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Musicology
Der schon erwähnte Waldhornist Kölbel befaßte sich jahrelang mit der
Konstruktion eines Waldhorns, das die Erzeugung aller Töne der Skala in
allen Tonarten ermöglichen sollte.3 Durch die Anbringung von "Griff
oder Klapplöchern" schuf er schließlich ein Instrument, das diesen Anfor
etwa zwanzig Jahre später näher an, dann kann man feststellen,8 daß die
ursprünglich vorherrschenden Italiener allmählich zurückgedrängt wor
den waren, von den 19 Mitgliedern waren neun Deutsche, darunter drei
aus Böhmen. Neben dem schon erwähnten Ferdinand Kölbel, der der
Hofkapelle nach einer Auslandsreise wieder von 1756 bis 1769 angehörte,
handelte es sich um den Waldhornisten Schmiedl und den Geiger Johann
Bernhard Wilde,9 der 1741 nach Petersburg gekommen war. Wilde tat
sich nicht nur als ein vorzüglicher Violin- und Viola-d'amore-Spieler
sowie als ein ausgezeichneter Imitator hervor - er konnte, wie Stählin er
zählt, jeden einzelnen seiner Orchesterkollegen "in Ton, Strich, Manier
und Grimassen"10 unverwechselbar nachahmen -, sondern er erwies sich
auch als ein passionierter Tüftler und Bastler, der alle möglichen kurio
sen Musikinstrumente konstruierte, so eine Geige, die in einem vier cm
dicken Spazierstock untergebracht war, oder eine Viola d'amore von be
sonders starkem Klang, die der Spieler mittels eines durch das Kinn zu
betätigenden speziellen Mechanismus beliebig dämpfen konnte. Weitere
von Wilde erfundene Instrumente hat Stählin, der als gewissenhafter
Chronist das musikalische Petersburg der Nachwelt sehr anschaulich
überliefert hat, detailliert beschrieben."
Der Petersburger Hofkapelle gehörte von 1752 bis 1789 als Wald
hornist und später als Cellist auch der aus Chotëïsov gebürtige tschechi
sche Böhme Jan Mares (1719-1794) an.12 Er erlangte in der Musikge
schichte Bedeutung als Begründer der sogenannten "russischen Hornmu
sik".13 Mares war Mitglied der Hofkapelle, leitete aber gleichzeitig auch
das Jägerkorps des Grafen Semën Kirillovic Naryskin, des Oberjäger
meisters der Zarin Elisabeth. In dieser Funktion wurde Mares vom Gra
fen mit der Verbesserung der Jagdmusik beauftragt. Die russischen ven
tillosen, aus Kupfer oder Messing gefertigten Jagdhörner, die eine gerade
konische Form besaßen und nur im ersten Fünftel ein wenig gebogen wa
ren, konnten nur einen einzigen tiefen und rauhen Ton hervorbringen, so
daß das Blasen des Jägerkorps nach Stählin "mehr ein Gebrülle ohne alle
Georg Franck17 und Johann Haberzettel18, die 1779 in den Dienst des Za
ren traten, und Ignaz Hammer mit seinen beiden Söhnen Anton und Jo
seph, die ein Jahr darauf nach Petersburg kamen.19 Die gute Pension, die
der Hof seinen Musikern zahlte, wenn sie in Rußland blieben, und wohl
auch die für viele Musiker anziehende gemächliche russische Lebensart
veranlaßten die meisten Musiker, so auch die Hornisten Haberzettel und
die beiden Hammer-Söhne, bis zu ihrem Tode in Rußland zu bleiben.
Haberzettels Sohn Johann Konrad Friedrich Haberzettel (1788-1862),
Pianist, Klavierlehrer und Komponist und wie sein Vater Kammermusi
ker, veröffentlichte in russischer Sprache zwei Lehrbücher der Harmo
nie- bzw. Kompositionslehre.20
Deutschböhmen gab es in den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jh.
auch unter den Klarinettisten. Dies waren der in Prag ausgebildete und ei
nige Zeit im Dienst des Grafen Hartig stehende Joseph Grimm21, der
1779 die mit 500 Rubel Jahresgehalt dotierte Stelle des ersten Klarinetti
sten erhielt, und Georg Brunner22, der im gleichen Jahr als zweiter Kla
rinettist eingestellt wurde und ebenfalls 500 Rubel verdiente. Im Herbst
1780 begann der aus dem böhmischen Grünwald gebürtige Klarinetten
virtuose Johann Joseph Beer (1744-1811)23, in Petersburg Konzerte in
den Palästen russischer Adeliger zu geben. 1783 wurde er Mitglied des
Hof Orchesters. Die besondere Gunst der Zarin Katharina II. bewirkte es,
daß Beer bald auch zur Mitwirkung in den privaten Kammerkonzerten
bei der russischen Alleinherrscherin herangezogen wurde, wo er zusam
men mit den besten Musikern Petersburgs und - man kann wohl sagen -
Europas musizierte. Beer verließ Rußland erst 1792. Ihm wird übrigens
das Verdienst zugeschrieben, der Klarinette die fünfte Klappe gegeben zu
haben.
burg aufgeführt wurden.28 Springer ging 1772 nach Prag, dort verliert
sich seine Spur.
1777 wurde der aus Auscha gebürtige Johann Absolon29 als Violinist
im ersten Hoforchester angestellt. Seit etwa 1785 gab er in der Theater
schule Violinunterricht.
In den Dienst der russischen Hofkapelle trat 1770 weiter der in Kinn
geborene Joseph Massner.30 Er war 1802 an der Gründung der Peters
burger Philharmonischen Gesellschaft beteiligt.
Aus Böhmen stammte vermutlich auch der Geiger und Komponist
Otto Ernst Tewes31, der 1775 Mitglied der Petersburger Hofkapelle wur
de. Er schrieb die dreiaktige Oper "Die wütende Familie", die 1786 in
Petersburg mit einem allerdings nur mäßigen Erfolg aufgeführt wurde.
Auch ein Larghetto für Hornorchester stammt aus seiner Feder.
Aus diesen kurzen Lebensläufen wird deutlich, daß sich das Wirken
böhmischer ausübender Musiker in Rußland nicht nur auf die Mitwirkung
im Hoforchester beschränkte. Diese Tonkünstler machten sich als Lehrer
um die Heranbildung russischer Orchestermusiker verdient, sie schufen
eine ganze Reihe von Kompositionen und besserten damit den äußerst
spärlichen Bestand einheimischer Musikwerke spürbar auf, und sie küm
merten sich um die Organisation und Gestaltung öffentlicher Konzerte.
In Petersburg hatten sich im Rahmen der Direktion der Kaiserlichen
Theater neben der italienischen auch eine russische, französische und
deutsche Operntruppe etabliert. Trotz erheblicher finanzieller Schwierig
keiten brachte die deutsche Truppe zu Beginn des 19. Jh. eine ganze Reihe
von Opern und Singspielen auf die Bühne, angefangen von Mozarts "Don
Giovanni" und "Zauberflöte" über Salieris "Axur, König von Ormus" bis
hin zu den Singspielen eines Wenzel Müller und Ferdinand Kauer. Dem
deutschen Theater gehörte übrigens eine Zeitlang der aus Mähren stam
mende Johann Baptist Hübsch32 als Bassist an. Kapellmeister mit dem of
fiziellen Titel "Musikdirektor des deutschen Theaters" war seit 1799 An
ton Kalliwoda33 mit einem Jahresgehalt von 1.500 Rubeln. Kein Lexikon
erwähnt ihn, Geburtsort und -jähr sind unbekannt. Möglicherweise han
"Der Kampf der Liebe und der Vernunft" (Moskau 1763) und "Die unerfahrenen
Argonauten" (Petersburg 1770)
Mooser, a.a.O., Bd. II/III, 245-246. Absolon war 1747 geboren, er starb 1816 in
Petersburg
Mooser, a.a.O., Bd. II/III, 394. Massner starb 1805 in Petersburg
ebda., 177-178; Ju.V. Keldyä, Russkaja muzyka XVIII veka, Moskau 1965, S.
343. Tewes starb im Dezember 1800 in Petersburg
Mooser, a.a.O., Bd. II/III, 768-769
ebda., 770. Kalliwoda starb im Juni 1814 in Petersburg
41 Mooser, a.a.O., Bd. II/III, 663; B. Stejnpress, Oöerki i étjudy, Moskau 1980, S.
294-295
42 Muzykal'naja ènciklopedija, a.a.O., Bd. II, Sp. 559
Oper "Ruslan und Ludmilla" im Jahre 1871 und die Uraufführung von
Mussorgskijs "Boris Godunov" im Jahre 1874. Im Verlauf seiner viel
jährigen Dirigententätigkeit hat Napravnik über 100 Opern einstudiert,
darunter zu Beginn des 20. Jh. auch R. Wagners "Ring des Nibelungen".
Allein Glinkas "Ein Leben für den Zaren" erlebte unter Napravnik 500
Aufführungen. 1869-1881 oblag Napravnik auch die Leitung der Sin
foniekonzerte der Kaiserlichen Russischen Musikgesellschaft, in denen er
der Aufführung von Werken russischer Komponisten größte Aufmerk
samkeit schenkte. Napravnik ging nicht nur als Dirigent, sondern auch als
Komponist ganz in der Kultur seiner neuen Heimat auf. Dies zeigt schon
die Wahl der Stoffe, die er mit Vorliebe dem russischen Leben und der
russischen Literatur entnahm. So schrieb er u.a. die Opern "Die Bürger
von Niznij Novgorod" und "Dubrovskij" nach einer Erzählung von A.S.
Puskin, die sinfonische Dichtung "Dämon" nach M.Ju. Lermontov und
zwei Orchesterphantasien über russische Themen. Auch seine Tonsprache
steht in der russischen Tradition, in der frühen Zeit war sie Glinka,
später vor allem Cajkovskij verpflichtet, wenn auch Einflüsse R. Wagners
nicht zu überhören sind. Zählt auch die Oper "Dubrovskij" heute noch zu
den Repertoireopern russischer Bühnen, so blieb es Napravnik jedoch
versagt, die Entwicklung der russischen Musik als Komponist nachhaltig
zu bestimmen. Überaus bedeutsam aber war sein Wirken als Dirigent: Er
schuf eine Tradition, die noch heute unvergessen ist.
Ich möchte meinen Vortrag nicht schließen, ohne auf eine Erschei
nung aufmerksam gemacht zu haben, die mir aus meiner Kindheit noch
gut in Erinnerung ist. In dem kleinen Erzgebirgsstädtchen Preßnitz - es
zählte etwa zweieinhalbtausend Einwohner - gab es eine städtische Musik
schule, in der musikbegabte Jungen und Mädchen aus Preßnitz selbst und
den umliegenden Ortschaften kostenlos eine Instrumentalausbildung
erhalten konnten. Diese Ausbildungsmöglichkeit wurde von verhältnis
mäßig vielen jungen Menschen auch im Hinblick auf eine spätere Ver
dienstmöglichkeit wahrgenommen. Nach Abschluß der Schule fanden sich
die frischgebackenen Musikanten nicht selten in kleinen Musikkapellen
zusammen und zogen, wie es der Mentalität der Erzgebirgler entsprach,
im Frühling in die Ferne, nach dem Süden und Südosten, nach Preßburg,
Kaschau, Lemberg, Czernowitz, ja bis Budapest und Bukarest, um im
Herbst wieder in ihre Gebirgsheimat zurückzukehren. Nach dem "Sude
tenland-Lexikon"61 waren die Preßnitzer Musikanten, insbesondere Har
fenspieler, in der ganzen Welt anzutreffen. Anfang des 20. Jh. entstand
63 Vgl. dazu: M.P. Alekseev, Iz muzykal'noj Zizni russkoj provincii pervoj poloviny
19 veka (Zum Musikleben der russischen Provinz in der ersten Hälfte des 19. Jh.),
in: Istorija russkoj muzyki v issledovanijach i materialach (Geschichte der russi
schen Musik in Untersuchungen und Materialien), Bd. I, Moskau 1924, S. 17ff.