. 1520 glaubte Magellan die
Durchfahrt zwischen Amerika und dem mutmaßlichen Südkontinent gefunden zu haben.
Abgesehen von der falschen Vorstellung des Südkontinents kommen die übrigen Kontinente
in ihrer Gestaltung der Realität schon ziemlich nahe. Große Fortschritte im Vergleich zur
‚Wider-Woldan-Map‘ sind an der Westküste Afrikas und im Indischen Ozean ersichtlich.
Nordamerika ist allerdings eindeutig zu breit angelegt, Südamerika noch zu rund38 Gleichsam
als ergänzende Dekoration finden sich in den Meeren Abbildungen von Meerestieren: Im
indischen Ozean eine Kreatur, die wohl einen Wal darstellen soll, im Pazifik eine Art
Seeschlange und im südlichen Atlantik, welcher hier die Bezeichnung „Oceanus Aethiopicus“
trägt vermutlich ein fliegender Fisch.

5 Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 http://www.meinbezirk.at/wien-01-innere-stadt/chronik/von-der-leidenschaft-
des-sammelns-m506129,71322.html (1.4.2015)

Abb. 2 http://www.meinbezirk.at/wien-01-innere-stadt/chronik/erich-woldan-in-
spaeteren-jahren-mit-einem-seiner-sammelstuecke-m506127,71322.html (1.4.2015)

38
Dies ändert sich dann in späteren Fassungen, wo Südamerika immer mehr die Form eines Dreiecks
erhält.
12
Abb. 3

https://moodle.univie.ac.at/pluginfile.php/1565439/mod_resource/content/1/Geschichte_d
er_Kartographie.pdf (1.4.2015)

6 Literaturverzeichnis
6.1 Monographien und Zeitschriften
Tony Campbell, The Earliest Printed Maps. 1472-1500 (London 1987).

- , The Wieder-Woldan Incunable World Map. In: Imago Mundi 42 (1990) 83.

Gerhart Egger, Theatrum Orbis Terrarum. Die Erfassung des Weltbildes zur Zeit der
Renaissance und des Barocks (Wien 1970).

Oswald Dreyer-Eimbcke, Die Entdeckung der Erde. Geschichte und Geschichten des
kartographischen Abenteuers (Frankfurt am Main 1988).

Günther Hamann, Professor Dr. Erich Woldan: Ein verdienter historischer Geograph wurde
geehrt. In: Der Globusfreund 28/29 (1980/81) 7-12.

Peter H. Meurer, Fontes Cartographici Orteliani. Das „Theatrum Orbis Terrarum“ von Abraham
Ortelius und seine Kartenquellen (Weinheim 1991).

Ute Schneider, Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis
heute (Darmstadt 2004).

Erich Woldan, A Circular, Copper-Engraved, Medieval World Map. In: Imago Mundi 11 (1954)
13-16.

6.2 Internetquellen
Österreichische Akademie der Wissenschaften, Erich Woldan, online unter
http://www.oeaw.ac.at/biblio/Woldan/projekte/edwoldan/Erich_Woldan_zur_Perso
n.pdf (1.4.2015).

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