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Musikgeschichte 3

Musik der Klassik und frühen Romantik

ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Hochradner


thomas.hochradner@moz.ac.at
Sprechzeiten: MI 9.30–10.30, FR 14–15.30 Uhr, Zi. 2033

7.
Die Ausprägung musikalischer Klassik bei Joseph Haydn
Musikgeschichte 3
Von Frühklassik zu Klassik: die Folgen des Wandels

Merkmale des klassischen Stils

Merkmale des ‚klassischen Stils‘ sind


• _______________
Stilsynthese – ein musikhistorischer Prozess erreicht ein Reifestadium und bindet
diverse frühere Stationen zu einem neuen Ganzen (den ‚galanten‘ und ‚empfindsamen‘
Stil, die Gattungs- und Nationalstile des Spätbarock)
• _______________
Stileinheit – sowohl in der Vokalmusik als auch in der Instrumentalmusik gelten
die selben grundlegenden Kriterien (vgl. die sinfonische Anlage von Mozarts Opernfinali
oder Haydns späten Messen)
• _______________
Typik – bestimmte Formeln, Formen und Spannungsverhältnisse bestimmen
den musikalischen Ablauf, sind aber veränderbare Größen (nichts davon ist unabdingbar,
z.B.: eine Periode muss nicht zwingend aus 8 Takten bestehen)
• _______________
Individualität – das musikalische Kunstwerk tritt zu einer jeweils einzigartigen,
unwiederholbaren Gestalt zusammen, es stellt die Individualisierung eines Typus dar

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Musikgeschichte 3
Joseph Haydn und die Veränderungen in der Instrumental- und Kirchenmusik

Joseph Haydn: biographisches Raster (1)

1732 geboren am 31. März in _________


Rohrau (Niederösterreich)
1737/38 Schulbesuch in Hainburg
1739/40 Domkapellmeister Johann Georg ________
Reutter besucht Hainburg auf der Suche nach
Singknaben für den Wiener Stephansdom und wirbt Joseph an – als Singknabe
erhält Haydn auch eine profunde musikalische Ausbildung
1750 nach dem Stimmbruch schwierige Lebensphase, Haydn schlägt sich mit privaten
Musikstunden und marktorientierten Kompositionen durch, darunter Divertimenti
in der Art von Wagenseil oder Monn unter dem Einfluss der Sonaten und
Sinfonien von C. Ph. E. Bach
1759 erste Anstellung in fürstlichen Diensten bei Graf Morzin, Umstellung des
kompositorischen Schaffens für den typischen Bedarf einer privaten adeligen
Musikkapelle: Sinfonien, Divertimenti, Streichtrios, Bläserpartiten,
Streichquartette, Klaviersonaten ® Instrumentalmusik bleibt über lange Zeit der
wesentliche Tätigkeitsbereich Haydns
1761 Anstellung als Vizekapellmeister bei Fürst Paul Anton ___________,
Esterhazy dem im
folgenden Jahr sein Bruder Nikolaus I. (1714–1790) folgt („der Prächtige“)
® Haydn gewinnt soziale Sicherheit und bleibt zeitlebens in dieser Stellung
zunächst war Haydn für die weltlichen Werke, Gregor Joseph _______
Werner (1693–
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1766) für die geistlichen zuständig
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Joseph Haydn und die Veränderungen in der Instrumental- und Kirchenmusik

Joseph Haydn: biographisches Raster (2)

1766 nach Werners Tod Berufung zum Ersten Kapellmeister – das Orchester auf
Schloss Esterházy wächst allmählich von 15 auf 30 Mitglieder an
® vermehrte Beschäftigung mit Kirchenmusik
® auf besonderen Wunsch des Fürsten Opern für bestimmte Anlässe (darunter
Lo speziale nach einem Libretto von Carlo Goldoni 1768 zur Eröffnung des
neuen Schlosstheaters) sowie Kompositionen für ________,
Baryton ein gambenähnliches
Streichinstrument mit Aliquotsaiten, auf dem der Fürst dilettierte (Haydn
komponiert insgesamt 126 Trios für das Instrument)
1771 Veröffentlichung der Streichquartette op. 9 und op. 17 ® Haydn setzt damit die
Eckpfeiler des ‚klassischen‘ Stils: die ________________
Viersätzigkeit wird zur Norm
1772 Streichquartette op. 20 „Sonnenquartette“ mit Erschließung der
kontrapunktischen Dimension: Fugen in den Schlusssätzen
1776 Fürst Nikolaus wechselt seinen Hauptsitz und verbringt den Großteil des Jahres
auf Schloss Esterháza am Neusiedlersee, wo er regelmäßige Opernaufführungen
wünscht; dazu richtet Haydn aus Wien oder Italien beschaffte Werke ein und
komponiert selbst, z.B. Il Mondo della luna (1777)
1779 erster Kontakt mit dem Wiener Verlagshaus _________,
Artaria in der Folge Haydns
Hauptverleger
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Joseph Haydn und die Veränderungen in der Instrumental- und Kirchenmusik

Joseph Haydn: biographisches Raster (3)

1781 Streichquartette op. 33 „________


Russische Quartette“, nach Haydn „auf eine gantz neu
Besondere art“ komponiert
® große Verbreitung: in kurzer Zeit erschienen zwölf Ausgaben
® diese Streichquartette gelten als die eigentliche Geburtsstunde des
‚klassischen Stils‘ – neu sind:
• die verdichtete thematische Ableitung (Herauslösen von ‚Bausteinen‘)
• die hochgradige logische Verknüpfung
• die alle Stimmen erfassende _______________
durchbrochene Arbeit

• erstmals (und bei Haydn singulär) erscheint statt des Menuetts ein Scherzo oder
‚Scherzando‘ (das sollte vermutlich die Kunstfertigkeit gegenüber dem einfachen
Tanzsatz andeuten), das aber nach wie vor an zweiter oder dritter Stelle stehen
kann
• dazu kommt die formale Komplikation: z.B. erscheint in Haydns Streichquartett
op. 33 Nr. 6 in D-Dur, 4. Satz: Allegretto, eine Rondoform mit Doppelvariation:
das Formschema A – B – A' – B' – A'' umfasst drei Refrains und zwei Couplets
bei steter Variation zweier Themen in D-Dur und d-Moll
• die Entwicklungen im Streichquartett spiegeln sich nachfolgend in _______
Sonaten und
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_________
Sinfonien
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Joseph Haydn und die Veränderungen in der Instrumental- und Kirchenmusik

Joseph Haydn: biographisches Raster (4)

1782 erste Drucklegungen von haydnschen Werken in _______


Paris (Sinfonien)
1783 Cellokonzert D-Dur
1784 letzte Opernkomposition für Fürst Esterházy (Armida)
1785 im Auftrag des Grafen d’Ogny entstehen die 6 „Pariser Sinfonien“ für das
Concert de la Loge Olympique in Paris
ein weiterer Auftrag führt zur Komposition von Orchestersätzen für den
Karfreitagsgottesdienst der Kirche Santa Cueva in Cádiz (Andalusien), davon
geht 1787 eine von Haydn selbst erstellte Fassung für Streichquartett in Druck
1787–90 Streichquartette op. 50 „Preußische Quartette“, gewidmet König Friedrich
Wilhelm II., op. 54 und 56 „Tost-Quartette“
1790 nach dem Tod von Fürst Nikolaus entlässt sein Nachfolger Paul Anton II. die
gesamte Hofmusikkapelle, Haydn bleibt aber nominell im Amt und wird mit
einer Pension von 1.400 Gulden jährlich beurlaubt
® damit konnte er sich nach Lust und Laune bewegen, Reisen mischten sich
mit Aufenthalten in Wien, wo unter anderem __________
Beethoven für einige Zeit sein
Schüler wurde

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Joseph Haydn und die Veränderungen in der Instrumental- und Kirchenmusik

Joseph Haydn: biographisches Raster (5)

der berühmteste Lehrer zu dieser Zeit in Wien war aber Johann Georg Albrechtsberger
• zu ihm ging der lernbegierige Beethoven, als er sich mit Haydn nicht mehr verstand
• Albrechtsberger veröffentlichte ein vielbeachtetes Traktat: Anweisung zur Composition,
Leipzig 1790, das noch auf Johann Joseph Fux’ Gradus ad parnassum beruhte
• ® die Schulung im elementaren Kontrapunkt fußte also auf barocker Didaktik

1791/92 Reise nach London auf Vermittlung des Londoner Konzertmanagers Johann
Peter __________
Salomon
• Haydns Besuch gehen große Erwartungen voraus – Legenden werden
verbreitet, z.B. dass Haydn unter dem Fürsten Esterházy geknechtet werde
• Komposition der Streichquartette op. 64, der Ersten Sammlung von
Bearbeitungen schottischer Volkslieder (später folgen auch irische und
wallisische), der ersten 6 „Londoner Sinfonien“ (darunter die Sinfonie mit dem
Paukenschlag)
1793 Streichquartette op. 71 und 74 „Apponyi-Quartette“
1794/95 zweiter Aufenthalt in London, Haydn komponiert die zweiten 6 „Londoner
Sinfonien“, erstmals tauchen ein monothematischer Kopfsatz und das
Sonatenrondo im Schlusssatz auf
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Joseph Haydn und die Veränderungen in der Instrumental- und Kirchenmusik

Joseph Haydn: biographisches Raster (6)

1794 Fürst Nikolaus II. folgt Paul Anton II. und beruft Haydn in sein Kapellmeisteramt
zurück
da der Fürst zur Feier des Namenstages seiner
____________
Gemahlin jährlich eine große neue
Messe aufführen lassen wollte, entstehen nach und nach Haydns späte große
Messen:
• Heiligmesse (1796)
• Paukenmesse (1796) – „Missa in tempore belli“
• Nelsonmesse (1798) – „Missa in Angustiis“
• Theresienmesse (1799)
• Schöpfungsmesse (1801)
• Harmoniemesse (1802)
1796 Vokalfassung der Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze, private
Aufführung bei Fürst Schwarzenberg in Wien, erste öffentliche Aufführung _____1798
in Anwesenheit des Kaisers im Burgtheater als Konzert der Wiener
_________________
Tonkünstlersozietät (® Verband zur Altersversorgung der Musiker bzw. ihrer
Witwen, dessen Kasse durch Konzerte gefüllt wurde, zu denen Komponisten und
Musiker unentgeltlich zur Verfügung standen)
1796 Trompetenkonzert Es-Dur
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Joseph Haydn und die Veränderungen in der Instrumental- und Kirchenmusik

Joseph Haydn: biographisches Raster (7)

1796/97 Komposition der Kaiserhymne „Gott erhalte Franz den Kaiser“ und Verwendung
in den Streichquartetten op. 76 „Erdödy-Quartette“ (Nr. 3: _____________)
Kaiserquartett

1798 Haydn führt das oratorische Komponieren fort: Die Schöpfung entsteht
1799 2 Streichquartette „Lobkowitz-Quartette“ (zuvor waren es immer 6 gewesen!)
1801 Die Jahreszeiten
Oratorium ________________
die erste Aufführung findet wieder im Palais Schwarzenberg statt, die zweite in
den Redoutensälen der Wiener Hofburg

in den letzten Lebensjahren wird Haydn Besuchern zufolge recht senil – er


komponiert nicht mehr
1809 Haydn stirbt am 31. Mai in Wien und hinterlässt unter anderem

• zukunftsweisende formale Konzeptionen, vor allem für das Streichquartett


• Muster in der Verwendung derselben musikalischen Stilmittel in verschiedenen
Gattungen, besonders in Messvertonungen
• und Beispiele später Hinwendung zum Ideal des Erhabenen

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Joseph Haydn und die Veränderungen in der Instrumental- und Kirchenmusik

Joseph Haydn und das Ideal des Erhabenen

Eindrücke des Londoner ________________


Händelsfest 1791 führen zu einer Reformulierung der
Gattung Oratorium;
® Natürlichkeit auf einer höheren, intellektuellen Ebene wird angestrebt

Joseph Haydn in einem Brief an den Londoner Verleger Forster zur Herausgabe der für
Streichquartett umgearbeiteten Fassung der Sieben letzten Worte am 8. April 1787:
„Jedwede Sonate, oder Jedweder Text ist bloß durch die Instrumental Music dergestalten
ausgedruckt, daß es den unerfahrensten den tiefesten Eindruck in Seiner Seel Erwecket“.
(Joseph Haydn. Gesammelte Briefe und Aufzeichnungen, hg. v. Dénes Bartha, Kassel u. a.
1965, S. 162)

1796 kommt es auf dieser Grundlage zur Umarbeitung der ________________


Sieben Worte in eine
Vokalfassung;
® zuerst privat im Palais Schwarzenberg aufgeführt, zwei Jahre danach dann in
Anwesenheit des Kaisers im __________________
Burgtheater

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Joseph Haydn und die Veränderungen in der Instrumental- und Kirchenmusik

das Streben nach Erhabenheit wird in der Schöpfung (1798, über einen Text von Gottfried
van Swieten) weitergeführt
 wieder findet die Erstaufführung im Palais Schwarzenberg, die zweite im ___________
statt
 dabei wird die Partie des Testo (des Erzählers) auf die drei Erzengel Gabriel, Raphael
und Uriel verteilt
 der wörtliche Bibel-Text erscheint noch in Secco-Rezitativen, alles andere in
Accompagnato-Rezitativen, Arien und Chören
 das Orchester wird groß besetzt: das erhabene Naturbild, etwas Idealtypisches,
Wirkmächtiges wird zum Ziel der kompositorischen Realisierung
 die Musik wird dabei ____________________, sie folgt Eigengesetzlichkeiten, nicht
einem formalen Modell
 das ist zukunftsweisend: Haydns Schöpfung erfährt eine bemerkenswerte
Rezeptionsgeschichte;
® in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts führen das Werk selbst kleine Landchöre auf
und etliche Messen entstehen nach Motiven aus der Schöpfung (sog.
„Schöpfungsmessen“, wie Haydn ja auch selbst eine geschaffen hat)
• die ersten Aufführungen der Schöpfung zeigen aber auch an, dass sich anspruchsvolle
geistliche Musik von der Kirche in den _______________ zu verlagern beginnt 11

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