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JUDACH GALILACE


BEAVER

land
Heilige
und

die heiligen Staetten

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CHRISTIAN M.NEB E H A Y ges. M. B.H.
Old Ed rare books
VIENNAT AUSTRIA ANNAGASSE NR: 18 . TEL.: 52.18.01.CABLESINEB EHAYBOOKS
Pobrt /Pol deew : A -1015 Vea (Vean , Austria ). Parlach 303
.Wir offerieren freibleibend : May 2266,,1982
" Panorama Jerusalems , vom Thurme der Himmelfahrts Kirche
auf dem Olberge "
Radierung und Aquatinta , nach Ulrich Halbreiter von Ruf in
Zürich . 34 : 227 cm . Mit einer lithographierten Gebäudeerklärung .
Original -Leinenmappe , mit Titel in Goldprägung , fleckig .
München & Zurich , Wick , um 1845 0.9. - 18.000 ,
Ulrich Halbreiter (Freising 1812 - München 1877 ) , Historienmaler ,
Schüler der Münchner Akademie , 1842 in Athen . " 1843 trat er von
dort eine Reise nach Agypten , Palästina ,Kleinasien an und kehrte
1845 Über Rom nach München zurück . Seine in Jerusalem entstandenen
Skizzen dieser Stadt verarbeitete er nach seiner Rückkehr zu einem
großen Panorama ...Es kam später in den Lateran.Ein Kupferstich <
danach erschien in Zürich " ( Thieme-Becker ,Künstlerlexikon ,XV ,
p . 498 ) .

‫הספרייה הלאומית‬
P132 Ulrich Helbreider
The National Library of Israel

‫מאוסף‬

‫פרופ ' יעקב וָרמן ז"ל‬

2005-1924

‫הספריה הלאומית‬
S 2= 2011 B 2657
Messmer, Joseph Anton ,
Das Heilige Land und die heiligen St
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3014662-10 BYA
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und die

Heiligen Staetten

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922eilige Jbeani

und

die heiligen Stätten

Ein Pilgerbuch

in ausgewählten Bildern mit erläuterndem Terte

DOIT

Dr. I. A. Meßmer ,

Privat-Docent an der Ludwig -Marimilians-Univerſität.

Die Bilder nach Originalien von U. Halbreiter , M. Bernat u . A.

münchen , 1861 .

Vogel'ſche Verlagshandlung.
r
1
.

Vorwort .

Seit mehreren Jahren mit den Alterthümern des Morgen- und Abendlandes

eingehend beſchäftigt, traf mich im Spätherbſte des Jahres 1859 die ehrende Auf

forderung der Verlagshandlung, zu dem ſeit Jahren von ihr geſammelten Material 1

vorzüglicher Bilder der wichtigſten Dertlichkeiten und Denkmäler Paläſtina's den

erläuternden Text herzuſtellen , nicht unvorbereitet an. Die kirchlichen Denkmäler des

Heiligen landes und die daran haftende Erinnerung göttlicher Liebe oder Gerechtigkeit

waren ſeit früheſter Zeit nicht nur Gegenſtand frommer Verehrung und ſteter Ueber

lieferung , ſondern auch Vorbild und Urſprung ähnlicher Anlagen im Abendlande.

Leştere laſſen ſich ſomit ohne genaue Erforſchung und Renntniß der erſteren nicht

verſtehen. · Der Archäolog wird alſo ſchon in dieſer Hinſicht vielfach nad Paläſtina

gewieſen. Hier ſtiegen die erſten Prachtbauten chriſtlicher Kunſt unter Kaiſer Conſtantin

empor und hörten den langen Zeitraum vom IV . Jahrhundert bis zur Gegenwart
1
nicht auf, Grundlage und Motiv immer neuer Kunſtwerke zu bilden , die den theuerſten

Erinnerungen der Chriſtenheit gewidmet blieben . Das Intereſſe für die Denkmäler !

dieſes Landes , zumal der ewigen Stadt , überwiegt des damit verknüpften heiligen

Andenkene halber bei jedem Chriſten zuverſichtlich jedes andere, ſo daß eine einläßliche

Darſtellung der Geſchichte des bezüglichen Denkmals mit der Vorführung des daſelbſt

verehrten Ereigniſſes zugleich den Beweis für die ſtete Ueberlieferung und die Stärke

der dafür lebenden Ueberzeugung in fich ſchließt. Die Geſchichte jedes wichtigen

Denkmals in Paläſtina reflektirt immer jene des Landes ſelbſt und redet eindringlicher

zum Menſchen, als alle Sprache vermöchte. Ich konnte mich darum nicht entſchließen ,

die Geſchichte der Heilig - Grabkirche zu Jeruſalem - des bedeutſamſten chriſtlichen

Denkmals auf Erden in herkömmlicher Flüchtigkeit zu berühren und dem Leſer


1*
IV

vorzuenthalten, was gerade zumeiſt fein Intereſſe beanſprud't und worüber die genaueſten

Aufſchlüſſe ſein ſehnlichſter Wunſch ſind. Ich halte dafür , daß die noch vorhandenen

Reſte chriſtlicher Erinnerung genau zu betrachten , die darüber erhaltenen Nachrichten

fleißig zu ſammeln und dem Leſer mitzutheilen , die eigentliche Pietät gegen dieſe

ehrwürdigen Denkmäler Heißen kann , welche durdy Ergüſſe begeiſterter Phantaſie, auch

der reinſten und reichſten nicht erſetzt werden mag .

Die richtige Einſicht in den thatſächlichen Beſtand der Dinge erleiſcht doch

gewiß die nächſte Nütſidyt, gegen welche jede andere zurückſtehen muß. Um dieſe dem

Leſer zu ermöglichen , ließ ich darum die Augenzeugen und gewiſſenhafteſten Bericht

erſtatter am liebſten ſelbſt ſprechen und wies , wo folches unthunlich , fleißig auf jene

Werke hin , wo der für dieſe oder jene Einzelheit eingenommene Leſer den genaueſten

Beſcheid finden kann. Außerdem halte ich es für Pflicht, jene Autoren nanhaft zu
machen , welchen größere oder kleinere Partien entnommen wurden. So war es mir

unmöglicḥ, bei der Beſchreibung und geſchichtlichen Würdigung der Denkmäler Jeruſalems

und Bethlehem's nicht wiederholt und ausdrücklich der Verdienſte des unermüdeten

und die bezüglichen Monumente erſchöpfenden Forſchers, Dr. Titus Tobler, zu gedenken,

dem die Literatur des Hl. Landes ihre gründlichſten und fleißigſten Arbeiten verdankt.

Was dieſer Gelehrte zur Evidenz erhoben, muß zum bleibenden Beſitthum der Menſchen

gemacht und mitgetheilt werden , auf daß der Leſer nicht ſeines Autors Leichtſinn zu

büffen hat , der die wichtigſten Punkte in Folge folch vornehmer Geringſchätzung

fremder Leiſtungen im Dunkel laſſen wird. Mag der Ton oft trocken und faſt

ermüdend ſein , ſo iſt doch die Hauptſache, nämlich die richtige Renntniß der Gegen

ſtände gewonnen und dafür wird der verſtändige Leſer ſtyliſtiſche Härten immerhin

gerne in den Rauf nehmen . Er wird es gewiß vorziehen , durch ſolche Darſtellungen

wirklich unterrichtet, als durch andere nach Art Chateaubriand’s blos unterhalten zu

werden. Genauigkeit der Angaben und Richtigkeit des Urtheils waren mein Haupt

beſtreben und ich wünſche, von dieſem Ziele nicht zu ferne geblieben zu ſein.

Da mir die berührten Orte und Denkmäler nicht aus Selbſtanſchauung, ſondern

nur durch die Literatur bekannt werden konnten, ſo wird der geneigte Leſer bei den im

Fluß des Vortrages ihm bemerklichen Mängeln um ſo nachſichtiger ſein, je genauer er

mit der Wucht dieſer Literatur vertraut iſt, aus welcher ſich oft ſchwer ein einheitliches

Bild gewinnen läßt.

Wo der Wahrheit conforme Schilderungen vorlagen , habe ich jedesmal dieſelben

1
..

wiedergegeben und mich bemüht , nicht nur ein klares , ſondern auch ein ſchönes Bild
des Gegenſtandes vor Augen zu bringen. Wo aber die wenn auch glänzendſte

Schilderung eines Pilgers ſich mit der Wahrheit unverträglich zeigte , räumte ich der

weniger gelungenen, aber genaueren den Vorzug ein. So kam eß, daß die franzöſiſchen

Beſchreibungen meiſt den deutſchen und engliſchen weichen mußten. Für die Bearbeitung

der legteren ſpreche ich hiemit meinem Bruder herzlichen Dank aus. Ein anderer

Punkt der Erörterung ſind die ägyptiſchen und aſſyriſchen Denkmäler. Obwohl

urſprünglid, nicht in den Plan meiner Arbeit einbegriffen , hielt ich dennoch einen

Ausblick auf dieſelben für fachlich geboten , da dieſe Völker mit Ffrael in häufige

Berührung kamen und auf deſſen Entwi& lung einen bedeutenden Einfluß hatten. Die

Verlagshandlung ſtellte mir in gewohnter Zuvorkommenheit die zunächſt nöthigen

Fluſtrationen ungeſäumt zur Dispoſition , wie dieſelbe überhaupt jedem meiner Wünſche

auf's bereitwilligſte entgegenkam . Dieſem edlen Eifer, dem Publikum nur Vorzügliches

zu bieten und dieſem einträdſtigen Handeln verdankt der Leſer . mit mir viele ſchöne

und belehrende Zulagen von Bildern .

Ich kann nicht umhin, dem Herrn Verleger dafür ſowie für die vielen Beweiſe

ehrender Freundſchaft meine Anerkennung auszuſprechen ; denn nur dadurdy ward es

möglich, das im Proſpektus Angekündigte nicht nur zu erfüllen , ſondern in jeder

Beziehung zu übertreffen.

Außerdem habe ich die erhebendſten Beweiſe aufinunternder und fördernder

Theilnahme in jeder Art wiſſenſchaftlicher Unterſtübung bei den Fachgelehrten erfahren ,

denen ich dafür verpflichtet bleibe. Abt und Profeſſor Haneberg ſtand mir durch

Rath und That auf's wohlwollendſte unermüdet bei . Dr. Titus Tobler , obwohl auf

einer wiſſenſchaftlichen Reiſe begriffen und vielſeitig in Anſpruch genommen , widmete

mir gleichwohl all ſeine freie Zeit und erledigte meine vielen Fragen und Wünſche

mit ebenſo großer Aufmerkſamkeit als Güte. Dieſem edlen Manne in der Ferne

danke ich für ſeine Geduld und Unterweiſung von ganzem Herzen. General von

Spruner theilte mir Rarten , und Bücher zu ſteter und uneingeſdränkter Benütung

jederzeit freundlichſt mit und entſprady meinen Wünſchen auf's bereitwilligſte. Dem

verſtorbenen Profeſſor Fallmerayer verdanke ich in der Kenntniß der Literatur und
!
morgenländiſcher Sitten vieles . Seine Kränklichkeit hinderte ihn nie , mir Gehör zu

ſchenken und mich über die bezüglichen Materien auf & humanſte zu unterrichten . So

war audi Herr Ulrich Halbreiter, deſſen künſtleriſche Leiſtung für die Kenntniß Paläſtina's
VI

der wiſſenſchaftlichen Robinſon's von Tobler gleichgeachtet wird , mir beſtändig in der

Erklärung ſeiner eremplariſchen Illuſtrationen des hl. Landes zur Seite und machte

mich mit den vorzüglichen Skizzen ſeiner reichen Mappe auf'8 genaueſte bekannt.

Für dieſe den theuren und ſchönen Gegenſtand fördernde Theilnalyme und belehrende

Unterſtützung fei mein inniger Dank hier ausgeſprochen , den ich durch fleißige und

aufmerkſame Benütung der gebotenen Hilfsmittel und Rathſchläge thatſächlich in dieſem

Werke niedergelegt und ſo dem in mich geſetzten Vertrauen und Wohlwollen am beſten

entſprochen zu haben wünſche. Möchte es mir nur einigermaſſen gelungen ſein , dem

Leſer ein wahrhaftiges und vollkommenes Bild des Heiligen Landes und der heiligen
Stadt zu geben ; denn das Ingenium , auch ein künſtleriſch ſchönes zu bieten , eignet

nur wenigen Sterblichen in dem Maaße , wie dem Erfinder und Künſtler unſeres

Titelblattes, wogegen auch die beredteſte Spradje verſtummen muß .

München den 11. November 1861 .

Joſ. Ant . Mekmer.


Jubalts - Verzeichniß.

Seite Seite
Einleitung 1 22. Belagerung u. Eroberung von An
Geographiſcher u. geſchichtlider Ueberblick 2 tiochia 27
Intereſſe der Chriſten um die heilige Stadt , 4 23. Aufbruch gegen Jeruſalem 28
1. Pilgerfahrten 4 24. Belagerung und Eroberung Jeruſalems 28
2. Bedeutung dieſer Wallfahrten 9 25. Herzog Gottfried am Grabe des Er
3. Allgemeine Verbreitung. Betheiligung löſer 8 29
der Deutſchen 10 26. Grindung des driftlichen Königreiches
4. Erinnerungszeidien an die Pilgerfahrt Jeruſalem . 29
od . Neliquien . 10 27. Verfall des dhriſtlidyen Königreidjes 30
5. Kirchliche Auffaſſung derſelben 11 Iafa oder Joppe 31
6. Handel 11 Der hl. Apoſtel Petrus in Joppe 32
7. Die Araber unter Mohammed . . 12 Geſchidyte von Safa 35
8. Erleichterung zur Zeit Sarl des Großen 12 Ebene Sarona . 36
9. Neue Bebrüdungen u. Verfolgungen 13 Stadt Ramleh . 37
10. Verwiiſtung der Hl. Stätten unter Lydda u . die S. Georgskirche 39
· Hakem 1010 14 Weg über Abughoſd nad) Jeruſalem . 40
11 Theilnahme des chriſtlidhen Abendlandes 15 Jeruſalem, die ewige Stadt.
12. Maſſen- Wallfahrten 1065 17 Das Geridt Gottes über Jeruſalem 42
13. Nädyſte Veranlaſſungen eines Kreuzzuges Die Zerſtörung 43
14. Plan eines allgemeinen Freuzzuges 19 Seruſalem mit ſeinen Erinnerungsſtätten
15. Predigten des Peter von Amiens 20 1. Lage der Stadt . . 56
16. Verſammlung zu Clermont . . . 21 II. Weg zur Kirche des hl. Grabes . 59
17. Gottfried von Bouillon 1095 23 III . Die heilige Grabkirche 61
18. Andere Kreuzritter 23 Kirche der Auferſtehung Ieſu Chriſti 63
1. Lage der Kirche • 63
19. Erſter Verſuch eines Kreuzzuges iin Früh
jahr 1096 . . 24 2. Geſtalt des conſtantiniſchen
20. Ein zweiter Zug unter Gottſchalt 25 Bauwerkes 64
21. Aufbruch des Kreuzheeres unter Gott 3. Zerſtörung burdy bie Berſer
fried von Bouillon 25 u. Neubau . 65
VIII Inhalts - Verzeichniß.

Seite Seite
4. Bau der Kreuzfahrer . . 68 13. Saal des Abendmahles u. Grab
Davids . 141
5. Fernere Geſchicke des Baues 71
14. Die armeniſchen Kirchen des Er
6. Die Stationen der hr. Grabs
löſers u. Jacobus 144
kirche (Plan ) . . . 72
15. Davideburg mit dem Sippikus
1. Die Stätte der Salbung 72
thurme ( die alten Stadtmauern ) 145
2. Der Grabdom . 76
76 16. Das nordweſtl. Hinnomthal u.
3. Die Engelskapelle .
der Teid des Ezechias . . . 148
4. Das heilige Grab Un
77 17. Das Johanniter -Hospital 148
fers Herrn
18. Die Stätte des Gefängniſſes des
5. Golgatha 81
hl. Petrus 149
6. Kapelle Unſer L. Frau
auf Golgatha 91 19. Das Gerichts- u. Damaskus
Thor 150
7. Kapelle der hr. Maria
20. Die Gräber der Könige . 150
v. Aegypten 94
8. Die Abamstapelle . 94 21. Anſicht Jeruſalems von Nordoſt 153
22. Da8 öſterreichiſche Pilgerhaus 153
9. Grab des Gottfried von
23. Der Tempel auf Moriah . . 154
Bouillon . 95
24. Der Haram u. die Omar
10. Kapelle der Verſpottung 97
Moſchee 165
11. Kirche der hl. Helena 100
25. Die Moſdee el Akſa 167
12. Rapeứe der Kleiderver
26. Das Goldene Thor . 168
looſung 105
27. Unterirdiſche Gänge 11. Waſſer
13. Kapelle des Gefäng
behälter . . 168
niſfes Chriſti 108
VI . Klima u. Vegetation . 170
14. Kirche Mariä Erſdei
110 VII. Verkehr u. öffentliches Leben zu Je
nung
ruſalem 177
Rüdblid 112
VIII . Die Bewohner Jeruſalems. Syre reli
IV. Via doloroſa oder der Schmerzensweg 118
giöſen Verhältniſſe, Sitten u. Tradyten 182
Brätorium des Pilatus . 118
IX. Heilige Stätten im Süden u. Weſten
Kirche der Geißlung . . 119
Jeruſalems
Kirche der Ruhe Unſer8 Herrn . 119 194
1. Weg nach Bethlehem
Die übrigen Stationen 120 197
2. Bethlehem .
V. Die anderen hl. Stätten in und um Jeruſalem Baſilita zu Bethlehem • 200
1. Der Teich Bethesda . 121 Bewohner u. ihre Beſchäftigung 205
2. S. Annakirche 122 3. Umgebung von Bethlehem
3. Das Grab der hl. Maria . 122 Beit Sahur 206
4. Der Garten Gethſemani 123 Die Milchgrotte . 206
5. Grotte der Todesangſt . . 124 Teiche Salomon's 207
6. Der Delberg . 125 Geſchloſſene Gärten Salomon's 207
7. Die Himmelfahrtstirche . 128 Der Beerbenthurm. Franken
8. Gräber der Propheten 131 berg 207
9. Thal Joſaphat 132 Thecua . Şöhle Chareitun . 208
10. Grabſtätten des Abſalon , Zada. 4. Þebron • 208
rias, Jacobus u. Joſaphat . 133 Beſchreibung der Moſchee . 210
11. Quelle u. Teich Siloah . 134 Die Gräber Abner'8 u. Jeſſe's 212
12. Thal þinnom . 137 Zelt Abrahams zn Mamre . 213
Die Hauptformen jüdiſcher Gräber 137 5. Stadt Gaza . 214
Inhalts - Verzeichniß. IX

Seite Seite
6. Kloſter S. Johann u. hl. Kreuz 215 3. Berg der Seligkeiten • 265
7. Der Taufbrunnen des hl. Phi. 4. Tiberias u. der See Geneſareth . 266
lippus . 216 5. Berg Tabor . 268
8. Die Orte Maſpha u. Emmaus 218 6. Andere Stätten dieſer Gegend • 269
7. Das Carmel - Gebirge oder Dichebel
X. Deſtlich von Jeruſalem gelegene Stätten
Mar Elias 270
1. Bethanien . 219
2. Die Wüſte von Jericho 8. Atlit , Cäſarea u. Akka . 272
221
3. Der Jordan . 225 9. Cäjarea Philippi . 275

4. Das todte Meer . 227 Syrien . 275


Antiochia . 276
5. Kloſter S. Saba • 231
Damaskus 284
Die übrigen Stätten des heiligen Landes . 287
Chriſtenverfolgung 1860
Die Sinaitijde Halbinſel 233
Die Bekehrung des hl. Paulus . 288
Denkmäler im Oſten der Halbinſel ( Petra
Die Bauart der Stadt u. Häuſer . 289
Babylon u. Niniveh) 239
Die Ruinen von Baalbek . . 291
Denkmäler im Weſten der Halbinſel
Der Libanon u. das Cedern - Thal 294
(Aegypten ) 249
Die chriſtlichen Gemeinden des Libanon 295
Weg nach Samaria u. Nazareth Die Maroniten 298
1. Bireh u. Beitin . 255 Die Druſen 303
2. Die Landſchaft Samaria 256 Die Motualis 306
3. Stadt Samaria oder Sebaſtien . 260 Die Stadt Beirut • 306
4. Die landſdjaft Galiläa . 262 Von Beirut nach Sidon 313
5. Nazareth . 262 Die Stadt Sidon 317
Von Sidon nach Tyrus 322
Umgebung von Nazareth
1. Cana . 264 Tyrus 325
2. Sepphoris 265 Schluß . 347

.
Vertheilung der Bilder .

Titelblatt, gezeichnet von A. Strähuber , geſtochen von H. C. Merz .


In der Lünette ſteht ein Engel mit ausgebreiteten Flügeln , in der Linken die zwei Gefeßestafeln , in der
Rechten das Evangelium des Kreuzes. Um ihn her figen und liegen in trauernder Geberde vier weibliche
Geſtalten, Mauerkronen auf dem Haupte. Sie repräſentiren die vier landſdiaften Paläſtina's, wie die Umſchrift
beſagt : Judäa, Galiläa, Samaria und Beräa . Ueber dieſem Lünettenbogen ſind in den Winkeln des Rechtedes
angebracht: rechts ein mit lanze, Schild und Pfeilen bewaffneter Krieger, links einer , der das mit dem Adler
gekrönte Feldzeichen der Nömer fülrt. Sie bezeidhnen die beiden großen und entſcheidenden Heereszüge gegen
Jeruſalem , der Chaldäer und der Nömer. In der Mitte des Blattes (dwebt ein breites Schriftband mit dem
einfadyen Buchtitel in goldenen lettern , mit einem Geranke von Jerichoroſen umgeben. Zu unterſt liegt als
bärtiger Greis der Fluß Jordan , wie er das aus dem Gefäße am Boden entſtrömende Waſſer mit dem Arme
zurückſtaut, um den Zug der Kinder Iſraels trocknen Fußes durchgehen zu laſſen , die Bundeslade voran , Joſue
der Held hinter ihr betend mit aufgehobenen vänden , vorneher eine Mutter mit dem Reiſebündel , ihrem
ängſtlichen Rinde weiterhelfend ; nach der entgegengeſepten Seite eine Scene aus den Kreuzzügen. Gottfried von
Bouillon das Banner des Kreuzes tragend, auf der Bruſt mit demſelben Zeiden geſchmückt zieht emporgerichteten
Hauptes auf ſeinem mächtigen Štreitro hinter den die Sarazenen niederkämpfenden Kriegern in die Stadt ein.
Die mit fetter Schrift gedruckten ſind farbige Bilder.
Seite. Seite.
Jafa 31 Geſchloſſene Gärten Salomo's 207
Kirche St. George zu Lydda 39 Hebron 209a
Längendurdiſdinitt der hl. Grabeskirche 68 Davidsburg 209b
H Orabeskirche , Aeußere Anſicht 70 Grab des Abner 212a
Stein der Salbung 73 Sjai's Grab . 212b
H Orabeskirche, Innere Anſicht 79 Gaza . 214
Golgatha 85 Philippebrunnen • 217
Hofraum im Hauſe des Pilatus 119 Emmaus 218
Teid Bethesda 121 Bethanien 219
Grab Mariä 122a Wüſte Jericho 221
Srab Mariä . 122b Stelle der Ruinen von Jericho 223
Gethſemane 124a | Tootes Meer 227
Grotte der Todesangſt . • 124b St. Saba . 231
Delberg : • 126 Berg Sinai . 237
H Thal Joſaphat 132 Khorſabad . 246
Quelle Siloah 135 Abu Simbel . 252
Grab Davide, Aeußeres 141 Handwerke der Egyptier, (lithographie) 253
Coenaculum . 142 Bireh 255
Grab David's 143 Ciſterne bei Bireh 256
Hippicus 145 Ebal und Garizim 259
Portal des Johann . Spitals . . 148 Samaria 261
Damaskus -Thor 150a Nazareth 262
Gräber der Judent 150b Kefr kanna . 264
Jeruſalem von Norden . 153 Ort der Bergpredigt . 265
Hoher Prieſter 156 Jiebcrias 266 H
Der Moria -Tempelberg 158 Sabor . 268
Klageſtätte der Juden 163 Berg Carmel 270
Tempelplay zu Seruſalem . 165 Damaskus 284
Omar: Moſchee, Innere Anſicht . 166 Chriſtenviertel in Damasku8 . 288
Da8 golbene Thor 168 Hofraum eines Hauſes in Damaskus 289
Männliche Trachten 188 Baalbed . 291
Weibliche Trachten 190 Thorweg zu Baalbeck 293
Egyptier und Bazar . 191 Libanon . 295a
Speiſende 193 Zaleh 295b
Grab Nabels . 195 Druſen und Maroniten 296
Bethlehem 197 Beiruth 306
Thal der Hirten . 199 Sidon 317
Kirche in Bethlehem 200 Chan von Sidon 322
Krypta in Bethlehem . 202 Ararat 345
Teiche Salomon's . 206 Karte des heutigen Paläſtina .

palan HH
Halbreiter
Das heilige Land .

ein Land und Volf des Erdkreiſes hat für die Geſchichte unſeres
Geſchlechtes eine größere und bis heute fortdauernde Bedeutung als
Paläſtina, das Land der Juden . Das Heil aller Völker und Geſchlechter
ging von dieſem kleinen Landé aus und heißt dasſelbe darum das heilige Land . „ Es war ein

kleiner , armer Fleck der Erde , bewohnt von einem durch eigene Schuld ſehr verachteten Volfe,
wo es der ewigen Weisheit gefiel den Grundſtein zu einem geiſtigen Gebäu zu legen, welches das

wahrhaft erlangte, was jener alte Thurmbau zu Babel in ſeinern Uebermuthe vergeblich anſtrebte:
ein Hinanſteigen des Irdiſchen und Menſchlichen zu dem Himmliſchen und Ewigen . Der Wanderer
findet, über Länder und Meere nach dem Lande der Verheißungen und ihrer Erfüllung kommend,
nicht die Byramiden Aegyptene, keine Tempelhallen und König &gräber von Theben, ſondern nur ein
vérödetes Erdreich, beneßt von den Thränen der Tauſende, welche hier nicht eine Stätte der großen

Menſchenwerke, ſondern der Wunderthaten Gottes begrüßten. Es ruhet aber noch eine beſondere
Kraft in dieſen verödeten Steinen , in dem Anblick dieſer Höhen und Thäler ; eine Kraft, welche

wie Elifäus' Gebein den Todten, den man darauf warf, ſo die Erinnerungen zum Leben erweđt,

wenn ſie auch faſt erkaltet und todt im Herzen ſchliefen . Wer hat nicht erfahren , welches neue
kräftige Leben der Anblick der Gräber oder der Wohnſtätte der längſt verſtorbenen Eltern den Ge
fühlen der dankbaren , findlichen Liebe gab , wenn er einmal nach langem Verweilen in der

Fremde die Heimath wieder beſuchte. Und in der That , das was in den Thälern und auf
1
Das heilige Land.

den Höhen Judäa's ſich bezeugte, das war ja mehr als Vatertreue, mehr als Mutterliebe.“ Das
Herz dieſer Liebe verblutete aber zu Jeruſalem , der heiligen Stadt, mit welcher fortan die Sehn
ſucht des Bilgers nach dem gelobten Lande vereinigt blieb . Ebenjo ſind die Geſchicke des Landes
und Volkes geknüpft an die Geſchicke dieſer heiligen Stadt init dem Tempel.

1. Capitel .

Geographiſcher und geſchichtlider Ueberblid.

Klein iſt der Umfang dieſes denkwürdigen Landes , welches zwiſchen 52° und 54' 30'
öſtlicher Länge und 31 ° 104 bis 33 ° 25 ' nördlicher Breite liegt , faſt in gleicher Entfernung von

dem Aequator und dem nördlichen Polarkreiſe . Dasſelbe hat einen Flächeninhalt von 460
Quadratmeilen und mißt in ſeiner größten Längenausdehnung von Nord nach Süd 31 deutſche
Meilen und 23 in der Breite . Seine Grenzen waren verſchieden in dem Wechſel der politiſchen

Stellung , am weiteſten unter David und Salomo. Die älteſte Grenzbeſtimmung enthält die

Geneſis 10. 19 , wo es heißt : die Weſtgrenze der Kanaaniter jei länge der Küſte des Mittel

meeres , von Sidonnad ) Gaza gelaufen , die Südgrenze von Gaza gen Sodom , Gomorra ,
Adama und Zeboim 8. i . zu dem Orte des erſt ſpäter entſtandenen todten Meeres und weiter
bis Laſa, das auf der Oſtſeite des todten Meeres gelegen , ſpäter Kallirrhoe hieß .

Es wird dann das Erbtheil nach den Stämmen 3jraels unter Joſue nach dem weſt- und

oſtwärts vom Jordan gelegenen Lande beſtimmt und ein Oſt- und Weſt - Jordanland unterſchieden.

Erſt unter König Salomo ging die Verheißung in Erfüllung: „Idy will deine Grenzen ſeßen
das Schilfmeer und das Philiſter - Meer und die Wüſte bis an das Waſſer“ vom rothen

Meer bis zur Wüſte und dem Waſſer Phrat. Der früheſte Name iſt Canaan mit Inbegriff

von Phönizien und Philiſtäa, ſpäter Land Iſrael , Land der Hebräer, nach Heber , einem der
Stammväter Abraham's und zuletzt durd, Uebertragung des Namens des Philiſterlandes auf das

Ganze : Paläſtina .

Nadidem Joſue das Volk Iſrael in das gelobte land geführt, fiel dem Stamme Benjamin
die nadimals von Iuda eroberte Stadt Jeruſalem zu , welche in früheſter Zeit der König und
Prieſter Melchiſedechy inne gehabt und Stätte des Friedens genannt hatte . König David entriſ
die mit den Kindern Juda'8 und Benjamin's von den Jebuſitern bewohnte Stadt und Burg

auf Sion den legteren und machte nun Jeruſalem zur Hauptſtadt des Reiches, welcher Salomon
durd, den prachtvollen Tempelbau die höchſte Würde verlich . Der Tempel bildete die Mitte des

religiöſen Cultus der Juden und zu ihm hin richteten ſich Gebet und Opfer . Salomon fügte
der religiöjen Bedeutung Kunſt und Pracht in bewunderungswürdigem Maaße hinzu und machte
Jeruſalem zur herrlichſten und gerühmteſten Stadt des Morgenlandes. Aber idon unter ſeinem

971 v . Chr. Nachfolger Roboam gerieth ſie unter ägyptiſche Herrſchaft, aus welcher befreit ſie zur Beute
588 v. Chr.' des großen Erobereré Nabuchodonoſor wurde, der nady Zerſtörung derſelben das Volk in die
Geographiſcher und geſchidytlidher Ueberblick. 3

ſiebzigjährige Gefangenſchaft nacy Babylon ſdyleppte. Die Thränen und Klagen des armen Volkes
in der Gefangenſchaft erhörte der Herr durch die Befreiung unter Cyrus, der nachy Eroberung
Babylon's den Juden die Rücfehr in ihr ſo heiß erſehntes Vaterland und den Wiederaufbau 536 v. Chr.

der Stadt mit dem Tempel ermöglichte . Nachy beinahe dreihundertjährigem Frieden brach der
ſyriſche König Antiochus Epiphanes über die Stadt herein, deren Bewohner niedergemetzelt oder 175 v. Chr.
in die Gefangenſchaft fortgeführt wurden . Da erhob ſich der gottesfürchtige Held Judas

Makkabäuß und erkämpfte ſeinem Volke wiederum die heilige Stadt . Auch würde der Feind

machtlos geblieben ſein, hätte nicht der unſelige Streit der Brüder Hirkan und Ariſtobul um die
Hoheprieſterwürde den Römern Vorwand zur Einmiſdung gegeben , die unter dem ſiegreichen
En . Pompejus mit abermaliger Eroberung Jeruſalems endigte. Nach einem Vierteljahrhundert 65 v . Chr .

wußte ſich Herodes , genannt der Große , durch Hilfe der Römer den Beſitz der Stadt und
Herrſchaft zuzueignen.

Unter dieſem Herodes ward Jeſus Chriſtus zu Bethlehem nahe der Stadt Jeruſalem

geboren . Hier lehrte, wirfte und beſeligte der Heiland. Aber Er kam in ſein Eigenthum und
die Seinigen haben Ihn nicht aufgenommen . Als der Herr des Weinberges ſeinen Sohn geſandt Matth . 22 .
39.
hatte , ergriffen ihn die Arbeiter , ſtießen ihrt aus dem Weinberge hinaus und tödteten ihn .“

Und ſo iſt denn der Stein , den die Bauleute verworfen haben , zum Eckſtein geworden . Von

dem Herrn iſt dies geſchehen und es iſt wunderbar in unſern Augen .“ V. 42. Bald ſollte des

Heilands Weheruf über Jeruſalem erfüllt werden und das frevelhafte Wort , Sein Blut komme

über uns und unſre Kinder “ jenes Volk zum unglüdlichſten auf Erden machen .
Unter dem römiſchen Statthalter Florus erhoben ſich die Iuden gegen die Gewaltherrſchaft 65 n. Chr .
des Saiſers , welche ſeit Dezennien durch Bedrückung und Demüthigung des Volkes bis zum
Tobe verhaßt geworden war.

Kaiſer Nero ſchickt den Vespaſianus gegen die Empörer nach Paläſtina. Dieſer begann ,

nacidem er über Galiläa heranrückend Alles vor ſich her niedergeworfen, Jeruſalem zu belagern,
das hartnäckig widerſtand. Zum Kaiſer ausgerufen überläßt Vespaſianus die Eroberung der
Stadt ſeinem Sohne Titus. Dieſer edelgeſinnte Fürſt, bemüht die Stadt , zumal ihren herr
lichen Tempel zu erhalten , vermag gleichwohl weder das Eine noch das Andere zu erreichen.
Die Oſterfeſtzeit des Jahres 70 hatte eine unzählbare Menge Volkes in den Mauern der Stadt 70 n. Chr.
vereinigt. Ihr grauſenvolles Schickſal wird der Augenzeuge Flavius Joſephus ſelbſt vor unſere

Augen führen, wenn wir erſt Jeruſalem betreten haben . Hier nur die Reſultate: „Endlich hat
Titus, die Stadt mit Laufgräben umgeben und von allen Seiten völlig eingeſchloſſen. Am
18. April fällt die erſte Mauer , am 7. Mai die zweite , am 7. Juli iſt die Burg Antonia

erobert, zwei Tage darauf hört das tägliche Opfer im Tempel für immer auf ; am 10. Auguſt
ſteht der Tempel in Flammen und wird völlig niedergebrannt, am 7. September fällt die legte

Mauer und der Cäſar zieht Tags darauf im Triumphe in die entſetzensvolle Stadt, deren Pläge

und Straſſen ganz überdeđt ſind mit Leiden und Sterbenden. Was die lange Belagerung an
1*
4 Das heilige Land.

Häuſern übrig gelaſſen , verzehrt das fortwüthende Feuer des Tempele . Der Tempel žur

Ruine und das Heiligthum der Juden zur Dede geworden .

Unter Kaiſer Trajan brachen die Juden in Aegypten abermals los wider die römiſche
Regierung und mordeten in wild barbariſcher Grauſamkeit Griechen und Römer. Da dieſer
Aufſtand ſich raſch verbreitete und im jüdiſchen Lande zum furchtbaren Sturme anwuchs,

idritten die Römer mit vernichtender Gewalt ein . Kaiſer Hadrian aber ließ nach Niederwerfung
der letzten durch Barcochba hervorgerufenen Empörung alle feſten Pläße um Jeruſalem ſchleifen ,

über 900 Städte und Dörfer vertilgen , ganz Judäa und Galiläa verwüſten und endlich , um
auch die Erinnerung an das ehemalige Heiligthum auszulöſchen , dem Jupiter Capitolinus zu
Jeruſalem einen Tempel erbauen, wozu ſchon Kaiſer Trajan von den Juden die Steuer gefordert

130 n .Chr . hatte. Hadrian nannte die von ihm erbaute Stadt nach ſich und dem Jupiter Capitolinus
Tempel Aelia Capitolina im Jahre 130. Die Juden durften bei Todesſtrafe weder in der
Stadt noch deren Nähe wohnen , ja ſelbſt der Anblick der Stadt und die Annäherung in deren
Geſidytskreis blieb ihnen verboten .

Gößen - Tempel, Idole und deren Cultus entweihten die ehedem heilige , dem Dienſte des
Einen Gottes geweihte Stadt. Was war dieſen heidniſchen Bewohnern das ehemalige Jeruſalem,

ſie wußten nur von Hadria n’s Aelia Capitolina !

2. Capitel .

Intereſſe der Chriſten uw die heilige Stadt.

Nur den wenigen Chriſten , die ſich darin aufhielten, war die alte Stadt theuer und ver

ehrungswürdig und nur das Chriſtenthum erblickte in derſelben die heilige Stadt des geheiligten
Landes und verknüpfte deſſen erinnerungsvolle Vergangenheit mit der zukunftsreichen Gegen
wart . Wohin immer die Predigt des Evangelium drang, ſtreute ſie auch den Saamen zu jenen
Gefühlen aus, welche die Sehnſucht nach der Geburtsſtätte unſres Glaubens nährten und das
größte Glück den frommen Chriſten auf Erten darin finden ließen , dieſe geheiligten Stätten

beſuchen und verehren zu können .

1. Pilgerfahrten.
III. fabr Schon um das Jahr 250 nach Chriſti reiſte Alexander Biſdjof in Cappadocien nach
bundert.
Jeruſalem um zu beten und die Stätten zu beſuchen *) , ein Akt der Frömmigkeit, der damals
Um 315 tamen
laut Firmilians Brief an den heil. Cyprian nichts Ungewohntes mehr war.

bereits Chriſten von allen Enden der Welt der Andacht halber nach Jeruſalem **) . Dieſe trat
offen zu Tage, als Naiſer Conſtantin bald nach ſeiner Bekehrung auf Jeruſalem ſeine Aufmerk

**;) Euſeb. H E. VI. 11 .


** ) Euſeb. Demonſtr. Evangel. VI . 16 und VII . 4 .
Intereſſe der Chriſten um die heilige Stadt. 5

ſamkeit richtete und an den damaligen Biſchof zu Jeruſalem Mafarius den Auftrag ergehen ließ,

daſelbſt eine Kirche zu erbauen, welche an Pracht und Schönheit ebenſo alle andern übertreffen
ſollte, als ſie an Würde über alle erhaben war. Seine betagte Mutter Helena aber entſchloß

ſich in frommer Dankbarkeit für das Glück ihres Sohnes ohne Rückſicht auf die Laſt ihrer Jahre,

die heiligen Stätten Paläſtina’s ſelbſt zu beſuchen und an dem Orte anzubeten wo des Heilande 326 n . Chr .
Füſſe geſtanden , wie Euſebius ſagt. Sie wollte mit eigenen Augen jene Orte betrachten und Helena .
beſtimmen , in welcher Weiſe deren Andenken verewigt werden ſollte. Ihre Reiſe dahin war Anfang des
IV. Jahrh .
durch zahlloſe Akte wahrer chriſtlicher Liebe bezeichnet. Wo ſie immer durchzog, da wurde durch
ihre Güte für die Armen geſorgt , die Hungrigen wurden geſpeiſt, die Nackten bekleidet. Viele,
die ungerechter Weiſe in's Gefängniß geworfen worden , wurden in Freiheit geſetzt , andere aus
den Bergwerken befreit und viele Verbannte ihrer Heimath wieder gegeben . Bei ihrer Ankunft
in Paläſtina eilte ſie in die Umgebung Jeruſalems und ordnete, da Conſtantin das heil . Grab
bereits mit ſeinem herrlichen Bau geſchmückt hatte , für die Stätten der Geburt und Himmels
fahrt unſeres Herrn ähnliche Kirchen zu dauerndem Andenken an . Die Pilgerfahrt dieſer heiligen
Frau gab ein erfolgreiches Beiſpiel der Andacht und Frömmigkeit , welches in den Gemüthern
der Chriſten aller Zonen und Zeiten um ſo freudigere Nachahmung findet, je tiefer die Er

kenntniß in Völkern und Einzelnen wurzelt , daß Beſeligung und Friede Aller an jenen Stätten
der Erbarmung und Liebe Gottes gegen die Menſchen begründet worden . Und da nur ſelten

Lage und Beruf dem Einzelnen es ermöglichten , dem Drange ſeines Herzens durch eine Reiſe
und einen längeren Aufenthalt in dieſem geheiligten lande Folge zu leiſten , ſo betrachtete mit
Recht Federmann die wirkliche Ausführung dieſes frommen Wunſches für das größte Glück und
eine Wohlthat Gottes .

Unter den Erſten nun , welche auf dieſe Weiſe das hl. Land aufſuchten, war der berühmte
hl. Hieronymus. Seine Liebe zur Wiſſenſchaft und ſein ſcharfer Beobachtungsgeiſt machen ſeine S. Hieros
ny mus .
Pilgerfahrt für die Religion überhaupt höchſt werthvoll . Er wurde während ſeines langen
Aufenthaltes im heiligen Lande mit vielen Einzelnheiten bekannt , welche er jo fruchtbringend Mitte des
IV. Jahrh .
ſpäter auf die Erklärung der heiligen Schriften anwandte. Dieſer Heilige hatte zu Rom viel

Unbil von weniger hochgeſinnten und geiſtesſtarken Menſchen zu erdulden gehabt . Er ſuchte

darum Beruhigung und Troſt für ſein gedrücktes Gemüth an den geheiligten Orten Paläſtina's.
Bei ſeiner Ankunft in Syrien begann er jedoch zu zweifeln , ob er ſelbſt hier die ſo ſehnlich

geſuchte Ruhe finden könne. Einerſeits ließen ihn die im Orient ausgebrochenen Streitigkeiten
und Barteiungen nicht unberührt, andrerſeits beunruhigte ihn ſein eigener innerer Zuſtand. Er

fühlte ſich weniger geiſtig, weniger unirdiſch als in früheren Zeiten . Er ſuchte deßhalb eine

entfernte Einſamkeit auf und hörte nicht auf , zu beten und zu weinen , bis ſeine erneuerte Ge

müths- und Geiſteskraft ihn den Muth , nach Jeruſalem zurückzukehren , finden ließen . Hier

verkehrte er mit dem frommen Cyrillus, welcher damals Biſchof der Diözeſe war und erhielt
von ihm die Erlaubniß, zu Bethlehem ein Kloſter zu gründen , damit nach der Bilderſprache
6 Das heilige Land.

jener Zeit Joſeph und Maria, wenn ſie nach Bethlehem fämen , nicht wiederum eine Herberge

zu ihrer Aufnahme vermiſſen müßten .“ Dies Kloſter wurde die Zufluchtsſtätte von zahlreichen
Andächtigen und Hieronymus fühlte, daß der Einfluß des heiligen Ortes und ſeiner Umgebung
To günſtig auf das Wachsthum ſeiner eigenen Frömmigkeit wirke , daß er ſehnlicyſt wünſchte,
feine liebſten Freunde möchten Nom verlaſſen und ihre Wohnung im Heiligen Lande nehmen . *)
„ Wird jener Tag denn niemals kommen , ſagt er hierüber , an dem wir das Grab des

Erlöſers beſuchen und dort miteinander weinen ? und dann uns nahen dem Krcuze und den Del

berg beſteigen im Geiſt und Gedanken mit dem hinaufſteigenden Herrn ? der Tag , an welchem
wir den Lazarus hervorkommen ſehen, eingehüllt in die Grabgewänder , wo wir ſehen die durch
die Taufe Jeſu gereinigten Waſſer des Jordan ? an dem wir gehen zu den Hürden der Schäfer

und beten in dem Grabmal David's und lauſchen dem Propheten Amos, der die Hügel von den
Tönen feines Hirtenhornes widerhallen macht ? der Tag , an dem wir beſuchen gehen die Zelte
des Abraham , Sjaak und Jakob und wo wir ſehen die Quelle, in welder Philippus den Eunuchen

taufte ? An dem wir nach Samaria reiſen und mitten unter der Aſche Johannes des Täufers,
des Elias und Obadiah ung der Betrachtung hingeben ! An dem wir eintreten in die Höhle,
in welcher die Propheten zur Zeit der Verfolgung und Hungersnoth beſchützt und ernährt
wurden ? Ja ! wir wollen gehen nach Nazareth und, wie ſein Name ſagt, ſehen die Blume von
Galiläa . Nicht weit davon iſt Cana, in welchem das Waſſer in Wein verwandelt wurde. Und

wandern wollen wir zum Berge Tabor und zum Gezelt des Erlöſers ; ihn ſchauend , nicht wie
Petrus, mit Moſes und Elias , ſondern mit dem Vater und dem heiligen Geiſt. Von dort

können wir nac, Geneſaret reiſen und die vier- und fünftauſend Menſchen betracyten, welche in
der Wüſte mit den fünf und den ſieben Broden geſpeiſt wurden . Und aufſteigen wird vor unſrem
Blick das Thor von Naim , wo der Sohn der Wittwe dem Leben zurückgegeben ward . Der
Hermon wird unſer Nachdenken erregen und nicht minder der Strom von Endor , wo Siſera
überwältigt wurde . Rapharnaum , ſo vertraut mit den Wundern des Herrn, und ganz Galiläa
werden wir beſuchen und dann wollen wir , während Chriſtus uns begleitet , über Siloah und

Bethel zu unſerer Höhle zurücfehren und miteinander ſingen , beten , weinen und unausgeſetzt

rufen mit der Braut im Hohenliede : Id, habe Ihn gefunden, den meine Seele ſuchte ; ich will
Ihn halten und nicht mehr von mir laſſen ."
Mit ſolchen Gefühlen beſchaute Hieronymus dieſe heiligen Orte, geheiligt für den Glauben

durch die Werke der göttlichen Vorſehung und durch die Gegenwart des Erlöſers der Menſchheit.
Melania Nidt lange nadıdem dieſer Brief geſchrieben worden war, folgte Paula , eine reiche und
u. Þaula.
vornehme römiſche Dame, niedergebeugt über den Verluſt ihres Gatten , dem Rathe des Heil .
Ende des Hieronymus und fchiffte ſich nach Paläſtina im Jahre 385 ein . Ihr Vorbild war die ältere
IV. Jahrh .
Melania, welche nach dem frühen Tode ihres Mannes und zweier Söhne ſchon im Winter des

*) Stebbing the Christian in Palästina.


Intereſſe der Chriſten um die heilige Stadt. 7

Jahres 371 über Alexandrien nach Paläſtina reiſte. In Alerandrien traf ſie noch den großen
Athanaſius am Leben , der den 2. Mai 373 ſtarb. Sie gründete zu Jeruſalem ein Kloſter für

50 Jungfrauen. Sie gab den nach den hl. Orten Pilgernden gaſtfreie Herberge und über

ſchüttete die Umgegend mit Wohlthaten . Jährlich ſchickte ihr Sohn von Rom neue Summen
Geldes, welche ſie an Kirchen, Klöſter und Arme vertheilte . *)

Die Erzählung der Reiſe Paula's liefert einen intereſſanten Beweis , welche Geduld und
welcher Muth zu ſolchem Unternehmen gegen Ende des IV . Jahrhunderts erforderlich war . Die
Länge des Weges ward kaum beachtet bei dem anziehenden Wechſel zahlreicher Denkmäler des

chriſtlichen Glaubens, da jede Inſel, jede Stadt und Provinz , durcy weld e der Pilger zog , an

die Leiden und Triumphe eines ehrwürdigen Zeugen für die Kraft des Evangelium erinnerte.
Audy ſicherte von vorneherein die Abſicht des Neiſenden , das hl . land zu beſudjen , demſelben
die Sympathie und Gaſtfreundſchaft aller Chriſten . Die Sorge für den Pilger galt natürlich
als ein Werk der Frömmigkeit und der eigenen Verehrung gegen den Heiland. An den Kirchen
waren eigene Gebäude zur Unterkunft der Pilger und deren Verſorgung in ähnlicher Weiſe
angebracht, welche Paulinus zu Nola für ſeine Wallfahrer und Pammachius in Portus Romanus

zur Aufnahme der Pilger beobachtet haben . Auch war einem Diakon die Objorge für den Unter

halt der Pilger anvertraut. Wo aber all das nicyt thunlich war, da war in mand einſamer
Hütte am Wege Brod und Waſſer, woraus gewöhnlich das einfache Mahl des Wanderers
beſtand, und ein Strohbett hergerichtet, damit er nicht der Nadyt preisgegeben wäre . Der Weg

aber, welchen die Pilger jener Tage einſchlugen, iſt in der Beſdyreibung der Reiſe Paula's von
Italien nach Paläſtina deutlich bezeichnet. **) In Paläſtina angelangt gieng ſie von Berythus
und Sidon nach Sarepta ; von da nach Tyrus und Ptolemais oder Acre . Sie durdywanderte
die Gefilde von Megiddo ,, auf denen das Andenken an den Tod des Joſias liegt“ und trat in
das Land der Philiſtäer . Dann bewunderte ſie die Ruinen von Dor , einer ehedem mädytigen

Stadt und gelangte nach Cäſarea , wo ſie des Cornelius Haus als Kirche Chriſti ſah und die
Wohnung des Philippus. Sie fam darauf nach Antipatris einer halbverfallenen Stadt , welche
Herodes nach ſeines Vaters Namen benannt hatte und nadı Lyydda, berühmt durch die Auf
erweckung der Dorfas und die Heilung des Aeneas. Unweit davon ſah ſie Arimathea , die
Ortſchaft des Joſeph , der den Herrn beſtattete und die chemalige Prieſterſtadt Nobe, jetzt die
Begräbnißſtätte von Erſchlagenen. Audy Joppe lernte ſie kennen , den Hafen des fliehenden

Jonas. Sie gelangte nach Nicoplis, ehedem Emaus genannt , woſelbſt der Herr am Brodbrechen
erkannt wurde. Von hier ſtieg ſie zu dem oberen und unterem Bethoron , zwei von Salomon

erbauten , durch die Stürme des Krieges aber ſpäter zerſtörten Städten , wovon zur Rechten
Haialon und Gabaon zu ſehen ſind, wo ſie etwas verweilend der Sünde dieſer bis auf den

*) Ad Buſe Paulin v . Nola und ſeine Zeit. 1 299.


**) Epitaphium Paulae in Epist. S. Hieronymi ad Eustochium .
8 Das heilige Land.

Grund zerſtörten Stadt gedachte. Nachdem ſie das Grabmal der Helena zur Linfen gelaſſen
betrat ſie endlich Jeruſalem, dieſe Stadt mit drei Namen : Jebus, Salem und Jeruſalem , nach
der Wiedererbauung durch Hadrian als Aelia bekannt.

Als der Proconſul von Paläſtina, welcher mit der Familie der Paula genau bekannt war,
für dieſelbe durch vorausgeſchickte Diener den Palaſt zum Aufenthalte bereiten ließ , wählte ſie
ſich eine beſcheidene Zelle und beſuchte alle Stätten mit einer Andacht und einem Eifer, daß ſie
ſchon von den erſten kaum ſich trennen konnte, um zu den übrigen zu eilen . Hingeſtreckt vor
dem Kreuze betete ſie an , als ſähe ſie den Herrn daran hängen . Sie trat in das Grab und
küßte den Stein der Auferſtehung, welchen der Engel vom Eingange des Grabes weggewälzt
hatte. Auch berührte ſie mit gläubigem Munde den Ort wo des Herrn Leib gelegen. Was ſie
hier an Thränen , Seufzern und Klagen ausgegoſjen , deß' iſt Zeuge Jeruſalem , iſt Zeuge der
Heiland, zu dem ſie betete.
Von hier beſtieg ſie den Berg Sion , deſſen Stadt einſt David eroberte und neu her

Ifaia8 29.1. ſtellte. Von ihrer Zerſtörung wird geſagt : Wehe, Wehe dir Ariel " ! und von deren Erbauung
die Worte des Bjalmiſten : der Herr liebt die Thore Sion's über alle Wohnungen Jacob's .
Nicht von dieſen Thoren , die wir heutzutage in Staub und Aſche zerfallen erbligen , iſt

dies geſprochen, ſondern von jenen Pforten, welche der Satan nicht überwältigt und durch welche
die Gemeinde der Gläubigen zu Chriſtus eingeht . Es wurde ihr auch jene von des Heilands
Blut beſprigte Säule gezeigt , an welcher die Geißlung ſtattgefunden . Dann wurde ſie an den

Ort geführt, wo nach Joel's Weiſſagung der hl. Geiſt über die Gläubigen herniederſtieg .
Nachdem ſie als Ausdruck ihrer wahren Andacht und liebe den Armen und Bedürftigen

jeder Art nach ihren Mitteln Unterſtüßung geleiſtet , pilgerte ſie nach Bethlehem . Gleich zur
Rechten des Weges verweilte ſie am Grabe Rachel's und betrat dann das Städtchen Bethlehem .
Sie gieng zu der Höhle , in welcher der Heiland geboren wurde und ſie ſah im Glauben wie
mit leiblichen Augen die Krippe und das in linnen eingehüllte göttliche Kind, die anbetenden
Weiſen und den von oben herniederglänzenden Stern , ſie ſah die jungfräuliche Mutter und die
zur Nachtzeit herbeifommenden Hirten, um das fleiſchgewordene Wort anzubeten . Sie rief unter
Freuden -Thränen : Sei gegrüßt Bethlehem ! wo geboren iſt jenes Brob , das vom Himmel hers
niederkam ! Von dir prophezeite Michäas: Du Bethlehem biſt nicht die geringſte Stadt unter

Tauſenden Juda’8 ! Aus dir wird der Fürſt von Iſrael hervorgehen und ſein Ausgang iſt von
den Tagen der Ewigkeit ! Hier ſei meine Ruhe an der Geburtsſtätte meines Herrn ! Hier mag
ich elende Sünderin das Glück genießen , zu beten und ineinem Herrn die Leuchte zu bereiten !
Hier will ich wohnen , weil der Erlöſer dieſen Ort ſich erwählte ! Nach Vollendung ihrer aus
gezeichneten Pilgerfahrt kehrte ſie auch bei dieſer Höhle zum bleibenden Aufenthalte ein und ver

lebte 3 Jahre daſelbſt in ihrer engen Zelle in Andacht, Abtödtung und Barmherzigkeit gegen
Nothleidende, da ſie in den Armen ihren armen Heiland erkannte, dem ſie alles ſchulde, was ſie
beſige. Von ihr gieng kein Bedürftiger leer hinweg . Sie errichtete auch für die verſchiedenen
Intereſſe der Chriſten um die heilige Stadt. 9

Pilger Herbergen an der Straſſe, um ihnen Obdach und Ruheſtätten auf der mühſamen Reiſe
zu verſchaffen .

Wie ſolche wohlthätigen Einrichtungen wahrhaft mütterlicher Fürſorge von großer Be


deutung und heilſamer Nachwirkung für die frommen Beſucher des Heiligen Landes geweſen ,

was die körperliche Pflege und Erleichterung der Reiſe anlangt, ſo fonnte das Beiſpiel der An

bacht und ächt chriſtlichen Geſinnung auf Umgebung und Nachfolge nur hebend und fördernd wirken .
Wie Melania und Paula pilgern viele Fromme aus dem Frauengeſchlechte nach Jeruſalem,

die jüngere Melania zieht ſelbſt die Kaiſerin Eudoria zu einem Befuche der heiligen Stadt nach Bilger
fahrten
ſich ; wie Hieronymus verlangt auch der heilige Paulinus von Nola an den geheiligten Stätten im V.
Sahrh .
betrachten und bußfertig leben zn können .
Poſthumian war aus dein entlegenen Gallien um das Jahr 395 in das heilige Land

gepilgert und hier mit dem heiligen Hieronymus zuſammengetroffen . Aus allen Ländern kamen
Andächtige nach Jeruſalem . Dieſe Wallfahrten nahmen um dieſe Zeit bereits dergeſtalt zu , daß
Hieronymus bei dem Zuſammenfluß der Fremden gar oft ſeine Zelle zuſchließen mußte , wenn
er ſeine eregetiſchen Studien fortſegen wollte und auf den erwähnten Wunſch des heiligen Paulin
von Nola antworten konnte : Aus der ganzen Welt läuft man hier zuſammen . Die Stadt iſt

von allerlei Menſden voll und ein ſolches Gedränge von Leuten beiderlei Geſchlechts , daß was
Du anderwärts zur Hälfte geflohen haſt, Du hier ganz zu ertragen genöthigt wirſt. Uebrigens ,
fügt er hinzu, würden ja die einzelnen Gläubigen nicht nach der Verſchiedenheit der Orte, ſondern

nach dem Verdienſt des Glaubens gewogen und es ſtehe von Jeruſalem ebenſowohl als von
Britannien der Weg zum himmliſchen Palaſte offen ; denn das Reich Gottes ſei in uns. " In
ähnlicher Weiſe ſchreibt um dieſelbe Zeit auch Gregor von Nyſſa an einen Mönch , der dieſelbe
Abſicht hegte, wie Baulinus.

2. Bedeutung dieſer Wallfahrten .

Ergiebt ſich daraus einerſeits die Einſicht in das allerwärts herrſchende Verlangen,

Jeruſalem und die heiligen Orte beſuchen und daſelbſt in Zurückgezogenheit nur dem Heile der
Seele leben zu können , ſo erhellt andrerſeits doch zugleich, mit welcher Klarheit die geiſtige,

ſittliche Wirkung ſolcher an ſich frommer Unternehmungen von den Vätern der Kirche betont
und aufrecht erhalten wurde. Es konnte nämlich nach der Natur aller menſchlichen Dinge auch

hier nicht an einſeitigen Auffaſſungen und Untermiſchung unheiliger Motive fehlen ; dieſe Pilger
fahrten nahmen nach Maaßgabe des ſittlichen Zuſtandes der Einzelnen auch einen verſchiedenen
Charakter an . Der geiſtig geläuterte Chriſt wallfahrtete wie Hieronymus, Melania und Baula ;

Liebe, Dankbarkeit und reine Herzensandacht waren die Triebfedern . Der kaum der Sünde

Entronnene oder noch in deren Folgen theilweiſe Verſtridte wird wieder in andrer Gemüths

Verfaſſung dieſe Stätten aufſuchen ! Der äußerliche Menſch wird auch hier mit dem Neußer

lichen ſich begnügen und ebenſo ungeiſtig heimkehren , als er abgereiſt iſt. Kurz den Tauſend
2 1
10 Das heilige land .

und aber Tauſend Abſtufungen und Schattirungen der ſittlichen Beſchaffenheit der Wallfahrer

entſprach nothwendig auch der Charakter ihrer Reiſe und deren Bedeutung .

3. Allgemeine Verbreitung . Betheiligung der Deutſchen.

A18 unſre Vorahnen zum Chriſtenthume bekehrt waren, betheiligten auch ſie ſich an ſolchen
Pilgerfahrten in das gelobte Land, denn mit dem Evangelium erwachte auch bald die Sehnſucht
in den Gemüthern, die Heimath dieſer Thaten ſehen und dort danken zu können . Von germa
niſchen Pilgern, beſonders aus dem Reiche der Franken , die nad) Jeruſalem zogen , wird in den

Geſchichtsbüchern des VI. und VII. Jahrhunderts häufig erzählt , ſowie von der Sorgfalt in
Pflege und gaſtfreundlicher Aufnahme ſolcher Wallfahrer. *) Je unwirthſamer die Gegend erſchien,
deſto nothwendiger war die Errichtung ron Herbergen. Auf der Spitze ſteiler Berge oder an

Ufern von Flüſſen, über welche keine Brücke führte, fanden ſich Häuſer zur Aufnahme der Pilger,
VI. Jahrh. deren Erhaltung ſich die Fürſten des Abendlandes angelegen ſein ließen . Den ſeit dem VI.
Jahrhundert durch das ganze chriſtliche Europa verbreiteten Klöſtern war die Gaſtfreundlichkeit
heilig und gebotene Pflicht. Papſt Gregor der Große fandte den Abt Probus mit vielem Gelde

nach Jeruſalem, wo derſelbe dann ein prächtiges Hoſpital erbaute. Auch pflegten nadı den Bei
ſpielen des heiligen Hieronymus, Melania's , Paula's die Vermöglichen in dem heiligen Lande

ein Andenken zurückzulaſſen , indem ſie Klöſter daſelbſt gründeten und thunlichſt Sorge trugen ,
daß die Pilger ihr Ziel erreichen konnten . Es läßt ſich begreifen , daß die in ihr Vaterland
Zurückgekehrten durch die Mittheilung ihrer Erlebniſſe und empfangenen Eindrücke bei den Ihrigen
die gleiche Begeiſterung weckten und von Jung und Alt bewundert wurden.

4. Erinnerungszeichen an die Pilgerfahrt oder Reliquie n .

Wie glüdlid fühlten ſich ſolche, welche aus den Händen des Pilger8 ein Andenken ſeiner

Wallfahrt empfangen konnten , um ſo glücklidyer , wenn dasſelbe in einer durch des Heilands

Leben und Leiden geheiligten Reliquie beſtand . Hatte ja ſchon Paulin von Nola um das Jahr
398 durch die erwähnte Melania einen kleinen Theil vom heiligen Kreuze zum Andenken ihrer
Pilger- Neiſe erhalten , den er auf's innigſte verehrend bei ſich trug und ein Segment davon in
goldener Einfaſſung an ſeinen Freund Severus ſandte . Melania hatte dieſe koſtbare Reliquie

von Johannes Biſchof von Jeruſalem zum Geſchenke erhalten. Wie hierüber Paulinus ſich aus
brückt, ſo redet auch der Biſchof Avitus von Vienne von einer gleichfalls vom Biſchof zu Jeru

ſalem im VI . Jahrhundert erhaltenen Kreuz - Partikel . Die Chriſten betrachteten es als eine

beſondere Gnade , auch nur das kleinſte Theilchen des Heiligen Kreuzes beſigen und tragen zu
können . Man faßte dieſe Stüdchen in Ringe , wie die Schweſter Gregor's von Nyiſa , die

heilige Macrina oder in Kreuze , wie der Confeſſor Magnus und trug ſie zum Schuße gegen
Leibliche und geiſtige Gefahren am Halſe , worüber Paulinus , Chryſoſtomus und Gregor von

* ) Wilken Geſchichte der Kreuzzüge. I. 8.


Intereſſe der Chriſten um die heilige Stadt . 11

Nyſſa ausführlich berichten. Wer nun nicht im Stande war , ein derartig koſtbares Erinner
ungszeichen ſich zu verſchaffen, der mochte ſich mit geringeren begnügen und den Seinigen immer
hin nach Maaßgabe des ihm geſchenkten Glaubens und Vertrauens das Werthvollſte mitgebracht

haben, was Anderen eben ſchlechthin unerreichbar war. Gegenſtände mit den heiligen Stellen
in Berührung zu bringen, mag wohl jedem gelungen ſein , der darauf bedacht war , auch ein

ſichtbares Zeichen der Erinnerung an die betretenen und verehrten heiligen Orte mit ſich in das
Vaterland zu nehmen , um dadurch ſich und Anderen leichter Empfindungen der Andacht und

Liebe wach zu rufen . Audy iſt erklärlich , daß in der Folge Eigennutz und Schlechtigkeit mit
folchen Gegenſtänden aus dem heiligen Lande Mißbrauch und ſelbſt groben Betrug getrieben
und bei Leichtgläubigen immerhin günſtige Aufnahme gefunden haben .

5. Rirchliche Auffaſſung derſelben .

So wenig aber jemals unter den religiöſen Pflichten eines Chriſten eine Pilgerreiſe nach
Jeruſalem verzeichnet ſtand , ebenſo wenig ward jemals von der Kirche auf den Beſitz oder die
Erlangung berartiger Reliquien ein Gewicht gelegt , als wären dieſelben irgend zum Heile der

Seelen nothwendig oder mehr als bloße Erinnerungszeichen erfahrener Erbarmungen Gottes.
Gewiß aber dienten ſie mit, um die Pietät gegen die heiligen Orte auch in der Ferne unter den
mit Chriſtus vereinten Gläubigen zu verbreiten und zu erhöhen . Man nahm aus atl' dieſen

Rückſichten lebendigen Antheil an einer ſolchen Wallfahrt und rechnete es ſich zur Freude und
zum Ruhne, das Seinige beigetragen zu haben , daß ein Glied der eigenen Gemeinde dieſen
ſchönen Weg vollenden konnte. Ehe der Pilger die Heimath verließ , bekleidete denſelben der
Prieſter mit dem Pilgergewand und gab ihm den Stab in die Hände , welcher durch Gebet

geſegnet war und die beſchwerliche Reiſe unterſtüßen ſollte. Die Pfarrgemeinde vereinte ihre
Segenswünſche mit dem Segen des Prieſters und pflegte den Pilger bis zur erſten Station
ſeiner Reiſe zu begleiten, wo man in Rührung Abſchied nahm . Aehnliche Zeichen der Ehre und

Theilnahme wurden dem Zurückkehrenden gebracht. Der Palmzweig , welchen er von jenen
fernen Gegenden göttlichen Segens mit ſich brachte, wurde mit frommer Verwunderung und

Dankbarkeit gegen Gott betrachtet und deß zum Zeichen auf dem Altare niedergelegt.

6. Handel.

Mit dem Drange der Abendländer, in das ferne geheiligte land zu ziehen , hatte ſich
bereits ſeit dem VI . Jahrhundert auch der Handelsgeiſt der Küſtenländer verbunden , um
den zauberiſchen Orient in immer nähere Beziehung zum Abendland zu bringen und deſſen Koſt
barkeiten dem lekteren zuzuführen . Zahlreiche Flotten liefen von den Häfen des mittelländiſchen
Meeres aus , die nach Alexandria , Beyrut oder entferntere Stapelpläße des Orient beſtimmt
waren . Rauffahrer von Marſeille holten von der Fyriſchen Küſte und von Alexandrien Papier,
Del, Seidenwaaren und Specereien , welche aus dem Innern des Morgenlandes nach dieſen
Handelspläßen gebracht wurden . An dem Hofe des Königs Guntram von Burgundien liebte
2*
12 Das heilige land.

man den Wein von Gaza in Syrien als das föſtlichſte Getränk. Bald galt in den Augen dieſer
Völker nichts mehr für werthvoll , wenn es nicht aus dem Morgenlande fam . Die morgen
ländiſchen Raufleute kamen nach Spanien und Frankreich, ihre Schäße feil zu bieten . So ward

ein allgemeines Intereſſe an dem Morgenlande genommen : ſei es um ſeiner Heiligthümer ſei
es um ſeiner anlockenden Produkte willen . Der Verkehr war hergeſtellt und durch die Fahrten
der Handelsleute jedenfalls den Pilgern der Zutritt in’s heilige Land erleichtert und bei der

idon erwähnten Vorſorge in deinſelben auch für den Armen bewerkſtelligt. Würde dieſer rege

Verkehr und der Zuſtand des friedlichen Beſuches und Aufenthaltes fortgedauert haben , ſo würde
Jeruſalem und ſeine Umgegend gar bald von Chriſten aus allen Ländern Europas bevölkert
worden ſein .

7. Die Ar aber unter Mohammed .

Da erhob ſich aber am Anfange des VII. Jahrhunderts eine Macht, ſtärker als die
irgend eines damaligen Reiches im Weſten oder Oſten und bildete ſidy zu einer Geißel der
Anno 609. Chriſten aus . Mohammed ſtand auf und lehrte , er ſei der letzte und größte Prophet , größer
als alle Geſandten Gottes, die ſeit Adam bis auf Jeſus den Meſſias im jüdiſchen Volke erſchienen ;

alle Menſchen müßten ſich auf die Weiſe dem einzigen Gotte weihen , welche er lehre . Durch
ihn offenbare fich unverfälſcht das Licht, welches der Stammvater der Araber 38mael von ſeinem

Vater Abraham erhalten und das bis jetzt bei ſeinem Volke im Dunkel verborgen geweſen ſei.
Er beanſpruchte aber außer dem heiligen Mekka auch die heiligen Stätten in Paläſtina für
ſeinen Cultus und der ſiegreiche Omar entriß im Jahre 637 Jeruſalem für immer dem oſtrö

miſchen Reiche, welchem Heraklius kurz zuvor dasſelbe von den Perſern glorreich zurüderobert

hatte . Omar nannte die Stadt : „ Haus des Heiligthums“, da ſie der Schauplatz von Ereigniſſen
ſei , welche den Mohammedanern gleichfalls theuer und bedeutungsvoll ſeien. Den Chriſten
wurden zwar jetzt noch billige Bedingungen geſtellt; ſie durften nach wie vor ihre Gebräuche
an den Heiligen Orten üben , ſich in ihren Kirchen verſammeln und den Gottesdienſt wie ehedem
begehen ; nur das Geläute der Glocken und die Errichtung eines Kreuzes auf ihren Kirchen war
ihnen verboten ; aber es ſollte gar bald klar werden, von weſſen Gnade nunmehr die Sache der

Anno 800. Chriſten abhängig geworden. Bis zur Regierung des berühinten Harun al Raſchid hatten ſich
die Eroberer jede Tyrannei und Demüthigung gegen die Chriſten erlaubt . Wenn ſie in Andacht

vor dem heiligen Kreuze beteten , erfuhren ſie Drohungen und kränkenden Spott ; vom heiligen

Grabe und Sion wurden ſie mit brutaler Gewalt hinweggetrieben , als wenn gerade ſie jene
Orte verunreinigten , an welchen ſie doch mit einem ſo lebendigen Gefühle von Wehmuth und
Freude betend verweilten.

8. Erleichterung zur Zeit Karl des Großen .

Erſt der genannte viel gefeierte Chalife erſparte den Chriſten ſolche Kränkung und
Bedrückung. Sein Zeitgenoſſe im Abendlande Karl der Große übte ſeine Macht bis über die
Intereſſe der Chriſten um die heilige Stadt. 13

Grenzen ſeines ungeheuren Reiches aus und erleichterte in Uebereinſtimmung mit Harun al

Raſchid das Schickſal der Chriſten im Morgenlande. Der edle Chalif überſandte an den mäch

tigen Kaiſer nebſt koſtbaren Geſchenken auch die Schlüſſel des Heiligen Grabes nach Aachen. Kart Anno 807 .
und ſeine Nachfolger überſchickten große Geldſpenden an die Chriſten in Jeruſalem , gründeten

ein ausgedehntes Hospiz zur Aufnahme der abendländiſchen Pilger, in welchem für alle Bedürf
niffe zureichend geſorgt war. Vor dem X. Jahrhundert beſtand dies Hoſpiz der lateiniſchen

Bilger" au8 12 Häuſern und beſaß ſchöne Weinberge und Gärten , die ſich im Thale Joſaphat
ausdehnten . Auch war eine Bibliothek baſelbſt angelegt, für die Abendländer in dieſem fremden

Lande von größter Bedeutung. So war die Hemmung, welche die Begeiſterung jener erlitten
hatte , welche die Geburtsſtätte ihres Glaubens beſuchen wollten , nunmehr beinahe gänzlich auf
gehoben und ein faſt hundert Jahre andauernder geſicherter Zuſtand hergeſtellt. Mit Freude

und leichtem Herzen pilgerten denn auch jetzt die Abendländer nach dem heiligen Lande. Bijchöfe Anno 787.

ahmten des heiligen Willibald von Eichſtädt Beiſpiel nach, der mit 7 Gefährten in Fahre 786
1
ganz Syrien durchreiſt und viermal Jeruſalem beſucht hatte. Clerus und laien aus hohen

und niederen Ständen betheiligten ſich an folchen Reiſen nach Jeruſalem , bis durch den

Verfall des Chalifats und die Schwäche der Nachfolger Karl'8 des Großen neue Gefähr- Anno 969.
bungen eintraten .

9. Neue Bedrüdungen und Verfolgungen.

Die Fatimiten bemächtigten ſich Jeruſalem's zuerſt unter Moez im Jahre 969 , welcher
nach Muſſur ( Kairo) ſeine Reſidenz verlegte. Die Klagen der Chriſten über die abermals ver
hängten Bedrückungen der neuen Gewalthaber , welche ſich keineswegs an die Verträge hielten,

welche Omar aus dem Hauſe Ommajah mit den Chriſten zu Jeruſalem geſchloſſen hatte, drangen

zu den Brüdern im Abendland und Papſt Sylveſter II. forderte zur Unterſtüßung der bedrängten
Schweſterkirche im Morgenlande dringend auf. Die Piſaner , welche neben den Venezianern
nach dem Morgenlande handelten , ließen ſich bewegen , Schiffe auszurüſten , mit welchen ſie die
afrikaniſche Küſte beunruhigten . Von jetzt an trat die Verpflichtung der abendländiſchen Fürſten,

für die Herſtellung von Drdnung und Sicherheit bei dem Beſuche des heiligen Landes zu ſorgen
bereits mit dem Gedanken in Verbindung, den Ungläubigen die heiligen Stätten völlig zu ent

reißen und den Chriſten zurückzuſtellen. Doch zog ſich das Aufgreifen dieſes Gedankens um

ſo leichter in die Länge , da die ägyptiſchen Chalifen aus den Pilgerfahrten der Chriſten durch
Auferlegung von Abgaben mannigfacher Art Nugen zu ziehen wußten und überhaupt in den
Chriſten Verbündete gegen ihre Feinde erhalten zu können hofften . Die heldenmüthigen Ver

ſuche des Kaiſers Nifephorus und deſſen Nachfolgers Zimiscez waren bei der Unfähigkeit der
folgenden Kaiſer des Oſtens, das glorreich Errungene feſtzuhalten und fortzuführen , leider

nur dazu geeignet geweſen , den Haß gegen die Chriſten zu vermehren und deren Vortheile
herabzudrücken.
4
14 Das heilige Land.

10. Verwüſtung der heiligen Stätten unter Hakem 1010.

Doch wäre unter den Chalifen aus dem Geſchlechte der Fatimiten das loos der Chriſten

ziemlich erträglich geweſen , wenn nicht der Chalife Hakem im Jahre 1010 mit Einem Male
gegen dieſelben einen vernichtenden Haß geſchöpft und die Kirche der Auferſtehung mit vielen

andern im gelobten Lande zerſtört hätte . Er fügte den Pilgern Schmach und Kränkung zu , ſo
daß die nach Hauſe gelangenden Abendländer mit dieſer Botſchaft allenthalben Schmerz und
Erbitterung verbreiteten .
In den finſteren Plänen religiöſen Fanatismus' unterſtüşten ihn zum Unglücke der Chriſten

viele Feinde derſelben , die Schonung wie Treue und Recht bei Seite ſetzend nur die Vernich
tung des Chriſtenthums im Morgenlande verfolgten . Von ſolchen böswilligen Menſchen wurde

einſt ein todter Hund in den Hof der Hauptmoſdhee geworfen. *) Dieſe Beleidigung ward

ſogleich den Chriſten zur Laſt gelegt und Hakem verlor keine Zeit , die Stimmung zu benützen
und das vorgebliche Verbrechen durd, die Niedermezlung der verehrteſten Häupter der Chriſten
zu rächen. Wäre nicht ein edelgeſinnter junger Mann bereit geweſen , ſich für ihre Rettung zu
opfern, ſo würde die Verfolgung ohne Zweifel wohl ſo lange fortgedauert haben , als noch ein
Chriſt in Paläſtina übrig geweſen wäre . Dieſer Edle ſeines Volkes aber eilte zum Tribunal

und rief dem Richter zu , ihn allein als den Urheber jenes Schimpfes zu betrachten , welcher der

Heiligkeit der Moſchee angethan worden war . Sein vermeintliches Bekenntniß wurde ange
nommen und er übergab ſich ſogleich den Händen des Scharfrichters , welchem befohlen worden,
ihn ben heftigſten Torturen zu unterwerfen , welche Kunſt und Uebung nur immer einem Men
ſchen anzuthun vermöchten. Dieſen Vorfall hat der Sänger des befreiten Jeruſalems modifizirt
und zur Grundlage einer der ergreifendſten Epiſoden ſeines Epos genommen . Nach Taſſo's

Verſion beſtand die Beleidigung darin , daß die Chriſten einen fühnen Plan erſonnen und aus

geführt haben, ein heiliges Bild wieder zu gewinnen , welches von ihrem Altare, um dasſelbe in
der Moſchee der Ungläubigen aufzuſtellen , geraubt worden war. Sophronia , ein ſchönes chriſt

liches Mädchen, hörte von dem gegen ihr Volk verkündeten Befehle und klagte ſich ſogleich

jenes Verbrechen8 an . Sie war bereits an den Pfahl gebunden , als Olindo, ein Jüngling, der
ſie längſt geliebt aber noch nie gewagt hatte , ihr ſeine Liebe zu geſtehen , ſich aus der Menge
hervordrängt und ſich ſelbſt ſo überzeugend anklagt, daß der Richter erklärte, er ſei nun von der
Schuld beider überzeugt. Statt daher Sophronia zu befreien , wurde dem unglücklichen Olindo

nur erlaubt, ihre Qual zu theilen . Er wurde an denſelben Pfahl gebunden . Während nun die

Vorbereitungen , den Scheiterhaufen anzuzünden, getroffen werden, läßt er ſeiner Wehklage , daß
ein ſolches Geſchick einer ſo tiefen und treuen Liebe zu Theil werden ſolle, freien Lauf. Sophronia

aber ſtandhafter als er, ſucht mit freundlichem Verweiſe ſeine Gedanken auf ein anderes Ziel
zu lenken :

*) Stebbing c. I.
Intereſſe der Chriſten um die Heilige Stadt. 15

„ Weit andre Klagen , Freund , heiſcht dieſe Stunde ,


Die Gott zu unſrer Prüfung hat geſandt ;

Ein Reugebet laß' ſtrömen aus dem Munde ,


Der ſtets des Chriſten Hoffnung hat bekannt ;

Sie fühlt allein der Feuerzungen Wunde ,


Daß Balſam wird , was Feuer iſt genannt .

O ſieh' im Abendlicht die Sonne ſcheiden ;


Es iſt das Morgenroth der ew'gen Freuden !

*
Die Heiden ſelber mußten laut hier weinen ,
Es weint der Chriſt mit unterdrücktem Schmerz;

Dem Richter ſelbſt wagt Mitleid zu erſcheinen


Und ſteigt mit ſanftem Tritte in ſein Herz ;

Er fühlt mit Schaam , wie beide ſo ſich einen ,


Daß weich ſchon wird des Buſens faltes Erz
Er flieht! nur Du Sophronia willſt nicht klagen ,
Willſt thränenlos und ſtill bein Loos ertragen !

Plötzlich erſcheint ein gewaltiger Kämpe, auf deſſen Verwendung der Tyrann Verzeihung
gewährt; worauf zur größten Freude der Menge beide Opfer losgebunden und in Freiheit
geſegt werden .

,, So wurden ſie befreit ; mit welcher Wonne


Hat nun beglüct Dlindo Dich Dein loos ;
Sophronien's Roth verräth der Liebe Sonne ,
Die auf jetzt ſteigt aus bitterin Meeresſchooß.
Vom Pfahl herab eilſt Du zur ſchönſten Krone,
Sie winkt der Liebe , nidyt dem Muthe bloß
Dort am Altar – Sophronia will nur leben
Ihm , der für ſie dem Tod ſich hingegeben .
Gej. II . 36, 37, 53.

Der Sache der Chriſten gereichte jedoch dieſe Verfolgung zuletzt zu nicht geringem Vor
theil und es wird begreiflich, warum Hakem noch gegen Ende ſeines Lebens ſeine Befehle gegen
die Chriſten zurücknahm und den Wiederaufbau ihrer Kirchen geſtattete.

11. Theilnahme des chriſtlichen Abendlandes .

Es ward nämlich die allgemeine Aufmerkſamkeit des Abendlandes auf den Zuſtand der
Dinge im Oſten gelenkt und während fromme Gläubige in jedem Lande Europa’s das Unglüc
ihrer Brüder in Jeruſalem beweinten , fühlten mächtige Monarchen ihren Geiſt von dem edlen
16
Das heilige Land.

Verlangen mehr und mehr getrieben , eine Herrſchaft zu überwältigen , welche der Civiliſation
wie der Religion und Menſchlichkeit in gleichem Grade hinderlich war. Mit der vermehrten
Gefahr, das heilige land zu bereiſen , wuchs auch bei fühnen Naturen jener Zeit das Verlangen

darnach und die Hoffnung, den verlornen Frieden des Gewiſſens durch Ueberſtehung aller
Drangſale und Beſchwerden wieder zu gewinnen . Es wird von einem Grafen von Anjou erzählt,
derſelbe habe , nadıdem er ſein Weib ermordet hatte , keine Ruhe wieder finden können , bis er
zur Pilgerfahrt ſich entſchloß. Stürme verfolgten ihn auf ſeiner Reiſe und vermehrten die
Schrecken ſeines ſchuldbeladenen Gewiſſens ; die Opfer ſeiner Grauſamkeit erſdienen wie bewaffnet

zu ſeinem Untergange und er erwartete jeden Augenblick von der Rache des Himmels vernichtet

zu werden . Endlich erreichte er Jeruſalem . Die Hoffnung auf Gnade lebte wieder auf und er
durchſdhritt die Straßen mit einem Strick um den Hals und rief , während er ſeinen Dienern
ihn zu geißeln befahl, „ Herr ! Herr ! Habe Mitleid mit mir, einem elenden und freuloſen Chriſten,
der aus weiter Ferne von ſeinem Heimatlyland hierher gewandert iſt, um Deine Verzeihung
zu ſuchen . " Aehnliches wird von Frontmont, einem Edelmanne aus der Bretagne , zur Zeit des

Königs Lothar erzählt . Er hatte ſeinen Onkel und einen ſeiner Brüder ermordet. Dem blutigen

Verbrechen folgte bald die Reue und Frontmont zeigte ſich im Gewand eines Büßers vor
dem Könige , der von ſeinem ganzen Hofe umgeben war . Auf den Rath ſeiner Ebeln und der

ihn umgebenden Prälaten ließ Lothar den Sünder mit Ketten feſſeln und befahl ihm , ſogleich
nach dem heiligen Lande zu ziehen . Der Edelmann gehorcyte dem Befehle und zog nach einem

längeren Aufenthalte in Jeruſalem durch die einſamſten Gegenden der benachbarten Länder. Zur.
Zeit des Papſtes Benedikt III . kehrte er nach Europa zurück . Dieſer Papſt aber wies ihn an,

ſeine Bußfahrt fortzuſeţen und eine zweite Pilgerreiſe zu machen. Er folgte dieſer Weiſung ,
durchzog Syrien, die Ufer des rothen Meeres und einen großen Theil von Armenien und kehrte

dann in ſeine Heimath zurüc. Den Reſt ſeines Lebens verbradyte er in einem Kloſter, woſelbſt
er fortfuhr, die unzweifelhafteſten Beweiſe einer aufrichtigen Buße zu geben . Unter die berühm

teſten aber von denen , welche ihrer Sünden willen und deren Büßung dieſen Weg der Aus
ſöhnung mit Gott und der Menſchheit betraten , gehört Nobert, Herzog von der Normandie und

Vater Wilhelm'8 des Eroberers . *) Er verließ mit zahlreichem Gefolge barfuß und ſtatt des
königlichen Purpurs in ein rauhes Büßergewand gekleidet, ſein land. Mit welchen Gefühlen er
dieſe Reiſe antrat , kann man daraus beurtheilen , daß er in einer Stadt jenſeits Beſançon's

von einem Thorwächter geſchlagen , ſeinen Dienern dieß zu rächen verbot , indem er ſprach :
„ Dieſer Sdilag für die Sache Chriſti iſt mir lieber als die beßte Stadt in meinem Herzogthum .“
Da er bald nach ſeiner Ankunft in Orient erkrankte, war er genöthigt, ſich eines Tragbettes zu
bedienen . Da er jedoch nicht geſtatten wollte, daß er von Chriſten getragen werde , ſo nahmen
Sarazenen zu dieſem Zwecke die Stelle ſeiner gewöhnlichen Bedienten ein . Auf der Straße

*) Wilken 49 . 1
Intereſſe der Chriſten um die Heilige Stadt. 17

begegnete er zufällig einem Pilger aus der Norinandie und da dieſer ihn frug, ob er irgend eine
Botſchaft für ihn übernehmen könne, ſprach der Herzog : Ja ! ſag ' meinen Leuten , daß Du auf

Deiner Reiſe einen chriſtlichen Prinzen geſehen haſt, der von Teufeln in das Paradies getragen
wurde. " Gleichwohl übte Robert in Jeruſalem ſeine Mildthätigkeit und Liebe ebenſo ſehr gegen

die Sarazenen, wie gegen die Chriſten . Sein ganzes Benehmen erregte allgemeine Verwunderung
und fand ungetheilte Anerkennung. Er ſtarb auf ſeiner Rückkehr zu Nicea in Bithynien und

ſpracy mit ſeinem legten Athemzuge noch den Kummer aus, welchen er darüber fühlte , daß er
nicht lange genug in Jeruſalem geblieben ſei , um ſeine Tage an der Stelle zu enden , wo ſein

Heiland für die Sünden der Welt geſtorben ſei.

12. Maſſe 11 -Wallfahrten 1065.

Immer mehr nahmen die Wallfahrten um die Mitte des XI. Jahrhunderts das Aus

ſehen von Heereszügen gegen den Orient an und konnten dieſelben auch leichter bewerkſtelligt
werden , da man ſeit der Bekehrung Ungarns zum Chriſtenthum durch dieſes Land gegen Con
ſtantinopel in Sicherheit mit größerem Gefolge ziehen konnte. Dieſe neuen Chriſten und deren

frommen Könige nahmen die Pilger - Schaaren gaſtfreundlich, auf und bald ward an der öſterreich
ungariſchen Grenze zu dieſem Behufe ein Gaſthaus errichtet. Schon 30 Jahre nach Robert's
Zug in’s heilige land , im Jahre 1065 machten ſich der Erzbiſchof Siegfried von Mainz , die

Biſchöfe Günther von Bamberg , Otto von Regensburg und Wilhelm von Utredyt mit einem
Gefolge von Siebentauſend auf den Weg durch Ungarn gegen Jeruſalem . Dieſe Herren waren
ausgerüſtet , als zögen ſie zur Feier eines Beilagers an einen Königshof . Sie führten viele

koſtbare Geräthe in Silber und Gold mit ſich und glichen in Allem einer kleinen Armee ſtreit
barer Männer , die ſich Schuß und Sicherheit ſelbſt verſchaffen wollte. Wohin ſie famen , lief

das Volk zuſammen, ſie zu ſehen, zumal den Biſchof von Bamberg, welcher von ſolcher Schönheit

war , daß die Biſchöfe oft in ihrer Herberge beunruhigt ihn bitten mußten , ſidy dem Volfe zu
zeigen . Die Pracht ihres Aufzuges reizte aber die Raubſucht der in Syrien herumſtreifenden
arabiſchen Räuberhorden .
Am Tage vor dem Oſterfeſte wurden ſie unweit Ramla von einer ſolchen Räuberhorde

überfallen , vor welcher ſie ſich in einer halbverfallenen Feſtung mit wahrem Heldenmuthe 'ver

theidigten . Nach dreitägigem Kampfe waren ſie nur von Hunger und Durſt endlid, gezwungen,
den Räubern einen Vergleich anzubieten. Als aber der Emir , welcher mit 16 Mann hereinge
Laſſen wurde, von nichts als einer unbedingten Uebergabe hören wollte und das Anerbieten aller

ihrer Güter für ihre Freiheit und ſicheres Geleit abſchlug, ja geradezu dem Biſchof Günther
erwiderte : „ er und ſeine Genoſſen hätten gelobt , ihn wie einen Hund vor der Thüre aufzu
hängen und ſein ſchönes Blut zu trinken " und bei dieſen Worten ſeinen Turban abnahm, aus
einanderlegte und eine Schlinge daraus bildend ſie dem Biſchof wie einen Strick um den Hals
warf , da ſprang der gewaltige deutſche Biſchof auf den Frechen los und ſchlug ihn durch
3
18 Das heilige Land.

einen Streich ſeines mächtigen Armes zu Boden und band deſſen Hände ſo feſt zuſammen, daß
bas Blut an deſſen Fingerſpişen hervorbrang. Es begann ein ſchrecklicher Kampf , welcher damit
endete , daß die Chriſten die Räuber überwältigten und gefeſſelt an der Front ihres Lagers
aufſtellten . Während der Nacht begab ſichy ein Pilger nach Ramla und da der Befehlshaber

wie die Einwohner dieſer kleinen Stadt ebenſoviel Grund zur Furcht vor dieſen Arabern , wie
die Chriſten hatten , ſo ſchickten ſie ſogleid) eine Abtheilung zur Unterſtützung der Pilger ab .
Die Araber vermochten jetzt nid ) t mehr Stand zu halten und die Chriſten erreichtert dann
unangefochten Jeruſalem . Dies war ein Beiſpiel zum Auszug zahlreicher Genoſſenſchaften,
welche ſich zu einer Reiſe nad , dem heiligen Lande dergeſtalt ausrüſteten , daß ſie jeden Augenblick

aus einer Schaar Pilger in ein Kriegsheer ſich zu verwandeln im Stande waren . So waren
die eigentlichen Kreuzzüge bereits vorbereitet und es bedurfte bei der damaligen Geſinnung nur
eines Anſtoſſce , um dieſelben im Großen zu verwirklichen. Krieg und Ranipf war die Thätigkeit
der Fürſten und Ritter jener Zeit ; ſie bildeten auch ihre Freude . Wenn ſie die Unterjochung
des heiligen Landes und die Unterdrückung betrachteten , welche ihre Brüder erdulden mußten,

ſo wurde ihre innerſte Natur von dem glühenden Verlangen , an den Unterdrückern Rache zu

nehmen , erfüllt.

13. Nächſte Veranlaßungen eines Kreuzzuges .

So lange die Reiſe jedoch unbekannte Schwierigkeiten und Sdyredniſſe verſchiedener Art
darbot , konnte der Gedanke an einen Krieg mit den Ungläubigen in ihrem Geiſte nicht Platz
greifen . Das Beſte , was ſelbſt ber bravſte Mann thun fonnte , war , daß er wie Andere die

Gefahren des Weges beſtand und wie jene darüber Thränen vergoß , daß ein ſo heiliges Land

in den Händen von Ungläubigen bleiben ſollte. Als man aber jetzt gefunden hatte, daß Tauſende
und Tauſende auf ihrem langen Zuge durch die deutſchen Staaten bei einander bleiben , Con

ſtantinopel in Sicherheit erreichen und ſodann in das Land des Feindes mit einiger Wahrſchein
lichkeit des Gelingens eindringen konnten , als man dies gefunden hatte , da konnte es nicht
fehlen , daß jo kühne und Abenteuer liebende Männer , wie die Ritter und Barone des Mittel

alters waren , den Gedanken eines Unternehmens faßten , wodurch jenes geheiligte Land, nach

welchem alle frommen Seelen ſdauten, von der frechen Herrſchaft ſeiner gegenwärtigen Regenten
befreit werden könnte. Dieſe waren nämlich um 1070 die Türken geworden , welche unter

Togrulbek, aus der Familie Seldſduf, aus Choraſan nad Bagdad gekommen und den Chalifen
auch des Schatten weltlicher Macht beraubt hatten . Togrulbek herrſchte als Sultan über alle

Länder des Chalifats. Er und ſein Neffe Alp Arslan eroberten die Gebiete bis an den Euphrat
und 3fonium . Der Nömer -Raiſer Diogenes, der ſich ſelbſt mit einem Heere bei legterer Stadt

entgegenſtellte, ward beſiegt und gefangen zum Schrecken Conſtantinopels. Malekſchah ſchenkte

ſeinem Vetter Suleiman alles römiſche Land im Weſten vom Euphrat und ſchickte ihn mit einem
großen Heere aus , dasſelbe zu erobern. Im Jahre 1073 nannte ſich Suleiman Fürſt von
Intereſſe der Chriſten um die heilige Stadt. 19

Romanien , hatte ſeine Reſidenz zu Nicäa und verheerte vor den Augen des römiſchen Kaiſers
die Küſte Kleinaſiens, welche ſeiner Hauptſtadt gegenüber lag . Zu gleidher Zeit ſandte Malefichah

feinen Bruder Thuthuſch gegen Syrien, welcher von Antiochien bis nach Aegypten hin die ganze
fyriſche Küſte unterwarf und unter der Hoheit ſeines Bruders beherrſdte . In dieſer Noth
wandten ſich die römiſchen Kaiſer des Orients an die abendländiſchen Chriſten und baten um
Hilfe gegen die furchtbare Macht der Türken .

14. Plan eines allgemeinen freut 3 zuges gegen die Türken .

Damals hatte der große Gregor VII. ben päpſtlichen Stuhl inne , der an Willensfraft

und Einſicht einen merkwürdigen Gegenſatz zur Schwäche und Kurzſichtigkeit der griechiſchen
Kaiſer bildete. Während dieſe die Krone, die Würde und das Glück des ganzen Kaiſerreiches

dem Untergang preisgaben , leitete jener in bewußter Kraft die Angelegenheiten der ganzen

Chriſtenheit der Welt . Er konnte darum dem erſchreckten Kaiſer Michael Duffas auf ſeine

flehentliche Bitte um Hilfe gegen die Ungläubigen ſtolz erwidern , daß er ſelbſt ein Heer nady
dem Oſten führen werde . Sogleich wurden entſprechende Vorbereitungen getroffen und 50,000
Srieger erhoben ſich auf den Ruf des Papſtes , bereit beim erſten Entfalten des Banners des

Kreuzes demſelben nach Aſien zu folgen . Hätte dieſer Papſt weniger um den Zuſtand der
europäiſchen Kirche beſorgt ſein müſſen , ſo beſaß keiner gleich ihm jene Glutly des Geiſtes und

nachhaltende Thatkraft , welche ihn früher als irgend einen ſeiner Zeitgenoſſen vermocht haben
würde , die Ungläubigen anzugreifen und ihre Herrſchaft zu zerbrechen . Gleidjwohl hörte man
nach ſeinem Tode nicht auf , den fühnen Entwurf als ausführbar zu betrachten . Die Klagen

Der Chriſten in Paläſtina wurden immer dringender , da ihre Lage unter dem Turkomanen

Orthok , welcher 1086 die heilige Stadt in Beſitz genommen , ſid wahrhaft ſdyredlich geſtaltete.
Dieſes Volk kannte kein anderes Recht, als welches die Waffen dem Mächtigen geben . Die

Chriſten erfuhren von den Türken die entehrendſten Mißhandlungen , die wilden Schaaren
drangen in die Kirchen, ſetten die Chriſten während des Gottesdienſtes durch den wildeſten Lärm
in Schreden , erſtiegen die Altäre, ſtürzten die Kelche um , traten die geweihten Gefäſſe mit
Füßen , mißhandelten die Prieſter und riſſen zu Jeruſalem ſelbſt den Patriarchen bei dem Bart

und den Haaren des Hauptes von ſeinem Sitz auf die Erde und warfen ihn in's Gefängniß,

um für deffen Befreiung von den Chriſten große Summen zu erpreſſen . Die Gläubigen zu
Jeruſalem waren in beſtändiger Furcht, und begleiteten deßhalb die abendländiſchen Pilger auf

jedem Schritte, damit dieſe nicht durch Unvorſichtigkeit irgend die Wuth der Türken reizten .
Da die Türfen mit großer Strenge von den Wallfahrern das Eingangsgeld forderten , ſo lagen

oft Tauſende von Armen oder ſolchen , die auf der Reiſe um ihre Habe gekommen waren , vor
Der Stadt und harrten auf die Erlaubniß hineinzukommen und kamen durch Hunger und Blöße

um . Dieſer jammervolle Zuſtand drang in das Abendland und ſchon auf Papſt Viktor's Hilferuf
rüſteten die reichen Laufleute von Piſa und Genua eine Streitmacht zum Schuße der Chriſten.
3 *
20 Das heilige land.

Gewiß waren ſie auch die Erſten , welche cinſahen , wie verderblich für den europäiſchen Handel
es ſein würde, wenn Syrien und die andern Länder Ajiens und Afrika's für immer von dem

Verkehr mit dem Weſten abgeſchnitten wären ; aber ihre Frömmigkeit war wenigſtens nicht

geringer, als die der Uebrigen , und es wäre ungerecht, dem Eifer , mit welchem ſie jene groß
artigen Rüſtungen betrieben , denen ein ſo großer Erfolg gegen den Feind zu Theil ward , das
verriente Lob vorzuenthalten . Es wird nämlid ) beridytet, daß ihre ausgeſandten Truppen ein
ungeheures Heer , welches zu ihrem Empfang aufgeſtellt war , beſiegten und nach Verwüſtung

eines großen Küſtenſtridjes mit reicher Beute und einigen Tauſend Gefangenen nach Italien
zurückkehrten . Gleichwohl kam noch keine allgemeine Bewegung der europäiſchen Chriſtenheit
zu Stande, ſo ſehr auch Einzelne wie der edle Herzog Gottfried die den Chriſten widerfahrene
Sdımad, ritterlich mit den Waffen zu rächen verlangten. Es war ja noch keine Stimme ertönt,

welche vermodyt hätte, die eine Saite in den Herzen der Menſchen zii rühren, welche wenn immer

berührt, auch immer die niemliche Antwort giebt , ſollte aud ) der Ruf an eine Million ergehen .

15. Þredigten des Beter v . A mien 8 .

Peter der Einſiedler hatte dieſe Sprache erlernt und das Geheimniß entdeckt, durch deſſen
Senntniß ein einziger Geiſt ſo große Gewalt über die Andern ausübt. An den Höfen der Fürſten,
in den Zellen der Mönche, vor dem Throne der mächtigſten Prälaten , wie in der Mitte der
rohen Menge (prad er mit gleichem Feuer , mit gleichem Erfolg und ſeine Worte blieben noch
lange, nachdem er fortgegangen in Aller Gedächtniß . * ) Peter hatte in den Jahren 1093 und

1094 eine Wallfahrt nach Jeruſalem unternommen . Hier hörte er mit Entſeßen von den Be
drückungen und Schmähungen , welche den Chriſten von den Türfen widerfuhren und überzeugte
ſich durch eigene Erfahrung von der Wahrheit. Vom heiligen Eifer entbrannt gieng er zu dem
Patriarchen Simeon und madjte ihm Vorwürfe, daß er ſo ruhig 18 anſehe, wie die heiligſten
Orte von den Türken entweiht , die Gaben der frommen Chriſten geraubt und die Wallfahrer
mißhandelt werden . Der Patriarch antwortete mit Klagen über die unglückliche Lage ſeiner
Kirche, welche bei der Ohnmacht des griechiſchen Kaiſers verzweifeln müſſe , wenn nicht die
Chriſtenheit des Abendlandes ſich ihrer erbarmen und ihre Sdımach an den Türken rächen werde.

„ Darum , ſprach der Patriardy, ſende ich Didy als Geſandten der Kirche zu Jeruſalem an ilire
Tochter im Abendlande, daß Du von ihr Erbarmen und Hilfe für ihre unglüdliche Mutter
erflehen mögeſt ." Bereitwillig übernahın Peter den Auftrag und die Briefe des Patriarchen
an den Papſt und die Könige und Fürſten des Abendlandes. Von Antiochien reiſte er mit einem
Schiffe nach Apulien und kam nad; einer glücklichen Fahrt zu Bari an's land . Er eilte von

dort zum Papſt Urban nach Rom, überreichte ihm des Patriarchen Brief und unterſtützte deſſen
Anliegen mit der Erzählung der Leiden , welche die Mutter aller Kirchen von ihren Tyrannen

* ) Wilken 49.
Intereſſe der Chriſten um die heilige Stadt. 21

erduide. Obwohl Urban damals in Rom feines eigenen Lebens vor Guibert und deſſen Anhängern
kaum ſicher war , gab er dennoch dem Flehen der morgenländiſchen Kirche um Hilfe gegen ihre
Bedrücker Gehör ; denn die Päpſte verrichteten oft die gewaltigſten Thaten gerade wenn ihre
Macht in Rom am dwächſten war. Urban lobte Peter's frommen Eifer und bevollmächtigte
ihn durch Briefe an die Mächtigen der Chriſtenheit als ſeinen und der Kirche zu Ferujalem

Geſandten . Alſo ausgerüſtet, das Herz voll heiliger Liebe für die Sadie Chriſti durchwanderte

Beter zuerſt ganz Italien, überſtieg dann die Alpen und wandte ſich an Hoch und Nieder, indem
er den Brief des Patriarchen verlas und die bittern Klagen aus ſeiner Erfahrung unterſtützte und
Fedem lebendig vor die Seele ſtellte, weldh' ungeheurer Jammer hier um Erbarmen rufe. Er regte

die ſtärkſten Gefühle der menſchlichen Natur auf , die religiöſen und zu Chriſten ſprechend in
einer thatkräftigen Zeit konnte die Theilnahme und Begeiſterung der Sache Chriſti nimmer

fehlen . Das Volk verehrte ihn wie einen Heiligen und jeder fühlte ſich verpflichtet, auf die eine

oder die andere Weiſe zur Befreiung des heiligen Landes aus den Händen der Ungläubigen 1095.

und zur Sicherheit derer , welche ſeine Küſten aufſuchten , nady Kräften beizutragen. Die Wir
kungen ſeiner Predigten zeigten ſich ſchon auf der Kirdienverſammlung zu Piacenza , nod; mehr
jedoch als Urban II. ſelbſt über die Alpen nach Frankreich ſidy begab und zu Clermont eine
glänzende Synode hielt.

16. Verſammlung zu Clermont 1095.

Peter hatte für das heilige Unternehmen Alles bereits ſo ſehr gewonnen , daß außer
14 Erzbiſchöfen, 225 Biſchöfen , 400 Aebten und vielen Klerikern die Anzahl der Laien unzählig

war. Hier redete nun der Papſt zu den Gläubigen und mit wie vielem Feuer auch ſonſt
geſprochen worden , eines glänzenderen Erfolges hat ſich nie eine Rede rühmen können . Er
ſchilderte lebhaft die Bedrängniß der Chriſten im heiligen lande , die Grauſamkeit der Türken,
und Seufzer und Thränen hemmten oft den Strom ſeiner Nede . ,, Jene Barbaren, welche Gott
fremd ſind und mit welchen ſein Geiſt nicht iſt, ſprach er , vertreiben die armen Chriſten aus
- ihren Wohnungen und dieſe müſſen es als Gewinn anſehen , wenn ſie durch Betteln unter uns

kümmerlichen Unterhalt finden . Denn ſie müſſen , wenn ſie den Unholden nicht entfliehen , für
dieſe alø Sklaven die Felder bebauen, welche ihnen gehörten und grauſame Behandlung iſt dafür

ihr Lohn . Die heiligen Kirchen werden von den Ungeheuern entheiligt, in Viehſtälle verwandelt
oder ſind die Schaupläße der entehrendſten und ſchmählichſten Grauſamkeiten gegen die Chriſten .

Ich rufe als Zeugen der Wahrheit meiner Schilderung Eudy, die ihr mit eigenen Augen Alles

ſahet , ich rufe aber noch mehr als Zeugen Euch, welche von den grauſamen Händen der Bar
baren ſtarbt .“ Er ſprach mit Wehmuth von der Heiligkeit jener Orte , welche die Ungläubigen
entweihten. Er erinnerte dann an die Helden der chriſtlichen Zeit, Karl den Großen und deſſen
frommen Sohn Ludwig , welche der Sarazenen Reidje zerſtört und die wahre Kirche erweitert
hatten. Urban wurde in ſeiner Rede durch das Rufen der Menge: „ Gott will es “ unterbrochen
22 Das heilige Land.

und es mußte Stillſchweigen geboten werden . Der Enthuſiasmus ſtieg immer höher , je länger
er redete. Dann rief er mit heftigem Unwillen : ,, Ihr , welche Wittwen und Waiſen beraubet,

die Unſchuldigen unterdrückt , die Kirchen mit Waffengetümmel erfüllt und entehrt und des
Ritterthums Gürtel nur tragt als ein Zeichen , daß ihr gewohnt ſeid , nidyt wie ihr gelobt , die

Kirche und ihre Diener zu ſchützen, ſondern des Erlöſers Scyafſtall zu verwüſten, euch gegenſeitig
zu zerfleiſchen und wie die Geier den Leichnamen ſo den Kriegen und Fehden in entfernte

Gegenden nachzuziehen , legt ab den Gürtel eines ſolchen Ritterthums, welches ferne von Gott
iſt und werdet Ritter Chriſti, eilt herbei zum Schutz der morgenländiſchen Kirche, welche die
Milch des göttlichen Wortes in euren Mund träufelte." Er bat die Alten und Sdwachen und

alle , welche außer Stand ſeien , die Waffen zu führen , nicht mitzuziehen , damit ſie nicht der

großen Sache ſchaden, ſondern lieber mit Geld und auf andere Weiſe die Streitenden zu unter
ſtüßen, wofür er ihnen denſelben vollkommenen Nadılaß der zeitlichen Strafen verkündigte. Den
Geiſtlichen verbot er ſtrenge , ohne die Erlaubniß ihrer Biſchöfe die Kirchen zu verlaſſen , denn
ohne prieſterlidien Segen würde ihr Unternehmen ohnehin des glücklichen Erfolges entbehren .
Dann machte er bekannt, wer an der bewaffneten Pilgerſchaft Antheil nehmen wolle, möge ſich

nach alter Sitte der Pilger mit dem Kreuze bezeichnen . „ Ihr, meine Brüder und Mitbiſchöfe,
Mitprieſter und Miterben Chriſti , ſprach er am Schluße zum Clerus, predigt in den Euch
anvertrauten Gemeinden das Kreuz , ſchildert ihnen die Noth der Chriſtenheit und entflammt
ihre Herzen zur Abhilfe !" Mit Thränen in den Augen umſtand ihn das Volk, Biſchof Ademar

von Puy warf ſich zuerſt vor ihm nieder und bat um die Erlaubniß in den heiligen Krieg zu
ziehen , ſowie um ſeinen Segen. Biſchof Wilhelm von Auſart, und mit ihm der größte Theil
der anweſenden Geiſtlichen und laien folgten dieſem Beiſpiele . Graf Raimund von St. Gilles
ließ bald darauf durch Geſandte dem Papſte anzeigen , daß er das Pilgerkreuz genommen und

eine anſehnliche Zahl Ritter um ſich verſammelt habe , daß er noch meír Kriegsvolk aus ſeiner
Grafſchaft in Sold nehmen und jeden Ritter , der in ſeinem Gefolg kämpfen wolle , mit Geld
und Anderem unterſtützen werde . Ademar von Puy ward dann zum Stellvertreter des Papſtes
und als geiſtliches Oberhaupt des Heeres beſtimmt . Der Papſt reiſte nach dem Concil ſelbſt in

Frankreich herum und ermahnte zur Kreuzfahrt mit um ſo glänzenderem Erfolg als ſein Anſehen
und ſeine Würde größer waren . Die Geiſtlichen und Laien von Clermont in ihre Heimath

zurückgekehrt entflaminten die Thrigen zu gleicher Begeiſterung und Entſchließung. Nach dem
Vorbild von Clermont heftete ſich jeder ein rothes Kreuz auf die rechte Schulter , der zur

Kreuzfahrt in das heilige land entſchloſſen war. Dochy ſtellte ſich kein gekröntes Haupt an die
Spiße dieſer Begeiſterung. Der Kaiſer von Deutſchland war im Kampfe mit Rom , König
Philipp von Frankreich im Banne , der von Spanien hatte im eigenen Lande gegen denſelben

Feind zu ſtehen , der in Paläſtina aufgeſucht werden ſollte, während jener von England zu
wenig ritterlichen Sinn für ein ſolches Unternehmen beſaß . So blieben nur Herzoge und Grafen
übrig , die Führerſchaft zu übernehmen , und dieſe ſammelten denn auch mit Ausnahme der
Intereſſe der Chriſten um die heilige Stadt. 23

Deutſchen, die mit ihrem Raiſer zu thun hatten ſoweit Reichthum und Macht ſie befähigten,
Kreuzbrüder um ſich, die unter ihrem Panier fechten wollten .

17. Gottfried v . Bouillon 1095.

Unter ihnen ragte nun in jeder Beziehung hervor : Gottfried , Herzog von Nieder

lothringen , nady dem Stammſchloſſe ſeines Geſchlechts Gottfried von Bouillon genannt. Er

hatte dem Raiſer auf ſeinen Zügen wider ſeine Feinde in Italien und Deutſchland die treueſten
Dienſte geleiſtet und dafür auch das Herzogthum Niederlothringen erhalten . Er war damals,

als des Papſtes Aufruf ſtattfand, ſchon berühmt in weiten Kreiſen wegen ſeiner Tapferkeit und
Gottesfurcht. Im Jahre 1080 ſtand Gottfried in des Kaiſers Heer wider deſſen Gegenkönig
Rudolph von Sdwaben und genoß bereits ſo hoher Achtung, daß am Abend vor der blutigen

Schlacht an der Elſter bei des Kaiſers Frage an ſeine Fürſten , wer der würdigſte ſei am

andern Tage das Reid )spanier zu tragen , alle den Gottfried von Bouillon nannten . Und er

bewies , wie richtig ihr Urtheil geweſen. Denn vor dem Kaiſer hergehend drang er in das

feindliche Heer und ſtieß dem Gegenkönig den Schaft ſeines Paniers in die Bruſt, ſo daß er

bald an dieſer Wunde zu Merſeburg ſtarb. So berühmt ſeine Tapferkeit war , ſo ſehr war
ſeine Rechtſchaffenheit, Leutſeligkeit und Frömmigkeit beliebt. In der Bruſt des tapfern Ritters

pochte ein Herz erglüht von heißer Liebe gegen ſeine Verwandten ; er liebte das Gebet und

verachtete die Eitelkeiten der Welt , welche damals die andern Ritter mehr liebten , als was

Gotte8 iſt. Dabei hielt er aber ſtreng auf ſeine ritterliche Ehre , wie jeder wackere Ritter und

ließ in ſeinen Rechten nie ſidy kränken . Er nahm gemäß der Landesſitte, aber ungerne einſt die

Entjdjeidung eines Rechtsſtreites durch den Zweikampf vor Kaiſer und Fürſten an und überwand
ſeinen Gegner glorreid ); aber er that es , von der Gerechtigkeit ſeiner Sadie überzeugt , nur

um nicht durdy Weigerung ſeine Ritterehre zu beflecken . Ein Herr , fo fromm , jo tapfer und

ritterlicher Ehre begierig konnte den Ruf des Vaters der Chriſtenheit um ſo weniger an ſich
vorübergehen laſſen , da er durch die Erzählungen zurückfehrender Pilger von ihren Leiden im
gelobten Lande zum Unwillen gereizt ſchon lange den Wunjd genährt und oft geäußert hatte,

nicht wie viele Ritter zu ſeiner Zeit als Pilger das Grab des Herrn zu beſuchen , ſondern mit
einem Heere nach dem Morgenlande zu ziehen und die Türken zu vertreiben . Er nahm nun

das Kreuz, verſöhnte ſich mit dem Biſchof Richer zu Verdun , verkaufte ſeine eigenen Beſißungen

Mojay und Sathanay der Kirche der lieben Frau zu Verdun , zerſtörte das Schloß Falkenberg,
das er in dem Lande des Biſchofs erbaut hatte , verpfändete ſein Stammſchloß Bouillon der
Kirche des heiligen Lambert zu Lüttich für 13 Hundert Mark Silber und ein Pfund Gold
unter der Bedingung, daß es der Kirche zufallen ſollte, wenn es nicht von ihm oder ſeinen drei

nächſten Nachfolgern eingelöst werde.

18. Andere freuzritter.

Bald nach ihm nahmen ſeine Brüder Euſtach und Balduin und ihr Neffe Balduin
24
Das heilige Land.

von Rames , Sohn Hugo's von Recheſt das Kreuz und rüſteten ſich gemeinſchaftlich mit dem
Helden Gottfried .

Auch Herzog Robert von der Normandie, der Sohn Wilhelm's des Eroberers, ſammelte
zu ſeinem Panier viele Kämpfer, wie der Graf Robert von Flandern, der ſchon als Pilger das
heilige Grab beſucht und alle Gräuel der Ungläubigen ſelbſt geſehen hatte . Beide durch Reichs

thum und Anſehen ausgezeichnet, machten es Unvermögenden möglich, ſidy am Heereszug zu

betheiligen .
Endlich befand ſich unter den Kreuzrittern auch der Bruder des Königs Philipp von
Frankreich), Hugo der Große , ein Ritter von hohem Sinn und weitreichendem Anſehen. Der
reidſte Fürſt in Frankreid ), der jich zuerſt dem Papſte angeboten für den heiligen Kampf, Graf
Raimund von St. Gilles oder Toulouſe warb unermüdet für ſein Verſprechen und nahm durch

Sanftmuth und Leutſeligkeit, welche er mit der Unbeugſamkeit ſeines Charakters zu vereinigen
wußte , die Gemüther für ſid) ein , ſo wenig ihm ſeine äußere Geſtalt, denn er war einängig,
hiebei auch zu Statten kommen konnte. Ihm ward die Ehre, daß Erzbiſchof Ademar von Buy,
des Papſtes Stellvertreter in dieſem heiligen Kriege jich ſeinem Zuge verband. Zu dieſem
Fürſten verſammelten ſich diejenigen , welche das Kreuz genommen und bei ihnen fanden die
Vermögendloſen Unterſtützung. Auch Peter der Einſiedler war der Anführer eines unzählbaren
Heeres von geringem Volk aus Frankreich , Lothringen und Deutſchland.

19. Erſter Verſuch eines Rreuzzug es im Frühjahr des Jahres 1096.

Eben Peters Sdjaaren wollten den Schluß der Zurüſtungen der genannten Herren
nicht mehr abwarten und drangen in ihren Führer, nac) Paläſtina aufzubrechen. Die Reiterei
dieſes ganzen Heeres beſtand aus 8 Rittern, worunter Walther von Perejo und Walther mit der
leeren Taſche. Da Peter in Köln mit Predigen ſich aufhielt, zogen dieſe voraus und verſprachen

Peter und die Seinigen in Conſtantinopel erwarten zu wollen . Sie zogen ohne beſondere linfälle

durch Ungarn bis an die bulgariſche Grenze. Nach unbeſchreiblichem Elend, in welches die Haſt
und Rohheit dieſe Leute ſtürzte, gelang es dem ehrwürdigen Führer noch gegen dreißigtauſend mit
Hilfe griechiſcher Truppen nach Conſtantinopel zu bringen , woſelbſt der Kaiſer Alexius den
Kreuzfahrern rieth , das große Heer zu erwarten , welches unter Gottfried von Bouillon gegen
Oſten zog . Seine und Peter'8 Bemühungen waren vergebens. Der letztere hatte verſucht,

dieſe Schaaren in der Nähe von Helenopolis einige Zeit ruhig zu halten , bis ein wüthender
Streit zwiſchen einer franzöſiſchen und deutſchen Schaar entbrannte und Peter zwang, den Befehl

an Walther zu übergeben, während er ſelbſt nady Conſtantinopel zurückfehrte. Saum war Peter
weggegangen , als ein Theil , beſonders Franzoſen , ſich beeilten Nicäa anzugreifen. Sie waren
glüdlich und der Anblick der Beute , welche ſie zurückbrachten , reizte die Deutſchen zu einem
ähnlichen Unternehmen. Auch dies gelang und man beſchloß ein feſtes Lager zu errichten, welches
hinlänglich wäre , den Repreſſalien des Feindes bis zur Ankunft des Heeres unter Gottfried
1
Intereſſe der Chriſten um die heilige Stadt. 25

Widerſtand zu leiſten. Allein der Sultan Arslahn war nicht müſſig geblieben. Er ſandte gegen
die Deutſchen eine Truppe , welche ein furchtbares Blutbad unter denſelben anrichtete. Der
Verſuch der Franzoſen , ihre Brüder zu rächen , war von gleichem Verderben für ſie ſelbſt
begleitet. Sie fochten lange und verzweifelt, als aber ihre Führer in dem Hoffnungsloſen Kampfe
gefallen waren , entkamen dem Schwerte der Türken von der ganzen Menge nicht mehr als
Dreitauſend . Dieſes kleine Heer verſchanzte ſich in einem alten Caſtell, bis Beter auf die
Runde von dieſem unglückliden Ereigniß , den Kaiſer zur Abſendung von Hilfstruppen bewog.
So wurden ſie der Vernichtung, welcher ſie mit jedem Tage entgegenſahen, entriſſen und ließen

ſich nun gerne nach Conſtantinopel zurückführen . An Leib und Seele gebrochen, wünſchten ſie
jetzt nicht ſo ſehr , als ihre müden Schritte den langen Weg zurückzulenken , welchen ſie ſo
fruchtlos gemacyt hatten . Da ſie aber ohne Hilfsmittel für dieſe Reiſe waren, verkauften ſie an

Alexius ihre Waffen und begannen ſogleidy in ihre Heimath zurückzukehren .

20. Ein zweiter Zug unter Gottſchalk

Noch fdylimmer , ohne nur die Küſten Syriens erreichen zu können , endete ein anderer
folcher Zug von 15 Tauſend Menſchen unter dem Prieſter Gottſchalk. Er ward von dem

Könige Ungarn's hintergangen , der Gaſtlichkeit und Hilfe verſprad ), wenn ſie ohne Waffen in
ſein Land kämen , aber kaum daß dieſe Schaaren die Waffen abgelegt , ſchon mit einer Heeres

abtheilung erſchien , welche die Wehrloſen völlig niedermachte. Eine andere Schaar, weldie vor
der Ankunft in Ungarn bis auf die ungeheure Zahl von Zweimallundert Tauſend angewadiſen

war, vermochte ebenfalls durch Mangel an Disciplin und wahrem Eifer nicht weiter zu kommen
und wurde theils getödtet , theils zerſtreut, von welchen die Einen in Italien die Ankunft der 1096.
großen Ritterſchaft erwarteten und ſich dieſem Zuge ſofort anſchloſſen , während die Andern in
ihr Vaterland zurückkehrten und ausgelacht wurden . So ungünſtig dieſe erſten Verſuche eines
Kreuzzuges ausgefallen waren und die Hoffnungen für fünftigen Erfolg nur niederdrücken mußten,
erkannte man doch zu ſehr die Urſachen des Mißlingens und ſah , nachdem dieſe gehoben oder

von Anfang an gar nicht vorhanden waren, gleichwohl dem großen Unternehmen der franzöſiſchen
Ritter um ſo zuverſic /tlidyer entgegen, als auch die Natur Gottes Segen dafür zur Schau trug,
indem auf den Mißwachs der vorigen Jahre in dieſem Sommer eine reiche Ernte folgte.

21. Aufbruch des Kreuzheeres unter Gottfried von Bouillon .

Der Herzog Gottfried von Lothringen brach im Auguſt 1096 mit ſeinem Heere , in
welchem ſein Bruder Balduin , Werner von Greis , Balduin von Burgo, die Grafen Rainhard

und Peter von Toul , Heinridy und Gottfried von Aſcha, der Graf Hugo von St. Paul und
deſſen Sohn Engelram vor noch vielen andern edlen Herren beſonders hervorragten , gegen
Ungarn auf und forderte von dem Könige Kalmany vorerſt für die den chriſtlichen Wallfahrern
4
26 Das heilige Land .

zugefügte Schmacy Genugthuung, denn kurz nach der oben erzählten Niederlage der Freuzidjaaren
in Ungarn war Gottfried daſelbſt angekommen. Der König nahm die Geſandten mit Ehrfurcht

auf und rechtfertigte ſein Benehmen in öffentlicher Audienz durch die Wildheit und Zügelloſigkeit
der bisher ihm näher gekommenen Kreuzfahrer und betheuerte heilig, daß die Pflicht, Leben und

Eigenthum ſeiner Unterthanen gegen Gewalt zu ſchützen , ſein Benehmen gegen jene Unholde
nothwendig gemacht habe . Nachdem Gottfried mit dem Könige ſich verſtändigt und dieſer Lebens

mittel in jeder Art zugeführt , gelangte das Heer ohne irgend eine Gefährdung an die Grenze

des Reiches, wo der König perſönlich dem Gottfried für die bewahrte Ordnung dankte und mit
Geſchenken an die Ritter ſeine Achtung bewies. In fold ' gerader ritterlicher Ehrenhaftigkeit
fuhr Gottfried allenthalben fort , die Gegner zu zähmen , wogegen aber auch ſein Wort treu

gehalten wurde. So trieb er auch den hinterliſtigen Kaiſer Alerius ſchnell zu Paaren und ver

ſchaffte ſeinem Heere Achtung, ſo daß er und die Seinigen glänzend ausgeſtattet, mit Lebens
mitteln reidylich verſehen über das Meer ſetzten. Die mit Hugo dem Großen durch Italien
gezogenen Schaaren langten bald darauf an und 1097 ward Nicäa belagert und mit preis

würdiger Tapferkeit erobert . Zu Rufinel hatte ſich Peter der Einſiedler mit dem Kreuzheere
bereits vereinigt und nachdem alle Gefolge eingetroffen , zählte das Kreuzheer vor Nicäa gegen
fechsmalhundert Tauſend Bewaffnete. Graf Raimund zeichnete ſich bei der Eroberung vor
Andern aus, während Walter von Garlande, Veit von Porſeſſa, Roger von Barnaville, Balduin
1. Juli und Calderon ſid, in der Schlacyt ewigen Ruhm erworben hatten. Bald darauf rettete des
1097 .
Herzogs von Lothringen und Raimund's Tapferkeit bei Doryyläum die unter dem heldenmüthigen
Tankred und Bömund von der Normandie vereinigte Abtheilung des Heeres, welche der leichteren
Verpflegung willen ſich links gewendet und plößlich von 150 Tauſend Türken überfallen dem
Untergange entgegengeſehen hatten. Seitdem trennten ſie ſidy nie mehr und die Mühſale auf

dem Marſd; durch Bithynien und Phrygien befeſtigten nur ihren Entſchluß und ihre Eintracht.
Das Land auszuforſden zogen Balduin , Rainold von Toul, Tankred, Robert von Arſa mit

andern Helden und großen Reiterſchaaren voraus, während die übrigen ſich mit der Jagd
ergößten. Hier gab Gottfried eine rühmliche Probe ſeiner Stärke, wie ſeines Edelmuthes. Er

fah auf der Jagd einen armen Pilger von einem furchtbaren Bären verfolgt. Gottfried eilt
ſogleich bem Wehrloſen zu Hilfe, von welchem der Bär ſofort abließ, ſich auf den Herzog ſtürzte

und denſelben, von deſſen Schwert verfehlt , vom Roß zur Erde riß. Doch der Herzog richtete
ſich von dem Thiere umfaßt empor und drückte das Heft ſeines Schwertes demſelben in die

Kehle, wobei er aber mit der Schärfe desſelben ſein eigenes Bein ſchwer verwundete, und kämpfte

unermüdet mit dem Bären, bis auf das Geſchrei des armen Pilgers, den Gottfried mit Gefahr
feines Lebens gerettet , Einer von des Herzogs Begleitern herbeieilt und das Unthier tödtet.
Schwach und mit dem Tode ringend wurde der edle Herzog von ſeinen Baronen in einer Sänfte

in’s lager getragen, begleitet von dem Weheklagen der Walbrüder. Doch genas der Held in
kurzer Zeit wieder und während Balduin Edeſſa und Tanfred von Mamiſtra aus eine kleine
Intereſſe der Chriſten um die Heilige Stadt. 27

Herrſchaft gewannen , der letztere Klein - Alexandrien nach ſchwerer Belagerung einnahm , rückte
das große Heer gegen Antiochien vor , zu deſſen Belagerung nun alle Helden zuſammentrafen.

22. Belagerung und Eroberung von Antiochia.

Trotz der vorgerücten Jahreszeit warb am 18. Oktober die Belagerung dieſer großen 1097 Oct.

Stadt begonnen , die ſich in das nächſte Jahr hineinzog und nach vielem Leiden der Kreuzfahrer

mit der erſten Großthat des Helden Gottfried unweit des Hafens St. Simeon, wo die genueſiſdien
Schiffe mit Pilgern landeten, eine glückliche Wendung nahm . Auf einer Anhöhe vor dem Brücken
thor empfieng Gottfried die nach der Stadt fliefenden Feinde , welche eben ſiegestrunken von

einer Niedermezlung gelandeter Pilger zurückkehrten und deren Verderben der Herzog zur Rache

des ſchändlichen Mordes an den chriſtlichen Brüdern beſchloſſen hatte . Die Zeugen dieſer Schlacht

finden keine Worte , des erſt völlig geneſenen Gottfrieds Heldenthaten zu beſchreiben . Sein

mächtiges Schlachtſchwert ſpaltete mit Einem Hieb durdy den Helm vielen Neitern den Kopf,

einen durchhieb er durdy den Harniſch ſo, daß der obere Theil des Körpers vom Pferd fiel, während
mit dem unteren Theil das Pferd zur Sadt floh . Schwer büßten die Türken an jenem Tage

und des Herzogs Vorſatz war glänzend ausgeführt. Nad, neunmonatlicher Belagerung fiel endlicy

Antiochien in die Hände der Chriſten , nachdem Boemund in dem dyriſtlichen Renegaten Pyrrhus
einen Verräther der Türken gefunden ; derſelbe öffnete dem Boemund die Stadt bei jenem
Thurme, deſſen Bewachung er führen ſollte. Als Rorbuga mit unermeßlicher Macht zur Wieder

eroberung Antiodiens herangerückt und das Kreuzheer durch Hunger und Krankheit ſo ſehr

heruntergekommen war, daß kaum 300 kampffähige Pferde gezählt wurden und die meiſten Ritter

zu Fuß oder auf ſchlechten Maulthieren in die Schlacht ziehen mußten , da offenbarte ſich das
Ein dreitägiges Faſten und feierliche Bitt 29. Juni
felſenfeſte Vertrauen der Chriſten auf Gottes Hilfe.
1098.
gänge vor dem Feſte der Heiligen Apoſtel Peter und Paul bildeten die Vorbereitung zum Empfange
der heiligen Communion , welche nach dem Hochamt des Biſchofs von Puy den Walbrüdern
geſpendet wurde. Dieſes ehrwürdigen Biſchof8 Anreden an die einzelnen hierauf um ihr
Banner geſchaarten Streiter erweckten bald bei Allen einen ſolchen Muth, daß ſie mit Ungeduld

das Zeichen zur Schlacht erwarteten, welche ein neuer wunderbarer Sieg über das unüberſehbare
Heer der Türken war, die in raſender Flucht mit Korbuga eine erſtaunenswürdige Beute zurück

ließen. Biſchof Ademar von Puy weinte Freudenthränen , als er mit Helm und Panzer gerüſtet

im erbeuteten Lager umherritt und die ſiegreichen Schaaren ermahnte, Gott zu danken , durch den
ſie geſiegt und durch Worte und die Würde ſeiner Perſon den Muthwillen und die Fröhlichkeit
in Schranken hielt . Es war ſeine letzte Dankesfreude gegen Gott in der Mitte der helden

müthigen Streiter, denn eine verheerende Seuche raffte mit dem tapfern Herman von Aiſcha und

vielen Rittern auch dieſen edlen Biſchof hin , der von den Geiſtlichen als die Zierde ihres Standes,
von den Rittern als ein Beiſpiel der Tapferkeit und vom Volke als Beſchüßer und Wohlthäter Ende Octo
bers 1098.
der Armuth verehrt, geliebt und darum laut beklagt wurde. Ende Oktobers trafen alle Fürſten,
4*
28 Das heilige Land.

welche der Seuche Halber ſich zerſtreut hatten , wieder in Antiochia zuſammen. Gottfried von
Bouillon trieb auf ſeinem Wege von Edeſſa mit ſeinem Gefolge von 12 Rittern 150 Türken

vor ſich her, erſchlug 30 derſelben mit den Sdwert, 30 nahm er gefangen, während die übrigen
in den nahen Fluß geſprengt ertranken . So zog der Held triumphirend zur Freude der Walls
brüder in Antiochien ein .

23. Aufbruch gegen Jeruſalem .

1099. Antiochia wurde am 24. November verlaſſen, die feſte Stadt Marra erobert, von welcher

man mit Pferden und Lebensmitteln verſehen den 13. Januar 1099 gegen Jeruſalem aufbrach,
wornach das Volk brennend verlangte. Robert von Flandern rückte in das von den Ungläubigen

verlaſſene Ramla ein , wo ſich für alle Bedürfniſſe Ueberfluß fand, Tankred beſetzte Bethlehem

und das Heer eilte über Nikopolis voll Jubel und Freude gegen die heilige Stadt, welche endlich
Seruſalem
von einem Hügel allen Walbrüdern ſichtbar wurde. Ein andächtiger Schauer durchfuhr das
im Anges
ſichte des ganze Heer, es fiel auf die Kniee nieder und füßte unter Thränen den heiligen Boden, inbrünſtig
Kreuzheeres.
um Gottes ferneren Beiſtand flehend. Die Ritter ſtiegen von ihren Pferden , entblößten ihre

Füſſe und unter lautem Singen und Beten näherten ſich die Schaaren der heiligen Stadt

Jeruſalem.

24. Belagerung und Eroberung Jeruſalems .

Nun begann die Belagerung. Mit Hilfe genueſiſcher Baumeiſter erbauten Herzog Gott
frieb und Raimund jeder einen hölzernen Belagerungsthurm , welcher ſieben Ellen höher war
als die Stadtmauer und 3 Stockwerke enthielt zur Aufnahme von Streitern und Wurfmaterial.
Auf der gegen die Mauer gekehrten Seite hatte derſelbe eine doppelte Verkleidung , von weldier
die äußere niedergelaſſen werden konnte , um wie eine Brücke Thurm und Mauer zu verbinden.

Zuerſt ward ein Umgang um die Stadt gehalten , ein Prieſter aus Flandern und Peter der

raſtloſe Prediger ſprachen ſo eindringlid ) , daß ſich alle Zwietracht in Verſöhnung und Ein
müthigkeit verwandelte. Die Ungläubigen verhöhnten dieſe Prozeſſion auf den Mauern und
richteten daſelbſt Kreuze auf , an welchen ſie im Angeſichte der Kreuzfahrer allen erdenklichen
Spott und Frevel verübten . Bald aber büßten ſie ſchwer dafür. Denn in unermüdeter An

ſtrengung war es gelungen, nach der öſtlichen Mauer mit dem Stephansthor den großen Thurm
des Herzog8 Gottfried zu bringen , weil hier die Beſatzung am ſchwächſten war , während Graf
14. Juli
1099 Raimund vom Berge Sion aus operirte. Am Morgen des 14. Juli 1099 nahmen Fürſten,
Beginnt. Nitter und Krieger das Heilige Abendmahl und ſchritten zum Sturme, alle feſt entſchloſſen, ent
weder zu ſterben oder über die Ungläubigen zu ſiegen . Ein Hagel von Steinen und Pfeilen
ſchüttete ſich über die Belagerer bei der erſten Bewegung der Wurfmaſchinen und Mauer
brecher aus . Säde vol Wolle und Stroh und ſchräg in die Mauern befeſtigte Balken brachen

jedoch den erſten Tag die Gewalt des Stoßes der Maſchinen und auf die Thürme geſchleuderte
Intereſſe der Chriſten um die Heilige Stadt. 29

Feuerbrände drohten dieſelben in Brand zu ſtecken. Aber das durch Waſſer unlöſchbare Feuer
der Mohammedanier ward mit Eſſig gelöſcht und gegen Mittag des 15. Juli hatten Robert von

der Normandie und Tanfred die Mauern des Stephansthores niedergeworfen , vermochten aber
wegen ſtarker Beſchädigung der Maſchinen keinen weiteren Erfolg zu erringen. Man beſchloß,

die Maſchinen auszubeſſern und am folgenden Tage den Sturm zu erneuern . Da jammierten
die Ritter laut, daß der Erlöſer ſie für unwürdig erachte, ſein heiliges Grab zu erobern . Nun
erblickte Gottfried von Bouillon auf dem Delberge einen leuchtenden Ritter, welcher feinen blitzen
den Schild ſchwenkte und ſo das Zeichen zur Fortſetzung des Kampfes gab . Gottfried rief jetzt 15. Juli
Eroberung
Ritter und Volk zurück , alle begannen die Arbeit des Rampfes von Neuem , des Sieges gewiß . Jeruſalems.

Binnen einer Stunde war die vordere Mauer niedergeworfen , das Thal ausgefüllt und des
Herzoge Thurm ſtand an der Mauer. Das auf ſeiner Spitze von Gold blitzende Kreuz mit des

Herrn Jeſu Bild, wornach die Ungläubigen immer vergeblich gezielt, fündigte dem Chriſtenheere
den Sieg Chriſti über Mohammed an und als es einigen Jünglingen glückte, die ſchützenden

Säde durch brennende Pfeile in Brand zu bringen, der Rauch durch einen Wind aus Norden
gegen die Belagerten ſo ſtark getrieben wurde, daß ſie kampfe $ unfähig in Verzweiflung die Mauer
verlaſſen mußten, da fiel aus dem zweiten Stockwerke des Thurmes die Fallbrücke auf die Mauer

und ſchnell ſtanden Gottfried , ſein Bruder Euſtach, der Herzog von der Normandie und der
Graf von Flandern auf der heiß beſtürmten Mauer , das Stephansthor ward geöffnet und im

Siegesgeſdyrei ſtürzten die Schaaren in die Stadt , welche nun in die Hände der Kreuzritter
gefallen und erobert war.

Herzog Gottfried am Grabe des Erlöſers.

Während die Krieger in der Stadt mordeten , wallte der ſiegreiche Held des ganzen

Kreuzzuges wie dieſes Tages, Gottfried von Bouillon mit noch drei Rittern im wollenen Pilger
hemd und mit entblößten Füſſen aus der Stadt um ihre Mauern , gieng durch das Thor, welches
gegen den Delberg liegt nad der Kirche des Heiligen Grabes und ſank in Schauern der Andacht
auf ſeine Aniee. Bald folgten dieſem erhebenden Beiſpiele die Uebrigen und das Morden hatte
ein Ende genommen .

26. Gründung des chriſtlichen Königreiches Jeruſalem.

So war das heiß erſehnte Ziel erreicht, die religiöſe Begeiſterung hatte bei ſchwacher
materieller Araft dennoch den Sieg errungen und Jeruſalem war den Händen der Ungläubigen

entriſſen ; durch die abendländiſchen Chriſtenheere war das heilige land den Chriſten erſtritten

und des edlen Gottfrieds Verlangen war glänzend geſtillt. Er hatte trotz ſo unermeßlicher
Schwierigkeiten vollendet, was er begonnen und als die Fürſten zur Wahl eines Königs ſchritten , Gottfried

deffen Unbeſcholtenheit mit dem Verdienſte im Kriege wetteifern ſollte, gieng der Held Gottfried Seriga lemn.
1099,
als das Haupt des neuen chriſtlichen Königreiches aus dieſer Wahl hervor , obwohl er ſich nie
30 Das heilige land.

anders als den Herzog Gottfried nannte, ſich für unwürdig hielt, König zu heißen und ſich mit
einer goldenen Krone an dem Orte zu ſchmücken , wo der Sohn Gottes eine Dornenkrone getragen.

27. Verfall des chriſtlichen Königreiches.

1189. Das driſtlicy fränkiſdhe Königreich beſtand bis 1187, wo der ägyptiſche Sultan Saladin
bei Hittin das chriſtliche Heer ſchlug und Jeruſalem in ſeine Gewalt bradyte. Die Verſuche
1213. Kaiſer Friedridy's Barbaroſſa, Richard's und ſpäter die Bemühungen der Päpſte Innocenz und
1244 .
Honorius , des heiligen Ludwig von Frankreich , das gelobte land wieder zu einem chriſtlichen
Beſitzthume zu machen , ſcheiterten ſämmtlid) und entbehrten des letzten Erfolgs . Die Chriſten
hatten ſich dieſes Beſitzes unwürdig gemacht und ſeit dieſer unglüdlichen Zeit war Paläſtina in

die Hände der Mohammedaner gerathen und die ſpätere Gleichgiltigkeit der europäiſchen Chriſten
um das Heilige Land, die ſoweit ſtieg, daß die Glaubensbegeiſterung der alten Kreuzritter geradezu
nicht mehr begriffen wurde, war wohl am wenigſten geeignet, dem elenden Zuſtande ein Ende
zu machen . Und ſo iſt nach eines Neijenden Worten * ), dies land und ſeine heilige Stadt, die

Wiege des Chriſtenthums, ein trauriger, chriſtliche Fürſten fdmähender Anblick geworden . Doch
Luť 21. 24. alſo hat es der Vorſehung gefallen , „ daß dieje Stätte von den Heiden zertreten
werde , bis die Zeiten der Völker erfüllt ſein werden . "

*) Profejdy v. Oſten.
ONE
1
.

:
1

Jafa oder Joppe.

Der Pilger betritt das heilige land , wenn er die uralte Seeſtadt Jafa glücklich erreicht
hat. Wie außerordentlich ſchwierig und gefährlich die Landung oder Ausſchiffung hier von
Statten gehe, beweiſen aller Reiſenden Berichte und Klageworte wider die Indolenz der türkiſchen

Regierung, die es nicht über ſich gewinnen kann , auch nur eine ordentliche Stiege beim Pantungs

plaße herzuſtellen . Der Hafen iſt von Klippen umfangen, klein und ſchlecht, für größere Schiffe
ganz unzugänglich und eher eine Rhede zu nennen . *) Bei Sturm iſt jede Landung, jede Aus

fchiffung unmöglich. Große Schiffe ankern im offenen Meere und Barfen nehmen die Neiſenden

auf, um ſie an's Geſtade zu ſetzen. Die Stadt **) liegt auf dem Vorſprunge eines Hügelrückens,
auf deſſen nördlicher Seite das Meer weiter gegen Dſt eingreift und eine kleine Bucht bildet.

Gegen Weſt iſt dieſer Vorſprung , theils Fels theils Sand , überaus ſteil. Vom Meere aus
geſehen gewährt Jafa mit ſeinen Kuppeln , weiß übertünchten Häuſern und Terraſſen einen lieb

lichen Anblick , den die großen Gärten mit üppig grünen Gebüſchen voll von Oliven- , Feigen-,
und Granatäpfel-Bäumen an der Landſeite auf's freundlichſte erhöhen und reizend machen .
Dieſe Gärten , wohl die ſchönſten in Paläſtina , voller Blüth’ und Duft laden zum Luſtwandeln
im kühlenden Schatten unwiderſtehlich ein , während von den vielen Terraſſen und Dachkuppeln
der niedlichen Häuſer die Ausſicht in das majeſtätiſche Meer Großartigkeit und Gewalt ſtatt der
zauberiſchen lieblichkeit dieſes Blüthen- Paradieſes offenbart. Die ſchönſte Ausſicht ***) auf land

und Meer gewährt die hohe freie Dach- Terraſſe eines Gaſthauſes in der Mitte der Stadt,

*) Tobler Luſtreiſe II. 122.


**) Tobler's Topographie II. 577.
***) Tobler III. Wanderung nac Baläſtina. S. 14 .
32 Jafa oder Poppe.

welches dem Uhrinacher Platner , einem freundlichen, deutſch ſprechenden Juden zugehört. Man

überſieht hier wie auf hohem Thurme, da das Städtchen amphitheatraliſcy an den Hügel jich
hinlegt , das ganze Städtdien , das unermeßlidy weite Meer , die langgedehnte Ebene Sarona,
die Gebirgskette Judäa mit ihrem Könige En -Nebi Samuil , ſelbſt die Spitzen des Libanon
taudien am fernen Horizont des Nordens empor. Alles Leben der Stadt aber ſammelt ſich um

den Bazar , wo die Buden *) der Kaufleute, Handwerker und Verkäufer jeder Art aufgeſdılagen
ſind und der ſtändige Markt nach orientaliſcher Sitte ſtattfindet. Vor den Kaffeehäuſern hocken

mit langer Tabakspfeife im Mund und die kleine Kaffeetaſſe in der Hand die Orientalen auf
ausgebreiteten Matten oder der bloßen Erde und laſſen ſich in ihrer trägen Ruhe durch all
den umgebenden Lärm der wiehernden Pferde, dyreienden Ejel, Rameele und deren Treiber, das

Zanken, Singen und Toben der Käufer und Verkäufer nicht im mindeſten ſtören und die Schaaren
von Menſdhen , welche durch das ſchmale Thor auf dieſer Marktſtraſſe mit den Zügen von

Kameelen , Ejeln und Pferden aus- und einpaſſiren , geben ein äcit orientaliſches Bild auch in
dieſer kleinen Stadt. Die Gaſſen zeidinen ſich durd, die enge Paſſage, Holprigkeit und einem

Europäer unerträgliche Unreinlichkeit ebenſo zum Nachtheil aus, als die ſteinernen Häuſer durch ihre
in Stufen anſteigenden Plattdädjer mit dem freien Spazierplatz, der die friſche Luft und Ausſicht

oben zu genießen einladet , zum Vortheil ſich hervorthun. Dieſe Plattdächer ſind mit einer
Bruſtwehr verſehen und weißer feſter Mörtel **) bekleidet dieſelben, damit der Regen nicht durch
dringe. Aud) zeigen die Fußböden der Häuſer im Orient häufig nody jene primitiven Moſaik
böden , deren Pflaſter mit verſchiedenfarbigen kleinen Steinchen durchſprengt iſt. Iſt dasſelbe
hart geworden, ſo werden die Steinchen abgeſchliffen und der Boden erhält ein plattes lebhaft
marmorartiges Ausſehen.

Der heilige Apoſtel Petrus in Joppe.

Wir befinden uns ja in jener Stadt , welcher eine der bedeutungsvollſten Scenen der

chriſtlichen Kirchengeſdrichte angehört und zwar in Verbindung mit einem ſolchen offenen Dadhe
Apoſtelgeſd). des Hauſes . Als nämlich der heilige Apoſtel Petrus alle driſtlichen Gemeinden beſuchte und
IX. 32 ff.
zu lydda den gichtbrüchigen Aeneas geheilt und ſich durch die Bekehrung Vieler , die zu Lydda
und Sarona wohnten, die Nadrid t von dieſem Wunder und der Anweſenheit des Apoſtels auch
in das nahe gelegene Soppe jo hieß Safa ehemals verbreitet hatte , ſchickten die Chriſten

zwei Männer zu ihm und ließen ihn bitten : „ Nimm die Mühe auf dich und komm zu uns.“
In Foppe war nämlich eine Jüngerin, Namens Tabitha, die voll guter Werke geweſen und viel

Almoſen gegeben hatte, eben geſtorben . Als Petrus angekommen, hieß er aus dem Oberzimmer,
wohin die leidye gebracht worden , alle hinausgehen, kniete nieder und betete . Dann wendete er

*) Sdiferle II . Pilgerreije. I. 112.


**) Tobler Luſtreiſe. II . 136.
33
Der heilige Apoſtel Petrus in Joppe.

fich zuin leichnam und ſprach : ,, Tabitha ſteh' auf“. Dieſe aber ſchlug die Augen auf , ſah den

Petrus an und ſetzte ſich auf . Er aber gab ihr die Hand , richtete ſie auf , rief die Heiligen

und Wittwen herein und ſtellte ſie ihnen lebendig vor. Und Petrus blieb lange Zeit in Joppe bei
einem gewiſſen Simon , der ein Gerber war und am Meere wohnte. Hier ging Petrus eines Tages

auf das Dach des Hauſes hinauf, um zur ſechſten Stunde zu beten . Und als ihn hungerte, Apoſtelgedy..
X. 9 ff.
wollte er eſſen . Während ihm aber ſeine Leute zubereiteten , fiel er in eine Entzückung. Und
er ſah den Himmel aufgethan und ein Gefäß herunterkommen , wie wenn ein großes Leintudy
an ſeinen vier Enden vom Himmel heruntergelaſſen würde . Darin waren allerlei vierfüßige
und friechende Thiere der Erde und Vögel des Himmels . Und es kam eine Stimme : „ Macy'
didy auf Petrus ! ( chladite und iſ !" Petrus aber ſprach : ,, das ſei ferne o Herr ! ich habe noch

nie etwas Gemeines oder Unreines gegeſſen .“ Und es kam zum zweitenmale eine Stimme :
„ Was Gott gereinigt hat , das ſollſt du nicht gemeint nennen . “ Und dies geſdyah dreimal und

das Gefäß wurde alſogleich wieder in den Himmel aufgenommen . Da aber Petrus bei ſich
ſelbſt in Zweifel war , was das Geſicht , ſo er geſeljen , zu bedeuten hätte , ſieh' da fragten die

Männer , welche Cornelius geſdrickt hatte , nach dem Hauſe des Simon und ſtanden vor der
Thüre . Sie riefen und fragten , ob hier der Simon mit dem Beinamen Betrus wohne ? Zu
Petrus aber , indem
er über das Geſicht nadidadite , ſprach der Geiſt: „ Sieh drei Männer
ſuchen dich ! Mady' dich alſo auf , ſteig ' hinunter , geh ' mit ihnen und zweifle nicht ; denn ich

habe ſie geſendet. Petrus aber ging hinunter zu den Männern und ſpracy: Seht ! ich bin's,
den ihr ſuchet : was iſt es , warum ihr hieher gekommen ſeid ? Tagszuvor hatte nämlidy zu
Cäſarea der Hauptmann Cornelius , der ein frommer Mann mit ſeinem ganzen Hauſe Gott
fürdytete und dem Volke viel Almoſen gab und unabläſſig zu Gott betate, um die neunte Stunde

am Tage ein Geſicht geſehen . Ein Engel Gottes trat zu ihin und ſpracy: Cornelius ! Er aber
erſchrack, da er den Engel ſah und ſprach : Herr ! was iſt's ? Dieſer aber ſprach: Deine Gebete

und deine Almoſen ſind emporgeſtiegen zum Angedenken vor Gott ! Nun ſchick etliche Männer
nach Joppe und laß einen gewiſſen Simon mit dem Zunamen Petrus rufen ! Der wird dir
ſagen, was du thun ſollſt ." Cornelius ſchickte zwei Fenechte und einen gottesfürchtigen Soldaten
nach Joppe und mit ihnen ging Betrus nach Cäſarea zu dem römiſchen Hauptmann , der ent
gegenkommend dem Apoſtel zu Füſſen fiel und anbetete. Petrus aber richtete ihn auf und ſprach :
,, Steh ' auf! ich bin auch nur ein Menſch.“ Und er beſprach ſich mit ihm und ging hinein und
fand ihrer Viele, die zuſammengekomme waren . Und er ſprach zu ihnen : „ Ihr wiſſet, wie es
n
einem jüdiſchen Manne ein Gräuel iſt , Gemeinſchaft oder Umgang mit einem Ausländer zu
haben ; aber Gott hat mir gezeigt , keinen Menſchen gemein oder unrein zu heißen . Darum
bin ich auch ohne Bedenken gekommen , da ich gerufen wurde . Ich frage alſo , aus welchem
Grunde habt ihr mich rufen laſſen" ? Und Cornelius antwortete : „ Vor vier Tagen um eben
dieſe Stunde betete ich in meinem Hauſe und ſieh' ein Mann ſtand vor mir in weißem Kleide
und ſprach : Cornelius ! Dein Gebet iſt erhört und deine Almojen ſind vor dem Angeſichte Gottes
5
34 3afa ober Joppe.

in Andenken gekommen . Schick nun nach Joppe und laß den Simon mit dem Zunamen Petrus

rufen ; er hat ſeine Herberge im Hauſe des Gerbers Simon am Meere. Ich ſchickte alſo
unverzüglich zu Dir und Du haſt wohl gethan , daß Du gekommen biſt. Nun ſind wir alle
vor Dir verſamınelt , um Alles zu hören , was Dir vom Herrn befohlen iſt.“ Petrus aber
ſprad): „ Nun erfahre ich in Wahrheit , daß bei Gott kein Anſehen der Perſon gilt ; fondern
unter allen Völkern iſt der ihm angenehm , der Gott fürchtet und Gerechtigkeit übet.“ Der

Apoſtel verkündete dann die Botſchaft von der Auferſtehung Chriſti und der durch Ihn gewirkten
Erlöſung aller Menſchen . Und der heilige Geiſt kam über die Verſammelten und Petrus befahl,
ſie zu taufen im Namen des Herrn Jeſus Chriſtus . In dieſer Stadt Soppe hat es alſo Gott

gefallen, die Scheidewand niederzuwerfen, welche noch immer die Juden von allen Völkern trennte
und die Verfündigung des Neuen Bundes , ſowie deſſen Annahme auf das jüdiſche Volk beſchränkte.

An dies Ereigniß ſchließt ſich die Aufnahme aller Völker in den Bereich der apoſtoliſchen
Thätigkeit, der Juden wie der Heiden, welch letzteren der Heilige Paulus kurz darauf ſeine von
Gott hiezu erkorene und erfüllte Geiſtesmacht unermüdet zuwendete und das in Joppe begonnene
Tagwerk, die Heiden zu Miterben Chriſti zu machen , wie die Juden , in erſtaunlichem Maaße
fortführte.

Seit 1674 wird als die Stätte * ) dieſer denkwürdigen Erſcheinung im Hauſe des Ger
ber8 Simon die daſelbſt erbaute liebliche Kapelle im Pilgerhospiz der Franziskaner angegeben,

welche deßhalb dem Apoſtel Petrus geweiht iſt, während an der Stelle der Auferweđung Thabita's
um die Mitte des VIII. Jahrhunderts ** ) eine Kirche desſelben Namens errichtet war. Das

Franziskanerkloſter *** ), früher nur aus Holz gebaut , nunmehr aus Steinen aufgeführt, bildet
ein ſtattliches Gebäude am Meere und gewährt dem Pilger freundliche Aufnahme und Pflege.

Dies Kloſter beſtreitet auch die Koſten für die Knaben - und Mädchenſchule. In jener beſorgt
ein Ordensprieſter den Unterricht in der Religion , in der arabiſchen und italieniſchen Spradje ;
dieſe verſehen die Schweſtern vom Orden des Heil. Joſeph , deren Kloſtergebäude gleich nördlich
neben der Pilgerherberge ſich erhebt. †) Im Jahre 1853 ſchilderte man hier 70 lateiniſche,
griechiſche, maronitiſche, jüdiſche und ſogar mohammedaniſche Mädchen vereinigt. Die Zahl
der Katholiken überſteigt 1200. Die Bevölkerung bilden Araber , Türken , Griechen , Ar
menier, Maroniten , Franken , Ropten und Suden . Die Bewohner ſtehen im Handels

verkehr mit Aegypten tt) , namentlid ) mit Damiat, wohin von Jafa Seife , Del , Mühl

ſteine von ſchwarzer poröſer lava geliefert und woher dann Getreide , Reis , Zucker , Leinwand

*) Tobler Topographie II. 628.


**) Ebend. 630, Note 4.
***) Graf, Schauplatz der heil. Gdyrift 354 .
+) Tobler III. Wanderung 18.
tt) Tobler Topogr. II . 617 .
Geſchidyte von Jafa. 35

und getrocknete Früchte empfangen werden . An der Küſte hinauf ſüdlich von der Südweſtecke
der Stadt gewahrt man plattdächige von Staudwerk umgebene Hütten , welche Gerbereien ent
halten , deren Fabrikat übrigens nicht gut empfohlen iſt. Auch fahren oft vier bis fünf Barken
mit lateiniſchen Segeln beflügelt an der Küſte herum zum Fiſchfange.

Geſchichte von Jafa.

Dies Städtchen am Meere verdankt nur der außerordentlich günſtigen Lage ſeine durch
die größten Stürme bedrohte Exiſtenz und Forterhaltung. Joppe ſcheint ein wahrhaft unzer
ſtörbares Leben 311 beſitzen . Sie iſt eine der älteſten Städte der Welt. Zu gejdyweigen der
Sagen von ihrer Erbauung vor der Sündfluth oder der Gründung durch Saphet, nach Andern

durch Tope , der Tochter Aeolus' und Frau des Erbauers Cepheus , woſelbſt dann Cephea nnd

ihr Bruder Phineus herrſchten ; der Erzählung des Plinius , wornady nicht nur die Spuren
gezeigt wurden , wo die Andromeda an den Fels gebunden war , ſondern auch Knochen jenes
Seethieres , dem ſie preisgegeben worden – jo iſt Joppe eine alt phöniziſche Handelsſtadt, in

deren Hafen die vom Libanon herbeigeſchafften Zedern für den erſten und zweiten Tempelbau

ausgeſchifft wurden . Der Prophet Jonas wollte von Joppe nach Tharſis fahren , als er den
göttlichen Auftrag erhalten , den Bewohnern Ninive’s Buße zu predigen. Als ſpäter zwei
hundert Juden von den treulofen Einwohnern Joppe’8 verrätheriſcher Weiſe in die hohe See
verſenkt worden , trat Iudas Maktabaus auf und züchtigte die Stadt. Die Makfabäer Simon

und Jonathas entriſſen Foppe der Gewalt der Syrer und befeſtigten ſie , ſo daß dem Könige

Antiochus Widerſtand geleiſtet werden konnte. En . Pompejus ſchlug Joppe zu Syrien , wozu

es auch in der Zeit der Apoſtel gehörte . Im Kriege gegen die Juden äſcherte Ceſtius dieſe
Seeſtadt ein , die jedoch als Räuberneſt die See unſicher machte und von Vespaſian geſchleift
wurde . Statt derſelben baute er hier eine Feſtung. In der Zeit der driſtlichen Kirdye war

zu Joppe im V. und VI. Jahrhundert ein Biſchofsſit , den nach langer Verödung erſt die
Kreuzritter wieder herſtellten und den Ort zur Grafſchaft erhoben . König Balduin I. befeſtigte
und verſchönerte dieſe Stadt , die bis zur unglücklichen Schlacht der Chriſten bei Hittin wohl
bevölkert und blühend war. Jetzt aber zerſtörte des ſiegreichen Saladin's Bruder dieſelbe der

geſtalt, daß das chriſtliche Heer in der Folge hier gar keine Herberge mehr finden konnte und

in einem Olivenhaine jich lagern mußte. Als 1192 die Türken herankamen, das Thor erbrachen
und ſelbſt Kranke niedermetelten, eilte König Richard herbei, vertrieb dieſe Unholden und ſtellte
die Mauern ſchleunig wieder in feſten Zuſtand. Hier weilte der heilige Ludwig im Jahre 1253

und hob die Stadt durch Errichtung von vierundzwanzig Thürmen und Ausſchmückung der
Kirchen . Hier war es, wo der heilige König die Trauerbotſchaft von dem Tode ſeiner Mutter

erhielt , ſidy in ſeiner Kapelle auf die Kniee warf und mit gefalteten Händen weinend ausrief :
Ich danke Dir , o mein Gott, daß Du mir meine Mutter ſo lange gelaſſen haſt, als es Deinem
Willen gefiel, und daß Du ſie nun nach Deinem Wohlgefallen zu Dir genommen . Zwar liebte
5*

1
36 Die Pilgerſtraße.

ich ſie mehr als alle Geſchöpfe und ſie verdiente es ; da du ſie mir aber genommen haſt , jo ſei
Dein Name ewig geprieſen .“ * ) Doch ſollten die Werke des heiligen Ludwig nicht lange Stand
Halten ; denn der ägyptiſdie Sultan Bibars zerſtörte um das Jahr 1268 dieſelben ſo gründlich

und erfolgreich, daß im XVI. Jahrhundert die Stadt verwüſtet gefunden wurde . Sieben hundert

Jahre nach der Eroberung Jeruſalem'8 durch die Kreuzritter griff Napoleon Bonaparte Jafa
an und eroberte es. Im Jahre 1831 fiel es dem Ibrahim Paſcha und 1841 wieder der othma
niſdjen Pforte anheim . Ein folch' wechſelvolles Daſein theilen nur die größeren Städte Paläſtina's
mit Jaja , das durch ſeine Lage am Meere ihnen an Wichtigkeit gleich ſtand .

Ebene Sarona.

Von Jafa landeinwärts führt der Pilgerweg durch eine fruchtbare Gegend ; nachdem die

herrlichen Gärten der Stadt durchwandelt ſind , in die freie, weite Ebene Sarona , deren
Boden aus einem feinen weißen und rothen Sande von großer Fruchtbarkeit beſteht und außer

ſchönen Saatfeldern weite , mit Bäumen beſetzte Wieſen enthält, deren Blumenflor zur
Frühlingszeit der lieblicyſte Schmuck dieſer ſchon im hohen Lied und bei Iſaias gerühmten Land
ſchaft ift. **) Weiße und rothe Noſen , Anemonen, Narziſſen, Nelfen , weiße und gelbe Lilien und
eine Art duftenden Immergrüns zieren wie einen reichen Teppich die Erde ; von ihnen iſt die
Lilie Saron's bekanntlich in das Wappen der Kreuzfahrer und Frankreichs übergegangen . Die
Bewohner der Umgegend verſtehen aber das Anerbieten der Natur keinesweg8 zu benützen und

nach den Drangen - und Citronen - Pflanzungen Jafas zeigt ſich nirgends auch nur eine Spur
ſolcher Anlagen menſchlichen Fleißes . Daß diefes Land einſtens ein von Mildy und Honig fließendes
geweſen, bezeugen dieſe Spuren noch deutlich genug. An dieſe patriarchaliſche Zeit gemahnen die
Heerden ***) von Rindern , Pferden , Eſeln, Schafen und Ziegen mit langen herabhängenden Ohren,
bewacht von ſingenden und ſpielenden Hirten. An eine beſſere Vorzeit erinnern auch die meiſt
zerſtörten und verfallenen Brunnen -Anlagen 1) mit deutlichen Spuren ehemaliger Schönheit und
Zweckmäßigkeit. Die türkiſche Indolenz war nicht einmal vermögend, folche unſchätzbare Segeng
quellen in heißen Ländern zu erhalten . Gerade in foldh' paradieſiſcher Landſchaft macht ſich der
Abſtand der Menſchen und der Natur in traurigſter Weiſe offenbar ; denn ſo ſchön , fruchtbar
und ſegengvoll die Natur , ebenſo häßlicy, träge und elend erſcheint der Bewohner, ſeine Kleidung
und Wohnung . Lettere bilden dürftige Rehmhütten , welchen die Armſeligkeit in der Kleidung

ganz entſpricht. Würde in türkiſchen Landen eine geordnete Beſteuerung nach gerechten Gefeßen

*) Mislin die heil. Stätten II. 220.


**) Grat 175.
***) Geramb. I. 74.
+) Schiferle 128.
Ebene Sarona. 37

überhaupt begriffen und ausgeführt, ſo wäre nicht jeder Steuerbeitreiber im Stande nad Will

führ die ſchmutzigſte Habſucht geltend zu machen , ſo daß die Bewohner auch eines foldiges
ſegneten Landſtriches in Wohnung , Kleidung und Felderbeſigthum die größte Armuth theils
zur Schau tragen , theils wirklich herbeiführen durch den Mangel an Thätigkeit in der Be

bauung und Verbeſſerung der Boden- Erträgniſſe — alles um die Gier der Beamten nicht zu
reizen und völlige Plünderung abzuhalten . Dieſe würden die herumſtreifenden Horden ebenſo
bereitwillig vollziehen , falls die Raubgier der Tribut- Eintreiber nicht hinlängliche Kenntniß des
Beſites haben ſollte. Um ſo größer iſt das Bemühen dieſer Unterthanen türkiſcher Regierung,
Geld zu beſitzen, das ſich verbergen und vergraben , fomit den Augen und Händen aller Räuber

entziehen läßt . Es läßt ſich leicht begreifen , weldi' ein Grad von Cultur durd, derartige Mittel
erreicht wird . Zur Zeit der Kreuzzüge muß den Fuß der nahen Berge und Hügel noch ein
Wald bekleidet haben , denn hier im Walde Saron war König Richard von England einſt auf
der Jagd unter einem Baume eingeſdilafen .*) Plötzlich weckte ihn das Geſchrei ſeiner Gefährten,

welche eine Truppe Muſelmänner herankommen ſahen , den König zu überfallen . Er ſteigt auf's
Roß und ſetzt ſich in Vertheidigung : allein die Ueberzahl bewältigt ihn , ſo daß er dem Unter

gange nahe iſt. Da ruft der edle franzöſiſche Ritter Wilhelm von Pratelle: „Ich bin der Nönig,
rettet mein Leben “ ! Alſogleich drangen die Feinde auf ihn ein und nahmen ihn als den Rönig
gefangen , während Richard Joppe wieder erreichen konnte und zur Auslöſung dieſes treuen

Ritters mehrere von ihm gefangene Emire den Muſelmännern zurückgab. Daß zu dieſer Zeit,
als nämlich das Chriſtenthum in dieſem Lande blühte, Thätigkeit und Cultur herrſchte, beweiſen
die großen Ueberbleibſel jener Periode füdlich an der Meeresküſte gegen Askalon hin , indem

bei 3bna** ) (Jabne , Jamnia) , Sugheir, Esdod (Azotus) und beſonders füdweſtlich vom Dorfe
Askalan anſehnliche Ruinen ehmaliger Städte , Feſtungen , Brunnen und Kirchen anzutreffen
ſind , deren Material ſchon , der edlen Architektur nicht zu gedenken , traurig contraſtirt gegen
die jetzigen Lehmhütten genannter Ortſchaften.

Stadt Ramleh .

Nach einem in der Ebene Sarona zurückgelegten Weg von etwa vier Stunden gelangt

man an die Stadt Ramleh , von welcher der überragende vieredige Thurm ſchon in der Ferne
ſichtbar wird . Hier geht die Hauptſtraſſe von Damascus nach Gaza , der Küſte folgend, durch

und durchkreuzt die Jeruſalemer Straſſe. Dieſe erſt durch die Kreuzfahrer zu größerer Bedeutung
erhobene Stadt liegt jegt offen ohne Umfaſſungemauern auf einer ſanften Anſchwellung des
Bodens, nad jüngſter Meſſung 256/2 Pariſer Fuß über dem Meere und iſt von zahlreichen
Baumgruppen und Cactusgeſträuchen umgeben. Sie trägt beſonders von der Oſtſeite geſehen

*) Mislin II . 231 .
**) Tobler II. Wanderung 20, 25, 30 ff.
38 Die Pilgerſtraße.

eine orientaliſche Phyſiognomie, indem abwechſelnd Mauertrümmer , Kuppelgebäude , Minarets,


Palmen , Grabwälder mit blinkenden Denkmalen , Brunnen ſammt Waſſerbeđen begegnen und
über das Ganze ein wolkenloſer , blafblauer Himmel fich wölbt . Einen um ſo traurigeren Ein

druck machen die vielen Trümmer vergangener Blüthe bei dem herkömmlichen Schmuß der

Gaſſen. Seit dem XIII. Jahrhundert ward die Vaterſtadt des Joſeph *) , der heimlich ein
Jünger Jeſu war und dem Erlöſer die lette Ehre des Begräbniſſes erwies, ward Arimathäa in

Ramleh erkannt, da nad; des heil. Hieronymus Bericht**) Ramatha in der Nähe von Lydda
an der Straße von Joppe nad Jeruſalem lag . In dem Feſtungsähnlichen Franziskanerkloſter,
welches Philipp der Gütige, Herzog von Burgund , im Jahre 1420 ſtiftete, iſt eine Kapelle
dieſem Heiligen geweiht und ſoll das Kloſter an dem Orte erbaut ſein , wo einſt das Haus des
Sanchebriſten Joſeph von Arimathäa ſtand . Im Jahre 1099 erlag Ramleh den Kreuzfahrern,

weldie bald darauf den Biſchof Robert aus Rouen in der Normandie hier einſetzten, das Caſtell
befeſtigten und den Handel , welcher an den vier Hauptthoren gegen Jeruſalem , Joppe , Askalon
und Nabulus getrieben wurde, zu heben ſuchten. Für die Gläubigen , die von Joppe nach

Jeruſalem pilgern , iſt dieſe Stadt noch immer der gewöhnliche Raſtort, wozu das genannte

Hospiz der Franziskaner ohne Unterſchied des Bekenntniſſes und Landes bereitwillige Aufnahme
gewährt . Wie in Jafa verſehen auch hier nur wenige Patres den ſchönen Dienſt für die Pilger

und die kleine katholiſche Gemeinde; in jener Stadt fünf, in dieſer drei Ordensinänner , meiſt

Spanier und Italiener. Des Kloſters Kreuzgang iſt ein unvergleichlicher Schutz gegen die
brennenden Sonnenſtrahlen . Die beſcheidene Kirche für die katholiſche Gemeinde, die genannte
Kapelle des Heil. Joſeph von Arimathäa iſt mit Fresken aus dem Leben dieſes Heiligen , des
Patrons des Kloſters, geſchmückt. Ein kleiner Garten ***) iſt überſchattet von Palmen und einem

weit ausgebreiteten Weinſtock, durch welchen die Sonne nur an wenigen Stellen durchzudringen
vermag und dann zerſtreute Lichtplätzchen auf die fühle Erde wirft . Es iſt lukulliſcher Genuß,

auf der ſteinernen Bank zu ſitzen und ſich durch das ſanfte Rauſchen der Palmen und der Blätter
des Weinſtodes in Schlummer lullen zu laſſen , deſſen Wiege die tiefe Stille des Ortes iſt.
In dieſer Stadt ziehen uns öſtlich vom genannten Kloſtert) beſonders die ehrwürdigen Reſte

einer ehemaligen Kirche aus der Zeit der Kreuzfahrer an , welche in eine Moſchee verwandelt

ward . Sie findet ſich nur theilweiſe in leidlich baulichem Zuſtande; ringsum beſteht der größte
Theil aus Trümmern. Südlich ſcheint ein Kloſter geſtanden zu haben . Der weithin ſichtbare
viereckige Glockenthurm an der Weſtſeite bildet jetzt ein Minaret. Ueber dem Stockwerke mit

Spitbogen iſt das Fenſter des Glockenhauſe8 zugemauert, da ja der Ruf dieſer Sänger für die

*) Tobler Topogr. II. 803.


** ) Grat 366 .
***) Bartlett. Jerusalem revisit. 13.
+) Tobler III . Wanderung 67 ff.
5
Paul
WA

Georgs
St.
.Kirche
Lydda
Lydda und die St. Georgsfirdye. 39

Chriſten ſo bald verſtummen mußte . Thurm und Moſchee ſind aus Quadern von Kalkſtein
erbaut . Das Innere zeugt ebenſo deutlich von einer Kirche, wie das Aeußere mit den Spigs
bogenfenſtern und der Glockenthurm . Das Innere iſt ein Langſchiff ohne Kreuzarme; vorne
auf der Oſtſeite der leere Chor mit je einer Seiten - Niſche für ein Paar Nebenaltäre . Die aus
gekuppelten korinthiſchen Säulen beſtehenden Pfeiler , die in einer Reihe von Dſt nad Weſt
ziehen, theilen den Raum in drei Schiffe und ſtüßen das Dacy, welches der Länge nach gewölbt

iſt.Dieſe Pfeiler mit den Säulen gehören ohne Zweifel der arabiſchen Architektur in dieſen
Trümmern an . Der Haupteingang an der Weſtſeite neben dem Glockenthurine iſt der ſchönſte

Theil des Gebäudes und auch der beßt erhaltene . Das Portal im Spitzbogenſtyl von dönem
weißen Marmor iſt dem Eingangsthor der heil. Grabkirche zu Jeruſalem ähnlich und tragen
mehrere Säulchen den aus vielen Rundſtäben beſtehenden Thürbogen . Die Kirche hatte ein
über die Abſeiten aufſteigendes Hauptſchiff, war ſomit keine Hallenkirche mit drei gleich hohen
Schiffen. Die Chriſten nannten dieſe ehemals prachtvolle Kirche Johanneskirche . Die
Tempelherrn werden als deren ehemalige Wächter angegeben . Von dem hohen Thurme genießt
man die ſchönſte Ausſicht in die Ebene Saron , in das Gebirge Juda und auf das mittelländide

Meer. Die gegen Südoſt hervortretenden Berge haben meiſt kegelförmige Geſtalt und gegen

Jeruſalem hin erſcheinen die Schichtungen des Kreidegebirgslagers immer deutlicher.

Lydda und die St. Georgskirche.

Dreiviertelſtunden nördlich von Ramleh liegt das Städtchen lydda , deſſen Umfang
anderthalb Viertelſtunden beträgt. Im Bazar wird man weit minder vom Sdymuße abges

ſtoſſen als in Ramleh , das heutzutage auch weniger bevölkert ſein ſoll. Die Wunderthätigkeit

des Apoſtels Petrus in dieſer Stadt, die Heilung des Aeneas ward in der Geſchichte Jafa's
bereits erwähnt. Hier ſei vor Allem den noch glorreichen Reſten der St. Georgskirche

Aufmerkſamkeit gewidmet. Dieſe Pracytruinen , ſchreibt T. Tobler *) , ſtaunt der Chriſt nocy
heute tief ergriffen an . Die Chriſten brachten des hl . Blutzeugen Georgius ' Ueberreſte von
Nikomedien, wo derſelbe unter Diokletian und Marimian den Martyrtod geſtorben, nach Lydda,

ſeiner Vaterſtadt. Schon Iuſtinian **) erbaute über deſſen Grabe eine prachtvolle Kirche, die
von Saladin 1191 zerſtört durch den regen Eifer der , Gläubigen jetody bald wieder hergeſtellt

ward . Im XIV . Jahrhundert bewunderte man dieſer Kirche Herrlichkeit , während ſie 1483

ſchon im Verfall gefunden wurde . Jegt ſieht man von derſelben noch einen ſchönen Theil des
Chors gegen Dít, der im Spitzbogen gewölbt von bedeutender Höhe erſcheint und ſüdlich für
einen Nebenaltar , wie die Kirche zu Ramleh , eine Niſche hat. Arkaden - Bögen und Fenſter

wölbungen ſind im Rundbogen gebildet . An den Pfeilerkern legen ſich hohe Mittelfäulen mit

*) Ebend. 70.
**) Gray 307.
40 Die Pilgerſtraße.

forinthifirenden Kapitälen . Die Breite der Kirche beträgt im Lichten 78 Fuß , wovon 36 Fuß

auf das Innere des Mittelſchiffes treffen . Der Bau dürfte zu den Normaniſchen des XIII..
Jahrhunderts gezählt werden , mit deren Styl dieſe Formen zunächſt verwandt ſind. Das

Ganze macht für den Chriſten einen ſchmerzlichen Eindruck , indem ſich beim Anblick ſolch impo

ſanter Majeſtät früherer Blüthe des Chriſteuthums die erſte Bewunderung in tiefe Wehmuth
verwandelt – eine Stimmung des chriſtlichen Gemüthes , welche die ganze jezige lage dieſes

bevorzugten Landes in immer neu wiederholten Weiſen faſt gewaltſam hervorruft. Niemand

aber will in jetziger Zeit dieſen Klageruf verſtehen und einſam trauernd ragen die edlen Trümmer

chriſtlicher Glaubenskraft über die gegenwärtige Armſeligkeit der Umgebung hinweg und empor
gegen den Himmel, dem das ſtarke Geſchlecht der Erbauer auf dieſen Schwingen zuſtrebte .

Weg über Abu -Ghoſd nach Jeruſalem .

Auf dem Wege von Rainleh nach Jeruſalem fällt in dem Dorfe Abu - Ghojd der

nod) wohl erhaltene Neſt einer durchaus im Spitzbogen erbauten , kleinen Kirche aus den Zeiten
der Kreuzfahrer auf. *) Auch dieſe Kirche iſt von Oſt nac , Weſt der Länge nad , hingeſtreckt,

und hat das Portal an der Weſtſeite. Das Mittelſchiff ragt mit einer Reihe von Fenſtern

über die Abſeiten empor. — Die Saumſtraße geht gegen die hl . Stadt aufwärts und iſt die alte

Pilgerſtraße nody ſichtbar, weldie aus kleinen eckigen Steinen zwiſchen Reihen größerer Stein
platten beſteht. Ein Wagengeleiſe iſt nirgends wahrzunehmen . Wahrſcheinlich war ſeiner Zeit

die Straße gepflaſtert, während jegt eine Menge Gerölle , hie und da treppenförmige Uneben

heit die Wanderung mühſam und gefährlich madyt. Von der wellenförmigen Ebene geht es

durch die Gebirgsſchluchten und Thäler dem Ziele der Pilgerfahrt zu . War bis zum Ende der

Ebene die Gegend belebt und ziemlid, bebaut , ſo erhält ſie ein ſkelettartiges Ausſehen beim
Beginn des Gebirges von Iudäa , da nichts als Stein und Felſen vor Augen und zu Füſſen

iſt. Auf einzelnen die Gegend beherrſchenden Höhen bliden die Ruinen **) der Wartthürme aus
der Periode der Kreuzzüge hernieder zerbrochene Kronen fürſtlicher Höhen ! An den ſteilen

Felsabhängen Klettern Ziegen umher. Die Hirten in ſchmußigem halbgelben Hemde , mit dem

Turban auf dem Kopfe und ledernen Sandalen zum Schutze der Füſſe gegen die ſpitzigen Steine

ſind mit Flinten bewaffnet und beweiſen , daß in Folge unvergleichlicher Regierung des Landes
das löbliche Fauſtreckt im Sawange iſt, deſſen Bedeutung die Ermordung ***) zweier fränkiſcher
Bauern vor Kurzem wieder in's Gedächtniß der Abendländer rief. Dieſelben ſind außer den

Städten ohne klöſterlichen Zuſammenhang Angriffen der Art ausgeſegt, wie Frig Steinbeck, der
ein Landhaus eine halbe Stunde von Jafa bewohnend im Jänner 1858 Nacht: von ſechs Perlen

*) Tobler Ebend . S. 74.


**) Sdiferle 151 .
***) Tobler Ebend . 445 u. Note 1 vgl. Vorrede. V.
Weg über Abu - Ghoſdy nach Jeruſalem. 41

plöglich überfallen , und ſammt ſeinem Schwiegervater ermordet wurde . Daß die Schuldigen
wenigſtens aufgeſucht wurden , dazu bedurfte es kräftiger Verwendung des amerikaniſchen und

preußiſchen Konſuls ! Die Hirten ſind alſo keineswegs kindiſchen Vergnügens wegen bewaffnet !
Die Berge werden immer öber und nackter.*) Selbſt die Thäler ſind großentheils leer

von Vegetation , wie eine Felſenwand. Iſt ein Berg überſtiegen , ſo hat man gegenüber wieder

einen ebenſo hohen oder noch höheren . Wenn man dem Gebirge in die Flanken ſchaut, ſo zeigt

es alle Farbenſtufen, welche ein Gebirg traurig machen, grau, braun und todtenblaß . Nach einem

Ritt von mehr als 10 Stunden iſt endlich der letzte Berggipfel erreicht da taucht die er

fehnte freundliche Spiße des Delberges empor, im Süden zeigen ſich die Berge von Betýlehem,
im Oſten die Moabitergebirge am todten Meere und nun , noch etwas weiter über wild umher

liegende Felſenmaſſen und Steinhaufen hinweg geſchritten, liegt die heilige Stadt, liegt Jeruſalem
vor Augen , bei deſſen Anblick die Kreuzfahrer zur Erde fielen und unter Thränen Gott für

wehmuthsvoller Eindruck iſt für das Anblid


dieſen glücklichſten Augenblick des Lebens dankten . Ein
Jeruſalem's.
chriſtliche Herz mit dem Anblick dieſer ewig denkwürdigen Stadt verbunden .**) Du biſt nun

verlaſſen , hochgeprieſene Tochter Sion'8 ! Der Pſalmiſt wünſchet dir : Es müſſe Friede ſein
in deinen Mauern und Glück in deinen Paläſten ! Aber es frägt dein Prophet , der ſo erſchüt

ternd dich beklagt hat : ,, Wer will ſich denn Deiner erbarmen , Jeruſalem ? Wer wird denn

hingehen und Dir Frieden ſchaffen ?" (Jerem . XV. 5.)


Jeruſalem iſt die ewige Stadt und mit unauslöſchlichen Zügen iſt in ſie eingegraben
des lebendigen Gottes Rathidhluß und Verwerfung.

Ein Bild des größten Ernſtes entrollt ſich vor unſrem Geiſte beim Anblicke dieſer Stadt
– ein Bild erſchütternder Gewalt, deßgleichen keines 'dem menſdlichen Geſchlechte begegnet beim
Einblicke in ſeine Geſchichte !

*) Stolz Veſuch bei Sem, Cham und Iaphet I. 138.


**) Prokeſch von Oſten 122.

6
Jeruſalem , die ewige Stadt.

Das Gericht Gottes über Jeruſalem .

Prophet Daniel.

Und es wird getödtet werden Chriſtus und nicht wird ſein Volk ſein, daß ihn
verleugnen wird.

Und die Stadt und das Heiligthum wird verwüſten ein Volk mit ſeinem heran
kommenden Fürſten .

Und das Ende davon iſt Verwüſtung und nach des Krieges Ausgang die feſt

geſetzte Verödung .

Und aufhören wird Gabe und Opfer und im Tempel wird herrſchen der

Gräuel der Verwüſtung und bis zur Vollendung und bis zum Ende wird andauern

die Verödung. IX. 26.

Jeſus Chriſtus.

Und als Jeſus hinzukam und die Stadt fah, weinte er über ſie und ſprach :

Wenn du es doch erkennen würdeſt , und zwar an dieſem deinem Tage , was

dir zum Frieden dient !

1
Die Zerſtörung. 43

Nun aber iſt dieß vor deinen Augen verborgen .

Denn es werden Tage kommen über dich und deine Feinde werden einen
Wall um dich herum aufwerfen und dich ringsherum einſchließen und ängſtigen von
alen Seiten .

Und ſie werden dich und deine Kinder , die in dir ſind , zu Boden werfen

und werden in dir keinen Stein auf dem andern laſſen darum daß du die Zeit

deiner Heimſuchung nicht erkannt haſt.

Da Einige von dem Tempel ſagten, daß er geſchmückt ſei mit ſchönen Steinen

und Opfergaben , ſprach er :

Es werden Tage kommen , da von dem , was ihr hier ſehet , nicht ein Stein

auf dem andern gelaſſen wird, der nicht zerſtört würde .

Wenn ihr aber ſehen werdet , daß Jeruſalem mit Kriegsheeren umgeben iſt,

alsdann wiſſet, daß ihre Verwüſtung nahe ſei.

Alsdann fliehe, wer in Iudäa iſt, auf die Berge ; wer in der Stadt iſt, eile

hinaus ! und wer in der Gegend ringsherum iſt, der gehe nicht wieder in dieſelbe hinein.

Denn dieß ſind die Tage der Radhe, wo Ales erfüllt wird , was geſchrieben

ſteht.

Es wird große Bedrängniß über dem Lande ſein und ein Zorngericht über
dieſes Volk.

Und ſie werden durch die Schärfe des Schwertes fallen und unter alle Völker

gefangen fortgeführt werden , und Jeruſalem wird von den Heiden zertreten werden

bis die Zeiten der Völker erfüllt ſein werden.

Jeruſalem ! Jeruſalem ! die du die Propheten mordeſt und ſteinigeſt Fene , die

zu dir geſandt ſind !

Wie oft habe ich deine Kinder ſammeln wollen , wie eine Henne ihre Jungen

unter ihre Flügel fammelt ; du aber haſt nicht gewollt!

Sehet ! Euer Haus wird Euch öde gelaſſen werden ! Luc. 19, 41 ff. 21, 5 ff. 13, 34 ff.

Die Zerſtörung.

Nach Eroberung der zweiten Stadtmauer begann Titus die dritte anzugreifen . Obwohl

Titus nicht mehr zweifelte, Herr des Playe8 zu werden, bemühte er ſich dennoch, die Juden zur

Vernunft und Unterwerfung zu bereden . Er erſah dazu den Joſephus aus , den er fähiger als
6*
Jeruſalem , die ewige Stadt.

jeden andern hielt, ſie zu überreden , da er von ihrer Nation wäre und daher in ihrer Sprache
zu ihnen reden könnte . Allein auch dieſer vermochte wider die Aufrührer nichts. Das Volk

jedoch neigte ſich zur Uebergabe . Ein Theil verkaufte ſeine liegenden Güter zu Spottpreiſen,
Andere ihre Roſtbarfeiten und verſchluckten dann die gelöſten Goldſtücke , damit ſie nicht den

Räubern in die Hände fielen ; ſie hatten dann , wenn ſie dieſelben nach ihrem Uebergang zu
den Römern wieder von ſich gaben , genug für ihre Bedürfniſſe . Titus entließ die Meiſten,
wohin jeder wünſchte, was ſie noch mehr zum Uebergang ermunterte, da ſie ſo von den Uebeln
in der Stadt befreit wurden , ohne Sclaven der Römer zu werden . Die Anhänger des Jo
hannes und Simon aber wachten mehr über ſolche Abfälle als über die Stürme der Römer,

und wer nur im geringſten in Verdacht gerieth, wurde ſogleich getödtet.


Den Vermöglichen war übrigens das Dableiben ebenſo verderblich als die Flucht; denn
unter dem Vorwand des Abfalls wurden ſie ihres Reichthums wegen ermordet. Mit der

Hungersnoth ſtieg die Wuth der Aufrührer auf's Aeuſſerſte. Mangel und Zudytloſigkeit wuchs
Tag für Tag. Deffentlich war nirgends mehr Getreide zu haben ; ſie drangen daher in die

Häuſer, durchſuchten ſie und ſchlugen, wo ſie etwas fanden , die Hausbeſitzer ſchrecklich, weil ſie
es verheimlicht, fanden ſie aber nichts, ſo peinigten ſie dieſelben , weil ſie es auzuſorgfältig ver

ſtedt hätten . Das Ausſehen der Unglücklichen mußte zum Beweis dienen , ob ſie noch Lebens
mittel befäßen oder nicht; waren ſie ſtark und geſund , jo ſdhloß man bei ihnen auf Vorrath,
die Siechenden dagegen ließ man ungefährdet , weil ſie ohnedieß bald Hunger8 ſterben würden.
Viele gaben ihr Vermögen hin , die Reichen um einen Schäffel Korn , die Armen um einen

Schäffel Gerſte; mit dieſem Schatz zogen ſie ſich in die verborgenſten Winkel ihrer Häuſer
zurück, und verzehrten von Heißhunger getrieben , das Getreide zum Theil ungemahlen , zum
Theil machten ſie Brod daraus , wie es Noth und Furcht erlaubte . Ein Tiſch wurde nirgends

mehr gedeckt, ſondern noch roh riß man die Speiſen aus dem Feuer.
Bedauernswerth war die Koſt und thränenwerth der Anblick; die Starken hatten Ueber

fluß, die Schwachen jammerten . Aller beſſeren Gefühle ſpottet der Hunger , vor Adem aber
geht durd, ihn die Liebe zu Grunde. Frauen entriſjen den Männern , Kinder den Eltern,
Mütter wie ſchrecklich ihren eigenen Kindern die Speiſen aus dem Munde ; den in ihren

Armen hinwelkenden Säuglingen ſcheuten ſie ſich nicht den legten Tropfen Milch wegzunehmen.
Aber ſelbſt eine ſolche Koſt fonnten ſie nicht genug verbergen. Ueberall lauerten die Aufrührer
um ſie ihnen zu entreiſſen. Sahen ſie ein Haus verſchloſſen , fo galt dieſ für ein Zeichen,
daß die drinnen etwas verzehren ; ſie ſprengten die Thüren, und riffen ihnen die Stücke beinahe

aus dem Rachen . Greiſe, welche die Lebensmittel mit den Zähnen feſthielten , wurden geſchlagen,
und Frauen , welche ihren Beſitz verbergen wollten , an den Haaren gezerrt. Kein Alter und

keine Jugend wurde verſchont, Kinder , die an ihrem letzten Biſſen hiengen , hoben ſie auf und
ſchlugen ſie auf den Boden . Waren ihnen aber die Unglücklichen ſchon zuvorgekommen und
hatten ihre Speiſen zuvor verzehrt , ſo behandelten ſie dieſelben noch grauſamer , als wären ſie
Die Zerſtörung. 45

dadurch übervortheilt. Foltern ſchrecklicher Art erfanden ſie, um Lebensmittel auszuforſchen . Sie
verſtopften den Opfern ihrer Wuth die Deffnungen der Schaam mit Erbſen , und ſtachen ſie
mit ſpißigen Stäben in das Geſäß . Schauberhaftes erduldete Mancher, damit er ein Brod

verrathe , und eine Handvoll verſtecktes Mehl anzeige. Dabei litten die Quäler feinen Mangel,
es wäre weniger grauſam erſchienen , wenn Noth ſie dazu getrieben hätte ; ſondern um ſich
im Frevel zu üben und Vorrath für die Zukunft aufzuhäufen , wütheten ſie ſo . Viele arme

Bürger ſchlichen ſich Nachts bis an die römiſchen Poſten , um Feldfrüchte und Kräuter zu
ſammeln ; allein wenn ſie den Feinden entkommen zu ſein glaubten , fielen ſie ihren eigenen

Leuten in die Hände, dieſe nahmen ihnen alles, und ſo viel ſie auch flehen und bei dem unaus
ſprechlichen Namen Gottes beſchwören mochten , daß ihnen wenigſtens etwas gelaſſen werde : fo
durften ſie doch von allem , was ſie ſich mit Lebensgefahr geholt hatten , gar nichts behalten ;
ein Glück war es, wenn die Beraubten nicht noch dazu getödtet wurden .
Solche Mißhandlungen erduldeten die Geringeren von den Trabanten der Tyrannen ;
die Angeſeheneren und Reichen wurden vor dieſe ſelbſt geſchleppt, die Einen tödtete man auf

erlogene Anklagen von Nachſtellungen hin, die Andern, als ſännen ſie auf Verrath ; die gewöhn
lichſte Anklage war , ſie hätten beſchloſſen überzugehen . Wen Simon ausgeplündert hatte , der
wurde zu Johannes, wen Johannes, der wurde zu Simon geſchleppt. So tranken ſie ſich gleich
jam das Blut der Bürger zu , und legten ſich die zerſtückelten Leichname vor. Ueber die
Herrſchaft entzweit , waren ſie zu Frevelthaten vereint ; wer von Beiden den Andern an dem

Frevel wider fremdes Gut nicht Theil nehmen ließ, galt für ausbündig ſchlecht ; wer nicht daran
Theil bekam , grollte über eine ſolche Entziehung der Gelegenheit zu Grauſamkeiten , wie über
ein verlorene8 Gut.

Im einzelnen ihre Frevelthaten aufzuzählen iſt unmöglich ; um es kurz zu ſagen , keine

Stadt hatte je fo viel zu erdulden , und kein Geſchlecht hat es je ſo weit


in der Schlechtigkeit gebracht. Endlich fluchten ſie auch dem jüdiſchen Stamm , um
weniger ruchloß zu ſcheinen gegen Fremde ; ſie bekannten ſich dazu , was ſie waren , Sclaven zu

ſein , die Hefe des Volkes und eine Mißgeburt ; ſie waren es , die der Stadt den Untergang
brachten , aber ſie zwangen die Römer , einem traurigen Siege den Namen zu leihen und

ſchleppten gleichſam das zögernde Feuer in den Tempel. Ruhig ſahen ſie denſelben von der
obern Stadt aus brennen , ohne Schmerz, ohne Thräne ; ſo viel Gefühl fand ſich nur bei
ben Römern.

Die Belagerung ging nun raſch vor ſich , obgleid; die Soldaten von der Mauer her
viel litten. Titus ſchickte eine Reiterabtheilung in die Thalausgänge , um den Streifpartheien,

welche Proviant ſuchen wollten , aufzulauern. Es waren einige der ſtreitbaren Aufrührer da
runter , die ſich nicht mehr mit ihrem Raube begnügten , im Uebrigen meiſt armes Volk, das
nur die Furcht um die Seinigen vom Ueberlaufen zurüchielt. Denn gingen ſie mit Weib und

Kind über , fo durften ſie nicht hoffen , vor den Aufrührern verborgen zu bleiben ; dieſelben das

1
46 Jeruſalem , die ewige Stadt.

gegen zurückzulaſſen und dem gewiſſen Tode unter den Mörderhänden Preis zu geben, vermoch

ſie doch auch nicht über ſich. Der Hunger zwang ſie zuletzt aus der Stadt herauszukommen ;
ihr einziger Ausweg war nun , ſich in der Stille von den Feinden gefangen nehmen zu laſſen.
Wurden ſie ergriffen , ſo wehrten ſie ſid, aus Furcht vor der Hinrichtung zur Noth , und nach
der Gegenwehr ſien es ihnen zu ſpät um Gnade zu bitten . Dann wurden ſie gegeißelt,
durch alle erdenklichen Foltern gezogen und im Angeſicht der Mauer
gekreuzigt . Titus ſah es mit Schmerz, wie an einem Tage 500 und oft noch mehr gefangen
wurden , doch hielt er es weber für ſicher , die mit Gewalt Eingebrachten zu entlaſſen , noch für

möglidy, ſo Viele zu bewachen . Hauptſächlich ließ er es wohl darum geſchehen , weil er hoffte,
daß die Andern ſich ergeben würden, wenn ſie fähen , was ihrer Hartnäckigkeit bevorſtehe. Die
Soldaten nagelten aus Haß und Erbitterung zum Hohne den Einen ſo , ben
Andern anders an ; wegen der Menge fanden die Kreuze nicht Raum , und die
Gefangenen nicht Kreuze genug .
Die Aufrührer , weit entfernt durch dieſe Strenge andern Sinnes zu werden , brachten

es durch Liſt dahin , daß jenes Verfahren auch bei der Menge die beabſichtigte Wirkung ver
fehlte. Die Verwandten ' der Ueberläufer und die Anhänger der Friedensparthei wurden auf
die Mauer geſchleppt, und nun zeigte man ihnen, was ſie für ihr Entweichen von den Römern
zu erwarten hätten . ,, Denn nidyt Kriegsgefangene, fondern Guadeflehende ſeien die, welche hier
am Kreuze hiengen ." Dieß hielt wirklich Manche vom Entweichen zurück , bis die Wahrheit
bekannt wurde. Viele entliefen indeß ſogleich, weil ſie eine ſichere Beſtrafung , den Tod von
Feindeshand , im Vergleich mit dem langſamen Hunger , als eine Erlöſung anſahen . Einigen
von ihnen ließ Titus die Hände abhauen , damit ſie um dieſer Behandlung willen nicht für

Ueberläufer gelten und Glauben fänden, und ſdrickte ſie dann an Simon und Johannes mit der
Warnung : „Jetzt ſollten ſie einmal aufhören und ihn nicht zur Zerſtörung der Stadt nöthigen :
Reue im legten Augenblic werde ihnen das Leben , die herrliche Vaterſtadt und den Tempel
unverkümmert erhalten .“ Dann beſichtigt er die Dämme und trieb die Soldaten an , um den
Worten ſogleich mit der That nachzukommen .

Da er es zu ſchwierig fand, den Austritt aus der Stadt zu verhindern, ſo ließ er um


dieſelbe eine Mauer aufführen , deren Umkrei835 Stadien hatte mit

13 befeſtigten Pläßen. Dieß große Werk wurde , was unglaublich ſcheinen möchte, in
3 Tagen begonnen und vollendet. Den Juden war jetzt mit der Möglichkeit, aus der Stadt zu .
kommen , die letzte Hoffnung abgeſchnitten ; der Hunger, der immer wilder wüthete, fraß das Volk
Häuſer - und Familienweiſe weg . Die Dächer lagen voll von verhungerten Weibern und Kin

dern , die Gaſſen von todten Greifen . Knaben und Jünglinge wankten wie Geſpenſter durch
die Straßen und fielen , wo einen die Tobe8noth traf. Verwandte zu beerdigen , vermochten

die Schwachen nicht, und die noch kräftigen ſcheuten ſich vor der Menge der Leichen und ihrer .
eigenen Gefahr. Denn Viele ſtarben auf den Todten, die ſie beerdigen wollten. Viele ſchleppten .
Die Zerſtörung. 47

ſich noch vorher ſelbſt zu den Gräbern , ehe der Tod ſie erreichte. Meine Thräne , keine Alage
folgte dem Verluſt. Der Hunger machte das Gefühl verſtummen. Mit trockenen Augen , mit
offenem Munde ſchauten ſie halbentſeelt die Verſtorbenen an , die vor ihnen zur Ruhe ge

kommen . Tiefes Sdweigen herrſchte in der Stadt , eine Todegnacyt ; nod ) ſchredlicher waren
die Räuber. Sie gruben die Leichen in den Häuſern aus , riſſen ihnen die Hülle vom Leibe .
und liefen mit Lachen davon . Ihre Dolchſpiten prüften ſie an den Leichnamen und durch

bohrten noch lebende Kranke, zur Probe des Eiſeng . Wer um den Tod aus ihrer Hand flehlte,
den überließen ſte höhnend dem Hunger. Einzelne Sterbende blidten ſtarr nach dem Tempel auf,

wo ſie die Aufrührer lebend zurüdfließen. Anfangs ließen zwar dieſe die Todten auf öffentliche

Koſten beerdigen , weil ſie den Geruch nicht ertrugen ; nachher , als man mit dem Einſcharren
nicht fertig wurde, warf man die Leichen über die Mauer in die Schluchten .

Da Titus dieſe beim Herumgehen voll Todter und den Eiter der verfaulten leichname
fließen ſah, ſeufzte er, redte die Hände aus, und rief Gott zum Zeugen an, daß dieß nicht ſein
Werk ſei.

Einige Ueberläufer ſprangen in der Noth von der Mauer , Andere gingen mit Wurf

ſteinen , wie zum Kampfe hervor und flohen dann zu den Römern . Solche fanden jedoch ein
ſchlimmeres loos, als das war, welches die Stadtbewohner erlitten ; denn der Ueberfluß bei den

Römern verurſachte ihnen ſchneller den Tod , als ihr vorheriger Mangel. Sie kamen vom
Hunger aufgedunſen, wie Waſſerſüchtige; dann füllten ſie ſich gierig die leeren Bäuche und alle
barſten, die nicht vorſichtig die Gier bezähmten und dem verdauungsunfähigen Magen nur lang

ſam Speiſe' zuführten . Allein noch traf die Geretteten eine andere Plage . Im Lager der

Syrer ertappte inan einen Ueberläufer , wie er aus ſeinem Rothe Goldſtücke auflas. Sie hatten
dieſelben , wie geſagt , vor dem Weggehen verſchlungen , weil die Aufrührer Alles ausſpürten ;
und Goldes war genug in der Stadt. Um fünfundzwanzig Attiken kaufte man, was ſonſt zwölf

gekoſtet. Da nun die Liſt einmal entdeckt war , lief das Gerücht ſchnell durch das Lager , die
Ueberläufer ſeien mit Gold gepfropft. Syrer und Araber ſchnitten jetzt den Flüchtlingen die

Bäuche auf und ſuchten nach Schäßen . Aergeres als dieſe Qual , iſt wohl den Juden nichts
begegnet. In einer Nacht wurden gegen 2000 aufgeſchnitten .
Sobald Titus dieſe Scheußlichkeit erfuhr, hatte er gute Luſt, mit der Reiterei die Thäter

zu umzingeln und niederſtoßen zu laſſen ; nur die Menge hielt ihn ab , denn es waren weit

Mehrere zu ſtrafen , als umgebracht wurden . Er ließ daher die Anführer der Hilføvölker und
der Legionen zuſammenrufen (denn auch von den römiſchen Soldaten waren Einige verdächtigt),
und fragte ſie mit Entrüſtung : ob ſeine Soldaten, um eines unſichern Gewinns willen, ſo etwas
thun könnten , und ſich nicht ſchämten vor ihren Waffen , die von Gold und Silber ſtroßen ?
Die Araber und Styrer aber fuhr er noch beſonders an : ,,alſo in einem euch fremden Kriege

wollt ihr erſt eurer Gier den Zügel ſchießen laſſen und dann die Schande eurer Mordluſt und

eures Judenhaßes auf die Römer überwälzen ? Denn wirklich fällt die Schmach auch auf Einige
48 Jeruſalem , die ewige Stadt .

meiner Soldaten ! " Jenen drohte er mit dem Tod , wenn wiederum einer auf einer ſolchen

That ertappt würde ; den Legionen aber befahl er , die Schuldigen auszuſpähen , und vor ihn zu
führen . Allein die Geldgier achtet, wie es ſcheint, keiner Strafe; dieſe Sucht iſt dem Menſchen

angeboren , keine Leidenſchaft wird ſo raſend , wie der Geiz . Andere Begierden finden ihr na

türliches Ziel, oder laſſen ſich durch Furcht einſchränken. Freilich war Gottes Finger im Spiele,
der den Untergang des Volks beſchloſſen hatte und jeden Weg des Heils zum Verderben kehrte.

Was Cäſar drohend verboten , wurde fortan heimlich an den Ueberläufern verübt. Die Bar
baren ſdhladiteten die Entwichenen vorweg , eh ſie Iemanden begegneten . Spähend , ob nicht

ein Römer zuſehe, ſchnitten ſie ihnen die Bäuche auf und zogen den blutigen Gewinn aus den

Eingeweiden . In Wenigen fanden ſie etwas ; die Meiſten wurden das Opfer eitler Hoffnung.
Viele , die ſonſt übergegangen wären , hielt die Furcht vor dieſem Unglück in der Stadt zurück.
In der Stadt ſtarb während deſſen eine Unzahl Menſchen den Hungertod; unbeſchreib
liches Elend herrſchte daſelbſt. Um jedes Haus , wo nur ein Schatten von Nahrungsmitteln
ſich zeigte , wurde gefämpft , die vertrauteſten Freunde gingen einander zu Leibe , um ſich die

armſeligſte Friſtung des Lebens zu entreißen. Selbſt der Tod galt nicht für einen Zeugen des
Mangels . Schon halb Entſeelte durchwühlten die Räuber, ob ſie nicht etwa Nahrung im Buſen

bergend , ſich blos den Anſchein von Sterbenden gäben . Mit aufgeriſſenem Munde , wie tolle
Hunde, irrten und ſchweiften ſie umher. Wie Betrunkene ſchlugen ſie Thüren ein, und rathlos
rannten ſie in Einer Stunde oft zwei und dreimal in das nämliche Haus. Noth brachte ihnen
Alles unter die Zähne , und was ſelbſt die ſchmutzigſten Thiere nicht anrühren , laſen ſie auf

und verſchlangen es . Gürtel und Schuhe griffen ſie zuletzt an, zogen das leder von den Schilden
und fraßen es gierig . Mandje ſogar jättigten ſich von den Ueberreſten verdorbenen Heues ;
Fleiſchfaſern, die man auflas, wurde das kleinſte Gewicht zu vier Drachmen ( einem Reichsthaler)

verkauft. Dody was brauche ich die (damloſe Gier, mit welcher der Hunger über lebloſe Dinge
herfiel zu ſdildern ? Ich will eine Geſchichte erzählen, dergleichen es gewiß unter Hellenen und

Barbaren keine gibt , ſchauervoll und unglaublich . Gerne hätte ich dieſen Vorfall übergangen,
um nicht vor der Nachwelt als Märchenkrämer zu erſcheinen , wenn ich nicht unzählige noch

lebende Augenzeugen hätte. Auch würd' ich meiner Vaterſtadt einen ſchlechten Dienſt erweiſen,
wenn ich das Aergſte, was ſie erbuldet hat, verídywiege.
Eine Frau aus dem jenſeitigeu Jordangebiet , Maria , die Tochter Eleazars aus dem

Dorfe Bethyſop, ausgezeichnet durch Geburt und Reichthum , war mit der übrigen Menge nach

Jeruſalem geflohen. Während der Belagerung entriſſen ihr die Wütheriche all ihre von
Peräa mitgebrachten Schätze. Die Reſte ihrer Kleinodien und was etwa nody von Lebensmitteln

zum Vorſchein kam , raubten die Trabanten der Tyrannen , die täglicy ins Haus einbrachen .

Die Frau ſah ſich in grenzenloſe Noth verſetzt, und reizte abſichtlich durch Schymähungen und
Verwünſchungen die Räuber gegen ſich ſelbſt. Als aber keiner ihr aus Wuth oder Mitleid den
Tod geben wollte , als ſie es ſatt hatte für Andere Lebensmittel zu ſuchen , und gänzlich ver
Jeruſalem , die ewige Stadt. 49

zweifelte, überhaupt Speiſen zu finden , als der Hunger ihr in Mark und Eingeweiden wüthete,
und noch raſender als der Hunger die Erbitterung ſie entflammte: nahm ſie den Zorn und
die Noth zu Rathgebern und ſchritt zum Unnatürlidhen. Sie ergriff ihr Rind, einen Säugling,

und ſprach über ihn : „ Unglückſeliger Anabe, warum ſollte id) dich unter Aufruhr, Hunger und
Krieg erhalten ? von den Römern haſt du , wenn wir am Leben bleiben , nur nechtſchaft zu

erwarten . Aber vor der Knechtſchaft hat der Hunger dich erreicht, und vor dem Hunger der

Wütherich. Wohlan, ſei meine Speiſe, ein Rachegeiſt den Empörern, der Welt eine Fabel, nur
dieß allein fehlte noch zu dem Jammer der Juden !" Mit dieſen Worten tödtet ſie den Sohn ,

brät ihn , und verzehrt die Hälfte , indem ſie die andere zudeckt, verbirgt und aufbewahrt.
Schnell waren die Empörer da, gierig den frevelhaften Gerud) einſaugend , drohen ſie ihr mit

augenbliclidjem Tode , wenn ſie nicht entdecke, was ſie bereitet. „ Ia ! ein ſchönes Stück habe
ich für euch aufbehalten ,“ rief fie und deckt die Ueberreſte von dem Knaben auf. Schauber und

Erſtarren befiel die Menſchen, wie vom Scylage gerührt, ſtanden ſie da . Da ſprach ſie weiter :
„ Mein iſt das Kind , mein iſt aud; die That : eſſet, audy ich habe gegeſſen . Seid doch nicht
weicher , als ein Weib , nicht gefühlvoller, als eine Mutter . Hegt ihr aber wirklich ſo fromme

Gefühle und ſchaudert euch vor meinem Opfer, fo wiſſet, daß ich, da ich ſchon die Hälfte verzehrt,
nun auch die andere Hälfte genießen will . " Zitternd liefen die Soldaten davon , nur in dieſem

einzigen Stücke ſchwady, uud doch ließen ſie der Mutter eine ſolche Mahlzeit nur ungern . Die ganze
Stadt war bald voll von dieſem Gräuel : Jedermann ſchauderte , wenn er ſich dieſe That vor

ſtellte , als hätt er ſie ſelbſt verübt. Jählings gaben ſich die Verhungernden den Tod und
prieſen die Vorangegangenen glücklich, daß ſie nicht ſolchen 3ammer erlebt.

Auch zu den Römern verbreitete ſich das Gerücht; die Einen glaubten es nicht, Andere

entſetten ſid ); bei den Meiſten erzeugte es nur noch größeren Haß gegen die Juden . Cäſar
rechtfertigte ſich von Neuem vor Gott. „ Friede und Unabhängigkeit und Verzeihung aller ihrer

Gräuel, " rief er , „ habe ich den Juden zugeſichert, aber Aufruhr ſtatt Eintracyt , Arieg ſtatt
Frieden , Hunger ſtatt Wohlſtand und Ueberfluß haben ſie erforen , und mit eigenen Händen

das von mir verſchonte Heiligthum angezündet. Sie allein tragen die Schuld auch dieſes Frevels .
Ich wil den Gräuel des Kinderfraßes mit den Trümmern der Stadt bedecken , die Sonne ſoll

nicht fürder eine Stadt beſcheinen , wo Mütter alſo ſich nähren . Eher noch , als die Mütter,

hätten die Väter eine ſolche Speiſe verdient, weil ſie ſelbſt nach folchem Elend die Waffen nicht
niederlegen .“ So ſprad) er und dachte bei ſich nach über die Macht der Verzweiflung. Er jah

wohl , daß die Juden keine Vernunft mehr annehmen würden , nachdem ſie Alles erduldet ; denn
auf Sinnesänderung war nur zu rechnen, ehe ſie das Aeußerſte erfahren .
As Titus ſich auf eine Weile entfernt hatte , griffen die Empörer nac) kurzer Raſt von
Neuem an, und es kam zum Treffen zwiſchen den Tempelwachen und denen, die das Feuer von
auſſen löſchten. Bald werden die Juden zurückgeworfen , und nun drangen die Römer bis zum
innern Tempel vor. Da faßt einer der Soldaten , weder auf Befehl wartend , noch die Folgen
7
50 Jeruſalem , die ewige Stadt .

bedenkend , als Werkzeug des göttlichen Zorns , ein brennendes Holz und wirft es , von einem
Kameraden emporgehoben , durch die goldene Thüre , welche auf der Nordſeite nach den Ge

mächern am Allerheiligſten führte. Wie die Flamme aufloderte, erhoben die Juden ein Jammer
geſchrei: ſie rannten zu Hülfe ohne Rückſicht auf Lebensgefahr, mit größter Anſtrengung ihrer
Kräfte, da das Legte, was ſie noch ſchütten, zu Grunde ging.
Ein Eilbote meldete es ſogleich dem Titus : er lief , wie er ſtand , kaum hatte er vom

Kampfe ein wenig geraſtet, — hinauf , um dem Feuer Einhalt zu thun . Shm folgten die Feld

herrn alle und hinter dieſen die Legionen . Der Lärm und das Geſchrei war bei der wilden

Bewegung einer ſolchen Menſchenmaſſe fürchterlich. Cäſar gebot mit Hand und Mund zu
löſchen . Kein Menſch hörte ſein Rufen, Reiner achtete ſeine Winke : das Getöſe übertäubte die
Dhren , Rampf und Wuth riß die Soldaten dahin . Sobald die Legionen eingedrungen waren,

half kein Befehl, kein Drohen mehr ; der allgemeine Ingrimm führte das Kommando. Im Ge

dränge, das vor den Thoren entſtand , wurden Viele zertreten , Viele ſtürzten in die nod ) rauch
enden Trümmer der Hallen und theilten das Schickſal der erſchlagenen Feinde. Als ſie vollends

am Tempel waren , achteten ſie aller Befehle Cäfars nicht mehr, Jeder trieb den Vormann , die
Brandfakel hinein zu ſchleudern. Auch den Empörern war es unmöglich zu löſchen oder zu
helfen ; überall Mord und Flucht. Viele vom gemeinen Volk , ein ſchwacher und unbewaffneter

Haufe, wurden hingemetelt, wo man ſie traf. Um den Altar häuften ſich die Todten, über die
Stufen deſſelben ſtrömte das Blut der Leidyname , die über ihm geſchlachtet wurden , hinab.

Als Cäfar nicht mehr im Stande war , die Wuth der Soldaten aufzuhalten und das
Feuer alles überwältigte: trat er mit den Oberfeldherren ins Allerheiligſte und beſchaute die
Ausſtattung , die er weit größer fand , als der Ruf davon unter den Fremden war , und nicht
geringer als das Rühmen und die hohe Meinung unter den Einheimiſchen . Weil die Flamme
noch nicht in das Innere eingedrungen war , ſondern nur die Nebengebäude verzehrte, glaubte
er das Prachtwerk nocy retten zu können ; er ſpringt hervor und ſudyt in eigener Perſon die
Soldaten zum Löſchen zu ermuntern . Zugleich gebietet er dem Centurio liberalis die Ungehor
ſamen unter ſeinen Leuten mit Stodidlägen im Zaum zu halten. Allein Ingrimm , Judenhaß
und die aufgeregte Kriegswuth ſiegten über die Ehrfurcht vor Cäſar , wie über die Furcht vor
dem Züchtiger. Die Meiſten riß auch Raubſucht hin : ſie meinten , das Innere müſſe voll Gold
fein, weil ſie auſſen ſchon Alles aus Gold gemacht ſahen . Während Cäfar herausgetreten war,

um die Soldaten abzuhalten, legt einer der Eingedrungenen im Dunkeln Feuer unter die Thürs

angeln ; ſo wie die Flamme aufloderte, wichen die Heerführer mit Cäſar zurück , Niemand hin
derte nun die Soldaten weiter am Anzünden . 50 ward der Tempel wider des Cäfars
Willen ein Raub der Flammen .

Während des Tempelbrandes warb geplündert und gemordet ohne Ende. Rein Erbarmen

mit dem Alter, keine Schonung der Würde : Rinder und Greiſe, Laien nnd Prieſter wurden er

würgt ; die ganze Bevölkerung erlag der Kriegswuth, um Gnade Flehende, wie Kämpfende. Das
Die Zerſtörung. 51

Braſſeln der Flammen machte einen Chorus mit dem Geſtöhne der Sterbenden ; wegen der

Höhe des Ortes und der Größe des brennenden Baues ſchien es , als ob die ganze Stadt in
Brand ſtehe. Nichts läßt ſich Größeres und Schrecklicyeres denken , als jenes Getümmel gemiſcht
aus dem Schlachtruf der römiſchen Legionen, aus dem Geheul der von Feuer und Schwert um

ringten Empörer, aus dem Wehflagen des verlaſſenen Volkes, das in der Beſtürzung unter ſeine
Feinde hineinrannte. Dem Jammergeſchrei von oben antwortete die Menge in der Stadt.

Tauſende, denen der Hunger bereits den Mund verſchloſſen, brachen beim Anblick des brennenden
Tempels von Neuem in Jammer und Klagen aus . Um das Grauſen noch zu vermehren,
widerhallte das Getümmel von Peräa und den umliegenden Bergen her ; dennoch waren die

Jammerſcenen noch ärger, als der Lärm . Es ſah nicht anders aus, als wenn der ganze Hügel
auf dem der Tempel ſtand, von den Wurzeln heraus brenne, - jo tobend fraß das Feuer um
ſich , als ſei die Wuth des Feuers gering gegen die Ströme Bluts , als ſeien der Gemor

deten mehr als der Mörder. Vor Leichnamen konnte man den Erdboden nimmer ſehen ; über
Haufen von Todten ſdyreitend, fielen die Soldaten über die Fliehenden her. Dennoch wurden
die römiſchen Reihen von den Näubern durchbrochen, die ſich mit genauer Noth in den äuſſeren

Tempelhof und von da in die Stadt warfen. Das zurücgebliebene Volk flüchtete in die äuſſerſte
Halle. Einige Prieſter riſſen die goldenen Spieße* ) auf dem Dache , ſammt ihrer bleiernen
Unterlage los und warfen ſie auf die Römer. Als ſie nichts ausrichten konnten, und das Feuer
gegen ſie herausſchlug , entwichen ſie auf die acht Ellen breite Mauer und harrten da. Zwei

der Angeſešenſten , obwohl ihnen die Wahl übrig blieb , entweder zu den Römern überzugehen
und ſich zu retten , oder auf ihrer Stelle zu bleiben und das loos der Andern zu theilen , ſtürzten

ſich in die Flammen und verbrannten mit dem Heiligthum.

Als der Tempel ganz in Feuer aufging, hielten die Römer Sdyonung der übrigen Ge

bäude für nutzlos und zündeten Alles an, die Reſte der Hallen und die Thore, zwei ausgenommen,
die ſie nachher niederriſſen , das öſtliche und das mittägliche. Dann verbrannten ſie auch die
Schatzkammern, worin unernießliche Schätze, Kleider, Kleinodien , kurz der ganze Reid ,thum von
Judäa aufgeſdichtet lag, weil die Reidjen überallher ihre beſte Habe dorthin geflüchtet. Endlicy
kamen ſie auch an die äuſſerſte Halle, wohin Weiber und Kinder aus dem Volke, ein gemiſchter
Haufe, gegen 6000 Menſchen, geflohen waren ; noch ehe Cäfar über ſie beſchließen oder die Felds
herren Befehl geben konnten , zündeten die Soldaten in der Wuth des Sturmes die Halle an .

Einige kamen um, indem ſie aus der Flamme, Andere, indem ſie in die Flammen ſprangen . Von
allen dieſen ward keine Seele gerettet.

Die Empörer waren in die Stadt geflohen , der Tempel und ſeine ganze Umgebung
brannte in lichten Flammen . Jetzt trugen die Römer ihre Adler in den Tempel , pflanzten ſie

*) Zur Abwehr der Vögel beſtimmt, nad Ioſephus' Angabe.


7*
52 Jeruſalem , die ewige Stadt.

vor dem öſtlichen Thore auf, opferten ihnen , *) und begrüßten Titus mit großem Freudengeſchrei
als Imperator. **) Mit Beute hatten ſich alle Soldaten ſo beladen , daß in Syrien ein Pfund
Gold nur halb ſo viel als vorher galt.
Die Empörer warfen ſich nun in die Königsburg, wohin wegen der Feſtigkeit der Mauern

Viele ihre Habe gebracht hatten, vertrieben die Römer daraus, ermordeten die dort verſammelte
Volksmenge, bei 8400 Menſchen , und plünderten die Schätze.

Als Cäfar ſah, daß die obere Stadt wegen ihrer ſchroffen Lage ohne Belagerungsdämme
nicht zu nehmen ſei, beorderte er am 11ten Lous das Heer zur Arbeit.
Nach achtzehntägiger Arbeit waren die neuen Dämme vollendet . Am ſiebten Gorpiäus
legten die Römer die Maſchinen an . Ein Theil der Aufrührer hatte ſchon die Stadt aufgegeben
und ſich auf die Afra zurückgezogen ; ein anderer Theil verſteckte ſich in die unterirdiſchen fa

näle ; doch blieben immer noch viele zurück , die ſich gegen die Mannſchaft der Mauerbrecher
wehrten. Allein die Römer waren ihnen ebenſoſehr an Menge , als auch an Kraft überlegen,
und was die Hauptſache iſt, ſie fochten mit friſchem Muthe gegen Muthloſigkeit und Erſchlaf

fung. Als ein Stück von der Mauer eingebrochen war und einige Thürme den Stößen der
Sturmböcke nachgaben , da flohen die Vertheidiger und ſelbſt die Wütheriche befiel ein unbändiger

Schrecken. Da ſtanden ſie, eh noch ein Feind hinangeſtiegen war , wie ſtarr und ſchwanken
zwiſchen Fliehen und Bleiben . Sie , die vorher übermüthig mit ihren Freveln prahlten , ſah
man jetzt demüthig zittern . Dieſe ſchnelle Sinnesänderung war ſo vollkommen , daß ſie ſelbſt

an ſolchen Verbrechern rührte . Sie verſuchten zwar in einem lezten Ausfalle die römiſchen
Wachen zu überrumpeln und durchzubrechen ; als ſie aber keinen von ihren Getreuen mehr er
blickten ( ieder war fortgelaufen , wohin ihn die Noth führte ), als Eilboten zuerſt meldeten , die

ganze weſtliche Mauer ſei geſtürzt, die Römer ſeien eingedrungen , bald : ſie ſeien ſchon auf ihrer
Spur , zulegt gar , man ſehe die Feinde idyon auf den Thürmen , – denn die Furcht täuſchte
ihre Augen : - da verloren ſie die Sinne , warfen ſich auf die Erde und klagten ihren eigenen

Wahnſinn an ; als wären ihnen die Sehnen abgehauen, vermochten ſie nicht zu fliehen.
Da ſah man die Macht Gottes über die Ruchloſen, und das Glück der Römer. Die
Wütheriche vergaßen nämlich ihrer Sicherheit, ſie ſtiegen von den Thürmen hernieder , worin
man ſie mit Gewalt nie , ſondern nur durch Hunger aufreiben konnte. Die Römer , welche jo

unſäglich viel vor ſchwächeren Mauern ausſtanden , gewannen die Thürme , gegen welche alle
Werkzeuge nichts ausgerichtet hätten , durch die Gunſt des Glücks . Denn die drei früher er
wähnten Thürme waren ſo ſtark, daß ſie allen Maſchinen widerſtanden hätten !
Nachdem ſie dieſe verlaſſen oder vielmehr durch Gotte8 Macht daraus vertrieben waren ,
begaben ſie ſich eilig in das Thal unter Siloah . Kaum hatten ſie ſich dort ein wenig erholt,

* ) Tertullian , Apologie c . 16. ,, Im Lager gilt nur das Felbzeiden fiir die gegenwärtige Gottheit. "

** ) Dieß thaten die Nömer nad) jedem Siege, worin 6000 Feinde fielen.
Die Zerſtörnng. 53

To fielen ſie die nächſte Verſchanzung an . Ihre Kühnheit war jedody der Noth nicht mehr ge
wachſen, Elend und Furcht hatte ihre Kraft gebrochen ; ſie wurden von den Vorpoſten zurück
geworfen und flohen nun zerſtreut in die Kanäle. Indeſjen pflanzten die Römer , als ſie die

Mauer erobert, ihre Feldzeichen auf den Thürinen auf, und erhoben den Triumphgeſang. Viel
weniger fauer als der Anfang des fampfes war ihnen das Ende geworden . Weil fie ohne
Schwertſtreich ſich der legten Mauer bemächtigten und keinen Feind erblickten , wußten ſie kaum
was ſie davon denken ſollten. Mit gezücktem Schwerte warfen ſie ſich in die Straßen, ſtreckten

nieder, wen ſie trafen, die , welche ſich in Häuſer flüchteten , verbrannten ſie ſammt den leztern .
In mehreren Häuſern, wo ſie plündern wollten, fanden ſie ganze Familien todt und die Dächer
von Verhungerten voll. Schaudernd über dem Anblick gingen ſie dann mit leeren Händen davon .
So ſehr ſie jedoch die Todten bemitleideten , hatten ſie für die Lebenden kein Gefühl. Nieder
ſtoßend, wer ihnen in den Weg lief, beſäten ſie die Straßen mit Todten und badeten die Stadt

im Blute, ſo daß manches brennende Haus durd) Blut gelöſcht ward . Das Morden endete am
Abend, aber das Feuer wüthete auch die Nacht hindurc) . Am achten Gorpiäus ging die Sonne
über den rauchenden Trümmern Jeruſalems auf, einer Stadt, die, wenn ſie feit ihrer Erbauung
ſo viel glüdliche Tage geſehen hätte , als ſie während der Belagerung Elend erlebte , beneidens

werth wäre ; aber all dieſes Unglück verdiente ſie dadurch, daß ſie ein ſolches Geſchlecht er
zeugte, welches auch die Urſache ihres Falles war.
Nadidem Titus eingezogen war, bewunderte er die Feſtigkeit der Stadt und der Thürme,

welche die Tyrannen im Wahnſinn verlaſſen. Verſunken im Anblick ihres maſſiven Baues,
ihrer Höhe, der Größe der Quader , der Feſtigkeit und der Weite , brach er in die Worte aus :
,, wahrhaftig , wir haben mit Gottes Hilfe geſiegt, Gott hat die Juden aus dieſen Bollwerken

vertrieben , denn was vermöchten Menſchenhände und Maſchinen gegen ſolche Steinmaſſen ? "
Manches der Art ſprach er zu ſeinen Vertrauten . Die von den Tyrannen in den Thürmen

zurückgelaſſenen Gefangenen ließ er frei . Die übrige Stadt und die Ringmauer ſchleifte er,
nur dieſe Thürme blieben ſtehen , zum Gedäcytnig ſeines Glückes , das es ihm möglich gemacht,
das Unbezwingliche zu bezwingen.
Als die Soldaten des Mordens müde waren und ſich doch noch eine bedeutende Volks

maſſe zeigte , befahl Cäfar , nur die Bewaffneten zu tödten , den übrigen Haufen gefangen zu
nehmen . Allein die Soldaten ſtießen auſſer den Bezeichneten auch alle Greiſe und Schwächliche
nieder . Dagegen trieben ſie Aűe, die in blühendem Alter ſtanden , in den Tempel zuſammen
und (diloßen ſie in den Weibervorhof ein . Zum Wächter über ſie, beſtellte Cäfar einen Frei

gelaſſenen , zum Richter über ihr Schickjal ſeinen Vertrauten Fronto. Empörer und Räuber,
die einander wechſelſeitig anzeigten, wurden alle hingerichtet . Von den Zünglingen las man die
ſchönſten und größten aus, um ſie im Triumphzug aufzuführen. Alle anderen jungen Leute über
17 Jahre wurden gefeſſelt und größtentheils in die Bergwerke nach Aegypten geſchickt. Viele
verſchenkte Titus in die Provinzen, damit ſie in den öffentlichen Schauſpielen durch wilde Thiere
54 Jeruſalem , die ewige Stadt.

oder durchs Schwert umgebracht würden . Was unter 17 Jahren war , wurde verſteigert. Üebri

gens ſtarben noch in den Tagen, da Fronto die Auswahl traf, 11,000 am Hunger , theils weil
der Haß der Wächter Vielen fein Brod zukommen ließ, theils weil ſie die dargebothene Nahrung

nicht annahınen. Ohne dieß war bei einer ſolchen Menge Mangel unvermeidlids .
Die Zahl Aller, die während des ganzen Kriegs gefangen genommen wurden , betrug
97,000 ; die der Getödteten während der Belagerung 1 :100,000. Der größere Theil derſelben
waren Juden , doch nicht aus Jeruſalem gebürtig. Denn das Volk war zum Feſte der unge
ſäuerten Brode aus dem ganzen Lande nach der Stadt geſtrömt und wurde daſelbſt vom Krieg
überraſcht, ſo daß bei dem Mangel an Raum zuerſt Seuchen , dann noch fürchterlichere Hungers
Notly ausbrach. Daß aber die Stadt ſo viele Menſchen faßte , iſt aus der Zählung unter Ce
ſtius erſichtlich, welcher um Nero , dem Berächter des Volkes , die Zahl der jungen Mannſchaft
der Stadt vorlegen zu fönnen , den Hohenprieſtern befahl , die Bevölkerung wo möglich*) zu
zählen. Dieſe zählten am Paſſafeſte, wo man von der neunten bis zur eilften Stunde opfert
( um jedes Opfer ſammelt ſich eine Genoſſenſchaft von wenigſtens zehn Männern , manchmal
auch von zwanzig , denn Einer allein darf nicht eſſen , 256,700 Dpfermahtzeiten * ). Nun gibt
dieß , wenn wir auch nur zehn Theilnehmer zu jeder redynen , 2.700,000 blos Reine und Ge
weihte ; denn Aufſätzige, Samenflüßige und in der Reinigung begriffene Weiber , oder andere
Verunreinigte, durften das Opfer nicht mitgenießen , ebenſowenig die Fremden, die zur Aubetung
herbei kamen .

Dieſe Menſchenmaſſe hatte ſich von allen Orten her verſammelt ; das Schickſal wollte es
ſo , daß das ganze Volk damals in der Stadt , wie in ein Gefängniß eingeſchloſſen war , und
dort auf einander gepfropft , vom Kriege überraſcht wurde. Jeden Verluſt , der durch Gottes

Hand über eine Stadt kommen kann , überſtieg die Zahl der Gefallenen . Von denjenigen , die
nach dem Fall der Stadt zum Vorſdyein kamen , tödteten die Nömer einen Theil , einen andern
machten ſie zu Sklaven ; alle aber , die ſie in den aufgebrochenen Kloaken fanden , machten ſie

*) Die Juden hielten es für unerlaubt, das Volk zu zählen ; einmal weil ſie (nad; Hoj. 1 , 10.) wie Sand
am Meer , alſo unzählbar ſein ſollten ; dann weil die Zählung dem König David ſo über bekommen
war , 2 Sam . 24 , 13 . Die hier beſdýriebene Art der Zählung ſdyreibt die Edya Nabbat dem König
Aggrippa zu , weldher nadı ben Nieren der Baſdalämmer die Zahl der Zuben beſtimmt haben ſoll.
Uebrigens muß dieſe Zahlungsart ſehr alt ſein , wenn nady den Targumim die Stelle 1 Sam . 15, 4
richtig erklärt wird durch: ,, er zählte ſie nad Baſſalämmern . "
** ) Die Zahl ſeint verdorben. Einige vermuthen , Joſephus habe geſchrieben „ zwanzig Myriaden zu fieben , "
anſtatt , wie es jett heißt : zwanzig fünf Myriaden zu 6,700. Die Summe 2,700,000 iſt jeden Falls
ridtig, wenn Joſephus oben ridhtig gezählt hat, wo er drei Millionen im Ganzen angibt : vielleicht macht
er aus der Zahl der Lämmer eine runde Summe. Nach der Gemara faßte der Tempelhof 100,000
Menſchen, neben ſo viel Baſdalämmern.
Die Zerſtörung. 55

nieder. Auch dort fanden ſie mehr als 2000 Todte, die ſich theils ſelbſt , theils unter einander

umgebracht hatten , meiſtens aber dem Hunger erlegen waren . Ein fürchterlicher Leichengeruch

wehte ihnen entgegen , ſo daß Viele ſogleich zurückwichen , obgleich Andere aus Habſucht hinein
drangen und über die aufgeſdichteten Leichname wegſdritten . Denn man fand eine Menge
Koſtbarkeiten in den Kanälen , und die Gewinnſucht hielt jedes Mittel , ſich Geld zu verſchaffen ,

für erlaubt. Auch viele Gefangene der Tyrannen wurden daſſelbſt herausgezogen ; denn ſelbſt

in der äuſſerſten Noth hatten dieſe von ihrer Grauſamkeit Nichts nachgelaſſen. Beide aber
ſtrafte Gott nadı Verdienſt . Johannes mit ſeinen Brüdern in den Gängen verhungernd , bat
um die Gnade der Römer , die er ſo oft verhöhnt hatte ; Simon ergab ſich erſt nach langer

Gegenwehr. Er wurde als Schlachtopfer für den Triumph aufbewahrt, Johannes zur ewigen Ge

fangenſchaft beſtimmt. Die Römer zündeten hierauf auch die äuſſern Stadttheile an und ſchleiften
die Mauern .
Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

1. Lage der Stadt.

Die heilige Stadt auf den Bergen Juda's , von deren Höhe man rings in die Umlande
hinausſchaut und hinabſteigt, liegt 2449“ über dem Mittelmeere und breitet ſich auf einer Land

zunge aus , die nach 3 Seiten im Oſten , Süden und Südweſten ſteil in gähnende bis zu 300 “
tiefe Thalſchluchten abfällt, weßhalb hier eine einfache Mauer die Stadt auf der Höhe um

grenzte, während ſie nach Nordweſten von dem Höhenzuge von Juda oder der Ebene Rephaim
abhängt und darum in letzter Zeit der Schirmwehr einer dreifachen Mauer bedurfte.* ) Dieſe
Schilderung paßt vollkommen auf Jeruſalem in den Tagen Chriſti, das aber gegen Süden
weiter hinausgerückt war. Mitten hindurch aber läuft das Thal Tyropoeon, noch heute Wad
d . h . Thal genannt und ſcheidet den Hügel Sion vom Moria und die Höhe des Golgatha vom

Afra -Hügel, auf welchem die Makkabäer ihre Burg , Baris , erbauten . Den Ausgang dieſer
Thaltiefe aus der Stadt bezeichnet an der niedrigſten Stelle das Miſtthor oder alte Käſemadyer
Thor . Von hier ſenkrecht abwärts liegt in einer Bucht der Teich Siloah , wo ſich das Thal
Cedron oder Joſaphat, das von Oſten um die Stadt läuft, mit dem Ben Hinnom oder Gihon

Thal verbindet , das von Südweſten herabkömmt, worauf ſie vereint in der mittleren Richtung
des Tyropöon , an der Quelle Rogel vorüber als Vehinnom oder Feuerthal, Wady en Nar
nach dem todten Meere ſich ſenken, ſo daß dieſes gleichſam den Stiel des Dreizads formirt ,

*) Sepp, Leben Jeſu III. 20.


Lage der Stadt . 57

der durch die 3 Thäler , Cedron , Gihon und das mittlere Thropöon , welches vom Damascus

Thore hereinzieht, gebildet wird .


Das Kalfgebirge*), auf dem Jeruſalem ſich erhob, beſteht aus vier Bergen oder Hügeln,

von welchen der höchſte und größte iſt


1 ) der Sion mit der Davidsſtadt. Sie heißt auch Burg Sion, Tochter Sion und bezeichnet
oft ganz Jeruſalem . Sie iſt die Stadt" mit Auszeichnung, die Altſtadt nach unſerer

Bezeichnungsweiſe. Vor der Erbauung des Tempels befand ſich hier die Bundeslade,
im Balaſte des Königs David , an deſſen Stelle Salomon ſeinen Brachtbau mit einer
Thron- und Gerichtshalle aus einem förmlichen Walbe von Cedern des Libanon zur
Bewunderung der Nachbarvölfer errichtete. Gegen Nordoſt und Oſt kamen mit der Zeit
Erweiterungen dazu und Herodes erbaute an der Nordweſtecke des Sion einen Palaſt

mit den im jüdiſchen Kriege ſo berühint gewordenen Feſtungsthürmen, Hippikus, Phajael

und Mariamne . Als Kaiſer Hadrian 60 Jahre nach Jeruſalems Zerſtörung die Stadt
und Umgebungsmauern wieder aufbauen ließ , blieb ein nicht unbedeutender Theil von
Sion außerhalb der Mauern im Süden und wurde als Ackerfeld benügt.

2) Nordöſtlich von Sion lag der niedrige Hügel Moria mit dem heiligen Tempel,
daher auch Tempelberg genannt.

Nach Moria war auf Gottes Befehl der gehorſame Abraham von Berſabee ausgezogen,
um ſeinen Sohn 3ſaak zu opfern .
In ſüdlicher Richtung dehnte ſich der Felsrücken Ophel zwiſchen dem Tyropöon und

Joſaphats Thale aus , und trug die Wohnungen der Tempelknechte. Erſt ſpäter wurde
die Davidsſtadt, wurde der Sion mit dem Moria durch Dämme, Brücken und Thore
verbunden .

3) Der Hügel Afra im Nordoſten des Sion trug des Syrer8 Antiochus Epiphanes zur
Beherrſchung der Stadt und des Tempels erbaute Burg Afra , welche der Maktabäer

Simon eroberte und durch drei Jahre an dem Hügel ſo viel abtragen ließ , daß der
Tempel darüber hinwegſchaute, wodurch dann das zwiſchen Moria und Afra gelegene
Thal Tyropöon groſſentheils ausgefüút wurde. Der am Akra - Hügel angebaute Stadt
Theil hieß zum Unterſchied von der Davides oder Oberſtadt die untere Stadt.

Auf dem Hügel Bezetha nördlich vom Afra ward bei Vermehrung der Einwohner
Jeruſalems ſpäter die „ Neuſtadt“ erbaut. Die Weſtſeite von Bezetha erreicht gegenwärtig
beinahe die Höhe von Afra , während ſich die Oſtſeite allmälig nach dem Rande des Thales

Joſaphat abſenkt.

Die Stadt war alſo urſprünglich eine Tripolis , worin die Tempelſtadt, die Oberſtadt
mit Davidsburg und die untere oder Volksſtadt mit dem Markte durch eigene Mauern um

*) Grab 231 ff.


8
58 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

ſchloſſene Theile bildeten . Die Einwohnerzahl wuchs beim Ausbruche des jüdiſchen Krieges von
120 Tauſend ins Ungeheure, ſo daß zur Zeit der erſten Belagerung 600 Tauſend Menſchen in
derſelben waren , während ſie gegenwärtig bei 17 Tauſend zählt.

Jeruſalem von Süden.

Die ſich mit ihrer Südſeite präſentirende Stadt verdeutlicht die gegebene Beſchreibung
in ihren Hauptpunkten . Man ſielt den ganzen Verlauf der ſüdlichen Stadtmauer auf den An

höhen über dem Thale Ben Hinnom , die Thaleinſenkung in dem nordöſtlichen Stadttheile und
die Abhänge gegen das Joſaphatsthal im Oſten Jeruſalems. Der Beſchauer hat den Blutacer

(Hakeldama) im Nücken , welcher hinter den am linken Nande des Bildes vortretenden Felſen

liegt; über dem Vordergrunde den Brunnen Rogel zur Rechten , von weldiem das Joſaphats
oder Cedron - Thal in jüdöſtlicher Richtung unter dem Namen Wady en Nar ſich fortſegt.
Dieſe Quelle Rogel , ein niedriger Kuppelbart, iſt faſt unter den Bäumen verſteckt, die weiter

aufwärts bis zum Siloah - Brunnen ziemlich dicht gepflanzt die Vereinigung des Hinnom
und Cedron- Thales bezeichnen . Die Siloah - Quelle ſelbſt iſt auf dem Bilde hier nirgends ſicht

bar. Dieſem mit Bäumen bewadiſenen Plate gegenüber am rechten Rande des Bildes ſieht

man den Anfang des Dorfes Silwan, das am weſtlichen Abhange des Berges des Aergerniſſes

hingebaut iſt. Von hier weiter gegen Nord tritt das Cedron- Thal mit Grabmälern, beſonders
mit dem Grabmal des Abſalon deutlich hervor, die dem Weſtabhange des Oelberges zugehören,
deſſen nördlicher Ausläufer den Hintergrund bildet. Auf den Höhen der Stadt macht ſich links
vor Allem der Sion mit dem ſüdliden Stadttheil bemerklicy.

Das ſpitzbogige Sion’8- Thor führt ins Freie und hat zur Linken einen Compler von
Gebäuden mit Kuppeln und einem der Spitze beraubten Minaret, welcher das C ö naculum
und Grab David8 enthält und außerhalb der hinter demſelben fortlaufenden Stadtmauer
liegt. Die zunächſt ſtehenden Suppeln bezeichnen das große armeniſdie Kloſter mit dem ſo

genannten Haus des Kaiphas . Das weiter nördlich ſichtbare Schloß Davids mit den ge
waltigen Thürmen überragt alle Gebäude des Sions. Die zwei unterhalb dieſes Sdiloſſes
aufſteigenden Ruppeln gehören der hl . Grabkirche auf Golgatha . Die von dort anlebende

Senkung kontraſtirt ſtark init den zu hinterſt aufſteigenden Gebäuden der nördlichen Anhöhe,

welche Akra genannt wird , wovon weiter öſtlich auf dem Moriah die Omar - Moſchee mit
dem geräumigen Tempelplatze ausgebreitet iſt. Am Rande dieſes Platzes, der von der Stadt
mauer begrenzt wird , gewahrt man die Moſchee el Akſa . Beide Moſcheen ſind durch ihre

Kuppeln kenntlid ). Die von dort noch weiter gegen Oſt vorſpringende Stadtmauer, die zugleich
Umhegung des Tempelberges iſt, überragt das erwähnte Joſaphats - Tlal und korreſpondirt mit
den weſtlichen Abhängen des gegenüber liegenden Delberges .

Die heutige Stadt trägt noch die orientaliſche Phyſiognomie, wie Damaskus, Nairo,
Jeruſalem von Süden . 59

Bagdad und Aleppo ; in der Durchführung des arabiſchen Bauſtyle immerhin bedeutend. Vom
Delberge gewährt ihr Anblick ein Bild ergreifender Schönheit und wehmuthsvoller Majeſtät, einer

Königin im Wittwenſchleier in Mitten der Zeugen vergangener Herrlichkeit und Würte.


Der chriſtliche Wanderer mag darum im Andenken an die Tage der Vorzeit mit dem
hl. Bernhard rufen : „Ich grüße dich Stadt des großen Königs, in der faſt ohne Unterbrechung
vom Anfang der Welt an neue Wunder geſchehen ſind. Idy grüße dich ! Fürſtin der Völker,
Mutter der Bropheten , Lehrerin des Glaubens, Ruhm des chriſtlichen Volkes ! Du biſt nach

göttlicher Zulaſſung immer angegriffen worden , um deinen tapferen Vertheidigern Gelegenheit


zu bieten, den Muth zu üben und das Heil zu verdienen ."

II . Weg zur Kirche des heiligen Grabcs.

Das Ziel der Pilgerfahrt bildet das Heiligthum der Grabeskirde , deren gewaltige 1 ) gerthor.
Dabepil
Kuppel über die umliegenden Gebäude emporragt und der Schmuck des chriſtlichen Stadttheiles

iſt, der ſidy an dieſelbe anſchließt . Die Weſtſeite Jeruſalems öffnet das Jafa- oder Pilgerthor ,

ein maſſiver viereckiger Thürm , aus welchem die Straſſen nach Jafa , Bethlehem und Hebron
2 ) Das latei.
führen. Nördlich davon nimmt den Pilger das lateiniſche Reloſter der Franziskaner auf, von niſche H08
piz .
deſſen Terraſſe ein Umblick über die Stadt erhebenden Genuß bietet. Seit Jahrhunderten *)
bilden die Franziskanerflöſter die eigentlichen Feſtungen der katholiſchen Kirche im Orient ; durdy
dieſe allein ſind Gemeinden im katholiſden Glauben gegründet und erhalten worden bis auf
den heutigen Tag . Wenn die Mönche hingeſchlachtet worden ſind vom Fanatismus der Mo

hammedaner , ſo ſind jedesmal wieder andere aus Italien und Spanien gekommen und haben ſich
willig derſelben Gefahr unterzogen . Und abgeſehen von aller Gefahr , ſo haben ſie ein ſehr
ſtrenges Leben. Alles faſt, was den ſinnlichen Menſchen freuen kann, entbehren ſie ; dazu kommen
die unausgeſeşten Erpreſſungen der Türken , die Schikane der Griechen und Kränkungen jeder
Art , die Plagen großer Hitze , ganz ſchlechte, dem Abendländer ungewöhnte Nahrung . Dem

Herrn von Lamartine *) erzählte ein Arzt folgenden Zug von der Gaſtfreundſchaft dieſer Klöſter:
,, Vor einigen Tagen befand ich mich in Acre ; ein Reiſender , der von Bethlehem kam , klopfte

an die Thüre des Kloſters der Väter des hl. Franziskus ; ſie öffneten , es waren ihrer ſieben .
Am zweiten Tage darauf wurden die Thüren des Kloſters auf Befehl des Gouverneur's ver

mauert ; der Pilger und die 7 Mönche waren in vierundzwanzig Stunden geſtorben . Sie waren

von der Beſt hingcrafft worden , weil ſie einem Pilger Gaſtfreundſchaft geſchenkt hatten .“
Die öſterreichiſche Regierung hat beſonders das Verdienſt, ſich um dieſe Klöſter und
dadurch, um den Ratholizismus im Morgenlande fräftig und reel bisher angenommen zu haben .

*) Stolz 156 ff.


** ) Mislin II. 223.
*
8
60 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

Sie hat es auch dahin gebracht, daß in den bedeutenderen Franziskanerflüſtern des Orients

ſtets ein deutſcher Pater zur Seelſorge für deutſche Einwohner oder Pilger ſich befindet. Auch
werden die deutſchen Mitglieder recht gut und liebreich von den Andern italieniſcher und ſpa

niſcher Nation aufgenommen und gerne zu Vorſtehern erwählt. Jeder Pilger hat in dem la

teiniſchen Franziskaner - Hospiz zu Jeruſalem die Vergünſtignng , daß er einen ganzen Monat
lang hier Unterkommen genießt ; nur die ſelteneren Gäſte wohlhabenden Standes laſſen ein frei
williges Geſchenk zurück. Außerdein tritt in Paläſtina das umgekehrte Verhältniſ zwiſchen den
Franziskanerklöftern und der katholiſchen Bevölkerung ein , als bei uns. In unſern Ländern

ſammeln dieſe Orden ihren Bedarf bei der Bevölkerung , in Paläſtina hingegen unterſtüßen die
Klöſter ſelbſt noch die großentheils armen Katholiken des Ortes und der Fremde. Bei den in

Deutſchland veranſtalteten Sammlungen für die Klöſter im heiligen Lande (denkt der Geber

nidyt nur den Franziskanern dort ein Almoſen , ſondern er gibt auch dadurch ſeinen Beitrag
zur Beherbergung der Fremden und Unterſtügung der armen Glaubensgenoſſen in Paläſtina.
Als die chriſtlichen Heere Paläſtina verlaſſen, *) erweckte Gott andere Kreuzfahrer, die , Demuth
und Liebe im Herzen, mit den Waffen des dyriſtlichen Wortes und Beiſpiels kämpfen und die

heiligen Orte ſchirmen ſollten. Es war im Jahre 1219 , als Franziskus von Aſſiſi mit zwölf
armen Brüdern ſeines Drdens nach Paläſtina wanderte , daſelbſt das Evangelium predigte und

nach Italien zurückgekehrt , andere Ordensbrüder in das Land der Offenbarungen Gottes zum
geiſtlidyen Dienſte auf Sion und am heiligen Grabe entſandte. Die gottgeweihten Stätten,

welche König Robert von Sizilien aus der Hand des ägyptiſchen Sultan gekauft , vertraute

Papſt Clemens V. im Jahre 1342 der beſonderen Obhut der Franziskaner an , von welchen
viele im Lauf der Zeit den Martertod unter dem fanatiſden Volke der Türken ſtarben . Beſaßen
die Väter auch authentiſche Dokumente von den Sultanen , welche ihnen das Eigenthum des
heiligen Grabes , der Hälfte von Golgatha , des Kloſters auf Sion und der Kirche zu Beth

lehem ſammt der Geburtsgrotte daſelbſt zuſicherten , ſo mußten ſie deßungeachtet im Jahre 1561

ihren Beſit auf Sion verlaſſen und ſahen ſich genöthigt, das einſt den Georgiern gehörige und
an der Nordſeite des heiligen Grabes gelegene Erlöſer - Kloſter ſammt kirdie anzukaufen. In

dieſen feſtungsähnlichen Gebäude, welches drei Höfe und zwei kleine Gärten einſchließt , wohnen
gegenwärtig unter einem Vorſtande, der den Titel führt : „ Guardianus sacri montis Sion et

custos terrae sanctae " 28 Prieſter und 32 Laienbrüder aus dem Franziskaner - Orden , außer
denen 10 bis 12 Mönche abwechſelnd Jahr aus Jahr ein zur Bewachung des heiligen Grabes

beſtimmt ſind. Das zur Beherbergung der Pilger ohne Unterſchied der Religion beſtimmte,
zunädiſt dem Kloſter gelegene Haus ñeißt das neue Haus , la casa nuova und herrſcht über
die daſelbſt waltende Gaſtfreundſďaft nur Eine Stimme. Scubert betrachtet die Franziskaner
Klöſter des Orients als eine Hütte Gottes bei den Menſchen , weil da ein Walten jenes Frie

* ) Gratz 260.
Weg zur Kirche des heiligen Grabes. 61

dens fich finde, den die Welt mit ať ihren Herrlichkeiten nicht zu geben vermag und weil apo
ſtoliſche Männer daſelbſt getroffen werden, in welchen der Geiſt der Liebe der erſten apoſtoliſchen
Zeiten lebe und wirke. Aus den Opfergaben Europas beſtreiten ſie die große Grundſteuer für
die Sanktuarien an die türkiſche Regierung , außer der Pflege der Pilger den Unterricht armer

Schulkinder, die Drucfoften für religiöſe arabiſche Schriften und Unterrichtsbücher , weldie alle
aus der Druckerei der Franziskaner hervorgehen , und die unentgeltliche Reichung der Arznei

mittel an die Bedürftigen aus der Kloſterapotheke. König Ferdinand von Neapel hat ihrer

Kirche und der über der Geburtsſtätte zu Bethlehem ſich erhebenden Kapelle zwei Glocken zum
Geſchenke gemacht, was um ſo größere Freude erzeugte, als vor dem Jahre 1856 die Katholiken
kein Glockengeläute haben durften. Sütöſtlich davon liegt die Heilige Grabeskirdie, in welcher

jedesmal drei Monate lang eine Abtheilung der Franziskaner eingeſchloſſen iſt, um daſelbſt Tag
und Nacht im Namen der Chriſtenheit Gott zu preiſen .

III. Die Kirche des heiligen Grabes .

Die ehrwürdigſte Kirche der Chriſtenheit , wornach der Gläubige ſeine Schritte vorerſt

in Jeruſalem richtet , erhebt ſich auf dem ehemaligen Golgatha im genannten nordweſtlichen
Stadttheile und ſchließt drei der älteſten Kirchen in ſich, welche mit mannigfadyen Neben
gebäuden über beſonderen Erinnerungsſtätten zu Einem Rirdyenbau vereinigt wurden und unter

der Bezeichnung „ Heilig Grabkirche" mit einbegriffen ſind. Die drei älteſten Kirchen aber ſind ;
die Auferſtehung8- oder eigentliche Grabkir dye ; die der Kreuzigungsſtätte und der
Auffindung des heiligen Kreuzes. — Die Geſchichte keines Kirchengebäudeg bietet ein
mit dieſer gleiches Intereſſe , da begreiflicher Weiſe für keinen geheiligten Ort der chriſtlichen

Geſchichte eine ſo lebhafte und frühe Theilnahme unter den Gläubigen herrſchte, als für dieſen .
Als die Zeit des göttlichen Strafgerichtes gegen Jeruſalem angebrochen war und die
Römer herankamen , dasſelbe zu erfüllen , verließen die Chriſten Jeruſalem , eingebenk wohl der

Warnung des Heilandes , wenn ihr aber ſehen werdet , daß Jeruſalem mit Kriegsheeren um
geben wird , alsdann wiſſet, daß ihre Verwüſtung nahe ſei ; alsdann ſollen die , ſo in Judäa
ſind, auf die Berge fliehen und die in der Stadt ſind , ſollen hinausziehen und die in den Ge
genden ringsherum ſind , ſollen nicht hineingehen : denn dieſes ſind die Tage der Rache , wo

Alles erfüllt wird , was geſchrieben ſteht .“ Sie zogen nach Bella ,* ) einer Stadt in Peräa,
jenſeits des Jordan und kehrten nad Jeruſalem wieder zurück , nachdem Hadrian die neue
Aelia Capitolina gegründet und den Juden den Zutritt zu derſelben bei Todesſtrafe verboten
hatte. Jetzt verbanden ſich die heidniſchen Völker**) immer mehr init der chriſtlichen Gemeinde

in dieſer Stadt und an die Stelle der bisher ausſchließlich aus dem Judenthum genommenen

* ) Robinſon Paläſtina II . 206 .


**) Krafft Topographie Jeruſalem'8 229.
62 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

Biſchöfe der Kirche Jeruſalems trat nun Marcus aus den Heiden an die Spitze der driſt

lichen Gemeinde , deren Verſammlungsort auf Sion geweſen . Hier Hatte nun die kleine kirch
lidhe Chriſtengemeinde all' die Drangſale und grimmigen Verfolgungen zu ertragen und gewann
gleich der . abendländiſchen Kirche durch das Blut der Martyrer Lebenskraft und Unüberwindlichkeit.
Die Jahrbücher der Kirchengeſchichte beurkunden die ununterbrochene Reihe der Biſchöfe
von Jeruſalem und daraus ſdyon wird klar , daß die Ueberlieferung von den Dertlichkeiten der

heiligen Stadt , welche mit dem Lebensquell des Chriſtenthums, als dem Evangelium der Auf
erſtehung Jeſu Chriſti, ſo innig zuſammenhängen , unter den Chriſten forterhalten wurde , bis

beſſere Zeiten kamen , welche geſtatteten , die Verehrung gegen dieſelben auch äußerlich an den
Tag zu legen. Wenn die Chriſten das Andenken an die Ruheſtätten der Martyrer treu be
wahrten , wie ſollten ſie jener Stätte vergeſſen haben , an welcher das Heil gewirkt und der
Sieg über das Grab von Jeſus Chriſtus gefeiert ward ! Führt doch der heilige Juſtinus Martyr
aus der Mitte des II . Jahrhunderts in ſeinem berühinten Dialog die Höhle zu Bethlehem als
des Heilands Geburtsſtätte an , während Origines aus dem Anfang des folgenden Jahrhunderts

ſchon von Pilgerſchaften nach dieſer Höhle und davon erzählt , daß ſie jogar von Heiden als
die Geburtsſtätte unſres Religionsſtifters angeſehen wurde. Um wie viel mehr mußte die Stätte

der Auferſtehung und der Süreuzigung getreu gemerkt und oft betrachtet werden ! Auch, war es
bei der Verkündigung der Auferſtehung Chriſti und bei der Erzählung ſeines Lebens und blu

tigen Todes am Kreuze vor Menſchen, die an dem Platze wohnten, wo ſich das Alles zugetragen ,
vor den Gläubigen in Jeruſalem , ganz unumgänglich , des Schauplatzes dieſer denkwürdigſten
Ereigniſſe zu gedenken ; ebenſo wie keiner der Evangeliſten uns dieſe Thatſachen ohne Bezeich
nung der betreffenden Dertlichkeiten berichtet .* ) Jene Chriſten , welche zu Tauſenden ihr Leben
hingaben für das Zeugniß ihres Glaubens an den Gefreuzigten und Auferſtandenen , haben
gewiß an treuer Liebe zu Chriſtus und dankbarer Verehrung gegen dieſe Stätten in ihrer

Mitte den Vergleich mit den Beweiſen der Ehrfurcht des IV. und V. Jahrhunderts nicht zu
ſdheuen und wenn dieſe Verehrung und Liebe bis zur gegenwärtigen Stunde nicht erloſchen , ſo
wird die Frühzeit des Chriſtenthums dazu die Grundlage geboten haben .
Abgeſehen davon , daß zur Zeit der Verfolgung und Bedrückung der Chriſten dieſe Ehr

furcht nicht ſo zu Tage treten konnte, als die innere Stimmung erheiſchte, ſo ward in der neuen

Stadt Hadrians über der Grabesſtelle zur Verſpottung und Fernehaltung der Chriſten ein

heidniſches Denkmal der Venus errichtet ,**) welches der Kaiſer Conſtantin zerſtören ließ , um
ein dieſein heiligen Orte entſprechendes chriſtliches Gebäude darüber herzuſtellen. Der Vater
der Kirchengeſdrichyte, Euſebius ſah das entweihende Götzenbild nod) über der genannten heiligen
Stätte mit eigenen Augen und würdigt die lächerliche Abſicht der heidniſchen Gewalthaber , mit

*) Tijdendorf Reiſe in den Orient II. 31 .

** ). Eusebius Vit. Constant. III . 25, 26, 29 . Cyrillus catech . 14, 23. 14, 9. 14. 14.
Die Kirdye des Heiligen Grabes. 63

der Verdeckung und Entwürdigung dieſer Stätte bis zur Unkenntlichkeit auch den Glauben an

die Auferſtehung und den Erlöſungstod Chriſti in Vergeſſenheit zu bringen . Conſtantin ging
nun von Gott gemahnt an’s Werk , dieſen von den Heiden verhöhnten und entweiften Ort zu
verherrlichen nach allen ihm zu Gebot ſtehenden Mitteln . Wo alſo das Idol ſtand , dort hatte
man nach dem Grabe und dem Kreuze zu ſuchen und trotz der Verſchüttung und des abgöttiſchen

Ueberbaues fand ſich, das heilige Grab wunderbar gut erhalten und die Fleißigen Nach grabungen
brachten audy ,, das Zeichen der allerheiligſten Paſſion " bald ans Tageslicht, denn das Grab

war nahe der Kreuzigungsſtätte und das Wexfzeug des Todes ward neben dem Hingeridyteten
in die Erde verſcharrt, wie Dr. Sepp aus dem babyloniſchen Talmud bewieſen hat . *) Die

Stelle heißt der Stein , womit Iemand geſteinigt, das Holz , woran Einer gehangen wird,
das Schwert, mittels deſſen Iemand enthauptet und das Schweißtuch , womit Einer erdroſſelt
wird , ſol neben dem Mann des Todes eingeſcharrt werden . “ Es fanden ſich ſomit auch bald

mit dem Kreuze Chriſti die beiden Kreuzgalgen der mit Chriſtus hingerichteten Miſſethäter und
das Auflegen des wahren Kreuzes heilte pogleich eine kranke Perſon , wodurd, der Unterſchied
der 3 gefundenen Kreuze erkannt ward . Der frommen Kaiſerin Helena ſollte das Glück der
Kreuzfindung zu Theil werden . Von dieſen drei Stätten wurden nun vor Allem die beiden

erſten mit Bauwerken ausgezeichnet und die leştere mit in das Gebäude verbunden , ſpäter aber
nach dem Untergange des Conſtantiniſchen Prachtbaues mit einer eigenen Kirche bedacht.

Kirche der Auferſtehung Icſu Chriſti.

Die Stätte des heiligen Grabes und des daſelbſt über den Tod und das Grab gefeierten
Sieges durch die Auferſtehung Ieſu Chriſti bemühte ſich nun Kaiſer Conſtantinus bald
nady dem im Jahre 325 gefeierten Konzilium zu Nicäa herrlich und allen Menſchen ehrwürdig
durch ein Bethaus auszuzeichnen. Er ſchrieb darüber**) an den Biſchof Makarius zu Jeru
ſalem und beauftragte den Statthalter Drakilianus das zum Schmuck Erforderlicje dem mit
der Leitung des Baues betrauten Biſchofe zu liefern. Die Vollendung dieſes ungeſäumt in
Angriff genommenen Kirchengebäudes fällt in das Jahr 333 oder 334, denn der im Jahre 334

nach Jeruſalem gekommene Pilger von Bordeaux berichtet, die Kirche ſei eben erbaut geweſen .

Ueber ihre Herrlichkeit und bewunderungswürdige Schönheit ſind alle Augenzeugen und Bericyt
erſtatter nur eines Robes voll.

1 ) lage der Kirche.

Der Platz mag eine Länge von 400 Fuß und eine Breite von 140 Fuß befaßt und ſich
von der Chriſtengaſje oſtwärt8 bis beinahe zum Markte hinab erſtreckt haben . Nördlich vom

*) Hiſtor. polit. Blätter XIX. 671 .

**) Euseb . Vit . Const. IV. 43. 47. u. De Laud . Constant. 9.


64 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

Johanniter-Hoſpital, zwiſchen dieſem und dem Sâk -es -Semani oder Sûk - Chan - es -Sêt und zum

Theil auch auf dem Hâret der es - Sultan bot ſich für den Conſtantiniſcheu Prachtbau genügender
Raum . — Wenn man ſich alſo alle die jeţigen Gebäulichkeiten der Kirche jammt den Anbauten

wegdenkt und ſich von der Patriarchen - oder Chriſtengaſſe oſtwärts bis beinahe zum Markt
hinab einen erſt zu überbauenden Platz von den angeführten Dimenſionen vorſtellt, ſo wird auch
das Verſtändniß des alten Bauwerkes deutlicher .* )

2) Geſtalt des conſtantiniſchen Bauwerkes.

Das Ganze beſtand aus zwei Kirchen . Die eine hieß Anaſtaſis 8. 4. Auferſtehung 1
und war in Form einer großen Rotunde über dem heiligen Grabe , aus welchem der

Heiland auferſtanden , errichtet. Zwölf Säulen nach der Zahl der Zeugen dieſes glorreichen
Ereigniſſes unter den Völkern, umgaben die Höhle des Grabes Chriſti, welche ſelbſt wieder zu

einer Kapelle umgeſchaffen war. Die Säulen hatten keinen ſtruktiven Zweck, ſondern lediglich
ſymboliſche Bedeutung in der bezeichneten Beziehung auf die zwölf Apoſtel. Bradytvolle ſilberne

Gefäße waren als Weilgeſchenke auf denſelben aufgeſtellt. Nacy Euſebius und Cyrillus war

das Grab eine in die Felſenwand gehauene Höhle , die nach römiſdier Sitte zu einer iſolirten
Aedicula oder Kapelle ** ) durch Wegarbeiten des umgebenden Felſen auf Conſtantins Befehl um
gewandelt ward, um ſo einer architektoniſchen Ueberkleidung fähig zu werden . Dieſe Grabka pelle
ſtand in der Mitte der herumgebauten großen Rotunde, ſo daß Grabkapelle und die darüber
aufgeführte Rirche wohl zu unterſcheiden ſind . Dieſe umgebende große Rotunde mit der Ka
pelle des Heiligen Grabes lag im Weſten und bildete das Haupt des ganzen Baues . Sie

öffnete ſich öſtlich in einen freien Hof oder Garten, welchen im Viered drei Säulenhallen ein

ſchloſſen . An dies Vierec ſchloß ſich endlich die Längenkir die oder eigentliche Baſilika
mit fünf Schiffen nach Art der St. Pauls - Baſilika in Rom . In dieſelbe führte wieder an der

Oſtſeite die Eingangshalle. Dieje zog ſich als Portikus an der Breitſeite der Baſilika hin und

man ſtieg durch prachtvolle Propyläen zu derſelben empor. Dieſe Propyläen eröffneten ſomit

den ganzen Bau von der Oſtſeite und man ging durch ſie hindurch auf Stufen zur eigentlichen
Vorhalle hinauf, die ihrerſeits durch drei Thore in's Innere der Baſilika führte.

An die Propyläen ſtieß der Marktplatz, ſo daß die Vorübergehenden ſchon in dieſen
Prachtthoren angekündigt ſahen , welche Herrlichkeit ſich innerhalb derſelben entfalte . Die Ba
ſilika war von ungeheurer Höhe , bedeutender Länge und Breite. Die Wände erglänzten von
buntem Marmor , während die kunſtreich geſchnitzte Decke durdy ihre reiche Vergoldung einen

wahren lichtglanz über das Innere ausbreitete. Den Boden der Hallen des Gartenhofes und
die kirdlichen Räume zierte ein kunſtvolles damals ſo beliebtes Pflaſter in Moſaik. Wie an

* ) Tobler Golgatha 81 .
** ) Willis Rob. the history of the church of the holy sepulchre 1349 pag. 113 .
Kirche der Auferſtehung Jeſu Chriſti. 65

der Hauptkirche zu Ahtiochia *) ließ hier Conſtantin über den Seitenſchiffen Emporen anlegen,
ſo daß obere und untere Seitenhallen ſich an das darüber emporragende Mittelſchiff anſchloſſen ,
eine Anlage, der auch der berühmte Kirchenerbauer zu Nola in Campanien, der heilige Paulinus
bei ſeiner neuen Felir - Baſilika folgte. Es verband ſich mit dieſen Emporen zu beiden Seiten
des Mittelſchiffes , im Orient die Anordnung , daß die Gläubigen des weiblichen Geſchlechte auf

denſelben ihren Plaß erhielten . Zwiſchen den Propyläen und dem eigentlichen Eingangs - Veſtibul

der Baſilika war vermuthlich der Taufbrunnen und zu beiden Seiten der Kirche Waſſerbehälter

angebracht, von denen der an der Nordſeite befindliche in der ſogenannten Helena - Ziſterne noch
erhalten ſcheint. Auch an den Längsſeiten der Baſilika befand ſich ein freier Raum, den nach
Außen eine Mauer abgrenzte , welche in der Umhegung des Gartenhofes gegen Weſt fortgeſetzt
war , ſo daß die Arkaden dieſes Gartens mit dem umhegten Raume zu beiden längsſeiten der
Baſilika in Verbindung ſtanden.

Wenn man unten auf dem Markte ſtand und gegen Abend durch die Thorbogen (Propyläen)

und über die Treppe aufwärts zu den Pforten des Kirchenplaßes hinblicte , über welche die

Baſilika hoch emporragte, mochte man von Erſtaunen ergriffen werden .** ) Und welch' ein ents

zückender Anblick wurde wohl auch vom Delberge aus geboten ; der Anblick gerade auf die ſchöne
Thorſeite, auf die Façade des herrlichen Gotteshauſes! Wie iſt es zu beklagen , daß das er

habene Denkmal altchriſtlicher Ardhitektur dahin iſt! Nur zwei Formgedanken ſind übrig ge
blieben : die Notunde über dem heiligen Grabe und die Baſilika in dem ſogen. Ratholifon .

Die bisher betrachtete Architektur faßte ſomit die Stätten in ſich :


1 ) die Auferſtehungs- oder Grabesſtelle in der Rotunde im Weſten .

2) Die Stätte des Leidens und Kreuzes Jeſu Chriſti, das heutige Golgatha-Heiligthum in
der öſtlich gelegenen Baſilika des Kaiſer Konſtantin . Noch vor dem Jahre 614 war der
Drt der Auffindung des heiligen Kreuzes gleichfalls durch eine beſondere Kapelle firirt.

3) Zerſtörung durch die Berſer und Neubau .


Aber bald ſollte neue Entehrung über dieſe ſo ausgezeichneten Orte chriſtlicher Verehrung
kommen,*** ) denn im Juni des Jahres 614 wurden dieſe Prachtbauten von dem Berſer Könige
Chosroes II. durch Feuer zerſtört und das heilige Kreuz geraubt, dem der Patriarch Zacharias in

die Gefangenſchaft derBerſer folgte. Sein Stellvertreter und Nachfolger Modeſtus faßte den Entſchluß
der Wiederherſtellung der Bauwerke und reiſte nach Ramleh, Sur und Damascus um Beiſteuer

der Chriſten zu ſeinem ſchönen Unternehmen . Johannes Eleemon , Patriarch von Alexandrien,
jandte Material , Arbeiter und Leben8mittel zu dieſem Behufe nach Jeruſalem und in den

*) Euseb . V. C. III. 50.


** ) Tobler Golgatha 97 .
***) Tobler 102. Willis 45 .
9
66 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

Jahren 616 bis 626 waren die Kirchen der Auferſtehung und des heiligen Areuzes idjon zur Vol
lendung geführt, alſo ziemlich genau dreihundert Jahre nach dem erſten Bau durch Konſtantin.

Ein noch bis zum heutigen Tage in der katholiſchen Kirche gefeiertes Feſt bezeugt die Freude

der Chriſtenheit über die Wiedergewinnung des Heiligen Kreuzes und deſſen abermalige Aufſtellung
zu Jeruſalem . Der helbenmüthige Kaiſer Heraklius hatte daſſelbe zurückgebracht nach einem Siege

über die Berſer. Als Heraklius nach Jeruſalem zurückkehrte und unter großer Feierlichkeit im Pracht
gewande voll Gold und Edelſteinen das heilige Kreuz auf ſeinen Schultern nach dem Golgatha
zu tragen ſich anſchickte, ward er von unſichtbarer Gewalt am Vorwärtsidyreiten gehindert.*)
Je mehr er ſich bemühte, voran zu gehen, deſto ſtärker fühlte er ſich zurückgehalten. Da Hera
klius und ſeine Umgebung über dieſe Erſcheinung in Beſtürzung und Erſtaunen geriethen , ſprach
der Patriarchy: Sieh' did, vor, o Raiſer, daß du durch den Schmuck eines Triumphators beim

Tragen des Kreuzes Ieſu Chriſti nicht allzuſehr von deſſen Armuth und Niedrigkeit abſtehſt!

Nun warf Heraklius ſeinen prachtvollen Anzug von ſich , 30g die Schuhe aus und kleidete ſich
in gemeines Gewand und vollendete jetzt den übrigen Weg mit Leichtigkeit. An der Stelle an

gelangt, richtete er ſelbſt das Krenz dort wieder auf, von wo die Berjer daſſelbe entführt hatten.
Der Kaiſer war von Freude ergriffen über den Neubau des Heiligthums und dankte dem Mo

deſtus für ſeine Mühe und Ausdauer .

Die Situation der Gebäude blieb im Weſentlichen dieſelbe, nur erhielt die Grab-Rotunde
an der Nordoſt - und Südoſt - Seite je 4 Ausgänge und war das runde Häuschen über dem
heiligen Grabe d . i . die Grabkapelle , mit drei Umbauten verſehen, deren wohl ſtufenweis abfal

ſendes Dach im Aeußern und Innern eine mit der Kirche S. Vitale zu Ravenna übereinſtim

mende glückliche Rhythmik wechſelnder Niſchen und Emporen ermöglichte. Dieſer dreiſtockige Umbau
bildete die große Rotunde über dem Häuschen oder der Grabkapelle . Auch ward die Stelle,
wo der Leidynam Chriſti in Gegenwart der heiligen Maria zum Begräbniß vorbereitet und ge
falbt wurde, durch eine eigene Kirche an der Südſeite als Marienkirche hervorgehoben und die
Konſtantiniſche Baſilika mit der Kapelle über der Kreuzfindung vereinigt , während Gols

gatha weiter weſtlich ein eigenes Heiligthum erhielt, das ſich nördlich von der Salbungsſtätte

mit dem Eingang von Weſten gegen die Rotunda öffnete. Die 4 Kirchen ſtieffen mit den Mauern
an einander und hatten wie ehedem einen unter freiem Himmel gelegenen Platz zwiſchen ſich,
deſſen umgebende Hallen prachtvoll geziert waren . Omer hatte 637 die Stadt erobert , aber

dieſe Kirchen durchaus verſchont. Der Patriarch Thomas beſſerte die Kuppel über der Auf

erſtehungsſtätte aus , indem er die Zeit einer Hungersnoth und Heuſchreckenverheerung zu Je


ruſalem , wobei die Moslemin die Stadt verließen , eiligſt benüşte und das Schadhafte im

Balkenwerk glücklich erneute . Ein Mann im Aegyptenlande Namens Bokam ſchickte hiezu die

Geldmittel im Ueberfluß. Dieſer Bau in den Jahren 813 bis 820 änderte in der Anlage der

*) Breviar. Rom . 14. Sept.


Zerſtörung burd, die Berſer und Neubau. 67

Kirche des Modeſtus nichts. Aber bald ſollten die Chriſten inne werden , wer in dieſer Stadt

der Herr und Gewalthaber ſei. In den Jahren 936 und 969 wurden von den Mohammedanern

Golgatha und die Auferſtehungskirche zerſtört und verwüſtet. Als ſie die heilige Grabeskirche
in Brand ſteckten , kam der Patriarch Johannes in den Flammen um. Daß ein wenigſtens

theilweiſer Wiederaufbau ſtattgefunden, beweiſt die dritte gründlichſte Zerſtörung und Verwüſtung

1010 unter dem wüthenden Hakem . Kirche und Grab wurden bis auf den Grund zertrümmert
und nur der Stein des Grabmals blieb unzerbrochen , wurde aber einem heftigen Feuer aus

geſetzt, um auch ihn die barbariſche Wuth und Stärke der Eroberer fühlen zu laſſen .
Bekanntlich nahm ſid, nunmehr das Abendland mit größter Thatkraft um dieſe chriſtlichen

Heiligthümer an und im Jahre 1055 ſtand die neue Kirche vollendet da . Nach außerordentlichen
Anſtrengungen gelang es den Kreuzrittern 1099 als Sieger unter Gottfried von Bouillon die

Schwelle der Grabkirche zu überſchreiten . Im feierlichen Zug, mit bloſſen Füſſen walten Heer

führer und Volk zur Kirche der Auferſtehung. Zwiſchen 1103 und 1130 vereinten die Franken
die mehr oder minder vereinzelten Gebäude zu einem Ganzen und ſtellten gleich öſtlich von der

Grabkirche auf dem freien Gartenplatz einen Chorbau her, welchen die Griechen heutzutage
Katholikon nennen . Dieſer Chor wurde ſo an die alte Rotunde geſtoſſen, daß die das heilige

Grab umſtehenden Säulen gegen Oſt weiter auseinander gerügt wurden , um ſo einen Ueber
gang von einer Kirchen - Abtheilung in die andere zu bewerkſtelligen 8. h . die neue Choranlage

im Oſten erſchien als zum Grabesdom gehörig , aus welchem man unmittelbar durch einen

großen Bogen, den ſogenannten Raiſerbogen in dieſen Chor der Domherren — für dieſe näm
lich war er beſtimmt gelangen konnte. Mit wunderbarer Kunſt waren die Balfen der

großen Grabkuppel zuſammengefügt gleich einer Krone, und ließen in der Mitte eine Luft- und
Lichtöffnung. Acht zierliche Marmorſäulen und ebenſo viele Pfeiler trugen dieß Ruppeldach.
Das Wandfeld über dieſen Säulen und Pfeilern ſchmückten verſchiedene Muſiv - Gemälde. Die
Propheten waren in Moſaikbildern fo lebendig dargeſtellt , als ſtünden ſie vor dem Beſdauer

in Wirklichkeit. Ebenſo würdevoll blickte die Geſtalt Jeſu Chriſti aus dem Bilde über dem Al
tare. Dem noch erhaltenen Südthurme entſprach wohl an der Stelle der jetzigen lateiniſchen
Frauenkirché ein Nordthurm, welche zwei Thürme ſomit den Grabdom flankirten. Das Haupt
Portal befand ſich, wie jetzt noch, gegen Mittag , dem Johanniter -Hoſpital gerade gegenüber .
Ueber dieſem Portal las man die Verſe :

Quid Mulier ploras ? en, jam, quem quaeris adoras.

Me dignum recoli, jam vivum tangere noli .


Dies Portal an der Südſeite hieß wohl Golgathathor oder die Kreuzigungspforte. Weſent
lich in dieſer Anlage und Form ſind die Bauwerke auf uns gekommen, die vielen Nachbeſſerungen

nicht gerechnet. Wirklich erhalten aus dieſer Bauperiode ſind das Süd- oder Hauptportal,
durch welches man in die heilige Grabkirche eingeht; der Unterbau der Kuppel und des Ratho
lifons und der ehemalige Glockenthurm links vom Hauptportal. Da die Dſtkirche Katholifon
9*
68 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten .

— zu dem Hauptbau aus der Zeit des fränkiſchen Königreiches Jeruſalem zählte , in gegen

wärtiger Geſtalt aber dieſe Blüthezeit chriſtlicher Architektur nicht entfernt mehr repräſentirt,

ſei derſelben hier ausführlicher gedacht nach einen werthvollen in Holz ausgeſchnittenen , mit

Perlen ausgelegten und theilweiſe übergoldeten Modell, das auf der Univerſitäts - Bibliothek

München aufbewahrt wird und an dieſelbe von dem Jeſuiten Orban zum Geſchenke überm acht
wurde – ein barum unſchätbares Beſikthum , da es die Gebäulichkeiten in fleißiger auf ge

nauen Meſſungen an Ort und Stelle beruhender Arbeit anſchaulich macht, wie dieſelben in der

erſten Hälfte des XVII. Jahrhunderts, alſo vor dem Brande von 1808 ſich darſtellten . *)

4) Bau der Kreuzfahrer .


a) Geſammtanlage
Die Rotunde über der kleinen Grabfapelle war ein Suppelbaut und durchaus in Rund

bögen aufgeführt , getreu der altüberlieferten Geſtalt. Anders die Dſtkirche. Hier iſt die
Architektur in den Haupt- und Einzelformen übereinſtimmend mit der am Hauptportal erhaltenen,

die dem früh- gothiſchen Style angehört . Aus der Grabes - Rotunde führt ein hoher auf
Bündelpfeilern ruhender Spißbogen ( der ſogen . Kaiſerbogen ) , dem weiter nad Oſt ein anderer

gegen das Langſchiff geöffneter entſpricht, in das eigentliche Freuz - Schiff der ganzen Kirchen

Anlage , welches über die Abſeiten bedeutend emporragt und conform den romaniſchen Kirchen
des Abendlandes über dem mittleren Quadrat einen weiten runden Thurm trägt ; unter dem

ſelben ward in der Mitte des von den Bündelpfeilern gebildeten Hauptquadrats die Weltmitte

angenommen , die jeßt noch am Ratholifon eine große bauchige Kuppel nach Auſſen ſichtbar
macht. Die vier im Quadrat aufgeſtellten Spitbögen öffnen ſich von der Mitte tes Kreuz

( chiffes betrachtet nach den Himmelsgegenden alſo : der gegen Weſt geöffnete Kaiſerbogen

verband die Rotunde mit der ganzen öſtlichen Kirchenanlage , zunächſt alſo mit dem Kreuzſchiff ;

der gegen Oft führte aus dem Kreuzſchiff in den längsbau dieſer Oſtkirche, während der füd

liche und nördliche die beiden Kreuzarme dem Mittelquadrat anſchloßen. Spitzbogige Emporen

liefen um den Oſtchor und die anſchließenden Seitenwände zu den verſchiedenen Räumlichkeiten
des großen Bau -Complexes ununterbrochen herum , von welchen Emporen im Innern der Kirche
wieder eigene Gänge auf die Plattdächer des großen Gebäutes hinauf und hinausführten. Auf

der Nordſeite hatte man eine Durchſicht in den gewölbten Gang , der um den Oſtchor herum
zur Treppe der Helenakapelle führt und über demſelben blickte man auf zierliche fäulenreiche

Galerien , die zu der nördlichen Säulenhalle des Chors zunächſt übergingen und mit den füd
lichen Galerien von Golgatha in ſymmetriſchem Verhältniß ſtanden. Von Golgatha aus, das

* ) Es befindet ſich in der Orban'iden Sammlung der genannten Bibliothek und gebührt dem øerrn Ober
bibliothekar Dr. Schafhäuti das Verdienſt die zerſtreuten Trümmer geſammelt und zuſammengeſetzt zit
haben. Vgl. Tobler III Wanderung 268 .
4

on

ALL

3
M

90 .
4100 Fujs
10 5 0 10 20 30 40 150 60 70 80

B
41

.
Grabeskirche
heiligen
der
Längendurchs chnitt

1808
Brande
Grabkirche
dem
vor
.der
heiligen
Längendurchschnitt
1
Grabkannier
heilige
Die
1. Grabkapelle
.die
heilige
Engelskapelle
Die
2.
Kreuzlindung
der
.mit
Ort
dem
kirche
Helena
St.
Die
3.
Constantins
es
.heiligen
Felshöhle
Bau
den
für
Grabes
ursprünglichen
(1)dB.
der
und
Terrains
des
Durchschnitt
69
Bau der Kreuzfahrer.

mit diejen Emporen oder Galerien in gleicher Höhe , alſo im erſten Stociverk der Oſtfirche ge
legen , konnte man ſomit in durch Spitzbögen mit einander verbundenen Umgangshallen der
Oberkirche um den ganzen Dſtchor herumgehen bis gegenüber zu den nördlichen Galerien , wo

man , dank dem Eigenſinne und der Rohheit der Griechen jetzt nichts als das Abgeſchmackteſte

findet.*) Dieſe Galerien oder oberen Säulenumgänge öffneten ſich gegen das Schiff der Kirche
in Spitzbögen , deren Träger zierliche Pfeilerbündel mit Eck- und Mittelſäulchen bildeten . Die
Fenſter - Deffnungen waren in Rundbogen gebildet , wie dies häufig an ſolchen Frühbauten der

Gothik getroffen wird . Der nördlichſte Seitengang zeigt noch Ueberbleibſel dieſer Anordnung ;
denn von dem ſchönen Frankenbau der Oſtkirche des XII. Jahrhunderts hat der neu -griechiſdie
Umbau des Jahres 1810 mit Ausnahme des nördlichen Seitenganges gegen das Gefängniß
Chriſti, wo Wände und Pfeiler den urſprünglichen Zuſammenhang mit dem Chorbau deutlich

machen, faſt jede Spur verwiſcht und in moderner Dekoration volles Genügen gefunden .
Der Glodenthurm aber ſteht als Nuine noch aufrecht und zeugt von der ehmaligen

Würde des ganzen Kirchenbaues.


b) Der erhaltene Glockenthurm
ſteht weſtlich vom Südportal und ſtößt an die Südſeite der Grab - Rotunde. Er iſt von ge

hauenen Marmorquadern im Viereck aufgebaut und beſtand aus 4 Stockwerken , von welchen

die zwei oberen mit der Spitze verſchwanden. Schon unter König Gottfried von Bouillon

wurden Glocken für die Grabkirche gegoſſen , deren Schall in Jeruſalem unerhört war. Im

Jahre 1105 muß er vollendet geweſen ſein, bis Saladin 1187 ohne den Thurm zu beſchädigen,
die Glocken zerſchlagen ließ. So blieb der klangloſe Thurm bis in die Mitte des XVI. Jahr

hunderts ; ein Prachtwerk , welches dem rüttelnden Sturmwind und einfreſſenden Regen Trotz
bot. Um dieſe Zeit aber ward er ſchadhaft und 1681 war auch die Etage mit dem Glocken

Stuhl eingebüßt. Als er 1719 ſo baufällig geworden , daß er den Einſturz drohte , trug man
ihn bis auf die jetzige Höhe ab . Die Schallöffnungen umfaßt ein aus den Eck- und Mittel

pfeilern entſpringender Spitzbogen mit flacher Laibung und einem krönenden Rundſtab. In den

höheren Stocwerken waren dieſe Mauerpfeiler mit ähnlich gruppirten Säulchen ausgeſetzt, die

wir in der alten Dſtkirdje kennen gelernt. An einer dieſer Fenſteröffnungen des Thurmes ſind
noch drei ſolcher Säulchen übrig geblieben. Die Dſtſeite des zweiten Stockwerks zeigt eiu

Doppelfenſter in Spitbögen über Säulchen, deren Kapitale denen des Portals gleichen, während
das darunter ſichtbare Radfenſter mit Kreisausſchnitten ohne Maaßwerk ganz dem Uebergangs
ſtyl zugehört. Der untere Bau ſtammt allem Anſchein nach aus früherer Zeit , als der geglie

derte Aufbau der Spitzbogen -Architektur.


c) Hauptportal der heiligen Grabkirche.
An dieſe ehrwürdige Ruine aus der fränkiſchen Königsperiode ſtößt die wohl erhaltene

Portalfeite oder die Facabe der heiligen Grabkirche.

*) Tobler Golgatha 325 .


70 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten .

Den Eingang bildet ein Doppelthor, deſſen öſtliche Deffnung vermauert iſt.

Zwei aneinander ſtoßende gleichſeitige Spitzbögen überwölben die Thore. Der Thürſturz

beſteht bei beiden aus einem verzierten horizontalen Steinbalken , über welchem das von den fich

nach Innen verengenden Spitzbögen gebildete Thürfeld Spuren plaſtiſchen Schmuckes aufweiſt.

Die als Rundſtab profilirten inneren Spitzbögen erſcheinen ſchmucklos , während den äußerſten
Bogen ein verzierter Wulſt im Viertelſtab bildet, der ſich als frönendes Geſims in gleicher Höhe

mit dem Thürſturz nachy beiden Seiten horizontal fortſetzt. Er erſcheint als frönendes Glied
der Thürbögen , wie der aus der Mitte des XII . Jahrhunderts ſtammende Chor von Notre

Dame zu Châlons eine ähnliche Umrahmung an den Fenſtern zeigt . Der Thürſturz ruht auf

3 Bündelpfeilern, deren mittlerer die Säuldhen ſo ſtellt, daß die vorſpringende Mittelſäule

den äußerſten Spitzbogen innerhalb des frönenden verzierten Bogens über ihrem Reldkapital
nad; beiden Seiten beginnen läßt , indeß die andern Säulchen den zweiten und dritten tiefer

liegenden Thürfeldbogen aufnehmen. Ebenſo ordnen ſich die beiden Gruppen in den Eden des

Portalbaues zu je 3 Säulchen als Träger der genannten Bogengliederung.


Ueber dieſem Doppelthor befinden ſich zwei Spitzbogenfenſter , den Thoren entſprechend
angeordnet. Von den tiefer liegenden Fenſtern aus erweitern ſich die umrahmenden Spitzbögen

gleich denen des Thürfeldes am Portal und ruhen auf in den Ecken angebrachten ſchlanken

Säuldhen . Die Fenſter - Architektur hat im Vergleich init der Portal - Gliederung nicht 5 zu
einem Pfeiler verbundene Säulchen , ſondern 3 , da die andern 2 beiderſeits vom Pfeilerbündel
abgelöſt in das Innere der Fenſterwölbung traten . Hier erſcheinen die inneren Rundſtäbe der

Bogen verziert ; dieſe Verzierung, ſowie das die Portal - und Fenſter - Bögen umziehende und
als horizontales Geſims nady den Seiten verlaufende Ornamenten - Band zeigt Verwandtſchaft

mit nordfranzöſiſcher Dekoration aus der Mitte des XII . Jahrhunderts. Die Fenſter - Anlage

trennt von den Portalbögen ein vortretendes horizontales Geſims , das unmittelbar vor den

äuſſeren Edſäulen der Fenſterwand im rechten Winkel abwärts gezogen nach beiden Seiten

der Facade verläuft, parallel mit der Fortſetzung der erwähnten Bogen -Umjäumung des Doppel
thors. Die Facade ſchließt nach Dben ein ununterbrochen fortgeführtes im Viertelſtab mit

Blatte ausladendes Geſims von gleichem dekorativen Schema wie das zwiſchen den Thoren und

Fenſtern . Auch hier klingt die franzöſiſche Detailbehandlung ſichtlich durch. Ehedein war der

Schluß * ) der Façade ſo gebildet , daß die über den Fenſtern emporgeführte Wand dieſelbe Ab
ſtufung darſtellte, welche jetzt das Horizontal- Geſims über den Thürbögen ſichtbar macht. Hinter

dieſer Brüſtungsmauer begann das Plattbach, auf welchem man zur Grabeskuppel und die

andern Theile der Bedachung gelangte. Dieſe Art fladjer Bedachung , welche zum Herumwan
deln reichlich Raum bot , iſt eben entſchieden lokal und orientaliſch, wie der hiedurch beſtiminte

Abſchluß der Façade . Von der Façade links wird der Reſt des beſprochenen Glockenthurmes

*) Wie das Orban'ſdye Modell und Zuallardo zeigen.


DRUGIEGO
BAHTKUN

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D )

Shirt Halbreiter 1 Bruch sa

111.14RABESKIRCHE .

:
Fernere Geſdiidite des Baues. 71

ſichtbar. Dieſer ſüdliche und ein gegenüber nördlich aufſteigender Thurm ſchloſſen den Grabdom

zu beiden Seiten zwiſchen ſich ein , wie ſtarke Vorwerke des Allerheiligſten. Die betrachtete

Architektur muß entſchädigen für den großen Verlurſt des inneren Baues aus der fränkiſchen
Königszeit.
5) Fernere Geſchichte des Baue8.

Als mit 1187 dieſe Herrſchaft ihr Ende nahm , zerſtörten die Sarazenen die Golgatha
Stätte , Saladin ließ die Thore verriegeln und legte den Pilgern einen Tribut auf. So fam

es, daß Willebrand von Oldenburg nach 25 Jahren die Grabkirche verlaſſen und Niemand ſah,

der die Einſame tröſtete. Sein Bericht erfüllt mit Wehmuth, wie der vom Beſuche Thetmar’s,
welcher Grab - und Leidensſtätte ohne Leuchter, Zierde und Verehrung fand . Die Kirche war

immer geſperrt, falls nicht reiche Geſchenke dieſelbe den Pilgern erſchloſſen . Der Wiedergewinn
unter Kaiſer Friedrich II. 1229 mußte ſchon 1244 abermals an die erobernden und verwüſtenden

Charismier aufgegeben werden . Dieſe Barbaren öffneten nach Zerſtörung des Heiligthums

die Gräber des chriſtlichen Königshauſes zu Jeruſalem und verbrannten die Ueberreſte jener
Helden , verwüſteten die Bilder an Wänden und Gewölben und die Vorderſeite der Grabkirche.
Wie dem Bau abermals nachgeholfen, iſt unbekannt, aber 1310 ſtand die Kirche mit ihren Altären

wieder. Herzog Philipp von Burgund nahm ſich mit rührendem Eifer in der Mitte des XV.
Jahrhunderts der Kirche an und ſchickte jährlich große Summen zu Bauzweden . In der Mitte

des XVII. Jahrhunderts trat für die Ruppel die höchſte Gefahr ein , der man aber erſt im
Jahre 1719 gründlich begegnete unter dem Vifar des heiligen Landes, dem Franziskaner Marcel

Ladoire. Damals nahm ſich die franzöſiſche Nation und der Graf von Tolouſe der Reparatur
energiſch an , die audy trotz den Aufſtachelungen der Griechen wider die lateiner durchgeführt

ward . Die Griechen mußten kräftig niedergehalten werden , da auf ihr Betreiben eine Nieders
mezlung aller Franziskaner im Werke war. Nur die Mauer bis zur Galerie mit den Niſchen
blieb unverändert , während die Wölbungen der Galerien und die Kuppel neu gebaut wurden .
Acht Marmorſäulen und 10 Pfeiler bildeten die Galerien und ſtüßten den neuen Mauerbau .

Nach kurzer Zeit , 1808 brach in der Nadit des 12. Weinmonats ein furchtbarer Brand bei

heftig wehendem Nordwind aus , der ohne genügende Gründe den ſchelſüchtigen Griechen zur
laſt gelegt wird. Verſchont blieben jedoch : der Thurm und die Kirchenfaçade; Golgatha mit

allen Kapellen, das Katholikon mit der Kuppel , die Kapellen von der Verſpottung bis zum Ge
fängniß Chriſti, die Kirche der Kreuzfindung und die Helenakapelle , endlich die lateiniſche Ma
rienkapelle. Mit dem Neubau des Grabdoms durch die Griechen verſchwanden auch die Grab

mäler der fränkiſchen Fürſten. Hatten die Charismier den Inhalt der Steinfärge geſchändet,
leytere aber übrig gelaſſen , ſo fügten die Griechen die neue Barbarei dazu , daß ſie dieſe denk
würdigen Gräber den Augen entrückten . Der Neubau ward emſig betrieben und ſchon nach zwei
Jahren , 1810 vollendet. Von dieſer Zeit nahmen die Anmaßungen der Griechen wider die las

teiner von Jahr zu Jahr in bedauerlicher Weiſe überhand.


72
Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

6) Die Stationen der heiligen Grabkirche.


Nach dieſer geſchichtlichen Ueberſicht der traurigen Geſchicke des chriſtlichen Heiligthums
wollen wir deſſen jetzige Beſchaffenheit näher kennen lernen und ichicken eine überſichtliche Er
klärung der auf dem Plane verzeichneten Sanktuarien der Kirche zum heiligen Grabe voraus.

K bezeichnet das Hauptportal oder die Façade, an der Siidſeite der Kirche.
J den Glodenthurm
a die angebaute Kapelle , Unſer lieben Frau auf Golgatha " .
N den Vorplatz, wo die wachehaltenden Türken ſiken .
b bezeichnet jedesmal eine Stiege zur Golgatha-Kirche hinauf.
C die Golgatha -Rirche

c und d die Grabſtätten Gottfrieds von Bouillon und Balduins.


e den Salbungsſtein .
A den Grabeddom 8. h. den um die Grabkapelle B aufgeführten Rundbau init Kuppel;
i i die Pfeiler des Rundbaues . NB . Die hier angegebenen Rundfäulen ſind in Pfeiler ver
wandelt worden.
B die heilige Grabtapelle. g bas Grab Chriſti.

f die Engelskapele .
h Ort, wo die Kopten einen Altar haben.
F, G, H die griechiſche Kirche, Ratholiton , im Oſten des heiligen Grabes.
F Weltmitte mit der darüber aufſteigenden Kuppel.
G Chor des Katholikon8 mit dem Hochaltare p
H H Umgang um den Chor des Katholifons.
t Kapelle der Verſpottung ,
u Treppe zur unterirdiſden elena -Hirde D.
D die Helena -Kirche.

E Kapelle der Kreuzfindung. V der Altar daſelbſt.


s Rapelle der Kleidervertheilung .
r Longinuskapelle.
q Gefängniß Chriſti im nördliden Anbau .
M M das lateiniſche Convent- Gebäude mit
L der Kirche der Erſcheinung ; m Sakriſtei
n Altar der Geißelungsjäule.
o Stelle, wo der Herr der hl. Maria erſchien .
1 Orgel der Lateiner
und k Altar der heiligen Magdalena .

Wir beginnen das bereits geſchilderte Portal (K) und die Vorhalle ( N) an der Süd
ſeite durchſchreitend bei der zunächſt liegenden Stätteder Salbung des leichnams Jeſu Chriſti.
.

Stein
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Salb
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Die Stationen in der Heiligen Grabfirdye. 73

M DI


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Maasstäbe.
12345 10 20 .70 40 Metre .
$ 10 15 20 25 en 400_Engl-Puſs.
K a
5 10 20 30 40 50 100 Deutsche Frys

1 ) Stätte der Salbung.

Dem Portal gerade nördlich gegenüber , zwiſchen dem nahen Golgatya ( C) das der

Beſchauer zur Rechten mit einem Crucifix über dem geöffneten Spißbogen ausgezeichnet er:
blidt
und dem entfernteren heiligen Grabe (B) liegt der Stein der Salbung von foloj

falen Leuchtern umgeben (e) . Hier wird die Stätte verehrt , wo Joſeph von Arimathäa den
vom Kreuze abgenommenen Leichnam Chriſti mit Hilfe des Nikodemus in reine, feine Leinwand
wickelte und zum Begräbniß vorbereitete.

Der Stein hat drei Stufen und mißt 7 % Fuß in der Länge und über 2 Fuß in der
Breite eine gelbe rothgeaderte Marmorplatte mit griechiſchen Inſchriften um den Saum

herum . Ehemals wird hier eine eigene kleine Kirche das Andenken an dies Ereigniß geehrt

haben , welche ,, Rirche der Salbung oder Marien -Kirche“ hieß , da die heilige Jungfrau bei der

Beſtattung des Heilande im tiefjten Schmerzgefühle zugegen war. Dieſe Stätte haben ſich ſeit
neuerer Zeit die Griechen zugeeignet und den Lateinern iſt nur geſtattet, daſelbſt Lampen zu

halten . Hier wird bei der täglichen Prozeſſion von den lateinern der ſchöne Hymnus geſungen :

Pange lingua gloriosi Transit luctus in triumphum ,


Proelium certaminis , Traxit ad se omnia .

Et super crucis trophaeum Exaltatus ligno crucis,


Dic triumphum nobilem , Mors tunc morsu corruit.

Quali redemptor orbis Cedit princeps mundi hujus,


Immolatus vicerit. Dum hic rex inungitur,
10
74 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

Ubi tua mors est palma ? Ortus morti correspondet:


Tuus ubi stimulus ? Dum ungendus colitur,
Mors absorpta victa jacet , Dona regis dantur auri,
Cur Satan erigeris ? Sacerdoti thurea,

Tolle portas, rex, virtute Myrrha quoque datur ei,


Sua Christus advenit. Quae sepulchrum praenotat.

A Joseph et Nicodemo Jam prophetae Danielis


Qui dum hic inungitur , Completur oraculum ,
Tremunt daemones ; descendens Ut probrosa morte Christi
Praedam tulit tartari. Levetur iniquitas,
Morsus tuus est, inferne, Et sanctorum sanctus ille

Triumphator gloriae. Hic ungatur mortuus.

Scala, quam videbat Jacob , Nun plangamus hunc uncturi

In qua stabat Dominus, Pietatis oleo ,


Crucem Christi praesignabat Cordis lacrymis ungamus

Cum petra, quam unxerat ; Omnes Christum fervide,


Christus autem erat lapis, Cujus nomen mel est, dulcor,

Quem hic ungunt mortuum . Et effusum oleum .

Te precamur corde, Christe,


Quos unxisti gratia,

Oleo baptismi natos


Salute perpetua,

Ut nos tecum corregnemus

In aeterna gloria . Amen.

Antiphona.
Acceperunt Joseph et Nicodemus corpus Jesu , et ligaverunt illud hic linteis cum

aromatibus, sicut mos est Judaeis sepelire.


W. Oleum effusum nomen tuum .

R. Ideo adolescentulae dilexerunt te.

Oremus .

Domine Jesu Christe, qui in tuo sacratissimo corpore condescendens devotioni fide

lium, ut te verum Deum , regem et sacerdotem colerent,, inungi hic ab eisdem permisisti,

concede , ut corda nostra unctione gratiae tuae valeant ab omni infectione peccati prae
servari. Qui vivis et regnas etc.
Die Stationen in der heiligen Grabkirdye. 75

Hymnus.
Nun , o Zunge, fünd' und preiſe Jene Leiter, die vor Zeiten

Den erhabnen Heldenſtreit Jakob mit dem Herren ſah,


Und den hehren Sieg am Kreuze, Chriſti Kreuzſtamm wil bedeuten ,

Den Triumph voll Herrlichkeit Und der Stein , ben er ihr nah'

Und des Welterlöfers Weiſe, Salbte, Chriſtum, den die Beiden


Der geſchlachtet ſiegt im Streit. Nach dem Tod gejalbt allda.

Hoch am Kreuzesſtamm gehangen Ihm Geburt und Tod ſich gleichen ,


Alles an ſich zog der Chriſt, Drei ihm zu die Salbung führt :
Trauer in Triumph gegangen , Gold als Königsgab ſie reichen ,
Tod durch Tod getödtet iſt, Weihrauch ihm als Prieſter wird,

Und der Weltfürſt wich mit Bangen, Und die Myrrhe noch als Zeichen,
Seit als Herr gekrönt der Chriſt. Das vor'8 Aug’ das Grab ihm führt .

Wo nun iſt, o Tob, dein Siegen ? Nun erfüllt iſt, was uns kündet

Wohin zog bein Stachel jich ? Daniel's Prophetenſpruch);

Muß beſiegt der Tod doch liegen , Nur durch Chriſti Schmachtod idwindet

Satan, wie erhebſt du dich ? Aller Sünde Laſt und Fluch,

Auf das Thor ! erprobt im Siegen Und der Heiligen Heil'gſten windet
Chriſtus naht als König ſich ! Man gejalbt ins Leichentuch.

Als von Nikodemus ehe Salben unter Trauerſtöhnen


Und Joſeph geſalbt er wird, Mit dem Del der Frömmigkeit,
Zitterten die Teufel wehe ! Salben ihn mit Herzensthränen

Er der Höll die Beut entführt Laßt uns all mit Herzeleid ;
Vorhöll, als dein End' erſehe Honig, luſt iſt’8, ihn zu nennen,
Den, der glorreich triumphirt. Del, ſo Wohlgeruch verbreitt.

Chriſt, der uns mit Gnad' begoſſen ,


Mit dem Del der Tauf erneut ,

Und das ewig Heil erſchloſſen ;

Dich wir flehn mit Innigkeit ,


Mache dir uns zu Genoſſen

Deiner ew'gen Herrlichkeit. Amen.

Antiphon.

Joſeph und Nikodemus nahmen Jeſu Leib und unigaben ihn mit Leintüchern und wohl
riechenden Specereien, wie zu begraben es Sitte war bei den Juden .

W. Ausgegoſſenes Del iſt dein Name ,


B. Daher haben dich geliebt die Jungfrauen.
10 *
76 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten .

Gebet.

Herr Jeſu Chriſt , der du willfährig dem frommen Wunſche der Gläubigen , damit ſelbe
als wahren Gott , König und Prieſter dich ehrten , dich von eben dieſen Gläubigen hier an

deinem heiligſten Leibe haſt ſalben laſſen ; verleihe , daß unſere Herzen durch die Salbung deiner
Gnade vor jeder Anſteckung der Sünde bewahrt werden mögen . Der du lebſt und regierſt von
Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen .

2) Der Graboom.

Von hier gelangt man zwiſchen viereckigen Pfeilern , welche Galerien tragen , in die
weſtlich gelegene Hauptkirche (A ) , in den eigentlichen Grabdom .
Sedyezehn im Kreis aufgeſtellte mächtige Pfeiler (i) * ) mit zwei Reihen Galerien über
cinander , bilden als Träger der hohen Kuppel die große Rotunde über der eigentlichen in des

Kreiſes Mitte erbauten kleineren Grabkapelle ( B ) . Die Rotunde öffnet ſich nur gegen Oſten
durch den Kaiſerbogen – in die griechiſche Hauptkirche (Ratholifon) . Die Ruppel läßt in
ter Mitte des Daches eine Deffnung, die mit einem feinen Drahtgitter überzogen iſt ; an den

Seitenwänden offenbaren ſich die Wirkungen der Zeit und Witterung wieder von Neuem. In
dieſer Umhüllung großartigen Maaßſtabes ſteht nun unter der Kuppel - Wölbung die heilige
Grabfapelle . Ein reich verzierter neugriechiſcher Marmorbau , um welchen ſich drei Reihen
jilberner Lampen an Rettchen ziehen, wie ein dreifaches Diadem von Silber und Lichtflämmchen.

3) Die Engel8kapelle.
Der Eingang in dieſe heilige Grabkapelle ſelbſt iſt von Oſten her und führt zunächſt in

die ſogenannte Engelskapelle . (f)


,, Spät am Sabbath aber , als ſchon der erſte Tag der Woche anbrady, kam Maria

Magdalena und die andere Maria, das Grab zu beſuchen .“


„ Und ſieh ! es geſchah ein großes Erdbeben, denn der Engel des Herrn ſtieg vom Him

mel herab, trat hinzu, wälzte den Stein hinweg und ſetzte ſich darauf.“
,, Seine Geſtalt aber war wie der Blit und ſein Kleid weiß , wie der Schnee. Die

Wächter aber erſchraden in Furcht vor ihm und wurden wie todt. Der Engel aber ſprach zu

den Frauen : Fürchtet euch nicht; denn ich weiß , daß ihr Jeſum den Gekreuzigten ſuchet.

Er iſt nicht hier . Denn er iſt auferſtanden, wie er es gejagt hat . Kommet her und ſehet die

Stätte , wo der Herr gelegen iſt. Und gehet alſogleich hin , faget ſeinen Jüngern , daß er von

den Todten auferſtanden iſt.“ Matth . 28. 1. 8 .


Ein in Marmor eingefaßter Stein , der für ein Stück von dem Schlußſtein der Grab

höhle gehalten wird, befindet ſich in dieſem Gemache des Engels der Auferſtehung.

**) Der Plan zeigt noch die frühere Anordnung von Säulen zwiſchen den Pfeilern. Bei Tobler iſt der

genaueſte Plan des jevigen Baues, Golgatha. Beil . iv.


Die Stationen in der heiligen Grabkirche. 77

4 ) Das heilige Grab unſers Herrn .

Aus der Engelskapelle führt ein niedriger und ſchmaler Eingang an der Weſtſeite der

ſelben in das zweite Gemady (g), an deffen Nordſeite ſich das heilige Grab ſelbſt befindet.
Die Weſtſeite der Engelskapelle iſt aber ſelbſtverſtändlich für die Grabkammer die Oſtſeite , an

weldher , hart neben dem Altar des heiligen Grabes der Zugang ſich befindet. Ein kleines Ge
mach, das kaum vier Perſonen faßt, ſchließt dieſe gefeierte heilige Stätte ein, welche mehr denn

fünfzig lampen erleuchten . Die Grabesſtelle felbſt mißt jedhs Fuß in der Länge und die Hälfte
davon in der Breite, und hat die Geſtalt eines Altars , an welchem täglich von den Lateinern,
denen dieſe Stelle eigentlich gehört , und den Griechen abwechslungsweiſe Gottesdienſt gehalten

wird . Schriftſteller des XIV. und XVI. Jahrhunderts erwähnen von der alten Grabeskammer,
daß der Eingang an der Oſtſeite ſo nieder ſei , daß der Eintretende ſich büden müſſe ; daß das

Innere in Halbkreisform überwölbt und mit Moſaik , Gold und Marmor geziert geweſen , aber

jeglichen Fenſters entbehrt habe . Dies iſt jene Stelle, an welcher ſeit Jahrhunderten Millionen
von Chriſten mit innigſter Rührung gebetet , heiße Thränen dankbarer Liebe geweint und ihre

Opfergaben dargebracht haben , damit die Lampen vor jenem Grabe nicht erlöſchen , das die

Finſterniß der Welt mit dem milden lichte des Troſtes und der Hoffnung der Ewigkeit erfüllt
hat . Als Zeugen des hier ſtattgehabten ewigen Ereigniſſes , als Zeugen der Auferſtehung Jeſu

Chriſti vom Tode ſind die Apoſtel in die Welt ausgegangen , den Menſchen zu verkünden , was
ſie mit ihren Augen geſehen und mit ihren Händen berührt haben den über das Grab ob

ſiegenden Erlöſer der Menſchheit, der alle auf Thu Hoffenden zu gleicher Herrlichkeit führt.
Von dieſem Zeugniſſe, fraft deſſen in der ganzen Welt Wunder geſchehen , wie an der ſchönen
Tempel - Pforte durch Petrus und Johannes an dem Lahmgebornen , der auf die Worte des
Apoſtels : „Silber und Gold habe ich nicht, was ich aber habe , das gebe ich dir : 3m Namen

Jeſu Chriſti, des Nazareners, ſteh' auf und wandle", alſogleich an Petrus' Hand aufſtand und

Gott preiſend vor allem Volfe im Tempel herumgieng , von dieſem Zeugniſſe , vor welchem die
Wuth und die weltbezwingende Macht der Römer eitel befunden ward , für welches den Tau

ſenden von Hingemordeten immer nur größere Schaaren folgten — von dieſem Zeugniſſe gelang

auch zu unſeren Vorahnen durch apoſtoliſche Männer die Kunde und mit ihr Troſt, Beſeligung
und Hebung aller für’s Göttliche in dem germaniſchen Stamme jo tief gegründeten Kräfte.
Von dieſer hehren Stätte hebt ſomit eine unabſehbare Reihe inhaltsvoller Bilder an,

die der großen Vergangenheit entſteigend von dem überirdiſchen Lichte dieſes Ortes beleuchtet
und geſtaltet vor der Seele vorüberziehen, eine Wolfe von Zeugen der erbarmenden Liebe Gottes
gegen die Menſchheit, wie Walther von der Vogelweide in gerührtem Herzen ſingt:

Was die ew'ge Weisheit dir

Welt , geſchenkt hat für und für,

Dort begann's und endet hier.


78 3eruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten.

Bei dem heiligen Grabe wird geſungen :

Hymnus.

Aurora lucis rutilat, Solutis jam gemitibus


Coelum laudibus intonat, Et inferni doloribus.

Mundus exultans jubilat, Quia surrexit Dominus,


Gemens infernus ululat, Resplendens clamat angelus .

Cum rex ille fortissimus. Quaesumus, auctor omnium ,

Mortis confractis viribus , Ad hunc sacratum tumulum


Pede conculcans tartara , Ab omni mortis impetu

Solvit a poena miseros . Tuum defende populum.

Ille, qui clausus lapide Gloria tibi, Domine ,

Custoditur sub milite, Qui surrexisti a mortuis

Triumphans pompa nobili, Cum patre et sancto spiritu

Victor surgit de funere, In sempiterna saecula. Amen .

Antiphona.

Dixit angelus hic mulieribus : Nolite expavescere , Jesum quaeritis Nazarenum


crucifixum ; surrexit, non est hic; ecce locus , ubi posuerunt eum, alleluja.
V. Surrexit Dominus de hoc sepulchro, alleluja .

R. Qui pro nobis pependit in ligno, alleluja .

Oremus .

Deus, qui per triumphalem hic unigeniti tui resurrectionem mundo salutis remedia con

tulisti, atque aeternitatis nobis aditum , devicta morte, reserasti, vota nostra, quae praeveniendo
adspiras, etiam adjuvando prosequere. Per eundem Christum Dominum Nostrum . Amen .

Hymnus .

Das Morgenroth den Himmel malt, Den eingeſenkt in Grabesnacht

Der feierlich in Liedern hallt; Ein Fels verſchloß und Kriegermacht,


Hoch auf die Welt im Jubel wallt, Steigt mit Triumph und Heldenpracht
Die Höll nur dumpf in Seufzern ſchallt. Als Sieger aus des Grabes Schacht.

Der ſtarke König hat geſiegt, Nun ſind zu Ende Thrän' und Traur
Des Todes Macht gebrochen liegt ; Und aller düſtre Todesſchaur;
Die Unterwelt betrat ſein Fuß, Der Heiland lebt, der Herr erſtand,
Er löſt, was bort erleidet Buß' . Ein Engel ruft's im Lichtgewand.
1
:

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O

Halbreiter del Bruch se

HL.GRABESKTRCIE .
Innere insicht
1
Die Stationen in der heiligen Grabfirdye. 79

Dich Schöpfer Aller bitten wir Geprieſen ſei’ſt Herr Jeſu Chriſt,
An deinem heil'gen Grabe hier , Der du vom Tod erſtanden biſt,
Vor böſem Tode und Gefahr Gelobt in der Dreieinigkeit
Dein Volk beſchütze und bewahr ' . Von nun an bis in Ewigkeit. Amen .

Antiphon .
Hier ſprach ein Engel zu den Frauen : Fürdytet Euch nicyt; 3hr ſuchet Jeſum , den ge
kreuzigten Nazarener ; Er iſt auferſtanden und nicht hier. Da iſt der Ort, wo ſie Ihn hingelegt .
Aleluja.
V. Der Herr iſt auferſtanden vom Grabe . Alleluja .

R. Der für uns am Kreuze gehangen. Alleluja .

Gebet .
O Gott, der du hier durch die glorreiche Auferſtehung deines Eingebornen der Welt die
Mittel des Heils verſchafft, den Tod beſiegt und den Eingang in die Ewigkeit geöffnet haſt,
unterſtüße uns in der Vollbringung unſerer Wünſche, die du zuvorkommend uns eingegeben haſt.

Durch ebendenſelben Jeſum Chriſtum unſern Herrn. Amen .

Die jezige Marmorkapelle des heiligen Grabes mit einem kleinen Kuppelauffag im neueren
griechiſchen d. h. ruſſiſchen Geſchmack, bildet ein Oblongum von 30 Fuß Länge und 15 in der
Breite und iſt an den Seiten mit Wandpfeilern deforirt. Das flache Dach um die reich defo

rirte Ruppel herum geführt, wird in einer durchbrochen gearbeiteten Brüſtung nach allen Seiten
abgeſchloſſen. Die hier im Kleinen vor Augen geführte Anlage wiederholt ſich im Ganzen und
Einzelnen des Bauwerks , welches beſtimmte ſarazeniſche Motive mit den überlieferten Reſten
chriſtlicher Architektur durch den modernen Styl vereinigt darſtellt, ohne daß jedoch im eigent
lichen Umbau der heiligen Grabfapelle von dem früheren Wechſel der Pfeiler und Säulen und

der entſprechenden Bogen - Architektur des fränkiſchen Königreiches ein Ueberreſt anzutreffen - iſt.
Die 16 , die heilige Grabkapelle umgebenden viereckigen Pfeiler von etwa 6 Schuh Breite und
bedeutender Höhe werden durch zwei Galerien unterbrochen, welche zwiſchen denſelben angebracht

ſind, und bei der geringen Abſtandsweite der Pfeiler bloßen Niſchen gleichen . Auf den über
den Pfeilern ruhenden Mauerkranz folgt ein vorſpringendes Geſims, von welch lekterem die

oberſte Niſchen -Reihe - gebildet durch Bogen- Blenden zwiſchen kleinen Pilaſtern — anhebt , worau

die eigentliche Kuppelwölbung mit der freien Lichtöffnung der Mitte den Dom abſdließt. Da
dieſer große Kreisbau von 67 Fuß im Durchmeſſer fenſterlos iſt und das Licht nur dieſe oberſte
Dachöffnung demſelben zuführt , ſo entſteht eine mit dieſer heiligen Stätte eines Grabes ganz
übereinſtimmende Dämmerung im Inneren , welche der Seelen -Stimmung an dieſem ehrwürdigen

Orte wirkſam entſpricht und eine Harmonie des Inneren und Neußeren glüdlich herſtellt.
Vor der Grabfapelle ſtehen auf Marmor - Bänken zu beiden Seiten des Eingangs große
Randelaber von Silber und von dem Dach der Rapelle weg breitet ſich gleich einer Siegesfahne
80 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

ein großes Tuch mit dem Bilde des Auferſtandenen über dem Eingange aus. Wie im Inneren
ſind auch an der Außenſeite Bilder angebracht. Die Engelskapelle bildete vor dem Brande ein
Parallelogramm von 10 Fuß Länge und 5 Fuß Breite mit einer halbkreisförmigen Apſis im
Weſten. Das Barallelogramm war in einem Gurten - Syſteme überwölbt , deſſen Scheitelpunkt
nur 10“ vom Boden entfernt war und die Apſis war noch niedriger . Das öſtliche Thor war

86 56 bis zum Scheitel ſeines Spitzbogens hod), das weſtliche aber, durch welches der Eingang
in die innere Rammer , nämlich in das heilige Grab ſelbſt führte, hatte nur 3 ' 4 " Höhe und
die Paſſage war mit Rückjicht auf die Einrichtung des Grabes ſchief eingeſchnitten . Boden und
Wände waren mit Marmor bekleidet . Zwei kleine Fenſter an jeder Seite und ein Behälter
für heilige Gefäße ſind auſſerdem noch in dieſer Engelskapelle bemerkenswerth. Ueber der weſt

lichen Abtheilung der Grabkapelle erhob ſich ein leichter Pavillon . Dieſer ruht auf einer
Unterlage von weißem Mormor init 12 kleinen Säulen des feinſten Porphyrs die Kapitäle

waren von Erz -- , weldie durch Spitzbögen von Holz mit einander ſich verbanden und ein ſtark
ausladentes Rarnieß trugen . Eine kleine bleierne Kuppel ſchloß dieſe Architektur ab . Dies die

Anordnung der Kapelle vor dem Brande *) .


Im Vorgemach des Heiligen Grabes ſind zu beiden Seiten des Eingangs durch die
Wände ovale Löcher geſchlagen, durch welche am Charſamſtag der im heiligen Grabe eingeſchloſ

fene griechiſche und armeniſche Biſchof den Griechen das heilige Feuer reichen . Daran bemüht

ſich nun jeder Gläubige ſeine Kerze anzuzünden , weil die Griechen des feſten Glaubens ſind, an
dieſem Tage ſteige vom Himmel auf das Grab Chriſti ein Feuer herab , gleich dem Engel der
Auferſtehungsbotſchaft von welchem es heißt, ,, er ſah aus wie der Blig .“

Trotz Entſeßen erregender Unglücksfälle bei dieſer Scene ward dennoch bis zur Stunde
an dieſem Unfug und Aergerniß von den Griechen feſtgehalten als einer Ceremonie höchſter
Bedeutung .

Alle Berichte ſtimmen in dem entſchiedenſten Tadel und Verwerfungsurtheil der genann

ten Tempelſchändung durch die Griechen ebenſo überein als in der Anerkennung der würdevollen
und erhebenden Feier auf Seite der Ratholifen .

In der heiligen Woche beſonders macht ſidy dieſer Unterſchied recht deutlich .** ) An
Glanz des Kirchenſchmuckes und der Anzahl von Feſtpilgern übertreffen die feierlichen Um
züge der Armenier und Griechen den Aufwand der Ratholifen . Aber trotz dieſer äuſſeren Pracht

vermißt man bei jenen die Erhabenheit der Ceremonien, den Ernſt des Geſanges, ſowie die Be
ſcheidenheit , Andacht und Würde bei Prieſter und Volk , während bei den lateiniſchen Chriſten

im Augemeinen mehr ächt religiöſer Sinn , verbunden mit einer der Heiligkeit der Sache und
des Ortes würdigen Haltung vorherrſcyt, was auch ruhigen Beobachtern unter den Türken nicht

*) Willis c . W. 34 .
** ) Gray 259.

1
Die Stationen in der heiligen Grabfirdje. 81

entgeht. Sene Muſelmänner , welche Neugierde in die heilige Grabkirche führte , wurden von
der würdigen Feier des katholiſchen Gottesdienſtes ergriffen , ſo daß ſich mehrere , wie Geramb
erzählt, einander ſagten , wenn ſie nicht wüßten , daß ihre Religion die wahre ſei , würden ſie
nicht zaudern , katholiſch zu werden . Die in der Charwoche nach dem römiſchen Ritus ſtattfin

denden Feierlichkeiten ſind es beſonders, welche hier mehr als an jedem andern Orte zum Herzen
ſprechen und in ihrer tiefen Auffaſſung die Gluth der Andacht nähren . Am Palmſonntag geht
die feierliche Prozeſſion um das Grab des Erlöjers , woſelbſt die Balmen geweiht werden .
Am Gründonnerſtag beginnt das Hodíamt mit der Communion der anweſenden Prieſter
vor der Grabeskapelle , wo Nachmittags auch die Fußwaſchung ſtatt hat. Am Char

freitag wird wieder vor dem heiligen Grabe der Gottesdienſt begangen , der am Oſtertage vor

Aufgang der Sonne in Jubel und Freude der Gläubigen endigt. An dieſem ſchönen Feſte
ſieht man die koſtbaren Weihegeſchenke , welche die katholiſchen Herrſcher von Frankreich , Deſt
reich, Spanien , Sizilien und anderer Länder geſpendet haben .

Fromme Pilger finden nicht Worte genug , die Gemüthsbewegungen zu ſchildern , von
welchen ihre Seele ergriffen war , als am Grabe des Erlöſers der Paſſion geſungen wurde und

die flagelieder des Propheten von Anathot in herzergreifender Tonweiſe durch den weiten Raum
ertönten . Wahrlich das gläubige Herz ſchlägt da höher und gedenkt der Worte des . Sehers :

„ An dieſem Tage wird die Wurzel Jeſſe's zum Panier für die Völker
ſtehen ; die Nationen werden zu ihm , dem Meſſias , beten und ſein Grab wird
herrlich ſein ." ſaias 11, 10.

5. Golgatha .

Nebſt dem Grabesdom iſt die Golgatha- Kirche die bedeutſamſte und das Denkinal des
größten Geheimniſſes göttlider Liebe.

Zur Rechten der Vorhalle (N) , wo die wachehaltenden Türken gleich gewaltigen Zwing
herrn der Chriſtenheit ihren Aufenthalt haben , erhebt ſich der ummauerte Calvarien - Fels oder

Golgatha, zu deſſen kleiner Kirche (C) eine Treppe von 18 Stufen hinanführt (b) . Die Calvarien

Kirche liegt mit den Emporen oder Galerien der Oſtkirche beinahe in gleicher Höhe und zerfällt
in zwei Stocwerke. Das untere in einer Ebene mit der Vorhalle enthält die Adamskapelle,
deren Spißbogen- Eingang mit den öſtlichen Säulchen der Oſtthüre des Haupt - Portals ur

ſprünglich bündig war, ſo daß von der Oſtthüre des Portals eine Flucht bis zum Eingang der
Adams -Kapelle hergeſtellt war. *)
Darüber liegt der Fußboden der eigentlichen Kreuzigung8- Kapelle , in welche die

erwähnte Nordweſt - Stiege führt ; gegen Weſt iſt nämlich die Calvarienkirche offen und den
oberen Gängen des Bauwerkes erſchloſſen . Noch im XVII. Jahrhundert gelangte man von

*) Nadh Orbans Modell; vgl. Tobler III. Wanderung 268 u . 275.


11
82 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

den Galerien der Nord- und Südſeite in die Golgathakapelle, da dieſe Gänge oder Emporen
um den ganzen Bau des großen Kirchenkompleres innen herunt liefen und alle Räumlichkeiten

des 1. Stockwerkes , in welchem auch die Kreuzigungsſtätte liegt , mit einander verbanden . In
der jetzigen Anordnung der Galerien der Oſtkirche — des Ratholifons — und der Grabesrotunde

fehlt dieſer architektoniſch ſo glückliche Zuſammenhang überhaupt und die Golgathafirche öffnet
ſidy nur mehr an der Weſtſeite gegen den Kirchenraum , gegen den Grabdom. Golgatha

iſt eine geräumige viereckige Napelle , welche durch zwei große Pfeiler in zwei Räume getrennt
wird : einen ſüdlichen und nördlichen. Durch den Mittelpfeiler ſcheidet ſich ſowohl der Süd
wie der Nord- Raum wieder in eine öſtliche und weſtliche Abtheilung.

a) Stätte wo Chriſtus an’s Kreuz geſchlagen ward .


Im ſüdlichen Raume wird die Stätte verehrt, wo der Heiland auf dem Boden aus

geſtreckt an’s Kreuz geſchlagen wurde . Zierlich eingelegte Marmorſtüdke, beinahe in der Mitte

des Fußbodens, bezeichnen dieſe Stelle . Im Oſten ſtellt das ſchöne Altargemälde die Kreuz
anheftung des Erlöſers dar. Dieſe Südkapelle heißt die Stätte der Söreuzannagelung
oder Kreuzanheftung. Altar und Kapelle ſind Eigenthum der Lateiner. Hier wird bei der

Prozeſſion geſungen :

Hymnus.
Vexilla regis prodeunt, Arbor decora et fulgida,

Fulget crucis mysterium, Ornata regis purpura,

Quo carne carnis conditor Suscepit hic quae Domini

Suspensus est patibulo. Corpus flagellis lividum.

Quo vulneratus insuper Beata, cujus brachiis


Mucrone diro lanceae, Secli pependit pretium ,

Ut nos lavaret crimine, Statera facta corporis,


Manavit unda et sanguine . Praedam tulit tartari.

Impleta sunt, quae concinit O crux, ave spes unica,


David fidele carmine, Hic Christi tendens brachia,

Dicens : In nationibus Auge piis justitiam ,


Regnavit a ligno Deus . Reis dona veniam.

Te summa, Deus, Trinitas,


Collaudet omnis spiritus.

Quos per crucis mysterium


Salvas, rege per saecula. Amen.
Die Stationen in der heiligen Grabkirche. 83

Antiphona .

Susceperunt autem Jesum, et eduxerunt eum .

Bajulans sibi crucem, exivit in hunc, qui dicitur Calvariae locus , hebraice autem
Golgatha, ubi crucifixerunt eum .
W. Foderunt hic manus meas et pedes meos.

R. Et dinumeraverunt omnia ossa mea.

Oremus.

Domine Jesu Christe, fili Dei vivi, qui hora sexta pro redemptione mundi crucis

patibulum in hoc Calvario adscendisti, et sanguinem tuum pretiosum in remissionem


peccatorum nostrorum fudisti, te humiliter deprecamur , ut , post obitum nostrum , pa
radisi januam nos gaudenter introire concedas . Qui vivis et regnas in saecula sae
culorum . Amen .

Hymnus.
Der Könige Fahnen leuchten vor, Baum, ſchön geſchmückt und glanzumſtrahlt,
Das Kreuzgeheimniß glänzt empor, Vom Königspurpur reich umwallt,
Im Fleiſch des Fleiſches Schöpfer hängt Der unſers Herren Leib hier trug,
Daran am Galgen ausgerenkt. Den Geißelhieb zerbläut, zerſchlug.

Daran er noch verwundet ward Du biſt die gnadenreiche Waag ,


von einem Lanzenſtoſſe hart, An deren Armen hängend lag
Daß Blut und Waſſer floß herab, Sein Leib, der Welten Löſegeld,
Zu waſchen und von Sünden ab . Und nahm die Beut ' der Unterwelt .

Erfüllet iſt, was David ſang, Kreuz, einzig Heil, gegrüßt uns ſei,
Getreu in ſeines Liedes Klang, Hier ſpannend Chriſti Armentzwei !
Verfündend : ob ben Bölfern alt Den Frommen mehr Gerechtigkeit,
Hat Gott geherrſcht vom Holzespfahl. Den Sündern (denk’ Barmherzigkeit .

O Gott, dich preiſe jeder Geiſt,

Hodſeligſte Dreieinigkeit !
Die durch des Kreuzes Sieg du weihft,

Die ſchüt’ in alle Ewigkeit. Amen .

Antiphon .

Sie ergriffen aber Jeſum und führten ihn hinaus .


Auf ſich ladend das Kreuz wanderte er an dieſen Ort , welcher Calvaria , hebräiſch aber

Golgatha genannt wird ; woſelbft ſie ihn freuzigten.


X. Hier haben ſie meine Hände und Füſſe durchbohrt.
B. Und haben alle meine Gebeine gezählt.
11*
84
Jeruſalem mit jeinen Erinnerung8 - Stätten.

Gebet .

D Herr Jeſu Chriſt! Sohn des lebendigen Gottes, der du zur fechſten Stunde zur Er

löſung der Welt zuin Kreuzesſtamm auf dieſen Calvarienberg geſtiegen biſt uud dein koſtbares
Blut da vergoſſen haſt zur Vergebung unſerer Sünden , dich bitten wir demüthiglich, du wolleſt
uns geſtatten , daß wir nach unſrem Tode freudig eintreten dürfen durch die Thüre des Pa
radieſes . Der du lebſt und regierſt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen .

An dieſer denkwürdigen Stätte möge es geſtattet ſein, folgende Betrachtung eines Pilgers
einzuſchalten .*)
Es iſt nicht wohl denkbar , daß die Annagelung an's Freuz weiter nichts ſei , als eine

hödiſt ſchmerzhafte Pein , welche der Heiland gelitten hat. Wie eine tiefe Beziehung in dem
Umſtand liegt , daß der Erlöſer gewaltſam an den Kreuzesbaum gehängt wurde , nachdem die
Sünde durch Abreißen der Frucht vom Baume geſdyehen war : ſo ſcheint es auch, daß in dem
Annageln ſelbſt eine kosmiſche Himmelsleiter gezimmert wurde . Das Eiſen iſt vorzugsweiſe der
Stoff des glühenden Erdkerns , wohin man auch den Aufenthalt der Unſeligen verſett ; im
Baum wendet ſich die Erde dem Licht und dem Himmel zu ; im Menſdyen löſt ſich das Erd
gebild von der Erde los und berührt ſie kaum noch in der Fußſohle ; in der Menſchenſeele ragt
Geiſterwelt in die Natur herein ; und in der Gottheit Jeſu Chriſti iſt die höchſte Höhe des
Himmels erſtiegen . In der Kreuzannagelung wurde ſonach das Höchſte in der Welt, der Gott
menſch, vom Tiefften , dem Eiſen durchbohrt und an’s Holz genagelt, das in die Erde abwärts

wurzelt und gegen den Himmel aufwärts wipfelt. Eiſen auf Stein in harter Berührung gibt
Feuerfunken , Eiſen auf lebendigen Leib gibt Blut. Die Unterwelt in ihrem Repräſentanten ,
dem Eiſen , mordet das Leben , die Secle Chriſti ſteigt hinab in die Unterwelt, der Leib in's
Grab – aus Unterwelt und Grab ſteigt neubelebt der Gottmenſch auf und fährt nun mit

Leib und Seele aufwärts in den Himmel. Gewiß hat auch in dem Rahmen des Leidens Jeſu
Chriſti die göttliche Weisheit geſpielt und ſich gefonnt , was uns ganz erſt wird offenbar werden,
wenn wir erkennen, wie wir erkannt ſind .

b ) Stätte der Kreuz-Erhöhung.

Durch einen Pfeiler geſchieden, ſonſt aber demſelben Boden und Raume gemeinſam ſteht
der andere Altar zur Ehre der Kreuzigung Jeſu Chriſti. Es iſt der Nord- Raum , an deſſen
Dſtſeite der Altar fich befindet, ſo daß das Bild des Erlöſers am Kreuz , welches über dem

Altartiſche aufgerichtet iſt, gegen Abend hinſchaut. Dieſe Kapelle zeigt unſre Abbildung . Rechts
wird der Altar der Kreuzannagelung - des Süd - Raumes alſo ſichtbar. Hier ward alſo

das Kreuz mit ſeiner theuren Bürde in den Felsboden eingeſenkt und emporgerichtet. An dieſer

Stätte litt der Heiland die Qualen der Kreuzigung , des Durſtes, der Verſpottung und läſter

*) A. Stolz 205.
Tiot

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GOLGATHA
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Die Stationen in der heiligen Grabkirche. 85

ung , hier erduldete er die Fülle menſchlichen Undanks jener und aller Zeit. Aber von dieſer
Leidensſtätte aus betete er auch für ſeine Feinde, verhieß dein reumüthigen Schächer den Eintritt
in das Paradies und empfahl dem Lieblingsjünger ſeine . heilige Mutter. Hier am Kreuze

hängend neigte er endlich ſein Haupt und ſtarb.

Aber von der ſechſten Stunde bis zur neunten warb eine Finſterniß über der ganzen

Erde. Und um die neunte Stunde (dyrie Jeſus mit lauter Stimme: Eli Eli Lamma Sabac
thani! Mein Gott ! Mein Gott ! Warum haſt du mich verlaſſen ! Einige aber , welche da
ſtanden und es hörten , ſagten : dieſer ruft den Elias . Und gleich lief einer unter ihnen , nahm

einen Schwamm , füllte ihn mit Eſſig an, ſteckte ihn an ein Rohr und tränkte ihn damit .

Und als Jeſus den Eſſig genommen hatte, ſprach er : Es iſt vollbracht.

Und mit geneigtem Haupte gab er ſeinen Geiſt auf.

Und ſieh '! der Vorhang des Tempels zerriß in zwei Theile von oben bis unten , die
Erde bebte und die Felſen ſpalteten ſich .“

Eine runde Deffnung im Boden der Kapelle, die in Silber gefaßt unter einem kleinen
Baldadjin am Fuße des Kreuzbildes verehrt wird, bezeichnet die Stelle, wo das Kreuz mit dem

Heiland in den Felsgrund eingeſenkt worden . Auf beiden Seiten etwas rücwärts , etwa fünf
Schuh davon entfernt , ſind zwei ſchwarze runde Steine im Boden angebracht als Bezeichnung
der Stellen , worin die Kreuze der beiden Sdächer geſtanden . Es iſt ein alter Glaube , daß
der reumüthige Schädjer dem Heiland zur Rechten geweſen , ſomit der Standort ſeines Kreuzes
nördlich, der des böſen Schächers aber ſüdlich anzunehmen iſt. So wird auch gewöhnlich an
genommen , der gekreuzigte Erlöſer habe , wie hier im Bilde , gegen Abend das Angeſicht gerich
tet gehabt , als wenn ſein legter Hauch den Sieg vorzüglich nach dieſer Himmelsrichtung
tragen ſollte.
Unweit der erwähnten Deffnung der Kreuzeinſenkung gewahrt man den Felſenriß , der

durch das Erdbeben beim Tode Jeſu entſtand . Auch dieſer Riß iſt an den oberen Theilen mit
einer Silberplatte eingefaßt, etwa eine Spanne breit und läuft in eine Tiefe von zwanzig Fuß,

ſo daß in der unter Golgatha befindlichen Adamskapelle derſelbe gleichfalls ſichtbar iſt. Den
Boden ſchmüdt eine herrliche Marmorbekleidung . Die über den Feldſpalt gelegte Silberplatte
kann man hinwegnehmen und in die Tiefe hinunterſchauen und das Geſtein berühren ; ſonſt
kann man wegen der Marmorbekleidung an keiner Stelle der Calvariakapelle das nadte Geſtein
des Bodens ſehen . Von der Deffnung unter dem Kreuze Chriſti liegt dieſer Felſenriß fünft

halb Fuß ſüdlich entfernt, gegen die Stätte der Kreuzannagelung hin. Gewiß müßte die Kreu
zigungsſtätte, wenn man ſie in urſprünglichem , von Menſchenhand unberührtem Zuſtande ſehen
könnte* ), einen unendlich mächtigeren Eindruck auf den Chriſten machen, als die jetige Golgatha

*) Stolz 207 .
86 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

Kirche, die mit ihrem Marmor Alles überbedt. Allein die Verehrung und Sorge für eine dem

Chriſten unendlich heilige Stätte nöthigte, dieſelbe auf ſolche Weiſe zu umfaſſen . Der Golgatha
hügel wäre ſonſt gewiß gründlich abgetragen und gleichjam zu Streuſand geworden , den die
zahlloſen Pilger in langen Jahrhunderten über die ganze dyriſtliche Welt längſt verſchleppt hätten .
Zudem würden der Jude und Türke auch nicht ermangelt haben, das Ihrige zu thun, um einen
den Chriſten heiligen Boten zu verunehren. Was wäre wohl dem Erlöſungsplage der Chriſten

geſchehen, wenn er ungeſchützt am Wege gelegen wäre, da die Stationen des Leidensweges ſchon
dick mit vertrocknetem Speichel belegt ſind, un den Chriſten zu ärgern und ihm die Verehrung

dieſer Orte thunlichſt zu verleiden . So verhält es ſich auch mit dem heiligen Grabe. Alle

Stürme und Schändungen brachen jedesinal über daſſelbe in vorzüglicher Weiſe los, ſo daß das
Feldgrab zur Zeit des Euſebius den vielen um Jeruſalem befindlichen jüdiſchen Gräbern glich
und ganz paſſend eine Höhle*) heißen konnte; durch Conſtantin aber und neuerdings nach der
Verwüſtung durcy die Perſer beim Wiederaufbau zur Geſtalt einer Hütte zugehauen leicht der
Zerſtörung erliegen mußte, die wahnſinnige Wuth und Barbarei über dieſelbe herbeiführten.
Die Chriſten mußten ſich glücklich ſchätzen , nur den Ort ſelbſt noch gerettet und erhalten zu
wiſſen , deſſen urſprüngliches Denkmal mit allen Zeichen ſeines höchſten Alters wiederholt ver
nichtet und verwüſtet geworden. Bauwerke über geheiligten Orten aufgeführt oder überhaupt

als Denkzeichen ausgezeichneter Stätten errichtet, ſind allein im Stande, die Orte der Ereigniſſe,
deren Andenken verewigt werden ſollte , in der Erinnerung fortzuerhalten und eine lebendige
Ueberlieferung von Geſchlecht zu Geſchlecht in dieſer Beziehung herzuſtellen. So geſchah es auch
mit dieſen heiligen Stätten der dyriſtlichen Verehrung und was ſie in der Form an Urſprüng
lichkeit eingebüßt , hat die ſtete Erneuerung der darüber erbauten Denkmale erſetzt und ſo die
Glaubwürdigkeit für die Nadwelt bewahrt und geſichert.

Von der Kreuzigungsſtätte war das Grab nid )t weit entfernt , denn der Evangeliſt fo
hannes ſagt :

„ Es war aber an dem Orte, wo Jeſus gefreuzigt ward, ein Gartert und in dem Garten
ein neues Grab . “ 19. 41. Folglich iſt die geringe Entfernung dieſer genannten heiligen Stätten

mit den Worten der heiligen Schrift in Uebereinſtimmung und das Grab in ſolcher Nähe beim
Kalvarienberg nach des Apoſtels Johannes Bericht, wie dieſelbe veute noch augenfällig erſcheint.
An der weſtlichen Seite des Grabdoms ſind noch Felsgräber erhalten , die ſpäter in Betracht
kommen ſollen . Der Rathsherr Ioſeph von Arimathia befaß in der Vorſtadt, die mit Gärten
geſchmückt war , im Norden von Zion oder der eigentlichen Stadt , außer deren Mauern Jeſus

Chriſtus gefreuzigt ward , ganz nahe dein Orte der Kreuzigung des Heilands einen Garten mit
einem neuen Grabe , worin noch Niemand lag. Da die Juden ſolche Begräbnißſtätten für

ganze Familien gemeinſam in der Art außerhalb der eigentlichen Wohnorte im Freien , in Höhlen

*) Scult . Seruſalem S. 99.


87
Die Stationen in der heiligen Grabfirdye.

oder Grotten , auch unter Bäumen und in Gärten anlegten , daß entweder natürliche Grotten

dazu benutt oder die Grabfammern in den Fels fünſtlich eingehauen wurden , ſo bildeten ſich oft

an Abhängen förmliche Todtenſtädte aus , denen die größte Aufmerkſamkeit gewidmet ward.

So iſt das heutige Jeruſalem ringe von Gräbern umgeben. An dem Theile der Stadt, welcher

Golgatha und die Grabeskirche umídyließt , finden ſich gleichfalls derartige Grabmäler , da zur
Zeit Chriſti von manchen Privaten Garten - Anlagen mit dem Grabmal für den Beſitzer daſelbſt

angebracht waren . Ein ſolches Felsgrab , aber nur für Eine Perſon beſtimmt , war das Grab
des Joſeph von Arimathia , worin Jeſus gelegt wurde . Wegen der Nähe deſſelben beim Orte

der Freuzigung und weil der Rüſttag Eile gebot , war es ganz geeignet zur Beſtattung des

Heilands . Es darf nicht befremden, daß die Hinrichtung an einem ſo ſchönen Theile Jeruſalem's,
nahe der eigentlichen Stadt oder Alt - Stadt an einer frequenten Straſſe ſtatt gefunden , denn

um einen ſtändigen Hinric ;tungsplatz würden ſich ohne Zweifel weder Villen nod; Gärten an
geſchloſſen haben. Es gibt*) nämlich im Orient gar keine ſtändigen Hochgerichte, wie im Abend
land . Wie im Orient auf jedem Punkte des Landes Gut und Leben des Menſchen der Gewalt

verfallen iſt, ebenſo war und iſt im Orient auch jeder Punkt des Landes heute noch wie im

Alterthum zur tödtlichen Nache des zornigen Madythabers ohne Unterſchied beſtimmt. Nicht be

lehren , nicht fühnen will die Gewalt im Morgenlande, ſie will Screcen verbreiten und durd)

Blutvergießen jedermann an ihr Daſein und an ihre Stärke mahnen . Der Platz am Tribunal,
der Herrſcher - Palaſt, der Luſtgarten , die Quelle, die reißenden Ufer eines Flußes , die öffent

lichen Vergnügungsorte, die belebteſten Kreuzſtraſſen , das ſchönſte Stadtviertel , das beſuchteſte
Thor , der volle Markt , ja der Tempel und das Heiligthum ſelbſt waren nach Laune , Zufall

oder kluger Berechnung im Orient von jeher die Richtſtätten und ſind es nod ). Für außerleſene

Nacheopfer der Gewalt ward und wird die Hinridhtungsſtätte mit ſorgfältiger Berechnung aus

gewählt. Anderer Beiſpiele zu geſchweigen , wurden nur wenige Dezennien vor Chriſtus auf
Befehl des Makkabäiſchen Prieſterkönigs Alexander achthundert Gefangene der politiſchen Gegen

partei an einem und demſelben Tage ,,mitten in der Stadt " an's Kreuz geſchlagen . Den König
der fuden , den Volksaufwiegler und den Feind der Staatsreligion , wofür die jüdiſchen Prieſter
Jeſu Chriſtus ausſchrieen und an Pilatus überlieferten , den Gegenſtand eines grenzenloſen

Haſſes auf dem belebteſten Punkte der Vorſtadt von Jeruſalem den Verbrecher Tod ſterben zu
laßen welche Genugthuung für dieſe bittern Feinde des Heilande ! Die vielen Vorüber

gehenden auf der Straße hatten Gelegenheit; den Triumph der jüdiſchen Prieſterſchaft auf Gol
gatha zu ſehen und den Heiland zu verhöhnen. Golgatha war einer der Lokal - Namen des viel

geſtaltigen Stadt-Terrains von Jeruſalem, wie Gabbatha, Bezetha und war von der Lehn

lichkeit dieſes Hügels mit einem „ Schädel" genommen , ohne daß die Beziehung auf eine Stätte

der Schädel d. h . der Getödteten dabei unterlaufen konnte. Solche Benennungen finden ſich

* ) Fallmerayer, Golgatha 31 .
88
Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

allerwärt8 und ſind oft geradezu in ſpäterer Zeit unerklärlich. Der Evangeliſt Lukas macht
aber die Bezeichnung dieſes Hügels in erwähnter Deutung klar . Jeſus Chriſtus litt und ſtarb
im Angeſichte vicler Menſchen an offener Straſſe, der eigentlichen Stadt Davids oder der Alt
Stadt gegenüber.
Als der Erlöſer am Kreuze erhöht dem Tode entgegen ſah, rief er „Mich dürſtet“ . Dieſe
Qual des Durſtes bei Gefreuzigten weiſt der gelehrte Wiſeman*) an einem ſo auffallenden
Beiſpiele aus der Profan - Geſchichte nach , daß wir uns nicht verſagen können , dies rührende

Bild dem Leſer vorzuführen nach einer arabiſchen Erzählung, die von einem gekreuzigten Mame
luken oder türkiſchen Sklaven folgendermaſſen berichtet:

„ Man ſagt, daß er ſeinen Herrn aus irgend einemGrunde erſchlagen habe ; und er wurde
gekreuzigt an den Ufern des Flußes Barada unter der Burg von Damaskus , mit dem Ange
jichte gegen Oſten gekehrt. Seine Hände, Arme und Füße waren angenagelt und er blieb fo

von Freitag Mittags bis zu derſelben Stunde am Sonntag, wo er ſtarb. Er war merkwürdig
durch Stärke und Tapferkeit ; er war mit ſeinem Herrn im Heiligen Kriege bei Askalon geweſen,
wo er eine große Anzahl Franken erſchlug : und da er noch ſehr jung war, hatte er einen Löwen

getödtet. Mehrere außerordentliche Dinge begegneten bei ſeiner Annagelung, wie daß er ſidy
ohne Widerſtand der Kreuzigung hingab und ohne Klagen ſeine Hände ausſtreckte , die ange
nagelt wurden und nach ihnen die Füſſe; er ſah unterdeſſen zu und that nicht einen Seufzer
und änderte nicht die Farbe und bewegte nicht ſeine Glieder .“ So ſehen wir einen Mann,

fügt Wiſeman bei , in der Blüthe ſeines Alters , ausgezeichnet durdy Tapferkeit und Stärke,
gewöhnt an kriegeriſche Beſchwerden , ja ſo ſtark, daß es in einem anderen Theile der Erzählung
heißt : „ er ſchüttelte ſeine Füſſe, bis er die Befeſtigung der Nägel locker machte, ſo daß er ſie,
wenn ſie in dem Holze nicht wohl geſichert geweſen wären , herausgeriſſen hätte" und dennoch

konnte er das Leiden nicht länger als achtundvierzig Stundent aushalten. Doch der bedeutendſte

Umſtand hiebei iſt die Thatſache, die keiner von den Alten , welche die Kreuzigungsſtrafe be
ſchreiben , erwähnt hat – daß die vorzüglichſte Qual, welche dieſer Sklave ausſtand , die des
Durſtes war, genau ſo , wie es in der Geſchichte des Evangeliums erzählt wird . Joh . 19. 28 .
Denn der arabiſche Erzähler fährt fort : Ich habe dies von einem gehört, der Augenzeuge davon
war ; und er blieb ſo , bis er ſtarb , geduldig und ſchweigend , ohne Klagen , ſondern rings
um ſich ſehend auf das Volk zur Rechten und Linken .

Aber er bat um Waſſer und feines wurde ihm gegeben ; und die Herzen des Volkes er
weichten ſich in Mitleid gegen ihn und mit Erbarmen über ein Geſchöpf Gottes , bas , noch

Jüngling, unter einer ſo ſchweren Heimſuchung litt . Unterdeſſen floß Waſſer rings um ihn
und er ſah darauf hin und ſehnte ſich nach einem Tropfen davon .... und er klagte über
Durſt den ganzen erſten Tag, hierauf wurde er ſtill, denn Gott gab ihm Stärke. "

*) Zuſammenhang zwiſchen Wiſſenſchaft und Offenbarung 242.


Die Stationen in der Heiligen Grabkirche. 89

Was mag der Heiland nach den erſchöpfenden Mißhandlungen der vorhergehenden Nacht
und des Todestages ſelbſt bei ſolchen Qualen am Kreuze geduldet haben an Leib und Seele !
Die Kirche betet an dieſer Stätte des Leidens und Sterbens Jeſu Chriſti bei dem täg

lichen Beſuche:

Hymnus :
Lustris sex qui jam peractis Sanguis, unda profluit,
Tempus implens corporis, Terra, pontus, astra, mundus,
Se volente, natus ad hoc, Quo lavantur flumine.
Passioni deditus,
Heu Salvator mundi pendet
Agnus in crucis levatur In crucis patibulo ;
Immolandus stipite.
Membra dire lacerata

Hic acetum, fel, arundo, Virgo mater aspicit .


Sputa, clavi; lancea Hinc precamur, nobis, Pater,
Mite corpus perforatur. Des felicem exitum . Amen .

Antiphona.
Erat autem fere hora sexta , et tenebrae factae sunt in universam terram , usque

in horam nonam ; et obscuratus est sol, et velum templi scissum est medium, et clamans
voce magna, Jesus ait : Pater in manus tuas commendo spiritum meum , et hoc dicens Ť

hic exspiravit.

W. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum .

Oremus .

Respice, quaesumus, Domine, super hanc familiam tuam, pro qua Dominus noster,
Jesus Christus, non dubitavit manibus tradi nocentium , et crucis hic subire tormentuin .

Qui vivis et regnas in saecula saeculorum . Amen.

H ymnus :

Dreißig Jahre ſind geſchieden, Blut und Waſſer daraus floß

Vou fein Maß von Lebenszeit, Erd', Meer, Stern' und Adles gehet
Und mit Willen ſich hienieten Aus dem Bade fündenlos.
Gottes Sohn dem Leiden weiht -
Ach der Heiland hängt am Kreuze!
Hängt am Kreuz, zum Tod beſchieden ,
Wie die Glieder blutbethaut
Ganz zum Opfer uns bereit.
Ihm dieß Marterkreuz zerreiße,
Eſſig, Gal und Speichel lehet, Untenan die Mutter ſchaut

Nägel, Rohr, und wie vom Stoß Drum ein ſelig End' erweiſer
Offen ſeine Seite ſtehet, Vater, uns, wir bitten laut. Amen.
12
90 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

Antiphon .
Es war aber um die ſechste Stunde und es entſtand Finſterniß auf der ganzen Erde
bis zur neunten Stunde und die Sonne ward verdunkelt und der Vorhang des Tempels riß

mitten entzwei, und mit lauter Stimme rief Jeſus : Vater, in deine Hände empfehle ich meinen

Geiſt! und als er das geſprochen hatte, verſchied er.


W. Wir beten dich an , o Chriſt, und preiſen dich ;

B. Denn durch dein heiliges Kreuz haſt du die Welt erlöſt.


Gebet.

Blicke, o Herr, wir bitten dich, herab auf dein Geſchlecht, für welches unſer Herr Jeſus
Chriſtus den Händen ſeiner Feinde ſich zu übergeben und die Qual der Kreuzigung zu erdulden

kein Bedenken trug. Der du lebſt und regierſt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen .
Die Kapelle hat 40 Fuß in der Länge und 14 Fuß in der Breite und iſt gegen Oſten
mit dem genannten Altar der Griechen geziert, von welchem nad beiden Seiten die Standbilder

der hl . Maria und des Hl. Johannes in Lebensgröſſe in Gemälden angebracht ſind, die das da
zwiſchen befindliche Crucifix gleich der wirklichen Scene auf Golgatha auszeichnen . Der Boden

iſt mit ſchöner Moſaik ausgelegt. Die Kapelle , den Grieden zugehörig , iſt mit Bildern und
Verzierungen reid , geſchmückt , die nicht durchaus ſchön oder vollkominen zu nennen ſind. Die

Felsjpalte *) wurde von der Sache Kundigen zum öftern unterſucht und weder der Natur , noch
einer künſtlichen Herſtellung conform befunden. Der Fels iſt querdurch getheilt, der Riß durch
kreuzt die Adern auf eine auffallende und übernatürliche Weiſe . Es erſcheint dies als reine
Wirkung eines Wunders, die weder die Natur, noch die Kunſt hervorbringen konnten . So be

richtet in Uebereinſtimmung mit Anderen ein engliſdyer Forſcher. Es iſt gewiß ſehr überraſchend,
daß eine Naturerſcheinung von ſolcher Art gerade da ſich befindet, wo , wie wir wiſſen , ſo viele
andere Wunder geſchehen ſind und wo der Glaube ſie zu ſuchen berechtigt iſt.

Das gegenwärtige Golgatha mit dem heiligen Grabe iſt zwar von einer Stadtmauer
eingeſchloſſen und ſomit in das Bereich der Stadt aufgenommen . Allein davon abgeſehen , daß

deutliche Spuren von Säulen **) und Architektur- Theilen an der Oſtſeite den Lauf einer früheren

Mauer anzeigen , welche dieſe heiligen Stätten von ſich ausſchloß und weſtlich liegen ließ , war
jedenfalls Golgatha und mit ihm das Heilige Grab außerhalb der eigentlichen Stadt, welche die
Altſtadt nach unſerer Bezeichnung heißen kann . Darum ſagt auch Euſebius , daß mit der Er

bauung der Kirche über dem Grabe und der Leidensſtätte unter Raiſer Konſtantin dieſer die ge
nannten Heiligen Orte in ſich ſchließende Stadttheil ,, Neujeruſalem “ genannt wurde, das dem alten
fo ziemlich gegenüber liegt. Die mit der Vorſtellung eines ſtändigen Hinrichtungsplatzes verbundene
Ausſchließlichkeit und Getrenntheit von menſchlichen Wohnungen und Aufenthaltsorten , hat ſich

* ) Gray 250 Mislin III . 70.

**) Sepp . Hiſt. pol. Bl. 19 Bd . 593 ff. vgl. Davidsburg und Hippikus unſeres Werkes.
Die Stationen in der Heiligen Grabkirche. 91

als der morgenländiſchen Sitte durchaus widerſprechend dargeſtellt und es konnte tro der

ſchönen Umgegend mit Gärten und Wohnplätzen, ja gerade dieſer wegen an der offenen Straſſe

vor einem Thore die Kreuzigung ſtattfinden, wie auch damit die Stätte der Execution für dieſen
einzelnen Fall außerhalb der Stadt Jeruſalem, aber nahe bei derſelben zu liegen kam, da

nach Landesbrauch die Altſtadt die eigentliche Stadt hieß . Somit ſtimmt der bibliſche Bericht, es

mochte zur Zeit Chriſti die zweite Mauer das heilige Grab und Golgatha aus- oder eins

geſchloſſen haben , mit der Lage des heutigen Golgatha und Grabdoms überein und beſtätigt
die altehrwürdige Tradition über dieſe Stätten und deren Verherrlichung durch koſtbare Denk
mäler. Begreiflich iſt, daß dieſe beiden Orte die Aufnierkſamkeit vor allen andern auf ſich zogen

und entſprechend immer ausgezeichnet wurden. Gewöhnlich brennen vierzig Lampen in dieſer

Rapelle, die außer dieſer künſtlichen Beleuchtung von der offenen Weſtſeite licht empfängt , ſowie
von der Südſeite durch ein Gitter von der kleinen Kapelle Marien's auf Golgatha . Da ſich

dieſelbe an der Außenſeite der Geſammtkirche gleich öſtlich vom Südportal befindet, ſo wird der
ſelben ſpäter erwähnt werden .

c) Altar der Pietá.

In der Golgathakirche erwähnt ein Pilger noch eines Altares , welcher zwiſchen den beiden
großen Altären, dem der Annagelung und des Kreuzſtandes zum Andenken, daß hier Maria den

Leichnam ihres Sohnes auf den Schooß genommen, aufgeſtellt war. Obwohl die heilige Schrift

davon nichts erwähnt , iſt dieſe tief ( hriſtliche Idee feſt gewurzelt unter den Gläubigen , den
Schmerz zu ehren, der das reinſte Herz durchdrang, als Jeſus Chriſtus ausgerungen hatte und

in jenen Armen wieder ruhte , welche ihn ſo treu als Kind geſchützt und in'8 ferne Aegypter
Land getragen hatten. Es iſt dieſe ergreifende Scene ſeit alter Zeit in der chriſtlichen Runſt

erfaßt und unter Anderen vorzüglich von dem Meiſter Fra Bartolomeo bieſe tiefe Rührung

ruhevollen Schmerzgefühles durch den Pinſel verſinnlicht worden . Zahlloſe Bildſtöcke in Deut

ſchland vergegenwärtigen *) dieſelbe milde Schmerzensſcene und einem derſelben ſind die ſchönen
Worte beigeſchrieben :

,, Rein Kind ſo lieb, kein Schmerz ſo groß,

Als Jeſus auf der Mutter Schooß“,


in welchen Worten Alles geſagt iſt, was in dieſer Vorſtellung an Wehmuth und milder Ruhe liegt.
6) Sapelle unſer lieben Frau auf Golgatha.

In derſelben Weiſe ehrt die Chriſtenheit das Leiden der heiligen Mutter und Jungfrau
Maria während der Kreuzigung und bei dem qualvollen Tode des Erlöſers. Die an der Südſeite
an Kalvaria ſtoſſende äußere Rapelle (a) „ Unſer Lieben Frau auf Golgatha“ bewahrt das
Andenken daran . Dieſelbe iſt an die Geſammtkirche angebaut und befindet ſich rechts vom Süd

portal, alſo öſtlich neben der zugemauerten Oſtpforte des Haupt - Eingangs. Eine Stiege von

*) Stolz 211 .
12 *
m ngs
92 Jeruſale mit ſeinen Erinneru -Stätten .

10 Stufen führt von Weſt gegen Dſt emper zu dieſer Kapelle, die beinahe jo hoch als die Gols

gathakirche liegt und durch ein Gitter in die Kreuzannagelungskapelle einiges Licht ſendet. Die
Kapelle *) ſtammt wohl mit dem lange Zeit erhaltenen Moſaikbilde aus dem XVI. Jahrhundert.
Der Altar ſteht gegen Oſt und von den beiden Fenſtern ſieht das eine gegen Nord, das andere,
zierlich dekorirte, gegen Süd . Von Golgatha ſieht man durch ein Gitter in dieſelbe hinein, der
Aufgang aber dazu iſt neben der Facade . Die Kapelle mißt 12 Fuß in der Länge und etwa

9 Fuß in der Breite und beſaß außer einem Glasfenſter ein meiſterhaftes Marienbild, welches
die Mutter Jeſu darſtellt, wie ſie den Gefreuzigten betrachtet. Denn hier wird die Stelle ver
ehrt , wo Maria und Johannes geſtanden während der Kreuzigung. Als Ausdruck der hier bei
Betrachtung dieſer Scerie erregten Empfindungen kann die edle Dichtung dienen , deren Schönheit
die tiefſinnigſten Tondichter zu gleicher Schöpfung in dem Bereiche ihrer Kunſt ſo mächtig begeiſterte.

Stabat Mater dolorosa Eia mater, fons amoris !

Juxta Crucem lacrymosa, Me sentire vim doloris

Dum pendebat filius, Fac, ut tecum lugeam .

Cuius animam gementem Fac, ut ardeat cor meum


Contristatam et dolentem In amando Christum Deum,

Pertransivit gladius. Ut sibi complaceam !

O quam tristis et afflicta Sancta mater, istud agas,

Fuit illa benedicta Crucifixi fige plagas

Mater Unigeniti ! Cordi meo valide;


Quae moerebat et dolebat Tui nati vulnerati

Et tremebat, cum videbat Tam dignati pro me pati

Nati poenas inclyti. Poenas mecum divide.

Quis est homo, qui non fleret, Fac me vere tecum flere,
Christi matrem si videret Crucifixo condolere
In tanto supplicio ! Donec ego vixero,
Quis non posset contristari, Juxta crucem tecum stare,
Piam matrem contemplari Te libenter saciare
Dolentem cum filio . In planctu desidero.

Pro peccatis suae gentis Virgo virginum praeclara,


Vidit Jesum in tormentis Mihi tam non sis amara ,

Et flagellis subditum, Fac me tecum plangere;


Vidit dulcem suum natum Fac ut portem Christi mortem,
Morientem , desolatum , Passionis fac consortem

Dum emisit spiritum . Et plagas recolere.

*) Tobler Golgatha 373 .


Die Stationen in der heiligen Grabfirde. 93

Fac me plagis vulnerari, Fac me cruce custodiri,


Cruce hac inebriari Morte Christi praemuniri,
Ob amorem filii. Confoveri gratia !
Inflammatus et accensus
Quando corpus morietur
Per te, virgo, sim defensus Fac, ut animae donetur
In die judicii ! Paradisi gloria !

Stand die Mutter voller Schmerzen , Mach, daß mein Gemüth entbrenne
Weinte bei dem Kreuz von Herzen, Daß es Chriſtum lieb und kenne
Wo der Sohn den Tod erlitt. Und auch ihm gefallen mag.
Ihre Seele voll Verzagens,
Heilge Mutter, dies erwäge,
Voll der Seufzer, voll des Klagens
Chrifti Wundenmale präge
Bittern Leides Sdywert durchſchnitt.
Kräftig ein in dieſes Herz ;
wie traurig ihm zur Seite Der ſich Wunden unterwunden ,
Mußte die Gebenedeite Ungeſunden Heil gefunden,
Ein'gen Sohnes Mutter ſein ! Gieb mir Theil an ſeinem Schmerz.
Klagerhebend, ſich ergebend,
Mach mein Weinen gleich dem Deinen ,
Angſterbebend, nun erlebend
Den Gekreuzigten beweinen
Des erhabnen Sohnes Bein .
Laß mich, weil ich lebend bin .
Wo ein Auge, das nicht thaute, An dem Sreuze bei dir weilen
Wenn es Chriſti Mutter ſchaute A8 Genoße redlich theilen
Von ſo herber Qual ereilt ? Deinen Schmerz, wär mir Gewinn .
Wer gewahrte ſonder Schauer
Magd der Mägde, reich an Segen ,
Hier der frommen Mutter Trauer,
Sei mir, fleh' ich, nicht entgegen
Die des Sohnes Schmerzen theilt ?
Daß ich mit Dir weinen darf.
Für des Volkes Sündenſchulden Chriſti Plagen laß mid tragen ,
Sieht ſie Ieſum Marter dulden Daß ich fühl, an's Kreuz geſchlagen ,
Und der Geißel bittre Noth, Seiner Wunden Bein ſo ſcharf.
Sieht den ſüßen Sohn verderben,
Gieb mir, Wunden zu ertauſchen ,
Sieht ihn ſo verlaſſen ſterben ,
An dem Kreuz mich zu berauſchen
Sterben hier am Kreuz den Tod.
In der Liebe zu dem Sohn .
Laß o Mutter Liebesbronnen ! So entglüht in liebesflammen
Mich in gleichem Schmerz zerronnen laß mich, Jungfrau, nicht verdammen
Mit Dir trauern Tag für Tag, Vor des Weltenrichters Thron.
94 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stättent .

Leih ' mir Chriſti Kreuz zur Stüße, Sinkt der Körper in die Erde,

Daß mich Chriſti Tod beſchütze, Paradieſes Wonne werde


laß mich ruhn im Gnadenſchooß. Dann durch Dich der Seele Looß.

So klein und beſcheiden die Erinnerungszeichen an dieſe ergreifenden Epiſoden während

des großen Werkes der Erlöſung erſcheinen mögen , ſchließen ſie doch einen Reichthum lebens
voller Beziehungen in ſich, welcher Didyter des Wortes und der Töne, Meiſter der Farben und

Bildnerei fortan beſchäftigt und zu den edelſten Produkten geführt hat und führen wird . Chriſten
thum , Poeſie und Wahrheit durchdringen ſich ſo zu ſagen in dieſer Idee der leidenden Mutter

mit dem Sohne und die darin wohnende Lebenskraft hat ſich vom Marien - Altar auf Golgatha

bis in's ferne Abendland ausgefäet in ſo manche Chriſtengegend und in zahlloſe andächtige
Chriſtenſeelen. Beide Stätten ſind den Lateinern zugehörig .
7. Kapelle der h I. M aria von Aegypten.

Gerade unter der Sapelle Unſer Lieben Frau auf Golgatha wird von den Griechen der
Gebetsort der Maria von Aegypten verehrt ; ein kleiner Raum mit einer Thür im Spitz
bogen gegen Süd . Dies untere Stocwerk mit dem darüber befindlichen der Kapelle Unſer
Lieben Frau bildet den Anbau an der Außenſeite des Kirchengebäudes , neben dem Hauptportal.
8. Die Abam & fapelle.

Innerhalb des Kirchengebäudes aber wird gerade unter dem Fußboden der Golgatha
Kirche eine andere Kapelle gezeigt, welche zu ebener Erde liegt und von der Geſammtkirche aus
betreten wird . Sie wird Adamska pelle genannt und es erſtreckt ſich, wie erwähnt worden ,

der Felſenriß auf Golgatha bis in dieſe Höhle *) herab , wo er in ſeinem horizontalen Verlauf

erkennbar iſt. Die Benennung nach dem Stammvater des Menſchengeſchlechts kam dieſer
Räumlichkeit durch die alte fromme Meinung zu, daß durch göttliche Fügung auf dem Kalvarien
berg das Haupt des Adam begraben und wie die legende weiter berichtet, von dem Blute Jeſu
Chriſti beneſt worden iſt, das vom Kreuze auf dieſen Schädel des erſten Menſchen herabrann .

Daher datirt ſich die noch immer beliebte Darſtellung des Crucifixes mit einem unter deſſen
Stamm liegenden Menſchen - Schädel. Die oft dazu gefügte Schlange erklärt ſich daraus von
ſelbſt als die nun durch den zweiten Adam beſiegte Verführerin im Paradies. Dieſe Annahme
geht zwar in das graue Alterthum hinauf , macht aber natürlich onrchaus feinen Anſpruch als

Glaubensſache. Es iſt hiebei , **) wie ſich von ſelbſt verſteht, gar nicht von einem Denkmal die
Rebe, das ſich nach fünftauſend Jahren während der Sündfluth und tauſend andern faſt ebenſo
zerſtörenden Umwälzungen erhalten haben ſollte, ſondern nur von einer alten Tradition beſagten

Inhalte . Der heilige Bafilius drüdt ſich darüber folgendermaſſen aus: „Man bewahrt in der

Kirche eine Tradition , die uns berichtet , daß das alte Judäa von Adam bewohnt wurde, welcher

* ) Tobler Golgatha 294.


**) Mislin III. 97.
Die Stationen in der Heiligen Grabkirche. 95

hierher floh, als er aus dem Paradieſe vertrieben worden war , um ſich über den Verlurſt der

Güter einiger Maßen zu tröſten , deren er beraubt worden war; daß Iudäa auch die ſterbliche
Hülle des erſten Menſchen aufgenommen habe, nachdem er dem gegen ihn ausgeſprochenen Ver
dammungsurtheil vollkommen genug gethan . Sein Haupt wurde an jenem Orte begraben ,
welchen man ganz natürlich „ Schädel-Stätte“ hieß, weil ein ſolcher Gegenſtand auf die Menſchen
jener Zeit nothwendig Eindruck machen mußte. Es iſt walrſcheinlidy, daß Noe das Grab des
Hauptes und Vaters des Menſchengeſchlechts kannte , da ſich dieſe Tradition gleich nach der
Sündfluth und aus dem Munde Noe's felbſt überall verbreitete und da hier , an dem Orte der

Schädelſtätte, unſer Herr litt , um den Tod an ſeinem Urſprunge ſelbſt zu treffen .“ Aehnlich
Origines und Auguſtinus über dieſe alte Tradition, die jo zu ſagen, das „ Haupt“ des Menſchen

geſchlechts mit dem erlöſenden Blute Chriſti in innige Beziehung ſetzte.


Dieſe aus der Zeit des fränkiſchen Königreiches ſtammende Rapelle führt bei älteren

Schriftſtellern auch die Namen von Johannes und Melchifedech ; letteren glaubten die Orien
talen hier begraben. Die früheren Autoren erwähnen dieſer Stätte wegen des Felsſpaltes, durch
welchen das Blut des Heilands hinabgeronnen . Es war zur Erinnerung ein eigener Altar mit
ewiger Lampe hier unten errichtet, welcher Aitar , gum heiligen Blute" genannt ward . * ) Die

Stapelle gehört jeßt den Griechen , die daran ſtoſſend ein Refektorium beſitzen.
9. Grab des Gottfried von Bouillon.

Im Vorraum der Adamskapelle, das iſt in dem unteren Stockwerke des Golgatha- Gebäudes
befinden ſich heutzutage zwei einander gegenüberſtehende Mauerbänke ohne Inſchrift und ohne jeg
liches Ornament,**) von welchen die eine ( c ) jüdlid an der Wand das Grabmal des Befreiers

Jeruſalems, des Helden


Gottfried von Bouillon
HICTACET INCLITUS CODEERIDVS die andere ( d) an der Nord
DE BVC LION QUITOTAM ISTAM
TERRAM ACQUISIVIT CVLTVI feite das Monument Bal
CHRISTIANO CVIVS ANMA
REQLESCAT UN PACE . AMEN . duins vorſtellig machen ſoll .
Den Griechen war dies

idhnöde Werk zum Hohn des


chriſtlichen Abendlandes vor
behalten , indem ſie bei der
Թալի ,
Wiederherſtellung des Doms
sopimus nach dem großen Brande

dieſe denkwürdigen Reſte der


Grabmal des Gottfried von Bouillon .
de Sants , glorreidyſten Zeit Jeruſalems

* ) Tobler Golgatha 296 .


**) Tobler ib. 147 u. III Wandrg : 277 ff.
96 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

dem Auge völlig entrückten und die ſchönen Monumente zerſtörten. Auf dem öfters erwähnten
Modell, wie in alten Zeichnungen ſieht man die alten Monumente frei vor der genannten

Kapelle, durch einfache Schranken eingeſchloſſen. Ein dreiſeitiges Prisma auf vier kurzen Säulen
trug die Inſchrift :
HIC IACET INCLITUS DUX GODEFRIDUS DE BULLON QUI SANCTAM

ISTAM TERRAM AQUISIVIT CULTUI CHRISTIANO CUIUS ANIMA REGNET


CUM CHRISTO . AMEN.

Hier liegt der berühmte Feldherr Gottfried von Bouillon , welcher dies heilige Land für
die chriſtliche Religion erwarb . Seine Seele walte mit Chriſtus. Amen .

Gottfried ruhte in einem Marmorſarge. Thm folgte im Grabe König Balduin I. Auch
er fand ſeine Ruheſtätte vor Golgatha 8. i. an der Weſtſeite der Adamskapelle. Vielleicht

würden Nachforſchungen unter dieſen Marniorbänken den ſargähnlichen Unterbau zu Tag fördern ;
denn die Gebeine wurden ja von den barbariſden Charismiern entehrt und vernichtet ; die
Sarkophage aber mit den Inſchriften von den Griechen entfernt und gewiß kann man ſagen :

dienten die Bänke nicht zur Bequemlicykeit der Leute , ſo würden wahrſcheinlich auch ſie ſchon

verſchwunden ſein . Von den fränkiſchen Helden wurden noch mehrere in der Nähe beſtattet; ſo
lehnte ſid, eine andere Reihe von Gräbern an die Südſeite des fränkiſchen Domherrn - Chors,

des jetzigen Katholifons . Die Grabſchrift eines Neffen von Balduin IV. iſt noch erhalten .
Außer Perſonen vom föniglichen Geblüte waren unter fünf Säulen der Kirche eilf Martyrer

beigeſetzt. Auch ſtand der Sarg eines tapferen Deutſdyen , Namens Wigger , der die Mauern
Jeruſalems als der zweite erſtiegen hatte , noch um das Jahr 1130 außen in einem Winkel
zwiſchen der großen Kirche und der Johannesfapelle . Leider ward von den Weſtfranken in

Folge der unſeligen Reibungen zwiſchen Franzoſen und Deutſchen ſein Name ausgelöſcht ; Johann
von Würzburg beſchwert ſich darüber, wie ſehr die Deutſchen herabgewürdigt wurden . Wäre
es auch um dieſes und jenes Grab, würden doch nur die der beiden ruhmwürdigen Streiter für

die Freiheit und Uebermacht der Chriſten der Nachwelt erhalten ſein ! Unſere Seele muß
Betrübniß erfüllt werden , daß die Griechen , daß Chriſten das ſichtbare Andenken an ſolche
Heldenkraft der Vorzeit noch gänzlich auslöſchten und ſich nicht entblödeten , in die Fußſtapfen
wilder Barbaren wie die Charismier geweſen , einzutreten und wahrſcheinlich im barbariſchen
Eifer, einen Rechtstitel unſichtbar zu machen ſuchten , weldien dereinſt möglicherweiſe die Abend
länder vorweiſen würden . Das lateiniſche Kloſter beſitt noch das Schwert, die Sporen und
das Bruſtkreuz des Gottfried von Bouillon ; theure Erbſtücke, um ſo werthvoller , je weniger

ſein Geiſt auf Nachfolger und Fürſten übergegangen iſt und ſeines Namens würdige Thaten
der Nachwelt hinterlaſſen hat , eines Namens, der trop griechiſchen Unverſtandes und brutaler

Gewalt auf'8 innigſte mit dieſen heiligen Stätten für alle Zeit vereinigt bleibt, die ſein feuriger
Muth und ſtarker Arm zum erſtenmale den Ungläubigen abgerungen und den Chriſten wieder

zugeſtellt hat . Ein ihm ungleiches Geſdylecht vermag freilich zu ſolcher Hochherzigkeit und
Die Stationen in der heiligen Grabkirche. 97

Schönheit nie und nimmer hinanzureichen ! Das „ befreite Jeruſalem “ lebt im Geſange *) mit
dem Preiſe des edelſten der Helden fort von Geſchlecht zu Gerdylecht und zeigt der Nachwelt in
Einem Bilde den Ruhmeskranz um die Stirne des Helden wie ſeines Sängers gewunden

unſterbliche Namen in der Geſchichte der Menſchheit !


Rückblic .

Die erwähnte Kapelle im Erdgeſchoß mit den Stätten der einſtigen Grabmäler Gott
fried'8 und Balduin's unmittelbar vor ſich, an der dem Geſammt- Tempel zugewandten Weſtſeite, die

beiden kleinen Kirchen des eigentlichen Golgatha im erſten oberen Stocwerke mit den Stätten der

Annagelung und Kreuz-Erhöhung , bilden das Golgatha - Gebäude im Oſten von der Ein
gangshalle zum Geſammt- Dom . Ein über der Golgatha- Kirche befindliches Stocwerk mit einem
gegen Süd gerichteten Fenſter bildet eine Abtheilung des angebauten griechiſchen Kloſters

dies Stockwerk dazu gezählt , befindet ſich die Golgathafirche im Mittel- , die Adamskapelle im

unteren , und dieſer zum griechiſchen Kloſter gehörige Beſtandtheil im oberen Geſchoß des Gol
gatha- Gebäudes . An deſſen Südſeite fügt ſich der beſondere kleine Bau mit der Stapelle der
Maria von Aegypten im Erdgeſchoß und der von Unſer Lieben Frau im oberen Stoďwerk an .
10. Sapelle der Verſpottung.

Steigt man von Golgatha in das Planum der Grabeskirche herab, und wendet man ſich
rechts in den Gang (H), der um den Griechen - Chor herumgeführt iſt, um zur Helenakirche (D)

an der Oſtſeite des ganzen Doms zu gelangen, ſo trifft man vorerſt auf eine Niſche (t) in den
Stocmauern der Kirche , welche die Stätte der Verſpottung“ genannt wird. Sie for
mirt eine eigene Kapelle, ohne Fenſter und Schmuck bei einer Gewölbhöhe von 20 Fuß. Die
Stelle heißt Kapelle der Verſpottung , weil hier ein Säulenſtück von weißgrauer Farbe ohne
Macel und Adern , das 10 Zoll über Fußhöhe mißt , in der Höhlung des Altares hinter einem

Gitter als jener Stein verehrt wird , auf welchem ſitzend Jeſus Chriſtus die Dornenkrönung,
Verſpottung und Mißhandlung der Henkersknechte erbuldet habe. Die Armuth der Kapelle er
ſcheint in der That als die rechte Umgebung und Zierde für den Stein , auf welchem der Herr
verlaſſen, den Henkern preisgegeben mit Spott gemartert worden iſt.

„ Alsdann nahmen die Soldaten des Landpflegers Jeſum in das Richthaus und brachten

„ die ganze Schaar um Ihn her zuſammen ."


Und ſie zogen Ihn aus und legten Ihm einen Purpurmantel um .
Und flochten eine Dornenkrone und ſetzten ſie Ihm auf das Haupt und gaben Ihm ein
Rohr in ſeine rechte Hand ;

und ſie knieten vor Thm nieder, verſpotteten Ihn und ſprachen :
Sei gegrüßt, du König der. Juden.

* ) Torquato Tasso beſang in ſeinem Epos „ das befreite Jeruſalem “ die Heldenthaten des Gottfried
von Bouillon.
13

ton
fon
98 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten.

„ Und ſie ſpieen Ihn an, und nahmen das Rohr und ſchlugen Ihn damit auf das Haupt." *)

Hier wird geſungen :

Coetus piorum exeat A planta adusque verticem


Davidis prolem cernere , Non est in eo sanitas .

Non in paratu splendido, Vidisti, Moyses, Dominum


Sed cunctis, hei ! ludibrio .
In rubo ardenti fulgidum ;

Contemptior est omnibus, Sed nos videmus languidum


Quam lamna testae fictilis. E spinis, sputo sordidum.

Hunc multitudo opprobriis Dum velut Isaac typicus


Coram lacessit asperis. Mactandus modo cernitur,

Hoc Esaias dixerat, Ut aries in vepribus,

Corpus percutientibus Sic sentibus, heu ! cingitur :


Dum dat, genas vellentibus, Precemur Christum lacrymis
Vultumque conspuentibus.
Pro clamyde coccynea,
In tui Christi faciem Spinis flagris, arundine,

O respice nunc, anima ; Ut nos coronet gloria. Amen .

Antiphona .

Ego dedi tibi sceptrum regale, et tu capiti meo imposuisti spineam coronam.
W. Plectentes coronam de spinis.

R. Posuerunt super caput ejus.

Oremus.

Deus qui in Filii tui humilitate jacentem mundum erexisti, concede propitius, ut
superbiae corona abjecta , immarcescibilem gloriae consequamur . Per eundem Christum
Dominum nostrum . Amen.

Die Schaar der Frommen geh' hinaus Verkündet hat'8 3jaias' Sinn :

Und ſchau' den Sohn aus David's Haus, Er giebt ſich ſeinen Mördern hin ,

Doch nicht im Glanz als Gottesſohn Die ſchlagen ihn an Wang' und sinn,

Ach ! Allen nur zu Spott und Hohn ! 3n's edle Antlit ſie ihm ſpien .

3ft Allen nicht ſo viel mehr werth O Seele, jetzt dein Auge richt'

Als eine Scherb' von Töpfererd’ ; zu deines Jeſu Angeſicht:

Mit beißender Verhöhnung quält Vom Fuße bis zum Scheitel jetzt
Thn öffentlich die Judenwelt. Kein Pläßlein mehr iſt unverlegt.

*) Matth . 27. 27 ff.


Die Stationen in der Heiligen Grabkirche. 99

Du Moſes haſt den Herrn geſchaut Dem Widder im Gebüſch er gleich


A18 Feu'r in flammender Dornenſtaud '; Umſtridt iſt, ach ! mit Dorngeſträuch.
Uns unfennbar ber heilge Chriſt
Bei deinem Kleide ſcharlachroth,
Vor Schwäche, Dorn und Speichel iſt.
Bei Geißel, Dorn und Rohr und Spott,
Da er wie Sjaak eh' zuvor Wir, Jeſu ! bitten thränenvoll,
Als Opfer ſteht am Todesthor, In deinem Reich uns frönen woll'. Amen.
Antiphon.
Ich habe dir gegeben den Königsſcepter , und du haſt aufgedrückt meinem Haupte eine
Dornenfrone.

W. Sie flodyten eine Dornenkrone

B. Und ſegten ſie auf ſein Haupt.


Gebet.
Gott , der du in der Demuth deines Sohnes die darniederliegende Welt wieder auf

gerichtet haſt, verleihe gnädig , daß wir die Krone des Stolzes ablegen und dagegen die unver
welkliche Arone der ewigen Herrlichkeit erlangen . Durch Ebendenſelben Jeſum Chriſtum unſern
Herrn. Amen .
Ueber dieſe innere Qual , die aller äußeren Mißhandlung hinzugefügt des Herrn leiden

ſo bitter erhöhte , ſchreibt ein geiſtvoller Autor*) ſehr bemerkenswerth : Das Empfindungsleben

jeder vernünftigen Seele an ſich iſt durcy zwei geiſtige Nerven gleichſam in die übrige vers
nünftige Welt verwachſen durch Liebe und Achtung; deßhalb brennt der Schmerz ſo grimmig
in die Seele , wenn jene Nerven - Wurzeln durch Haß oder Verachtung verleßt oder zerriſſen
werden. Nun aber iſt gerade in einem derartigen Spott , wie ihn der Heiland dulden mußte,

Haß und Verachtung gleichmäßig verflochten – man benfe z . B. wie Ihm in's Geſicht geſpieen
wurde. Insbeſondere iſt die Dornenfrone , welche ihm in das Haupt gedrückt wurde , nicht

nur ein Werkzeug der Verhöhnung, ſie iſt auch ein Gleichniß oder Symbol deſſen, was Ihm an
der Seele gethan wurde. Der Dorn erſcheint als das ſinnliche Abbild des Herzloſen , bigars

tigen Spottes . Der Dorn dringt in das Haupt des Menſchenſohnes , macht Schmerz und
macht Blut fließen. Der Spott dringt in die Seele , macht Schmerz und nimmt friſche
Wärme und Kraft des gemüthlichen Lebens , er nimmt der Seele ihr Blut. Der Dorn fann

nur zerreiſſen , weh thun und ſchaden ; ebenſo der Spott. Der Spott des vollen Feindes wil

das Herz des Andern durchſtechen ; ſein Spott iſt das ſublimirte unmittelbar auf die Seele
einbringende Beinigen und Morden ; wie ein griechiſches Feuer unter der Oberflädje des
Waſſers brennt , ſo brennt ſich der Spott unter der Oberfläche des Leibes durch bis auf'e
Mark der Seele. Die Krönung mit Dornen war ſomit die ſchmerzenreiche Ceremonie deſſen,
was dem Heiland an der Seele geſchah .

* ) Stolz 195 fi.


13 *
100 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs- Stätten.

11. Kirche der hl . Helena .


Von der Kapelle der Verſpottung fömmt man nach einigen Schritten an eine abwärt8

führende Treppe ( u ) von 28 Stufen an den Eingang in die den Griechen und Armeniern

zugehörige St. Helena- R ir dye (D) am Oſtende der ganzen Tempelgebäudes. *) Dieſelbe liegt
kaum 12 Fuß unter dem Boden des Griechendyors , 26 Fuß unter der Oberfläche der Erde

oder unter dem Platz des Abyſſiniſdien Kloſters.


Dieſe Kirche von ziemlichyer Größe bildet bis zum Chor nahezu ein Quadrat von 40 Fuß

und empfängt bei namhafter Höhendimenſion ziemlich reichliches Licht von ſechs alterthümlichen

Fenſtern an den Seiten der Kuppel , durch welche man von Außen , auf dein Platz des abyſſis
niſchen Kloſters in die Kirche der hl . Helena hinabſehen faun . Vierſtämmige , unkanellirte

röthliche Marmorſäulen mit fdwerem Kapital tragen die Spitzbogen - Gewölbe , deren flach ge

laibte Gurten um das Quadrat der Mitte zuſammenſtoſſen und die Kuppel aufnehmen , die

auf einem Mauerkranz über denſelben aufſteigt. Die Zwickelflächen , welche zwiſchen den zu
ſammenſtoſſenden Vögen und dem runden Mauergeſime gebildet werden , ſcheinen bemalt . Die

Säulen haben die attiſche Baſis ohne Edblätter , und ein korinthiſirendes Kapitäl , das über

einem druppenförmig ornamentirten Keſſel eine nach den 4 Seiten der ſtarken Dedplatte

herumgeführte Reihe von überfallenden Blättern darſtellt. Die durch eine Einziehung in

2 Theile getrennte Deckplatte ladet ſtarf aus und kontraſtirt durch ihre Wucht gegen die nur

wenig geneigten Blätter unter derſelben .


Gegen Oſt ſind in geſonderten Apſiden oder Mauer - Niſchen zwei wenig zierliche Altäre,
vor welchen , wie zwiſchen deu 4 Spitzbögen des Kuppelquadrats an Retten zahlreiche Lampen

hängen .
Wie ſchon der Name ſagt , iſt dieſe Kirche dem Andenken der frommen Helena , des

Kaiſers Conſtantin Mutter, geweiht, von deren großen Verdienſten für das chriſtliche Jeruſalem

und das heilige land überhaupt ſchon öfters ausführlichſt Meldung geſchah. Hat auch Con

ſtantin die Errichtung der Auferſtehungskirche und hl . Kreuzbaſilika ſelbſt bewerkſtelligt, ſo be


theiligte ſich ſeine betagte Mutter doch in einer ſo hervorragenden Weiſe dabei , ſowie bei der
Auszeichnung anderer heiliger Stätten , beſonders bei der Auffindung des heiligen Kreuzes , daß
ihr Name untrennbar mit dieſen Stätten und dem chriſtlichen Orient verbunden iſt. ** ) Sie

ſtammt wahrſcheinlichen Berichten nach aus England, wo auch Conſtantin geboren ward. Wie

wenn auch ihr ſchon , bemerkt ein Autor , die bekannte Eigenſchaft der Engländer , hiſtoriſde
Merkwürdigkeiten aufzuſuchen , inne gewohnt hätte , ſo wendete die fromme Chriſtin dieſe Vors

liebe den chriſtlichen Stätten zu. Der hohe Rang und die große Verehrung, welche der Kaiſer
für ſeine Mutter hegte , ſegte ſie in den Stand , alle Mittel aufzubieten, um die Orte wieder

* ) Tobler. Golgatha 298 .


**) Stolz 190.
Die Stationen in der heiligen Grabkirche. 101

zu finden , welche durch Leben, leiden und Tod des Herrn beſonders ehrwürdig ſind und um ſie
durch großartige Monumente würdig zu bezeichnen. So hat ſich die neunundſiebzigjährige

Matrone dreihundert Jahre ſpäter den treuen Frauen zugeſellt , welche dem Herrn auf ſeinem
Leidensweg nachgegangen , und 3hn ſelbſt im Grab noch ſuchten , um ſeinen Leichnam durch

Spezereien zu ehren . Nicht nur bei dem Bau der Grabeskirche und des Heiligen Kreuzes be
gegnet ihr Eifer und Antheil der Nachwelt, bei der Kirche über der Geburtsſtätte zu Bethlehem

und der Himmelfahrt des Herrn auf dem Delberg finden wir ſie wieder und ſo ſehr war ihre
Hand bei jedem die Sache des Chriſtenthums in dieſem Lande fördernden Unternehmen be

theiligt , daß inan noch in ſpäter Zeit die ſchönſten Einrichtungen und Denkmäler auf ſie zu
rückführte und mit ihrem Namen ſchmückte. Von ihrer Pilgerfahrt, Mildthätigkeit und Oborge

für die Wallfahrer war bereits die Rede , ſo daß es gewiß geziemend iſt, daß diejenige, welche

Chriſtus zu ehren ſuchte und deren Bemühungen es hauptſächlich zu danken iſt, daß die heiligen

Orte wieder aufgefunden wurden , nun auch von der Chriſtenheit geehrt wird . In dieſer Kirche
betet man :

Hymnus .
Fortem virili pectore Orationis nutriens,

Laudemus omnes Helenam , Coeli potitur gaudiis.


Quae sanctitatis gloria
Rex Christe, virtus fortium ,
Ubique fulget inclyta. Qui magna solus efficis,
Haec Jesu amore saucia Hujus precatu, quaesumus,
Dum Christi crucem fervida Audi benignus supplices.
Jnquirit, ad coelestia
Deo Patri sit gloria
Iter peregit arduum . Ejusque soli filio
Carnem domans jejuniis Cum spiritu paraclito

Dulcique mentem pabulo Et nunc et in perpetuum. Amen.

Antiphona.

Helena , Constantini mater , Jerosolymam venit , ut crucem Domini inveniret,


Alleluja.

W. Ora pro nobis, beata Helena,

R. Ut digni efficiamur promissionibus Christi.

Oremus.

Preces familiae tuae quaesumus , Domine clementer exaudi, ut sicut de fervido


beatae Helenae studio ubique gaudet, quae laeta hic desideratum sanctae crucis lignum

invenit, ita ejus meritis et precibus in coelesti gloria semper gaudere mereatur. Per
Christum Dominum nostrum . Amen ...'
102 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

Hymnus .

Die Andachtsgluth, die auf ſie ſchwingt,


Nun Helena uns loben laßt ;
Ihr Herz hält Männermuth umfaßt, Des Himmels Freuden ihr erringt.

Thr' Heiligkeit allhin erglänzt


O Jeſu Chriſt, der Starken Kraft,
In einem Ruhme unbegrenzt. Die einzig alles Große ſchafft,

Von Lieb zu ihrem Jeſus wund Wir bitten durch ihr' Fürbitt dich,

Sie glühend forſcht nach theurem Fund, Erhör uns Arme gnädiglich.

Das Kreuz iſt es, wornady ſie ringt


Gelobt ſei Gott im Himmelsthron,
Und ſteilauf ſo zum Himmel dringt .
Gelobt der Vater und der Sohn,

Mit Faſten ſie ihr Fleiſch regiert Der Geiſt in gleicher Weſenheit

Und mit dem ſüßen Kreuzholz ſchürt Von nun an bis in Ewigkeit. Amen .

Antiphon .

Helena, Conſtantin's Mutter, fommt nad Jeruſalem, um das Kreuz des Herrn zu finden.

Aleluja .

V. Bitt für uns o heilige Helena,


R. Damit wir würdig werden der Verheißungen Chriſti.

Gebet.

Erhöre, wir flehen, o Herr die Bitten deiner Angehörigen, auf daß dieſelben, wie ſie ſich
allenthalben erfreut an dem glühenden Eifer der hl . Helena , welche beglüct hier das erſehnte

Holz des heiligen Kreuzes fand, durch deren Verdienſte und Fürbitten verdienen, ebenſo auch in
der himmliſchen Herrlichkeit ſich ewig zu erfreuen . Durch Jeſum Chriſtum unſern Herrn. Amen .

Man zeigt , bevor man dieſe noch tiefer hinabführende Stiege betritt , am Eingang

nördlich, oben an der Wand und etwas unter dem Boden der Kirche St. Helena's eine Art

Sitz von Stein, Stuhl der hl. Helena genannt, wo dieſelbe geſeſſen , als man nach den Kreuzen
grub und ſie fand . An der Oſthälfte der Südſeite gehen 13 breite Stufen in die Kreuzfins

dung8kapelle (E) hinab , welche füdöſtlich von der oberen St. Helena -Rirche und wenigſtens
ſechzig Schritte von Golgatha entfernt liegt. Sie ſtellt ein unregelmäßiges Viereck von 25 Fuß
Länge und geringerer Breite vor bei einer Höhe von etwa 16 Fuß. Da dieſe zweite unter

irdiſche Kapelle nur 9 Fuß unter dem Boden der oberen Helena - Rirche liegt, ſo iſt ihr Gewölbe
um 7 Fuß höher als der Boden der letzteren. Das Ganze iſt ein Felsraum , theilweiſe über

tüncht. Die Weſt- und Süd - Seite begleitet eine Felſenbank. Da außer dem ſpärlichen Licht

des Eingangs nur einige Lampen den Raum erleuchten , gleicht er immerhin einem düſtern Ge
wölbe , in welchem Grabesſtille herrſcht. Gegen die Mittagsſeite erblickt man ein zwiſchen zwei

Mauerſäten in eine Marmorplatte ſchön eingelegtes Kreuz und gegen Mitternacht einen prachts
Die Stationen in der heiligen Grabkirche. 103

vollen neuen Altar *) welchen im Jahre 1857 der Erzherzog Maximilian von Deſtreich dieſer

Rapelle der Lateiner zum Geſchenke verehrt hat. Eine Figur aus Bronze , die hl. Helena bars

ſtellend, erhebt ſich auf einem Boſtament, welchem ein breiterer geſchliffener Stein — grüner
Serpentin - zur Unterlage , den Altarleuchtern als Hintergrund dient. Die auf zwei Säulen

im romaniſchen Styl ruhende Tiſchplatte beſchattet die an der Hinterwand des Tiſches angebrachte

Inſchrift: Ferdinandus Maximilianus Archidux Austriae erexit MDCCCLVII , welche von


den Wappen des Erzherzogs und des hl . Landes eingeſchloſſen iſt. Am dritten Mai halten die

Katholiken jedes Jahr einen feierlichen Gottesdienſt in dieſer Felskapelle an dem Feſte der

Auffindung des hl . Kreuzes. Die Stätte des eigentlichen Kreuzfundes bezeichnet das an der
Südſeite befindliche in Marmor eingelegte Kreuz , deſſen oben gedacht ward . Man hielt dafür,

daß hier eine Ziſterne geweſen , bei welcher das Kreuz Chriſti mit den beiden Kreuzen der
Schächer aufgefunden ward. Von der Ziſterne foul ſpäter die Rede fein – hier ſeien nur die

Berichte erwähnt , welche die Auffindung des Kreuzes überliefern. Daß das Kreuz geſucht und

unter Conſtantin gefunden wurde , darin ſtimmen alle chriſtlichen Schriftſteller des IV. und V.
Jahrhunderts überein . Cyrillus war ſeit 348 nach Chriſtus Biſchof von Jeruſalem und berichtet,

daß unter Conſtantin , alſo nicht viel mehr als zwanzig Jahre vor dein Antritt ſeines biſchöflichen
Amtes, das Kreuz gefunden worden ſei und zur Verehrung aufbewahrt werde. Als Gegenſtand

der Verehrung zu Jeruſalem gedenkt auch Hieronymus des heiligen Kreuzholzes . Nur in den

näheren Umſtänden gehen die Berichterſtatter auseinander, wie es gewöhnlich der Fall iſt, wenu

ein bedeutendes Ereigniß nach entfernten Orten und Zeiten verbreitet wird, ohne daß der Sache
ſelbſt darum ihre Glaubwürdigkeit vernünftigerweiſe abgeſprochen werden kann . Wie ſchwerfällig

damals der Verkehr zwiſchen entlegenen Ländern geweſen , davon geben die Briefwechſel des hl.
Paulin von Nola , des Sulpizius Severus , Hieronymus und Auguſtinus ſattſames Zeugniß,
anderer hier zu geſchweigen . Es ward bereits erwähnt , daß das Kreuznach jüdiſchem Geſetz

neben den Hingerichteten , wie jedes andere Inſtrument, wodurch den Verbrecher der Tod ge
geben worden , begraben und für fluchwürdig angeſehen wurde. Und ſo wurde , wie der hl.

Ambroſius ſagt , durch den Teufel den Augen der Menſchen das Schwert verborgen , womit er
durchſtochen worden iſt. Beim Nachgraben wurden drei Kreuze gefunden nebſt einem Stück der

Inſchrift, welche Pilatus an das Kreuz Chriſti hatte Heften laſſen. Der hl. Ambroſius ſagt , an
dieſer Inſchrift habe man das wahre Kreuz von den beiden andern unterſchieden ; nach Anderen

aber iſt das Titel -Brettchen abgeſondert geweſen und darum große Verlegenheit entſtanden, wie
man unter den drei Kreuzen das heilige ausfinden könne. Den hl. Makarius , den damaligen

Biſchof zu Jeruſalem, führte ſein lebendiger Glaube auf ein merkwürdiges Auskunftsmittel. Er

ließ die drei Kreuze zu einer ſchwer kranken Chriſtenfrau bringen und es ward gebetet , Gott
möge das Kreuz des Heilands der Welt durch Heilung der Kranken zu erkennen geben . Die

*) Graḥ 252 Note.


104 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

Frau berührte nun die zwei Kreuze ohne alle Wirkung , bei der Berührung des dritten wurde

ſie augenbliclicy geſund. Auch ein Todter wurde durch Berühruug mit dem ädyten Kreuze zum
Leben erweckt, wie Paulinus und Andere erzählen . Seit dem VI . Jahrhundert wird die Aufs
findung des hl . Kreuzes von der katholiſchen wie von der griechiſchen Kirche gefeiert. Jeden
Abend wird hier von den Franziskanern das Andenken an dies Ereigniſ gefeiert und dabei ſind

folgende Gebete und Geſänge üblich :

Hymnus.
Nauta mundo naufrago,
Crux fidelis, inter omnes
Arbor una nobilis. Quem sacer cruor perunxit
Nulla silva talem profert Fusus agni corpore .

Fronde, flore, germine : Unica spes, o crux , ave !

Dulce lignum , dulces clavos, Hic inventa ab Helena.


Dulce pondus sustinet. Per hanc salva, rege vagos

Flecte ramos , arbor alta , Tua, Deus, gratia !


Tensa laxa viscera ; Auge piis spem et fidem

Et rigor lentescat ille, Et da reis veniam .

Quem dedit nativitas, Gloria et honor Deo

Ut superni membra regis Usquequaque altissimo,


Miti tendas stipite. Una Patri Filioque

Sola digna tu fuisti Inclyto paraclito,


Cui laus est et potestas
Ferre saecli pretium,
Atque portum praeparare Per aeterna saecula. Amen.

Antiphona.
O crux benedicta , quae sola fuisti digna portare regem coelorum et Dominum ,

alleluja.
V. Hoc signum crucis erit in coelo.

B. Cum Dominus ad judicandum venerit.

Oremus .

Deus , qui hic in praeclara salutiferae crucis inventione , passionis tuae miracula

suscitasti, concede, ut vitalis ligni pretio aeternae vitae suffragia consequamur . Qui vivis
et regnas in saecula saeculorum . Amen.

Hymnus.
Treues Kreuz, du Baum an Würde Trägt ſolch' Blüthe, Laub und Frucht!

Einzig, edel, ausgeſucht, Süßes Holz, du trägſt mit Würde

Nie ein Wald trägt ſoldie Zierde, Süße Nägel, ſüße Wucht !
Die Stationen in der heiligen Grabkirche. 105

Neige, hoher Stamm , die Zweige, Einz’ge Hoffnung ſei gegrüßet,


Spanne deine Faſern ab, Kreuz, das Helena hier fand ;

Nicht ſo ſtraffe Härte zeige, Nur durch dich uns Gnade ſprießet,
Wie Natur dir ſelbe gab ; Führ ' uns, 3rre, an der Hand ;
Nach des Königs Gliedern beuge Schenk Verzeihung dem, der büßet,
Gleich dich einem linden Stab . Hoffnung, Treu' mehr frommein Stand .

Du allein warſt werth erſchauet lob ſei Gott auf höchſtem Throne,
Daß du tragſt das Heil der Welt, Ruhm und Ehr’ und Preis geweiht,
Du haſt ihr den Hafen bauet, Preis dem Vater, Preis dem Sohne,
Eh' der Schiffbruch ſie zerſchellt. Preis dem Geiſt der Heiligkeit,
Heilig Blut dich hat bethauet, Der an Rob und Macht am Throne
Das des lammes Leib entquellt. Beiden gleich in Ewigkeit. Amen .

Antiphon.

O geprieſenes Kreuz , das du allein würdig warſt, den König und Herrn des Himmels
zu tragen . Alleluja !

¥. Dieſes Zeichen des Kreuzes wird am Himmel erſcheinen,

R. Wenn der Herr wird kommen zu richten.

Gebet.

O Gott , der du hier bei der ruhmwürdigen Auffindung des heilbringenden Kreuzes die
Wunder deines Leidens wieder in Erinnerung gebracht haſt, geſtatte, daß wir um den Preis

des Lebensholzes Anſpruch auf das ewige Leben erlangen . Der du lebſt und regierſt in Ewig
feit . Amen .

12. Kapelle der Kleider -Verlooſung.

Aus den beiden unterirdiſchen Kapellen der Kreuzesfindung und der hl. Helena wieder
herauf in die Kirche gelangt, *) wird eine Mauer - Niſche ( s) gezeigt , die mit der Längen - Are

des Ratholifon8 an deſſen Dítſeite zuſammenfält , und in dem Umgang dieſes Griechen - Chors

die öſtlich abſchließende Kapelle bildet. Es iſt die armeniſche Kapelle der Kleider - Verlooſung

oder Kleider - Theilung. Man hält nämlich dies für den Ort , wo die Kriegsknechte die Kleider
des Herrn theilten und über ſein Gewand das Loos warfen . „Nachdem ſie Ihn aber gefreuzigt
hatten , theilten ſie ſeine Kleider und warfen das loo8 barüber , auf daß erfüllt würde, was

durch den Propheten geſagt worden iſt, der da ſpricht: Sie haben meine Kleider unter ſich
getheilt und über mein Gewand haben ſie das loos geworfen .“ Matth . 27. 35. ,, Die

Soldaten aber , nachdem ſie Ihn gefreuzigt hatten , nahmen ſeine Kleider (und machten vier

* ) Tobler. Golgatha 339 .


14
Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.
106
Theile daraus , für jeden Soldaten einen) und ſeinen Rock . Der Rock aber war ohne Naht

von Oben bis Unten ganz geſtrickt."


Sie ſagten nun zu einander : Wir wollen ihn nicht zerſchneiden , ſondern darum looſen,

wem er gehören fou.


So wurde die Schrift erfüllt, welche ſagt: Sie theilten meine Kleider unter ſich und

warfen das Loos über meinen Roc. Und dieſes thaten die Soldaten . Johannes 19. 23 u. 24.
Ein Anblick der bitterſten Armuth des Gottmenſchen , vor allem Volke nackt am Kreuze

erhöht zu werden und der dürftigſten letzten Habe beraubt zu ſein, die dem Äermſten ſogar wenn

er geſtorben nirgends verſagt wird ! Während der Erlöſer aber in unnennbaren Leiden zum
Vater ruft : ,,Mein Gott, Mein Gott ! warum haſt du mich verlaſſen " während er um Erbarmen
bei den Menſchen in ſeinem Durſte bittet – vertheilen die Soldaten ſeine Kleider unter einander,

als exiſtire er gar nicht mehr ! Es kann nicht leicht ein Moment jo augenfällig das völlige
Ende mit dem Leben und der Wirkſamkeit des Heilande in der Meinung ſeiner Umgebung
vorſtellig machen , als dieſe Scene der Kleidertheilung ! Welch ein Anblick für die beim
Kreuze ausharrenden Getreuen Jeſu Chriſti! Der ſchöne Hymnus, den jeden Abend die
Franziskaner an dieſer Stätte ſingen , enthält den Beziehungsreichthum der genannten Scene
in der Paſſion Chriſti, von welcher das Altargemälde in den auf einer Säule liegenden Kleidern

ein einfaches Bild gibt .

Hymnus .

Ecce nunc Joseph mysticus Hinc is se privat tunicis,


Ut noxam primi hominis
E lacu dum extrahitur,
Per nuditatem auferat,
Venditus datur gentibus,
Et dona vitae conferat.
Quem suis privant tunicis .

Erat salvator etenim Vah ! gens iniqua, similis

Succurrens mundo languido ; Cham patris inguem detegens

Cinctus amore properat, Musto madentis ; languidum


Nudasti Christum Dominum .
Ut nos salute cingeret.

O differens obsequium !
Jacob en sic pelliceis
Vestitu fratris hoedinis Vestes, intrat dum Solymas,

Ut benedictum raperet Christo prosternunt proprias


Sed exeunti lacerant.
Arte, quod culpa perdidit.

Hic agnus est sanctissimus Vestes, velut nix, candidae

Promissus quondam patribus, In Thabor vitae splendidae

Qui venerat ut victima Finctae rubent hic sanguine,

Vestire nudum hominem . Divisae in hoc Calvario .


Dic Stationen in der heiligen Grabkirdyje. 107

Hic sunt partiti impii Precamur ergo cernui


Amictus Christi languidi, Te creatorem saeculi ,

Ejusque sacrae tunicae Jam sic privatus vestibus


Fecere sortes arbitras. Nos indue virtutibus . Amen .

Antiphona.

Milites ergo cum crucifixissent Jesum, acceperunt vestimenta ejus et fecerunt hic
quatuor partes, unicuique militi partem et tunicam .
7. Diviserunt hic sibi vestimenta mea ,

B. Et super vestem meam miserunt sortem .

Oremus.

Deus qui per Unigenitum tuum labenti mundo salutis remedia contulisti, concede

nobis, ut spoliati vitiis virtutibusque adornati ante tribunal tuae majestatis in veste candida
praesentari mereamur. Per eundem Christum Dominum nostrum . Amen.

Hymn us .

Als zweiten Joſeph ziehen ſie O ſchamlos Volk, vergleichlich Cham ,


Nun aus der Grube ihn herauf ; Der nicht bedeckt des Vaters Scham ,
Und bieten ihn den Heiden hin Der trunken lag ; der heil'ge Chriſt

Beraubt der Kleider, dar zu Rauf. Hier deinethalb entblößet iſt.

Und doch der Welt, die tobe8müb, O Zion's ſondre Huldigung,


Als Heiland Er zu Hilfe zieht, Das Kleider auf die Straß' genung

Und eilt mit Liebe angethan, Bei Chriſti Einzug preiſend gab,
Um uns zu thun mit Heile an . Beim Auszug riß vom Leib ihm ab .

So Jakob einſt nach Eſau's Art Die Kleider glänzend weiß wie Schnee
Mit Bocksfell angekleidet ward, Beim Leben einſt auf Thabor's Höh ’,
Daß jo den Segen er bekam Hier glänzen roth vom Blut und .Mord,
Mit Liſt, den Senem Schulb benahm . Vertheilt an dieſem Scyrecensort.

Das heiligſt' Lamm vom Gottesthron, Ruchloſe haben frevler Hand


Verheißen einſt den Vätern ſchon , Getheilt hier unſers Herrn Gewand ;
kam er zu uns als Opfer dar, Ob ſeinem heil'gen Oberkleid
Zu kleiden die der Kleidung baar. Die Würfel gaben den Entſcheid.

Hier legt er ſeine Kleider weg, Drum ew'ger Schöpfer der allhier
Auf daß er Adam's Blöße deck Der Kleider ward beraubet, wir,

Durch ſeine "Blöße ohne Schulb, Wir bitten tiefgebeuget Dich,

Und uns erwerb des Lebens Huld . Mit Tugend kleid ' uns gnädiglich! Amen .
14 *
108 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

Antiphon.

Nachdem nun die Soldaten Jeſum gekreuzigt hatten , nahmen ſie ſeine Kleider und
theilten ſie hier in vier Theile, für jeden Soldaten einen Theil, eine Tunifa .

W. Hier haben ſie unter ſich meine Kleider vertheilt,


R. Und über mein Obergewand warfen ſie das 2008 .

Gebet .

D Gott , der du durch deinen Eingebornen der wankenden Welt die Mittel des Heils

gebracht, verleihe uns , daß wir von Fehlern ausgezogen und mit Tugenden geſchmückt vor dem
Richterſtuhl deiner Majeſtät in weißem Gewand erſcheinen zu dürfen verdienen . Durch eben

denſelben Jeſum Chriſtum unſern Herrn. Amen .

An der ſogenannten longinusfapelle (r) vorüber führt der Umgang in den Anbau
der Nordſeite, welcher durch Pfeiler und Säulen, in unregelmäßiger Aufſtellung, mit dem Ratholifon

verbunden iſt.

13. Kapelle des Gefängniſſes Chriſti.

In den Seitenraum des nördlichen Anbaues eingetreten öffnet ſich der Eingang in die
tiefer liegende Kapelle des Gefängniſſes Chriſti (q ) weſtlich, da dieſelbe an der Oſtſeite ſich bes
findet, zwiſchen den Umfaſſungsmauern des griechiſden Chorumgangs und des an der Nordſeite

rechtwinklig vorſpringenden Anbaues. Dieſe den Griechen eigene Kapelle bezeichnet die Stätte,
wo Chriſtus warten mußte, bis das Kreuz hergerichtet worden war .

Eine Mauer, von Weſt gegen Oſt laufend ſcheidet nördlich und Pfeiler ſüdlich die Kapelle

in 3 Theile, die kümmerlich beleuchtet einen Altar an der Süd- Ecke beſitzt. Während des Gehens

wird die Hymne geſungen :

Jam crucem propter hominem Qui patres limbo solvere

Suscipere dignatus est, In testamenti sanguine

Deditque suum sanguinem, Ibat, et lumen reddere,

Nostrae salutis pretium . Hic mancipatur carceri.

Coeli solique Dominus Lux mundi lumen gentium

Prostratus antro clauditur, In foedus datur populi,


Et nexibus multimodis Ut lacu clausos extrahat,

Circumdatus occulitur. Heu prius is detruditur.

Samson velut fortissimus


Ut arte artem falleret,

Lignum in ligno superat, Arctatur diris manibus,

Et morte mortem destruens, Sed se columna destruens,


Hic vinctus vinctos liberat. Morte triumphat inclytus.
Die Stationen in der Heiligen Grabkirche. 109

Dum compedes hic consecrat, Jesu dulcis memoria

Tradit normam martyribus, Ob sacri vincla corporis,

Qui crucem laeti capiunt, Reis culpas, supplicia

Qua meruere gloriam . Remittas et da praemia. Amen .

Nun kam der Menſchen wegen Er Den Gott zum Bürg' dem Volk beſtellt,

Vom Himmel hoch und trug das Kreuz, Zu löſen es aus Tod und Grab,
Und gab daran ſein Blut noch her Der Heiden Leucht, das Licht der Welt,
Als unſerer Erlöſung Preis . Ach, ihn ſtößt man zuerſt hinab .

Des Himmels und der Erde Herr Der ſtärker noch als Samſon war,
Im Rerker eingeſchloſſen liegt, Sich feſſeln ließ von harter Hand,

Ihn viele Art von Band' und Wehr, Dod) opfernd ſich am Kreuze gar
Dazu ein ſcau’rlich Dunkel drückt. Er zu Triumph den Tod beſtand.

Daß Liſt die liſt noch überbot, Hier heiligend der Bande Schmach,
Das Holz am Holze er bezwingt, Dient er den Martyrern zum Bild ;
Und ſchlagend mit dem Tod den Tod Die tragen froh das freuz ihm nach,
Gebunden uns aus Banden ringt . Womit den Himmel ſie erzielt' .

Der mit des neuen Bundes Blut O Seſu ! füß' Gedenken mein !

Der Väter Zwang zu löſen fam Erlaß' uns Sündernt Straf und Sduld

Und wieder bracht' des Lichtes Gut, Db deines Leibes Band' und Bein,

Ach, dieſen man gefangen nahm ! Dazu uns noch beſchenk in Huld . Amen .

In der Kapelle ſelbſt betet man :

Antiphona

Ego te eduxi de captivitate Aegypti, demerso Pharaone in mari rubro, et tu me


tradidisti huic carceri obscuro .

W. Dirupisti Domine vincula mea.


R. Tibi sacrificabo hostiam laudis.

Oremus.

Absolve , quaesumus, Domine , nostrorum vincula peccatorum , ut a corporis hujus


carcere expediti gloriae lumen videre mereamur . Per Christum Dominum nostrum . Amen.

Antiphon.

Ich habe dich aus der Gefangenſchaft Aegyptens geführt und den Bharao in’s rothe

Meer verſenkt , und du haſt mich dieſem dunkeln Gefängniſſe überliefert.


W. Du haſt, o Herr, meine Feſſeln geſprengt.
B. Ich werde dir ein Robesopfer barbringen .
110 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

Gebet.

löſe o Herr, wir bitten Dich, die Bande unſerer Sünden , auf daß wir befreit aus dem
Gefängniſſe unſeres Leibes das Licht der ewigen Herrlichkeit zu ſehen verdienen . Durch Jeſum

Chriftum unſern Herrn. Amen .


14. Kirde Mariä Er deinung.

Von hier der Grabegrotunde zugekehrt, trifft man öſtlich neben dem Eingange der katho
liſchen Kirche *) Mariä Erſcheinung (L) auf einen kleinen Altar (k), welcher der hl. Magdalena
geweiht iſt, da auf dem Plaße zwiſchen der Grabeskapelle und der genannten Kirche die Stelle

verehrt wird, wo der Heiland nach der Auferſtehung der Hl. Magdalena erſchien. Dreiundfünfzig
Schritte nördlich von der Grabeskapelle , einige Fuß hoch über dem Boden derſelben iſt die
Frauenkapelle oder die kleine Kirche Mariä Ericheinung (L) , welche die ausſchließlich

den Katholiken zugehörige Kirche iſt. In derſelben verrichten die Franziskaner die Tagszeiten
und beſitzen daſelbſt an der Südſeite eine ſchöne Orgel. In ihr wird die Erſcheinung des auf
erſtandenen Erlöſer8 vor ſeiner heiligen Mutter verehrt und rechts vom Eingange ein Stück von

jener Säule gezeigt , an welcher Chriſtus bei der Geißelung angebunden war (n) . Die Ent
ſtehung dieſer einfachen Kirche geht in's XIV. Jahrhundert zurück und gleicht dieſelbe durchaus
den abendländiſchen. Sie hat nur Einen Altar , in deſſen Tabernacfel das heiligſte Altars
ſakrament aufbewahrt wird . Vor demſelben wird mit Gejang und Gebet die tägliche Prozeſſion
an die heiligen Stätten der ganzen Grabeskirche begonnen . Da das Leiden Jeſu Chriſti mit
der Einfeßung des heiligen Abendmahls den Anfang nahm , iſt dieſer Ort der geeignetſte für

den Beginn des Beſuches an den Leidensſtätten Chriſti. Die Pilger knieen mit Kerzen in der
Hand und kleinen Büchlein , worin die üblichen Gebete und Geſänge verzeichnet ſind , vor dieſem

Altare mit den Franziskanern nieder und verrichten folgende Andacht:

Antiphona.
O Sacrum convivium , in quo Christus sumitur , recolitur memoria passionis ejus

mens impletur gratia et futurae gloriae pignus datur. Alleluja .


V. Panem de coelo praestitisti eis, alleluja.

B. Omne delectamentum in se habentem, alleluja.


Oratio .
1
Deus qui nobis sub sacramento mirabili, passionis tuae memoriam reliquisti, tribue
quaesumus ita nos corporis et sanguinis tui sacra mysteria venerari , ut redemptionis
tuae fructum in nobis jugiter sentiamus. Qui vivis et regnas in saecula saeculorum . Amen.

Antiphon .
O heiliges Mahl, bei dem Chriſtus genoffen , das Anbenken ſeines Leidens erneuert , der

Geiſt mit Gnade erfüllt und uns ein Pfand der ewigen Herrlichkeit gegeben wird. Alleluja.

**) Tobler ibid. 359.


Die Stationen in der heiligen Grabkirche.

W. Das Brod vom Himmel haſt du ihnen gegeben, Alleluja.

R. Welches alle Süßigkeiten in ſich faßt, Alleluja.

Gebet.
D Gott , der du uns in dem wunderbaren Sakramente das Andenken deines leidens

hinterlaſſen Haſt, verleihe uns , wir bitten Dich , die heiligen Geheimniſſe deines Leibes und

Blutes ſo zu verehren , daß wir die Frucht deiner Erlöſung zunehmend an uns merken , der du
lebſt und regierſt in Ewigkeit . Amen .

Die Prozeſſion beginnt nun mit dem Geſange, während zur Stätte der genannten
Geißelungsſäule gegangen wird :

Hymnus .
Trophaea crucis mystica, Non langueat lethalibus
Os, lingua , mens hic personent ; Sulcis flagrorum grandibus.
Christique sic vestigia
Compago laxat artuum
Cor nunc sequatur flebile. Nexus dolore nimio,

Qui gratis Adae debitum Et pectus intra liquitur,


Laxat rigore sanguinis, Ut sole cera solvitur.
Nostros dolores sustinens
Se dat percutientibus,
Ad hanc columnam caeditur,
Ut flagelletur acriter.
Ut nulla plagis saucii Sic patris iram leniens,
Pars corporis sanctissimi Dat suis vitae aditum . Amen .

Antiphona .
Apprehendit Pilatus Jesum, et flagellavit, ac tradidit eis, ut crucifigeretur.
¥. Fui flagellatus tota die .

R. Et castigatio mea in matutinis.

Oremus .

Respice , quaesumus Domine , super ecclesiam tuam , quam pretioso sanguine re


demisti, ut, eo semper ditata, praemia consequatur aeterna. Qui vivis et regnas in sae
cula saeculorum . Amen.

Hymnus.
Den Kreuzſtamm , deines Siege Beweis, Der unſre Schmerzen auf ſich nahm,
Hier Mund und Herz und Zunge preis, Gegeißelt ward an dieſem Stamm,
Und Chriſti Weg' und Chriſti Spur
So daß am heil'gen Leib, ſchon wund
Folg nun das Herz mit Trauer nur . Von Schlägen, nimmer blieb geſund
Der ausgelöſcht aus bloßer Huld Nur eine Stell vom Geißelhieb,
Mit ſeinem Blute Adam's Schuld, Der tödtlich tiefe Furchen trieb !
112 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

Vom Schmerz zu viel, zu fürchterlich, Er giebt ſich den Verfolgern hin ,

Der Glieder Fügung löſet ſich, Auf daß ſie ſchredlich geißeln ihn,

Und in der Bruſt ſein Herz zergeht Führt, mildernd jo des Vaters Zorn ,

Wie Wadhe, das an der Sonne ſteht. Die Seinen hin zum Lebensborn . Amen .
Antiphon .
Pilatus ließ Jeſum ergreifen und geißeln und übergab ihnen denſelben zur Kreuzigung .

V. Gegeißelt bin ich den ganzen Tag .


R. Und den Morgen währte meine Beinigung.
Gebet .

O Herr, ſchaue, wir bitten Dich , herab auf deine Kirche, die du mit deinem koſtbaren

Blute erlöfet haſt, damit ſie mehr und mehr bereichert die ewigen Belohnungen erlangen möge,

der du lebſt und regierſt in Ewigkeit . Amen .

Nicht der Ort der Geißelung wird ſomit hier verehrt , ſondern es wird dieſer Leidens

Jeſu Chriſti vor der Hinausführung nach dem Calvaria hier betend gedacht vor einem Stück

der Geißlungsſäule, das hier in lichtloſer Höhlung verborgen aufbewahrt iſt, während cin anderer

Theil dieſer Marterſäule zu Rom in der Baſilika St. Prarede aufgeſtellt ward , wohin den

ſelben aus dem Kreuzzuge des Jahres 1223 Cardinal Iohann Colonna überbradyte.
Rüd blidt.

Ueberblict man den Weg zu den verſchiedenen Sanktuarien der Grabeskirche, ſo geht
derſelbe von der Frauenkapelle der Franziskaner und dieſer Stätte des Gedächtniſſes der
Geißelung Chriſti in die Grabeskirdie und zwar in deren nördlichſten Kapellen - Gang , das An

geſicht gegen Oſt, wo zuerſt als am Oſtende dieſes Ganges das Gefängniß Chriſti beſucht
wird , dann weiter rechts in dem Chorumgang ( H) des Ratholifon’s ( G ) an der Longinus

Kapelle (r), die bei den Katholiken für kein Sanktuarium gilt, vorüber , die in der längen -Achje
des Katholikon's liegende Kapelle der Kleidervertheilung (s) . Sie iſt die öſtlichſte Ausbeugung
innerhalb der im Halbkreis den Griechenchor ( G) umziehenden Umfaſſungsmauern der Geſammt
firche. Das Niveau der Grabeskirche wird mit der Treppe (u) verlaſſen, welche in die Helena
Kirche ( D) und in die noch tiefer darunter liegende Kapelle der Kreuzesfindung (E) hinabführt.
Beide Sanctuarien unter der Erde liegen ſomit außer dem Kompler der Grabeskirche und deren
UmfaſſungSmauern, weil ſie unterhalb derſelben im Oſten angelegt ſind. Nur die Kuppel der

Helenakirche erhebt ſich wieder an's Tageslicht und in das Niveau der Geſammtkirche, welches ſic
bis zur Höhe Golgatha's überragt . Nachdem dieſes unterirdiſche Gebäude verlaſſen und der Boden

der Grabkirche wieder betreten iſt, ſegt ſich der Beſuch der Sanktuarien in dem ſüdlichen Theil
des Chorumgange zunächſt bei der Kapelle der Verſpottung ( t) fort. Nun ſteigt die Prozeſſion
gegen den jüdweſtlichen Abſchluß des Chorganges gewendet eine ſteile Treppe aufwärts und

verehrt die heiligen Stätten auf Golgatha ( C) , von welchen die jüdliche der Krenzannagelung,
Die Stationen in der Heiligen Grabkirche. 113

die nördliche der Kreuzerhöhung geweiht iſt. Eigentlich Eine Kapelle oder Kirche, welche durch
zwei Pfeiler in die genannten Räume getheilt wird . Die Altäre in beiden Sanktuarien befinden
ſich an der Oſtſeite, ſo daß das Crucifix am Altare gegen Weſten ſchaut. Bekanntlich wird
darnach in den Kirchen Rechts und links beſtimmt. Unter dem Fußboden der Golgathakirche iſt
die Adamskapelle mit dem hier deutlich ſichtbaren Felſenſpalt . Sie bildet zur Golgathafirche
im oberen Stockwerke die Krypta , ohne jedoch unter dem Niveau der Geſammtkirche, alſo ohne
unter der Erde zu liegen . Ein ſüdlicher Anbau an Golgatha iſt die über die Linie der Facade

gegen Süd vorſpringende Kapelle (a) „ Unſer Lieben Frau auf Golgatha" in gleicher Höhe mit
der Kreuzannagelungskapelle. Unter derſelben , aber weiter nach Norden hineingeführt , iſt die
Stapelle Mariens von Aegypten , die wieder analog der Adamskapelle das untere Stockwerk der
oberen Frauenkapelle bildet . Die Prozeſſion kann , ohne die Geſammtkirche zu verlaſſen , keine
dieſer Stätten tes ſüdlichen Anbaue8 beſuchen . Dieſelbe geht darum den Treppenbau von

Golgatha herab in das Planum der Kirche, wo ſie vor dem Salbungsſteine (e) Halt macht,

und dann gegen Weſt gerichtet die Grabes - Rotunde (A) betritt , in welcher die hl. Grab
kapelle (B ) ſelbſt beſucht wird , indem die quadratförmige Engelskapelle ( f) als Vorkammer den
Eingang zur engen Grabhöhle bildet , die zugleich die hochgefeierte Stätte der Auferſtehung des

Heilandes iſt (g) . Die Kopten haben ein armes Bretterhäuschen mit einem Altar (h ) der
weſtlichen Schmalſeite der Grabeskapelle angebaut , wo ſie ihren Gottesdienſt feiern . Eine
Kapelle der Syrier iſt beinahe gerade gegenüber in dem Mauerrüdſprung hinter den zwei
mittleren Pfeilern der Weſtſeite des Grabdoms . Von derſelben abwärts werden die Felsgräber

des Joſeph und Nikodemus gezeigt, welche in ſüdlicher Richtung und höher liegen, als der Boden

der beføriebenen Helenakirche. In die durch die Pfeiler gebildeten anderen Niſdhen theilen ſich
die Abyſſinier, Jakobiten, Neſtorianer, Georgianer, Sinaiten, Maroniten und andere, um daſelſt
zu beten . An der Nordſeite und zwar unmittelbar an der katholiſchen Frauenkapelle ſchließt
jich das Conventgebäude (M) der Lateiner bem Baukompler des Grabestempels an , welches

zur Aufnahme der Pilger beſtimmt aus vielen Abtheilungen beſteht und mittels dunkler Gänge
mit der Sakriſtei ( m) der Frauenkapelle in Verbindung gebracht iſt. In das griechiſche
Kloſter führt eine Treppe an der Südſeite des inneren Griechenchors, in das der Armenier
an derſelben Seite eine breite Stiege zwiſchen der Umfangemauer der Grabesrotunde und
dem Glockenthurm (J) , neben dem Hauptportal ( K ) der ganzen Kirche. Die über der jo
genannten Weltmitte (F) der Griechenfirche auf vier ſtarken Pfeilern emporſteigende Kuppel

überragt jene über dem heiligen Grabe , ſo daß dieſe zwei Ruppeln und der traurige Reſt des
Glockenthurms das Geſammt - Kirchen - Gebäude über dem heiligen Grabe und Golgatha nach
Außen frönen . Ein impoſanter Bau, auch noch in gegenwärtiger Geſtalt, deſſen Umfang gegen
760 Fuß beträgt. Der Flächenraum innerhalb beider Kuppeln und des Plattdaches von Gol

1 gatha beläuft ſich auf beiläufig 15 Tauſend Quadratfuß . Die Strece vom Chriſtusgrabe bis
zum Orte der Kreuzfindung mißt 252 Fuß, die Entfernung vom hl. Grabe bis zur Kreuzigungs
15
114 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs- Stätten.

ſtelle auf Golgatha 110 Fuß und von hier bis zur Kapelle der Kreuzfindung 148 Fuß. Die

Beſchaffenheit des Terrain's betrachtet, ſo liegt , mit Ausnahme der öſtlich anſtoſſenden Helena
fapelle und der Streuzfindungsſtätte, der Boden ziemlich eben und man überzeugt ſich , daß die

Kunſt dem abhängigen Boden eine Ebene abgewann, um darauf dieſe weitläufigen Bauwerke
aufzuführen . Man mußte ein großes Stück vom Kalvaria zu dieſem Behufe abhauen , wie ein
Sachkundiger ſchon früh darüber urtheilt. Prüft man inwendig den Boden genau , an der
Abendſeite bei den erwähnten Gräbern des Joſeph von Arimathia und des Nikodemus be

ginnend *) , ſo zeigen dieſe Gräber eine Tiefe von 4 Fuß unter dem Kirchenboden . Dort ſieht
man den natürlidhen Felſen, ſelbſt an der Decke, die 8 Fuß hoch über dem Grunde des Grabes

ſich wölbt. Weſtlich davon in die hl. Grabkapelle geht es von Oſt auf 3 Stufen , etwa ein
Fuß Hoch hinauf. Hier iſt kein Fels ſichtbar. Von der Grabeskapelle iſt der Kirchenboden eben

bis zum Oso davon liegenden Golgatha , dann weiter öſtlich bis zur Treppe der Helena
Kapelle und zu dem Gefängniß Chriſti. In letzteres führen zuerſt 2 Stufen , zuſammen von
13 Zoll Tiefe hinab. Die Wände ſcheinen nach ganz genauer Unterſuchung von Felſen zu ſein .
Der Boden der Golgathafirche erhebt ſic) 14 Fuß über den Boden der Grabeskirche. In der
Adamskapelle tritt wieder der Fels zu Tage , wie auch in der Kapelle der Kreuzfindung , welche
21 Fuß tiefer als der Boden der Geſammtkirdie liegt. Darnach bildet Golgatha den höchſten
und die Kreuzfindungskapelle den tiefſten Punkt. Zwiſchen dieſen äußerſten Grenzen folgen die
genannten Orte nach ihrer Erhöhung vom Tiefſten beginnend alſo : der Boden der Helenakapelle,

der Grund der Gräber des Joſeph und Nikodemus , des Gefängniſſes des Herrn , der Boden
der großen Kirche und der hl. Grabkapelle , das Niveau der Südgaſſe am Kirchenplaße und die
Golgatha - Erhebung . Beim theilweiſen Neubau der Kirche im laufenden Jahrhundert wurde

unter dem Marmordeckel des Grabes Chriſti das Feld grab wahrgenommen , das nach dem
Berichte vom Jahre 1570 , welchen Bonifacius der damalige Guardian von Jeruſalem hinter
ließ, bei der Vornahme des damals nothwendig gewordenen Neubaues der einſtürzenden Grab

kapelle in Anweſenheit einer Menge abendländiſcher und morgenländiſcher Chriſten gleichfalls


aufgedeckt worden war und die Zeugen bei dem Anblide des Felsgrabes , worin der Erlöſer
geruht hatte, in ſolche freudige Rührung verſeşte, daß es ihnen vorkam, als hätte ſich vor ihnen
der Himmel ganz aufgethan. Audy ward hiebei im Felstrog des hl. Grabes ein in ein koſtbares

Schweißtuch gehülltes Holz gefunden , deſſen Inſchriften jedoch durch das Alter ſo verdorben
waren , daß von den Worten kein einziger Satz zuſammengebracht werden konnte. Oben auf
einem Pergament waren in großen lateiniſchen Buchſtaben die Worte HELENA MAGNI zu

leſen . Das Schweißtuch aber zerfiel der Luft ausgeſetzt ſo ſehr, daß nur noch einige Goldfäden
zurückblieben. **) Es iſt dieſen und anderen alten Zeugniſſen nach umſoweniger zu bezweifeln, daß

* ) Tobler. Golgatha S. 17. ff


** ) Quaresmius Terrae Sanctae Elucidatio II, 513 a.
Die Stationen in der heiligen Grabkirche. 115

an der Stätte der Grabeskapelle lebendiger Fels wahrgenommen wurde , da ſich nach Tobler's
genaueſten Unterſuchungen der erwähnten Gräber des Joſeph und Nikodemus ergiebt , daß in
der Grabkapelle der natürliche Fels gar wohl 2 Fuß hoc aufragen fonnte und nach des ge
nannten Forſcher's Urtheil die Grabkapelle auf jeden Fall auf Felsgrund gebaut ſein muß. Die

vielen furchtbaren Zerſtörungen und hiedurch veranlaßten Neubauten verwiſchten begreiflicher


Weiſe in höherem oder geringerem Grade den urſprünglichen Charakter des heiligen Grabes,
ſowie anderer heiligen Stätten dieſer Stadt und Umgegend .

Die heilige Grabeskirche hat dem Allen zu Folge den urſprünglichen Plan des conſtan
tiniſchen Baues im Weſentlichen beibehalten und befaßt heute noch die denkwürdigſten Stätten

des Chriſtenthums in ſich , geſchützt durch ſtarke Mauern und ausgezeichnet durc; emporragende
Kuppeln, die über den orientaliſchen Plattdächern der angereihten Räume der Kirche imponirend
in die Höhe ſteigen . Die Gläubigen der verſchiedenen Bekenntniſſe ſind alle darin einig , die
Stätten des Anfangs Unſeres Heils zu ehren und an denſelben unabläßig Gott zu danken für

die Gnade der Erlöſung durch Jeſus Chriſtus . Seit der Zunahme der Pilgerfahrten von
Deutſchen in das gelobte land wächſt auch das Anſehen dieſer Nation an dieſen Orten , als

einer ſolchen, die ſich um die Heimath ihres Glaubens annimmt und dieſelbe dankbaren Herzens
gleich ihren frommen Ahnen zu begrüßen beſtrebt iſt. Vor kurzer Zeit erſt ertönte wieder ſeit

den Jahren der Areuzzüge deutſcher Geſang *) an dieſen heiligen Stätten und es mochte vor

dem Jahre 1848 überhaupt den Anſchein haben , als intereſſiren blos die Griechen ſich um
Chriſti Leitens- und Auferſtehung8 - Stätte und hätten die Katholiken des Abendlandes ihrer

geiſtigen Geburt8 - Stätte , zuinal die in Deutſchland Lebenden völlig vergeſſen . Vor dem ge
nannten Jahre beſuchten nämlich nur immer Einzelne in ſpärlichſter Anzahl die heilige Stadt,

während die Griechen zu Tauſenden unabläſſig dahin wallfahren und durch anderweitige Be
mühungen ſich in den Beſitz der meiſten heiligen Stätten zu bringen wußten , wie ja außer dem

Ratholifon der Ueberbau des heiligen Grabes ſelbſt den modernen Moskowiter- Styl an den Tag
legt ; jedenfalls ein deutlicher Beweis der griechiſchen Uebermacht in dieſem ehedem nur den la

teinern zugehörigen und von ihnen dem Chriſtenthum mit ſo theurem Blute wiedererworbenen
Tempel , wenn man darin auch unmöglich einen Beweis von Geſchmack und Bildung in der

Architektur erkennen kann , um ſo weniger da der alte Bau an Sinn- und Formen -Vollendung

einen Styl an ſich darſtellte, der durchaus von der derzeitigen Dekoration’s - Architektur unter
ſchieden war. Wer den jetigen Bau mit dem Modell des Pater Orban in beregter Sammlung
zu vergleichen Gelegenheit hatte , findet keinen Ausbruck den Verlurſt zu beklagen , welchen der
griechiſche Neubau dem harmoniſchen Bauwerke des Tempels vor dem Brande zugefügt hat.
Indeß ſind doch die Stätten geſichert und iſt durch den Aufwand an Bracht jedenfalls dargethan,
daß die Abſicht beſtimmend war , das Heiligſte auch äußerlich koſtbar und glänzend zu machen .

*) Stolz 345 .
15 *
116 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten.

Die Helena - Ciſterne.

Bevor wir die imponirende Grabeskirche verlaſſen , ſei noch einer Merkwürdigkeit , vom

Oſtende des Griechenchors unweit entlegen , der Helena- Ciſterne gedacht, deren Lage auf die
Ausdehnung des conſtantiniſchen Baues Licht zu werfen geeignet ſcheint.* ) Dieſe ehrwürdige

Bezeichnung reiht dieſelbe ohnehin dem Aelteſten an , wovon noch Reſte auf die Nachwelt ge
kommen . Dieſe Ciſterne der Helena iſt heutzutage vom Kirchenkompler durch die Mauer des
abyſſiniſchen Hofes und das Sacende des Haret Der es Sultan getrennt und heißt Bir Meleka
Helaneh . Sie liegt nördlich vom Haret Der es Sultan , gegenüber der dreißig Sdritte ent

fernten Kuppel der Helenakapelle , wenig Schritte nordöſtlich vom Oſtende des Ratholikons.

Tobler erkennt ſcharfſinnig darin einen der Waſſerbehälter, welche im Jahre 334 als zum con

ſtantiniſchen Bafiliken - Bau gehörig aufgeführt ſind. Der Pilger von Bordeaux 334 nach

Chriſtus ſagt von der kürzlich vollendeten Kirche des Kaiſers Conſtantin :

Basilica facta est , id est, Dominicum mirae pulchritudinis, habens ad latus ex


ceptoria unde aqua levatur.

Die berühmte Baſilika hatte alſo Waſſerbehälter zur Seite — Anlagen, die, dem Felſen

bauche anvertraut , Zerſtörungen weit leichter entgehen , als Bauten über der Erde . Dieſelbe

iſt im Hauptwerk ein Felſenbau und nur oben deđt die Wandung ein Mörtelkleid . Ein langes
Gewölbe läuft von Nord nach Süd unter der Erde hin , wenn man die Treppen bis zum Waſſer
ſpiegel hinabgeſtiegen . Wenn man ſich in der dunkeln oder nur wenig erhellten Tiefe einſam

befindet, ſo hat das beſtändige Schöpfen des Waſſerø von unſichtbarer Höhe etwas Schauerliches.
Stumm ſinkt der Eimer, bis er auf einmal in’s Waſſer platſcht und dann ſteigt er ebenſo ſtumm

in's Unſichtbare empor, bis der Poltergeiſt nach einer Weile wieder erſcheint, das gleiche Schau -
ſtück immer aufzuführen. Die brunnenartige Vertiefung der Kreuzfindungsſtätte , welche dieſer

Helena- Ciſterne gerade füdlich gegenüber liegt , dürfte den andern Waſſerbehälter an der Seite
der conſtantiniſchen Baſilika gebildet haben. Der Waſſerſpiegel der genannten Ciſterne liegt
etwa 12 Fuß tiefer als die Kreuzfindungsſtätte, was die Möglichkeit für lektere , ehemals für
den Waſſerbedarf gedient zu haben , keineswegs ausſchließt. Die conſtantiniſche Baſilika erhält
in beiden Waſſerbehältern zwei Grenzſteine der Breiten - Ausdehnung von Nord nach Süd

und es erſcheint als ſicher, daß die Baſilika ſelbſt mit dem Pracht-Portalbau der Oſtſeite nicht
wieder hergeſtellt worden, nachdem ſie bei der allgemeinen Zerſtörung vor der Ankunft der Franken
zu Grunde gegangen war . Unter denſelben war der Vorplaß an der Südſeite der Grabkirche

höchſt wahrſcheinlich durdy Säulen - Gänge zu einer Art Vorhalle der Kirche abgeſchloſſen , wie

die romaniſchen Bogen- und Säulen - Reſte an beiden Enden der Mittagslinie heute noch bezeugen.

*) Tobler ibid. 398 und III . Wand. 217 ff.


Die Stationen in der heiligen Grabkirche. 117

Der Platz bildet ein Quadrat, iſt mit großen glatten, weißgelblichen Steinplatten gepflaſtert und
liegt höher als die Kirche, zu der man auf drei Stufen hinabſteigt.
Wie dieſe architektoniſchen Ueberbleibſel auf dem Vorplatze der Grabeskirche, ſo weiſen

andere in dem Hofe des abyſſiniſchen Kloſters , in welchem die Kuppel der St. Helenakapelle
ſich an's Tageslicht erhebt, in die fränkiſche Königsperiode zurück.

Hinter und unter der Oſtrundung des heutigen Katholifons läuft eine Mauer- Ruine hin
mit Spişbogenblenden und geſchmacvoll gehauenen Conſolen romaniſchen Style dazwiſchen. Ein

verziertes längſt vermauertes Portal, deſſen Bogen auf zwei Wandſäulen ruht , führte ehedem

von dem hier befindlichen Domherren- Stift ( claustrum Dominorum s . sepulchri) in die Grabes
kirche, deren Oſtbau ja den Chor der Domherren vom hl. Grabe bildete , während jetzt das
Katholikon ſeine Stelle einnimmt. Der weiter nördlich hinter der aus dieſem Hofe in die

Haret Der es Sultan führenden Treppe aufſteigende brillant verzierte Portalbogen - Reſt mag
zum Dormitorium dieſes Stiftes gehört haben, das ſich zwiſchen letzterem und dem mit Golgatha

verbundenen ſüdlich gegenüber liegenden Refektorium ausgedehnt haben wird. Dieſem ehemaligen
Süd -Bau entſpricht das heutige unregelmäßige Bauwerk des griechiſchen Kloſters, das ſich vom
Natholifon bis zum Minaret des Muriſtan erſtreckt , während den Nordbau des ehemaligen

Dormitoriums die erwähnten Reſte auf der Nordſeite am Plage des abyſſiniſchen Kloſters, rechts
von der Ruppel der Helenakapelle neben und zwiſchen den Zellen der Abyſſinier deutlich vergegen

wärtigen. In dieſem mit Steinplatten belegten Hofe kann man durch die Spitzbogen - Fenſter der

Kuppel in die St. Helenakapelle hinunterſchauen , die ſich unter dieſem Plaße befindet. Platt

dächige, faſt würfelförmige Zimmerhäuschen bilden links oder ſüdlich davon die Zellen der
abyſſiniſchen Mönche, die hier und an dem erwähnten alten Mauer- Werk, das ſich in der Tiefe

öſtlich vom Katholikon erhalten hat , ihr alterthümliches einfaches Kloſter eingerichtet haben .
Dasſelbe hat ziemlich den Charakter der alten Einſiedler Wohnungen, die zuſammen eine ſogenannte
Laura bildeten , deren ſpäter ausführlich gedadyt werden ſoll. So ſind hier die ärmlichen acht

Zimmer, welche beſſer Häuschen genannt werden können, zu einem Kloſter vereinigt, deſſen Be

wohner , gegen 38 an der Zahl von ſchwarzer Hautfarbe , dabei von freundlichen und ein
nehmenden Gemüthe ein ſo armſeliges Leben führen , daß ſie von den reichen Armeniern ver :
tragsmäßig Brod und Suppe als einzigen Unterhalt genießen. Die Abyſſinier ſind die Ab
kömmlinge jener chriſtlichen Nation , von der als einer gewaltigen die älteren Pilgrime oft
erzählten, daß ſie unter dein weithin gefürchteten Prieſter Johannes ſtand. Die Mönche hatten

noch im XVI. Jahrhundert das Recht, für ihr Vaterland, das faiſerthum Habeſch , den Ba
triarchen zu erwählen . *)

* ) Tobler. Golgatha 535 ff. Was wir jegt Abyſſinier nennen , ſcheinen zur Zeit Brocardt’8 (872) Nubianer
und Mohren genannt worden zu ſein . — Wahrſcheinlich pilgerten von dem ganzen nordöſtlichen Afrika, von
Aegypten, Nubien , Şabeld Chriſten nach Peruſalem . Derſelbe, Anmert. 1 zu S. 338 in den Dentblättern.
118 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

Außer den genannten Ruinen bei der hl . Grabkirche ſei hier noch ein halb zugemauertes

Thor an der Oſtſeite der Haret en - Naſſara erwähnt , welches dem Style des Südportals der

Grabeskirche conform iſt. Ein Spitzbogen mit aneinander gereihten , concentriſch gegen die
Thüröffnung gerichteten Rundſtäben und entſprechender Einziehung. Man iſt verſucht dieſen

Portal -Reſt für den alten Weſteingang der Grabeskirche zu halten ; indeß würde derſelbe dem

Grabdome nicht in gerader Linie entſprechen . *)


Von größerem Intereſſe iſt die Nachricht, daß die Griechen um das Jahr 1675 eine alte

Kapelle unter der Erde in einer Tiefe von 27 Stufen entdeckten , welche Apoſtelkapelle ge
nannt wird. Sie maß 28 Schritte in der Länge und 20 in der Breite und man vermuthete

unter ihr noch eine andere Kirche. Trotz der dabei aufgefundenen Alterthümer und der Wich
tigkeit ſolcher Anlagen an und für ſich deint man die Kapelle wieder vermauert zu haben, da

keine näheren Aufſchlüſſe darüber laut wurden . **)

IV . Via doloroſa oder der Schmerzensweg.

Golgatha und das hl . Grab bilden das Ziel und Ende des ſogenannten „ Sreuzweges ",
welcher auch „ Schmerzen 8 weg “ oder „ Via doloroſa" genannt wird und wodurch jener
Weg bezeichnet wird, welchen der Heiland vom Brätorium bis zur Stätte der Kreuzigung
unter der laſt des Kreuzes zurückgelegt hat. Iene Straße , welche vom lateiniſchen
Kloſter nach dem öſtlich gelegenen St. Stephans - Thor ſich erſtreckt, ſchließt dieſen Schmerzens

weg ein, deſſen länge ohngefähr 850 bis 900 Schritte beträgt. Die Hauptrichtung des Weges
iſt von Morgen gegen Abend , die Richtung des Tarif el - alam Weſt 15° Nord ; nur einmal

biegt der heutige Weg, ſoweit er gangbar, ein Stück weit gegen Mittag . ***)
Er beginnt beim zugemauerten Thore oder bei der verſchwundenen Stiege , öſtlich von
der jetzigen des Serai, woſelbſt das Haus des Pilatus" angenommen wird, läuft als Tarit

Sitti Mariam hinab in’s Thal (El- Wad) , hier , nach Mittag fich richtend , erſcheint der Weg
eine Strecke weit in kaum bemerkbarer Senkung nach Süd als Thalgaſſe, um wieder weſtwärts
ſich hinaufzuwenden als das eigentliche Tarik el- alam ; hier lenkt man ein Baar Schritte gegen
Mittag, um in die weſtwärts hinaufziehende Gaſſe, die Haret el- Chankeh zu gehen, wo nördlich
von der hl . Grabkirche die Via Doloroſa aufhört , weil eine Häuſerwand ihre Fortſegung auf

Golgatha hindert. Der Schmerzensweg iſt beinahe durchgehends uneben , am ſteilſten das Tarik

el- alam und die Haret el- Chankeh .


Die einzelnen Stationen dieſes Weges , von der Treppe des Prätoriums ausgehend,

liegen ſo :
Der Bogen Ecce homo an der Straße Sitti Mariam , der erſte Kreuzfal an der

* ) Tobler. III . Wandrg. 269.


**) Derſelbe. Golgatha 385. Do Bruyn 2,174.
***) Tobler . Topogr . I. 234 ff

I크

Pilatus
des
.Hause
im
Hofraum
Die Stationen in der Heiligen Grabkirdye. 119

gleichen Straße , die Stelle, wo die hl. Jungfrau zuſammenſank beim Anblicke Unſeres Herrn,
am Uebergange der Haret Sitti Mariam in die Thalgaſſe, die Stelle der Kreuzabnahme durch
Simon von Cyrene im Thale , das Haus der Veronika am Tarik el- alam , das Gerichtsthor am
Weſtende dieſer Gaſſe int Suk es- Semani, der Ort, wo Chriſtus ſprach: „ O ihr Tödyter Feru

ſalems, weinet nicht über mich ,“ in der Haret el-Chankeh, der zweite Fal weiter oben, der dritte
in den Gebäulichkeiten zwiſchen der Gaſſe und Golgatha.
liegende Säulenſchäfte oder eingemauerte Steine Bezeichnen die einzelnen Stationen, deren

Zahl im Ganzen vierzehn beträgt , wovon fünf in der hl. Grabkirche ſich befinden. Dieſen

Kreuzweg zu Jeruſalem hat die fromme Dankbarkeit gegen den leidenden Erlöſer in allen ka
tholiſchen Ländern nachgebildet und zwar mit einer ſo ängſtlichen Sorgfalt, daß man nicht ohne
Rührung von dem Nürnberger Martin Röbel lieſt , derſelbe habe im Jahre 1487 eine Reiſe
nach Jeruſalem gemadt , daſelbſt die Stationen genau vermeſſen , um in ſeiner Heimath gleich
falls einen Kreuzweg zu errichten. Unglücklicher Weiſe hatte er die Maaße auf der Rücreiſe

verloren , was er erſt in Nürnberg bemerkte. Er trat nun unverdroſſen eine zweite Pilgerfahrt
nach Jeruſalem an und brachte ſeine genauen Maaße diesmal glücklich nach Haus . Darum ſind

auf alten Kreuzwegen die Schritte vom Haus des Pilatus immer genau angegeben . Der Andäch
tige ſollte ein getreues Abbild des Jeruſalemer- Kreuzweges vor Augen haben . Den Anfang bildet
das Gerichtshaus oder Prätorium , vor welchem der Herr ſeinen Leidensweg betrat. Es

wird an der Straße Sitti Marian noch ein Gebäude gezeigt , welches für das Haus des
Pilatus oder Prätorium gilt. Es liegt an der Nordweſtecke des Tempelberges oder des Haram

eſch -Scherif, an der Südſeite der Straße Sitti Mariam und zeigt in ſeinem ruinöſen Zuſtande
noch ältere gehauene Steine in der Mauer und auf dem Boden bei dem vermauerten Thore

im Pflaſter einen Halbkreisbogen, der für den Reſt einer ehemaligen Treppe gelten kann . Schon
Cyrillus erwähnt des Hauſes des Pilatus. Auch wird der angebliche Fenſterbogen bezeichnet,
wo Pilatus den Heiland dem Volfe vorſtellte mit den Worten : Weld; ein Menſch! Joann 19.5 .

dieſer Bogen, übrigens ein neuerer Bau, heißt Ecce homo - Bogen .
Dem Pilatus Hauſe gegenüber, auf der andern Seite der Straße Sitti Mariam , befindet

ſidy die ſchöne Kirche der Geißelung , eine im Jahre 1838 von dem Herzog Maximilian in

Bayern an die Franziskaner geſchenkte Stätte, deren Anmuth in Mitten ſo vieler Trümmer er

quidend wirkt. Eine alte Ueberlieferung verſekt an dieſen Ort die Geißelung des Herrn .
Zur Zeit des fränkiſchen Königreiches war unweit vom Hauſe des Pilatu8 eine Kirche
errichtet, welche den Namen ,, Kirche der Ruhe führte .* ) Sie lag auf der ſüdlichen Seite

der damaligen Joſaphatsgaſſe, jekt SittiMariam , etwas gegen Abend. Nach dieſer Kirche

hieß die jebige vom Ecce homo-Bogen ſüdwärts zum Nordweſtwinkel des Tempel- Platzes führende

Straße „ Ruhe - Gaſſe “ ( vicus de repoes). Dieſe merkwürdige Bezeichnung hat in der Annahme,

*) Tobler. Planographie von Jeruſalem 1857 S. 4 Anmerkg. und Siloahquelle. Beilage.


120 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs -Stätten .

ihren Grund , daß der Herr vor dem Antritt feines legten Leidens- Ganges , vor der Auflaſtung
des Kreuzes einige Zeit geraſtet habe , erſchöpft von unſäglichen Leiden an Leib und Seele.

Mit dieſer alt überlieferten Vorſtellung* ) hängt es alſo zuſammen , wenn Albrecht Dürer ſeine

berühmte kleine Paſſion mit der tiefſinnigen Darſtellung „ des Heilands in der Ruhe“ eröffnet,
eine Darſtellung die in ihrer Ideen -Fülle an das Tiefſte und Höchſte reicht, was die chriſtliche

Kunſt je hervorgebracht. Das Titelblatt der genannten Folge von Holzſchnitten zeigt nämlich

Chriſtus mit der Unterſchrift:


O homo ! sat fuerit tibi me semel ista tulisse !

O cessa culpis me cruciare novis !

einen mächtig hinſtrahlenden Heiligenſchein um das geſenkte Haupt; lange Locken über die linke
Schulter hingeringelt, kräftiges Barthaar um Rinn und Lippen ; die dornumſchlungene vorſtehende
Stirn , die Brauen , die edle feine Naſe , der Mund – alles in Schmerz! mit der rechten

Leidenshand das ſeelenleidende Haupt geſtüzt ; zuſammengezogen , gebeugt die ganze Geſtalt, ſitzt
er auf niedrigem Denkſteine da , als ſei er lebend aus dem Grabe geſtiegen und trauere die

langen Jahrtauſende hindurch über die Sünde der Welt , die ihn nicht leiblich mehr , doch nun
um ſo peinvoller geiſtig ohne Unterlaß in Banden ſchlage, geißle, verrathe und freuzige .

Es iſt die vergangene Paſſion als unvergängliche Gegenwart. Ein dauernder


Schmerz der Liebe, eine unaufhörlich anklagende Klage , ein ewiges Sinnen über das Myſterium

der Sünde und der Verſöhnung ! **)


Tauſend und Abertauſend Nachbildungen in Zeichnungen , Gemälden und beſonders in

Holzſchnißwerken haben Dürer'8 eben beſchriebenes Paſſionsbild über Süddeutſchland an einſamen


Wegſtellen , in Wäldern , Thaltiefen und auf Bergesübergängen verbreitet, „Chriſtus der Herr
in der Raſt“ ; und ſo verknüpfen den mitfühlenden Chriſten auch in weiter Ferne Andacht und
Liebe auf die ſinnvollſte und ſchönſte Weiſe mit den Stätten der Paſſion zu Jeruſalem , mit dem
Heiland , der baſelbſt gelitten hat ! Es folgen nun die leidensſtationen in der Weiſe , daß

an der Biegung der Straße die Stelle verehrt wird , wo die heilige Jungfrau ohnmächtig zu

ſammenbrach, als ſie den Herrn blutbedeckt und entfräftet unter der Kreuzeslaſt einherſchwanken
ſah . Hier ſtand ehedem eine Kirche mit einem Frauenklofter. Unweit davon wird der Ort ge
zeigt , wo Simon von Cyrene dem Heiland das Kreuz tragen half. Jeßt geht die Straße,

einen Winkel bildend, etwas bergan und man gelangt zu dem Hauſe der hl. Veronika , welche

* ) Es iſt übrigens hervorzuheben, daß dieſe Tradition nur bis zum XIV. Jahrhundert zu verfolgen iſt, von
welcher Zeit an ſie völlig erloſchen ſcheint. Der Ort erſcheint übrigens bereits bei Marinus Sanutus
und Rudolph von Suchem bedeutend verändert. Jener ſchrieb um das Jahr 1310, dieſer um das Jahr
1336. Die früheſte Erwähnung hingegen findet ſich in der Schrift vom Jahre 1187 : „ La citez de
Jerusalem “ . Ihr Verfaffer heißt : Hugo Plagon.
** ) H. Hotho, Vorleſungen über niederländiſche und deutſche Malerei 1842.
Fle

Teich
Bethesda
.Der
Die Stationen in der heiligen Grabkirdye. 121

mit ihrem Schleier das Blut und den Schweiß von des Herrn Angeſicht abtrocknete . Auch an
dieſe Scene knüpfte die chriſtliche Malerei an , indem ſie das im Schleier abgedruckte Angeſicht
des Herrn ſo gerne zum Gegenſtand ihrer Darſtellungen wählte, unter welchen der Meiſter von
Köln, Wilhelm genannt, den franz errungen hat . Es folgen die Stellen, wo der Heiland unter
dem Kreuze zur Erde fiel und wo er zu den weinenden Frauen die Worte ſprach: „ Ihr Töchter
Jeruſalems ! weinet nicht über mich ! ſondern über Eudy und Euere Kindero , Luc . 23 , 28 .
Man gelangt dann zu dem ſogenannten Gericht8thor, burd, welches nach alter Tradition
Unſer Herr in’s Freie trat, um den Erlöſungstod auf dem nahen Golgatha zu ſterben . Heiße
Thränen der Buße , der Liebe und des Dankes haben ſeit Jahrhunderten den Schmerzensweg
beneßt und ſeit den Tagen der frommen Raijerin Helena hat die kindliche Andacht an den
Erinnerungsſtätten deſſelben neue Gluth geſchöpft und das gläubige Herz ſich erbaut , wie die
bloßen Inſchriften des beregten Kreuzweges zu Nürnberg bezeugen können , welchen Adam Kraft
mit Bildwerken ſchmückte ; von dieſen will ich in dieſer treuherzigen Sprache nur ein Paar an

führen : „ Hie begegnet Chriſtus ſeiner wirdigen lieben Mutter ; die vor großem herzenleit an
mechtig ward . II° Srytt von Pilatus haws . Hier hat Chriſtus ſein heiligs angeſicht der heiligen
Frau Veronika auf ihren Slayr gedrudt vor irem Haws. Vº Sryt von Pilatus haws .“ Hier
letyt Chriſtus tot vor ſeiner gebenedeyten wirdigen Mutter die in mit großem Hertenleyt und
bitterlichen ſmert claget und beweynt.“

V. Die anderen hl. Stätten in und um Jeruſalem.

1. Der Teich Bethesda.

Nur durch eine Gaſſe getrennt vom Serai, der jetzigen Statthalterei oder dem ſogenannten
Balaſte des Pilatus, aber gleichfalls an der Südſeite der zum Stephans - Thor führenden Haupt
Straſſe Sitti Mariam befindet ſich ein Teich, jekt ,, Birket es Serain " genannt, in welchem

man den ehemaligen Teich Bethesda erkennen will. Daſelbſt war jener wunderbare Heilort,
an welchem in fünf herumgebauten Hallen ſich die Kranken aufhielten , bis für ſie der Augen
blick gekommen , zu dem Waſſer gebracht und geheilt zu werden . Der Evangeliſt Johannes er
zählt davon V. 2 .

Es war aber zu Jeruſalem der Schafteich, welcher auf Hebräiſch Bethesd a genannt
wird ; daran waren fünf Hallen . In dieſen lag eine Menge kranker, blinder, lahmer und ſchwacher
Menſchen, welche auf die Bewegung des Waſſers warteten .

Denn der Engel des Herrn ſtieg zu gewiſſen Zeiten hernieder in den Teich und das
Waſſer kam in Bewegung ; und wer zuerſt nach der Bewegung des Waſſers hinunterſtieg , der
wurde geſund, mit welcher Krankheit er nur inimer behaftet war . “

An dem Teiche Bethesda heilte der Herr den achtunddreißigjährigen Kranken, der Niemand
hatte, um in den Teich hinuntergelaſſen zu werden .

Gegenwärtig iſt dieſer vieredige Waſſerbehälter beinahe bis zur Hälfte mit Schutt an
16
122 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs- Stätten.

gefüllt uud völlig waſſerlos. Er mißt, ein weſtliches Gewölbe mitgerechnet, 460 Fuß in der

Länge und 130 in der Breite . Die Tiefe beträgt ohne den Schutt bei 75 Fuß . An den Weſt
gewölben , die durch kleine Quergewölbe verbunden ſind , gewahrt man deutliche Spuren , daß
man darauf bedacht war , dem einmal geſammelten Waſſer jeden Ausweg zu verſperren . Die
Räumezwiſden den größeren Steinen der Mauer ſind mit kleineren Steinen ordentlich ausgefüllt ;

es iſt gleichſam eine würfelförmige Ziegelwand in die Steinmauer eingeklemmt, um dem äußeren
Cement mehr Haltbarkeit zu geben Spuren alter Conſtruktion.
2. St. Anna Kir dye.
Dem Stephans - Thor Babel Hotta zugewandt, hat der Bilger die St. Anna

Rirche zur Linken , ſomit an der Nordſeite der Straſſe Sitti Mariam . Die Kirche iſt gegen
Dſten gerichtet, bis zur Ruppel aus Quaderſteinen aufgeführt und hochgelegen. Dieſe halb
verfallene im Spitzbogen - Styl erbaute Kirche hat innen mit Ausſchluß des Chors eine Länge
von 40 und eine Breite von 27 Schritten. *) Der Haupteingang im Weſten iſt verſchloſſen ,
und der kleinere ſüdliche der gewöhnliche Zugang. Das Mittelſchiff in gleicher Höhe mit dem

öſtlichen Chorbau hat zu beiden Seiten die niedrigeren Nebenſchiffe, über deren um 10 Fuß
tiefer liegende Dächer die Fenſter für den Mittelraum hinlaufen . Der Chor mit zwei Seiten

Niſchen iſt innen im Halbfreis geſchloſſen, nach Außen aber im Bielec . Vor dem Chor - Raume
erhebt ſich auf achteckigem Unterſatz mit vier Spitzbogen eine kleine Kuppel von etwa 9 Fuß
Höhe. Die Höhe der Kirche bis zur Ruppel beträgt 45 Fuß . Drei Säulen auf jeder Seite

des Mittelſchiffes tragen das Gewölbe. Spuren von Gemälden ſind hie und da wahrzunehmen.
Gegen Südoſt erſtreckt ſich eine unterirdiſche Höhle, zu welcher Treppen hinabführen. Seit 1856
iſt dieſe Kirche den Lateinern von den Türken zurückgegeben. Das dazu gehörige Frauenkloſter

liegt in Trümmern, weldie gleichfalls die Spitbogen - Architektur aufweiſen .


3. Das Grab der h1 Maria .

Vor dem Stephansthor im Oſten der Stadt wendet ſich der Weg fürwärts gegen das Kidron

Thal. Von der Brücke über das waſſerloſe Bette des Kidron zur Linken, alſo nördlicy trifft man
das Grab ber hl. Jungfrau, welches zu einer Rirche geſtaltet iſt. Die Kirche viſt in
eine obere und untere getheilt, zu weld ' letzterer 47 Stufen hinabführen , als der eigentlichen
Felskapelle mit dem Grabe Marien'8. Das Gebäude iſt ein kleiner Ueberbau über der

Grabeshöhle, welcher eigentlich nur ein Dach der Eingangstreppe zur unteren Grabkapelle bildet .
Dieſer Ueberbau in der Form eines plattgedeckten Hauſes ragt anſehnlich über den vertieften

Vorplaß, unbedeutend aber über den an die Oſt- Nord- und Weſtſeite des Gebäudes ſtoſſenden

Erdboden hinauf. **) Zufolge alter Ueberlieferung wurde hier die heilige Jungfrau beerdigt.
Gott aber wollte nicht , daß dieſe Wohnung des Todes den Leib behalte , welcher des Lebens

*) Tobler. Jl . Wanderung. 302 ff.


**) Tobler. Siloahg . S. 149 .
Grab
Mariae
.
1
I

1
PUISTOT

EN
SE

GRUB DER 313RLA


narl..
Die Stationen in der heiligen Grabkirche. 123

Wohnung geweſen. Das Innere der Kirche iſt geſchmückt mit einer Menge von Lampen und
mit Aitären der chriſtlichen Bekenntniſſe. Die Grabkapelle ſelbſt iſt viereckig und ſo klein,
daß ſie nur für wenig Perſonen Raum hat. Das Grab Marien's ſtellt einen ziemlich hohen
Sarkophag vor, deſſen Deckel ſchwarzgeaderter Marmor iſt. Teppiche und Seide bekleiden Altar

und Wände . Das Aeußere zeigt wieder die Spitzbogen -Architektur. Drei dünne Wand-Säulen

zu beiden Seiten des Spitbogen - Einganges tragen ein verziertes Horizontal- Geſims, auf welchem
die Spitzbogen aufſitzen, die der Anordnung der Wandſäulen conform ſo eingeſtuft ſind, daß der
weitere äußere die beiden kleineren inneren Bogen über dem Eingangsthor einſchließt. Auch hier
iſt die Bedachung flach. In den Zeiten des Königreiches Jeruſalem befand ſid hier eine Bene

diftincr - Abtei, welche Gottfried von Bouillon ſtiftete und reich dotirte. Das Kloſter war ſüdlich
angebaut, ſo daß der jebige vieredfige Vorplatz den Kloſterhof bildete . Dies Grabmal mit der

Kirche liegt am Fuße des Delberg8, unweit von dem ſüdlichen Gethſemani.
4. Der Garten Gethſemani.
Ein einſainer Meierhof am weſtlichen Abhange des Delbergs jenſeits des Baches Kidron
heißt Gethſemani d. h . Delkelter. Dabei lag ein Garten; wohin Unſer Herr ſich mit ſeinen ver
trauteſten Jüngern Petrus , Jakobus und Johannes zurückzog, auf daß ſie Zeugen ſeiner Leiden

würden , wie ſie früher Zeugen ſeiner Verklärung geweſen. Hier verrieth Iudas mit einem Ruſſe

den Menſchenſohn . Hier überlieferte ſich der Herr den Häſchern, die Nachts ausgezogen waren, ihn
gefangen zu nehmen . Von hier ward Chriſtus gebunden zu Annas und Raiphas nach Jeruſalem ges
führt. Nahe der genannten Brücke bewahrt ein kleiner Fleck Land, von acht uralten Delbäumen be

ſchattet, das Andenken jener Nacht im Leben des Herrn ! Er heißt jetzt Dich esmanijeh und mißt
160 Fuß in der Länge bei 150 Fuß Breite. Die Franziskaner umhegten dieſen Garten mit
einer adyt Fuß hohen Mauer, die nicht nur den ehrwürdigen Delbäumen ſondern auch dem hier

in ſtiller Zurückgezogenheit betenden Pilger zum Schuße dienen ſoll.


An den Mauern ſind in Email gebrannte Bilder des Leidens Chriſti angebracht, die den

ſpaniſchen Ueberſchriften nach wohl aus Spanien ſtammen .


Dieſer ſtille Garten , mit verſchiedenen Gräſern und Blumen bewachſen , erweckt bei der

Ruhe des Thales und der durch den Delberg, ſowie den Moirah und Zion gegen die Dſt- und
Weſtwinde geſchüßten Lage und angenehmen Temperatur angeſichts der ernſten , mächtigen Del
bäume eine dem hier zu betrachtenden Geheimniße ganz entſprechende Stimmung. Die mächtigen

Bäume, Sprößlinge der Zeugen von des Herrn bitterem Leid , reichen mit ihren Wurzeln wohl
bis in jene Zeit, wo in ihrein Schatten die Jünger ruhten und der Erlöſer betete . Dem Del

baum fömmt bekanntlich die Eigenſchaft zu, daß auch nach abgehauenem Stamme ſein Wurzelreſt
in der Erde wieder treibt. Sie nehmen beinahe die ganze Breite des Gartens ein und haben
einen Umfang von mehr als 20 Fuß. Zwei derſelben ſind ſtark zerklüftet und deßhalb mit Steinen

umdämmt. Selbſt die Mohammedaner ehren dieſelben und wagen keine Art von Beſchädigung.
Der Garten , von einem Bruder des Franziskaner - Ordens fleißig gepflegt, iſt ſelbſt im
16 *
124 Peruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten .

Dezember und Januar grünend und blühend, ein ſtet8 freundlich ernſter Aufenthalt. Wir wiſſen ,
daß Jeſus dieſen Ort gerne aufſuchte, um einſam daſelbſt zu beten . Ganz nahe bei dieſen

Bäumen wird ein flacher Fels gezeigt, woſelbſt die Jünger ſchliefen, indeß Unſer Herr hingieng
und betete .

Nach dem Evangelium entfernte ſich Chriſtus einen Steinwurf weit von dieſem Orte,

fiel mit dem Angeſichte zur Erde und betete : „Vater, wenn Du willſt, ſo nimm dieſen Relch von
mir ; doch nicht mein Wille, ſondern der Deine geſchehe" .

Es erſchien Thm aber ein Engel vom Himmel und ſtärkte Ihn .
Und da Er in Todesangſt fam , betete Er länger .
Und ſein Schweiß ward wie Tropfen Blutes, das auf die Erde herabrann .
5. Grotte der Todesangft.

Nördlich von dem Delgarten befindet ſich eine Felſengrotte in der genannten Entfer

nung, wo jenes Geheimniß verehrt wird : „ das Andenken an die Todesangſt Unſeres Herrn . "
Ein durch den Felſen gehauener , durch eine Thür verſchließbarer Gang führt in das

nur dämmernd beleuchtete Geheimniß der Felſen, bei deren Geſchichte ſelbſt das tiefſinnigſte Er
kennen des Menſchengeiſtes, ja der Verſtand der Engel anbetend ſtaunt. *) Hier hat ſich Der,
welcher des Lebens Anfang und Vollendung iſt, Er, der in Bethlehems Grotte mit dem Ge
ſchlecht des Menſchen , zu dem er als Bruder und Helfer ſich geſellte, die Schwäche der Rind

heit , dann alle Noth und Gebrechlichkeit des vergänglichen Lebens trug , hinabgebeugt bis zu
der Angſt und den Schrecen des Todes ; hier war es, wo der Herr, blutigen Schweiß ſchwißend,

die laſt des Fluches empfand, welcher auf der alten Schuld des Menſchen liegt.

Wenn an dieſer Stätte des Schauders der Glaube des Chriſten ſich beugt und hinab
ſchaut in den finſtern Abgrund , in welchen damals der Sieger über des Todes Gewalt und
Schrecken ſich verſenkte, da wird ihm dennoch die Beugung der Trauer bald zu einer Erhebung

der Freude ; der Abgrund ., in welchem die Furcht und Bangen wohnten , iſt leer ; ſtatt jener
Feinde ſteht ein freundlicher Engel da , welcher der Seele zuruft : Weine nicht; „ ſieh' es hat
überwunden der Löwe aus dem Stamme Juda ; die Wurzel Davids. "

In dieſe Felsgrotte **) führt eine Treppe von 8 Stufen hinab , welche ſich von Morgen
gegen Mittag wendet. Die Eingangspforte liegt an der Abendſeite. Die faſt einem Fünfede

gleichende Höhle hat in der Ausdehnung von Weſt nach Oſt 27 und in der Breite 14 Schritte
bei einer Höhe von 10 bis 12 Fuß. Aus dem Fels gehauene Pfeiler weſtlich und ſüdlich, mit
drei gemauerten Pfeilern zur Seite tragen die Decke , in deren Mitte eine runde mit einem

Holzgitter verſehene Deffnung gelaſſen iſt. Das Innere iſt meiſtentheils mit Maueranwurf bes
1
kleidet und läßt an der Dede beſonders deutliche Spuren ehmaliger Bemalung erkennen . So

*) v. Subert c. W. 515 II. B.


** ) Tobler. Siloahq. 215.
.
Gethsemane
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1
UABAN

Grotte
Todesangst
.der
1
Die Stationen in der heiligen Grabkirdhe. 125

nimmt man an der öſtlichen Hälfte des Gewölbes gemalte Sterne , an dem ſüdlichen Theile

eigentliche Fresken unverkennbar wahr. Die drei Altäre ſind gegen Oſten angebracht und durch
Lampen beleuchtet. Neben dem Hauptaltare, ſowie an der ganzen ſüdlichen und weſtlichen Seite
fallen breite Bänke von großen Steinen auf. Ueber dem Hauptaltar in der Mitte der öftlichen

Hälfte ſtellt ein Bild den Kampf Unſeres Herrn und die Erſcheinung des Engels in Relief dar
mit der Unterſdrift : *) Hic factus est sudor ejus sicut guttae sanguinis decurrentis in
terram . Dieſe Grotte gewährt eine Vorſtellung von der früheren Ausſchmückung und Ein
theilung ähnlicher Felskapellen, **) von welchen nur mehr Nachrichten auf die Nachwelt gelangt ſind.
Als Jeſus gebetet und zu ſeinen Jüngern zurückgekehrt war , ſprach Er : Stehet auf,

laſſet uns gehen ; derjenige, welcher mich verrathen ſoll, nahet. Als Er noch ſprach, kain Judas
mit ſeiner Schaar, trat zu Jeſus und ſagte, indem er Thn füßte : Sei gegrüßt, Meiſter! Chriſtus
aber ſprach: Freund ! wozu biſt du gekommen ? Mit einem Kuſſe verräthſt du des Menſden

Sohn. Zu jenen aber, welche wider Ihn ausgezogen, zu den Prieſtern, Vorſtehern des Tempels
und Aelteſten ſprach Er: Ihr ſeid wie gegen einen Mörder mit Schwertern und Stangen aus

gezogen. Da ich täglich bei euch im Tempel war, habt ihr die Hände nicht nach mir ausgeſtreckt.
Aber dies iſt eure Stunde und die Macht der Finſterniſſe.

Der für die Stelle des Verrathes gehaltene Ort gilt bei den Mohammebanern als verflucht.

6. Der Delberg.

Von hier gehen drei Wege auf die mittlere Spiße des Delberges hinan , auf

welcher die Kirche der Himmelfahrt Unſers Herrn erbaut iſt. Der Delberg erhebt
ſich im Dſten des Thales Joſaphat in der Entfernung einer Viertelſtunde von Jeruſalem in

einem Längenzuge von Nord nach Süd mit drei Hauptkuppen bis zur abſoluten Höhe von
2556 Fuß und hat ſeinen Namen von den vielen Delpflanzungen , die ehedem beſonders am

Weſtabhange gegen das Cedron -Thal angelegt waren. Er ' gehört zu dem Gebirge Juda, welches
die Rüften -Ebene des Mittelmeeres etwa 7 Stunden öſtlich von Ramle unterbricht und mit dem

nördlichen Höhenzuge des Gebirges Ephraim in Samaria zuſammenhängt , als deſſen Fort

ſeßung gegen Süden es erſcheint. In geringer Entfernung von Jeruſalem ſenkt ſich dasſelbe
gegen Dſten und ſet ſich in vielen ſüdlichen Verzweigungen in der nämlichen öſtlichen Richtung
gegen 5 Stunden fort, wo es in die Forban - Ebene ſteil abfällt, während die weſtliche Abdachung
allmählig geſchieht.

Der Delberg felbft iſt mit Gras, Getreide und Obſtbäumen bewachſen und bietet die
ſchönſte Anſicht der im Weſten ausgebreiteten Stadt bar. Er zerfällt in brei Gipfel, deren

mittlerer mit der Himmelfahrtskirche zumeiſt in der Linie des Tempelberges liegt , während der

Berg des Nergerniffes im Süden und die Spiße mit dem Namen „ Viri Galiläi“ im

* ) , ſier ward fein Schweiß wie Tropfen Blutes, das auf die Erbe herabrann. “
**) Bgl. den Abſchnitt über die Gräber.
126 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs -Stätten.

Norden ſich erheben . Die Benennung der nördlichen Nuppe ſchreibt ſich von der Ueberlieferung

her , daß daſelbſt zwei weißgekleidete Engel zu den Apoſteln , welche dem auffahrenden Herrn
nachblickten, ſprachen : „ Ihr Männer von Galiläa ( Viri Galiläi) was ſtehet ihr da und ſchauet
gen Himmel ? Dieſer Jeſus , der von Euch weg in den Himmel aufgenommen worden , wird

ebenſo wieder kommen , wie Ihr ihn hingehen ſahet gegen Himmel.“
Sie hieß früher auch ,,Galiläa “ und ein Thurm bezeichnete die genannte Stelle , ſpäter

eine Säule . Die Spiße liegt fünfhundert Sdritte von der mittleren Himmelfahrtskirdje entfernt

und iſt etwas niedriger . Der Gipfel im Süden , dem Zion gerade öſtlich gegenüber , iſt von
bedeutendem Umfange , aber ziemlich niedriger , als die nördliche und mittlere Delbergsīpiķe.
Die füdliche und 'weſtliche Abdachung zeichnen ſid, durch Steilheit aus . Sein Name ,, Berg

des Aergerniſſes, Berg des Verderbeug " wird auf Salomon zurückgeführt , der im hohen Alter
hier ſeinen ausländiſchen Weibern den Molochdienſt geſtattete. Die mittlere Ruppe enthält nicht
nur die merkwürdigſte und am früheſten von den Chriſten verehrte Stätte , ſondern auch die

herrlichſte Ausſicht auf Stadt und Umgebung . Beſteigt man das weſtlich neben der Himmel
fahrtskirdie erbaute Minaret, ſo bietet die Ausſicht ein wahrhaft entzückendes Bild dar.
Vor Allem zieht die heilige Stadt im Weſten den Blick auf ſich, deren Schönheit, zumal

wenn ſie von der Morgenſonne beleuchtet erſcheint, von hier aus zumeiſt bewundert werden kann .

Das zunächſt liegende Heiligthum der Mohamedaner auf Moriah geſtattet hier einen vollkommenen
Ueberblick in die Hallen , um das große Viereck, auf die grüne Au des Tempelplages , auf den
lieblichen Olivenhain, die erhabene Felſenkuppel, die langgeſtreckte Arja -Moſchee, die hohen Nuf
thürme, die luftigen Pforten des Hochplages und die verſchiedenen kleinen Kapellen der Tempelflur.
Wo das Verbot den Fuß des Chriſten abhält , genießt doch das Auge . Unter den Hügeln der

Stadt Hebt ſich der Bezetha am deutlichſten empor , der auch hier als einſtiges Ganzes mit
der Höhe des Begräbnißplatges es -Sahera erſcheint, wie denn auch der Wad (Thalſenkung)
zwiſchen jenem und der Nordweſtanhöhe der Stadt hier nicht verkannt werden kann . Weiter

gegen Weſt erblickt man das große von dem Minaret des Muriſtan und jenem der Chankeh

Moſchee ſo zu ſagen bewachte Ruppelpaar der hl. Grabkirche, indeß die Söhne derjenigen,
die über Jeruſalem einſt Jahrhunderte hindurch herrſchten , kein Gotteshaus dein Schauluſtigen

darbieten . Oben giebt uns die Kuppel der arineniſchen Jakobskirche neben der vielthürmigen
Citadelle eine andere Bürgſchaft, wie lieb dem Chriſten zur Verehrung des Allmächtigen
Jeruſalem ſei , wenn er auch mit Schmerz auf die öſtlich vom Damaskusthor ſtolz aufragende,

an ein ſchlankes Minaret ſich lehnende Moſchee Mulawien , in welcher (als Johanneskirche)
vor einem halben Jahrtauſend Chriſten zu Gott beteten, den Blick heftet. Läßt man das Auge

über die vielen platt- und kuppeldächigen Häuſer der Stadt hinwegſchweifen, ſo begegnen auf
der Abendſeite die verlaſſenen Windmühlen des Ibrahim Paſcha, gegen Süd die Dörfer Malchah,

Eſch -Scherafat, Bet Sufafa, Bet Dichala, das Kloſter Mar Elias auf dem füdlichen Hügel
ſaume der Ebene ( El- Bakaah ) ; im Süden ſelbſt das Gebirge um Bethlehem und Thekoa ,
:

ELBERG
DER
.
Die Stationen in der heiligen Grabkirche. 127

beſonders aber der Paradiesberg ( Didiebel Feredis) ; etwas näher liegt dann das Feuer

thal ( Wadi en Nar) mit ſeinem weſtlichen Arine , welcher den Zion vom trümmerbedeckten

Dichebel Der Abu Tor ( Berg des böſen Rathes ) trennt und Thal Hinnom oder Wadi er
Rababi heißt und mit dem nördlichen Arme , weldier Thal Joſaphat heißt und in liebliches
Grün gekleidet iſt. Wir rücken nech von dem nahe gegenüberſtehenden Berge des Aergerniſſes,

welcher gegen Mittag den Blick in's Feuerthal unterbricht , bis dieſes im Südoſten unter dem
Wadi el- Kattun wieder zum Vorſchein kömmt, nordweſtlich an jenem Berge hinab zu den

Häuſern des Dorfes Silvan . Im Südoſt erblickt man die hügelichte Gegend von Mar Saba ,
im Oſten , ohne das Dorf Bethanien , welches der Berg Sajach deckt, erreichen zu können , das

Dörfchen Abu Dis, weiterhin über eine wüſte landſchaft das tiefe todte Meer. Jenſeits des

ſelben und des Jordans bietet ſich ein intereſſanter Höhenzug dar, doch in zu großer Ferne, als

daß mit unbewaffnetem Auge einzelne Theile deutlicher unterſchieden werden könnten . Vor
Allem ſind bemerkenswerth Rerak , die alte Feſtung , und Didheraſch ( Geraſa ) , die Thalriffe

des Zerka und Arnon , der Didhebei Dichelad und Sichihan . Der von vielen Pilgern als von

hier geſehen genannte Berg Nebo , mag wohl im Geſiditsfreiſe liegen, aber er macht ſich nicht
bemerklich . Man überſchaut ſomit einen ſehr langen Gebirgszug des oſtjordaniſchen Landes ,
ſüdlich vom Gebiete der Moabiter, öſtlich neben dem Südende des tobten Meeres , nämlich von

Kerak an nordwärts über den Dſchebel Sichihan und über den Dſchebel Dſchelad ( Gilead ), bis

nach Dſcheraſch, welches ziemlid ) genau im Oſten von Nablus liegt. Das Gebirgsland der
Stämme Moab , Ruben und Gad und das Galaaditis ( Peräa ) werden noch theilweiſe erreicht.
Diesſeite des Jordans , welchen ein grüner Streif auf weißem Grunde andeutet, ruht
der Blick auf einem Theile der Ebene von Jericho oder des El- Ghor und kehrt auf geradem

Wege näher rüdend, auf dem Gebirge im Chan el- Chachrur ein . 3m ganzen Norden, wo das

Auge gar nicht weithin ſpäht, erblickt man wenig Nennenswerthes , wenn man das Rarem es

Seiab , das Nas e8 - Soweka und den Sfopus durchmuſtert hat. Baut man aber in Gedanken
eine Brücke über das Therebinthenthal, von welchem nur der Dſtrand ſichtbar wird , ſo

gelangt man nordweſtlich hinüber zum höchſten Berge in einiger Entfernung von der Stadt,
zum Nebi Samuil mit ſeinem freundlichen Tempel und Thurme , woneben gegen Süd oder 1

Südweſt die Dörfer Bet Surik und Bet Ikſa die Umſchau ſchließen . *) Das Jordanthal und
das todte Meer treten übrigens deutlicher vor das Auge, wenn man etwa 300 Schritte oſtwärts
zum Weli ſich begibt , das um ein Unbedeutendes höher liegt , als der vorige Standpunkt, von
welchem bekanntlich auch der Künſtler Ulrich Halbreiter ſein berühmtes Rundbild der hl. Stadt und
Umgebung aufgenommen hat. Es iſt bis jeßt das einzig getreue Abbild dieſer großen Rundſchau.

Dieſer freundliche Berg mit ſeinen frühlingsduftenden Abhängen war Unſers Herrn 1

liebſter Aufenthalt. Hier war es auch , wo er die Stadt in ihrer ganzen Bracht vor Augen ,

* ) Tobler Siloabquelle 63 ff.


128 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

über ihre traurige Zukunft ſprach und weinte. Ein verfallenes Gebäude am weſtlichen Abhange
des Berges etwa fünfhundert Schritte von der Spitze wird als die Stätte dieſer Weiſſagung
des Herrn bezeichnet; ein in der That ganz vorzüglich geeigneter Platz zunächſt der Stadt und
dem Tempel auf Moriah . Im vierzehnten Jahrhundert zierte der Ort eine Kapelle , welche im
XVI. Jahrhundert den Türken zugefallen . Eine tiefe Ziſterne mit vortrefflichem Waſſer be
findet ſich in der Nähe. Andere von der Tradition hierher an den Abhang des Delberges ver

legte Stätten ſind der Ort , wo Chriſtus die Jünger beten lehrte ; ſeit dem erſten Kreuzzuge
deutlid ) als „ Kirche des Vater Unſer'8 " ( Pater Noſter-Kirche) bezeichnet ; der Ort, wo die Apoſtel
das Glaubensbekenntniß verfaßten, einſt Markuskirche oder Kirche der hl. zwölf Apoſtel genannt.

Die Neſte davon liegen von der Himmelfahrtskirche füdweſtlich , wenn man von da gegen das
Cedron - Thal hinabſteigt linker Hand neben dem Wege .

Unſre Abbildung zeigt im Vordergrunde den nordöſtlichen Abhang des Moriah außer
halb des Stephans - Thores , wo von der Stelle, die für den Platz der Steinigung des hl.
Stephanus gehalten wird, die Wege auf den Delberg auslaufen . Von der öſtlichen Stadt
mauer auf den Höhen Moriah's wird am Rande des Bildes ein Vorſprung ſichtbar. Gerade
unterhalb liegt das Thal Joſaphat mit dem Grabmal Abſalon's am Eingange der Schlucht.
Zieht man gegen den Mittelgrund von dieſem pyramidalen Monument ſowie von den weidenden
Schafen des Vordergrundes zwiſchen der 2. und 3. Baumgruppe neben dem Wege gerade
Linien ſo ſchneiden ſidy dieſelben bei einem von einer kleinen Mauer umhegten Plaže, in welchem
zwei Baum- Gruppen bemerkbar ſind . Dieſer Plaz iſt der Delgarten oder Gethſemani mit
den beſchriebenen Delbäumen . Von den Bäumen des Vordergrundes verdeckt , aber ihnen zus

nädiſt liegt das Grab der hl. Jungfrau und gegen den Delgarten hin die Grotte der Todes
angſt. Die Gebäude auf dem Gipfel des Delberges ſind ohnehin deutlich . Der rechts von
Gethſemani ſich hinziehende Weg führt , die Richtung des Joſaphats Thales verfolgend , nach
Bethania und Jericho.

7. Die Gimmelfahrtskird) c.

Das wichtigſte Gebäude iſt die Himmelfahrtskirche auf der mittleren Spige
des Delberges. Sie liegt nur ein wenig unter dem höchſten Punkte gegen Oft. *) Die

gegenwärtige im Jahre 1834 auf alten Grundlagen erbaute, den reichen Armeniern gehörige
Kirche bildet ein Achteck, über welchem ſich ein kurzer Cylinder mit einer Kuppel erhebt , die in
einer ſtumpfen Spige endet . Das Neußere zeigt an den Eden alte graue Marmorſäulen mit

gemiſchten Knäufen , zwiſchen welchen alten Beſtandtheilen die neue Mauer eingefügt iſt. Von

Abend gelangt man durch einen Eingang, den zwei Hölzerne Thürflügel etwas verſchließen ,
in das Funere der kleinen Kirche. Dasſelbe iſt ſchmuclos und empfängt das Licht durdy

die Thüre. An der überlieferten Stelle des Eindruckes der Füße unſeres Herrn , als Er

*) Tobler Siloahquelle 82 fi
Die Himmelfahrtskirdie auf dem Delberg. 129

gegen Hinimel fuhr , wird in einem Steine

eine ſolche Vertiefung gezeigt , welche einem


Fuße gleicht. Die jetzige Fußſtapfe befindet

ſich an dem Platze , wo icon im III . und

IV. Jahrhunderte die Fußſpuren des von

hier emporſteigenden Heilandes verehrt wurden .


Vor Allem iſt der Gründung einer Kirche

auf dem Delberg zu gedenken . Die Kaiſerin


IEEE Helena war es wiederum , welche am An

fange des IV. Jahrhunderts mit einer Kirche


jenen Ort auszeichnete, zu welchem als , den

Fußſtapfen [ es Herrn " ſchon im vor


hergehenden Jahrhunderte die Chriſten ge
pilgert waren .

Dies Gebäude war auf der Spitze

M des Berges errichtet, ſelbſt von bedeutender


Höhe . Die Mitte des Daches war offen
Die Himmelfahrtskirche. und der Boden der Kirche mit den heiligen

Fußſpuren ungepflaſtert, ſo daß er immer einem grünenden Raſen glich , welcher den Eindruck

der Füße des Herrn ſtets unverſehrt bewahrte . Ja es war gar nicht möglich, dieſe Stätte mit
Marmor zu bedecken , indem all folcher Schmuck ſchnell wieder gleichſam weggeſpien wurde .

Auch konnten die zahlreichen Pilger die Deutlichkeit der Spuren nie verwiſchen, ſie mochten von
dieſer geheiligten Erde noch ſo viel wegnehmen . Sie behielt ſtets das gleiche Ausſehen mit dem

Eindrucke der Füße Unſers Herrn. So berichten S. Hieronymus , Paulinus von Nola und

deſſen Zeitgenoſſe Sulpicius Severus . Am ausführlichſten iſt Paulinus über dieſe Tradition .
In dieſem Jahrhunderte hielt ſich eine Bruderſchaft daſelbſt auf , welche noch mehrere
Kapellen in der Nähe errichtete. Unter dieſen Frommen zeichnete ſich beſonders der Abt Adolius

aus, welcher von der Veſperzeit bis gegen Tagesanbruch nüchtern unter Gebet und Pſalinengeſang

an der Stätte der Himmelfahrt verweilte, ohne durch Sturm und Regen abgehalten zu werden .
Um das Jahr 600 gab es auf dem Delberg ſchon mehrere Kliſter. Aus dem Jahre 670 iſt uns
eine Beſchreibung der Himmelfahrtskirche erhalten, aus welcher erhellt, daß dieſelbe ein Rundbau
mit brei um denſelben herumgeführten gedeckten Säulenhallen geweſen ſei , im Innern aber des

Daches entbehrt habe. An der Oſtſeite ſtand der durch ein kleines Dach geſchützte Altar. Auf
der Weſtſeite jah man 8 Glasfenſter, denen inwendig 8 an Seilen herabhängende brennende
Lampen in gleicher Höhe entſprachen. Dieſe Lampen verbreiteten durch die Fenſter einen ſo hellen
Lichtglanz, daß Nachts nicht nur der weſtliche Abhang des Delberges , ſondern auch der zunächſt

gegenüber liegende Theil der Stadt beleuchtet wurde. Die Stelle mit dem Eindrucke der Füſſe
17
130 Jeruſalen mit ſeinen Erinnerungs -Stätten .

des Herrn umgab eine kreisförmige, niedrige cherne Einfaſſung, welche oben in der Mitte geöffnet

war , ſo daß man die Fußſpuren deutlich fehen fonnte. Darüber hieng eine ungeheure, Tag und

Nacht leuchtende Lampe. Dieſe cljerne Einfaſſung war, wie es ideint, ein kleiner Umbau, deſſen
Dad in der Mitte geöffnet war. In der Nadyt des Himinelfahrtsfeſtes brannte nicht blos die

gewöhnliche Zahl von acht Lampen, ſondern es funkelten deren unzählige, daß durch ihren Glanz
der Berg das Anſehen erhielt , als ſtehe er in Flammen und der zunächſt liegende Theil Jerus
ſalems Licht empfieng. Befanntlich gaben die Juden das Signal von dem Eintritte des Neu

mondes *) gleichfalls von dieſem Berge durdy große Feuer bis in die weiteſte Ferne, indem von

hier das Signal nach Sartafa ( Kurun Sartaf) und von da nach Gerufna der jetzigen

Gebirgskette Grupun hierauf niadh Choran der Gebirgsſpitze im Hauran bis nad)

Bethalbin (Biram ) jenſeits des Euphrats fortgepflanzt wurde .


Im Zeitalter des fränkiſden Königreiches ward nun dieſer kleine eherne Einfaſſungsbau
der Fußſpuren zur eigentlichen Kapelle , um welche, analog der Grabesrotunde , der große, im

Adyteck aufgeführte Kuppelbau auf Pfeilern und Wandſäulen emporſtieg. An der Weſtſeite war
eine Vorhalle , zu welcher eine breite ſteinerne Treppe führte. Dieſen ſchönen großen Umbau
zerſtörten die Sdaaren Saladins im Jahre 1187 , während die Kapelle ſelbſt unverſehrt

blieb . letztere war gleichfalls achteckig, von gehauenen Steinen und hatte zwanzig Fuß im Durch
meſſer. Das Innere zierten ſchöne Marmortafeln und Lampen brannten hier Tag und Nacht.

Nach mannigfachen Veränderungen zerſtörte im Juni 1834 ein Erdbeben auch dieſe Kapelle zum
größten Theile, welche dann kurz darauf die Armenier nach dem alten Grundriſſe wiederherſtellten.

Somit iſt von der alten Himmelfahrtskirdie nur die kleine Kapelle über den Fußípuren Unſers
Herrn jederzeit forterhalten d . 1. immer wieder hergeſteứt, der fränkiſche große Umbau aber
nie wieder erneuert worden. Außer dem achteckigen Grundplan und den alterthümlichen Edſäulen

zwiſchen den Umfaſſungsmauern wurde aber auch von dieſer Kapelle nichts mehr auf die Gegen

wart gerettet . Doch die Stätte des großen Ereigniſſes blieb unverrückt und mit ihr die Ehrfurcht
und Andacht der Chriſten unvermindert bis in die Gegenwart.
Der Vorabend und Feſttag von Chriſti Himmelfahrt wird hier von den verſchiedenen
chriſtlichen Bekenntniſſen , aber nicht von jedem in friedlicher , mit chriſtlichen Sitten überein

ſtimmender Weiſe gefeiert. Die um die Kirche herum aufgeſchlagenen Zelte geben der Feier einen
bunten , morgenländiſchen Charakter. Auch hier macht ſich der lateiniſche Gottesdienſt durch Ruhe
und Würde, beſonders im Gegenſatz zu dem Cultus der Armenier bemerklid ).
Südlich ſchließt ſich an die Kirchen - Reſte die Wohnung eines Mohammedaners und eine

Art Moſchee an ; nördlich und öſtlich ſtehen Häuſer der Moslemin. Von hier geht in ſüdöſtlicher

Richtung ein Weg nady Bethanien, in ſüdweſtlicher zu den Gräbern der Propheten , welche
am Fuße einer anderen bedeutenden Kuppe des Delberges liegen .

* ) Gratz 167

1
Gräber am Fuße des Delberges. 131

8. Gräber der ,Propy eten .

Dieſe Grabkaminern * ) ſind in den weichen , bröciichten Kalefeljen gehauen und bilden
ein kleines Labyrinth ſich durchkreuzender Gänge und Gewölbe . Der unſcheinbare Eingang führt
durch eine Treppe von Weſt nach Oſt zu den Gemächern abwärts . Nach einer Wendung gegen
Süd tritt man durch eine Thüröffnung in eine Rotunde , welche durch eine am weſtlichen Ge

wölbe angebrachte Deffnung erhellt wird . Dieſe Rotunde hat bei einem Umfang von 67 Fuß

und 21 Fuß im Durchmeſſer eine Höhe von 10 Fuß. Von dieſer Vorkammer leiteten in jüd
licher Richtung ehedem drei Eingänge in ebenſoviel innere Gänge. Da der weſtliche und öſtliche
Eingang . verſchüttet ſind, ſo iſt nur der mittlere nodi gangbar, welcher 3/2" Fuß hoch im Runde
bogen gebildet einwärts führt. Die drei durchſchnittlich 5 Fuß breiten Gänge haben eine Länge
von 40 bis 60 Fuß ; der öſtliche iſt der fürzeſte und divergirt bedeutend. Sie ſind durch einen

oſt-weſtlichen Quergang durchſchnitten , wodurch eine ſüdliche und nördliche Abtheilung entſteht .

Zwiſchen dem mittleren und öſtlichen Gange läuft vom Quergang mitten durch den Fels ein
Zwiſchengang in den ſüdlichen langen , mit jenem Quergange faſt parallel geführten Gang, in
welchen alle drei längeren Gänge und der kürzere übergehen. Vom weſtlichen Gang gegen Norden
greift noch ein weiter nördlich wieder dahin zurückkehrender Gang in den Fels, Zwiſchen all

dieſen Gängen ſteht noch der Fels, ſo daß Felspfeiler feche an der Zahl gebildet werden .

Der Umfang des größten dieſer Pfeiler hält gegen 100 Fuß . In den Pfeilern ſelbſt ſind keine

Schiebgräber **) eingehauen , um die Kraft derſelben nicht zu ſchwächen. Der Boden iſt ſehr
uneben , indem es bald auf-, bald abwärts geht. Gegen die Rotunde ſteigen alle drei Längen

Gänge in nördlicher Richtung aufwärts. Gänge und Vorkamner ſind mit Gyps bekleidet . Am
äußeren Umfange der äußerſten Gänge , mit Ausnahme der öſtlichen , ſind die merkwürdigen

Schieb - Senkgräber in der Form ſchmaler, langer Defen angelegt. Man zählt deren 26 .
In einer Tiefe von 2/2 Fuß verengt ſich das Grab auf jeder Seite 2 Zoll ſtark, wodurch ein
Abjat und eine Rinne gebildet wird . Legte man auf den Abſat ein Brett oder Stäbe u . dgl .
und darauf die Leiche, ſo konnten die Säfte des in Verweſung übergegangenen Leichnams in die

Rinne abfließen . In einem ſolchen Grabe kann ein Mann aufrecht ſtehen . In den Neben
fammern und dem oſtwärts hinlaufenden Gange , welcher ſeit mehr als einem Jahrhundert

Labyrinth heißt, finden ſich einige gewöhnliche Schiebgräber oder Rokim . Von dieſen Aushöhlungen
und deren Unerreichbarkeit ward beſonders von den Juden viel gefabelt. Die Luft iſt nirgends

ungeſund, Spuren von leichnamen oder Särgen wurden nirgends wahrgenommen. Im vorletzten
Fahrhunderte beſuchte man dieſe Grabhöhlen nur in größerer Geſellſchaft, weil Einige, die allein
hierher gekommen waren, von Räubern, die ſich verſteckt hielten, überfallen und ermordet worden
waren . In neuerer Zeit wird der Beſuch auch in dieſer Beziehung als völlig gefahrlos geſchildert.

*) Tobler. Siloahq . 251. ff. und deſſen Grundriß Jeruſ. 1853.

**) Ueber dieſe und andere Formen der Gräber wird ſpäter ausführlich gehandelt werden .
17 *
. 132 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten .

Hierher verlegte man alſo die Grabſtätten der Propheten , von weldjen der Herr bei
Matth . XXIII. 29 und Lufas XI . 47 redet . Daß dieſe Höhlen übrigens frommen Einſiedlern

zum Aufenthalte dienten , woſelbſt ſie dann auch beſtattet wurden, läßt ſich bei der Vorliebe der
Chriſten für den Delberg und deſſen ruhige Umgebung höchſt wahrſcheinlich finden . Auch läßt
die Anordnung der Gänge und die Verſchiedenheit der Gräber auf frühere Benütung dieſer

Höhlen von Seite der Juden ſchließen , an welche ſich dann die Grabſtätten der chriſtlichen
Anachoreten durd Fortſetzung der Gänge und Kammern anreihten. In dem ſogenannten Grab

mal der Belagia , einer chriſtlichen Büßerin , unweit der Himmelfahrtskapelle, iſt jedenfalls
eine ähnliche Stätte abgeſchloſſenen Lebens in Gebets- und Bußübung erhalten wie deren

in großer Anzahl hier und in Jeruſalem's Umgebung angelegt waren . Weſtlich davon zeigt ſich
eine andere berühmte Gruppe von Gräbernt , an welche ſich die heutigen Grabſtätten der Juden
anſchließen . Es ſind die aus hohem Alterthume ſtammenden Gräber im Thale 3ojaphat ,
öſtlich von der zweiten jüdlichen Kidronbrücke.
Das Thal Joſaphat .

Das Thal *) am Weſtabhange des Delberges wird durch den Kidron (Cedron ) gebildet,
welcher ſeinen Urſprung an der Nordſeite Jeruſalem's nimmt, nale einer Höhe von 2500 par.
Fuß über dem Mittelländiſchen Meere, nahe den Gräbern der Richter, auf der großen Waſſer
ſcheide zum Mittelmeer und todten Meer . Von da in der Umgebung Jeruſalem's an ſind ſeine

Seiten überall mit Grabſtätten bedeckt, welche in die Felſen gehauen ſind, unter denen die Gräber
Der Könige an der Nordſeite der Stadt und die ſogenannten des Zacharias, Abſalon
und Joſaphat an ihrer Oſtſeite nur die berühmteſten ſeines Thales ſind , weldies bis ſüd

wärts zum Quell Siloah , den Königsgärten und dem von Weſt her ſich einmündenden Thale
Ben Hinnom , wo der Nehemia’s oder Hiobsbrunnen ſein Südende bezeidinet, unter dem Namen
,, Thal Joſaphat" bekannt iſt. Es wird von den Juden für das Thal Jehoſchaphat d . h .

„ Jehovah richtet“ beim Propheten Joel 3. 17 gehalten, weſhalb ſie auch dort begraben zu werden
fehnlichſt verlangen . Die Mohammedaner huldigen derſelben Anſicht, welche aud) bei Chriſten ver
breitet iſt. Seit dem IV . Jahrhundert iſt der Name 3 ofaphat für das Kidron - Thal allgemein

im Gebrauch. Dieß Thal , welches zwiſchen dem hohen Berge , im Weſten , auf welchem die
Stadt Jeruſalem erbaut ward, und dem Delberge im Oſten , von Nord nach Süd eine ziemlich

enge Steilkluft bildet , und deshalb bei Euſebius charakteriſtiſch , das hohle Joſaphat “ genannt

wird , iſt wirklich nur ein enges Waſſerbett, dem zur Seite einige Quellen liegen , das aber
ſelbſt keinen Flußlauf hat . Heutzutage fließt nur zur Regenzeit in dem Bette ein Winterſtrom ,
der oft mit großen Waſſermaſſen überſchwemmen aber doch nicht fortwährend fließen kann .
Dort Wohnende ſehen oft mehrere Jahre hindurch fein Waſſer in ihm , daher er in der hi .
Schrift „Winterſtrom , Sturmbach “ heißt und ſein Bette „ die tiefe Schlucht des Sidron .“

*) Ritter. Erdkunde XV. 1. 599 fi.


:

|
1

1
JOSAPITAT
.THAL
München
Verlagsha
Vogel'sch
der
uinerlag enndlung
VEirothum
Kurz
Puu
)
Gräber am Fuße des Delberges . 133

So wie ſich dieß Thal des Hidron unterhalb des Nehemiasbrunnens im ſcharfen rechten Winkel

gegen Oſt, an der Südwand des Berges des Aergerniſſes, gegen das tobte Meer wendet,
wird dasſelbe zur wilden , engen , faſt unbetretenen Felskluft. Die Steilwand des Thales

Joſaphat wird an der Weſtſeite durch die Stadtmauern und Thurmzinnen Jeruſalem's hoch
überragt . An der öſtlichen Seite deſſelben, dem ſüdlichſten Theile des großen Tempelplages auf

Moriah , gegenüber, liegen die berühmten Gräber des Ioſaphat, Abſalon , Zacarias
und Jacobus , woran ſich dann der gegen Süden fortgeſetzte Begräbnißplatz der Juden

anſchließt. Die genannten Gräber ſind theils iſolirte Monumente, theils Kammer- Gruppen .

10. Grabſtätten des Abſalon , 3 a dyarias, Jacobus und Joſaphat.

a) Grab Abſalon's.

Das Grabmal des Abſalon befindet ſich am engſten Theile des Sidron - Thales, welches

von hier bis zum Zacharias? Grab einen kleinen Engpaß von etwa 40 bis 50 Schritt Breite
bildet, unterhalb des leşteren Grabmals aber ſich wieder erweitert . Dasſelbe mißt vom Boden
bis zur Spitze 45 Fuß und iſt bis zur Höhe von 20 Fuß ein einziger Felsblock. So hoch
der nahe Fels ſich erhebt, wurde ein Würfel von 19 Fuß in's Gevierte weggehauen und darauf
ein kubiſcher Aufſatz eine Attila von großen Steinen aufgetragen , die gegen 6 Fuß in
der Länge und 5 Fuß in der Höhe betragen, ſomit die ganze Höhe der Attifa haben . Darüber
erhebt ſich ein Cylinder, der in einem ausgeſchweiften Regel gegen Oben abidhließt. Man will
in dem runden Aufſatz eine Prieſter - Müße und in dem walzenförmigen Geſims unterhalb des
Regels eine Art Turban, wie man heute noch bei den Beduinen einen Strick um den Kopf ge
bunden ſieht, erkennen und es wird dabei hervorgehoben , daß die moslemiſchen Derwiſd noch

immer eine kegelförmige Müße tragen , wie es auch Sitte der Mohammebaner iſt, auf dem
Grabſteine die Kopfbedeckung , den Turban , auøgehauen darzuſtellen . Den Felſenwürfel oder
Unterbau ſaymücken auf jeder Seite zwei Halbſäulen mit joniſchen Kapitälen und zwei Viertels

ſäulen , die ſich an die Eckpfeiſer lehnen . Dieſe ſpätgriechiſchen Säulen ermangeln der Kanel
lirung und Baſen , falls letztere nicht der Schutt verbirgt . Die Weſtſeite iſt hierin am beßten
erhalten . Dieſe Säulen tragen über dem niedern Architrav einen Fries mit doriſchen Triglyphen

und Roſetten in den Zwiſchenräumen (Metopen ). Solcher alterthümlicher Roſetten wurden an


jeder Seite 13 ausgehauen . Darüber breitet ſich ein Rundſtab gleich einem gewundenen Strict,
von welchem der ägyptiſche Hohlleiſten anhebt. Der bandartig umwickelte Rundſtab , welcher
unter dem Kegelaufſatz wieder erſcheint, und dieſer zurücktretende Hohlleiſten mit ſtark ausladender
Deckplatte ſind ebenſo unzweifelhaft eine Reminiscenz der ägyptiſch -aſiatiſchen Hochalterthümlichen
Karniesbildung jie findet ſich ſchon bei ägyptiſchen Grabbauten vor dem III. Jahrtauſend
vor Chriſtus wie die Form der Wandfäulen und des Gebälfes einen Nachklang der claſſiſchen

Kunſt darſtellt. Die Roſetten endlich deuten in die phöniziſch-aſſyriſche Dekorations -Weiſe zu
134 Jerujalem mit ſeinen Erinnerungs -Stättent.

rück , wie ſpäter erhellen wird. Dieſer Freibau des Abſalon - Grabes mag aus dem II. Jahr:
hundert vor Chriſtus datiren .

Die innere Höhle iſt idywer zugänglid, und mit Schutt gefüüt.
b) Grab des Zacharias.
Von ähnlicher Anlage in dem unteren Theile iſt der Freibau des Zacharias! Grabes ,

welches von dieſen Monumenten das äußerſte gegen Süden iſt. Hier hat ſich vom Gebälte nur
der ſtarfe Architrav erhalten, über welchem unmittelbar der große Hohlleiſten auffitt. Darüber

erhebt ſich eine vierſeitige Pyramide. Man verbindet mit dieſem Monumente den Namen des
Propheten Zacharias, welcher zwiſchen dem Tempel und Altare erſchlagen wurde. Noch heute

verehren die Juden dies Grabmal mit großer Andacht.


c) Grab des hl. Jacobus.
Zwiſchen dieſen beiden frei ſtehenden Monumenten erblickt man eine in die Fel 8

w and eingehauene Galerie von alten Grabfammern , welche den Namen Grab des

Apoft e 18 Jacobu 8 führt.


Dieſe Stätte wird als der Zufluchtsort angenommen , wo der Apoſtel Facobus nach der

Kreuzigung Jeſu verweilt haben ſoll und hieß deßhalb ehedem geradezit Jakobskirche. Die in den
Fels gehauene Galerie gleicht einem Atrium vor den inneren Grabkammern und zeigt in der

länglichen Deffnung zwei doriſche Säulen von 7 Fuß Höhe , neben welchen zu jeder Seite in
den Fels übergehende Halbpfeiler angebracht ſind . Das darüber liegende Gebält mit 10 Tri
glyphen zeigt gleichfalls die doriſche Ordnung. Ueber dem Karnies fand man eine hebräiſche

Inſchrift. Im Innern ſind über ſechs Grabkammern mit vielen Niſchen . Außer vielen Schieb
Gräbern finden ſich in der oberen, dunkelſten ſtammer Aufleg -Gräber mit Wölbung.' Scion im
IV . Jahrhundert meldete man , daß der ruchlos ermordete Apoſtel Jacobus an demſelben Orte

beſtattet ward , wo er durch die Juden vom Tempel herabgeſtürzt erſchlagen worden und daß

ein Denkmal neben dem Tempel noch erhalten war. Im VI. Jahrhundert wußte die Sage zu
berichten, daß der Apoſtel anı Delberge in einem Mon -iment beigeſetzt ſei, das er für jic, vorher
gebaut und worin er Zacharias und Sineon beſtattet hatte.
d) Grab Joſaphat's.

Das nördlichſte der vier Grabdenkmäler wird dem frommen Könige Foſaphat zugeſchrieben .

Ein Giebeldreieď im Fels frönt den verſchütteten Eingang zu den Kammern , welche aber erſt in

neuerer Zeit von den Juden zu Gräbern benützt werden . Das Innere der Hauptkammer läßt
nach den Freskomalereien eine ehemalige dyriſtliche Kapelle erkennen , deren Erhaltung die Fuden
zu verhindern wußten.

Die genannten Denkmäler und Gräber der Juden liegen an der Oſtſeite des Kidron
oder Joſaphats -Thales.

11. Quelle und Teich Siloah .

An der Weſtſeite desſelben – dem Dorfe Silvan gegenüber – am Oſtfuß des jüdlichen
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Siloah
Quelle
Quelle und Teid ) Siloah . 135

Abfalles von Moriah befindet ſich die Quelle Siloah , *) die wichtigſte in der Umgegend
Jeruſalems . Sie heißt gewöhnlich Marien - Brunnen oder Quelle der Jungfrau Maria ,

zum Unterſchied von der füdlidyen Siloah - Quelle mit einem Teiche, deſſen die nördliche
entbehrt . Deſtlich davon ſtehen Ueberreſte einer kleinen Moſdhee. Der Eingang zur Quelle iſt
ziemlich eben vom Thale . Hieher ſoll die heilige Jungfrau gemäß alter Ueberlieferung öfters

gefommen ſein . Von hier ſüdöſtlich führt ein unterirdiſcher Sanal bis zu dem Teiche
Siloah , welcher 1100 Fuß weiter ſüdlich am Ende des Tyropöon- Thales liegt. Der ganz in

Felfen gehauene Gang dieſer Waſſerleitung läuft nicht in gerader Linie fort, ſondern weidyt gegen
Mittag etwas ab , ſo daß er eine Schlangenlinie bildet und in der Länge mehr mißt, als die

gerade Strecke zwiſchen beiden Punkten , nämlich 1750 Fuß bei einer Breite von 2 Fuß. Die

Höhe des Aquäduktes iſt ſehr verſchieden, meiſt von 1 Fuß 5 Zoll, gegen das Südende zu erreicht
er jedoch die eines Mannes . Dieſer Verbindungsgang zwiſchen dem Marien- Brunnen und der
ſüdlichen Siloah - Quelle war ſchon in der erſten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts bekannt,

präcis genannt aber im Jahre 1833, alſo 5 Jahre vor Robinſon's Unterſuchung .
Der Eingang der nördlichen Quelle iſt im Spitzbogen gebaut und führt auf zwei
foliden Treppen von Oſt gegen Weſt in die Tiefe zum Waſſerſpiegel. 3m Ganzen beträgt die

Zahl der Stufen 32. Das untere Waſſerbecken hat 12 Fuß Länge und 5 Fuß Breite . In der
genannten Entfernung von 1100 Fuß gegen Süd gelangt man zu der Siloahquelle mit dem

Teidie. Dieſer iſt rings umbaut, 53 Fuß lang in der Richtung von Oſt nach Weft und 18 Fuß
breit. In demſelben wird das Waſſer der Siloah -Quelle geſammelt. An der Nordſeite und in

der Mitte des Teiches ſind noch Säule 1 - Neſte ſichtbar, auf welchen ehemals ein Oberbau

geruht haben muß. An der Südoſtecke findet der Ausfluß ſtatt, wo eine Treppe hinabführt .
Den Chriſten iſt der Teich Siloah durch die wunderbare Heilung des Blindgebornen,
zu welchem Unſer Herr ſprach: „ Gehe hin und waſche deine Augen im Teiche Siloah " , denk

würdig geworden , weßhalb im IV . Jahrhundert eine Säulenhalle den Teich an den vier
Seiten umſchloß. Regtere wurde im VI. Jahrhundert in eine Kirche umgeſtaltet, unter welcher

die Quelle war. Im Anfang des XII. Jahrhunderts führte man ein viereckiges Gebäude auf,
in deſſen Mitte ſich Nachts das Bächlein ſammelte. Die Quelle war mit Gewölben und Säulen

geſchütt, ſomit architektoniſdy ausgeſtattet. Gegen Ende des XV. Jahrhunderts bauten gottes
fürchtige Chriſten an dem Teiche Wohnungen , wovon in der Mitte des XVI. Jahrhunderts nur

mehr Trümmer , ſowie von dem Gewölbe - Ueberbau nur Pfeiler und Mauerwerk zu finden
waren . Im Beginn des XVII. Jahrhunderts ſtürzte der üeberbau völlig zuſaminen , ſo daß
den waſſerloſen , marmornen Teich die Trümmer ausfüllten . Die an der nördlichen Mauer

wahrzunehmenden Halbfäulen deuten in die Zeit des fränkiſchen Königreiches, während


der Kanalbau in'8 früh eſte Alterthum zurücgreift. Das Waſſer zu Siloah nennt Iſaias

* ) Tobler . Siloabqnelle S. 2 ff.


136 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

ein ſtille gehendes und von dem Teiche berichtet Nehemias , daß ſeine Mauern Sallum , Chal
Hoſe's Sohn , erbaute vom Garten des Königs bis zu der von Davids Stadt herabführenden
Treppe . Der Kanalbau wird nach glaubwürdiger Ueberlieferung der Juden gleichfalls in die

vorchriſtliche Zeit verſekt . Von dem im Evangelium Luc. 13. 4. erwähnten Thurme hat ſich
keine Spur erhalten .
Ein winziges Bächlein tritt aus dem Ausflußkanal und fällt in die Felder des Ridron

Thales hinab, jo ſanft fließend wie Del und verliert ſich dann ſpurlos in den blühenden Gründen .
In der waſſerarmen Umgegend Jeruſalems ein ſeltener , dem Auge wohlthuender Anblick! Die

erquickende grüne Gartenau , gegen das Dorf Silvan hingebreitet , verdankt dem lebendigen
Waſſer von Siloaly ihr Leben und ihre Anmutly . Nach dem Zeugniſſe des Heiligen Hieronymus
ſtrömte dieſe Quelle in einer Art von Ebbe und Fluth das Waſſer nicht regelmäßig aus, ſondern
nur zu gewiſſen Tagen und Stunden . Von dieſem merkwürdigen , unterbrochenen Fließen der

Quelle Siloah, die mit dem nördlich gelegenen Marien - Brunnen in Verbindung ſteht durch den
unterirdiſchen , bereits beſchriebenen Felſen -Bau, berichten auch die neueren genaueſten Beobachter,
wobei bemerkt wird, daß das Waſſer einen ſüßlich ſalzigen Geſchmack habe, wie das Waſſer der

Marienquelle . Gegenwärtig wird die Quelle nur in einem Teiche geſammelt, den ſie gewöhnlich
blos durchſtrömt, während weſtlich ein altes, ganz überwachſenes zweites Becken Birfet el

Hamra ehedem dem gleichen Zwecke dienen mochte . Ein Maulbeerbaum unmittelbar in der
Nähe der Quelle wird als der Ort verehrt , wo der Prophet Iſaia8 den qualvollen Tod

erlitten hat . Sein zerjägter Leichnam foll hier beſtattet worden ſein . Derſelbe Prophet meldet,

daß am Laubhüttenfeſte aus dieſer Quelle Waſſer geholt wurde, da dieſelbe als ein Sinnbild der

Segensſtrömung, aus dem David’ſchen Hauſe, dem der Meſſias entſprießen ſollte , betrachtet wurde .
Mit dem Bau dieſer Quelle und des Marienbrunnenß wird es ſich ähnlich verhalten, wie
beim Hiob8- oder Nehemià sbrunnen Bir Ejub - im Wady) en Nar ſüdweſtlich vom

Siloah - Teich), welchen die Kreuzfahrer unter Germanus entdecten , vom Schutte befreiten und
wieder herſtellten. Aus dieſer Zeit mag auch der oberſte Bau des Brunnens mit dem
öſtlichen Spißbogen ſtammen, während man weiter abwärts ſehr große Werkſtüdc * ) gewahrt,
die, wenn auch ohne die uralte Fugenränderung, immerhin in das graue Alterthum zurückweiſen ,

Oberhalb des letztgenannten Brunnens vereinigt ſich das mit dem Tyropöon beim
Siloah - Teich bereits verbundene Iofaphats - Thalmit dem in ſüdöſtlicher Richtung vom Zion
abfallenden Thale Ben Hinnom ( Wady er Rababy) , um als Wady en Nar gegen das' todte
Meer in jüdöſtlichem Zuge fortzuſeßen . Weſtlich vom Hiobsbrunnen wird das Tophet ange
nommen , wo einſt die Einwohner Jeruſalem's ihre Kinder dein Molody opferten. **) Hieronymus ,
ſagt ausdrücklich , daß von dem Waſſer der Siloah - Quelle das Tophet beneßt wurde . König

* ) Tobler. III . Wandrg 215 .


**) 2 König. 23, 10. Jerom . 7 , 31. 19 , 6 .
Die Hauptformen jüdiſcher Gräber. 137

Joſias ließ dieſen Platz profaniren . Des Königs Garten lag dem Siloah - Teiche etwas näher,
von welchem das Waſſer in denſelben geleitet ward .

12. Thal innom .

Wendet man ſich nun in dies Hinnom - Thal, ſo ſtößt man links auf Feldgräber ,
denen gegenüber ein jüdiſcher Begräbnißplat liegt.
Bei den Felsgräbern Karem es Schemaha zunächſt an der Südwand des unteren

Hinnon - Thales wird der Blutacker Hakeldama gezeigt , welchen zum Begräbniß

der Fremden die Sanhedriſten mit dem Gelbe des Verrathes gekauft hatten . Er hieß vorher
,, Ader des Töpfer 8." Mit Ausnahme der Lateiner werden noch die Fremden hier beſtattet.

Das jetzige Gebäude Hakeldama iſt ein Vorbau von Grabhöhlen , an den Felsabhang hingebaut.
Innen ſtüßt die hohen Gewölbe ein Pfeiler , an welchem mehrere Kreuze eingehauen ſind, der
gleichen mit armeniſchen Schriftzeichen auch an der Weſtmauer geſehen werden. *) Die hierum

gelagerten Felsgräber eignen ſich zur Beſchreibung der verſchiedenen Formen von jüdiſchen
Gräbern mehr als andere , weßhalb hier von den Gräbern im Augemeinen vorerſt geſprochen
werden kann ,

Die Hauptformen jüdiſcher Gräber.

Die Juden legten in früherer Zeit ihre Gräber in Felshöhlen an, ſo daß das eigentliche
Grab innerhalb einer ſolchen Höhle ſich befand. Das Grab ſelbſt, welches den leichnam barg,
hieß bei den Rabbinen Kof. Solche Felshöhlen wurden am leichteſten an einer Abdachung
ausgehauen . Je ſchroffer und gäher eine Felswand , deſto weniger mußte weggehauen werden,
um eine ſenkrechte Wand zu erhalten . Zunächſt ward in dieſer Wand ein vierediger Eingang

ausgehauen und der Fels dann ſo tief ausgehöhlt , als eben nöthig war für eine Kammer oder
zwei Kammern . In letzterem Falle bildete die dem Eingange zunächſt liegende, alſo erſte fammer
die Vorkammer ( atrium ), worin die Reichenträger beim Abſtellen des leichnams ihren Play

hatten ; im erſteren Falle fam man ſogleich in die Grabkammer. Die Vorkammer iſt viereckig,
bald kleiner bald größer als die Grabkammer , immer aber für den genannten Zweck geräumig

genug . Bei einem mehr verzweigten oder ausgezeichneten Grabbau fehlt die Vorkammer niemals .

Aus dieſer Vorkammer führte eine Deffnung in die Grabkammer ſelbſt. Dieſe Deffnung
bildet ſomit den inneren Eingang , während die von Außen in die Vorkammer führende den
äußeren Eingang darſtellt. Der innere Eingang pflegt von kleineren Dimenſionen zu ſein , oft
To eng, daß man durchſchlüpfen muß.

Die Grabkammer iſt faſt immer vieredig und von verſchiedener Größe. In der Grab
kammer nun befindet ſich die Ruheſtätte meiſt mehrerer Verſtorbener und zwar unterſcheiden ſich
folgende vier Arten von Gräbern .

* ) Tobler Topogr. II . 265.


18
138 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs -Stätten.

1) Das Senkgrab . Der Leichnam wurde in den Boden der Grabfammer hinab geſenkt,

wie bei uns in die Erde.

2) Das Schieb grab . Hier ward vom Boden der Kammer unmittelbar in die Fels

wandung hinein eine viereckige Deffnung rechtwinklig ausgehöhlt , welche 6 Fuß tief in den Fels
hineinging, 11/2 Fuß breit und ebenſo hoch war .

Die meiſt mit den Füſſen voran in dieſe Höhlung hineingeſchobene Leiche lag alſo mit

dem Boden der Rammer in einer Ebene , weder höher nocy tiefer. Solcher Gräber konnten in
den Wänden der Rammer ziemlich viele ausgehöhlt werden, da die größte Dimenſion der Leiche,
nämlich die Länge in die Tiefe der Felswand hineinfiel. Es iſt begreiflich , daß dieſe Schieb
gräber nur mit großer Mühe ausgehöhlt werden konnten . Die Wand der Rammer gab für ein

ſolches Grab nur 1/2 Fuß (für Breite und Höhe ) ihrer Fläche her. Auch leuchtet ein , daß
folcher Gräber mehrere nicht nar neben einander, ſondern auch übereinander angebracht
werden konnten , weil je nach der Höhe der Rainmer und deren Wände dazu Raum vorhanden war.

3 ) Das Bank- oder Aufleg - Grab. Die entgegengeſetzte Richtung von den Schieb
gräbern haben dieſe Bank- oder Aufleg - Gräber , indem die Leiche ihrer Länge nach an der
Wand auf eine Felsbank hingelegt wurde , zwei Fuß hoch vom Boden der Kammer. Dieſe
Felsbank iſt aus der Wand herausgearbeitet, ſo daß der auf die Bank herabſehende übrig

gelaſſene Theil der Wand leicht in Bogenform über dieſer Felsbank gebildet werden konnte, was

ſich auch öfters findet.

Die vierte Art , welche Einleg- oder Trog - Grab genannt werden kann , unterſcheidet

ſich von der dritten weſentlich nur darin, daß die Leiche nicht auf die Felsbank hinauf , ſondern
in dieſelbe hinein gelegt wurde und dem gemäß auch die Felsbank eine Veränderung erfuhr .

Ein ſolches Grab iſt eigentlich nur ein Abſat oder Geſims der Wand , welcher 24/2 Fuß über

dem Boden der Nammer crhaben iſt und 1/2 Fuß tief in die Wand hineingreift. Dieſer Abſatz

iſt alſo 1 ' /2 Fuß tief oder breit, 24/2 Fuß hoch und ſo lang , als der Leichnam eines Menſchen ;
er läuft mit der Wand parallel. Wie bei einem Fenſtergeſims im Innern unſerer Zimmer nur

die dem Zimmer zugewandte Seite und die Oberfläche des Geſimſes ſelbſt ſichtbar ſind, während
das Uebrige mit der Wand identiſch oder doch ungetrennt mit ihr zuſammenhängt , ſo ſind hier
Kopf- und Fuß - Seite und die von der Kammer abgewandte längsſeite unſichtbar, d . h . mit der
Felswand ein und dasſelbe , während die äußere , d . h . die der Rammer und dem Heran
tretenden zugekehrte Längsſeite und obere Fläche des Abſager ſichtbar ſind. Die obere Fläche

iſt ausgehöhlt , weil der Leichnam in dieſen Felstrog hineingelegt wurde. Das Grab tritt alſo

nicht vor die Wand der Kammer heraus , ſondern in die Wand zurüď . Auch hier findet ſich

die über dieſem Reichenbehälter oder Felstrog belaſſene Wand bogenförmig ausgehauen (arco
solium bei den chriſtlichen Gräbern Roms genannt ). Es iſt klar, daß an jeder Wand einer

Kammer nur ein ſoldies Einleggrab angebrad)t ſein konnte , da die Wände ſelten mehr als die
Die Hauptformen jüdiſcher Gräber. 139

Länge eines Leichnams maßen . Dieſe Art Gräber iſt die bedeutendſte, da auch Unſeres Herrn
Grab ein ſolches darſtellte.

Hier bildet ſomit der in der Felswand ausgehauene und Innen ausgehöhlte Trog den
eigentlichen Sarg , welcher oben durch eine Steinplatte bededt und geſchloſſen werden konnte,
während beim Bankgrab der Leichnam frei da lag und nach und nady in Verweſung übergieng.

In allen genannten Fällen war der Eingang zur Grabkammer durch einen großen Stein
verſchloſſen , wie betreffenden Ortes erhellen wird . Auch braucht nicht bemerkt zu werden , daß

über dem Troggrabe noch Schiebgräber und in dem Boden der Kammer Senkgräber angebracht

fein konnten . Für lettere Arten war ja leicht Raum zu beſchaffen . Damit ſoll jedoch nicht
geſagt ſein , daß ſolche Gräber, in einer und derſelben Rammer in verſchiedener Form angebracht,
alle gleichzeitig ſeien .
Gerade die an dem Felsabſturze des Hinnomthales angelegten Grabfammern legen dafür

Beweis ab , indem hier offenbar urſprünglich altjüdiſche Grabkammern von den Chriſten zu
Einſiedlerhöhlen und zur Beſtattung der Todten benützt wurden .

Wie bei den ſogenannten Propheten- Gräbern am Delberg und der Pelagia - Kapelle unweit
der Himmelfahrtskirche die Spuren einſamen Büfſerlebens erhalten ſind, ſo zeugen auch' mehrere
Felshöhlen im Hinnomthale von früherem Aufenthalte ſolcher Anachoreten in denſelben . In
ſchriften, Reſte von Freskobildern chriſtlichen Inhaltes weiſen auf Benütung dieſer Felskammern

zu Kapellen und Einſiedlerwohnungen unbeſtreitbar hin , wovon hier nur die gegen 80 Schritte
öſtlich vom Hakeldama- Gebäude befindlidje Apoſtel -Höhle genannt werden mag. Man glaubt,
daß die Apcſtel nach der Gefangennehmung Unſeres Herrn ſich hier aus Furcht vor den Juden
verbargen . Hier war ein Altar gegen Aufgang der Sonne errichtet. Von der Kapelle führen

drei Deffnungen in einen großen Raum , wovon nur die Hälfte zu einer Grabkammer diente.
Er mußte wohl als eine Einſiedlerwohnung benützt worden ſein . Die meiſten Einleggräber

finden ſich gleich weſtlich an der Südweſtecke des Hakeldama und nördlich davon . Eine ſchöne

Kapelle muß beſonders auch die Gruppe von Felskammern gleich am Eingange des Hinnomthales

weſtlich ober dem Hiobsbrunnen enthalten haben, denn die Trümmer zeigen, daß hier ein ſchönes

Portal die Vorkammer ankündete , von welcher es in die gewölbte Felskapelle hineingieng . Die
Altarniſche ſteht gegen Morgen und empfing ihr licht durch eine nun verſtopfte Deffnung der

Felsbecke. Das Einſtrömen des Lichtes auf den Altar mußte in dieſer düſteren Kapelle von

herrlicher Wirkung ſein . Von ihr führt gegen Süd eine Deffnung in die Grabkammer mit einem
Trog- (Einleg- ) Grabe auf jeder Seite und gegen Mittag mit zwei gewöhnlichen Schiebgräbern. *)
Eine ganz andere Art , Grabfammern anzulegen , werden wir bei Beſchreibung der
,, Gräber der Könige " antreffen, indem hier nicht eine Abdachung oder ein Felsabſturz zur Aus
Hühlung ſolcher Rammern benügt wurde, ſondern im felſigen ebenen Boden zuerſt ein vier

*) Tobler. Topogr. II . 237 ff.


18- *
140 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs -Stätten.

ediges Stück als Vorraum andgehauen wurde , das wie ein in den Boden hinabgeſenkter Hof
erſcheint, der alſo unter freiem Himmel ſtand. Jeßt war erſt eine ſenkrechte Wand gewonnen,

weldie von der Tiefe dieſes Vorraumes oder offenen Hofes bis zur Ebene des umgebenden
Feldes emporſtieg. Je tiefer man alſo vom ebenen Boden hinunter grub , deſto höher wurden
die Wände, von welchen die geeignetſte zur Aushöhlung gewählt ward . Die Gräber ſelbſt

aber, welche innerhalb der Rammern angelegt wurden , fallen unter die vier aufgeführten Arten .

Außer den Gräbern der Könige gehören hierher die Mamillagräber, d. h. die Grab

kaminern der Martyrer , welche im Jahre 614 unter der Hand der perſiſchen Heerſchaaren
Chosroes' ſtarben . Die Gräber der Richter, das Grab Joſaphats und Jakob8 haben gleichfalls
einen offenen Vorraum , der in einem oder zwei Winkeln ausgeſchnitten wurde . War dieſer

Ausſchnitt ſtark genug, ſo konnte ein Monolith übrig gelaſſen werden , wie heute noch die

Monumente Zacharias und Abſalons im Kidronthale beweiſen . *)

Faſſen wir Alles kurz zuſammen, ſo giebt es


1 ) Zwei Arten von Grabfammern.
a) die am Felsabſturz oder einer Abdachung,

b) die in der Ebene angelegten, wobei fünſtlich eine Abdachung oder ſenkrechte Felswand
hergeſtellt werden mußte.

2) Vier Arten von Gräbern in ſolchen Grabkammern oder Felshöhlen, gleichviel ob leptere
an einer natürlichen oder erſt künſtlich hergeſtellten Abdachung ausgehöhlt ſind.
a) Das Senkgrab . Hier ward die Leiche in den Fußboden der Kammer hinabgeſenkt.

b) Das Schieb grab. Der Leichnamn wurde in die Tiefe der Wand hineingeſchoben.
Dieſe Höhlung war alſo ſo tief, als der Leichnam lang war.
c) Das Bank- oder Aufleg - Grab. Der Körper wurde parallel mit der Wand auf

eine Felsbank hinauf gelegt. Die Felsbank war aus der Wand ſelbſt ausgehauen.
Die Wand der Rammer mußte alſo jedenfalls ſo lang als ein menſchlicher Leichnam ſein .
d) Das Einlege oder Trog - Grab . Hier ward die Leiche in die Feldbank ſelbſt

hinein gelegt.
Außer dem angegebenen Zwecke dienten ſolche Felshöhlen oder Felskammern auch zum

Aufenthalte der chriſtlichen Anachoreten , die darin wohnten , eigene Kapellen und Grabſtätten

anlegten, ſei es, daß ſchon vorhandene Felsgewölbe dazu benüßt oder erſt dafür hergeſtellt wurden .
Südweſtlich von Hakeldama liegt der Dicebel Der mit der Ruine „ Abu Tor.“ Dieſe

Höhe wird auch der Berg , des böſen Rathes “ genannt, auf welchem die Ruine eines Hauſes
für den Ort gilt , wo die Juden den Beſchluß faßten , Chriſtus zu tödten . Es iſt die Ver

ſammlung des großen Synedrium's im Hauſe des Hohenprieſters gemeint , die beſchloß , den

! Herrn mit liſt zu ergreifen , weil man das Volk fürchtete. Der gewöhnliche Verſammlungsort

* ) Ebend. Golgatha 204.


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Aeusseres
Davids
.Grab
Saal des Abendmahles und Grab David's. 141

des hohen Rathes war in einem Gebäude an der Südſeite des Tempels , welches aus koſtbaren
und kunſtvoll behauenen Steinen aufgeführt war . Schon früher hatte ſichy der hohe Rath
verſammelt , als Chriſtus den Lazarus in Bethanien aus dem Grabe wieder auferweckte und
das Volk Ihm allerwärte zulief. Damals ſpracy Kaiphas der Hoheprieſter die prophetiſchen

Worte: „ Es iſt beſſer, daß ein einziger Menſch für das Volk ſtirbt, als wenn das ganze Volk

zu Grunde geht." Johann . 11. 50.


Dasſelbe Hinnomthal umzieht vom Jafa - Thor in ſüdlicher Richtung auch die Weſtſeite
Jeruſalems , wo zuerſt ein Teich auffäút, der jegt Birket es - Sultan heißt und für den unteren

Gihon -Brunnen gehalten wird . Er iſt von beträchtlicher Länge und Breite , jene wird auf
592, dieſe auf 275 engl. Fuß geſchäßt. Weſtlich vom Safa - Thor liegt der Teich der Mamilla ,
ſo benannt , weil in deſſen Nähe einſt eine chriſtliche Kirche dieſes Namens beſtand. Dieſer
Teich wird von Einigen für den oberen Gihon -Brunnen gehalten. Das in demſelben zur Regen
zeit angeſammelte Waffer leitet ein Sanal in die Stadt. Um den Teich liegen Grabſtätten der
Mohammebaner.

Dem unteren Teiche (Birket es-Sultan) gegenüber biegen die Stadtmauern rechtwinklig
oſtwärts und ſchließen die Südſeite der Stadt. Die älteſte Süd- Mauer lief jedoch auf den
Höhen des äußerſten Zions - Abſturzes bis zum Siloah - Teiche hin , ſo daß David's- Grab und

das ſogenannte Cönaculum innerhalb der Stadt - Mauern lagen . Das Zion's - Th or öffnet
die jevige Stadt gegen die genannten Gebäude, um welche chriſtliche Friedhöfe angelegt wurden .
/
13. Saal des Abendmahles und Grab David'8.

Ein großes unregelmäßiges Gebäude mit einer Moſchee zieht hier vorzüglich die Aufmerk
ſamkeit auf ſich. Dies Gebäude nennen die Mohammebaner das Grab David'8 . Innerhalb des
Gebäudes wird auch ein 60 Fuß langer und 25 Fuß breiter Saal. gezeigt, welcher der Speiſes

faal oder Cönaculum heißt. Es ſind ſomit in Einem Gebäude zwei heilige Stätten ein
geſchloſſen , von welchen der Saal des leßten Abendmahles die bedeutungsvollſte iſt.
Ein im Spitbogen überwölbter leerer Saal im oberen Stockwerke des Gebäudes wird als der
Drt verehrt , wo Unſer Herr zum letzten Male mit den Apoſteln zu Tiſdie lag und das
Sakrament des Altares einſeşte. Es braucht nicht bemerkt zu werden , daß der gegenwärtige

Saalbau, wahrſcheinlich ein Werk des XIV . Jahrhunderts, nur dieſe heilige Stätte umſchließt,

welcher ſchon in der früheſten Zeit der chriſtlichen Kirche die größte Aufmerkſamkeit geſchenkt
wurde. * ) So berichtet ſchon Epiphanius im IV. Jahrhundert , daß Aelius Hadrianus die
Stadt zerſtörte mit Ausnahme eines kleinen Tempels auf Zion, wohin und zwar in den Speiſe

ſaal die Apoſtel nach Unſers Herrn Auffahrt zurüdgekehrt waren . Darum hieß dieſe Kirche auf
Zion die Apoſtelkirche, eine Bezeichnung die ſchon Cyrillus gebraucht. Der heilige Hieronymus
erwähnt derſelben gleichfalls. Im Jahre 600 heißt ſie Baſilika Zion , im VIII. Jahrhundert

*) Tobler. Topogr. II . 98.


142 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

die hl. Kirche Zion . Die fränkiſchen Eroberer trafen 1099 eine von den Sarazenen zerſtörte
Kirche an und bauten bis 1103 diefelbe neu auf mit mehreren Kapellen . Im Jahre 1170 wird

dieſe Kirche als ſehr groß und ſchön geſchildert, von welcher der Chor im Oſten und das pracht
volle Portal im Weſten lag . Eine hohe Treppe führte zur Abendmahlsſtätte hinauf. Um dieſe

Zeit bis 1176 war mit der Kirche eine Auguſtiner - Abtei verbunden . Im Jahre 1187 fielen
Sirche und Kloſter in die Hände der Mohammedaner, die unter dem Bruder des Saladin, Malek

el Adel, in dem Speiſeſaal ein lärmendes Gelage veranſtalteten . Die ſyriſchen Chriſten gelangten
1192 gegen eine Abgabe in den Beſit der Sanktuarien . Der ſiciliſche König Robert und ſeine
Gemahlin Sancia hatten 1305 den Abendmahlsjaal vom Sultan käuflich an ſich gebracht.

Sancia baute hier eine Wohnung, um dieſelbe an zwölf Patres und drei Laienbrüder aus dem
Franziskaner- Orden abzutreten , deren Anſiedlung im Jahre 1333 zu Stande fam . Sie gebrauchten

die ſüdliche Seite der früheren großen Kirche und des Chors als Tempel . Ihr Kirchengebäude

von 24 Schritt länge und 16 Schritt Breite war ſchön überwölbt und reich verziert. Teppiche

1 mit dem Leiden Chriſti von Philipp von Burgund waren in derſelben bewundert. Zwei Säulen
trugen das Gewölbe. Deſtlich war der Chor mit dem Hochaltare an der Stelle der Einſetzung

des Heiligen Sakraments. Aber die Moslem verehrten in dem unterirdiſchen Gewölbe die Gräber
Davids und Salomons und dieß genügte, ſich nicht nur dieſe , ſondern im Jahre 1542 auch die
oberen Räumlichkeiten zu vindiciren und die Franziskaner vom Zion zu verdrängen , die ohne
auf ihr Beſitrecht zu verzichten , 1561 den Ort verließen und in die Stadt zogen . Das Ganze

wurde umgeſtaltet zu einer Moſchee mit Kuppel und Minaret. Eine Treppe von zwanzig Stufen
führt zu dein leeren Speiſeſaal empor , deſſen Gewölbe zwei ganze und zwei Halbſäulen tragen .

An dieſer Stätte wird außer der Feier des legten Abendmahls auch der Ort verehrt, wo

Chriſtus nach der Auferſtehung den verſammelten Jüngern erſchien (Johannes XIII. 1. XX . 19),
wo Mathias zum Apoſtel erwählt wurde , wo die Herabkunft des hl. Geiſtes gemäß der Ver
heißung Unſers Herrn erfolgte , wo die ſieben Diakonen mit der Almoſenpflege betraut und das

erſte Apoſtel -Concil abgehalten wurde (Apſtg. I, 13. II, 1. VI, 1. XV, 1) .

Von hier gieng alſo der Herr nach dem Abendmahle mit ſeinen Jüngern gegen den

Delberg und redete zu ihnen jene göttlichen Worte vom Weinſtocke und den Rebzweigen , von

ſeiner und ihrer Zukunft , ſeinem und ihrem Ziel , von der kleinen Weile der Trennung und
Traurigkeit und der baldigen Freude des Wiederſehens ! Die Fülle ſeiner Liebe ward ihnen da

offenbar. Dem bitterſten Tode freiwillig entgegengehend, fiel doch die Stunde des Abſchiedes

von den Seinen ſchwer auf ſein Herz . Die Vorſtellung , daß der Herr auch noch Abſchied von
ſeiner Mutter genommen , bevor er den Weg des Leidens betreten , hat in einem alten Relief
der Jakobskirche zu Nürnberg einen zu rührenden Ausdruck gefunden , als daß wir davon

fdweigen dürften .

Unſerm Herrn , der mit den Füngern von der einen Seite der Stadt daherkömmt, tritt
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Saal des Abendmahles und Grab David's. 143

die hl. Jungfrau von der andern in den Weg , indem ſie in die Kniee ſinkt und die Hände
bittend erhebend in die Worte ausbricht:

D mein allerliebſter Jeſus,


Raß deine Leiden noch diejen mal anſtan,
Bedenk was herzliche Reid ich um dich han .

Der Herr faßt liebevoll ihre Hände in die ſeinigen und ein Spruchband drückt ſeine
Antwort alſo aus :

Mutter, ich gehe zu bereiten die ſtat


Dir und jedem, der in mich Hoffnung hat.
Unterhalb des Abendmahlsjaales glauben die Mohammedaner das Grab David's zu beſitzen .
Grab David's .

Barclay's Tochter * ) giebt folgende Beſdireibung des Inneren : Eiſerne Thore bilden den
Eingang . Der Raum ſelbſt iſt beſchränkt, aber prächtig eingerichtet. Die eigentliche Tumba
iſt ein großer Sarfophag von rauhem Stein , überdeckt mit einem Teppiche von grünem Atlas,
der reich mit geſticktem Golde bordirt iſt. An dieſem pracytvollen Ueberzuge befindet ſich ein

Stück ſchwarzen Sammt's , in welchem mit Gold eine Inſchrift aus dem Koran eingeſtickt iſt.
Ein ſammtner Baldachin mit rothen, blauen, grünen und gelben Streifen hängt über der Tumba
und ein andres Stück eines ſchwarzen Sammtteppiches mit Silber geſtickt bedeckt eine Thüre an

dem einen Ende des Gemaches , welche zu einer unterirdiſchen Höhle hinabführen ſoll. Zwei

ſchlanke ſilberne Leuchter ſtehen vor dieſer Thüre und eine kleine Lampe hängt in einem Fenſter

nahe dabei , die ſtets brennend erhalten wird . Die türkiſche Gefährtin verſdjlang gierig eine
Doſis von dem mit Del geſättigten Dochte, indem ſie unter vielen Suiebeugungen Gebete vor

ſich hinmurmelte. Hierauf ſtredte ſie ſich vor der Tumba ehrfurchtsvol nieder und preßte, indem

ſie den Teppich aufhob , ihre Stirne an den Stein des Sarkophags und füßte ihn vielmals.
Die Decke des Gemaches iſt gewölbt und die Wände ſind mit blauem Porzellan in blumigen
Figuren bekleidet .

Chriſten dürfen dieſen Ort eigentlich nicht betreten und es hält außerordentlich ſchwer,
die Erlaubniß dazu zu erhalten .

Zur Zeit des hl. Petrus wußte man das Grab David's ; denn der Apoſtel ſagte zu den
Juden von David : „ Sein Grab iſt unter uns bis auf dieſen Tag.“ Auch heißt es ausdrüdlich

im I. Buch der Könige 10 und 11, 43 von David, Salomon, Rehabeam, Abias u . ſ. w . , daß
ſie bei ihren Vätern in der Stadt David's begraben worden ſeien, alſo innerhalb der älteſten,
den Berg Zion umgebenden Mauer. Der Hoheprieſter Hyrkanus, und Herodes der Große

machten Verſuche, die Schäße des königlichen Mauſoleums zu rauben . **) Erſterer nahm aus

*) Barclay. City of the great King 1858 S. 212 fi


**) Flav. Josephus Antiquitt. VII . 15 u . XVI . 7 .
144 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

einer Rammer iin Grabe Davids 3 Tauſend Talente , lekterer in einem anderen Gewölbe eine
Menge Kleinodien , aber ein erſchreckendes Ereigniß hielt die Blünderer ab , bis zum Sarge

Davids vorzubringen . Zur Sühne errichtete Herodes beim Grabes- Eingang ein koſtbares Denkmal
von weißem Marmor. Aehnliches erzählt der Rabbi Benjamin von Tudela im XII. Jahrhundert.

Der Patriarch von Jeruſalem ließ nämlich eine eingeſtürzte Mauer der Zionskirche aus Steinen
der alten Zion8- Mauer herſtellen . Zwei Arbeiter brachen zur Mittagszeit ohne ihre Kameraden
Steine aus. Da entdeckten ſie unter einem Steine die Deffnung einer Höhle ; ſie giengen hinein

und fanden einen Palaſt auf marmornen reich verzierten Säulen , ſowie vor dem Balaſte einen
Tiſch mit goldenem Scepter und einem Diadem . Aehnliche Monumente waren daneben , auch

ſtanden mehrere verſchloſſene Kiſten dabei . Ais aber die beiden Männer in den Palaſt eintreten
wollten, warf ſie ein heftiger Sturmwind, von der Deffnung der Höhle her , wie todt zur Erde
nieder. Erſt Abend erholten ſie ſich wieder und verließen die Höhle . Sie berichteten das
Ereigniß dem Patriarchen ; der Patriarch theilte es dem Rabbi Abraham dem Frommen mit.

Dieſer erklärte die gefundenen Monumente für die Gräber Davide und Salomons. Die beiden
Arbeiter aber waren bettlägerig und aus Gottesfurcht zu keinem neuen S &ritte in die merk

würdige Höhle zu bewegen . Darauf wurde der Ort auf Befehl des Patriarchen vollkommen
wieder verbedt.

14. Die armeniden Kirchen des Erlöfers und Jacob 118 .

Zwiſchen dem Gebäude der Abendmahls- oder alten Apoſtel -Kirche und dem Zions- Thor
iſt ein armeniſches Kloſter mit der Erlöſer - Kirche, die an der Stelle des Hauſes Kaiphas'

liegen ſoll, wohin Chriſtus nach ſeiner Gefangennehmung geführt ward . Außer einer kleinen
Zelle, die für das nächtliche Gefängniß unſers Herrn gehalten wird, zeigt man auch einen Stein,
welcher vor das Grab Unſers Herrn gelegt worden ſein ſoll und von den Armeniern durch Liſt
hierher gebracht ward . Dieſer eingefaßte Stein bildet den eigentlichen Altartiſch der Kirche. An
der Epiſtelſeite liegt die enge Zelle des Gefängniſſes. Indem dieſer Ort für der Raiphas Haus
angeſehen wird, gilt die Ruine auf dem Berge des böſen Rathes für den Plat eines Landhauſes

des Hohenprieſters. Wie dem auch ſein mag, ſo erinnert die zierliche Kirche an jenen feierlichen

Augenblick, in welchem Chriſtus, Er der künftige Richter aller Geſchlechter, auf Erden , vor dem

(Heridyt der Sünder ſtand und mitten in Schmach) und Banden ſich befannte als den Sohn
Gottes, ſitzend einſt zur Rechten der Kraft Gottes.

Durch das Zions - Thor betritt man die eigentliche Stadt wieder , zunächſt das reinliche,
gepflaſterte Quartier der Armenier. Hier nämlich haben dieſelben ihre prachtvollſte Kirche, die
St. Jakobskirche, zu deren linken an die weſtliche Stadtmauer hin die Gärten des Kloſters

ſich erſtrecken. Die Kirche iſt von dem großartigen Kloſter - Gebäude ganz umgeben . Die
Gründung der Kirche datirt aus dem XI . Jahrhundert. Sie ſoll über dem Platze ſtehen, wo
Herodes den Apoſtel Jacobus enthaupten ließ . Eine eigene Kapelle an der Oſtſeite der Kirche

mit Goldlampen ausgezeichnet , gilt als der eigentliche Ort der Enthauptung des Apoſtels,
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1

!
Hippiccus
Die armeniſchen Kirchen des Erlöfers und Jacobus . 145

Trop des ſichtlichen Aufgebotes von Reichthum und Pracht zeigt die Ausſchmückung mit Gemälden
die Anfangs - Stufe der Kunſt. Hier in dem reichen Kloſter der Armenier, bemerkt von Schubert,
ſind dem Kindheits- Zuſtande der Kunſt dieſelben äußeren Hilfsmittel geboten , wie einſt in den
erſten Jahrhunderten der chriſtlichen Herrſcherreiche, ja wie in den reichſten Zeiten der
Italieniſchen und Niederrheiniſchen Freiſtaaten. Und dennoch wird man in all dieſen mit Gold

belegten, in die theuerſten Farben gekleideten Bildern des armeniſden Künſtlers vergeblich audy
nur nach einem einzigen , entfernteſten Zuge jenes geiſtigen Lebens ſuchen , welche die chriſtliche

Kunſt der früheſten Jahrhunderte , lange vor Cimabue , ſo oft ihren Werken aufgeprägt hat .
Wenn jener gute Mann , der die armeniſche Kirche eben neu bemalt hat , ja wenn eine ganze
Schule von ſeines Gleichen Jahrhunderte lang auf ſolchem Grunde fortbauete und dabei die

Fertigkeit im Zeichnen und Farbengeben bis auf's Höchſte brächte, würden dennoch ihre Arbeiten
als etwas kraft- und weſenloſes erſcheinen , ſo lange nicht jene Kraft der Begeiſterung und des

inneren Lebens zurückehrte, welche auch zu ſolchem Werke die Meiſter der alten Zeiten regte
und bewegte. Roſtbare Teppiche bedecen den Boden und eine Menge werthvollſter Lampen
brechen ihre Strahlen in tauſend flimmernden Sternen am perſchwenderiſch verbreiteten Golde .

Ueber der Mitte ſteigt eine große Ruppel auf, durch welche ein myſteriöſes Licht in die geräumige
Kirche fällt. Kanzel und Thüren ſind mit Perlmutter und Schiltkrötenſchalen ausgelegt . Allent

halben herrſcht morgenländiſche Pracht. Die Armenier ſind ſeit dem XIII . Jahrhunderte im
Beſitze des Kloſters, das früher den Georgiern eigen geweſen. Darauf ſich ſtützend entriſſen die
Griechen 1658 das Kloſter den Armeniern , welche jedod, idyon nach acht Jahren wieder ihr

Beſitzthum inne hatten .


An der öſtlichen Seite liegt ein armeniſches Nonnenkloſter, deſſen kleine Kirche, gleich der

im Jakobskloſter, an den Wänden mit blauen und weißen glaſirten Töpferplatten überkleidet iſt.
15 Davidsburg mit dem Hippikusty urme.
An dem nordweſtlichen Auslauf des Zion ragt als die Afropolis der Stadt die Citadelle

mit fünf Thürmen auf Felſen gegründet empor. Es iſt die Davidsburg oder das ſogenannte
Bijaner Caſtell, von einem tiefen Graben umzogen . Als ſtärkſter Thurm zeichnet ſich der nord

öſtliche oder Davidsthurm aus, jekt für den Hippikus erklärt, weil das Rieſenhafte der älteſten
Grundmauern nirgends ſo mächtig zu Tage tritt. Dieſelben gigantiſchen und an den Fugen
geränderten Steine von 8 Werkſchuh in der Länge und 4 in der Höhe, wie beim Tempel, liegen

hier noch aufeinander gewälzt , den Grundbau des Thurmes bis zu einer Höhe von 30 Fuß
bildend. Außerdem finden ſich einzelne Werkſtücke von 10 bis 12 Fuß länge.

Mit Recht hat man dies das älteſte Schloß der Welt genannt , da die mächtigen Werk
ſtücke an der unteren Mauer und beſonders an dem genannten Davidsthurme unangetaſtet in

der alten lage belaſſen wurden , wie dieſelben die erſten Erbauer aufeinanderfügten , ſo daß ſie

als fortwährende Zeugen der Kraft des jüdiſchen Herrſcher - Reiches zur Zeit Davids und
Salomons gelten können . Als Titus die Stadt erobert hatte , befahl er als Denkmale der
19
146 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten.

mächtigen Befeſtigung Jeruſalems die drei Thürme : Hippikus , Phaſaelus und Mariamne ſtehen

zu laſſen, während die übrige Stadt geſchleift wurde.


Die Benennung datirt von Herodes I., welcher auf der Grundlage der alten, ſo vortheil
haft gelegenen David8burg einen viereckigen Thurm erbaute und nach ſeinem Freunde Hippikus
benannte. Die Höhe desſelben betrug 80 jüdiſche Ellen . Die zwei andern in der Richtung der

Tempelſtraße aufgeführten Befeſtigungsthürme der Stadt - Mauer waren der eine nach Herodes
Bruber , Bhajaelus , der andere nach ſeiner Gemahlin Mari am ne benannt . Der leştere

ſtand mit dem prächtigen Palaſte des Herodes Agrippa in Verbindung. Vom Hippikus be

! gann der Lauf der erſten und dritten Stadt- Mauer. Die erſte oder älteſte Mauer lief vom

Davide - Thurme, dem nachmaligen Hippikus , einerſeits längs dem nördlichen Abfal des Zion
gegen Oſtſüdoſt, ſette am ſogenannten Xyſtus über das Tyropöon und endete an der Weſthalle

des Salomoniſchen Tempels. An die innere Seite der Mauer ſchloß ſich auf dem nordöſtlichen

und öſtlichen Ende des Zion des Herodes berühmter Palaſt an , wieder mit Mauern umgeben ,

an welchen Agrippa II . noch ein Gebäude fügte. Der Play für Volksverſammlungen oder Xyſtus
lag daneben . Dies der Lauf der älteſten Mauer an der Nordſeite der Stadt . Vom David8

thurme Hippikus umlief nun dieſe Mauer andrerſeits auch den weſtlichen und füdlichen

Abhang des Zion , wendete ſich vom Teiche Siloah , den Felsrücken Ophel einſchließend , nord

öſtlic ), bis ſie mit der öſtlichen Tempel-Mauer zuſammentraf, den Grabſtätten des Zacharias
und Jacobus im Kidron - Thale beinahe gegenüber. Sie umſchloß die Stadt Davids auf Zion ,

die alte Stadt . Die zweite Mauer lief beim Thore Gennath von der erſten Mauer aus,

umkreiſte blog den nördlichen Abhang und reichte bis zur' Burg Antonia . Leytere, ein
ſtolzer Bau der Hasmonäer, von Herodes dem Großen zu Ehren ſeines Freundes Antonius alſo
benannt, lag im Nordweſten des Tempels, woſelbſt die Römer dieſen und die Unterſtadt beherrſchen

konnten . Da dieſe zweite Mauer zur Zeit der Wirkſamkeit des Heilandes mit der genannten
älteſten oder erſten Mauer das Territorium der Stadt umfieng, nach den Worten der Schrift

aber die Stätte der Kreuzigung damals außerhalb der Stadt liegen mußte , ſo fam Alles
darauf an , ihren Lauf richtig zn beſtimmen und das Thor Gennath , wovon dieſelbe an der

Nordſeite nach Flavius Jofephus begann, ſoweit vom Hippiku8thurme öſtlich zu fixiren , daß in

der Richtung gegen das heutige Damaskusthor die nördliche Fortfeßung dieſer Mauer

mit Ausſchluß des weſtlichen Golgatha annehmbar wurde, in welcher Richtung mehrere
Forſcher auch deutliche Spuren früherer Bauwerke wahrnahmen . Bei Grundlegung des neuen

ruffiſden Conſulats ward erſt im April 1860 an der vom Damaskusthor zum Bazar führenden
Straße, die im rechten Winkel von der Via doloroſa burchkreuzt wird, eine ſo wichtige Entdeckung

gemacht , daß dieſen Forſchern hiedurch entſchieden das Recht zugeſprochen wird , falls ſich die
Umſtände ſämmtlich beſtättigen. Man ſtieß nämlich in einer Tiefe von 20 bis 30 Fuß auf eine

Mauer ,die zwanzig Fuß weit von hier gegen Weſten läuft und dann plötzlich nach
Süden umbiegt - und hiemit die hl. Grabkirche ausſchließt. Die Steine ſind
Die Davideburg mit dem Hippikusthurme. 147

acht Fuß lang und ſechs Fuß breit , alſo den älteren Wertſtücken gleich, trefflich behauen
und durch Fugen , die ineinander eingreifen , verbunden . Sie beſtehen aus einem viel beſſern

Material , als der rothe Kalkſtein , der unter dem Namen des Marmors von Jeruſalem jeßt in

Gebrauch iſt. Alter und Behandlung der Steine laßen hier die Ueberreſte der II. Mauer

erkennen , deren Lauf in dieſer Richtung ohnehin ſchon wahrſcheinlich gemacht war aus archäo
logiſchen Gründen . * )

Das Thor Gennath d. h . Garten - Thor wird von den Forſchern in einem gegen Mitter
nacht weiſenden Mauer - Reft mit großen Steinen ſüdöſtlich vom Johanniter - Hospital am Suf

el Lahem erkannt , welcher alte Mauer - Bau jetzt Abder Rafet heißt , von wo in genannter
nördlicher Richtung bis zur Via doloroſa, Tarik el Alam nämlich, die Befeſtigung ſich ausdehnte. ** )
Soviel über dieſe archäologiſche Streitfrage , die unberührt bleibt , wenn mit FaÜmeraher die

Worte der hl. Schrift über Golgatha : „ Außerhalb , aber nahe der Stadt“ nur auf die alte

Davidiſche Stadt bezogen werden . Die dritte Mauer, zehn Jahre nach dem Tode Jeſu

von Herodes Agrippa unter dem römiſdyen Kaiſer Claudius in der Richtung nach Weſt und
Nord aufgeführt, fieng wieder beim Thurme Hippikus an , erſtreckte ſid, nördlich zum koloſſalen

Thurme Pſephinos , zog ſich von hier gegen Nordoſt zum Grabe der Helena Adiabene und ver
einigte ſich im nördlichen Kidron - Thale mit der alten Befeſtigung. Die Mauern liefen nicht

in gerader Linie , ſondern im Zickzack, ein- und ausſpringende Winkel bildend , ſo daß die

beſtürmenden Feinde in den einſpringenden Winkeln immer von zwei Seiten beſchoſſen werden
konnten .' Da die abſchüſſigen Höhen im Süden , Oſten und Weſten ſchon eine natürliche faſt
unbezwingliche Befeſtigung boten , ſo genügte hier eine einfache Mauer , während gegen Nord,

als der angreifbaren Seite , eine dreifache Mauer in der erwähnten Entfernung von einander

vorgelagert war . Joſephus erzählt, Agrippa habe in der Befürchtung, Kaiſer Claudius möchte

aus der Großartigkeit der Befeſtigungsbauten Verdacht ſchöpfen , nur die Grundmauern um die

Neuſtadt gelegt und das Werk dann ruhen laſſen. Würde er dieſe Mauern vollendet haben, ſo

wäre Jeruſalem uneinnehmbar geworden . Die jezigen Mauern datiren aus den Jahren 1536 ,
1537 und 1539. Doch zurück zur David &burg. Sie heißt auch Piſaner - Caſtell, weil die Biſaner

im XVI. Jahrhunderte eine Ausbeſſerung vorgenommen und wahrſcheinlich den jeßigen Vorbau

angelegt haben. Unter Kaiſer Friedrich II. war die Burg im Beſitz des deutſchen Ritterordens .
Auf dem Minaret genießt man die ſchönſte Ausſicht über die Stadt, während dieſelbe von
den Thürmen beſchränkt iſt, da einer den andern verſperrt.

* ) Weſtermann's illuſtr. Monatshefte 1860, Mai. S. 233. Die Aug. Zeitung, 20. Nvbr. 1860. Beil. be
richtet nur, daß bei Bloslegung des ruſſiſchen Bauplages öſtlich von der hl. Grabkirche Bauten aus drei
verſchiedenen Zeiträumen zum Vorſchein gekommen , darunter ein jüdiſches Mauerwerk aus großen
Steinen , nach Art der Steine, welche man an der Einfaſſung 8mauer des Tempelplates findet.
**) Tobler, Topogr. I. 99,
19 *
148 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

Deſtlich von dieſer Feſtung liegt die neue proteſtantiſche Kirche, im Jahre 1840 durch

engliſche und preußiſche Beiträge errichtet. Die Conſulats - Gebäude ſtoſſen daran . Weſtlich vom
Caſtell iſt das Safa- Thor.

16. Das nordweſtlide Hinnomthal und der Teid des Ezechias.

Vor dem Jafathor wurden vor 8 Jahren 23 Tauſend junge Maulbeerbäume angepflanzt, *)

in Zwiſchenräumen auch Delbäume geſegt und kleine Weingärten angelegt . Das Hinnomthal
wird als blühend und mit Fruchtbäumen bepflanzt geſchildert. Der Grund des Thales iſt beinahe
in ſeiner ganzen Länge angebaut und gewährt einen freundlichen Anblick. Garten- und Weins

Bau ward auch in den früheren Jahrhunderten hier getroffen . Auch die Flachhöhe Zions außer
halb der Mauern zeigt heutzutage Ackerbau.

Auf der nördlichen Seite der zum Tempel führenden Straſſe, öſtlich vom Jafa-Thor, liegt

von Gebäuden umgeben der Teich des Ezechias, welcher früher wegen der Nähe des heiligen
Grabes auch Teich des hl . Grabes hieß und jetzt Birket el Hainmam genannt wird . Zur Zeit

des chriſtlichen Königreiches Hatten in der nahegelegenen Straſſe die Patriarchen ihren Palaſt.
Aus dieſer und der älteſten Zeit Jeruſalems finden ſich hier Mauer -Reſte. Die länge desſelben
beträgt gegen 240 Fuß und die Breite am Nordende 144 Fuß , wo das koptiſche Kloſter jüngſt
wieder aufgebaut und bei den Ausgrabungen zur neuen Grundſteinlegung die Entdeckung gemacht
ward , daß hier des Königs Ezechias Teich angelegt war , wovon II. Chron . 32. 30 berichtet

wird . „ Ezechias leitete das Waſſer der Gihon Quelle in die Stadt und legte einen Teich an .“

Robinſon glaubt jedoch , daß derſelbe ſich weiter gegen Nord erſtreckt habe , als jeßt. Weſtlich
davon befindet ſich eine griechiſche Kirche und nördlich das dazu gehörige Kloſter, gerade hinter
der Grabeskirche.
17. Das Johanniter - Hoſpital .
Dem Haupteingange der Grabeskirche gegenüber erblickt man die herrlichen Ruinen des

ehemaligen Johanniter - Hoſpitals . Das Portal an der Nordſeite iſt im ſchönen romaniſchen
Rundbogen - Styl erbaut , der trotz der Verſchüttung und Zerſtörung des Bauwerkes den Abend

länder heimathlich grüßt. Welche Klarheit und ruhige Gemeſſenheit bei aller Bewegtheit der
Formen tritt hier im Unterſchiede von der phantaſtiſchen mehr oder minder ſtylloſen Bauweiſe
der gewöhnlichen Architektur der Stadt vor Augen ! Angeſichts dieſes Portals verſchwindet nicht

nur der moderne Abklatſch der arabiſchen Architektur , ſondern auch dieſe ſelbſt in ihrem bunten

Gemiſch zielloſer Ueberſchwenglichkeit mit römiſchen und chriſtlichen Reminiscenzen . Dieß Eben
maaß und ſtruktive Geſetz fehlt dem gebrochenen Spitzbogen der arabiſchen Architektur von Haus

aus und das bloße Spiel der Formen nach Laune und Geſchick tritt in den Vordergrund. Dies
Thor verkündet architektoniſch ſchon eine geiſtig mächtige ordnende Vergangenheit. Die ſich nach
Außen immer mehr erweiternden Bögen werden , wo ſie mit der Quadermauer dieſelbe Fläche

*) Tobler. Topogr. II . 42.


1

Portal
Johanniter
H ospitals
..des
Die Stätte des Gefängniſſes des hl. Petrus. 149

der Außenſeite bilden , von einem reich verzierten noch weiteren Rundbogen befrönt, der die feine

Profilirung der inneren Rundſtäbe und Zwiſchenglieder höchſt wirkſam erhöht. Von den nach
Innen immer weiter vorſpringenden Säulen der Portal-Wandung ſind nur die öſtlichen mit den

Kapitälen erhalten . Das horizontale Geſims ober der Portalöffnung, auf Kragſteinen ausladend,
iſt wieder dekorativ behandelt. In den Fugen und Rißen wuchert Gras , als wolle die Natur

ihre Unzerſtörbarkeit auch dem ſchönen Menſchenwerke gegenüber an den Tag legen . Inſchriften

und Thierfiguren , auch Reſte von Farbe werden wahrgenommen. Hinter dem öſtlichen Mauerbau
ſteigen die Anfäße eines Gurten - Gewölbes geiſterhaft in die Höhe . Es befindet ſich noch eine
Bank im Steinbau vor dem Portal , * ) wo vor 8 Jahrhunderten wohl mancher arme Chriſt
ſehnlichſt gewartet haben mag , bis ihm vom Hoſpital das dargereicht wurde , womit er das

Leben friſtete ! Im Hofe hingegen iſt jegt alles mit Schutt, Aeſern und Thiergerippen bedeckt,

kaum daß man in dieſer Eckel und Grauſen erregenden Umgebung füdöſtlichy ein ſpitzbogiges
Gewölbe betrachten kann , deſſen ehemalige Beſtimmung unbekannt iſt. Beides zuſammen, Portal

und Hof , kann in der That ein Abbild der Vergangenheit und Gegenwart zu Jeruſalem ein
bringlid, verſinnlichen .

18. Die Stätte des Gefängniſſes des hl. Þetrus.

Im Bereich dieſer Ruinen wird auch die Stätte des Gefängniſſes des hl. Petrus
verehrt. Daß hier ſomit das eiſerne Thor" geſtanden, durch welches der Apoſtel zum Hauſe

des Marcus gieng, als ihn der Engel durch die Wachen des Gefängniſſes geführt hatte, läßt ſich

ſchwer darthun . Zur fränkiſchen Königszeit wenigſtens wurde dieſe Pforte ſüdöſtlich bei jenem
Bogen -Reſt angenommen, welcher in der Nähe des jebigen engliſchen Hoſpitals am Chot Kanater

Mar Botruß (Petrusbogen -Gaffe) erhalten ſteht. Als Herodes den Apoſtel Jacobus hatte

enthaupten laſſen und wahrnahm , daß dieß den Juden wohlgefiel, ließ er auch den Petrus
ergreifen , in's Gefängniß werfen , um ihn nach dem Oſterfeſte dem Volke vorzuführen . Alſo

ward Petrus zwar im Gefängniß gehalten ; die Gemeinde aber betete ohne Unterlaß für ihn zu
Gott. Da ihn aber Herodes vorführen wollte, in derſelben Nacht ſchlief Petrus zwiſchen zwei
Soldaten , mit zwei Retten gefeſſelt und die Wächter vor der Thüre bewachten das Gefängniß.
Und ſieh ! ein Engel des Herrn ſtand vor ihm und Lichtglanz erfüllte den Ort und der Engel

rührte den Betrus an die Seite, wedte ihn auf und ſprach : Steh' geſchwind auf ! Und es fielen
die Retten von ſeinen Händen. Der Engel aber ſprach zu ihm : Umgürte dich und zieh' deine
Schuhe an . Und er that es. Und er ſprach zu ihm : Zieh dein Oberkleid an und folge mir !

Und er gieng hinaus und folgte ihm ; und er wußte nicht, daß es wirklich ſo wäre , was durch

den Engel geſchah, ſondern er meinte, er ſehe ein Geſicht. Sie giengen vor der erſten und zweiten
Wache vorüber und famen an das eiſerne Thor , das in die Stadt führte. Dieß öffnete ſich
ihnen von ſelbſt und ſie traten heraus und giengen noch eine Gaſſe lang mit einander fort.

* ) Tobler. Topogr. I. 409 .


150 Jeruſalem mit jeinen Erinnerungs -Stätten.

Dann verließ ihn der Engel plötzlich. Und als Petrus zu ſich ſelber kam, ſprach er : Nun weiß
id) wahrhaft, daß der Herr feinen Engel geſandt und mich aus der Hand des Herodes und aller
Erwartung des jüdiſchen Volkes errettet hat . Apoſtelg. 12, 3 ff.
19. Das Gericht8- und Damaskusthor .

Verfolgt man die nördliche Richtung der von hier zum Damaskusthor laufenden Straſſe,

ſo kömmt man über dem Grabesdom an eine Durchkreuzung dieſer und der mit dem Schmerzens
weg gegen Oſt führenden Straſſe. Von dieſer Stelle der Durchfreuzung beider Straſſen wendet
ſich der Schmerzensweg gegen Süd und zur Golgatha - Stätte . Man nimmt darum an dieſem

Punkte das ſogenannte Gericht8thor, porta judiciaria , und das alte Ephraim'8 - oder
Benjamin's - Thor aus verſchiedenen Gründen an . — Auf der direkt zur Nord - Mauer hinſtrebenden
Straſſe gelangt man an das ſtattlich durch zwei Nebenthürme flanfirte Damaskus - Thor ,

das ſchönſte von den jegigen Stadt- Thoren . Es heißt ſo , weil durch dasſelbe die Straſſe nach
Damaskus führt ; bei den Eingebornen iſt der Name ,,Säulen - Thor " , Bab el Amud , im

Gebrauch . Auf uralten Grundlagen ward mit ſichtlichem Aufwand von Fleiß der zierliche ſara

zeniſche Bau hergeſtellt, der von den Thürmen eine vorzügliche Ausſicht bietet. Auch hier
verbirgt der angehäufte Scutt den Grundbau, von deſſen Alter am Oſt- Thurme und weſtlicher
ſeits des Thores die deutlichſten Spuren erhalten ſtehen. Man gewahrt nämlich in Gewölbe
Rammern Werkſtücke mit geränderten Fugen und ähnlicher Mächtigkeit, wie an der alten Tempel
Mauer , ſo daß dieſe Grundlagen bis in die jüdiſche Königszeit zurückreichen. *) Die vielen
Zinnen frönen zierlich den ganzen Thorbau, vor welchem ſich die an Gräbern und Reſten früherer

Zeiten reiche Umgegend der Nordſeite Jeruſalems aufthut. Etwa 360 Schritte nordöſtlich von
dieſem Thore iſt die Fereinias - Grotte , woſelbſt nach der Meinung der Chriſten der Prophet

feine Klagelieder geſungen , nach der der heutigen Juden aber ſein Grab gefunden haben ſoll.
Die Türken verehren den Ort, weil Glaubensgenoſſen hier begraben ſind. Die Forſcher Schultz
und Sepp verlegen hierher das Grab des Alexander Jannäus, während Krafft die Begräbnißſtätte
des Königs Herodes und ſeiner Familie bei dieſer Höhle annimmt und weiter ſüdlich an den
Stadtmauern den ſogenannten Schlangenteich.

20. Die Gräber der Könige .

Die merkwürdigſten Gräber liegen aber noch weiter nördlich von dieſer Jeremias-Grotte,

gleich öſtlich am Wege nach Damaskus. Man nennt ſie allgemein „ die Gräber der Könige"
oder die königlichen Höhlen .

Sie ſind in der Ebene ausgehauen und wie in den Fels hinabgeſenkt mit Vorhöfen und
Rammern . Aus einein langen Felſengang ſteigt man bei 17 Fuß tief hinab in weſt - öſtlicher

Richtung. Am Ende dieſes Ganges iſt eine verſchüttete Ciſterne, welche im Mai des Jahres
1767 reichlich mit Waſſer verſehen war . In den nun folgenden Hof führt ein blos 3 Fuß

*) Tobler , III , Wanderung S. 340, und Bartlett , Jerusalem Revisited 189 Abbildg .
.-Thor
Damaskus
‫کرتا‬
‫ایسایور‬
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Juden
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ΝΑ ΟΑΙΘl
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Die Gräber der Könige. 151

7 Zou hoher und 89/2 Fuß breiter bogenförmig ausgehauener Eingang und man befindet ſich in
einem unbedeckten , felsgehauenen Hofe von 92 Fuß Länge von Süd nad Nord und

87 Fuß Breite. Durch das Verſenken eines ganzen Hofes hat man fünſtliche Felswände für die
Grab - Facade gewonnen , welche denn auch in der Weſtw and vor Allem die Aufmerkſamkeit
feſſelt. Sie bildet den eigentlichen Eingang zu dem Todten - Palaſt. An jeder Seite des

Einganges ſtand urſprünglich ein Edpfeiler und dazwiſchen frei zwei Säulen . Am Gebälk haben
ſich noch ſehr ſchöne halb erhabene Sculpturen erhalten . Ueber dem Architrav zieht ſich ein

Band aus Eichen- und Lorbeerblättern , Blumengewinden und Früchten , gleich Pinienfrüchten .

Darüber hängen Tropfen unter den Triglyphen und Zweigen . In den Metopen wediſeln Rund

ſchilde, Trauben und Acanthuszweige. Ein krönendes Geſims ſchließt die Facade. Es iſt wahr

ſcheinlich , daß dies ſtarke Geſims urſprünglich obeliskenartige Aufſätze getragen habe , wie deren
an vielen Felsgräbern der nabatäiſchen Hauptſtadt Petra gefunden wurden . In dieſem Falle

würde zur Identifizirung dieſes Todten - Palaſtes mit dem berühmten Grabmal der Königin

Helena von Adiabene nichts mehr fehlen ; denn drei Pyramiden ſchmüdten das Mauſoleum dieſer
Königin, welche aus ihrem Reich auf der Oſtſeite des oberſten Tigris mit großen Schätzen nach
Jeruſalem gekommen und zum Judenthume übergetreten war , bei einer Hunger8noth zur Zeit
des Raiſer8 Claudius dem Volke große Wohlthaten erwieſen und in der Stadt einen Palaſt,

außerhalb derſelben aber ihr , Grabmal hatte . Die drei Pyramiden bezeichneten wahrſcheinlich)

drei königliche Häupter in dieſer Familiengruft, nämlich die Helena ſelbſt und ihre beiden Söhne,
die ihr in der Regierung gefolgt und gleichfalls hier beigefeßt waren . Außer dem Mauſoleum

zu Halikarnaß und dem dieſer Helena fand Pauſanias kein merkwürdigeres. Er berichtet davon :

TIETEELLA

Sartophag.

1
152 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs -Stätten .

Die Thüre war aus demſelben Fels gehauen und öffnete ſich nicht eher , als bis das Jahr
denſelben Tag und dieſelbe Stunde herbeigeführt hatte. Sie öffnete ſich nur durch eigene

Mechanik und verſchloß ſich nach kurzer Friſt wieder . Wer ſie zu anderer Zeit hätte öffnen

wollen , würde ſie eher zerbrochen als geöffnet haben .“ Dieſe märchenhafte Sage bezieht ſich

auf die ſteinernen Thüren , deren Bruchſtücke noch vorhanden ſind. Das Grab des Cyrus zu
Paſargada und die Gräber von Gabara hatten gleichfalls ſoldie Stein - Thüren . Man ſieht an
den noch vorhandenen Bruchſtücken , daß die Thürplatte auf der einen Seite einen die Ecke über

ragenden Zapfen nach oben und unten hatte . Dieſe Zapfen liefen in den Löchern der Ober

und der Unterſchwelle. Der obere Zapfen mußte aber länger ſein und in das tiefere loch der

Oberſchwelle ſidy beim Einſchieben der Thüre ſo lange vertiefen können , bis der untere Zapfen
über die untere Schwelle weg gleichfalls ſein Loch erreicht hatte und die ganze Thüre auf ihn
ſich ſenken konnte. Natürlich kann dieſe Thüre, wenn ſie einmal auf ihre Unterſchwelle geſenkt

iſt, mit ihrem oberen Rand die Oberſchwelle nicht mehr ganz erreichen , ſondern muß einen
freien Zwiſchenraum laſſen. Jul . Braun fand ſolche Steinthüren im ganzen Hauran , wo ſie
die antiken Häufer heute nocy ſchließen und um dieſelben Zapfen jdwingen , wie hier. Die

Tempelthore zu Palmyra ſollen einen ähnlichen Verſchluß gezeigt haben. Die geheimniſvollen

Königsgräber auf Zion mögen gleichfalls dieſe Vorrichtung gehabt haben . Das einfadſte
Verfahren beſtand darin , daß eine Steinplatte vorgewälzt wurde, die mittels eines Querbalkens

vor der Grabgrotte befeſtigt und verſiegelt wurde, wie vom Grabe des Erlöſers berichtet iſt und
an vielen Felsgräbern im Thale Hinnom beinerkt werden kann . Die zur Linken in der Vorhalle

der Gräber der Könige unlängſt entdeckte ſchwere Kollfdyeibe zur Verjdyließung des Grab
einganges madit außer der erwähnten Verſchlußweiſe der Steinthüren die mitgetheilte Sage des
Pauſanias wenigſtens in Etwas auf dieſe Grabhöhlen anwendbar , ſo daß unſere Ruinen dem

genannten Grabmal der Helena entſprechen dürften . Die auffallende Decoration in einem Gemiſch)
doriſcher und aſiatiſcher Formen erklärt ſich dann aus der erwähnten Kunſt - Periode von ſelbſt.

Im Innern zeigen aufgefundene Sarkophage mit Roſetten und Laubgewinden in Relief dieſelbe
Behandlungsweiſe , die außer der Facade dieſes Monumentes auch bei andern Grabmälern um

Jeruſalem und an dem Sarkophag des Scipio Barbatus zu Rom ſo merkwürdig iſt. Dieſes
Roſetten - Ornament reicht aber in's höchſte Alterthum und nach Aſien als Heimath zurück, denn
der Saum des Gewandes in Relief- Darſtellungen *) aſſyriſcher Könige iſt ganz deutlich in dieſem
Schema verziert.

Der hier gefundene und nach dem Louvre zu Paris gebrachte Marmor - Sarkophag,
von welchem ſich im Neuen Muſeum zu Berlin ein Gypsabguß befindet, wovon unſere Abbildung
genommen iſt, zeigt auf dem gewölbten Deckel und in der Flächen - Decoration eine alterthümliche
Ornamentirung von Blumen- , Frucht- und Blätterkränzen , welche den Trauben- und Frudit:

*) Layard. Ninivel II . 7 .

一 | |

Anſicht Jeruſalems von Nordoſt. 153

Gewinden des felsgehauenen Kranzrahmens , der außen unter dem Fries die Vorhalle einfaßt,

entſpricht und Formen darſtellt , welche , aus älteſter Zeit ſtammend , Jahrtauſende hindurch
unverändert blieben .

Andere hier anzuknüpfende Folgerungen über eine urthümlich phöniziſdie Kunſtweiſe, wofür
jüngſt der Bahn Röth’s folgend Jul. Braun aufgetreten, müſſen hier unerörtert bleiben .
Monumente alten Gepräges ſind auch die weiter weſtlich entfernten Gräber der

Richter, wie die Umrahmung der Thüre und die Ornamente über den Ecken derſelben darthun .
So freundlich der immer grünente Olivenhain und die Saatfelder auch dieſe Nordſeite Peruc

falems geſtalten , die Stätten und Ruinen des Todes mangeln audy dieſer Umgegend nicht.
21. An idyt 3 cruſalem 8 von Nordoſt.

Den Blick gegen die Stadt gekehrt präſentirt ſich von der erwähnten Jeremias - Grotte

aus der Platz unmittelbar vor dem Damaskusthore und den nady beiden Seiten ſich anſdhließenden
Stadtinauern , deren Vor- und Nüdſprünge hier redit deutlid) werden . Vor den Mauern lagern

mohammedanifdye Pilger in niedlichen Zelten , ſiten auf ausgebreiteten Teppichen nach Landesjitte
gemächlidy neben ihren improviſirten Wohnungen und Sameelen , während ein anderer Zug eben
aus dem Thore fömmt, vermuthlid um gleidfalls hier das Nachtquartier aufzuſchlagen , weil

wegen Ueberfülle in der Stadt keine Unterkunft zu finden ſein mocyte . Gerade über dem Thore

ſteigt die griedjiídje bauchige Kuppel neben der des hl. Grabes im Hintergrunde empor , von

welchen weiter rechts der gewaltige Hippikusthurin mit wehender Flagge die Stadt auf Zion

ſignaliſirt. Von hier gegen den Vordergrund in derſelben Richtung nachy Nechts oder der Weſt

ſeite der Stadt vorgerüdt liegt dag lateiniſche Kloſter St. Salvator, während von der gegenüber
liegenden Oſtſeite Jeruſalems, über der Thalſenkung des Tyropöon nur die Vorgebäude des
herrlichen Tempelplatzes auf Moriah ſidytbar werden , deſſen Anblick die Stadtmauer verdedt.

Die vielen kleinen Kuppeln der Häuſer zeigen ſich zwiſdhen dem Damaskusthore und den großen

Gebäuden des Hintergrundes in der ganzen Ausschnung der Stadt und machen einen freund
lichen Eindruck .
22. Das öſterrei diſde Bilgerhau 8.

Die vom Damaskusthor jüdoſtwärts herabziehende Gaſſe ſtößt mit dem öſtlichſten Theil
der Via Doloroſa in einem Winkel zuſammen und wird ſeit neueſter Zeit mit einem prächtigen
Quaderbau geſchmückt, welcher das öſterreichide Pilgerhaus bildet. Am 17. Brachmonat

1856 feierte man die Grundſteinlegung des Baues . In Gegenwart des öſterreichiſchen und

franzöſiſchen Konſuls ward der erſte mit Blumen geſchmückte Stein gelegt , während die öſter
reichiſche Flagge über dem Rouſulatsgebäude im klaren Morgenlichte wehte und das „ Gott erhalte “

erflàng, worauf die Arbeiter mit Muſik und Tanz und Freudenſchießen , mit Eſſen und Trinken

ſich beluſtigten . Der formelle Grundſtein mit der Inſchrift : „ Den frommen Pilgern aus dem

öſterreichiſden Kaiſerreiche 1857 , geſandt von dem Cardinal und Erzbiſchof von Wien Othmar
von Rauſcher" wurde am 31. Dezember gelegt , wobei der Paſcha und alle in Jeruſalem
20
154 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs -Stätten .

wohnenden Deſterreicher zugegen waren . Vor dem Beginn des Baues mußte erſt eine Maffe

Schutt weggeräumt werden, wobei man ſeit langer Zeit wieder zum erſten Mal in der heiligen
Stadt Wagen dahin rollen ſah, hohe zweirädrige von Pferden gezogene Karren zur Herbeiſchaffung
der Bauſteine. Daneben trampelten die Kameele mit ihren Steinlaſten auf jeder Seite und

trippelten die Efel mit Kalk und Waſſerſchläuchen , nachdem der Scutt abgeladen worden war.
Gegen Ende des Jahres 1858 war das Gebäude bis zur ganzen Höhe aufgeführt und das

Dachwerk vollendet. Die Räume an der Mittagsſeite ſind alle freundlich , wie auch der zierliche

Wechſel der Steinlagen in röthlicher und gelbweißer Farbe einen angenehmen Anblick gewährt .
Das Hauptgebäude enthält außer einer Kapelle , einem Kranken - und zwei Speiſe - Sälen noch

25 Zimmer für Pilger , im Nothfalle für hundert ausreichend , während das Nebengebäude die
Hälfte dieſer Zahl unterbringen ſoll. Die Anregung dieſes ſchönen Werkes gab der genannte
Erzbiſchof von Wien .

23. Der Tempel auf Moriah.

Von hier führt aus der Hauptſtraße Sitti Mariam eine Nebengaſſe in ſüdlicher Richtung
an den weſtlichen Theil des Serai (Prätorium oder Haus des Pilatus genannt) deſſen Minaret
die Nordweſt- Ecke des großen Tempelplates bildet . Hiemit ſtehen wir an der Stätte des
gefeierten Tempels der Juden , welcher das bewunderte Bauwerk des Alterthums war.
Vor Moſes war die Wahl der Cultus -Stätten, wie es ſcheint, dem Urtheile der Stammes

häupter überlaſſen ; * ) außer wo eine eigene Offenbarung dazwiſchen trat. Gen. 22. 1. Ereigniſſe,
weldie an einen Ort Heilige Erinnerungen knüpften , empfahlen ihn zur Opferſtätte ; ſo baute

Jakob zu Luza einen Altar und nannte den Namen des Ortes „ Gotteshaus" , weil ihm daſelbſt
Gott erſchienen war, da er vor ſeinem Bruder floh .

Seitdem das iſraelitiſche Volk geeint war und durch Moſes die Beſtimmung erhielt , in
feſtgeſchloſſener Einheit als Volk der Offenbarung zu beſtehen, wurde es dringendes Bedürfniß,

für die Verrichtung der öffentlichen heiligen Handlungen einen gemeinſamen Ort zu bezeichnen .
Da aber die Wohnſitze noch nicht beſtimmt waren , ſo wurden heilige Geräthe gefertigt,

die jeden Ort , an weldiem ſie niedergeſtellt wurden , zur Einen Cultus- Stätte, zum ſichtbaren
Mittelpunkte des religiöſen Lebens 3ſraels erhoben .

Vor allem wurde für die Aufbewahrung der ſteinernen Geſet - Tafeln ein Behältniß
gefertigt , welches das Heiligthum bildete . An deſſen Seite wurde ſpäter eine Abſchrift der

ganzen moſaiſchen Geſetzgebung niedergelegt ; über demſelben alljährlich die heiligſte feierlichſte
Opferhandlung vorgenoinmen und überdieß zeigte ſich hier als ſinnliches Abbild der Gegenwart
Gottes zur Zeit Moſis anhaltend, ſpäter in einzelnen entfdheidenden Augenblicken, ein Lichtglanz,
den die ſpätere Schule Schechinay d . 11. das Wohnen , die Herablaſſung (Gottes zu den Menſchen)

* ) Haneberg , Geſchichte der bibl . Offenbarung 105 ff .


Der Tempel auf Moriah. 155

nennt. So ſtellte dieſe Lade das ganze Verhältniß Gottes zu Ifracl dar und hieß darum mit

Recht „ Bundeslade ".

An ſie knüpft ſidy jede Bewegung des Volkes . Die Beſignahme des Landes Canaan
geſchieht unter Joſue durch Vortragung dieſer Lade, an ſie knüpft ſich die wunderbare Zertheilung
des Jordans beim Einzuge, Jof. 3. 11 ; 4. 18. Sie wurde bei entſcheidenden Kämpfen mit
in's Feld genommen und als ſie einmal in die Gewalt der Philiſter gerathen war , hieß es, die

Herrlichkeit Iſraels ſei weggenommen , I. Sam . 4. 22. Ihre Form war ſehr einfach . Sie
bildete einen oblongen Kaſten aus Akazienholz von 2 '/z Ellen Länge und 1 '/2 Ellen Höhe , im
Innern und Neußern mit Goldbledy bekleidet , den Rand von einem goldenen Kranze umgeben .
Lange Tragſtangen waren an den Seiten in goldenen Ringen bleibend befeſtigt. Obenauf als
Deckel war das Capporeth , der Gnadenſtuhl", eine maſſiv goldene Platte mit zwei Cherubiin
geſtalten aus getriebenem Golde . Im Grunde der Lade ruhten die Geſetztafeln . Das Ver
föhnungsblut wurde gegen das Capporeth geſprengt.

Hier war das Allerheiligſte der Stiftshütte ; es formirte ein Quadrat und war
unerleuchtet. Bretterwände umhegten dieſen Raum an drei Seiten . An der vierten befand ſich
ein Vorhang , welcher das Allerheiligſte von dem davor liegenden oblongen Raum mit dem

ſiebenarmigen Leuciter , Schaubrodetiſch und dem Rauchopferaltar trennte. Dieſer Raum hieß
das Heilige. Der Rauchopferaltar ſtand vor dem Eingang in's Allerheiligſte. Die genannten
zwei Räume waren oben wie ein Zelt bedeckt und bildeten die Stiftshütte oder das Bundeszelt.

Vor der Stiftshütte war noch ein Raum angeordnet , durch eine Zeltwand eingefangen , aber
oben nicht bedeckt. Er hieß der Vorhof der Stiftshütte. Im Vorhof ſtand der Brandopfers
Altar ſammt dem Waſchbecken . In das Allerheiligſte durfte nur der Hoheprieſter und zwar
auch nur einmal im Jahre , großen Verſöhnungsfeſte, eintreten , um die Beſprengung und
am
1 1
das Raudjopfer im Rauchfaß vorzunehmen . Das Heilige war nur den Prieſtern zugänglic ).
Die beſchriebene Anordnung bleibt der Grundplan der jüdiſchen Cultus - Stätte auch für
den Tempelbau zu Jeruſalem , den David ſchon beſtimmte , nachdem er die Bundeslade unter
großer Feierlichkeit auf dem Berge Sion aufgeſtellt hatte.
Da die heilige Stätte ſowohl als auch deren Einrichtung und die darin vorgehenden heiligen
Handlungen der Schatten und das ankündende Bild der kommenden Vollendung und Wahrheit

in Jeſus Chriſtus geweſen, ſo muß in den Grundzügen der göttlichen Verehrung das Weſen des
wahren Gottesdienſtes ſich abſpiegeln . Wenn wir
' folgenden Sinn aus der bildlichen Erſcheinung
der Stiftshütte herausleſen , wirfte ſie in ihrer Bedeutſamkeit fogar über die Grenze des alten
Teſtamentes hinaus und ſprach in Zeid en die ganze Beſtimmung des Menſchen jammt den von
Gott verliehenen Mitteln zu ihrer Erreichung aus.
Im innerſten Heiligthum Allerheiligſten fehlte das Licht der Sonne , ſowie das

fünſtliche Licht, hier war nur das geiſtige licht der Gedanken in den Geſetzestafeln und der
übernatürliche Glanz der Schechinah über der Buudeblade . Hier war auch das wunderbare
20 *
156 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

Mannabrod und der ebenſo wunderbar erblühte Aaron'B - Stab . Demnach ſtellte dieſer Raum
die hohe Geiſteswelt dar, aus der alle Wunderkraft ſtammt, zu welcher der Menſch durch Glaube
und Gnade gerufen iſt. Die Cherubøgeſtalten über der hl. Lade mit ihren vier Geſichtern ſagten
gleichſam : Der Menſch muß das Reid des ſchweren Stoffe8 , die Pflanzen - und Thierwelt
zuſammenfaſſen und ſie in der geiſtigen Erhebung zur überſinnlichen Welt heiligen .

So erſchien hier das höchſte Ziel des Menſchen in der Welt der Entzückung über alle
Sinne hinaus.

Im Heiligen , wo der Schaubrodetiſch, der ſiebenarmige Leuchter und der goldene


Rauchopferaltar war , zeigte ſich, was vorher geſchehen müſſe, ehe der Menſch in der Welt der
Entzückung ſein Endziel erreichen könne. Er muß ſich abſondern vom gewöhnlichen Leben , wie
dieſer Raum abgeſondert iſt, er muß die von Gott für dieſe Abſonderung gewährte Erleuchtung

und Gnadenſtärkung ( Schaubrode) genießen und ſich in freudiger Anbetung üben , denn dieſe
iſt im Rauchopferaltar abgebildet.

Doch wie immer es dem Menſchen gelingen möge , ſich in einzelnen Stunden über den
gewöhnlichen Gang des Lebens in Betrachtung und Gebet zu erheben , es bleibt die Wirklichkeit
eines gefallenen Zuſtandes mit tauſend Mahnungeu an Sünde und Unvollkommenheit.

Darum ſteht im Vorhofe ein Waſchbecken als Mittel zur leichteren Reinigung und ein
Altar theils zur Blutſühne , theils zum Verzehren jener Speiſen , welche der Menſch hingibt ,

um ſeine krankhafte Begierlichkeit zu bekennen, zu ſtrafen und zu heilen .

So ſtellt das Heiligthum die drei natürlichen Abſchnitte aller religiöſen Entwicklung des
Menſchen von ſeinem dermaligen Zuſtande aus dar : Der Vorhof mit dem Brandopferaltar die

Buße , das vordere Heiligthum mit dem goldenen Rauchopferaltar das Leben der Betrachtung
und der Uebung im Gebete , endlich das innere Heiligthum ( Allerheiligſte) den hohen Stand
der Einigung .

Wie aber ſelbſt in dieſen Stand manchmal ſchwere Prüfungen eindringen, ſo wird einmal

des Jahres auch im Allerheiligſten Blut geſprengt ; und wie das Leben der Betrachtung oft von

Bußſchmerzen Heimgeſucht wird , ſo kommt das Blut vieler Sühnopfer an den Rauchopferaltar.
Umgekehrt finden aber auch draußen im Vorhofe , ja vor demſelben Opfermahle , die Zeichen
des freudigen Verkehrs mit Gott durch Fleiſch und Blut , ſtatt , gleichwie audy im Bußleben
göttliche Erquidungen nidyt fehlen . Dieſem Bedeutungsvollen Grundtypus der jüdiſchen Cultus

ſtätte entſprach auch die Kleidung des Hohen prieſters.

Die Vermittler der ul . Handlungen ſind vom Stamme Levi , der dem Dienſte Gottes

unmittelbar geweiht iſt. Er tritt in die Rechte und Pflichten der Erſtgebornen aller Familien
ein , inſofern dieſen die prieſterliche Würde nach einem unvordenklichen Rechte der Geburt zukam .

Durch Moſes wurde der ganze Stand in ţrei Stufen geordnet. An der Spitze ſteht Aaron

als hoher Prieſter ; aus ſeiner Familie ſtammen die gewöhnlichen Prieſter; alle übrigen Nach
kommen des Stammes Revi bilden die Diakonen oder Leviten . Die gewöhnlichen Prieſter trugen
‫ܐܐܐ‬
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Prieste r
.und rieste
Hoherp r
Der Tempel auf Moriah. 157

im Dienſte eine beſondere Kleidung, die aus dem Hüftkleid, Kopfbund, einem weißen Talar mit
farbigem Gürtel beſtand. Der hohe Prieſter trug im Amte größtentheils über der genannten

Prieſterkleidung: 1 ) einen Oberrod mit blauer Farbe , ausgezeichnet durch die Verzierung des
Saumes , indem an demſelben goldene Glödchen und Granatäpfel angebracht waren ; 2) ein

vierfarbiges Schulterkleid ( Ephod ) , welches aus zwei Blättern beſtand , die über der Schulter

durch zwei Edelſteine zuſammengehalten wurden , worauf die Namen der zwölf Stämme ein
gegraben waren ; 3 ) auf der Bruſt ein mit zwölf Edelſteinen beſetztes Schildchen (Coſchen,
Bruſtſchild ), worin das geheimniſvolle Urim we Thummim ſich befand ; 4 ) über der Stirne ein
Goldplättchen mit der Inſchrift: „ Heiligthum dem Ewigen “. In ſinnbildlicher Sprache ſtellt

dieſe Kleidung den ganzen Beruf des Prieſters dar. Die Inſchrift über der Stirne „ Heilig dem
Herrn “ drückt deutlich aus , daß die Heiligung für und in Gott als das einzige Ziel vor den
Augen des Prieſters ſtehen müſſe.

Auf der Bruſt trägt er Etwas , das mit den Namen von Licht und Vollfommenheit

genannt wird . Der Prieſter führt zu dem Lichte , in welchem die Vollkommenheit unbeſchränkt
waltet. Das Leben in dieſem lichte iſt mit Macht verbunden , iſt mannigfad) und iſt ein
Zuſammenleben aller Erwählten , das iſt durch die Farben uns Blumen des Ephod ausgedrüdt.

Um zu dieſem mannigfaltigen in Liebe reidyen Leben zu gelangen , muß man aber vorher in
einem Zuſtande der Uebung wie in einer Schule geweſen ſein . Die Seele des Menſchen muß
durch Erkennen und Wollen geübt worden ſein , in einem Vorbereitungszuſtande , welcher noch

nicht reines Licht, aber auch nicht mehr Finſterniß iſt , im Stande des Glauben18 Gott zu
ſuchen. Dieſer Zuſtand iſt durch das blaue Obergewand mit den Glödchen und Granatäpfeln

ausgedrückt. Die Glöckchen ſind freundliche Bilder der Belehrung zum Erkennen , die Granat
äpfel mit ihren vielen Kernen ſind Bilder der Gebote zum Erfüllen. Die blaue Farbe aber
am Gewande felbſt iſt eine Hinweiſung auf den Mittelzuſtand zwiſchen Licht und Finſterniß .
Endlich das weiße Untergewand deutet auf die Reinigung hin , welche der höheren Uebung der

Seele vorangehen muß. Demnach macht das Gewand des hohen Prieſters die drei Stationen
anſchaulich, durch welche der Prieſter die ihm Anvertrauten führen ſoll 1 ) Stand der Reinigung
weißes Kleid. 2 ) Stand der Seelenübung im Glauben – blauer Rock mit den Golds

glöckchen. 3) Stand der heiligen Einigung und des reichen Lebens in Gott das Ephod ſammt
Bruſtſchild und Golddiadem . So ſtimmt die Anordnung der gottesdienſtlichen Stätte und

Kleidung überein. Dieſe Uebereinſtimmung blieb auch, als die Stiftshüte in den Tempel auf
Moriah übergegangen und ein unverrüdbar bleibender Mittelpunkt des Cultus hiedurch hergeſtellt

war . König David errichtete in Folge einer Viſion auf dem Hügel Moriah einen Altar und
legte ſo den Grund zum Tempel daſelbſt, welchen Salomon wirklich erbaute. Dieſer Moriah
war ja die Stätte jener großen Prüfung Abraham's geweſen , als er ſeinen Sohn Iſaak dem
Herrn opfern ſollte. Da es in der hl . Schrift Geneſ. XXII. 2 , 4 heißt , Abraham habe die
von Gott beſtiminte Stätte von Ferne erblickt und an dem Orte dieſes Anblickes des Moriah

!
158 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten .

die Begleitung warten laßen, bemühte fidy Dr. Barclay den Ort zu entdecken, von welchem aus
der Moriah in der Ferne ſichtbar werde und er fand , daß der Moriah von keiner Seite
von Ferne geſehen werden könne , als auf der Spitze eines Vorberges , der in das Ridronthal

abfällt, wenige Meilen ſüdlich von der Stadt , wo er auch Ruinen antraf , welche den Namen
,, Kirbet Ibrahim , Ruinen Abrahams“ führen , genaueres aber über dieſelben nicht erfahren C

konnte. Hier ſchildert Barclay die Durchſicht auf den Moriah als ſo eng , daß von der Stadt
außerdem nichts wahrgenommen werden könne. * ) Dieß wird der Hügel ſein , von welchem das

Itinerarium des Uri de Biel von 1564 ſagt, auf demſelben haben zwei Bäume und ein ſchlidyter
Bau geſtanden , wo die Juden zu beten pflegten , weil von hier Abraham den Moriah erblict
habe . ** ) Salomon begann mit dem von David ſchon angelegten Tempel - Schatze und nach
deſſen Plan den berühmten Bau auf Moriah . David hatte auch in anderer Beziehung den
Grund zu dieſem Tempel dadurch gelegt , indem er den Dienſt der Prieſter ordnete und ganz
beſonder8 indem er durch ſein eigenes Beiſpiel , das ſeitdem unübertroffen in der Geſchichte
geblieben , den religiöſen Geſang , die religiöſe Poeſie zur Seele der ganzen Cultus machte.
Dadurch erſt fam Leben und Wärme in ſeine Cultus Anordnungen. ***) Er heißt darum der 1

„liebliche Sänger Iſraels ." II . San . 23 , 1. Man denke ſich die Pſalmen aus Iſrael weg
und man wird es unmöglid , finden , daß die Offenbarung vom Sinai die antike Menſchheit
für das Seelenleben hätte reif machen können . Was in Davids umfangreicher Seele von
religiöſen Erfahrungen ſich zuſammen fand, haben Spätere, angeregt von ſeinem Beiſpiele, im
Einzelnen ausgeſprochen , ſo daß der pjalter in gewißem Sinne dem David angehört, obwohl
viele Pſalmen von Andern herrühren , worunter ſidy beſonders Aſaph , Heman und Iduthun
hervorthaten . Dieſem großen Könige gebührt das Verdienſt , auf dem Grunde der moſaiſchen
Offenbarung den Bewegungen eines inneren Lebens Bahn gebrochen zu haben . Die Ausdehnung
dieſes inneren Reiches war noch wichtiger als die Ueberwindung aller heidniſchen Nachbarn bis
zum Euphrat. Durdy ſeine Lieder herrſcht Davide Gemüth nicht blos bis an den Euphrat, ſondern

über die ganze Erde und von Geſchlecht zu Geſdylecht. Aber trotz dieſer Vorbereitungen und
weſentlichen Leiſtungen für die feierliche Begehung des Cultus ſollte er dennoch den Tempelbau

nid ) t vollführen. Dafür aber ſollte aus ſeinem Blute ein wahrer Tempel Gottes im menſdlichen
Leibe des Erlöſers erbaut werden und der aus Davids Blut dem Fleiſche nach ſtammende Erlöſer

follte den großen Tempel der Gottheit bauen , deſſen Grundſtein Er ſelbſt iſt und

deſſen Bauſteine die einzelnen guten Menſchen ſind.


Die tief greifende Begeiſterung , weldie tauſend und abertauſend Hände für das mühe
volle Werk des Tempelbaues aufrief, gieng von David aus und Salomon hatte den wachigerufenen

*) Barclay. S. 50. 1
** ) Carmoly. Itiner. de la terre sainte. 442.
*** ) aneberg c . 2. 213.
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Der Tempel auf Moriah . 159

Kräften nur Ziel und Mittel darzubieten , um das Rieſenwerf ſeiner Vollendung zuzuführen .

Cedern und große Bauſtücke wurden bis vom Libanon geholt. Beides lieferte gegen Entſchädigung

im nördlichen Paläſtina, der König von Tyrus. Für die Erzſtücke wurde eine eigene Gießerei am
Jordan errichtet. Die Steine und Bauhölzer wurden theils in den Brüchen und Wäldern theils an
außerhalb der Stadt liegenden Bauplägen fo vorbereitet , daß ,,kein Hammer und keine Art,

überhaupt kein Eijengeräthe beim Baue vernoinmen wurde" I. Rönig 6 , 7. Die Vertheilung

der Arbeit war muſterhaft. Dreißig Tauſend Mann giengen nach dem Libanon ab in drei

Abtheilungen , jede für einen Monat , um dann von der folgenden abgelöſt, zwei Monate die
Felder zu beſtellen, ſo daß beſtändig zehn Tauſend freie Männer beſchäftigt waren . Unter ihnen

arbeiteten achtzig Tauſend Steinhauer und ſiebzig Tauſend Paſtträger als Frohnſklaven, aus den
Ueberreſten der alten Canaaniter. Die Arbeit leiteten 3300 Werfführer . Für die Gußarbeit

wurde der phöniziſche Metallgießer Hurai beſchieden . Der Subſtruction's Bau und die

Ebnung des Moriah begann im vierten Jahre der Regierung Salomons . Nach 71/2 Jahren
ward Alles vollendet. Im Ganzen war für den Tempelbau die Anlage der Stiftshütte maaß

gebend , obwohl Salomon Manches hinzufügte, wofür in der Stiftshütte nichts Entſprechendes
vorhanden war . So ſtanden vor der Pforte des Heiligthums zwei Säulen , Jodhin und Boas

genannt, von räthſelhafter Beſtimmung. Dem Brandopferaltar, der ſich zu rieſiger Größe

erweiterte , waren Waſchbecken zur Reinigung der Opferſtücke beigeſellt; das Waſchbecken der
Stiftshütte aber verwandelte ſich in ein eher ne & Meer , welches zwölf Stiere von Erz trugen .

In's Heilige ſette er außer dem ſiebenarmigen Leuchter der Stiftshütte noch zehn goldene
Leuchter und in's Allerheiligſte zwei große Cherubim , welche mit ihren Flügeln die Bundeslade

fammt den dort angebrachten kleineren Cherubs geſtalten bebedten .

Der Tempel lag von Oſt gegen Weſt . An der Oſtſeite, wo der Moriah ſteil gegen das
Kidronthal abfiel , wurde eine mädytige Mauer von 400 Ellen Höhe errichtet, die dem auf

geſdütteten Erdreich zur feſten Stütze diente ; denn für die Vorhöfe mußte eine ausgedehntere

Bodenfläche hergeſtellt werden , als die hier gegebene war. Dieſe koloſſalen Subſtructionen
galten als das größte Werf , von welchem je Menſchen gehört hatten . Ueber dem Kidronthale

erhob ſich auf den erwähnten Unterbauten die großartige Halle Salomons , welche die
Frontſeite des ganzen Tempelbaues- bildete. Hinter dieſer Halle, aber auf erhöhter Plattform
lag der eigentliche heilige Tempel bezirk , in welchen an der Oſtſeite das eherne Thor , an der
Süd- und Nordſeite wahrſcheinlich vier Thore führten. Dieß hieß der große Vorhof oder
der Vorhof des Volfe 8 . Er war umgeben von einer Mauer , deren innere, dem Tempel

zugekehrte Seiten mit Säulengängen beſetzt waren. Ueber dieſem Vorplatze oder Vorhof lag ein
kleinerer Hof und innerhalb desſelben der Tempel ſelbſt, aber ſo , daß der größte
Raum diejes kleineren Vorhofes vor der Oſtſeite des Tempels war. Dieſer Hof war der

Vorhof der Prieſter, wieder mit einer Mauer umhegt. In demſelben ſtanden der Brand
opferaltar, das eherne Meer und die Waſchbecken. Seßt ſtand man in der Vorhalle des Tempels
160 Jeruſalem mit feinen Erinnerungs -Stätten.

körper8 ſelbſt und betrat zunächſt das große Oblongum des Heiligthums mit den 10 ſiebens
armigen Leuchtern , den Schaubrobetiſchen und dem Rauchopferaltar. Die Vorhalle des Heilig
thums ſchmücten die beiden Säulen Jochin und Boas . Hinter dieſem Oblongum des Heiligen
oder Heiligthums lag weſtlich das Allerheiligſte, weldhes eine Wand von Cedernholz mit

einer Flügelthüre von wildem Delbaumholze vom Heiligen trennte. Dieſe vier Ellen breite
Flügelthüre ſtand offen und wehrte nur durch einen vorgezogenen prächtigen Vorhang den Einblick
in's Allerheiligſte. Die Thüre von der Vorhalle in's Heilige beſtand aus Cypreſſenholz .
Im Allerheiligſten ſtanden zu beiden Seiten ber tragbaren Bundeslabe die genannten
großen Cherubim . Das Allerheiligſte bildete wie in der Stiftshütte ein Quadrat und war ganz
ohne Beleuchtung. Die Höhe betrug 30 Ellen ſammt dem Obergeſchoß. Da auch das Heilige
30 Ellen in der Höhe maß, das Innere des Allerheiligſten aber nur 20 Ellen wie in der Länge

und Breite, ſo blieben 10 Ellen für das Obergemad , über und fonnten beide Näume nach Außen

als ein Ganzes erſdeinen mit flachem Dache, das mit Marmorplatten belegt war. Die innere
Decoration beſtand aus foſtbarem Holzīdyniowerk und Goldbekleidung Anbauten für die Prieſter,
Geräthe und ſonſt mit dem Cultus verbundene Zwecke befanden ſich am Heiligthum . Große
Thore eröffneten den Tempelbezirk der Stadt gegen Weſt , Nord und Süd. Da der Tempel
ſelbſt zu höchſt angelegt war , überragte er die Vorhöfe und Säulenhallen und bot ſchon von
Ferne einen herrlichen Anblick. Die Mauern und Wände waren von inaſſiven Quadern aufgeführt,
im Heiligen und Allerheiligſten aber mit Holz und Gold überkleidet. Der Tempelförper hatte

60 Ellen Länge, 20 Ellen Breite und 30 Ellen Höhe . Das Heilige nahm davon 40 Ellen ein.
Die decorativen Formen der Geſimſe und Kapitäle werden als hängendes Nettenwerk, Lilienwerk,
ſiebenfadjes nietzartiges Geflecht, zweifache Reihen von Granatäpfeln u. dgl. bezeichnet. Da ſelbſt
der Fußboden mit dickem Goldbledh überzogen war , Dede und Wände von Gold widerglänzten,

der Marmor und das Holzwerk auf's ſorgfältigſte bearbeitet war , ſo übertraf das Heiligthum
der Juden auf Moriah alle Werke des Alterthums an Pracht und Reichthum . Salomon begieng
die Einweihung des Tempels auf's feſtliciſte, wovon die Rede und das lange Gebet um den
bleibenden Segen Gottes im I. Bud der Könige 8. Kap . auf uns gekommen ſind . Dieſer Bau
lenkte die Aufmerkſamkeit vieler auswärtiger Völker auf Jeruſalem und Salomon . Und doch

warb dieſer Tempel ſchon von Manaſſe entweiht und von Nabuchodonoſor zerſtört. Nach der
Rückkehr aus dem Erile begann Serubabel unter Cyyrus den Wiederaufbau , der erſt unter Darius
Hyſta8pes vollendct ward . Die Maaße wurden geändert und ſtatt der früheren Pracht die
Größe angeſtrebt. Die Breite und Höhe betrug 60 Ellen , das Allerheiligſte war leer , da die

Bundeslade mit dem Tempel verbrannt worden , und an deren Stelle lag ein Stein , auf welchen
der Hoheprieſter das Rauchfaß niederſetzte ; im Heiligen befand ſich wieder blog ein Tiſch , ein
Leuditer und der Rauch altar , im Vorhof ſtand ein roh aus Steinen aufgebauter Brandopfer
altar . Esra , 6, 3. Antiochus Epiphanes entweihte und Judas Maccabäus reinigte den Tempel
wiederum . An lettere neue Weibe fchloß ſich eine achttägige Feier, während welcher Abends und
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Der Tempel auf Morial ) . 161

Nadts die Stadt prachtvoll beleuchtet wurde. Dies Feſt der „ Wiedereinweihung oder der Licyter "
begann immer im Dezember. Bald darauf, gerade am Verſöhnungsfeſte eroberte Cn . Pompejus
den Tempel und ridytete in den Vorhöfen ein furchtbares Blutbad an . Herodes begann die

Schafthor,

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Herodianiſcher Tempel.

Unterbauten zur Erweiterung des Plaßes gegen Süden und im Jahre 20 vor Chriſtus den

eigentlichen Tempelbau mit dem Aufgebot aller Pracht und Kunſt jener Zeit . Nachdem das
Material vollkommen für das Tempelhaus zubereitet war , bauten nur Prieſter und Leviten am
Heiligthum , das in 1 % , Fagren vollendet war . Die Vorhöfe nahmen 8 Jahre in Anſpruch
21
162 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten .

und an den Außenwerken wurde noch unter Agrippa II. 64 nach Chr. gearbeitet , ſo daß bei

der Zerſtörung durch Titus tas ganze Werf nur wenige Jahre geſtanden hatte . Auch bei dieſem

Baue wurden die ſymboliſchen Zahlen , Farben u . dgl . vernachläßigt und der damalige römiſche

Bauſtyl mit den überlieferten Formen des jüdiſchen Tempels geradezu vermiſcht. Das Aller

heiligſte war gleichfalls leer , die Ausſtattung des Heiligen prächtig, die Geräthe dieſelben wie
unter Serubabel ; die Höhe des Allerheiligſten betrug 60 Ellen , Breite und Länge 20 Elen .

Auf die Hallen der Vorhöfe ward beſonderer Fleiß verwendet. Ungeheure Mauern mit prächtigen
Colonnaden ( b , b ) umzogen den ganzen Tempelplatz . Die dreifache Säulenhalle an der Süd

feite (a , a) ruhte auf den mächtigen neuhergeſtellten Unterbanten . Vier Thore verbanden die

weſtlich gelegene Stadt mit dem Tempelbezirke. Innerhalb dieſer majeſtätiſchen Säulengänge
und Quatermauern war der größte und äußerſte Vorhof der Heiden“ ( A) . Von ihm betrat

man die engere Tempelumfriedung (c , c) auf Stufen , die durch einen Zwinger (d , d ) und

Thore in den Vorhof der Juden ( B ) führten , der wieder in den der Männer (f , f) und
Weiber ( e , e) abgetheilt war. Das an der Oſtſeite über dieſen Stufen ſtehende Nifanors

Thor (g ) mit Flügeln von forinthiſchem Erz und reichen Reliefverzierungen war das prachtvollſte
und hieß darum ,die ſchöne Tempelpforte“ Apoſtelg . 3 , 2. Durch dasſelbe jah man auf

die andere innere Pforte und in den eigentlichen Tempelvorhof mit dem hohen Brandopferaltar ( h )
und dem Waſſerbecken (i ) bis in das Heilige und an den Vorhang des Allerheiligſten hin .
Die ſchöne Tempelpforte führte nämlich zunädyſt in den Vorhof der Weiber , den als öſtliche
Abtheilung des ganzen Hofes des jüdiſchen Volkes eine Mauer iſolirte . Durch dieſe Mauer

und aus dieſem Vorhof der Weiber hinaus gelangte man an der nämlichen öſtlichen Seite ,
gerade hinter der ſchönen Pforte mittels einer zweiten Pforte, die mit Gold und Silber beſchlagen

war , in den öſtlichen Theil des Männerhofes und aus letzterem , genau wieder hinter

dieſem mit Gold und Silber bekleideten Portal in die nächſte Tempelumhegung oder den
Prieſter - Vorhof ( C) des eigentlichen Tempelhauſes , welches abermals erhöht das ganze
Feld beherrſchte. Um das oblonge Tempelhaus waren Anbauten geordnet und goldene Spitzen
umgaben das platte Dach. Von dieſem Rieſenbau ſprachen die Jünger zu Jeſus : „ Meiſter,

idau ! Was doch das für Steine, was doch das für Bauten ſind." Marc. 13. 1 .

Auch hier tritt die terraſſenförmige Anlage deutlich auf, indem das Tempelhaus
die in abſteigender linie ſide folgenden Näume überragte. Die immer mehr nach
Außen ſich erweiternden Höfe um den Tempel, der in ihrer Mitte ſich erhob, folgten von Innen

d . H. vom Tempelhaus alſo aufeinander: 1 ) der Prieſter -Vorhof ; 2) der Vorhof des jüdiſchen
Volkes , der in den Hof der Männer und Weiber abgetheilt war ; durch die Thore auf den

Treppen hinabgelangt ſtand man 3) auf sem großen Platzc, der mit Portifen umgeben und durdy
Thore und in die Stadt führende Stiegen Allen geöffnet war. Derſelbe hieß der Vorhof der

Heiden, welchen unter Todesſtrafe das Betreten des Hofes der Juden verboten war. Hier fand
der ärgerliche Verkauf und Mammonsdienſt ſtatt, gegen welchen Chriſtus ſo entriſtet ſich erhob
.
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Der Tempel auf Moriah. 163

und Käufer , Wechſler und Händler vom heiligen Orte forttrieb . Dieſer große Platz bildete
jedoch kein reines Viereck, da an deſſen Nordweſtece die Hasmonäiſche Burg Baris angebaut
war. Dieſe ließ Herodes unterirdiſch durch einen Gang mit den Tempel in Verbindung ſetzen ,

um für den Fall einer aufrühreriſchen Bewegung der um den Tempel Verjammelten rajd, eins
(dyreiten zu können ; aud) wurde dieſelbe jetzt Antonia genannt. In der Antonia wurde auch

die Kleidung des Hohenprieſters verwahrt, worin dem Herodes gleichfalls die hasmonäiſchen
Könige vorangegangen waren , die übrigens als Hoheprieſter dazu berechtigt erſchienen . Herodes

und ſeinem Beiſpiele folgend , die Römer reſervirten ſich hiedurch die Macht , auch in das

Religiöſe gebieteriſch einziigreifen ; denn ohne dieſe prieſterlichen Inſignien konnte feine Funktion
des Hohenprieſters ſtatthaben . Die Antonia ward von den Römern deßhalb immer mit einer
Wadhe beſetzt und das Brätorium des Procurators in dieſelbe verlegt . Die alte firchliche

Tradition hat darum auch hier die Gerichtsſtätte oder das Haus des Pilatus, wie wir gejehen
haben , angenommen . Würde die Burg Antonia nicht in die Nordſeite der Tempel - Area

eingegriffen und hiedurch das Viereck dieſes Platzes unterbrochen haben , ſo hätte die Leußerung
des Joſephus keinen Sinn , wenn er vom Tempelplatze ſagt, derſelbe Tei durch die Zerſtörung
der Antonia zum Viereck geworden . *) Der ſchöne Tempel - Platz hatte einen Umfang von ſechs
Stadien mit Einſchluß der Antonia. Von den Subſtructionen haben ſich rieſige Reſte erhalten,

zum Theil noch vom Salomon’iden Bau . Ganz bejonders denkwürdig iſt eine Stelle an der
Süd- Weſtſeite des Tempelplatzes, woſelbſt die Juden noch heutzutage die rührenden Flaggeſänge
um den Tempel ertönen laſſen. Schon der Pilger von Bordeaux vom Jahre 334 erzählt , daß
die Juden nid ) t weit von den Statuen des Hadrian einen beſtimmten Stein alljährlich zu ſalben
pflegten, indem ſie unter lauten Klagen ihre Kleider zerriſſen . Es iſt wohl ohne Zweifel dieſelbe

Stelle , mit welcher auch Benjamin von Tudela aus dem XII. Jahrhundert dieſe Sitte der
Juden in Verbindung bringt und wo ſie noch heute ebenſo klagen. Die Juden verſammeln ſich
jeden Freitag Abends vor einer alten Mauer hart an der Weſtmauer des Haram auf einem
kleinen länglichen Platze, wo die ungeheuren Quaderſtücke mit der tiefen Fugenränderung das
höchſte Alter befunden . Einzelne Werkſtücke meſſen bei 3 Fuß Höhe eine Länge von 14 bis
16 Fuß ; vor andern beinerkenswerth ſind zwei Quader von einer Länge von 45 Fuß bei Mannes

höhe, welche aus der Mauer vorſpringen und wohl nocy die Widerlager verrathen, wo einſt die
Brücke vom Moriah nach Sion hinüberführte, deren geſtürzte Steine noch im Grunde liegen . **)

Die minder tief geränderten Stücke zweiter Größe gehören dem Aufbau des Herodes und der
Ueberbau mit Steinen dritter Größe ohne Fugenränderung der Mohammeraner - Periode zu .
Das felfenartig verwitterte , maſſenhafte Ausſehe : verſetzt beinahe unwillkührlich in die Zeit der

jüdiſchen Könige zurüd .

* ) Bell. Jud . VI. 5, 4 vgl. Krafft c . V. 76. Sepp , leben Ieſu . Zweite Aufl. III 33 .
** ) Šepp , ģiſtor polit. Bl. XIX . 459,
21 *
164 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs -Stätten .

Die rührenden Chorgeſänge lauten : * )

I. Chorgeſang.

Liturg. Wegen des Balaſtes, der wüſte liegt ;


Wegen des Tempels, der zerſtört iſt;

Wegen der Mauern, die niedergeriſſen ſind;


Wegen unſerer Majeſtät, die dahin iſt ; Volf : Da ſitzen wir einjam

Wegen unſerer großen Männer, die darniederliegen ; und weinen .

Wegen der foſtbaren Steine, die verbrannt ſind ;

Wegen unſrer Prieſter, die geſtrauchelt haben ;


Wegen unſrer Könige, die ihn verachtet haben ;
II . Chorgeſang.

9. Wir bitten Did ), erbarme Dich Zions.


3. Sammle die Kinder Jeruſalems!

2. Eile ! eile ! Zions Erlöſer !

V. Sprich zum Herzen Jeruſalems :


L. Schönheit und Majeſtät möge Zion umgeben !

V. Ach, wende Dich gnädig zu Jeruſalem !

L. Möge bald das königliche Regiment über Zion wiederſcheinen !


V. Tröſte, die trauern über Jeruſalem .

L. Möge Friede und Wonne einkehren in zion,


V. Und der Zweig aufſproſſen zu Jeruſalem !

Am Jahrestage der Zerſtörung Jeruſalems ruft die Synagoge **) mit dem berühmten
Rabbi Jehuda Hallevi ,,Wenn ich o Sion deinen Fal beweine, ſo iſt es das düſtere Sdyreien
des Schakal; wenn ich aber an die Rückkehr aus der Gefangenſchaft denke , jind es die Töne

der Harfe , welche einſt deine göttlichen Geſänge begleitete. Warum kann meine Seele nicht
über den Stätten ſchweben , wo die Gottheit ſich deinen Propheten offenbarte ? Hieb mir Flügel

und icy will die Trümmer meines Herzens über deine Ruinen tragen , id) will deine ſtummen
Steine umarmen und meine Stirne ſoll deinen heiligen Staub berühren. Wie ſüß wäre es
für mich, mit bloßen Füßen über den Trümmern deines Heiligthums an den Ort zu gehen , wo

ſich die Erde öffnete, um die Bundeslade und ihre Cherubim in ihren Schooß aufzunehmen !
Idy würde von meinem Haupte dieſen eitlen Schmuck reißen , und das Schickſal verfludjen , das

deine frommen Anbeter auf eine gemeine Erde geworfen hat. Wie könnte ich mich den Freuden
dieſes Lebens überlaſſen , wenn ich Hunde deine jungen Löwen forttragen ſehe ? Meine Augen
fliehen das Licht des Tages, das mich Raben ſehen läßt, welche die Leichen deiner Adler in die

* ) Schiferle. Il . Pilgerreiſe 1. 38. 492.


** ) Gratz 267 .
1

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பாமானாம்

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பாமாயா
மாமாமா
மாமா

Jerusalem
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Tempelplatz

.
Der Haram und die Omar -Moſdhee. 165

Lüfte entführen . Halte inne, Leidensbecher, laß mir einen einzigen Augenblick Ruhe ; denn ſchon
ſind alle meine Adern vol beiner Bitterfeiten . " So weinen und klageit die Nachkommen an

jenem Orte und vor den Trümmern jenes Heiligthums, wo ihre Väter gejubelt und in Freuden
ſich ergoßen haben ! Von dem ehemaligen Wunderbau des großen Tempels ſelbſt, der in ſeiner
terraſſenförmigen Erhöhung über Vorhof um Vorhof emporſtieg und über die ganze Stadt hinaus

blickte, iſt nidyts mehr erhalten . Der weiße Marmor und die reiche Vergoldung blendeten das
Auge auf weite Ferne. Durch dieſen Tempel ward Jeruſalem zur herrlichſten Stadt des ganzen
Qrients .

24. Der Haram und die Omar - Moſchee.


An ſeiner Stelle haben die Mohammedaner ihr Heiligthum errichtet und den ganzen

Platz für Andersgläubige unzugänglich gemacht. Die gegenwärtige freiliegende Terraſſe , ein
ungleidyſeitiges Barallelogramm formirend , heißt mit Bezug auf die hier befindlichen Gebäude
geradezu el Haram es Scherif d . h . das Hauptheiligthum . Der ganze Platz Haram — hat
folgende Ausdehnung : Die Nordmauer 1020 Fuß , die Oſtmauer 1520 Fuß , die Südmauer

927 Fuß und die Weſtmauer 1617 Fuß. Innerhalb dieſer Mauern erhebt ſich eine gepflaſterte

Plattform beinahe in der Mitte der Umhegung. Dieſe Plattform mißt in der Richtung von
Oſt nach Weſt 450 Fuß und von Nord nach Süd 550 Fuß und liegt um 15 Fuß höher als der
Harain oder Vorplatz. Auf dieſer Plattform ſteht die gefeierte Moſchee Omar's .
Die Moſdhee nimmt ſo ziemlich die Mitte der mit bläulich weißem Marmor gepflaſterten

Plattform ein und umſchließt „ den heiligen Fels ,“ welcher gegen 12 Fuß vom Boden
emporragt . Die Moſchee ruht ſomit auf Feløgrund und heißt ,,Subbet es Sakhrah ", Ruppel

des Felſen . Sie bezeichnet die Stätte des alten Tempels auf der Hölje Moriahe. Auf dem
ungepflaſterten Vorplate Haram – ſind Oliven- Orangen- und Zypreſſen -Bäume gepflanzt,

welche Grabmäler , Gebetsorte und Springbrunnen anmuthig umgeben . Die beigegebene Ab

bildung zeigt den ganzen Platz in ſeiner Längenausdehnung von Nord nady Süd , vom öſtlichen
Abhang des Sion aus geſehen . Vom nördlichſten Punkte, nämlich dem Hauſe des Bilatus

mit den drei Dachkuppeln erſtreckt ſich der Vorplatz bis zu den vor dem großen ſpißen Minaret
gelegenen Eingangshallen , welche auf die Plattform mit der Moſchee von allen Seiten her
zuführen . Von der Moſchee über dem hl. Felſen , in füblicher Richtung gewahrt man die hier

deutlicher vor tretenden Eingangshallen und von ihnen über die Bäume weg die lange Moſchee
el Affa , von welcher noch weiter ſüdlich die Stadtmauer am Abhange des Moriah ſich fortſett .

Im Oſt und Weſt ſind die Grenzen des ganzen Platzes auf Moriah ſcharf bezeichnet, dort durch

das Tiefthal Joſaphat , hier durch das vom Damaskusthor die Stadt durchziehende Thal
Tyropöon , aus welchem man noch jetzt überall zur Weſtſeite des Haram die ſich auf dem
vorliegenden Bilde präſentirt hinaufſteigen muß . Von dieſer Seite , wo die Collegien

der Derwiſche , die türkiſchen Schulen ſich befinden, führen fünf Eingänge auf Stufen zu dem
Haram hinauf.
166 Jeruſalem mit jeinen Erinnerungs - Stätten.

Der heilige Fels wird zunädyſt von 12 Säulen und 4 Pfeilern , welche im Kreiſe auf

geſtellt ſind, umgeben. Dieſen von Pfeilern und Säulen gebildeten Kreis umgibt ein Achted
mit 8 Pfeilern und je zwei Säulen zwiſchen denſelben. Im inneren Kreis mit den erwähnten

4 Pfeilern treffen immer drei Säulen in den Zwiſchenraum von einem Pfeiler zum andern.
Als zweiter und äußerſter Umgang, wieder im Scenia des Acyteces umgeben dann die Umi

faſſungsmauern mit Pilaſtern das erwähnte innere Aqyteck, weldi lekteres mit ſeinen 8 Pfeilern
und 16 Säulen den erſten Umgang um den freisbau bildet , in deſſen Mitte der hl . Fels
ſelbſt ſich befindet. Die äußere Form des Gebäudes iſt hienad ) adytedig von 159 '/2 Fuß Durch

meſſer ; die innerſte aber die eines Kreiſes von 47 Fuß Durchmeſſer. Ueber ihm wölbt ſid ),
von einem hohen Tambour getragen , eine Ruppel von 93 Fuß Höhe, wälrend die Decken des
Umganges flach) und mit Roſetten geziert ſind. Der innere Bau zeigt nod ) völlig antifijirende
Formen . Die Schäfte der Säulen ſind 16 Fuß hod ); ihre Kapitäle werden als compoſite

bezeichnet. Im Mittelfreis ſind die Säulenbaſen attiſd ), im acyteckigen Umgang aber ſchwere
Würfel . Die Säulen ſind unter ſid) und mit den Pfeilern durch Halbfreis - Bögen verbunden ,

dech in der Art, daß ihre Standfähigkeit durch zwiſdengezogene Horizontalbalfen verſtärkt wird,
die von Stütze zu Stütze wie ein Architrav gelegt ſind . Innerhalb des die Kuppel tragenden
Pfeiler- und Säulen -Kreiſes befindet ſich der berühmte heilige Fels , welchen ein vergoldetes

Eiſengitter umſchließt. Ein carmoiſinrother ſeidener Baldadıin der reid )ſten Art hängt darüber.
Der Heilige Fels ragt 10 bis 12 Fuß über dem Boden empor und iſt in ſeiner Naturform
belaſſen . Derſelbe hat eine irreguläre Geſtalt und mißt in der Länge von Nord nady Süd 60
und in der Breite 55 engl. Fuß. Südöſtlich befindet jid , darunter eine ziemlich große unregel

mäßige Höhle. Dies iſt der Fels , auf dem alle Propleten Gottes gebetet und auf dem
Mohammed in der Nacht, da ſich ihm die göttlichen Geſidyte enthüllten , im Kreiſe der Engel
betend ſtand. Er hat davon den Abdruck ſeines Fußes behalten. Von hier hat jidy, nach dem

Glauben der Mohammedaner , ihr Prophet aufwärts durch die ſieben Himmel geſdwungen .
Außer den Fußſpuren zeigen ſie auch den Eindruck der Finger des Engels , welcher den Felſen
zurüchielt, als derſelbe ſchon begonnen hatte, den Propheten auf ſeinem Fluge durch die Himmel
zu begleiten .

Daher komme die geneigte Stellung des Felſen , der übrigens ohne Unterlage eigentlich

frei in der Luft ſchwebe und nur künſtlich unterbaut worden ſei , weil Frauen durch den Anblick

des zwiſchen Himmel und Erde ſchwebenden Felſen zu ſehr erſchrocken ſeien . Bei den Juden
ſteht der Fels in großer Verehrung, weil Jakob darauf ſein Haupt gelegt und ihn ſodann mit

Del begoſſen und zum Denfinal der Wohnung Gottes geweiht hatte. Auf dieſem Fels ward
nach der Meinung der Juden der Glaube Abrahams ſo ſchmerzlid , geprüft und das Heiligthum

des Salomoniſchen Tempels aufgerichtet. Der Bedeutung und Ausſtattung des Innern entſpricht
auch das Aeußere. Auf jeder Seite des Acytecs ſind hohe und ſchlanke ſpitzbogige Niſdhen , zum
Theil mit Fenſtern , die Seiten ſind auf das Reichſte mit Marmortäfelwerk und Moſaik in den
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Moſchee el Afja. 167

verſchiedenſten Ornamentmuſtern verſehen. Der Tambour der Kuppel hat ähnliche Zierden, die

Kuppel ſelbſt aber mit dem krönenden Halbmond mag wohl unter allen des Orients durch die
Reinheit der Bogenlinie und die Einſtimmung der Theile als erſte genannt werden .
So viel genauere Beobachtungen ergeben , iſt das Gebäude keinesfalls weder in der

inneren noch äußeren Architektur aus einer und derſelben Periode. So mag die innere Anord

nung auf römiſch - chriſtlichen Formen beruhen und die glänzende Ausſtattung des Ganzen ungleich
jüngeren Datums als die primitive Anlage ſein . Die Kreuzfahrer weihten das Gebäude nach

Eroberung der Stadt zur chriſtlichen Kirche. Saladin gab es dem Islam 1187 zurück. Dieſer
legteren Periode ſcheint das Leußere zumeiſt anzugehören. Aufſchlüße entſcheidender Art fehlen
bis jetzt. *)
25. Moidee el Akſa.

Südweſtlich von der Meſdhee über dem hl. Felſen macht auf dem Haram-Plate die lang

geſtreckte merkwürdige Moſchee el Atja den meiſten Anſpruch näherer Betrachtung. Dieſelbe

beſteht aus einem Complex mehrerer Moſcheen , „ der eigentlichen Akſa mit dem Betplatz der
Frauen , der Moſdee der 40 Propheten, der Moſchee Omers, Abu Bekers und der Moſchee der

Moghrebin." Den Hauptkörper bildet die eigentliche Affa-Moſchee.**)


Dieſe gleicht einer chriſtlichen Baſilica und erſtreckt ſich bei einer Breite von 180 und

einer Länge von 280 Fuß von Süd nach Nord . Durch eine Vorhalle von 25 Fuß Nord- Süd
tritt man auf der Mitternachtsſeite durch jieben Thüren in die ſieben Schiffe der Moſchee.

Pfeiler und Säulen ſtüßen der Länge und Quere nach verlaufende Holzbalken , auf welchen Unten

träger und Oben raſd geſchwungene Spitzbögen ruhen . Pfeiler und Säulen differiren in Form,

Größe und Material bedeutend. Die einen ſind offenbar römiſd ), die andern ſarazeniſd) . Es
unterliegt keinem Zweifel, daß auch zu dieſem Bau die noch vorhandenen Trümmer der römiſchen

Periode dienen mußten. Aus der flachen Decke der Schiffe erhebt ſich über einer für Sänger

angebrachten Galerie, ſüdlich die Kuppel mit zwei Reihen Fenſter. Vier große auf Quadrat
pfeilern ruhende Bögen mit reider Gold- und Arabesken - Decoration tragen die Kuppel.

Am Südweſtwinkel der Akſa- Moſchee geht man in die Moſchee Abu Bekers , aus dieſer
gegen Nord in die der Moghrebin, während dem Südoſtwinkel der Affa -Moſchee jene des Omer

angefügt iſt. Zwiſchen dem Hochplatz mit der Moſchee über dem hl . Fels und el Akſa iſt ein
Springbrunnen .
Auffallend iſt die Dachformation dieſer Moſchee. Die drei zu beiden Seiten des 32 Fuß

breiten Mittelſchiffes angeordneten Nebenſchiffe werden je weiter nach Außen deſto niedriger , ſo

daß die Dächer ſtufenförmig über einander aufſteigen und ein Hallenartiger Charakter dem

* ) Barclay 395. Rugler , Gefd). O Biſt. I. 500 ff.


** ) Tobler, Topogr. I. 569 ff. Abbildg. bei Ferguſjon. An Essay on the ancient topography of
Jerusalem p. 142 .
168 Jerujalem mit jeinen Erinneringe - Stätten .

Gebäude verliehen wird. Die Dächer ſind mit Blei gedeckt. Die altchriſtlichen Motive ſind

auch hier unverkennbar und wenn der Kaiſers Juſtinian Marienkirche von den meiſten

Archäologen an dieſe Stätte verlegt und als Fundament der Bauten der Akſa-Mojdyee betrachtet
wird , ſo ſteht von Seite der Grundformen nichts im Wege. Juſtinian wollte überhaupt den

Salomon durch ſeine Bauten übertreffen. Weil überliefert wurde , die heilige Maria habe den

Tempel durch das Südportal betreten , als ſie ihren göttlichen Sohn darbringen wollte , darum
wird dieſe Marienkirche ( die Kirche Mariä Opferung) hierher verlegt . Auch Juſtinian ließ die

höchſten Cedern vom Libanon herbeiſchaffen zur Herſtellung des Dades . Die Afja - Moſchee ruht auf
foloſſalen Subſtructionen an der ſüdlichen Seite des Haram , die von Juſtinian nicht neu errichtet,
wohl aber reſtaurirt und erhöht worden ſein können . Das in der jüdlichen Mauer des Haram

auffällige alte Doppel - Thor , zu welchem unter der Akja - Moſchee hinweg vom inneren Hof
ein gewölbter Säulengang, 280 Fuß lang, hinabführt, ſtimmt im Stil ganz überein mit dem
an der Oſtmauer des Haram gelegenen

26. Goldenen Thor.

Beide Thore wurden ſpäter vermauert und nur die mit Blättern verzierten Thorbögen

ſind von Außen noch ſichtbar. Das goldene Thor iſt ein römiſcher Doppelbogen von
viel beſtrittener , vielleicht hadrianiſcher Abkunft und hat nach Innen eine kleine Moſchee mit
Kuppel - Gewölben auf forinthiſchen Säulen . Die inneren Seiten - Wände des goldenen Thores
ſind durch Leiſten in Felder getheilt , die Behandlung elegant und zierlich . Das Außen ſid)
präſentirende Thor zeigt zwei Pilaſter, welche zwei Bögen tragen , in deren Mitte vielleicht eine

Säule ſtand. Die Gliederungen der Bögen ſind ſchon in einer Umbildung der Architravform
zu Ornamentſtreifen geworden ; die Kapitäle der Pilaſter , reich mit Akanthus geſchmückt, zeigen
in den Details einen conventionell ſcharf geſchnittenen Charakter in dem eigenthümlich byzan

tiniſchen Typus des V. Jahrhunderts . Mit dieſem Urtheile Kugler's *) ſtimmen Krafft's und
Ferguſſon's Forſchungen keineswegs zuſammen, deren erſterer mit Bezugnahme auf eine Inſchrift

auf Hadrians, ' legterer auf Conſtantins Zeit und Bau - Charakter hingewieſen . Ferguſſon erblickt
in den Details unleugbare Anklänge an den Palaſt des Diokletian zu Spalatro . Jedenfalls iſt
in dem goldenen Thore und in Beſtandtheilen der Akſa -Moſchee ein bedeutſames Denkmal früh

chriſtlicher Kunſt erhalten . Zur Zeit des Königreiches Jeruſalem hatten hier die fränkiſchen
Könige ihren Palaſt und zur Seite die Tempelherrn ihr Haus . Daher ſtainmt die Benennung
für die Gebäude der Akſa-Moſchee als Kirche der Tempelherrn.

27. unterirdiſche Gänge und Waſſerbehälter.


Bevor wir den Tempelberg verlaſſen , ſei noch der merkwürdigen , unterirdiſchen Gänge **)

*) Geſchichte der Baukunſt I. 380. Sepp . Hiſtor. pol. Bl. XIX. 458 nennt das goldene Thor „die

ſchöne korinthiſche Pforte “ ebenſo Brokeid , Tobler und Jul. Braun I. 401 .
**) Tobler. III. Reiſe 260 ; Schiferle 1. 381 .
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Unterirdiſche Gänge und Waſſerbehälter. 169

gedacht, welche große Höhlen und Steinbrüche darſtellen und ſich vom Damaskusthore bis unter
die Omar -Moſchee, alſo bis zur Stätte des ſalomoniſchen Tempels erſtreden. Man glaubt, daß

hier unten die Steinblöde für den Tempel gebrochen und dann zubereitet durch die jetzt noch
im Innern der Gänge ſichtbaren , bei den ſpäteren Veränderungen aber oben verſchütteten

Deffnungen auf den Platz vor dem Tempelhauſe hinaufgezogen worden ſind, ſo daß auch in
dieſem Bezuge ſich die Worte der Bibel erklären , es ſei beim Tempelbau kein Hammer und
Handwerkszeug gehört worden . Auch die zum Erſtaunen der Römer plötzlich dem Boden

entſteigenden jüdiſchen Flüchtlinge, die auf der verbrannten Tempelſtätte zum Vorſchein kamen ,
hatten in dieſen unterirdiſchen Gängen zum Verſtecke Raum genug , aus welchem ſie nur der
Hunger an ' & Tageslicht uid in die Hände der würgenden Römer hervortrieb. Freilich weiſen

die Spuren der hier gebrochenen Blöcke nicht auf das graue Alterthum des ſalomoniſchen Baues,
benn von ſolch' rieſigen Werkſtüden findet ſich nichts; allein darum fann der erſte Beginn des

Steinbruches immerhin in die ältere Zeit fallen ; natürlich verſchwanden durch nachherige8 Fort
brechen die älteſten Bruchſtellen, die wir am liebſten beſehen möchten . Die ſich heute darbietenden

i Bruchflächen datirt Tobler aus der Zeit der Kreuzfahrer und des Sultans Soliman II. Der

unten entdeckte künſtlich angelegte Brunnen , welcher ſinnig „ Ihräne der Juden " genannt
wird, macht einen Steinbruch zweifellos. Beim Ecce - homo-Bogen ward erſt unlängſt ein großer
unterirdiſcher Gang entdeckt , welcher aus lauter behauenen Steinen beſteht und in der Breite

von 20 Fuß von Nord nach Süd fidy gegen die Nordweſtece des Tempelplages hinzieht. *)
Von großer Merkwürdigkeit iſt außer dieſen unterirdiſdyen Gängen ein großer Waſſerbehälter

des Tempels , **) welcher unterhalb des Tempelplatzes zwiſchen der öſtlichen Abtheilung der
Akfa - Moſchee und dem Hochplaße der Felſenkuppel entdeckt wurde . Eine breite Treppe von

44 Felsſtufen führt zu einer ſchönen Waſſerfläche hinab , welche 736 Fuß im Umfang und in

der Tiefe 42 Fuß hält. Das Gewölbe tragen ausgehauene Feldpfeiler. Außer ſolchen Ciſternen

erwähnt Tacitus unter dem Tempel auch lebendiges Quellwaſſer, wie ſolches in einer Tiefe von
80 Fuß unter der großen Moſchee neuerdings aufgefunden worden . Der felſige Boden Jeru
ſalems iſt überhaupt durch viele Ranäle und Rammern zu Waſſerleitungen in der Tiefe ausgehöhlt

und durchgraben . Daraus erklärt ſich auch die merkwürdige, von den alten Schriftſtellern
berichtete Erſcheinung, daß zu Zeiten der Belagerung die Stadt reichlich mit Waſſer verſorgt
war , während die umgebenden Feinde daran den größten Mangel hatten . In ſolchen unter
irdiſchen Ranälen wurde nämlic bag Quellwaſſer der Umgebung Jeruſalem in die Stadt

geleitet und fo zu ſagen berſenkt, wie von Rönig Ezechias berichtet wird, er habe die Waſſer der

Quellen außerhalb der Stadt verſtopft" und unterhalb zur Stadt geleitet. Wie dieſe Verſtopfung *** )

*) Aug. Zeitg. B. 325, 1860.


**) Tobler. III. W. 221 .
*** ) Rrafft. Topogr. 121 .
22
170 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs -Stätten.

bewerkſtelligt wurde, kann eine ganz ähnliche Einrichtung, die noch heute bei den Teichen Salomons
in Wady Etan ſich vorfindet, klar machen. Hier iſt einige hundert Schritte nordweſtlich von
dem Caſtell el Burak am Abhange des Berges eine Quelle verſenkt, welche die Hauptwaſſermaſſe

den Teichen unterhalb ſpendet. Ein ſchwerer Stein bebedt die Mündung. Maundrell gelang
ies , hier zur Quelle ſelbſt hinabzuſteigen ; er erzählt davon : Durch dieſe Höhle ſteigt man
gegen 12 Fuß gerade in die Tiefe hinab und fömmt zu einem oblongen gewölbten Raum, womit
ein anderer Raum von derſelben Beſchaffenheit, aber kleiner , verbunden iſt. Dieſe beiden

Räume ſind mit ſchönen , ſehr alten Bögen bedeckt , vielleicht noch das Werk Salomong ſelbſt.
An vier Stellen entſpringt das Waſſer. Aus dieſen einzelnen Quellen wird das Waſſer durch

kleine Bäche in eine Art von Becken geleitet und von da durch einen großen unterirdiſchen
Durchgang abwärts nach den Teichen gebracht." In ganz ähnlicher Weiſe wurde der obere
Ausfluß der Quelle Gihon unter Ezechias verſenkt. Es wurde nämlich brunnenartig tief in den

Fels gegraben und ſo das Waſſer durch unterirdiſche , in den Fels eingemeißelte Kanäle und
Kammern in die Stadt hineingeleitet und dem Feinde außerhalb der Stadt entzogen . Unweit '
des Damaskusthores wird die Stelle gelegen haben , von wo die Gihon - Quelle durch ſolche

unterirdiſche Kanäle in die Stadt geführt wurde . Neueſte Beobachtungen beſtättigen die alte
Nachricht, daß man vor dem Damaskusthore in ſtiller Nacht das Rauſchen lebendigen Waſſers
im Herzen der Erde vernehme. Audy hat das Waſſer der dortigen Ciſterne den eigenthümlichen
ſalzigen Geſchmac, wie das Waſſer der Siloah- und Marienquelle, was zu dem Schluß berechtigt,
daß die verſchiedenen Waſſerbehälter Jeruſalems vornehmlich durch die von der Nordſeite her
geführten Waſſerleitungen geſpeiſt werden . *) Denn auch hierin war Jeruſalem vor andern
Gegenden ausgezeichnet, daß es an Waſſer keinen Mangel hatte , wie hinwieder Paläſtina im

Vergleich zu Aegypten und dem ſteinigen Arabien ein Land der Bäche und Gewäſſer heißen
konnte , obwohl es mit Quell- und Brunnen-Waſſer nicht gar reichlich verſehen war.

VI Klima und Vegetation .

Um die klimatiſchen und die Verhältniſſe der Vegetation Jeruſalems und der Umgegend
im rechten Lichte zu zeigen, geben wir in kurzen Zügen, die eines Meiſters Hand entworfen , ein

Geſammtbild der Lage und Bodenerhebung der Stadt und Umgebung. )


**

Jeruſalem auf breitem Gebirgsrücken über ſchluchtig durcybrochenes Steinhügelrevier

ſchweigſam und melancholiſch hingegoſſen, liegt ungefähr in der Mitte zwiſchen dem Kreideſtrand
des Mittelmeeres und dem tamariskenbewachſenen Ufer des Jordanſtromes . Nach beiden

Richtungen hin mögen es etwa , von der hl . Statt aus gerechnet, 10 bis 12 Wegſtunden in

gemeſſenem Karawanenſchritt ſein .


Dieſer Gebirgsrücken , dieſes ſchluchtig durdybrochene Hochland , auf welchem Jeruſalem

*) Nitter . XVI. 392 .


**) Fallmerayer. Aug 3tg Beil 249. 1851 .

1
.
Klima und Vegetation . 171

liegt, iſt etwa nicht eine iſolirt aus der Fläche fich aufſchwingende Terrain - Erhöhung von wenigen

Quadratmeilen Oberfläche, nein , es iſt hier von keiner Zufälligkeit, von keiner vorübergehenden
Laune der Natur die Rebe ; dieſer Gebirgårücken iſt der weſentliche Beſtandtheil , iſt wie das
Knochengerüſte und gleichſam wie der Rückgrat des Landkörpers , den man Baläſtina nennt.

Dieſer Rücgrat geht vom Fuße des Antilibanon , der Paläſtina im Norden ſchließt, bis zur

oaſenreichen Wüſte hinab, die als Südgrenze des gelobten Landes vom rothen Meere herauf bis
in die Nähe von Hebron reicht. Die ganze Länge des Grats , und ſohin auch des Landes
Paläſtina ſelbſt, von Norden nach Süden wird auf etwa 36 deutſche Meilen oder 72 Wega

ſtunden angeſetzt.
Die Landesbreite dagegen voin Strande des Mittelmeeres bis zum Jordan - Fluß durch
reitet man in weniger als 20 Stunden Zeit.

Füllet nun dieſes eingefurchte und thaldurchriſſene Berghüggelland, dieſer Gebirgsrücken

wie die ganze Landeslänge von Norden nach Süden , vom Libanon bis zur Sinaiwüſte, ſo auch
die ganze Landesbreite vom Meerſtrande bei Jafa bis öſtlich zur Jordansfluth ?
Rommt einer vom Landungsplatz in Jafa auf die Höhe des amphitheatraliſch von der

Stadt und ihrer Citadelle bedeckten Stumpffegels hinauf , ſo entfaltet ſich plößlich und wie im
Zauberſchlag eine breite, wellig hinfließende, links und rechts mit dem Himmelsbogen ineinander
rinnende , im Oſten aber durch eine geradlinig von Nord nach Süd ſtreichende Hügelkette

geſchloſſene Feldebene vor dem überraſchten Blick. Dieſe öſtliche Hügelkette iſt nichts anderes
als der genannte „ breite Gebirgsrücken " von Paläſtina , die Feldebene ſelbſt aber das viel

geprieſene Saron des Hohenliedes , jene Blumen - Aue des jüdiſchen Syrifers , noch heute Sit
üppiger Fruchtbarkeit und Saatenluſt. Im Halbbogen um die Stadt Jafa idlingt ſich von

Meer zu Meer ein breiter Gürtel immergrüner Bomeranzen - Gärten , und vom ſchattenvollen

Dickicht dieſer Gärten bis zum Fuß der vorgenannten Hügelkette geht es bald flach, bald ſanft
wellig am lieblichen Ramleh und ſeinen Cactuszäunen wohl 5 gute Reitſtunden auf der waſſer
reichen blühenden Aue fort .

Dieſe fettgraſige Humus - Ebene , dieſes Lilienfeld des hebräiſchen Sängers iſt jedoch in
ſeiner Ausdehnung vom alten Philiſtäer Lande bis zum weißen Vorgebirg des Antilibanon nicht

überall von gleicher Breite und 12 Stunden nördlich von Jafa ſogar 'durch den niedrigen ,
ſchmal und buſig herausſpringenden Carmel flüchtig unterbrochen.

Dieſer Strandebene und ihrem Meere iin Weſten des „ Gebirgsrückens" oder der
Hügelkette entſpricht auf ihrer Oſtſeite ganz genau die zwar ſchmale , aber dem Mittelmeer
parallel laufende Thalfläche des Jordanflußes mit den Seen Hule und Tiberias im Norden und

dem todten Meere im Süden . Liegt nun aber der Waſſerſpiegel des todten Meeres, in welches
der friſch niederrauſchende Jordan noch ohne Catarakte ſtürzt , gegen 1300 Fuß tiefer als der

Waſſerſpiegel des Mittelmeereg bei Fafa , jo fält nothwendig auch der vielgenannte Hochland
rüden von Paläſtina mit ſeiner Oſtſeite nicht ſo ſanft ablaufend und blumig wie im Weſten
22 *
1
1

172 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten .

gegen Saron , ſondern ſteil, raſch wild und tief in das nur etwa 4 Stunden breite, hoch und
kahl eingerandete, glühend - öde Längenthal hinab , in deſſen Mitte , von zwei grünen Kurzholz
ſtreifen eingehüllt, der Jordan vorübereilt.

Der Contraſt der beiden Randflächen iſt auffallend. Die Weſtſeite des Central - Berg

rückens, von Jafa aus über den grünen Schmelz der Ebene hin im Abendſchein der Sonne

befehen , entzückt das Auge durch wundervolle Milde und Symmetrie ; die Oſte oder Jordang
Seite dagegen mit ihrer Verlaſſenheit, und mit der langen Zeile ihrer hohen traurigen Kalt

wände, ihres todten Steingerölles und ihrer zerriſſenen Stürze erfüllt das Gemüth des fremden
Wanderers mit der trübſten Melancholie.

Dies die äußern Umriſſe des Paläſtinenſiſchen Hochlandrüdens. Die Oberfläche dieſes

Hochlandrückens aber iſt uneben , felſig, ja gebirgig und tief eingefurcht, nach allen Seiten von
Thalengen durchſchnitten , deren Anfänge nicht etwa gleichmäßig links und rechts von dem
bezeichneten, das land von Nord nach Süd durchziehenden Hauptknochengrate auslaufen, ſondern

die vielmehr im abenteuerlichen Gewirre in einander verſchoben und verſchlungen ſind , und
weſtlich auf die weite Grün- Ebene Saron , öſtlich in die enge , ausgebrannte und baumloſe

Jordan'8 -Aue münden , im Innern aber bald kleine Hochflächen , bald ſchluchtige und ſchatten

dolle Tiefriſſe, bald auige Niederungen und geſchloſſene Hügelmulden der lieblichſten Form bilden.
Das Ganze noch beſſer zu veranſchaulichen , möge folgendes Bild dienen . Denkt man
ſich das Brauſen eines fluthenaufſchwellenden Meerſturms plößlich in ſeinem Zorn verſtummt
und das wogende Wellenlabyrinth mit ſeinen Höhen und Tiefen, ſeinen langzügen und Rundungen
wie durch Zauberſchlag in vollem Schwung Berſteinert , ſo wär' es vielleicht der gelungenſte
Schattenriß des jüdiſchen Hügellandes.

Dieſes ſo ungleich geſchwellte Paläſtina- Hügelland ſtreicht vom Fuß des Antilibanon jedoch
nicht in ununterbrochener Strömung , gleichſam wie ein verſteinerter Wellenſund der ganzen
Länge nach bis in die ſinaitiſche Wüſte hinab, ſondern es findet eine Unterbrechung ſtatt.

Ein Querſpalt, von der Strandfläche im Weſten bis zur Dürren Jordan's - Aue im

Often mitten durch das Bergland brechend, reißt dieſes Hügelland, dieſen Gebirgsrüden in zwei
ungleiche, von einander vollkommen getrennte , für ſich beſtehende Hälften auseinander. Die

kleinere nördliche dieſer Hälften, wohin Nazareth, der Tabor und die Städte am See Genefareth
gehören , heißt noch heute Galiläa und fällt zwiſchen genannten Querſpalt und den Anti
libanon hinein.

Die größere ſüdliche Hälfte aber iſt das eigentliche Iudäa mit dem Gebirge Ephraim
und den beiden Hauptſtädten Samaria und Ieruſalem .

Unter dieſem Querſpalt darf man ſich aber nicht einen wild und ſchluchtig von hohen
Bergen eingeengten Tiefriß vorſtellen. Der Querſpalt iſt vielmehr eine flache, fette , durch
Grundquellen reichlich getränkte, nur zu Anfang und zu Ende durch tiefe Paßengen geſchloſſene,
in der Mitte aber wenigſtens vier Reitſtunden breite , fluthig , lieblich und niedrig eingerahmte

1
Klima und Vegetation . 173

Feldebene, die an Fruchtbarkeit mit der Anemonen - Aue Saron wetteifert , wo nicht gar an

Fülle und Segen ſie noch übertrifft. Im alten Bunde war es das vielgeprieſene Thal Fesreel ,
bei den Späteren iſt es „ Feld Esdrelon “ , war aber für Arieg und tummelnde Reiterſchaaren
von jeher ebenſo geeignet und erwünſcht, wie für das Sichelſpiel des Schnitters und das ſtille
Glück des 3dyllenlebens.
Laſſen wir dieſe Nordhälfte, Galiläa mit dem Taborkegel und den grünen Flerbüſchen

und ſchweifen wir mit unſrem Blick über das ſüdliche , hochwelliger aufgeworfene Bergrevier
endlich gegen Jeruſalem hinauf. Vom Rande der bauchig ausgeſchweiften Esdrelon - Ebene bis

in die hl. Stadt reitet man über Berg und Thal in etwa 20 Stunden Zeit und wer immer

liebliche Hügelformen , ſchöne Halden und reizende Mulden ſehen will , der komme in dieſe
Gegend des alten Judenlandes und er wird noch heute die Thränen und das ſehnſuchtsvolle

Heimweh der verbannten Zitherſpieler , an den Weidenbächen Babylons " begreifen . Und ſind

auch heute die dunkeln Wälder mit ihrer Schatten - Mühle bis auf fümmerliche Reſte weggefegt,
iſt auch der Quellenreichthum meiſtens ausgetrocknet, die Grasmatte verſengt und an vielen

Stellen ſelbſt die Fruchterde mit Fett und Pflanzenkeim durch den Wetterſturm weggeſchwemmt,
und tritt auch in langen Zügen das verborrte Geſtein , das faft- und nervenloſe Knochenwerk
des Urbodens zu Tage , ſo ſind doch die ſchattigen Tiefgründe von Sindſchel, die Myrten,

die Nußbäume , die Del- und Feigen - Gärten und das traubenvolle Geranke ihrer zauberiſch

gerundeten Hügel, ſowie die Baumwipfel der Silo -Höhe, wie ſie gewiegt in fchwellender Morgen
luft den unten vorüberziehenden Fremdling grüßen , die reizende Samaria- Kuppe und ihre matt
grünen Tinten geradezu unvergeßlich; am wenigſten wohl wird das Sanir - Thal mit ſeiner
Safranblüthe, ſeiner Melancholie und ſeinem Asphodil der Erinnerung verwiſcht werden können .
Nirgend mag es ſo deutlich werden als hier , daß die Urſchöne einer Landſchaft ganz zu ver
wiſchen Neid, Thorheit und Zerſtörungswuth der Menſchen ſelbſt im Bunde mit den zürnenden
Elementen unvermögend ſind.

Sichem (Nabolus), die ſchmutigſte, aber zweitgrößte und verhältnißmäßig wohlgebauteſte


Stadt Paläſtina's liegt in einem quellenreichen, üppig grünen, mit Gärten angefüllten Hochthale

und die luftigen Berggipfel der Nachbarſchaft ſollen eine Höhe von dritthalb Tauſend Fuß über
dem Waſſerſpiegel des Mittelmeeres erreichen , nebenher aber doch das Thal - Niveau um kaum
800 Fuß überbieten. Sagt man nun , der luftige , von der Stadt Jeruſalem durch eine raſch

abfallende enge Tiefſchlucht getrennte Höhenzug Delberg ) ſei gerade ſo hoch wie die fahlen
Berggipfel von Sichem und nur um etwa 150 Fuß höher als die ſanft anlaufende, Jeruſalem

tragende Hügelſchwellung Zion , ſo iſt leicht zu erkennen , daß die hl. Stadt beinahe 2400 Fuß
über dem Waſſerſpiegel des Mittelmeeres liegt und daß man folglich von allen vier Weltgegenden, wie
die Schrift ſagt, nach Ieruſalem hinaufgehen müße . Das Hochterrain , auf welchem Jeruſalem
ſteht, fällt aber keineswegs gleich außerhalb der Ringmauer ſchon nach allen vier Weltgegenden
raſch und ſteil in die Tiefe hinab. Jeruſalem – das iſt das Hauptmerkmal liegt wie auf
174
Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs- Stätten.

einem flach und breit von der Nordſeite herabfließenden , links und rechts durch Schluchten
eingeengten, füblich aber in raſcher Terrainſenkung tief abfallenden Promontoriuin , das aber in

ſeinem Innern doch keine zuſammenhängende und gewiſſermaſſen flächige Einheit bildet , ſondern

gleich am nördlichen Eingang der Stadt ſelbſt wieder in zwei parallellaufende, durch die nur
matt eingedrückte Thalmulde , Tyropöon “ getrennten Höhenzüge auseinander geht. Der weſtlichere
dieſer beiden erſt in der Stadt felbſt auftauchenden Höhenzüge iſt der ſchön gewölbte und breit

leibig hingeſtreckte eigentliche alte Zion ; der öſtlichere dagegen iſt dem Doppelhöcker eines
baktriſchen Laſtkameles gleich und wird mit den alten Benennungen Bezetha und Moriah

belegt . Der Moriah - Höcker, als der ſüdlichere , unmittelbar über der Tiefſchlucht hängend und
von unten Herauf befehen , gleichſam in der Luft ſchwebend , trägt noch heute das furchtbare

Quadratgemäuer der von Cypreſſen , Delbäumen und Celtis Auſtralis dünn beſchatteten Salo
moniſchen Tempelflädie mit dem Prachtbau der Omar - Moſchee. Denkt man ſich nun dieſe
beiden Stadthöhenzüge Zion und Bezetha - Moriah ſammt der Mulde dazwiſchen mit Gebäuden
überdeckt , von den Außenſchluchten des Promontoriume dagegen die weſtliche Hinnom
genannt verhältniſmäßig fanft und flach ablaufend , die öſtliche — Thal Joſaphat ſteil,
wild und tief eingebrochen , beide aber dicht unter der hohen Südfronte des Promontoriums

ineinander rinnend , und dann nach kurzer Gartenluſt in grauſenvolle Wildbadiſd) ludt in öden

Steilwindungen zum Felſenkloſter St. Saba , und von dort durch nody traurigere Steinthäler,
im Ganzen wohl neun Stunden fort zum tobten Meere hinabſtürzend, ſo iſt in den nothwendigſten

Strichen das Lichtbild des heutigen Jeruſalem vollendet und zugleich in ‘allgemeinen Umriſſen

die Vegetation Paläſtina's dargelegt . Es kann dieſer Terrain - Geſtaltung zu Folge auch die im
Vergleich zur nädyſten Umgebung bedeutend geminderte Temperatur Jeruſalems nicht mehr
befremden , fo daß die ſtrauchartige Baumwolle und andere wärmere Pflanzen , die um Jericho
heimniſch ſind, in Jeruſalem nicht angetroffen werden .

Am längſten Tage ſteht hier die Sonne um 4 Uhr 57 Minuten auf und geht um 7 Uhr

3 Minuten unter. Am fürzeſten Tage fällt der Aufgang mit 7 Uhr 3 Minuten und der Unters

gang mit 4 Uhr 57 Minuten zuſammen . Die Wärme wechſelt nach den Jahreszeiten bedeutend .

Von Mitte Dezembers bis Mitte Februars iſt es am fühlſten . Reif und Eis aber ſind nur

feltene Erſd einungen . llebrigens kann die Wärine auch mitten im Winter 12 " überſteigen .

Obwohl die Wärme oft ſchon im Mai einen hohen Grad erreicht, beginnt dody die eigentliche
Hitze erſt im Juni, ſteigt aber dann im Laufe des Sommers bis auf + 32º R. Wenn der

Sirocco nicht weht, iſt er Morgens und Abends fühl und angenehm . Sonſt bietet ſich hier die
merkwürdige Erſdeinung, daß die Wärme von Mittag an weniger ſtark abnimmt, als im Abends
lande. *) Die Morgen ſind beinahe immer am fälteſten .

Vergleicht man die Temperatur der hl. Stadt mit den umliegenden , faſt gleich hody

*) Tobler . Denkblätter 18. ff.

i
Klima und Vegetation . 175

liegenden Ortſchaften , wie Bethlehem , Mar Elias , Ed - Dichib, ſo ſtellt ſich kaum oder nur ein
geringer Unterſchied heraus , deſto bedeutender iſt er in der Ebene weſtlich und öſtlich vom
Gebirgsrücken , worauf Jeruſalem ſteht. Während der Winter in Jeruſalem ſtreng und rauh

befunden wurde , herrſchte in Saron der herrlichſte Frühling und die öſtliche Ebene ( Jericho)

zeigte ägyptiſches Klima - alſo in der Entfernung von blos 6 Stunden ein auffallender Contraſt.
Es giebt gewiß nicht viel Länder , wo man auf einer ſo kurzen Strecke und zwar unter dem

gleidhen Grade der Erdbreite einen ſo großen Temperaturabſtand beobachtet. Den Veginn der

Regenzeit eröffnet der Frühregen. So heißt der erſte Regen, während der legte Ende Aprils

oder Anfang8 Mai in der Særift Spätregen genannt wird , auf welchen die Bewohner ihr

beſonderes Augenmerk richten, denn wenn der Regenniederſchlag für die Saat bisher zu ſparſam
erſcheint, ſo hofft der Landmann ängſtlid), es möchte doch der lette Regen noch nicht gefallen
ſein . Im Auguſt und September erquict reichlicher Thau das lechzende land ; denn auch ein

heftiger Regen wird von demſelben ſchnell aufgeſaugt , ſo daß nur ſelten die Wege aufhören,

gangbar zu ſein.
3m Allgemeinen kann die Luft auf dem hohen , fumpffreien Jeruſalem als rein und
geſund erklärt werden, obſchon ſie hin und wieder einen hohen Grad von Feuchtigkeit beſigt.

Dem allgemeinen Bilde der Vegetation mögen nod) einzelne verdeutlichende Züge beigefügt
werden . Es leidet keinen Zweifel, daß das land ehedem fruchtbarer und fleißiger bebaut geweſen ,
als in der neueren Zeit. Die manchenorts oft gähen Abdachungen laſſen die Erdſchichte an der
Felsſohle nur locker hängen, weßhalb ſie durch eine Mauer geſchüßt wurde, damit ſie nicht durch

den Regen in die Thalmulde hinabgeſchwemmt werde. Solche Terraſſenbauten zeigen ſich noch
in großen Ueberreſten an vielen Orten , ohne Nachahmung gefunden zu haben . Auch berichtet
das vorige Jahrhundert von einer Vorrichtung beim Pflügen , die den Fleiß in der Bebauung

des Landes hinlänglich beweiſt.


Eine Röhre , an deren oberſtem Ende ein lederner Trichter feſt aufſaß , war dergeſtalt

angebracht, daß ſie in das Pflugeiſen hinlief. Während der.Ackersmann pflügte , bewäſſerte er

mittels dieſer Vorrichtung das Erdreich. Er trug unter dem linken Arm einen Schlauch mit

Waſſer, dieſes aus demſelben in den Trichter zu gießen, wodurch es in die Furche floß. Obwohl

von dieſer Vorrichtung nichts mehr entdeckt ward , ſo iſt hingegen der Pflug noch immer ſehr

leicht, wie er in alter Zeit geſchildert iſt. Da die Erde, nachdem ſie einmal aufgebrochen, keinen
feſten Zuſammenhang annimmt, ſo wäre es eine Thorheit, ſich eines ſchweren Pfluge8 zu bedienen .

Man pflügt mit kleinem , magerem Rindvieh . Wohl wird audy ein Efel einem kleinen Ochſen

zu dieſer Arbeit öfters beigeſellt. Vor dem Pflügen findet das Säen ſtatt. Zur Erleichterung

dieſes Geſchäftes werden kleine Felder abgegrenzt, d. h. vor dem eigentlichen Adern werden mit

dem Pfluge jahnweiſe Furchen gezogen . Dadurch wird das Eggen überflüßig. Das Jäten

verrichtet man auf ſehr geſchickte Weije : In der rechten Hand hält man eine kleine leichte Hace

und mit der Linken beſeitigt man das Unkraut. Wenn das Getreide abgeſchnitten iſt, wonach

1
176 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs-Stätten .

die Armen ſich mit der Nachleſe beſchäftigen , wird es in kleinen Garben von Eſeln oder auc

Kamelen zu den Dreſchpläßen gebracht. Als Dreſchtenne dient ein Stüc Boden unter freiem
Himmel, das ziemlich eben, feſt und ſo gelegen iſt, daß der Wind frei durchſtreichen kann . Das

Vieh tritt dann im Areiſe herumgehend auf die Garben, bis die ſehr reife und von der Sonne

gedörrte Aehre nur nocy Spreu zeigt und das Korn gänzlich von der Hülfe getrennt iſt. Unter

deffen wird das Getreide mit einer großen zweizacigen Holzgabel umgekehrt . Selten driſcht
man auch mit einem gezähnten Werkzeug, das die Hand führt oder ein Ochſe zieht.
Das Rorn wird dann mit Schaufeln in der Luft geworfelt und mit dem Winde gewannet,
wodurch die leichtern Theile ſich abſondern und einzig der nacte Same , vermöge ſeines

Gewichtes, auf den Boden herabfällt.


Das ausgedroſchene Getreide wird auf ganz eigenthümliche Art aufbewahrt. Kleinere

Quantitäten faßt man in faſt mannhohe bauchige Töpfe von etwa 2 Fuß Durchmeſſer, welche
im Wohnzimmer aufgeſtellt ſind ; größere Quantitäten dagegen werden vergraben , nicht blos in

Syrien , ſondern auch in Afrika . Die unterirdiſchen Magazirie ſind ciſternenähnlich , mit einer
brunnenartigen Deffnung . Wahrſcheinlich iſt die Form der aſiatiſchen und afrikaniſchen Getreides

behälter gleich.
Legtere werden alſo beſchrieben : Eine Grube , gegen tauſend Büſchel faſſend , hat die
Geſtalt eines ungeheuren Kruges ; die Seiten werden fußdick mit Mörtel bekleidet und die

Höhlung bis zur Deffnung mit Korn angefüllt. Die Mündung, etwa 3 Fuß unter der Ober
fläche der Erde, iſt ſo groß , daß ein Mann hinabgelaſſen werden kann . Die Stelle überwächſt
mit Gras und Niemand kennt ſie außer dem Eigenthümer. Dieſe Art Aufbewahrung ſcheint aus
den früheſten Zeiten zu ſtammen und hat beſonders im Oſten des Delberges hänfige Nachahmung

gefunden, wo in Felſen gehauene Getreidebehälter erwähnt werden .


In geſegneten Jahren iſt die Ernte zehn - bis fünfzehufältig ; in weniger fruchtbaren
Jahren vier s bis ſechsfältig. Jedes ſechste Jahr wird für ein ſegenreiches gehalten. In der
Nähe Jeruſalems bebaut man das Land ie das zweite Jahr und es ruht mithin je das zweite
Fahr. Waizen und Mais ſind die gewöhnlichſten Getreideſorten . Aucy Gerſte, Linſe und Seſam
werden gebaut. Außer dem Del- und Feigen - Baum kommen der Mandel- , Maulbeer- und
Johannisbrod - Baum mehr oder minder häufig vor. A18 die Seidenzucht mehr blühte , gab es
gegen die Richter -Gräber zahlreiche Maulbeerbäume , die jetzt ſeltener geworden . Der Pomeranzen-,
Aprifoſen - , Pfirſich-, Citronen - und Granatäpfel- Pflanzungen ward bereits gedacht. Ein jest
etwas ſeltener, ehedem aber häufig geprieſener Baum iſt die ſtattliche Terebinthe. Andere werden

bei Darſtellung der betreffenden Landſchaft angeführt werden .


Von den Thieren findet man in Jeruſalem Ramele, Dromedare, Kühe , Odhjen , Ejel,

Maulthiere, Pferde, Ziegen , Schafe, Hunde, Raßen , Turteltauben , Rebhühner, indiſche Hühner,
und mancher Vogel wiegt ſich frei in den Lüften und trilert ſeine alten Gefänge, welche David

und Salomon don gehört haben mochten.


Klima und Vegetation . 177

Das Dromedar , kleiner als das Kamel, bekanntlich nur mit einem Höcker verſehen, iſt

ein guter Läufer auf ebenem Pfade und jandigein Boden , im Gebirge aber ein ſchlechter. Es
kömmt félten nach Jeruſalem, Häufig dagegen durch die Steppe zwiſchen Gaza und Kairo .

Mühe und Odiſen , meiſt von röthlicher Farbe , mit ſtruppigen Haaren und mager ſind
weder ſchön , noch groß und ſtark. In Galiläa fdyon finden ſie ſich größer und ſchöner als in
Judäa . Ejel und Maulthiere ſind von gewöhnlicher Race . Die Freude und der Stolz des Araber8,
das Pfert , zeigt auch hier feine edle Abftammung. Manche haben ein unſcheinbares Ausſehen,

aber Ausdauer, Folgſamkeit und leichtigkeit im hödiſten Grade, dabei eine ſo ſanfte, zuthunliche

Art , daß man die Zuneigung des Arabers zu ſeinem Pferde leicht begreift und theilt . Die

Zuverläßigkeit dieſer leicht athmenden , äußerſt genügſamen Pferde wird auf dem zerriſſenen und

abſdhüſſigen Terrain Judäas häufig genug erprobt und bewundert. Die Zahl der Vögelarten
deint nicht bedeutend zu ſein . In der Ebene von Jericho erfreut der Geſang der Nachtigall
und der Schlag der Wachtel den einſamen Wanderer, während in Jeruſalem eine Art Fink ben
ganzen Sängerchor verſieht. An Raubvögeln iſt in der Nähe der Stadt kein Mangel, worunter

der Aasgeier und Bienenfreßer beſonders bekannt ſind. Letzterer liebt die Thäler bei Jeruſalem
und Bethlehem . Audi Züge von Staaren begegneten dem Bilger in der Sdyludyt um Jeruſalem.

Minder erfreulich läßt ſich das Gefråchze der Raben und der Kiageton der Nachteule, beſonders

auf dem Tempelberge vernehmen . Von den Inſekten haben die verheerenden Heuſdređen
eine traurige Berühmtheit in dieſen Ländern des Oſtens . Die Saaten, Reben und Früchte, ja

das Laub von den Bäumen verfällt der Wuth dieſer Thiere . Im Dezember 1837 zeigte ſich
in der Richtung von Südweſt Nachmittags plötzlich ein Schwarm von Heuſdyrecken, die oſtwärts
über den Delberg flogen . Während des Zuge8, der eine Stunde dauerte, fiel eine ſolche Menge
auf die Erde , daß davon die Oberfläche des Bodens ganz bedeckt wurde . Sie waren grasgrün
und fingerlang . Seroch riditeten ſte dieſmal keinen Schaden an . Im Jänner 1845 jah man

röthlich braune und kleinere Heuſdyrecken in einem Zuge von / Stunden über die hl. Stadt

hinſchwärmen . Einen ſpäteren Zug trieb ein ſtarker Nordweſtwind in das todte Meer , wo ſie

zu Millionen ſtarben .

VII . Vcrfchr und öffentlides Leben zu Jeruſalem .

Die Stadt wird nach den Bekenntniſſen und Nationen in vier Viertel (Haret) getheilt,
nämlich : das armeniſde und Chriſten - Viertel auf der Weſthälfte der Stadt ;

Das Juben und Mohammedaner - Viertel auf der Oſthälfte.

Das Armeniſche Viertel liegt auf dem Zion im ſüdweſtlichen Theile der Stadt.
Die Citadelle und neue Kaſerne gehören noch in dasſelbe. Von den Klöſtern und Kirchen der

Armenier war Oben ausführlich die Rede.


Das Chriſten - Viertel nimint die Nordweſtanhöhe ein und grenzt im Süden an das

vorige. Seit dem XI. Jahrhunderte bewohnen dieſen nordweſtlichen Theil der Stadt vorzugs
23
178 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerung8 - Stätten.

weiſe die Chriſten. Die hl. Grabkirche, bas lateiniſche und griechiſche Kloſter, das Iohanniter
hospital liegen innerhalb deſſelben.
Das Juden - Viertel hat den Mitteltheil im Süden der Stadt inne und befaßt etwa
den zwölften Theil derſelben . Es erſtreckt ſich vom Zionsthor in nordöſtlicher Richtung bis zur
Tempelmauer und der alten Tempel- Gaſſe (Suk Tellalin und Babes Sinsleh ) .
Von hier nördlich beginnt das Viertel der Mohammedaner , welches an Größe alle
übertrifft und den Nordtheil Jeruſalems einnimmt.

Von den Blätzen ſind außer dem des Haram eſch -Scherif die bemerkenswertheſten :
a) der Vorplatz der hl . Grabkirche, wo zur Pilgerzeit der lebhafteſte Verkehr ſtattfindet ; b ) der
Schloßplatz, öſtlich von der Citadelle . Er iſt nicht groß und wird als Marktplatz wenig , eher

noch zum Verkauf von Früchten und Gemüſe benützt; c) der freundliche, wenn auch kleine Platz
an der öſtlichſten Gaſſe des Juden - Quartiers, der hier den Namen „ Sampfplatz “ führt. Fit
dieſer Gegend , nahe über dem Tyropöon muß der alte Xy8tus gelegen haben ; d) der Platz
beim Zionsthor, aber innerhalb der Stadt , wo alle Freitage Viehmarkt gehalten wird . Ein

folcher findet auch vor dem Stephansthore ſtatt.

Die Gajien nehmen ihre Hauptrichtungen von Weſt nach Oſt und von Süd nady Nord,
ſo daß ſie einander durchfreuzen . Tobler zählte deren 170. Dhne einen Winkel zu bilden

durchläuft keine Gaſſe die ganze Stadt ; viele enden als ſogenannte Sadgaſſen. Die Mehrzahl
iſt ſchmal und der Lage der Stadt entſprechend auf- und abſteigend und zwar größtentheils von
Weſt nach Oſt. Die engſten Gaſſen haben nur 2/4 Fuß Breite ; die weiteſten 16 Fuß . Dieß

erklärt ſich aber einfach. In der ganzen Stadt ſieht man keinen Wagen mehr, der breitere

Gaſſen erforderte , deſgleichen keine Sänfte. Den Transport beſorgen die Padthiere. Breter,
Balken, Del, Häckerling, Waſſer, Getreide, Alles wird auf dem Rücken der Kamele, Ejel, Pferde

oder Maulthiere fortgeſchafft. Freilich ſind gerade die beſuchteſten Gaſſen für den Transport
zu ſchmal, zumal wenn mehrere Kamele mit Balken und Steinen belaſtet dieſelben paſſiren .
Die geringe Breite gewährt aber den Vortheil, daß die Strahlen der heißen Sommer

Sonne weniger läſtig in die freien Straßen fallen und daß das Ueberſpannen mit Tüchern oder
anderen Stoffen, um ſich Schatten zu ſichern, weniger umſtändlich und koſtſpielig iſt.
Die meiſten Straßen ſtehen nämlich unter freiem Himmel und der überwölbten iſt

keine große Zahl . Legtere find düſter und ſchützen vor Regen und Sonne. Die Marktgaſſen
mit den Verkaufsbuden ſind auf ſolchen Sdyuz beſonders angewieſen.

Die bedeutenſte Gewölbe -Gaſſe wird Bazar oder Kaufhaus von den Abendländern
genannt. Dieſer Bazar beſteht aus drei nebeneinander herlaufenden von Süd nach Nord

gerichteten gewölbten Gängen , welche mittels Durchgänge untereinander verbunden und durch
Thore abzuſchließen ſind . An den Gewölben ſind Licht- Deffnungen angebrađịt. Dieſe Licht
öffnungen zeigen die hintereinander auf dem Plattdache des Bazars in beſtimmten Zwiſchen
räumen aufgeſtellten Mauer- Bögen an . Das Licht tritt alſo von den Seiten dieſer Rundbögen
Verkehr und öffentliches Leben zu Jeruſalem . 179

über dem Plattdache des Marktgewölbes zu und fällt durch die Deffnung im Gewölbe in die
Gaffe hinab. Der Bazar iſt im Oſten von den Ruinen des Johanniter- Hospitals und zerfält
in den Fleiſchmarkt (Suk el Lahein) , welcher von dieſen dreien die weſtlichſte Gewölbegaſſe
iſt; daneben iſt der Gewürzhändler- und daran ſtoſſend als öſtlichſter Gang der Gold

i chmiedmarkt . Der mittlere Gewölbezug iſt der längſte und wird Suk el Attarin, der öſtlichſte
und kürzeſte Suk es Sijagh genannt und das Ganze heißt bei den Franken Bazar.
Die Kaufleute ſiten in ihren Buden , welche in der Regel einen von der Gaſje etwa

3 Fuß erhöhten Boden oder ein Zimmer bilden d . h . einen Raum mit drei Wänden , der gegen
die Gaſſe mit Läden verſehen iſt. Die Waaren liegen um den Krämer herum auf dem Boden ,
oder an den Wänden auf Geſtellen und auf dem Laden , der gewöhnlich auf die Gaſſe hinaus
ragt . In den Buden wird entweder gearbeitet, ſo daß ſie zugleich die Werkſtätte bilden z . B.

der Pfeifenrohrdrechſler, der Schuſter und Sattler. Andere ſind blos Verkaufslokale .

Andere Berkäufer haben keine Buden , ſondern poſtiren ſich in einen Winkel der Gaſſe

und breiten ihre Waare vor fidy auf dem Boden aus . Wenn es angeht, wird noch ein Teppidy
hingebreitet, wie auf dem Boden der Buden .

Aufſdhriften über letzteren ſtammen erſt aus neueſter Zeit.

Einem lebhaften Handel iſt die Lage der Stadt nicht günſtig, da die Straße zwiſchen
Kairo und Damaskus durch Namleh zieht . Die Ausfuhrartikel beſtehen vorzüglich in Andenken
der Hyl. Stadt , in Crucifixen , Roſenkränzen , Heiligenbildern aus Perlmutter, Holz , dem

ſogenannten Moſesſteine, dann in Käſtdyen von Olivenholz des Delberges und in Jericho - Roſen .

Die Einfuhr in Schladıt- Vieh , Zucker , Reis, Zwieback, Datteln, Butter, Manufaktur
Waaren kömmt theils aus der Umgegend bis über den Jordan und das todte Meer, theils von
Nabulus in Samaria und Damaskus, theils aus Aegypten, Cypern, Türkei, theils aus Europa,

mandjes bringen die Beduinen ſelbſt zu Markte.

Zur Pilgerzeit, beſonders gegen Oſtern gewinnt der Handel an leben , wo beim Zuſtrömen
von Fremden , beſonders von Damascener - Raufleuten , die karawanenweiſe herziehen , eine Art
Meſſe gehalten wird .

Trotz vieler Gewerbe ſind die Bewohner Jeruſalems im Allgemeinen ſehr zur Trägheit

geneigt. Männer , Weiber und Kinder lagern ſich oft den ganzen Tag unter grünen Bäumen,

rauchen ihre Pfeifen und ſind entzückt beim ſüßen Nichtsthun. Hauptſächlich wegen der Liebe

zum Müßiggange ſind hier reiche Leute ſelten . So iſt hier die Reinigung der Straßen eigentlich

den Hunden anheimgeſtellt , welche das herumliegende Aas aufzehren und jeden Unrath durch
ſtören . Der Winters oft ſtromweiſe herabſtürzende Regen ſchwemmt auf einige Zeit den

Gaſſenfoth weg, zu deſſen Beſeitigung keine Hand angelegt wird.

Eine ganz beſondere Aufmerkjamkeit verdient die Einrichtung der Wohnungen oder

Häuſer in Jeruſalem .
23 *
180 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs- Stätten.

Hiebei hat man dreierlei zu berücjichtigen . Die morgenländiſchen Sitten , die hydro
logiſden Verhältniße und die Flora .

Die Sitte verlangt , daß die Weiber ein mehr verborgenes Leben führen , weßhalb ihnen
Höfe und geblendete Dächer zum Aufenthalte angewieſen ſind . Die andern fordern das

Sammeln des Regenwaſſers, wozu die Ziſternen thunlichſt im Hofraume angelegt werden.
Nady dieſem Waſſerbedürfniſſe ſind nun beſonders die Dächer und die unter freiem
Himmel ſtehenden Böden gebaut ; es haben nämlich alle Oberflächen , die dem Regen zugänglich

ſind, eine Neigung gegen das unten befindliche Ziſternen - Centrum. Der Hof mit der Ziſterne
bildet ſo die eigentliche Mitte der Haus- Anlage.

Die Flora endlich bedingt möglichſte Sparſamkeit mit dem Holze , denn an Stamm
Holz herrſcht hier Mangel . Das Hauptmaterial beſteht ſomit aus Stein , Erde und Mineral

produkten . Holz wird nur zu Thüren , Läden , Fenſtergittern oder Erkern verwendet. Dieſe
Häuſer ſind eigentlicy umbaute Höfe und Terraſſen ; eine Gruppe von einzelnen , ſelten gleich
hohen Würfeln mit Kuppeln . Dieſe Würfel ſind die Zimmer, welche ſomit eigenen freien

Zugang und ein beſonderes fladyes Dach haben , in deſſen Mitte die mehr oder minder
geſchwellte Kuppel ſich befindet. Man kann dieſe würfelförmigen Zimmer aud) als beſondere
Häuschen denken , die jedoch durch Gänge und Treppen mit den neben- und darüber - liegenden

Wohnungen und Dachyteraſſen verbunden ſind. Dieſe Verbindungsgänge und Treppen liegen
unter freiem Himmel, ſo daß man bei Unwetter aus einem Gelaſſe in das andere und von den
unteren Wohnungen in die höheren nicht ohne Regenſchirm ſid begeben kann , was unſerer
Bauweiſe und Gewohnheit geradezu widerſpricht. Es liegen die Zimmer alſo nicht direkt über
einander, ſonſt könnte nicht jedes Gelaß ſein eigenes Duch haben , ſondern aus dem tieferen
Stockwerke führt eine Steintreppe zunädiſt auf das Teraſſendach des Zimmerwürfels und von

dieſer Terraſſe aús ſteigt wieder ein anderes Häuschen oder Zimmergelaß , freilich auf einer
andern Seite auf , das ebenfalls ſein eigenes Dad, hat . Deſhalb brauchen ſolche Häuſer ſehr

viel Flächen - Raum . Die Dachkuppeln endlich ſind gewöhnlich nur blinde , innerlich gefüllte,
aus Thon und zerſtampfter Rieſelerde backofenförmig gewölbte Sdwellungen , die im Innern

des Zimmers nur durch eine rundgemuldete Fladvertiefung der Zimmerdeđe matt angedeutet

ſind. Sie bilden ein Charakteriſtikum der Häuſer Jeruſalems und ſcheinen aus uralter Zeit
überliefert zu ſein . Um die Kuppelſchwellung herum läuft das Dach , welches zum Aufenthalt
und Genuß der friſchen Luft vorzüglich geeignet iſt. Das Dady iſt nicyt eigentlich platt, ſondern
terraſſenförmig und am beßten ,, Söller“ zu nennen . Auf demſelben werden häufig Zelte auf

geſchlagen , Bäume und Blumen gepflanzt. Der Nand dieſer Söller iſt mit runden , hohlen

Ziegeln eingefaßt, die zu einer Phyramide vereinigt ſind. Die Häuſer haben gewöhnlich zwei bis
drei Stocwerke und im Ganzen eine Höhe von 33 Fuß.

Dieſe umfangreichen Häuſer -Anlagen beweiſen , daß nicht nur die Zeit im Orient keinen
Werth hat, ſondern auch der Raum noch kein Gegenſtand der Spekulation iſt.
Verkehr und öffentlides Leben zu Jeruſalem . 181

Soll man die Form - Elemente dieſes Häuſerbaues kurz bezeichnen , ſo kann man ſagen :

Der Hof und die Terraſſe motiviren und vermitteln den ganzen Bau. Das Haus
hat nicht blos Terraſſen , ſondern bildet als Ganzes ſelbſt eine Terraſſe. Selbſt der Fußboden

des Zimmers ideidet ſich in einen höher und tiefer liegenden Theil . Eines der ſchönſten Häuſer
iſt das ſogenannte Haus ,dc8 reichen Praſſers " : der Ueberbau jener Gaſſe , welche Tarik el

Alam heißt und aus El Bab die Oſt -Weſt - Fortjegung der Via doloroſa bildet .

Die Armen wohnen meiſt in einem einzigen Zimmer oder einem kellerartigen Gewölbe.
Hütten aus Lehm wie an der Meeresfüſte finden ſich in Jeruſalem nicht. Der traurigſte

Wohnort Jeruſalems iſt jedoch jener der Ausjäßigen , öſtlich vom Zion8 - Thor , hart an der
Stadtmauer , aber innerhalb derſelben . Man zählt 16. ſolcher leproſenhütten. Dieſelben
ſind aus Steinen ſehr ſchlecht gemauert , 6 bis 8 Fuß hoch und ſehen nur Trümmern gleich .
Die Eingangsöffnungen ſind gegen Mittag oder die Stadtmauer.

Alles was zum Lebensbedarf dieſer geädyteten , verſtoſſenen Menſchen gehört, erhalten ſie
durch Bettel in der Stadt und Ilmgebung. Die türkiſchen Behörden fümmern ſich um dieſe
Armſeligen nicht im mindeſten . Wie ganz anders, als dieſes land noch chriſtlicy war !

Die Kaiſerin Eudoxia erbaute ein Haus, worin 400 Ausſätzige wohnten. Ebenſo brachten
die Franken zur Zeit ihres Königreiches Jeruſalem die Leproſen in einem Hauſe unter. Noch im
XIII . Fahrhundert hatten die Ausjätigen ihre alten Wohnungen auf der Weſtſeite der Stadt

inne . Únſer Herr wendete ja audy dieſen Unglücklichen ſeine Helfende Barmherzigkeit zit und

entließ keine Art menſchlichen Elends ungetröſtet.


Das Verhältniß der Ausſätzigen zur übrigen Bevölkerung Jeruſalems ſtellt ſich als gering
heraus, höchſtens etwa wie 1 zu 600. Durch die Anſtrengungen des Abendlandes haben ſich
jedoch ſeit den dreißiger Jahren die Anſtalten für Kranke ungemein vermehrt. Die Lateiner
hatten ſchon 1821 ein Armen- und Kranken - Haus , von den Franziskanern casa de principi
genannt . Es enthält 28 Zimmer und gegen 300 Piründner und Kranke . Im Salvator -Kloſter

felbſt befand ſich 1846 eine Kranken -Abtheilung. Seit 1851 ward das franzöſiſche Hospital
errichtet, welches Spital vom Hl. Joſeph heißt und Kranke aller Bekenntniſſe verpflegt. Die
Schweſtern vom hl . Joſeph beſorgen das Hausweſen und die Kranken - Wartung . Neben dieſen
Schweſtern will der Verein des Hl. Vincenz von Baul , der ſich in Jeruſalem gebildet
hat, einhergehen, um die Leiden der Mitmenſchen zu linderni. Des öſterreid iſchen Pilgerhauſes
ward bereits gedacht. Auf dem Zion haben die preußiſchen Proteſtanten ein freundliches Spital
das Diakoniſſenhaus nördlich vom engliſchen Hospital erbaut. Mt dem Spital

verband man eine Schule. Auch hier werden Kranke ohne Unterſchied des Glaubens aufgenommen
und verpflegt. Gleich weſtlich vom preußiſchen Conſulat liegt das von König Friedrich Wilhelm IV.

geſtiftete preußiſche Hospiz , ein ziemlich geräumiges, reinlich gehaltenes Gebäude.


Ebenfalls am Zion , grenzend an's Judenviertel liegt das Engliſche Hospital mit
zweđmäßiger Einrichtung . Die Beſtimmung beſchränkte ſich darauf , nur jüdiſche Aranke auf
182 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs -Stätten.

zunehmen . Es ward 1844 eröffnet, und ſteht zur Verfügung der engliſchen Miſſionsgeſellſchaft,

welche die Bekehrung der Juden ausſchließlich anſtrebt, weſhalb die Rabbiner ſolche, die in

dieſem Spital geſtorben , von dem gewöhnlichen jüdiſchen Begräbnißplage im Thale Joſaphat
ausſchloſſen . Die genannten ſind eigentliche Krankenhäuſer nach unſern Begriffen. Seit

1856 haben auch die Armenier in ihrem Kloſter ein Spital . Gegenüber der Atſamoſchee im

Südoſtwinkel des Iudenviertels befindet ſich das neue jüdiſche Spital , deſſen erſte Einrichtung

das Haus Rothſchild beſtritt. Seit deſſen Eröffnung ( 1854) haben ſich die Patienten im

engliſchen Hospital vermindert. Die Mehammetaner befaſſen ein Verſorgungshaus in dem

ſogenannten Helenaſpital, das aber völlig ruinös geworden . Arme fönnen deßhalb ſchon lange

nicht mehr in demſelben untergebracht werden , während das dem Tempelplatze nahe Blinden

Spital noch beſteht. Es ward auch Collegium der blinden Derwiſch genannt. *)

VIll. Die Bewohner Jeruſalems. Ihre religiöſen Verhältniſſe , Sitten und Trachten.

Die Einwohnerzahl läßt ſic) nur annähernd auf 20 bis 25 Tauſend beſtimmen , da
amtliche Erhebungen , die Sicherheit gewähren, fehlen .

Die römiſdy fatholiſdie Gemeinde zählt gegen Tauſend Glieder und beſitzt eine Knaben
Scule in zwei Abtheilungen mit beiläufig 70 Zöglingen und zwei Lehrern nebſt einer Schule für
100 Märchen unter der Leitung von drei Nonnen . Dieſe Schweſtern der Congregation vom
hl. Joſeph , deren Mutterhaus ſich zu Toulouſe befindet, ſind der arabiſchen , franzöſiſchen und
italieniſchen Spradie kundig , verſammeln um ſich nicht nur die Kinder der lateiniſchen Chriſten,
ſondern auch der Kopten, Griechen und Türken, und haben hinſichtlich der Bildung und Erziehung
des weiblichen Geſchlechtes in kurzer Friſt ſoviel geleiſtet, als nur immer möglich war. Aus der
Druckerei der Franziskaner erhalten ſie die nöthigen Unterrichtsbücher. Du die Muſik als vor
zügliches Bildungs- Mittel gerühmt wird , begründete der in Spanien und Italien gefeierte
Tonkünſtler P. Nato im Jahre 1850 auch eine Muſikſchule für Knaben , wodurch ermöglicht

wurde, daß fortan der Kirchengeſang die Feier des katholiſchen Gottesdienſtes erhöht.
Die Katholiken, welche geborne Araber ſind, und das Arabiſche als Landesſprache ſprechen,
wohnen um das lateiniſche Kloſter, und nähren ſich größtentheils von Verfertigung der Roſen
kränze und Kreuze, welche von den Pilgern gekauft und audy von den Vätern nach verſchiedenen
Weltgegenden verſchickt werden .

Im Jahre 1847 hat der apoſtoliſche Stuhl den ſchon längere Zeit als Miſſionär ſegens

reich thätigen P. Joſeph Valerga aus Genua zum römiſch katholiſchen Patriarchen vou Jeruſalent
ernannt. Er wurde in Jeruſalem feierlich empfangen am 17. Jänner 1848. Um cinen ein

heimiſchen Klerus heranzubilden, eröffnete er 1852 ein Seminar, das auf 20 Zöglinge berechnet
iſt und jett 10 Theologen , meiſt Araber , zählt. Dasſelbe wird übrigen8 nad Beit Dichala

* ) Ebend. 121 ff. 153 ff. 362.


Die Bewohner Jeruſalems . Thre religiöſen Verhältniſſe, Sitten und Trachyten . 183

verlegt werden . In demſelben Jahre veranſtaltete der Patriarch unter Frankreichs Vermittlung
eine Paſtoralviſitation in Jafa , St. Jean d'Acre, Nazareth , Tiberias , Carmel , Haifa , Beirut,

Ramleh, Bethlehem und auf Cypern, wobei er die Firmung ſpendete. *)

Seit 1848 hat ſich auch der katholiſche Patriarch der Melchiten (unirten Griechen) in
der hl. Stadt niedergelaſſen .
Die größte Zahl dhriſtlicher Bewohner füllen übrigens die Griechen ( idismatiſdye ),
deren 2000 find. Sie ſind mit Ausnahme der Mönche, die meiſt aus dem Archipelagus kommen ,
geborne Araber und beſigen in Jeruſalem 8 Mannes- und 5 Frauenklöſter und den größten

Theil der hl . Grabfird e.


Der griechiſche Patriarch bewohnt den fürſtlichen Balaſt zwiſden der hl . Grabkirche und

dem lateiniſchen Scloſter. In neucſter Zeit hat ſich bekanntlich Rußland höchſt bemerkenswerth
um das Patriarchat angenommen . Die Griechen haben von keiner Seite den Nadruhm des

Edelmuthes, der Uneigennützigkeit und Geſinnungslauterkeit. Armeniſche Chriſten leben gegen

350 in der hl . Stadt , meiſt Handelsleute. Von ihren zwei Patriarchen reſidirt der eine in

Jeruſalem , der andere in Conſtantinopel. Kopien zählen gegen Hundert ; ſie ſind der mono
phyſitiſchen Frrlehre zugewandt und mit den ebenſo armen Abyſſiniern verbunden . Die

Syrer oder Jakobiten ( nady dem Mönche Jacobus Baradäus) genannt, haben nur das kleine

Kloſter St. Marcus auf Sion und ſind gleichfalls Monophyſiten. Ihre Geſammtzahl wird zu

20 angegeben .
Die einſt ſo bedeutenden Georgier ſtehen ſeit 1801 unter dem ruſjijchen Scepter und
beſitzen nur in der Nähe noch das Kloſter Hl. Kreuz . Die Proteſtanten haben ſeit 1840 in

der hl. Stadt eine Gemeinde errichtet. Von ihrer Kirche, Schule und ihren Wohlthätigkeits
Anſtalten war bereits die Rede.

Außer dieſen chriſtlichen Befenntniſſen laſſen ſid , viele Juden in Jeruſalem nieder , um
hier zu ſterben . Die Bevölkerung derſelben wird auf 5600 berechnet und die der Moslemin

auf 3074.
Sitten.

Die Sitten und Gebräuche der Morgenländer weichen ſo ſehr von den unſrigen ab , daß
es ſich der Mühe lohnt, davon einigermaßen ein Bild zu geben .

Wenn man Jemanden einen Beſuch abſtattet, ſo zielt man bei der Thüre des Beſuchs

zimmers die Oberſchuhe aus . Dies ſteht in natürlichem Zuſammenhange mit dem Brauche
reicherer Leute, den Boden mit ſchönen Teppichen zu belegen und mit der Sitte, auf dem Divan

( Polſterbank) mit übereinander gekreuzten Beinen zu ſiten . So ſißen Männer und Frauen,
Erwachſene, und Kinder. Ob man zur Rechten oder linken ſitze, darauf wird nicht geachtet.
Der Gruß beſteht in Gebärden und Worten . Die Mimik iſt meiſt fo : Man bewegt die rechte

* ) Grat 263.
184 Jerujalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

Hand bis in die Nähe des Kinns, dann gegen den Mund und darauf gegen die Stirne in drei
Tempi , wobei das Haupt nur wenig geneigt wird . Der im Kange höher Stehende legt ſeine

Hand nur auf die Bruſt. Die Frauen bewegen die Hand vom Mund auf die rechte Seite des
Kopfes . Tiefer Stehende küſſen wohl auch den Rücken der rechten Hand des Begrüßten und
drücken ſie an die Stirne. Die Worte gleichen den Sinne nach den unſrigen : „ Guten Morgen "
mit der Antwort : ,, Hundertmal Morgen " ; „ Guten Abend " ; „ Gott behüte did}" u . dgl . Dem

Beſuchenden wartet man mit einer Pfeife, mit Kaffee, ſeltener mit derbet auf.

Eine der häufigſten Vergnügungen iſt der Spazicrgang. Der kürzeſte erſtreckt ſich nicht
weiter, als auf das Haustach, wo man ſid, in der kälteren Salyreszeit den Tag über ergeht und
während der wärmeren an den Abenden Diejen Spaziergang wählen am liebſten die Frauen .
Ein anderer ſehr beliebter Spaziergang iſt der nad , den Thalabhängen gleich weſtlich vom Jafa

thor ; ſeltener ſchon werden die Martyrgräber, die Schlucht Ben Hinnom und das Kidronthal
beſucit , wobei dann Speiſevorrath mitgenommen und unter dem Schatten eines Delbaumes
gemädylic ) verzchrt wird. Auch befeſtigt man ein Seil an den Aeſten , um ſich zu ſchaufeln .
Bei den üblichen Spielen wird immer gerauct, ſei cs Sdjach- Damen- oder Würfelſpiel. Auch
viele Frauen ſuchen im Rauchen den füßen Zeitvertreib . Selbſt der Arme und der Taglöhner,
welder mit beiden Händen arbeitet , ſtiehlt ſid , dann und wann einen Augenblick zum Rauchen .
Dazu bedient man ſich entweder der langen , ſteifen , geraden Pfeife oder der Nargileh , wo der

Rauch durc ) das Waſſer gurgelnd geſogen wird . Zu letzterer hat man bekanntlich eine bauchige
halb mit Waſſer gefüllte Flaſche nöthig , durch deren Hals das ſenkrechte Kopfrohr in’s Waſſer
Hinabreicht, während das andere biegſame Rohr mit meiſt fugelförmigern Mundſtück aus Bern
ſtein die Fläche des Waſſer8 nicht erreicht. Beim Gebrauche dieſer den Morgenländern ſo lieb

gewordenen Pfeife wird die Waſſerflaſde auf den Boden geſtellt und auf den Tabať mit einer
Zange eine glühende Rohle geſegt . In vielen Häuſern ſind die Frauen dazu außerkohren , den
Männern oder Gäſten die Pfeife zu füllen und anzuzünden . Das Vergnügen an Muſik beſteht
beſonders in kräftiger Erſchütterung des Trommelfelles. Die Vokalmuſik ſteht auf ſehr niedriger
Stufe und wird gervöhnlich von Inſtrumenten begleitet . Dieſe ſind vorzüglich lärmend, wie das
Tamburin , welches zum Klingeln mit Mettalplättchen verſehen iſt , die 3 ymbeln , Becken
von Erz , die aneinander geſchlagen werden , Baufen , welche der Muſikant beim Hocken vor
ſid) hin auf den Boden und beim Gehen auf den Rücken des Vordermannes geſetzt hat. Gina
fachere Paufen beſtehen aus einem mit Pergament iiberſpannten Topf , der unter den linken
Arm genommen wird , wobei die Hände die Paukenſchlägel verſehen . Hie und da verſammeln
ſich junge Männer in einem Privathauſe und bleiben beim Gelärme der Pauken unter Geſang

und Händeklatſchen oft bis ſpät in die Nacht beiſammen . Tamburin und Pauken dürfen an
einer Hochzeit niemals fehlen. Als man in Jeruſalem gegen den Frühling 1846 die Mekfapilger
in feierlicher Weiſe abholen wollte , ſpielten 8 Männer Tamburin und Zymbeln , bei jedem
Schritte einen Sdílag, zuerſt langſam in Gang und Schlag, dann iminer ſchneller bis der höchſte
Sitten . 185

Grad erreicht war, worauf dann cine Pauſe eintrat. Dieje lärmende, ſchwärineriſche Mujit hat

etwas unbeſchreiblich Eigenthümliches und Schwermüthiges, wobei die Worte des Bjalmiſten ſich

vergegenwärtigen . „ Ihr Pauken und Zymbeln tönet dem Herrn ." Zu den Blaſeinſtrumenten
gehört die Schalmei. Sie iſt doppelt und dünne Pechſchnüre binden das Paar aneinander.
Icde Röhre hat 6 Tonlöcher, ſo daß immer ein Paar nebeneinander liegt . Zum Blaſen dient

ein beſonderes Mundſtück, das an einer Seite zu ciner Zunge eingeſchnitten iſt. Die Spitze dieſer

Zunge ſchaut gegen die Tonlöcher, ſonſt ähnelt das Inſtrument einer Klarinette. Beim Blaſen
muß das ganze Mundſtück bis über des Inſtrumentes Zunge hinab in den Mund genommen
werden und es erfordert Anſtrengung.

In jedem Theile der Doppelſchalmei bringt man die gleichen Töne heraus. Bläſt man
ſie zuſammen , ſo entſteht eine monotone Verſtärkung und es können gleichzeitig nur die oberen

drei Tonlöcher gebraucht werden . Der Ausdruck iſt dann ein gellender, leidenſdaftlicher , hin
rei ßender. Der Umfang der Töne umfaßt nid )t einmal eine Oktavc, die jedenfalls der unſrigen
nicht entſpricht. Die Saiten- Inſtrumente ſind Geige und Laute . : Dieſe iſt klein und mit
3 Saiten verſehen ; jene ſieht niedlich gearbeitet aus und man verſteht ſie in der That nid ) t
übel zu ſpielen . Wie in der Vokal- To herrſchen auch in der Inſtrumental-Mujik die Molltöne
und das Monotone vor. In den Kaffeehäuſern und aus denſelben tönt ſolche Muſik am häufigſten

entgegen . Beinahe alle Abende kann man den weithin dringenden Ton der Baufe vernehmen .

In den griechiſchen Kaffeehäuſern klimpert man jedoch lieber auf der Laute. Bei den Franken
trifft man natürlich heimiſche Inſtrumente z. B. die Orgel, das Klavier.

Schauſpiele werden ungemein ſelten aufgeführt und ſcheinen über dus Marionetten
Spiel nic ;t hinauszukommen. Oeſters worden Affen herumgejührt, welche thunlidſt menſchen =

ähnlich tanzen müſſen . Ein Mann mit einem Tamburin oder ein Paar Burſchen, einen elenden

Geſang daher krächzend, ſuchen darin, daß ſie mit unmenſchlicher Behandlung cin Thier Menſch
lichkeit lehren , ein Almoſen , das ſie im Umzuge von Gajſe zu Gaſſe ſammeln. Die Tänze

gleichen dem leidenſchaftlichen Fandango in Spanien. In der Faſtnacht ſtehen die Geſchäfte
beinahe 8 Tage hindurch ſtill bei Lateinern , Griechen und Armeniern . Familien ſchaaren ſich

zuſaminen , hocken in einen Kreis , trinken Kaffee, Wein , Schnapps , machen Muſif, die ſie mit

Händeklatſdien begleiten , und führen auch Tänze auf, wobei Einer ſich in die Mitte der Geſell
ſchaft ſtellt und tanzt . Hat dieſer geendet, fo fordert er einen Andern zum Tanze auf.
Seltſamer, als dieſe häusliche Faſtnacytsbeluſtigung iſt, daß die griechiſchen Chriſten den

erſten Tag der Faſten nicht anders begehen , als wenn wir Abendländer die Faſtnacyt, wie man
zu ſagen pflegt, begraben . Ein Bacchus, den man Bajazzo nennen würde, mit einer Guirlande
von Anemonen und Delzweigen um eine Narrenkappe, tanzt im Freien und reitet abwechſelnd

auf einem Efel, deſſen Schweij er wie einen Zügel in Händen hält. Drei Männer unterſtützen
dieſen betrunkenen Reiter, dem man zum größten Ueberfluß noch einen Becher voll Wein reicht.

Eine Menge Frauen in ihren weißen Gewändern ſitzen etwas entfernt und ſdhauen dem Treiben
24
186 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten.

treuherzig zu . In der Nähe wimmelt ein luſtig Volt von Buben und Jünglingen ; laut ertönen
die kleinen Baufen und das Klatſchen der Hände und der Gefang des Schwarmes , während

dann und wann die Buben und Burſde tanzend dahinhüpfen. Als der Zug ſich durch das

Safathor drängte, lachten die türkiſchen Soldaten mit Geräuſchvoller und würdiger feierten die

Moblemin bas große Bairamfeſt . Im Jahre 1719 eröffnete der Baſda das Feſt mit einein

großen Ritte auf die Nordweſtanhöhe außer der Stadt, woher dann ein mächtiges Durcheinander
von Schalmeien und Tamburin zu hören war. Wenn ein Schüler aus der moslemiſchen Schule

tritt, ſo wird er in feſtlicher Kleidung von ſeinen Mitſchülern fortbegleitet . Die Lateiner haben

beſondere Vergnügungen 10 Tage nad Oſtern auf dem Delberg und 50 nach demſelben in der
Nähe des Hakeldama . Da wird gegeſſen , getrunken und mit Pauken luſtig gelärmt. Die

Gebräuche bei Hochzeiten ſind bei den Chriſten aller Bekenntniſſe ziemlich übcreinſtimmend.
Der Trauung geht das Eheverſprechen voraus , welch' letteres aber ziemlidy umſtändlich iſt.
Der Vater des heirathsluſtigen Sohnes geht zum Vater der fünftigen Braut und macht die
Anfrage , nachdem vorher unter den Frauen die Sache bereits beſprochen worden . Es wird

Abends ein Raffeetrunk in Kreiſe von Freunden und Bekannten veranſtaltet. Dit man nicht

einig , jo giebt auch der Vater der Braut ben Raffee nicht. Nach dem Raffeetrunk wird dem

Vater des Bräutigams ein Segensruf gebrad )t. Der Beſuch dauert etwa eine Stunde. Von

dort geht man in's Haus des Bräutigams, wo der gleiche Auftritt erfolgt und das Spiel der

Pauken die feierliche Verſamınlung durchrauſcht. Nach Ablauf eines halben Jahres iſt der

Bräutigam gehalten , ein Geſchenk darzureichen und zwar eines von Gold für den Kopfpuş .
Hiebei findet dann die wirkliche Verlobung ſtatt. Sie geſchieht in Gegenwart eines Prieſter8,
und es wird zugleid ) verſdyrieben , was der Bräutigam der Braut zu geben verheißt. Dabei

wird auch der Trauring überantwortet. Die Brautleute dürfen jedoch einander vor der Hochzeit

nicht ſehen . Dieſe wird von folgenden Ceremonien begleitet . Am Sonntag ſpät nad Mittag

verſammeln ſich die Freunde des Bräutigains im Hauſe ſeines Vaters ; ebenſo die Freundſchaft
der Braut im Hauſe ihrer Eltern , die Männer , jedoch von den Frauen geſondert. Man beginnt

die Beluſtigung mit Violin , Pauken und Hackbrett; unterhält ſich dann weiter durch Singen,
Tanzen, Naffeetrinken, mäßigem Genuſſe von Araf, mit Eſſen von trođenen Früchten oder einfachem
Konfekt. Dies dauert bis Mitternacht . Bis jegt iſt der Bräutigam mit ſeinen gewöhnlichen
Kleidern angerhan ; nun aber wird er im Kreije junger Leute und in Gegenwart ſeiner Mutter

entkleidet und ihm hierauf ein Gewand nach dem andern jedesinal unter einem Singſpruch

angelegt. In der Mitternachtsſtunde beginnt dann der Aufbruch aus dem Hauſe des Bräutigams
zu jenem der Braut unter Geſdyrei und lärmender Mujit am Scheine von Lichtern und Fakeln .

Die Leute halten in jeder Hand eine 4 Fuß lange und 1 ' ), Zoll dicke Wach skerze und tanzen
dabei, wie wenn ſie Feuerwerk ſpielten. Am Hauſe der Braut wird aber bloß vorübergezogen,
auf daß ſich die Braut mit ihren Bekannten anſchlicße. Beim Zuge gehen die Männer voraus

init dem Bräutigam an der Spige . Der Zug bewegt ſich unter vielen Umwegen langſam
Sitten . 187

vorwärts ſo daß ungefähr zwei Stunden verfließen, bis er am Thore des Franziskaner-Kloſters,
wohin er bei Katholiken geht, anlangt. Hier wird die Zeit mit Spielereien und Tanzen hinge

bracht, bis das Thor geöffnet wird. ' Merkwürdig iſt, daß auch Waffentänzer , meiſt mit
Schwertern , ſelten mit Piſtolen in den Häuſern ſowohl als auch auf dem Zuge Scheingefechte

aufführen. Solcher Waffentänzer ſind gewöhnlich brei . llngefähr um drei Uhr wird die Kirche

aufgeſchloſſen und die kirchliche Trauung nach dem katholiſchen Ritus vollzogen , worauf , alles
Volk heimkehrt, Bräutigam und Braut in das Haus ihrer Eltern . An dein nämlichen Montag
wird dann Vormittags 9 Uhr die Braut in’s Haus der Bräutigams gebracht, wo die ganze

Freundſchaft derſelben verſammelt iſt. Ihre Habſeligkeiten z . B. den Koffer, Spiegel , Schuh
ſtelzen , die Brautſchuhe u . d. gl . ſtellt man unter Mujik und Geſchrei nieder. Um zehn Uhr

kommen die nämlichen Befannten zum Mittagsmahl zuſammen , Männer und Frauen getrennt.

Hierauf lüften zwei Frauen den Schleier der Braut , die mitten im Zimmer, mit geſd loſſenen

Augen auf 6 bis 7 Zoll hohen Schuhftelzen ſteht. So geht ſie blind durch das Zimmer,
gewöhnlich dreimal vor- und rückwärts . Jetzt ſieht der Bräutigam ſeine Braut zum erſten
Male. Man nimmt dann die Braut von den Schuhſtelzen herunter und ſetzt ſie neben den
Bräutigam auf den Diwan . Die Eingeladenen zerſtreuen ſich und die Neugetrauten und ihre
Eltern bleiben allein bei einander.

Wie mit Ausnahme des Ritus die Trauungsfeierlichkeit unter den Chriſten Jeruſalems

die gleiche iſt, ſo herrſcht auch in den Gebräuchen bei Beſtattung der Verſtorbenen dem Aeußern

nach Uebereinſtimmung. Vor Allem will es die Sitte und zwar nicht bloß bei den Chriſten

ſondern auch bei den Mohammedanern und Juden , daß der Tod eines Feden beklagt werde
und daß der Todte ſchnell , oft ſchon 3 bis 4 Stunden nach dem Ableben , begraben werde .

Erfolgt jedoch der Tod am Abend , ſo daß die Beerdigung nicht mehr am nämlichen Tage vor
ſich gehen kann , ſo zündet man Lichter an und brennt ſie bis zum Tagesanbruch , wo das

Begräbniß dann ſogleich ſtattfindet. Im Hauſe des Todten wird gebetet und laut geklagt, wobei
eigene Klageweiber gegenwärtig ſind, die ein Tuch in beiden Händen halten und dwingen .

Der Klagelaut iſt rein hoher , gellender, gezogener , langſam fallender Ton, eine Art Quieden und
wenn mehrere Frauen einſtimmen, ſo bietet der große Lärm nichts Erbauendes. Die Leiche wird

in ein weißes Tuch von Baumwolle eingewickelt und eingenäht. Die Chriſten legen den

Leichnam auf eine Bahre ohne Sarg , die Mohammedaner aber in einen Sarg auf der Bahre.

Nachbaren und Verwandte, Männer und Frauen begleiten die Leichenträger und den betenden
Prieſter. Wer dem Zuge begegnet , ſchließt ſich an , denn eine Einladung zum Geleite ergeht
nicht. Dafür brängt ſich Jeder hinzu , um den letzten Liebesdienſt zu erweiſen . Die Gräber

ſind etwa 3 Fuß tief und zwar wird in denſelben die Leiche nicht unmittelbar mit Erde bedeckt,

ſondern zuvor Steine ſo über dieſelbe gelegt , daß ſie von der Erde nicht berührt wird. Bon

da fehrt man in das Haus des Verſtorbenen zurück, wo Raffee getrunken und Abende ein Mahl

gehalten wird , das bei den Katholiken die nächſten Nachbarn bereiten. Dies wiederholt ſich
24 *
188 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs - Stätten .

zwei Abende nady einander , wie auch das Grab drei bis ſieben Tage nach einander beſucht

wird . Am vierzigſten Tage werden Ruchen gebaden und am Grabe ausgetheilt und verzehrt,
und dabei auch getrunken . Dasſelbe geſchieht nach einem Jahre. Bei den Juden finden die
Leichenbegängniſſe öfters zur Nachtzeit ſtatt, zumal wenn der Verſtorbene eine angeſehene Perſon war,
Es kann Niemand entgehen , daß viele dieſer Gebräuche in das früheſte Alterthum
zurückreichen, wie : den leichnam einzuwickeln , das Geſicht mit einein Schweißtuch zu verhüllen,
die Todtenflage und der zeitweilige Beſuch des Grabes .

Die Pleidung endlich trägt im Allgemeinen den Stempel der morgenländiſchen , wie

hierin der Städter mit dem Landbewohner ſehr viel Gemeinſames hat . Die Kleidungsweiſe
der Jeruſalemer und ihrer Nachbaren tritt ſomit keineswegs als eine ganz eigenthümliche hervor,
ſondern hat den orientaliſchen Charakter, nur in den einen und andern Theilen modifizirt.

Die Kleidung der Männer auf dem Lande iſt folgende :


1 ) Ein Hemd ( Kamis ) , welches weiß und baumwollen iſt und durch einen Sdylit ange
zogen wird .

2) Ein Oberkleid ( Biſcht) von kamelhärenem Tud, mit Aermeln bis zu den Ellenbogen .
Das Kleid reicht bis an die Knie und iſt vorne ganz geſpalten. Es wird nur in der fälteren
Jahreszeit getragen .

3) ein fliegender Mantel ( Schalleh ), der über dem Kamis getragen und deſſen eines Ende
über die linke' Schulter oder gegen Hitze über den Kopf geworfen wird . Es beſteht aus
Schafwolle, iſt ſchwarz und nur an beiden unteren Zipfeln roth . An einer Wollenſchnur

hängt ein Knopf Herunter.


4 ) Ein Oberkleid ohne Aermel (Abbaieh ), welches die Bauern ohne Unterſchied der Jahres

zeit, die Städter nur Winters tragen . Es iſt vorne geſpalten, von Kamel- oder Ziegen
haaren, bald ganz ſchwarz, bald von Oben nach Unten mit weißen und ſchwarzen, breiten
geraden Streifert . Die Naht geht in der Mitte um den Beib herum . Dieß Kleidung8

ſtück fällt dem Fremben am meiſten auf, da es ſehr leicht in älterer Zeit breiter gewoben

werden und die Naht dann beſeitiget werden konnte , ſo daß die Aehnlichkeit mit dem
Oberkleide Unſeres Herrn von ſelbſt einleuchtet.

5) Ein Pelz (Farweh) aus Sdjaffell, das mit der Wollenſeite nach Innen oder Außen über

dem Rücken getragen und um den Hals zugeknöpft wird .


6) Takiely, eine weißleinene, geſteppte Müge, welche' gewaſchen werden kann .
7 ) Labadeh , eine weiße Filzmütze , welche über der Takieh getragen wird . Dieſelbe ſtammt
aus Egypten .
8) Tarbuſch, die rothe wollene Mütze mit einer Troddel. Man trägt alſo drei Mützen

übereinander. Man trägt Geld oder Briefe zwiſchen der Filzinütze und dem Tarbuſch.
Die Meiſten haben die Haare auf dem Kopfe rafirt.
9) der Turban ( Reffeh ), ein Baumwollentudy , das unten um die rothe Müte oder um
பாப்பாப்யாயாயா
யாயாது

Sitten
Morgenländische

Märnliche
Tracht
.
Kleidung. 189

Stirne und Ohren mehrfach gewunden wird . Dies nannten die Deutſchen cheinals
,,türkiſchen Bund “ . An der Farbe desſelben erkennt man die Leute einer Gegend. So

tragen die Bethlehemiten und Bet - Dichaler weiße Turbane mit rothen Streifen .
10) Ein mehr als handbreiter Bauchgürtel rou Leder, der vorne eine Taſche hat, worin man
Stein , Stahl , Zunder und Haarkamm trägt . Sie wird mit einem Riemchen und

Knöpfchen zugemacht.
11 ) Die Schuhe ( Uatta) endlich ſind ſehr plump , vorne breit und hinten zum Anziehen mit

einem Sdnabel verſehen. Das Oberleder iſt kunſtmäßig gegerbt , die Sohlen ſind von

Kamelhaut, an weldier die Haare nicht einmal abgeſtoſſen ſind .


Die Frau auf dem Lande oder die ärmere trägt folgende Kleidungsſtücke :
1 ) Ein blaues baumwollenes Kamis , das durch einen Bruſtſchlitz angezogen wird . Die

Aermel ſind ſehr weit und lang, die beiin Arbeiten zuſammengeknöpft und zurückgeſdılagen
werden . In denſelben bewahrt man Geld u . d . gl . , indem ein Aermel zugeknöpft wird .

2 ) Ein Baumwoll - Tuch, das als Lenden - Gürtel dient.


3) Den baumwollenen Kopfſchleier (fjár) , blau oder weiß . Derſelbe hängt bis über den

Gürtel herab und iſt unten mit Franſen befekt , an deren Stelle, die Bethlehemitinnen

gelbe Streifen von Seide tragen .


4) Eine Art Haube ( Fokajah ) , die unter dem Kopfidleier getragen . und unter dem Sinn
zugebunden wird . Auf derſelben ſind Geldſtücke angenälyt.

5) Ein roth und weiß geſtreiftes Biſcht.


Sie ſchmückten ſich außerdem mit Armſpangen , Fingerringen von Silber u . d . gl.

Die Pleidung der Städter und Städterinnen ..


Der Moslem trägt cinc Tafieh , Labadeh , Tarbuidh und Turban . Legterer iſt weiß

mit weißen herunterhängenden Franſen ; grün bei den Abkömmlingen Ali's , bei den Schech des

Haram eſdy- Scerif. In denſelben ſteckt man Zahnſtocher und Ohrenlöffel. Außerdein wird

vom Manne getragen :


1 ) Kamis von Baumwolle.

2) Eine Fade (Mantian) mit Aermeln , die eine Reihe von Senöpfen haben. Auch vorne

findet ſich bei Einigen eine Reihe dicht aneinander gedrängter Rinöpfe.
3) Eine Weſte mit vielen Knöpfen . Sie iſt von Baumwolle, Wollentuch oder Seite, weiß,

roth 11. 1. f. und wird unter dem Mantian getragen .


4 ) Ein langer Rock (Kombas ), gleid, einem Schlafroc , am ſchmalen Roller mit drei

Knöpfen zugeknöpft , unten an den Seiten zur Erleichterung des Schrittes, etwa 1 Fuß
hoch offen , von Farbe roth , grün , (dwarz , gelb , von Wollentudy oder Seide. Dieß

Kleidungsſtück wird zuſammengehalten durch


5) eine Leibbinde ( Sonnar ) von Baumwolle , Kaſimir , Seide. Farbe roth , grün u. ſ. F.
Der ſeitene Gürtel, der mehrmals um den Leib gewunden wird, kann 40 bis 50 Piaſter
190 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs- Stätten ..

koſten. In dieſe leibbinide oder Gürtel ſtedt man das Tintengefüß von Silber oder
Meſſing. Ueber dem Rombas trägt man noch
6) eine Tud -Weſte ( Fermalieh ) , die bis zu den Lenden reicht, Aermel bie über die Ellen

bogen und eine verſchiedene Farbe hat.

7 ) Einen Rock zum Ausgehen ( Dichubben) mit weiten Aermeln . Dieſer Oberrock iſt von
Tuch und vorne offen . Unten an der Seite ſind Schlitze von 1 Fuß Länge.

8) Als Winterkleid einen Pelzrock mit kurzen Aermeln und vorne offen (Farweh ).
9) Gegen Regen einen Mantel (Abbai).

10) Hoſen . Die unteren ſind weit und von weißer Leinwand ; um die Lenden gebunden
gehen ſie bis unter die Waden . Die oberen weiten Hoſen beſtehen aus Tuch oder

Merino für Sommer und Winter, haben unten keine Knöpfe, an den Seiten aber Taſchen
und in der Farbe Verſchiedenheit.

11 ) Strümpfe ( Didurban ), ſind kurz , übrigens ſehr artig geformt, die meiſten von Wolle

geſtrickt und weiß . Man behauptet , daß gegen das Anziehen von Strümpfen ſelbſt die
Vornehmen ſich ſträuben .

12 ) Schuhe

a ) Die Meſt, eigentlich Stiefel, ſind gelb , hoch, bis über die Knöchel reichend, vorne
ſpiş, für die Efendi.
b) Die Babudich , von gelbem Marokko , ohne Hinterleder , werden über den Meſt
oder Ralbidhin getragen .

c) Kaldſdhin oder Tirlif, gelbe Schuhe ohne beſondere Sohlen .


d) Surmai, rothe, ſdhwarze oder gelbe, Schuhe mit beſondern Sohlen .

e) Dịchesineh, rothe, gelbe oder.ſchwarze Stiefel, vorne mit einer Spitze, mit beſonderen
Sohlen, reichen bis zu ' den Waden hinauf und werden unmittelbar über den Strümpfen
oder aud) über den Kaldidin getragen . ' Im Hauſe geht man nur in Meſt oder
Kalbidin .

Im Buſen wird auch ein Schnupftuch geborgen und in dasſelbe beim Einkaufen Ver

fchiedenes gepackt. Man trägt auch einen Beutel mit Tombak d . h . mit Tabak für
die Nargilely, welcher vom Tabak für die gewöhnliche Pfeife verſchieden iſt. Legterer
heißt Tutu.

Sleidung der Moslemininnen .

1 ) Tarbuſch, der in der Mitte eine Goldplatte trägt . Uin den Tarbuſch tragen ſie
2) ein Mandiliasma , eine baumwollene, verſchiedenfarbige Binde , welche den Tarbuſ ein

paar Male umfängt. Auf oder an dieſem Turban prangen Goldſtüđe, Perlen halb um
ben Ropf. Sene werden am Rande durchbohrt und an einem Goldbrahte befeſtigt, der

mit einem goldenen Schilde . in Verbindung ſteht. Das Schild , mit mehreren Golds
nnnn

.
Sitten
Morgenländis che

Weibliche
Tracht
.
‫|‬

‫گر‬
cu

.
Sitten
Morgenlandis che

.
Bazar
und
Egyptier
Wasserschöpfender
Kleidung. 191

ſtücken noch geziert, iſt meiſt von dreiediger Form . Die vielen Zöpfe , an welchen eben
falls Goldſtücke glänzen oder Goldlahn, laſſen die Frauen hinten herabhängen .

3) Der große Ropfid leier (Isar) , von weißer Muſſelin , worin der Kopf und der ganze
Oberleib verhüüt wird. Dieſer Schleier fällt oft bis auf die Ferſen herab .

4) Der Geſichtsſchleier ( Burko), ein dreieckiges Tuck , wovon der breitere Theil nach oben

ſchaut und welches das Geſicht verhüllt. Mit einer Schnur wird dieſer Schleier um

die Peripherie des Kopfes gebunden. Die Spange , welche mitten von der Stirne zum
Schleier herabgeht, prunft von Silber oder Gold . Die gemeinere Klaſſe trägt einen

3sar ohne Geſichtsidhleier, deſſen Farbe bald weiß oder blau, bald ſchwarz iſt. Letzterer,

von Seide, wird für ſchöner gehalten .


Dieſe ſtrenge Verſchleierung iſt uralte Sitte des Morgenlandes. Die Geſtalten

erſcheinen dadurch, plump.und ausdrudslos .

5) das Hemd ( Ramis) von Seide, Baumwolle oder Flachs, iſt weiß .
6) Die Weſte ( Sadrieh) gleicht der des Mannes , nur hat ſie einen Ausſchnitt vorne.

Ebenſo die Jacke mit Aermeln (Mantian ), die nebſt dem nöthigen Ausſchnitte, an der
Seite unten bis hoch hinauf geſpalten iſt.
Das Mantian tragen nicht alle Damen , niemals aber dieſes und die Sadrieh mit

einander, ſondern entweder das eine oder das andere Kleidungsſtück.


7 ) Foſtan iſt das was ſombas bei den Männern , aber ein wenig anders geſchnitten.

Ebenſo entſprechen ſich Salta der Damen und Fermalieh der Männer .
8) Die Strümpfe von Seide oder anderem Stoffe, mit bunten Stickereien ſind immer kurz .

8) Die Hoſen ſind unten weit und werden gebunden. Die unteren ſind von Baumwolle
oder Flachs, die oberen von Seide oder ſonſt gutem Stoffe und verſchiedener Farbe .
Eigenthümlich iſt die Fußbekleidung der Frauen ; denn außer den unmittelbar über

den Strümpfen zu tragenden kleinen Stiefeln (Meſt) und den über letztere angezogenen Babudich

worin die Damen ein verſchiedenfarbiges Tuch tragen , führen ſie die Sdh uhſt ülze , gleichſam
ein Sohlenſchemelchen . Die Schuhſtülze beſteht aus einem Bretchen von 9 Zoll Länge,

3 /2 Zoll Breite da , wo die Breite des Fußes iſt und von 5 bis 6 Linien Dicke. Die Form

richtet ſich mehr oder minder nach dem Fuße. Der Name für ein Paar heißt Kabakib . *) Auf

dem harten Steinboden giebt das Auftreten mit ſolchen Sdyuhſtülzen ein dem Wortlaut (Robkab )
ähnliches Klaffen. An der Sohle dieſes Bretchen8 befinden ſich zwei hölzerne Abfäße von zwei
oder mehr Zoll Höhe. Der eine in der Nähe der Ferſe , der andere unter der Stelle , wo die
Sohle am breiteſten iſt. Gerade ober der genannten Stelle iſt ein breites Leder über die
Oberfläche der Sohle gebogen , das den Fuß auf dem Bretchen hält und meiſt geſchmacooli
verziert iſt. Der Fuß fährt alſo unter dies Leder hinein , das am Bretchen befeſtigt iſt. Es

*) Der Singular davon iſt Koblab.


192 Jeruſalem mit ſeinen Erinnerungs- Stätten.

gehört große Uebung dazu, auf dieſen Sdjuhſtülzen zu gehen . Schnell können auch die geübten
Damen darauf nicht gehen . Man tritt in den Strümpfen oder barfuß auf dieſe Schuhe. Bei

dem erwähnten Styl der Häuſer ſind dieſe Schuhe ganz zweckdienlich, da bei Regenwetter über
die Gänge und Teraſſen nicht trocknen Fußes zu wandeln iſt , mit naſſen Füſſen aber Zimmer
und Teppiche nicht betreten werden dürfen .

Die Kleidung der eingebornen Chriſten zeigt nyr im Tragen des Turbans ( Neffel ) einen
Unterſchied, indem die Moslemin allein einen grünen Turban haben . Die Chriſten tragen einen

ſchwarzen oder blauen und die fränkiſchen wohl audy einen weißen Turban. Die grüne Farbe
jieht der Mohammedaner überhaupt an der Kleidung Anderer nicht gerne. Früher waren die
Farben für Tragen des Turbans genau beſtimint. Für Türfen und Sarazenen weiß , für

Armenier blau, für die andern Chriſten zwei- oder dreifarbig, für Juden gelb . Uebrigens giebt

es ſehr viele , wie das Militär und die Polizeimannſchaft, welche keinen Turban , ſondern blos
einen Tarbuſch tragen . Die Frauen der Moslemin und die chriſtlichen zeigen im Roſtüm wenig
Unterſchied, außer daſ letztere nichts Grünes tragen und erſtere mehr verhüllt ſind . Wenn der

Chriſt in ein chriſtliches Haus tritt , ſo verhüllt ſich vor ihm kein Frauenzimmer. Wer einen
Turban trägt , läßt ſeinen Kopf ſcheren , ſei er Moslem , Chriſt oder Jude. Uebrigens giebt es
manche eingeborne Chriſten , welche den Kopf ungeſchoren laſſen und ein Theil Fuden hält gar
viel darauf, an den Schläfen das Haar üppig herabfallen zu laſſen. Der Bart gilt im Drient
als ein Zeichen männlicher Würde. Die meiſten Städter erhalten indeß nur den Schnurbart
und der übrige wird wegraſirt. Man Vält es für eine Schmacy , am Barte von einem Andern
berührt zu werden . Schließlich muß erwähnt werden, daß die Damen ihre Augenlieder ſchwarz
färben . Es wird verſichert , daß auch den Kopfhaaren eine andere Farbe gegeben wird und

zwar, woran man im Abendlande gewiß nicht denken würde, die rothe . So werden auch die

Nägel der Finger roth oder rothgelb gefärbt mittels eines Pulvers , welches die Araber Tamer
el- Henna nennen . Es kommt von Damaskus und Aegypten und wird auf dem Markte ſehr

wohlfeil verkauft . Man bereitet aus den gepulverten Blättern des Henna - Baumes einen Teig ,
den man auf der zu färbenden Stelle über eine Stunde liegen läßt . Die Henna war ſchon
im X. Jahrhundert befannt als Färbungsmittel .

Eine andere Ziererei der Haut bei Männern und Frauen iſt dié bleibende Färbung und
Zeichnung der Haut durch Tätowiren. Dazu bedarf man eines Models , Farbſtoffes und
Stechinſtrumentos . Der Model iſt von Holz, wie bei unſern Druckern , aber doppelt, d . h. zur

Erſparung von Holz erſd ) einen auf beiden Seiten zwei verſdiedene Model. Die Auswahl der
Bilder, welche auf die Haut übertragen werden, iſt nicht groß . Ein Bild ſtellt 3. B. Johannes
den Evangeliſten mit Buch und Feder dar . Der Farbſtoff eine Miſdung von Schießpulver,
Indigo und Eſſig wird auf den Model geſtrichen, dieſer auf die Haut gedruckt und ſo erhält
man den Abdruc. Nun ſtreidt man Farbe in die Nähe der Zeichnung, nimmt die feine, lange
Doppelnadel, um dieſe, in die Farbe getupft, eine Linie tief den gedruckten Linien nach einzuſtechen ,
mwa

Morg
Sitte
S
. peisenlä
nendendische
Hausgeräthe. 193

was mit vieler Gewandtheit vor fich geht , ſo daß ſehr ſelten ein wenig Blut nachfließt. In
Jeruſalem geben ſich mit dieſer Operation 15 Männer , Lateiner und Armenier ab . Die täto
wirten Punkte erſcheinen dunkelblau. Die Muſelmanen tätowiren ſich ebenfalls. Bei Frauen

Ž. B. wird ein Fleck des Geſichtes auf jeder Seite tätowirt. Ein ſolcher Fleck ſitt auf der
Stirne zwiſchen den Augenbrauen , mitten auf dem Kinn oder zur Seite deſſelben . Dieſen

Brauch findet man bekanntlich ſeit den älteſten Zeiten bei den Wilden , Indianern und andern
Völkern . In früherer Zeit hielten die Pilger auf ein ſolch eingeätztes und eingeſtochenes

Erinnerungszeichen außerordentlich viel.

Bevor wir das Kapitel der orientaliſchen Sitten verlaſſen , ſei noch das Hausgeräthe

überſidytlich erwähnt , welches bei den Morgenländern ſehr einfach beſtellt iſt. Im Zimmer

eines ächten Morgenländers , der nicht gerade zu den reichſten zählt , trifft man Wollen- oder

Stroh - Teppiche auf dem Boden, Polſter auf dem Diwan ; aber weder Tiſch noch Bank beſchränken
während des Tages den Zimmer- Raum . Es giebt zwar auch Tiſde, welche aber niedrig, rund

und nur eine transportable Tafel von Holz ſind ( Sofra) . Um dieſe hockt man während des
Eſſens ; nach dieſem wird das Tiſchchen immer wieder entfernt. Außer dem breiten Diwan,

der bei den Vermöglichen ein wenig erhaben , bei den Aermeren hingegen auf dem Boden
angebracht iſt, kommen kleine niedrige Stühle , wie in den Kaffeehäuſern , immer mehr in

Gebraucy, obgleid) ſie noch immer ſelten ſind. Die Kleider werden in eine Riſte, ein Koffer
oder eine mit einer Thüre geſd loſſene Wandniſche geſperrt . Die Juden haben in ihren

Zimmern viel Fränkiſches z . B. hohe Tiſche. Das Bett beſteht aus einer Strohdecke, Matraße

von Schafwolle, aus einem Tuche von Baumwolle und einer dicken , geſteppten, mit Baumwolle
wattirten Decke und aus einem oder zwei mit Baumwolle gefüllten Kiſſen. Vom Gebrauche

der Leintücher verlautet nichts. Dieſe Bettbeſtandtheile werden Abends auf dem Boden des
Wohnzimmer8 ausgebreitet und am Morgen zuſammengerout, an die Wand gelegt und zugedeckt

oder in eine Wandniſdie geſchoben. Auch der Kranke liegt auf dem Boden . Die Juden haben

nach der Weiſe der Franken auch hohe Bettſtellen . Die Hölzernen Wiegen ſind den unſeren
ähnlich , an deren Stelle jedoch häufig eine Art Hängematte fid findet, wozu im Zimmer zwei
Schnüre zum Tragen des Bettes ausgeſpannt werden . Eine daran geknüpfte Sdnur dient zum

Schaukeln. In den Stoffen dieſer Teppiche, Decken und Diwane bekundet ſich begreiflicher

Weiſe der morgenländiſche Lurus . Fußteppiche aus Bagdad , ſeidene Diwane und Ruhebetten
mit Gold und Silber ausgeſtickt, goldburchwirkte Niſchen -Vorhänge , Tiſchchen von Palikſander
holz u . 1. w. ſtehen nicht in jedem Hauſe zu Dienſten , zeigen aber den reichen Morgenländer.

Zur Erwärmung der Ziinmer gebraucht man Rohlengluth , die im Mankal bewahrt wird.

Mankal iſt ein zierliches , ſchüßelförmiges großes Gefäß von Meſſing mit einem breiten Rande
und zwei Ringen behufs des Transportirens und ruht auf einem überzinnten , hin und wieder
mit arabiſchen Inſchriften verſehenen, 3 Fuß im Durchmeſſer haltenden Teller , welcher mitten

oder ſonſt wo im Zimmer niedergeſtellt wird. Germere bedienen ſich ſtatt des Mankals eines
25
194 Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems.

gewöhnlichen Kochtopfes. Will man ſich wärmen , ſo ſchaart man ſich um das Mankal oder
den Topf. Die Handwerker ſelbſt an der Gaſſe ſegen in ihre Nähe Kohlentöpfe , an welchen
ſie zeitweiſe ihre Hände wärmen . Dieſe Art ſich zu wärmen wird auch in der hl. Særift bei

der Verleugnung Unſeres Hermh erwähnt. Weil gewöhnlich Holzkohlen gebraucht werden , ſo
entſteht hiebei und beim Kochen wenig Rauch, den man zur Thüre hinausläßt , mithin der
Schornſteine nicht nöthig hat. Die Beleuchtung in den Zimmern reicht nur zu jenen Ver

richtungen aus , welche auch ohne Licht von Statten gehen , wie zum Tabafrauchen , auf dem
Diwan liegend zu plaudern . Dazu hängt von der Mitte der Zimmerkuppel eine Lampe herunter,
deren Licht zu einer ordentlichen Arbeit in keiner Weiſe ausreicht. Man brennt Seſam, ſeltener
Baumöl. Die Abendländer hingegen haben zur Heizung eiſerne Defen und zur Beleuchtung

Wachskerzen oder Lanipen.

In den Gaſſen iſt nur ſelten an frequenteren Orten eine Lampe aufgehängt , weßhalb

man gehalten iſt, beim nächtlichen Ausgehen eine Lampe mitzunelymen. *)

IX. Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems.


1. Weg nach Bethlehem .

Vom Jafa: oder Pilgerthor nimmt der Weg gegen Bethlehem die füdliche Richtung,

vorüber an dem „ Berge des böjen Rathes " in felſiger baumloſer Umgebung , über ſteinigte
Berghöhen hin zu dem griechiſchen Elias - Lloſter, das in der Einſattlung zweier ſanfter

Höhen aus dichtem Delwald mit hohen Mauern ragt. Die jetzt El-Bafaah genannte Ebene iſt
das in der Hl. Schrift oft erwähnte Thal „ Raphain “ oder das „ Thal der Rieſen “ . In den
zahlreichen Kämpfen der die Küſtenlande bewohnenden Philiſter ward dies Thal bei ſeiner Lage
zwiſchen Jeruſalem und dem Philiſter -Lande häufig der Schauplat des Rampfe8. Hier beſiegte

fie David und nahm ihre Götzenbilder weg . ** ) Der Prophet Fjaias vergleicht den verwelkten

Ruhm Jakobe mit dem Aehrenleſer dieſce Thales. XVII. 4.

Eine halbe Stunde von der Stadt und in geringer Entfernung rechts vom Wege zeigt
man mitten in den Feldern Nuinen und eine Ciſterne, wo die Wohnung Simeon's, des Gerechten
angenommen wird , der das Kind Jeſus auf ſeine Arme nahm und der heiligen Jungfrau die

Leidensvolle Zukunft offenbarte. Der Ort heißt St. Simeon's Thurm . Mit dieſem Thale
hängt noch eine ſchöne Sage zuſammen , welche erzählt, daß Maria halbwege zwiſchen Jeruſalem
und Bethlehem unter einer Terebinthe ausgeruht habe , als ſie das Kind Jeſus zum Tempel

trug. Während nun die Hl. Familie unter ihren Zweigen verſammelt war, neigte ſich der Baum,

wobei er ſeine Aeſte wie eine Arone ausbreitete, um das Kind , den Herrn der Schöpfung zu
begrüßen, wie geſchrieben ſteht: „ Wie eine Terebinthe breitete id) meine Zweige aus und meine

Zweige ſind herrlich und lieblid ) ." Eccl . XXIV. 22.

*) Tobler. Denkblätter 296 fi. 315 fi. 182 ff.


** ) II. Rön. 5, 18 ; I Paral. 11 , 15 ; 14, 9 ; Joſue 15 , 8 und 18. 16.
"N

Ansicht
.Aeussere
Rahel's
.Grab Innere
Rahel's
.Grab
Ansicht
Weg nach Bethlehem . 195

Die Terebinthe der heiligen Jungfrau ſtand einen Steinwurf weit vom Brunnen der hl . drei

Rönige. Sie wurde im Jahre 1645 von einem Araber verbrannt, welcher das Zertreten ſeines Feldes
durch die Pilger abwenden wollte. Als der Baſcha von Jeruſalem durch die Franziskaner davon

Nachricht erhielt , ertheilte er den Befehl , daß man ſuchen ſolle, aus den Wurzeln neue Triebe

hervorzubringen ; aber es war vergebens. Die Mönche machten aus dem Holze Kreuze und

Roſenkränze und bezeichneten die Stelle , wo der ſchöne Baum geſtanden hatte , durch einen
Haufen Steine. Am Fuße des Hügels , unweit des Eliaskloſterø, wird eine Siſterne „ Brunnen
der hl . vrei Könige" genannt , weil ſie hier ben leitenden Stern wieder erblidten und in große

Freude darüber verſet wurden . * ) Matth. 2 , 10.

Ehemals ſtand hier ein Kloſter. In der Umgebung dieſes Brunnens zeigt man den
1 Erbſenader. Man erzählt, daß Unſer Herr, als er hier vorbeiging und einen Menſchen jah,
1 der Erbſen jäete, ihn freundlich fragte, was er jäe. „ Steine", antwortete höhniſch der Gefragte.
„ Was du gefäet haſt, wirſt du ärndten ," ſprach der Erlöſer. Und als der Mann zur Aerndte
fam , fand er nichts als Steine und heutigen Tages noch iſt das Feld mit Steinen , die Erbſen

gleichen, bedeckt. Aehnliche legenden ſind auch anderwärts verbreitet. An der rechten Seite des
Weges , eine Viertelſtunde bevor man die Höhe erreicht, zeigte man vor Alters die Ruinen des
Hauſes und der Kirche des Propheten Habakuk. Hier ſtand ein großes Kloſter, weil man glaubte,
1
hier ſei es geweſen , wo der Engel des Herrn den Bropheten Habakuk, als dieſer eben auf's

Feld gieng , um den Schnittern das Mittags- Eſſen zu bringen , bei ſeinem Schopfe ergriff und
ihn nach Babylon brachte zu Daniel , der in der Löwengrube war . **) Auf der Anhöhe ſteht

das Elias - Kloſter. Es iſt etwa eine Stunde von Jeruſalem entfernt und die Hälfte Weges
nach Bethlehem , das von hier aus ſichtbar wird und ſich auf dem kahlen Hintergrunde felſiger

Höhen ſtattlich ausnimmt. Ale tiefen und alle wagrechten Räume zwiſchen den Feldſchichten
der Höhen ſind trefflich bebaut ; die Erde iſt röthlich, das Geſtein Marmor. Außer Bethlehem

ſieht man von dieſem Punkte aus noch die hl. Grabkirche und den Delberg ; alſo die Stätten
der Menſchwerdung, des Todes und der Verherrlichung Unſeres Herrn. ***)
Auf dem Wege dahin , eine Viertelſtunde weiter zeigt man einen aus großen Steinen

zuſammengeſetzten Sarg von 11 Fuß Länge und 4. Fuß Breite, welcher von einer kleinen Moſchee
mit Kuppel umfangen wird . Von Chriſten, Juden und Mohammebanern wird dieſe Stätte als
der Ort verehrt , wo Rachel begraben wurde. Die hl. Schrift erzählt : Alſo ſtarb. Rachel
und ward begraben an dem Wege gen Ephratha , bas nun Bethlehem iſt. Und

Jakob errichtete ein Denkmal über ihrem Grabe , das iſt das Denkmal Rachel's
bis auf dieſen Tag. Gen. 35, 19.

*) Mislin III 5 ff. Wiener -Ausg. 1860.


** ) Daniel 14, 33
*** ) Mislin . Ebend . 8.
25 *
196 Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems.

Die Dertlichkeit iſt bei allem Wechſel der Merkzeichen über allem Zweifel und ſo das
Grab der Mutter Foſeph8 bon Aegypten durch vierthalbtauſend Jahre dem Andenken erhalten .
Jakob kam mit ſeiner Frau aus Meſopotamien zurück; da ſtarb ſie, indem ſie Benjamin

zur Welt brachte. Mehr als ſiebenhundert Jahre ſpäter, als der Prophet Daniel den Saul

geſalbt hatte, ſprach er zu ihm von dieſein Grabe, indem er ſagte, daß der neue König dort die
Abgeſandten ſeines Vaters treffen würde . I Rön . 10, 2.

Die Stelle, deren auch der hl. Hieronymus gedenkt , bezeichnete im VII . Jahrhunderte
eine Pyramide, im XII. Jahrhunderte ein aus zwölf Steinen nach der Zahl der Söhne Jakobs

zuſammengeſetztes Denkmal mit einer Kuppel. Das jeßige Denkmal gleicht als Ganzes einem

gemauerten Würfel in der Größe eines einſtödigen Hauſes , worüber ſtatt des Daches eine

Kuppel von Stein ſich wölbt. Im Innern des Gebäudes , zu 'welchem Sir Moſes Montefiore
1841 eine Vorhalle baute, befindet ſich das erwähnte fargähnliche ſteinerne Grabmal ſelbſt. Den
Eingang verſchließt eine eiſerne Gitterthüre, wodurch man in's Innere ſehen kann . Die Muſel
männer haben von den Juden die Sitte angenommen , die Gräber mit Ralf zu übertünchen , ſo
daß man dieſe Grabmäler ſchon von Weitem ſieht. Die Juden thaten es, damit die Prieſter, die

Aufwärter des Tempels und Reiſende denſelben nicht zu nahe kommen und dadurch ſich verun
reinigen ſollten. Da der Regen dieſen Kalkanwurf von Zeit zu Zeit abwaſch, mußte dieſer öfter
erneuert werden , was beſonders im Monate Adar geſchah. Daher der treffende Vergleich :

„Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Phariſäer, ihr Heuchler ! die ihr übertünchten Gräbern
gleichet, welche von Außen vor den Leuten zwar ſchön in die Augen fallen , inwendig aber mit

Todtengebeinen und allem Unrathe angefüllt ſind .“ Matth . 23, 27.


Auf den Anhöhen liegen Ruinen zerſtreut. Einige hielten dafür, es müßten jene von
Rama ſein, unter welchem Namen in Paläſtina vier oder fünf Städte bekannt ſind. Das Wort
bedeutet eigentlich „ Auf der Höhe" und die ergreifende Stelle über den Kindermord zu Bethlehem

wird wohlbegründet auf dieſe Höhen angewendet. Hier alſo war es, wo man das Herzzerreißende
Geſchrei, das bis zum Himmel drang, vernahm von den Müttern Bethlehems und der Umgebung,
die in Rachel, der Mutter der Kinder 3ſraels perſonificirt ſind. „ Tunc adimpletum est, quod

dictum est per Jeremiam prophetam dicentem : Vox in Rama audita est , ploratus et

ululatus multus : Rachel plorans filios suos et noluit consolari , quia non sunt.” Matth.
2, 18. „ Da ward erfüllt, was durch den Propheten Jeremias verkündet iſt, wenn er ſpricht:
Eine Stimme wird gehört zu Rama , viel Weinens und Heulens ; Rachel beweint ihre Kinder

und will ſich nicht tröſten laſſen ; denn ſie ſind nicht mehr.“ Warum, frägt der hl. Hieronymus,
werden dieſe Kinder insbeſondere der Rachel zugeſchrieben , da ſie doch die Mutter Benjamins
war , und nicht Juda's , in deſſen Stamm die Stadt Bethlehem lag ? Und er antwortet :

„ Weil Rachel bei Bethlehem begraben iſt und den Titel einer Mutter jenes Landes angenommen
hat , welches ihren leib gaſtfreundlich aufnahm ; oder auch, weil die beiden Stämme Juda und
Benjamin nahe bei einander lagen und Herodes befohlen hatte , nicht nur die Kinder von
.
.
YHL

liipal
.
Weg nach Bethlehem . 197

Bethlehem , ſondern auch die der Umgegend zu töbten . Selbſt ein heidniſcher Schriftſteller

ſpricht von dieſem gräulichen Morde . Macrobius , der übrigens irriger Weiſe den Tod Antis

pater's , des Sohnes des Herodes , der gleichfalls der Grauſamkeit ſeines Vaters zum Opfer
fiel, mit dem Kindermorde von Bethlehem vermengt , ſagt , daß Auguſtus, als er vernahm , daß
unter den Kindern unter zwei Jahren , welche Herodes , Rönig der Juden , in Syrien hatte

umbringen laſſen , der eigene Sohn des Herodes ſich befand, ausrief, es wäre beſſer, das Schwein
des Herodes als ſein Sohn zu ſein . Eine Anſpielung auf das bei den Juden geltende Verbot
des Schweinefleiſchgenuſſes . * )
Weſtlich vom Grabmal der Rachel liegt von einem ſchönen Olivenhaine umgeben auf
einer Anhöhe das Dorf Beit Didala , welches eines der bedeutendſten in der Umgebung Jeru
falems iſt. Es wird in demſelben das bei Joſue 15 , 31 genannte Gilo nicht ohne Wahrſchein
lichkeit vermuthet. Es zählt bei zweitauſend Einwohner , lauter Griechen , mit Ausnahme von
24 katholiſchen Familien . Die ziemlich große griechiſche Kirche ſteht unter dem Schute des hl.
Nicolaus . Hierher hat der katholiſche Patriarch von Jeruſalem das Seminar verlegt, von deſſen
Gründung bereits die Rede war,
Die Griechen haben kein Mittel geſcheut, um bem katholiſchen Miſſionär dieſe Station

zu verwehren und ſelbſt thätliche Mißhandlung nicht verabſcheut, um ihren Zweck zu erreichen .

Jeßt iſt eine neue Kirche und anſtändige Wohnung für den katholiſdyen Pfarrer daſelbſt hergeſtellt
und der böswillige Plan der Griechen vereitelt . Der Ort iſt reich an Del und Wein und

überhaupt geſund gelegen. **) Die katholiſche Kirche, im gothiſchen Style erbaut überragt das
Seininar- und Bfarr- Gebäude . Im Jahre 1857 beſtand das Seminar au8 26 Alumnen, lauter

Eingebornen von 10 bis 18 Jahren . Theologen zählte man nur 2 , welche Franzoſen waren,

Philoſophen 9 , lauter Araber . Die Uebrigen betrieben Humaniora . Der philoſophiſche Curs

bauert zwei Jahre. Etwa 6 Profeſſoren lehren Theologie und die Hilfefächer. Uebrigens zeigt

ſich auch hier , daß dem Orientalen Arbeitsluſt und Beharrlichkeit fehlen , um beim begonnenen

Berufe auch auszuhalten . Viele junge Leute treten vor Vollendung der Studien aus und

benüßen ihre wohlfeil erworbenen Kenntniſfe dazu, Dolmetſcher u. d. gl. zu werden .


Je größer die Schwierigkeiten, deſto höher auch das Verdienſt. Die Standhaftigkeit und
Aufopferung des vom Patriardyen hierher geſandten Miſſionärs Moretain wird für dieſe

Zöglinge ein lebendiges Beiſpiel dieſer Tugenden bleiben und des Erfolges nicht entbehren.
Am Fuße der Anhöhe ſprudelt eine ergiebige Quelle.

2. Bethlehem .
Die Einſattlung zwiſchen zwei Hügeln und den einen dieſer Hügel ſelbſt krönet das
freundliche Bethlehem , während das Kloſter und die Kirche über der Geburtsſtätte Chriſti,

*) Mislin Ebend. 10.


**) Mislin Ebend. 117.
198 Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems.

einer ſtattlichen Burg gleich, auf dem andern liegen . Das Thal , welches dort den Urſprung

nimmt, iſt reizend durch. trefflichen Anbau und durch die Fülle an Mandel- Del- und Feigenbäumen.
,, Der erſte Anblick eines Ortes, wie Bethlehem , macht, nach dem Ausſpruche * ) eines
Pilgers , einen ſeltſamen Eindruck auf die Seele. Es iſt wie wenn plöglich das Bild , welches
ſchon in der Kindheit der Seele vorgeſtellt und eingeprägt wurde, aus der innerlichen Vorſtellung

heraustrete und nun zu einer äußern Wirklichkeit ſich verwandelte es kommt einem vor wie
eine alte Heimath , ja wie ein materiell Stein gewordener Theil der eigenen Seele ; und ſie
iegt mit dem Blick grüßend fchon ferne dem Ort entgegen ."
Dies kleine Bethlehem warb geſegnet und ausgezeichnet feit der älteſten Zeit . Nicht nur,

daß Elimelech , Noemi , Ruth , Booz und Obed in dieſer fruchtbaren Landſchaft wohnten , auch
3jai hatte hier ſeinen Wohnſit, wo ihm David geboren wurde, der auf den Fluren Bethlehem8

die Heerden hütete und von Samuel zum Könige über Iſrael gefalbt wurde.
„ Alſo führte 3jai ſeine ſieben Söhne vor Samuel und Samuel ſpracy zu 3jai: Reinen
von dieſen hat der Herr erwählt. Und Samuel ſprach zu 3jai : Sind denn das deine Söhne
alle ? Und er antwortete : Noch iſt der Kleine (David) übrig ; denn er hütet die Schafe. Alſo
ſandte er hin und ließ ihn herbeibringen . Er war aber röthlich und feinen Anſehens und ſchönen

Angeſichts. Und der Herr ſprach : Auf, ſalbe ihn ; denn der iſt es !" I König. 16, 10. Darum
heißt Bethlehem auch geradezu , Stadt Davide . " Würde auch nur David dieſer Stadt ent

ſtammen und ſich an ſein Geſchlecht nicht die Erfüllung göttlicher Vorſehung knüpfen , ſo würde
dieſer Name allein dem freundlichen Bethlehem ewigen Glanz verleihen , denn einen größeren
König und ſo gottbegeiſterten Sänger hat Iſrael nimmer beſeſſen . Das Göttliche im Menſchen
oder über dem Menſchen , das iſt der Gegenſtand ſeines Geſanges . David erfuhr aber auch,
daß ſein Gemüth machtlos würde , ſobald er es dem Sinnlichſchönen unterthänig machte. Sein
tiefer Fall aus ſinnlicher liebe, welchen die hl. Schrift ſo klar als ſchweres Verbrechen ſchildert,
würde ſicher alles früher durch religiöſen Geſang Erreichte zerſtört haben, wenn nicht eben dieſes
Gemüth , welches ſo tief fallen konnte , auch zum lauten Sündenbekenntniß vor der ganzen Welt

getrieben hätte. Durdy dieſe Heldenmüthige Reue iſt es in die tiefſten leiden der Menſchheit
eingetreten und iſt befähigt, nidyt nur mit den Gerechten zu jubeln und zu klagen, ſondern auch
mit den Sündern zu weinen. Dieſe Reue hat Gott verſöhnt und mußte auch die durch ein

großes Aergerniß verlegten Seelen heilen. Den Empfindungen von Gottergebenheit , die der
Grundton ſeiner Lieder ſind , hat die bußfertige rührende Hingebung an Gottes Willen bei der

Empörung ſeines Sohnes Abſalom das Siegel der kräftigſten Wahrheit aufgedrückt (II Sam . 15, 25).

In Davids umfangreicher Seele und in ſeinem mannigfachen leben haben ſich faſt alle
Möglichkeiten edler Menſchenkraft erſchöpft und all dieſe herrliche Kraft hat nur Einem Zwecke
gedient , Gottes Namen glorreich zu machen auf Erden . So war David nicht nur ein großer.

*) A. Storz 299 .
KAZI

Hirten
.der
Thal
Das
Bethlehem. 199

Mönig , er war auch unter den Menſchen einer der größten .* ) Doch es ſollte außer dieſem
menſchlichen Ruhme und Andenken dem Städtchen und Hauſe Davids göttlicher Ruhm und
göttliche Herrlichkeit zu Theil werden laut den Worten des Propheten : „ Aber du , Bethlehem
Ephrata ! zwar klein unter den Tauſenden Juda's , au 8 Dir wird hervorgehen

der Herrſcher in Iſrael , deſſen Ausgang von Anbeginn iſt, von Ewigkeit her.
Er wird ſtehen und weiden in der Kraft des Herrn , in der Hoheit des Namens
des Herrn , feines Gottes ; und fie werden ſich befehren ; denn nun wird er
herrlich werden bis an die Enden der Erde . Und er wird der Friede ſein ."

Mich. 5. 2.
Unter den Hirten Bethlehems wurde der Eine Hirte geboren , deſſen Heerde über die
ganze Erde weiden ſollte: der Hirt der Völfer des Erdkreiſes Jeſus Chriſtus.
„ Es geſchah in denſelben Tagen , daß von Kaiſer Auguſtus ein Befehl

ausgieng , das ganze land zu beſchreiben. Und es gieng auch Jojeph von Galiläa ,

von der Stadt Nazareth ; hinauf nach Iudäa in die Stadt David8, welche

Bethlehem heißt , weil er aus dem Hauſe und dem Geſchlechte Davids war , um

mit Maria , ſeinem verlobten Weibe , die ſchwanger war , ſich anzugeben . Und

jie gebar ihren erſtgebornen Sohn , widelte ihn in Windeln und legte ihn in

eine Rrippe , weil , in der Herberge kein Plat für ſie war.
Und es waren Hirten in derſelben Gegend , die hüteten und Nachtwache

hielten bei ihrer Heerde. Und.fiehe , ein Engel des Herrn ſtand vor ihnen und

die Herrlichkeit Gottes umleuchtete ſie und ſie fürchteten ſich ſehr. Der Engel
aber ſprad) zu ihnen : Fürchtet euch nicht! denn ſiehe, ich verkünde Eudeinegroße
Freude , die allem Volke widerfahren wird ; denn heute iſt eud in der Stadt

Davids der Heiland geboren worden , welcher Chriſtus, der Herr iſt. Und ſogleich
war bei dem Engel eine Menge himmliſcher Heerſchaaren , welche Gott lobten

und ſprachen : Ehre ſei Gott in der Höhe und Friede den Menſchen auf Erden,
die eine guten Willens ſind." Luc . 2, 1. Matth. 1, 18. 2, 1 .

Ein anmuthiges grünes Thal im Oſten Bethlehems wird das Feld der Hirten “
genannt und bewahrt das Andenken dieſes Ereigniſſes. Eine Höhle zur Aapelle umgeſchaffen

gilt als der Aufenthaltsort der Hirten, als iønen der Engel Gottes die frohe Botſchaft von der
Geburt des Heilands bradyte. Welch eine Fülle heilig erhabener Erinnerungen liegt in dieſem
Bethlehem und ſeinen Triften ! Eine Generation nach der andern iſt zwar ſeit jèner Zeit

dahingeſtorben und ihre Stätten wiſſen nichts mehr von ihnen ; achtzehnhundert Jahre hindurch

hat die Erde jetzt ihren grünen Teppich erneuert und ihn wieder dahinſchwinden fehen ; doch
der Himmel und die Felder , die Feljen und die Hügel und die Thäler ringsum blieben unver

*) paneberg c . W. 215 ff.


200 Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems.

wandelt und ſind noch dieſelben , wie damals als die Glorie des Herrn die Hirten umſtrahlte

und der Gefang der Menge der himmliſchen Heerſchaaren in den Bergen widerhallte! *) Nach

uralter Tradition war der Geburtsort Chriſti eine Grotte oder Höhle , deren man ſich in dem

gebirgigen Paläſtina gar oft als Hürden für die Heerden bediente , was noch bis zur Stunde

der Fall iſt. Schon Juſtinus Martyr redet, wie oben bereits angeführt wurde, von der Grotte
der Geburt des Heilande zu Bethlehem . Origenes führt gegen Celſus an , daß zu Bethlehem

die Höhle , in welcher der Heiland geboren ward , und in der Höhle die Krippe gezeigt werde,
wo das in Windeln gehüllte Rind gelegen. **) Daraus, ſowie aus dem Befehle des Raiſers

Hadrian, diefe Stätte dem heidniſchen Cultu8 zu widmen , erhellt, daß den Heiden und Chriſten

dieſelbe genau bekannt und legteren ein Gegenſtand hoher Verehrung geweſen . Um das Jahr
326 ließ aber Kaiſer Conſtantin , wohl auf Antrieb der raſtloſen Helena über der geheiligten

Höhle eine prachtvolle Baſilika erbauen, deren Geſchichte und Form folgende iſt.
3. Baſilika zu Bethlehem.
Bei der Felsgrotte der Geburt Unſer8 Herrn ward eine Kirche gebaut auf Conſtantins

Befehl und jene heilige Höhle , wo die allerſeligſte Jungfrau Unſern Heiland Jeſus Chriſtus

geboren hatte, auf das Koſtbarſte geſchmückt in jeder Art von Zierde. Auch ehrte derſelbe
Naiſer dieſe Stätte durch königliche Geſchenke , burch verſchiedene goldene und ſilberne Roſtbar
feiten und buntfarbige Teppiche, indem er die Freigebigkeit ſeiner Mutter Helena noch vermehrte.
Alſo berichtet der Zeitgenoſſe Euſebius . Der Pilger von Bordeaux , welcher im Jahre 334 an

dieſem heiligen Orte war , nennt dieſe Kirche des Conſtantin eine Baſilika . Der Kirchen
hiſtoriker Sokrates fügt hinzu , dieſelbe habe an Bradyt jener zu Jeruſalem nicht nachgeſtanden.

Trotz der unter Juſtinian bewerkſtelligten Erweiterung und Ausſtattung im VI. Jahrhundert,

deſſen Thätigkeit am Querſchiff und Altarraum zumeiſt dokumentirt in den jegigen Neſten der
Architektur vorliegt, ***) troß vieler am Dache und den Gemälden im Laufe der Zeit nothwendig

gewordenen Nachhilfen und Veränderungen , ſteht der konſtantiniſche Bau in den weſentlichen
Theilen noch bis zur Stunde aufrecht; das hiedurch allein ſchon denkwürdigſte Bauwerk des
dyriſtlichen Alterthums.

Die Baſilika hat gleich allen größeren Kirchen, die Conſtantin erbaute, fünf Schiffe, von
welchen das Mittel- oder Haupt - Schiff. die zwei zu beiden Seiten angeordneten überragt und

über deren Bedachung die Fenſterreihen hinführt. Sämmtliche Schiffe münden in ein ziemlich
tiefes Quer- oder Kreuzſchiff. legteres endet in der halbkreisförmigen Altar- Apſis gegen Dſten,

während die Rreuzarme nach Nord- und Süd in ähnlichen Apſiden abſchlieſſen. Unter dem Boden

* ) Robinſon II. 384.


**) Bud I. 51 .
***) Tobler's Urtheil, Bethlehem 1849 S. 104 und Nau's Citat ibid . Note 4 derogiren außerdem dem
Conſtantin . Alter nidyt8 ; was hier nicht näher ausgeführt werden kann .
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Kirche
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1

i
Baſilika zu Bethlehem . 201

des Kreuzidiffes ſind die unterirdiſdien Räume der Feløgrottenkapelle, zu welcher voin Chor oder
Altar - Raum zwei Treppen hinabführen. Die eigentliche Stätte der Geburt und der darüber
gewölbten Kapelle fält beinahe in die Mitte des Kreuzſchiffes.

Geht man durch die Vorhalle an der Weſtſeite in die Baſilika , ſo hat man im Mittelſehiff

zu beiden Seiten je zwei Säulenreihen, deren jede aus 11 römiſchen Säulen von 18 Fuß Höhe
beſteht; im Ganzen ſomit 44 Säulen . Dieſe Säulen tragen ein gerades Gebälte und darüber

die Fenſterwand ; ſie ſind ſomit nicht wie bei St. Paul 31 Rom durch Rundbögen mit einander

verbunden . Die Baſilika mißt von der Thüre der Vorhalle bis zum vorderſten Theile des Chors
gegen 170 Fuß und im Schiffe von einer Seite zur andern gegen 80 Fuß. Die Mauerwände

ſind aus Quaderſteinen aufgeführt , während der Boden mit Steinplatten ohne Bracht belegt
und ſchon ſeit Jahrhunderten der Marmorzierde beraubt iſt. An den Seitenwänden des Ober

baues erhielten ſich undeutliche ' alte Darſtellungen , Inſchriften und ſchwer erkennbare Moſaik

bilder. Unter den Fenſtern , unmittelbar über den Säulen , waren die Bruſtbilder der jüdiſchen
Rönige ; über denſelben bis zu den Fenſtern hinauf ſah man nördlich Bögen gemalt, unter welchen
immer ein Geſtell mit einem Buche, daneben ein Rauchfaß, leuchter und Kreuz dargeſtellt waren .

Darüber und ſeitwärts griechiſche Inſchriften über die Concilien und der dabei anweſenden
Biſchöfe. Quaresmius theilt ſie fämmtlich mit , wovon hier nur die Namen der Concilien - Orte

folgen : Ancyra , Antiochia , Sardika , Laodicäa , Carthago . Auf der Südſeite folgen die ſieben

öcumeniſchen zu : Nicäa , Conſtantinopel , Epheſus und Chalcedon . Je zehn große Bogenfenſter

laufen an dieſen Seitenwänden des hohen Oberbaues, nämlich des über die Abſeiten aufſteigenden
Hauptſchiffe8 hin und werfen ziemlich viel Licht in die Baſilika . Die Dede bilden einfache

Balken von Cypreſſenholz, die nicht einmal bemalt ſind . Das Dacy iſt wie von jeher mit Blei

gebedt. Die Decke der Nebenſd ; iffe liegt nicht höher als die Kapitäle der Säulen und iſt ganz

eben . *) Gegenüber der kleinen Thüre zum Franciskanerklofter ſteht gegen die Mitte der ſüdlichen
Seite ein von Außen achtkantiger Taufſtein , der Innen in Form eines vierblättrigen Klee
ausgehöhlt iſt. Auf den äußeren Flächen ſieht man ein Kreuz in erhabener Arbeit mit folgender
Inſchrift in griechiſcher Sprache: „ Dem Andenken , der Ruhe und der Vergebung der Sünden

(der Spender) , deren Namen dem Herrn bekannt ſind .“ Dies Taufbeden iſt aus demſelben
Steine gehauen , wie die Säulen .**) Der große Chor gegen Morgen iſt kahl und durch die
griechiſchen Altäre entſtellt. Statt Marmor ſieht man an den Wänden Ralktünche, ſtatt ſchöner

Gemälde der Vorzeit das Kalkweiß oder griechiſche Stümpereien . Pfeiler und Chorherrnſtühle
ſind verſchwunden. Am freundlichſten dünft die helle Beleuchtung. Den nördlichen Seitenſchiffen
entlang befindet ſich der Freuzgang zu dem damit verbundenen lateiniſchen Kloſter. An die
Nordapſis des Kreuzſchiffes ſtößt die St. Catharinafirche der Katholiken und gegenüber , in der 1

*) Tobler , Bethlehem 90 ff.


**) Mislin , g. 2. III., 30. Duareomius, II. 645 .
26

1
202 Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems.

Südapſis iſt der Eingang zum griechiſchen Kloſter. Hinter der Oſtapſis ward ein Garten

angelegt. Zum armeniſchen Kloſter im Weſten führt aus der Vorhalle der Baſilika der
Eingang ſüdlich.
Kapelle der Geburt .

Vom Hochaltare einige Schritte gegen Weſten gerückt, leitet nördlich und ſüblich je eine

Treppe hinab zur Grotte der Geburt. Auch von der Catharinakirche kann man in dieſe

unterirdiſchen Räume gelangen . Die Richtung der genannten Stiegen iſt im Allgemeinen gegen
Weſten zu, ſo daß ſie genau unter den Boden des Kreuzſchiffes hinabführen, während die unter

irdiſche Kapelle ſelbſt in einem länglichen ſchmalen Biereď bis zur Weſtgrenze des Kreuzſchiffes

vorgreift.
Die Stätte der Geburt ſelbſt befindet ſich aber an dem öſtlichen Ende dieſer oblongen

Marmorkapelle, in der Form eine& kleinen Halbkreiſes im Grundriß , als gerundete Niſche aber
im Aufriß. Dieſe im Halbzirkel ausgehöhlte Stelle liegt genau zwiſchen den genannten zwei
Treppen und hat 8 Fuß Höhe und 4 Fuß Breite. Der untere Theil der Niſche iſt mit Marmor

ausgelegt und ihr Boden liegt etwa ' %. Fuß höher als der Boden der oblongen ganzen Kapelle.
Dieſer höher liegende Boden ber Niſche beſteht aus einer Marmorplatte, in deren Mitte ein

Strahlenkreis von Silber ſchimmert mit der Inſchrift : Hic de virgine Maria Jesus
Christus natus est.
In unſere Sprache übertragen : „ Hier iſt Jeſus Chriſtus von Maria der Jung
frau geboren worden . "

Darüber iſt ein kleiner Altar, ſo daß die vielen prachtvollen Lampen unter der Altarplatte
und über der Inſchriftſtätte hängen , als über der Stelle, wo Jeſus Chriſtus dieſe Welt zuerſt
betreten wollte.

„, 68 giebt wohl keinen Ort auf der Welt, wo das Herz eine füßere Rührung empfinden
könnte, als in dieſer Grotte ſchreibt der fromme Geramb. Ich bete , ich ſeufze , ich erhebe

meine mit Thränen gefüüten Augen zum Himmel. Schon der Hl. Hieronymus ſagt : „ Mehr
durch Stillſchweigen, als durch ſchwache Worte muß man die Krippe ehren, in der das Kindlein

ſeine Stimme hören ließ ." Aus Ehrfurđịt zogen Pilger die Schuhe aus , bevor ſie zu dieſer
Stätte hinabſtiegen. Einer derſelben nennt das Gefühl vor dieſem geheiligten Orte zu Thränen
überwältigend, zu Thränen der Freude, in welche ſich ein Schauer miſcht, der durch alle Glieder

fährt bei dem Gedanken , daß man unwürdig ſei, dieſen irdiſchen Himmel zu betreten, in welchen
wie in die Wohnung der Seligen nichts Unreines eingehen ſollte.

Die gottbegeiſterte Paula kann ihre tiefe Empfindung, die Freude über das Glück, endlich
nach ſo großen Beſchwerlichkeiten die heiß erſehnte Stätte erreicht zu haben und hier nieders
geworfen anbeten zu können, nicht bergen und theilt ſie ihrem Lehrer mit. Ihre ſchönen Worte
haben wir bei der Darſtellung der früheſten Pilgerreiſen ausführlich vernommen . Was bedarf

es aber hier der Worte ? Hat nicht der heilige Hieronymus Rom verlaſſen , um an dieſer
---
1

LATITULATIMIZ

.
Bethlehem
in
Krypta
i
Kapelle der Geburt. 203

Stätte des Heiles der Welt ſein noch übriges Leben hinzubringen in Betrachtung, Studium
und Gebet! Gegen 70 Jahre, nachdem Helena die Baſilifa geſchmückt hatte, ließ fich dieſer
berühmte heilige Mann in einer kleinen, engen Zelle als ſeiner Wohnung in unmittelbarer Nähe

der freudenreichen Stätte der Geburt Unſers Heilandes nieder. Eine rauhe Bedeckung war
ſein Kleid, ein wenig Brob und Kräuter ſeine Nahrung. Nachdem er das heilige Land bereiſt
und auch Jeruſalem beſucht hatte , erfor er ſich die friedensſtille Stätte zu Bethlehem und fand

für fein bewegtes Gemüth hier endlich Ruhe und Freude. Hier überſegte er die heiligen
Schriften in das Lateiniſche, wozu allerdings nur ſeine Gelehrſamkeit und unverdroſſene Thätig
keit ausreidyen fonnte . Mehr als 30 Jahre lebte er hier und wollte dann , daß ſein Leichnam

dort ruhe, wo ſein Herz und Leben ruhte in der Nähe der Krippe Unſers Herrn . Es wird
an der Nordſeite des unterirdiſchen Baues dieſe Zelle erwähnt werden .
Hinter dem Altare , der wie erwähnt unten offen iſt wie ein Tiſch und zu deſſen Füßen
in der halbkreisförinigen Niſche die hochverehrte Stätte der Geburt Chriſti ſich befindet, hieng
ein Gemälde von Jakob Palma , welches die Geburt des Herrn darſtellte und ſpäter über den
Stein der Krippe gefeßt wurde. Auch ſchmückten früher den Altar zu beiden Seiten Engels

geſtalten . Gegenwärtig beſteht auch der in den Marmorboden der Niſche eingelegte Stern mit
der lateiniſchen Inſchrift nicht mehr aus Silber, ſondern aus andersfarbigem Steine. Die ſtets
brennenden , unter der Altarplatte herabhängenden und dieſe Inſchrift beleuchtenden koſtbaren

Lainpen wurden wie die übrigen der ganzen Kapelle von Venedig , Frankreich , Deſterreich und
Spanien zum Geſchenke gemacht.
Von den zwei anderen Altären , die etwas ſüdlich nebeneinander ſtehen , wird der eine

mehr öſtliche, Stätte der Anbetung der hl. drei Könige genannt und der andere ſüdweſtliche als

der Ort verehrt , wo die Arippe geſtanden , in welche das neugeborne Heilandskind von Maria
gelegt wurde . Beide Altäre ſind mit ſchönen Gemälden des genannten Venetianers ' geſchmückt,
welche die betreffenden Scenen darſtellen.

Um die Eigenthümlichkeit der Geburtsſtätte Unſers Herrn richtig zu verſtehen , muß man
wiſſen , daß noch heutigen Tages im Morgenlande Menſchen und Thiere unter einem und

demſelben Obdache vereinigt ſind. Die trennende Scheidewand iſt oft niedrig genug . Gaſt
häuſer für Fremde gibt es vor Niederlaſſung chriſtlicher Bewohner nirgends und auch ſeit dieſer
Zeit nur wenige . Die Reiſenden ſuchten bei Bekannten , bei den Leuten , mit welchen man in

Gaſtfreundſchaft ſtand , Unterkunft, die laſtthiere aber bringt man noch auf der Gaſſe, im Hofe
oder in großen geſchloſſenen Räumen , die auch Chan genannt werdeii, unter. Sie finden ſich

oft am Eingange der Städte , ohne Wohnungen und oft ſelbſt ohne Bedachung und beſtehen

nur aus den vier einhegenden Mauern . Die Bethlehemiten benügten die natürliche, für die
Thiere Schutz bietende Höhle zu dem genannten Zwecke und die hl. Jungfrau nahm dorthin
ihre Zuflucht, da in der Stadt nirgends ein Unterkommen zu finden war. Auch ſind Wohnungen,

an Höhlen angebaut und mit ihnen in Verbindung gebracht in dieſem Lande nach dem Berichte
26 *
:
204 Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems.

der Reiſenden nichts feltenes . In dieſem Lande der vielen und großen Höhlen , beinerkt von
Schubert , dies ſahen wir namentlich in dem alten Galiläa , ſind nicht bloß die Wohnungen der

Menſchen , die an die Felſen ſich anlehnen und welche ja ſelber in ihrem Fenſterloſen Zuſtande
einer Höhle gleichen , öfters mit einer nachbarlichen Grotte verbunden , in deren natürliches,
durch die Hand des Menſchen nur erweitertes Gewölbe ein Theil der Zimmer ſich fortſegt ;
ſondern noch öfter ſind die Höhlen zu Viehſtällen benutzt. Die Grotte zu Bethlehem mit ihren
großen Seitenfammern bot zu dieſer Art der Benützung ganz beſondere Bequemlichkeiten dar,
da der eigentliche natürliche Eingang , wie man dies jetzt noch ſehen kann , ebenen Fußes von

der Fläche des Hügels her in ihre hohen weiten Näume führte. Darum , konnte idon Juſtinus
Martyr , der um das Jahr 167 ſtarb , ſich für jeden Landeskundigen verſtändlich , in ſeinem

Geſpräch mit dem Juden Tryphon darauf beziehen , daß Chriſtus in einer Höhle geboren ſei,
ganz nahe dem Dorfe Bethlehem, weil Joſeph in demſelben ſelbſt keinen Platz zum Unterkommen
finden konnte. Uebrigens unterliegt es keinem Zweifel, daß die nachhelfende Hand des

Menſchen ſeit Conſtantin's und Helena's Beginnen die ſchlichte Höhle erweitert und behufs
Ausſchmückung ' mannigfach verändert hat. Man konnte ſich auch hier nicht enthalten , das

.ehrwürdige Gebilde aus ſeiner Einfachheit und Schmucloſigkeit umzuwandeln zu einem kleinen
Palaſte voll Bracht und Glanz ; ſo hoher mächtiger Gründer würdig . Die Kapelle war zur

Zeit der Kreuzfahrer mit Goldmoſaik ausgeſtattet und an der Geburtsſtätte glänzten in muſi
viſcher Goldarbeit die Worte : *)
Angelicae Lumen

Virtutis, et ejus acumen ,


Hic natus vere

Deus est de Virgine Maria .


Die Muſivbilder machten die hierauf bezüglichen Geheimniſſe anſchaulich. Aus der

idmalen, ſich unten durch die Mitte des Kreuzſchiffes bis an deſſen weſtliches Ende hinziehenden
Kapelle der Geburt kömmt man in einem gegen Nord geführten Felſengang zum Altar des
hl. Joſeph und der unſchuldigen Kinder ; von hier durch einen bereits unter das nördlidyſte
Seitenſchiff eingreifenden Gang zum Grabınal des Abtes Eufebius und weiter weſtlich zu dein
der Hl. Paula und ihrer Tochter Euſtochium , von welchen links das Grabmal des hl.

Hieronymus verehrt wird . Der Feløgang führt nun über . die nördliche Umfaßungsinauer
hinaus unter den Kreuzgang , wo die Zelle angenommen wird , in welcher Hieronymus die hl.

Schrift überfekte.. Die Thüre, durch welche man in den Kreuzgang hinaufgelangen konnte und
in das daranſtoſſende lateiniſche Kloſter , warð vermauert. Ueber jedem der legteren Altäre
ſteht ein. Bilb. . „Wirklich rührend im Ausdruck iſt dasjenige der beiden Frauen Paula und

i *) Hier iſt der himmliſchen Kraft licht und Erhabenheit , hier iſt wahrhaftig Gott geboren von der Jung
frau Maria. : .
Kapelle der Geburt." 205

Euſtochium - dieſer: Sproſſen aus dem Geſchlechte der Gracchen und Scipionen . Beide,

Mutter und Tochter ſchlummern den Schlaf des Todes ; die Verwandtſchaft und eine leiſe

Wehmuth wohnen in ihren Zügen. · Sie ruhen auf goldverbrämten Kiſſen aus rothem Sammt,
die Mutter im ſchwarzen Pilgerkleide, die Tochter mit gelöſten Haaren von Noſen durchflochten ,
den gekreuzigten Heiland in der Rechten gegen die linke Bruſt gelehnt, die noch unter der zarten

Tunifa zu beben ſcheint. Ein Baar Engelchen ſchweben darüber und einer derſelben reicht
die Krone." *)

Vom hödyſten Adel und Reichthum verließen ſie ihre Vaterſtadt Rom , um wie Hieronymus
hier an der Geburtsſtätte Chriſti durch ernſte angeſtrengte Frömmigkeit und Tugend ihrer

Seele die volle Reife für den Himmel zu erringen . Während ſie ihren großen Reichthum
verwendeten, um durch Errichtung einiger Klöſter frommen Berſonen Gelegenheit zu geben, hier

auch ein gottſeliges Leben zu führen ; und während ſie auch reich an Geiſt und Wiſſenſchaft
waren die hl. Baula war nicht nur ihrer Mutterſprache, der lateiniſchen nämlich , ſondern

auch der hebräiſchen und griechiſchen Sprache mächtig , um die ganze Bibel in ihrem Urtext
leſen zu können wie ſelten eine Frau , ſo hielten ſie ſich ſelbſt in Nahrung, Kleidung und

Arbeit ſo demüthig hart, wie man nicht die geringſte Magd hält.
Wie in der Grabeskirche zu Jeruſalem wird auch hier täglich von den Franziskanern
Nachmittags brei Uhr Prozeſſion' zu den hl . Stätten gehalten unter Abſingung von Hymnen
und Gebeten . Den Ausgang nimmt dieſelbe von der kleinen, aber freundlichen St. Katharina
kirche, die eigentlich die Pfarrkirche der Katholiken 'bildet.

Bewohner und ihre Beidhäftigung.

Dieſelben machen unter einer Geſammtbevölkerung Bethlehems von drei Tauſend


Seelen den größten Theil mit 1500 aus , während die Griechen tauſend und die Armenier nur
100 zählen . Die genügſamen chriſtlichen Bewohner des Städtchens beſchäftigen ſich theils mit

Aderbau und Viehzucht, theils mit der Verfertigung von Roſenkränzen , Crucifiken und andern

religiöſen Erinnerung8 - Zeichen aus Perlmutterſchalen und Asphalt vom tobten Meere . Die

Früchte der Dompalme, die Kerne der kleinen braunen Dattel , ſowie der Saame von Hülſen
früchten und von verſchiedenen Holzarten dienen zu Roſenkränzen , welche an die Pilger aller
Welttheile abgeſegt werden . Es wird von den Reiſenden allenthalben hervorgehoben, daß das

weibliche Geſchlecht ſich durch Thätigkeit und hohe Sittenreinheit auszeichnet.


Die Geſichtsbildung der Frauen und Mädchen wird als ſchön und zart geſchildert ;
Augen und Haare ſind ſchwarz. Die in der Kloſterſchule unterrichteten Knaben verherrlichen
den Gottesdienſt durch ihren ſchönen Geſang. Die Feſt - Tracht der Bewohner in den langen

weiten Gewändern vol Farbenfriſche wirkt maleriſch. Das Plima iſt milde und noch zur
Weihnachtszeit für die Futter-Kräuter der Heerden günſtig. Kleidung, Sitte und Freundlichkeit

*) Dieſe meiſterhafte Beſchreibung iſt von Prokeſch 8. Oſten, g..W.: 116 .


206 Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems.

der Bewohner, ſowie die neben dem Wege gelagerten Schaf- Heerden und die dabei zur Nachtzeit
wachenden Hirten erinnern den Pilger wie ein ſchönes Bild an jene denkwürdige Nacht und
an die ſtattgefundenen Ereigniſſe, von welchen noch heute der Chriſt mit Dankbarkeit und

Freude erfüllt iſt. Die Bewohner Bethlehems haben Unſern Herrn nicht wie die von Nazareth
und Jeruſalem verfolgt, die Hirten kamen vielmehr den neugebornen Heiland anzubeten ; ja die
Kinder von Bethlehem waren ſeinetwegen die erſten Martyrer . Darum mag über dieſen Drt
iebt noch und immer ein freundlicher Segen des Herrn ruhen . Im Jahre 1857 wurde das

Weihnachtsfeſt zu Bethlehem mit beſonderer Pracht gefeiert, da der Patriarch nach Ueberwindung
der ſeit zwei Jahren in den Weg gelegten Hinderniſſe unter einer vom Statthalter zu
Jeruſalem geſandten Eskorte hierher gekommen war.

3. Umgebung Bethlehems.

Außer dem erwähnten Feld der Hirten , wo nod Trümmer einer ehemaligen Kirche

aufſtoſſen , iſt bei dem Dorfe Beit Sahur bemerkenswerth , daß hier einſt ein von der hl.
Paula geſtiftetes Frauenkloſter beſtand , in welchem die Stifterin lebte und ſtarb. Auch an der
Stelle , welche die Milchgrotte genannt wird und kaum 400 Sdritte ſüdöſtlich vom Kloſter
zu Bethlehem entfernt iſt, befand ſid früher eine Kirche, welche dem heil . Nikolaus geweiht

war. Hier ſollen ſich Maria und Joſeph mit dem Jeſustinde verborgen haben , ehe ſie nady

Aegypten Flohen , wie eine alte Sage berichtet.

Eine Stunde füdweſtlich von Bethlehem kömmt man auf ſteinigem Pfade zu dem obern
Wadi Urtas und zu dem alten Kaſtel al Burak. Die nahe gelegenen Teiche werden für

Werke Salomon's angeſehen . * ) Die drei großen Waſſerbehälter, aus viereckigen Steinen erbaut
und ſehr alt, liegen an einem Abhange übereinander , ſo daß das Waſſer des oberſten Teiches

in die beiden unteren fließen konnte. Die Kanäle ſind jetzt meiſt zerfallen . Ein Brunnen, den
man für die verſiegelte Quelle des Hohenliedes (4, 12. ) hält, verſorgt den oberſten Behälter mit
Waſſer. Von dieſen Teidsen , in Joſue's Tagen das Waſſer Nephtoa genannt, führte ſchon in

älteſter Zeit eine künſtliche Waſſerleitung, von welcher noch viele Spuren übrig ſind , nach
Jeruſalem. Noch heute liefern dieſe Teiche ihre Waſſer dorthin . Die künſtliche Waſſerleitung
liegt bald in einiger Tiefe unter der Erde , bald wird ſie länge der Oberfläche des Bodens in

irbenen Röhren und kleinen Kanälen fortgeführt. Die Waſſerleitung zieht öſtlich von Bethlehem
vorbei, läuft dann in nördlicher Richtung bis unweit Jeruſalem, umläuft den Berg Sion zuerſt

ſüdlich, dann öſtlich und wendet ſich zu dem kleinen füdlichen Thore des Afrikanerbezirkes,
unweit dem Klageort der Juden, wo ebenfalls ein Waſſer - Behälter entdeckt wurde, von welchem
das Waſſer in verſchiedenen Richtungen auf den Tempelberg lief , wie bereits erwähnt worden .

Dieſe großartigen Werke zu Burak ſdhreibt die Ueberlieferung dem Salomon zu , der von ſich

*) Grat c. W. 299 ff. Robinſon II. 389.


1

SA
ICTWIERA

Salomons
.Teiche
中。
na

Gärten
Salomo's
geschlossenen
.Die
Umgebung Bethlehem's. 207

ſagte: „ Ich machte mir Waſſerteiche, um den Wald der grünenden Bäume zu wäſſern .“
Pred. 2, 6. Sie heißen deßhalb „ die Teiche Salomon'8 ".
Eine halbe Stunde öftlich von ihnen lagen aller Wahrſcheinlichkeit nach, in der Nähe des
heutigen Dorfes Urtas , welches die Stelle der alten Stadt Etam einnehmen dürfte , die

geprieſenen Gärten Salomon's. Flavius Joſephus erzählt, daß dieſer König Etam mit Gärten
und Waſſerleitungen geſchmückt habe. Die Quelle bei Urtas in dem gleichnamigen Thale liefert
ſehr gutes Waſſer und bildet das fruchtbare, anmuthige Thal einen murmelnden Bach entlang .

Die mannigfachen Mauerreſte, in mächtigen Werkſtücken zwiſchen den Gärten ſtehend, zeugen von
hohem Alterthum und einer hingeſchwundenen Blüthezeit ſorgſamer Beachtung und Pflege des
Drtes . Dies und die Schönheit des mit dem Monat März beginnenden Frühlinge, die Blüthe
der Kirſchen- und Aprikoſenbäume und die Töne der Turteltauben gemahnt Alles an den

Freudenruf des Hohen - Liedes. Die geſchloſſenen Gärten Salomon's und dieſe großartigen

Waſſerleitungen , noch von größter Bedeutung für Bethlehem und leicht auch für Jeruſalem
wiederherſtellbar, zählen zu den merkwürdigſten Denkmälern ehemaliger Cultur und unverdroſſner

Pflege gemeinnütiger Werke in Iſrael unter dieſem Könige. Im Thale und auf den Bergen
weiden Heerden von Schafen und Ziegen untereinander gemiſcht, wie dies wohl auch in der
Patriarchenzeit gewöhnlich war. I. Mo. 30, 35. Auch Kameele und vieles Rindvieh , alles

wohlgenährt , werden hierum getroffen , ſo daß dieſe Gegend als ein vorzüglicher Weidepla .
erſcheint, womit auch die Ueberlieferung übereinſtimmt , welche hier im ſogenannten Heerden
thurm , der ſüdweſtlich von Bethlehem iſt, den Ort angenommen hat , wo der Stammvater

Iakob ſein Zelt aufgeſchlagen und ſeine Heerden geweitet habe . I. Moſ. 35, 21. Faſt zwei

Stunden davon iſt der Frankenberg , welcher gegen vierhundert Fuß Höhe hat.
Der Berg erhebt ſich hier ſteil und rund, gerade wie ein vulkaniſcher, aber abgeſtumpfter
Regel . Das Hohe Tafelland , worauf er ſteht, hat mindeſtens die gleiche Erhebung über den

Boden des Thale8 Ürtas im Südweſten , nach welcher Richtung hin der Abfall nur allmählig
iſt. Es finden ſich Spuren von Terraſſen um den Fuß des Berges , aber nicht höher hinauf ;

und ſelbſt dieſe ſcheinen mehr zum Anbau als zur Vertheidigung beſtimmt geweſen zu ſein .

Man erklärt den Namen aus der , nur unten den abendländiſchen Franken bekannten Nachricht,
dieſer Poſten ſei noch 40 Jahre nach dem Falle Jeruſalem's von den Franken behauptet worden .

Mehr Sicherheit bietet die Hypotheſe , welche in dieſer Stelle die Drtslage der von Herodes
dem Großen erbauten Feſtung und Stadt Herodium annimmt. Hierher ward dann auch des

Königs leichnam von Jericho gebracht, wo er geſtorben war. Die Lage , der Berg , die runden

Thürme, die großen hier befindlichen Waſſerbehältniſſe entſprechen ſehr genau nach Robinſon's
Urtheil der heutigen Beſchaffenheit des Frankenberges und laſſen kaum einen Zweifel aufkommen,
daß dies Herodium war, wo der idumäiſche Tyrann ſeine lette Ruhe ſuchte. Der Berg gewährt
eine ſehr weite Ausſicht nach Norden zu , nicht ſo ſehr nach Süden und Weſten , während der

Blick im Oſten durch die Gebirge Moab des todten Meeres begrenzt iſt.
208 Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems.

Von hier weiter ſüdlich , über zwei Stunden von Bethlehem entfernt, fallen Mauers

trümmer auf einer bedeutenden Anhöhe auf, die gegen 5 Morgen in der Ausdehnung haben
und den Namen Tekua führen . Dieß iſt die Drtslage des altteſtamentlichen Thecua im

Staime Juda . Von hier ließ Ioab das kluge Weib holen , um Abſolom mit David auszuſöhnen.
II. Rön . 14. Die von Roboam befeſtigte Stadt galt als Warte, denn der Prophet ruft beim
Herannahen der feindlichen Chaldäer : „Macht euch gefaßt, Kinder Benjamin8! in der Mitte
Jeruſalems, ſtoſſet in die Poſaune zu Thecoa.“ Jerem . VI.
Der Prophet Amos, zu Thecoa geboren, ſchweifte auf dieſen Höhen als Hirte umher, bis
er ſeine in der Einſamkeit geſdjauten Geſichte dem gottentfremdeten Volke auf des Herrn Befehl
verkündete. Nach der Nückfehr aus der Gefangenſchaft boten die Bewohner von Thecua zum
Wiederaufbau der Mauern Jeruſalems hilfreiche Hand . 2. Esdr. 3 , 5. 27. In der Nähe
hatte der hl . Abt Sabas , der 532 ſtarb, einen klöſterlichen Verein gegründet, genannt Laura .
Chriſten wurden hier im VIII . bis zum Jahrhundert der Kreuzzüge gefunden . Zu Anfang
des XVII. Jahrhunderts verwüſteten die Sarazenen die Stadt , welche ſodann verödete und
wegen der räuberiſchen Anfälle der Araber von Chriſten nicht mehr beſucht wurde. Man ſieht

noch unter den Ruinen auf der Anhöhe Bögen , Reſte einer griechiſchen Kirche und einen acht
edigen Taufſtein mit Erinnerungszeichen an die Teinpelritter .
Deſtlich von Tekua iſt eine ungemein große Höhle , Chareitun genannt, weldie ſehr
viele Gänge, Grabniſchen und eine Ciſterne mit Waſſer enthält. Die hohe Lage von Tekua giebt
dem Orte eine weite Ausſidyt. Nach N. D. fält das land nach dem Thal Khureitun ab ; an
den andern Seiten wird der Berg von einem Gürtel ebenen Fiadhlands umgeben , über welchen
hinaus Thäler und dann andere höhere Berge liegen . Dieſer Gürtel wird beträchtlich bebaut und
Robinſon erbli& te darauf mehrere Getreidefelder. Im Süden läuft ein anderes tiefes Thal
S. O. hinab dem todten Meere zu . Die Ausſicht wird in dieſer Richtung nur von dem ebenen
Gebirgsrücken Moabs begrenzt , mit häufigen Blicken auf das todte Meer durch die Deffnungen
zwiſchen den droffen und üben dazwiſchen liegenden Bergen . Von hier gelangt man in vier

Stunden nach Hebron , welches ſomit faſt ſechs Stunden von Bethlehem ſüdlidy entfernt liegt.

4. Hebron.

Dies iſt von den nody exiſtirenden bibliſchen Städten die älteſte. Sie wird idyon in
der Geneſis *) namhaft gemacht und hieß früher „ Cariath- Arba “, Stadt des Arba, des Stamm
Bater8 der Enacim , **) welche in und um Hebron wohnten .

Hebron wurde ſieben Jahre vor der ägyptiſchen Stadt Tanis oder Zoan erbaut ***)
und iſt früher erwähnt als Damaskus. Auch der Naine „ Mambre“ findet ſich ſchon für

*) I. Moj . 13, 18. 15 , 2.


**) Joj. 14. 2c.
***) IV . Moj. 13, 23 .
(ՈՒՆ
T

1)

Gerard

.
Արիցրավխած
նվ

Hebron
Davidsburg
1

!
209
Hebron.

Hebron , *) wahrſcheinlich nach dem Namen von Abrahams Freund. Die alte Stadt lag auch

in einem Thale und die beiden Teiche, deren einer wenigſtens ſchon in der Zeit Davids
vorkommt, dienen ohne Zweifel dazu, die neuere und alte Ortslage zu identifiziren. Hier lebten

und wandelten Abraham , Iſaak und Jakob mit dem Herrn ; und hier wurden ſie alle begraben.

Von Hebron. 3ogen Jakob und ſeine Söhne über Berſaba nach Aegypten hinab, um mit Joſeph
zuſammenzukommen und bei ihm zu wohnen. Nach der Rückkehr der Iſraeliten aus Aegypten
wurde die Stadt von Joſue eingenommen und dem Caleb übergeben , welcher die Enakim aus

der Gegend vertrieb . Sie wurde ſpäter zu einer von den ſechs Freiſtädten erhoben , und den
Leviten zugetheilt. Hebron wurde nachher die königl. Reſidenz Davide , wo er ſieben und ein

halb Jahr über Juda regierte; und eben dort wurde er von Samuel zum König über ganz
3ſrael gefalbt. Hebron war es auch, wo Abfalom die Fahne des Aufruhrs gegen David erhob .

Nachmals befeſtigte Roboam die Stadt und mehrere aus der Gefangenſchaft heimkehrende
Juden ließen ſich hier und der Umgegend nieder. Der Heldenarm des Judas Makfabäus
entriß in der Folge Hebron den Edomitern und Simon , der Sohn des Gioras, eroberte , die

Stadt von den Römern , welche aber ſpäter unter Cerealis , einem Feldherrn des Vespaſianus,
dieſelbe verheerten. Im neuen - Teſtamente wird die Stadt nirgends erwähnt. Bei Gelegenheit
dieſer Nachrichten beſchreibt Flav. Joſephus die Gräber der Patriarchen als zu ſeiner Zeit hier
noch vorhanden ; und ſowohl Euſebius als Hieronymus und alle nachfolgenden Schriftſteller bis zu
der Periode der Kreuzzüge herab, welche Hebron erwähnen, kommen dabei hauptſächlich auf das
Vorhandenſein dieſer Gräber zu ſprechen. Ueber denſelben ward ſpäter eine chriſtliche Kirche
erbaut. Bald nach der Einnahme Jeruſalems durch die Kreuzfahrer fam auch Hebron unter
die Botmäßigkeit der Chriſten und wurde im Jahre 1100 dem Gerhard von Avesnes als Lehen
gegeben und iſt bei den Autoren jener Zeit unter dem Namen „ Caſtell Abrahams “ aufgeführt.

Die maſſiven Baureſte der alten Citadelle ragen auf,der weſtlichen Randhöhe des Thales noch
hervor. Im Jahre 1167 ward Hebron als St. Abraham zum Bisthum erhoben , aber ſchon
nach 20 Jahren von den Mohammedanern wieder gewonnen . Im XV. Jahrhundert beſtand

hier eine berühmte Hospitalſtiftung, aus welcher täglich Brod, Del u . dgl. an die Ankömmlinge
ohne Unterſchied der Religion und Nation vertheilt wurden . Das jeßige Hebron heißt bei den
Arabern geradezu el Chalil, der Freund, da Abraham „ Freund Gottes " genannt iſt. Robinſon

hatte ſein Zelt auf dem graſigen Abfall weſtlich von der Stadt aufgeſchlagen, nicht weit oberhalb
des unteren Teiches , nahe bei den zerſtreut liegenden Begräbniſſen auf dem freien Felde und

giebt nun darnach folgende Beſchreibung der Stadt. „ Hebron liegt in einem tiefen engen Thale,
welches in der offenen Gegend eine Stunde nördlich von dem Orte : feinen Anfang nehmend,

S. S. D. abwärts läuft, erſt breit mit vielen Weingärten, und dann bei der Annäherung zur
Stadt ſchmaler, mit hohen Bergen an jeder Seite. Die Stadt ſelbſt beſteht aus drei Theilen.

* ) I Moj . 23, 19. 35 , 27. vgl. 14, 13. 24. vgl. Gratz g. 2. 301 ; Robinſon II, 730.
27
..
210 Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems.

Das Hauptviertel liegt um die große Moſchee und nördlich davon auf dem Abfall des öſtlichen

Berges ; hier ſind die Bazars und die hauptſächlichſten Geſchäftsplätze. Weiter nördlich und
von dieſem Theil durch einen freien Raum von Feldern getrennt , ſteht eine andere kleinere

Gruppe von Häuſern, wie eine Vorſtadt. Auf dem Abfall des weſtlichen Berges, gegenüber der

Moſchee und dem Südende des Hauptviertels, iſt wieder ein kleinerer Fleck mit Häuſern ; oder
man kann vielleicht eher ſagen , das Hauptviertel erſtrecke ſich hier über das Thal hinaus und
nehme den unteren Theil beider Abhänge ein . Die Stadt iſt ohne Mauern ; jedoch paſſirt man
beim Eingang einiger Straſſen , wenn man vom Lande herkommt, ſchlechte Thore . Grade

gegenüber dem Haupttheil der Stadt zieht ſich der weſtliche Berg etwas zurück, indem er einen
Einbug mit dem ſanften Abfall hinterläßt , an welchem wir gelagert waren , während nördlich
von demſelben der Berg wieder hervortritt und der Abhang mit Olivenhainen von ſehr alten

Bäumen beſetzt iſt." Die Häuſer der Stadt ſind alle von Quadern , hoch und gut gebaut, mit
Fenſtern und platten Dächern und auf dieſen Plattdächern kleine Kuppeln, mitunter zwei bis
drei an jedem Hauſe , wie dies in Jeruſalem und in Judäa überhaupt gefunden wird . Am

unteren Bergabhang der öſtlichen Thalſeite erhebt ſich feſtungsartig die alte große Moſchee el
Haram über den Gräbern Abrahams und der übrigen Patriarchen . Dieß iſt das impoſanteſte

Gebäude, aber den Chriſten unzugänglich, wie die Omar -Moſchee auf Moriah . Sie heißt bei

den Muſelmännern Mesdied- el- Shalil.


Befreibung der Moſchee zu Hebron.

Das Aeußere derſelben bietet ein großes und hohes Gebäude dar in der Form eines

Parallelogramms, deſſen längſte Dimenſion dem Thal entlang von N. N. W. nach S. S. D.

liegt. Nobinſon maß eine ſeiner öſtlichen Seite und ſeinem ſüdlichen Ende parallele linie , jo

nahe daran als er konnte , obgleich nicht ohne einige Winke von Seiten vorübergehender Leute,
dies bleiben zu laſſen . Die Länge betrug ſehr nahe 200 Fuß und die Breite 115 Fuß. Die
Höhe kann nicht unter 50 oder 60 Fuß enthalten. Die Mauern ſind aus ſehr großen Steinen

erbaut , alle gerändert und glatt gehauen und in allen Beziehungen den älteſten Theilen der
Mauern um das Haram zu Jeruſalem ähnlich . Einzelne Werkſtücke meſſen mehr als 25 Fuß
in der Länge , während Robinſon feines bemerkte, deſſen Größe mehr als etwa 18 Fuß betrug .

Im Allgemeinen ſind ſie nicht ſo mächtig und aud die Fugenränderung iſt nicht ſo tief als zu
Jeruſalem. Die Architektur Hat die Eigenthümlichkeit , daß die Mauern von Außen mit vier
edigen Wandpfeilern aufgebaut ſind , 16 an jeder Seite und 8 an jedem Ende , ohne Sapital,

außer einer Art von Narnieß, welches ſich, längs des ganzen Gebäudes hinzieht. Ueber demſelben

ſind die Mauern von den Mohammedanern acht oder 10 Fuß höher geführt worden, mit einem
kleinen Thürmchen oder Minaret an jeder Ecke. Fenſter finden ſich an keinem Theile dieſer

Mauer. Die Eingangsſtellen ſind an den beiden nördlichen Ecken , wo eine lange und breite,
ſehr ſanft anſteigende Treppe, welche längs jeder Seite des Gebäudes von Außen aufgebaut und

bedeďt iſt, nach einer in den inwendigen Hof gehenden Thür in jeder Mauer hinführt. Die
1

1
!

Beſchreibung der Moſdhee zu Hebron. 211

an der N. W. Ede ſchien der Haupteingang zu ſein, vielleicht bloß weil ſie die bequemſte Lage
!
hat. Das Gebäude ſteht auf dem Abfall des öſtlichen Berges , wo die Felſen längs der obern 1

Seite ausgehöhlt worden ſind, um die Grundinauern zu legen . Nach allen Nachrichten, ſchließt
Robinſon, iſt das beſchriebene Gebäude mit Einſchluß alles deſſen , was von Außen zu ſehen iſt,

nur eine äußere Ringmauer um einen inwendigen Hof. In dieſem Hofe ſteht dann die weit
kleinere Moſchee, welche einſt eine chriſtliche Kirche geweſen . Hier haben die Mohammedaner

in verſchiedenen Theilen für die Patriarchen Grabmäler erbaut, während ihr wirklicher Begräb
nißplatz ihrer Meinung nach unten in einer Höhle iſt, die nicht einmal die Gläubigen betreten

dürfen . „Alle Gräber der Patriarchen , ſchreibt Ali Bey, ſind mit reichen Teppichen von grüner,

prächtig mit Gold ' geſticter Seide bedeckt ; die ihrer (der Patriarchen) Frauen ſind roth und
gleicher Weiſe geſtikt. Die Sultane von Conſtantinopel liefern dieſe Teppiche, welche von Zeit
zu Zeit erneuert werden . Auf dem Grabe Abrahams zählte ich neun , einen über dem andern .

Auch die Rammern , welche die Gräber einſchließen , ſind mit Teppichen bedeckt. Der Eingang
wird durch eiſerne Gitter und hölzerne, mit Silber belegte Thüren geſchützt.“ Dieſe Beſchreibung

erinnert an die ganz ähnliche Einrichtung beim Grab Davids auf Sion . Auch hier“ſind die Vor
höfe und Säulengänge ohne Zweifel das Bedeutendſte und das eigentlich Architektoniſche, 'während
die davon eingeſchloſſenen - Häusden mit den Rammern der reſpektiven Grabmäler in dieſer
Beziehung von untergeordnetem Werth und architektoniſch einfach ſind, wie das Grabgebäude
Davids auf Sion gezeigt haben kann .

Die Vorſicht der Mohammebaner , mit welcher fie eiferſüchtig durch die hohen äußeren
Mauern jeden Blick nach innen , felbſt von dem anliegenden Berge her , unmöglich machten,

geſtattet nur zu gewiſſen Zeiten angeſehenen Fremden und den einheimiſchen Juden durch ein
Fenſter in's Innere der Höfe zu : bliden . Der Spanier Badia ( Ali Bey) reiſte als Muslim
und ſah die Gräber. Außer der gegebenen Beſchreibung nennt er die Gräber Abrahams und

ſeiner Familie in einem Tempel eingeſchloſſen, der einſt eine griechiſche Kirche war. Dieſelbe
Mirche aber bezeichnet er als von gothiſcher. Bauart; woraus ſid keine klare Vorſtellung
!
ergiebt. In der Kirche oder dem Tempel bemerkte er zwiſchen zwei großen Pfeilern rechts ein

einzelnes Häuschen mit Iſaat's Grabmal und links in einem andern folchen Häuschen das
.
der Frau des Sjaak. In der Moſchee fand er auch eine Tribüne (Mehereb) für die Freitag8
Vorträge , und eine andere für die Sänger. Wahrſcheinlich verwandelten die Mohammebaner

den vorgefundenen chriſtlichen Bau analog der Akſa - Moſchee. Der driſtliche Bau mag

auch hier den Styl der Juſtinianiſchen Periode , alſo den "byzantiniſchen oder griechiſchen Sthl
gehabt und die Umwandlung zur Moſchee ohne Verlegung der Grundformen ſtatt gehabt haben.
Der Spanier fand ſobann ganz richtig eine urſprünglich byzantiniſche Kirche, bie gothiſche
Formen führte , da ihm die ſarazeniſchen Spitbögen als gothiſch gelten mochten. Die

Umfaßungemauern und die Grabmonumente ſelbſt waren jüdiſchen Urſprunges und Gepräges.
Die Monumente der Stäber, welche von Flav . Joſephus an bis in das IV . und V. Jahrhundert
27 *
212 Heilige Stätten im Süden und Beſten Jeruſalems.

von den Schriftſtellern erwähnt werden , wurden von den Mohammebanern umgewandelt, die
Grund -Mauern der Umhegung aber blieben .
Die Gräber Abner's und Jeſſe's.

Solcher alter Mauern gewahrt man noch einige nahe der Moſchee und dem Gebäude

mit Abner's Grab , welche für Ueberbleibfel der zu Hebron erbauten Burg Davide gehalten
werden. Die an den unteren Theilen ſichtbaren Werkſtücke deuten wohl in das jüdiſche Alter

thum ; darüber aber liegen unzweifelhafte Trümmer ſpäterer Zeit, vermuthlich aus der Periode
der fränkiſchen Herrſchaft. Uebrigens bezeichnen die Juden keineswegs dieſe Reſte als den
Königsbau des David zu Hebron . Durch den größeren Teich vor dem ſüdlichen Thore , ſowie
durch einen kleineren Teich am Nordende bes Hauptquartiers wird die Stadt mit Waſſer
verſehen. An einem der beiden Teiche, die von ſehr hohem Alter zeugen , war es , wo David
die Mörder Joboſethe , des vierten Sohnes Sauls , aufhängen ließ. Nicht weit davon iſt das
finſtere und niedrige Thor der Stadt, welches an die Ermordung Abners erinnert. Man zeigt
in der Nähe der großen Moſchee ein Gebäude , welches die alten Gräber Abners und
38boſeths bebeden fol . *)

Das Leichenbegängniß Abner's wurde von David angeordnet ; er folgte dem Zuge mit
dem ganzen Volfe und weinte über ſeinem Grabe. II Rön. 3 , 31. Abner war die lette

Stüße des Isboſeth , der nach Abner's Tod in ſeinem Hauſe , da er bei der Hiße des Tages
auf ſeinem Bette ſchlief, überfallen und erſchlagen wurde. Isboſeth's Haupt aber wurde in
Abner'8 Grab - gelegt. Das Gebäude, welches über dem Grabe des gewaltigen Kriegers Abner
errichtet worden , iſt klein und türkiſcher Bauart ; es liegt in einem kleinen Hofe eines Türken .
Auch hier ſind, bemerkt Schubert, unten im Gewölbe der Gruft jene etwa noch vorhandenen

Reſte des vormaligen Denkmales von den Türken mit einem jener weiß angeſtrichenen , badofen
artigen Sarkophagen überbaut und verkleidet worden , dergleichen man in Rachel's Grab und

in den Gräbern der mohammedaniſchen Heiligen ſieht. Durch die Sitte dieſes Zudecken8 und
Ueberbauens erinnern die Bekenner des Islam an eine Gewohnheit mancher bienenartigen

Inſekten, welche frembe Körper, die in ihren Bau hineingeriethen, wenn ihnen dieſelben zu groß
und zu übermächtig zum Hinausſchaffen ſind, ganz mit Wachs überwölben und verbauen .

Auf der weſtlichen, über der Stadt Hebron ſich erhebenden Berghöhe zeigt man dem
Wanderer den ſogenannten Brunnen Abraham's. Viele ſteinerne Stufen führen zu dem

klaren , friſchen Waſſer des kunſtreich gemauerten Brunens hinab. Dieſe reiche Quelle leidet

zu keiner Jahreszeit Mangel an Zufluß, ſie verſorgt die Bewohner von Hebron in Ueberfluß
mit dem reinſten Quellwaſſer. Wenn darum dieſe ſeltene Wohlthat im bankbaren Andenken an

den Patriarchen genoſſen wird , ſo hat die Bezeichnung den ſchönſten Sinn. Von da führt ein

beſchwerlicher Steinweg zwiſchen Gartenmauern zu einer Trümmerſtelle , welche die Juden das

*) Mislin III. 75.


Grab
des
Abner
.
v
a

Isais
Grab
Zelt Abrahams zu Mamre. 213

Grab des Feſſe (Ijai) nennen , des Vaters Davide. Es liegt innerhalb der Mauer eines

jener alten, zur Ruine gewordenen Gebäude, dergleichen viele auf der Höhe des Berges ſtehen .

Sie ſcheinen durchweg einer älteren Zeit anzugehören , als die der mohammedaniſchen Herrſchaft
des Landes iſt. Nahe bei Jeſſe's Grabgebäude ſind mehrere Häuſer zuſammengebaut geweſen,
von denen das eine wohl einmal die Beſtimmung einer chriſtlichen Rirche gehabt haben kann.

Ebenſo mag es mit jenem Gebäude ſich verhalten, in welchem die Grabſtätte gezeigt wird .

Schöne Haine von Oliven- Piſtazien- und edeln Walnußbäumen zieren dieſe weſtliche
Höhe und nebenbei breiten ſich Gruppen der großblätterigen und vieläſtigen Feigenbäume nebſt
Aprikoſen aus, während der edle Weinſtock die freieren Abhänge der Berg- Wände bebedt.
Belt Abraham 8 zu Mamre.
Eine Stunde nördlich von Hebron gelangt man zu einem mit Mauerreſten angefüüten

Drte , den die Araber , Ramet el.Chulil" (die Höhe des Gottesfreundes) und die Juden , das

Haus Abrahams " nennen. Man betrachtet dies als die Stelle von Abrahams Zelt und
von der Terebinthe im Thale Mamre, wo der Herr mit Abraham redete und ihm Nachkommen :
ſchaft verſprach. I. Moj. 18. Bei der Terebinthe im Thale Mamre, wo Abrahams Zelt
geſtanden und in alter Zeit ein beſuchter Markt gehalten worden war , wurden unter Hadrian
Tauſende der gefangenen Juden als Sklaven verkauft. Conſtantin errichtete hier eine Baſilika
zur Erinnerung an Abraham , den Vater der Gläubigen , bei dem der Herr Einkehr genommen .
Die Umgegend iſt ſehr fruchtbar und die mit Strauchwerk und Bäumen bewachſenen Hügel

erfreuen noch jetzt den Wanderer , während ihn die weidenden Heerden an jene ſchöne patri
archaliſche Hirtenwelt erinnern . Die Vorberge von Hebron erheben ſich über ihre Umgebung
nur wenige 100 Fuß. Wellenförmige , domartige Kuppen bilden die ſüdlichen Grenzgebirge
Judäas , kurze gerundete Thäler, fanft anſteigende, mit Geſträuchen bewachſene Gelände und
graue Steinblöcke,zwiſchen friſchem lebendigen Grün . Der Kalkſtein dieſer Berge, weiß, gelblich,

röthlich braun iſt dicht und feſt und voli grottenförmiger Höhlen . Wegen der großen Frucht
barkeit des Thales von Hebron , und der beſonders ausgezeichneten Weintrauben glaubte man

hier „ das Traubenthal" und die Gegend, von welcher die Geſandten der Ifraeliten die große
Traube zum Beleg der Wahrheit ihrer Ausſagen zurücbrachten . Num. XIII. 23. Ein Pilger,
der von Hebron gegen Jeruſalem reiſte, ſchildert den Eindruck Hebron's und ſeiner Geſchichte
zunächſt im Verhältniſſe zu Jeruſalem und dann zur Geſchichte der Menſchheit in den Worten : *)
Wenn im Tempel des alten Jeruſalemß das Morgenopfer dargebracht werden ſollte, da

rief der Prieſter dem Wächter auf der Zinne zu : „ Fängt es an licht zu werden bis nach

Hebron ? " Als ich auf die Terraſſe bei unſerm Zimmer hinaustrat an die erfriſchende Morgen
luft, da rief die Wachtel in den nachbarlichen Feldern der jungen Saat , ihr lautes : „Wachet
auf, wachet auf“. Aber das Sehnen nach dem Anblick der „hochgebauten Stadt “ , dem Vorbild

*) v. Subert II. 485 ff.

.
214 Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems.

der himmliſchen Stadt, wachte ſchon lange. Die alten Geſchichten Hebrons, welche am Saume
von Mamres Haine fo lebendig in der Seele erwacht waren , ſind zu den Geſchichten Jeruſalemis

daſſelbe, was der ſchöne Herbſtabend, an welchem der Säemann in Hoffnung und zuverſichtlichem
Glauben an die Zukunft eines nahenden Frühling8 , das Saatkorn in den Boden ſtreute, zu

dem Morgen des Frühlingstages iſt , an welchem die Saat in hoher grünender Fülle vor dem
Auge daſteht, und zum Morgen des Sommertages, da man ihre reifen Garben zur Scheuer

führt . Wie leicht hat es doch der treu bei der Mutter gebliebene Kinderglaube eines ſpät

gebornen Geſchlechte8, dem die Schaaren der Zeugen , welche es erfuhren, daß die Wahrheit des

Glaubens wahr ſei , den Weg ſo ebneten und bahnten. Zwiſchen dem geiſtigen Hebron eines

Abrahain auch dann als er auf Moriah es erfahren, daß der Herr Alles ſieht, und zwiſchen der
Verherrlichung des Golgathas und des Delberges bei Jeruſalem , da Abrahams ſpätere Geſchlechter

es erfuhren , daß der Herr der Sehende und auch der alles Sehnen ſtillende , alles Hoffen
erfüllende ſei , welche Jahrhunderte der Noth , der Verirrungen , der Kämpfe lagen da innen !

und der Pilgrim des heutigen Tages hat zwiſchen dem Morgen der in Hebron anbricht, und
dem Abend, der über Jeruſalem anbricht, nur die kurze Friſt der Mühe von wenigen Stunden . “
5. Die Stadt Gaza.

Neun Meilen weſtlich von Hebron liegt Gaza im ſüdöſtlichen Küſtengebiete des Mittel
meeres , im alten Philiſter - Lande. Es bildete ſchon in älteſter Zeit den ſüdlichen Grenzort
Chanaan / und ſtand auf einer Anhöhe nur gegen 1/2 Stunden vom Meere entfernt. Bei der

Eroberung Chanaans fiel Gaza dem Stamme Suda zu , kam aber ſpäter in die Gewalt der

Philiſter und wurde ſeitdem immer als ihre Stadt bezeichnet. Gaza war der Schauplatz der

Thaten des Daniten Samſon, weldher die Stadt-Thore forttrug und beim Einſturz des Dagon
Tempels ſeinen Tod fand. Bei allen Kriegszügen gegen Paläſtina ward Gaza mitbetheiligt , denn

es lag auf der großen Straße dieſer Züge , welche die Beherrſcher von Aegypten , Syrien und
dem Oſten ſpäterhin gegen ihre wechſelſeitigen Beſigungen unternahmen . Den Aegyptern war

Gaza „ die Feſte" , der Schlüßel von Paläſtina und Syrien und kein Eroberer konnte gut weiter,
bevor er nicht dieſe Stadt gewonnen hatte . Zur Zeit des Jeremias eroberte ſie Pharao Nechao.

Fünf Monate lang aber widerſekte ſich Gaza dem fiegreichen Alexander den Großen , der es

zulett mit Sturm einnahm , wo die tapfern Vertheidiger auf ihren Poſten niedergemegelt,

Weiber und Kinder aber als Sklaven verkauft wurden . Im Makkabäer - Kriege blieb es eine

Feſtung. Alexander Fannä us zerſtörte ſie um das Jahr 96 vor Chriſtus , worauf der römiſche

Feldherr ſie wiederherſtellte. Kaiſer Auguſtus überließ Gaza dem Herodes , nach deſſen Tode
es an Syrien ftel. Um 65 nach Chriſtus wurde es von den gegen Geſſius Florus aufſtehenden

Fuden zerſtört, während Raiſer Hadrian in der Folge die jüdiſchen Empörer auf dem Sklaven
markte zu Gaza verkaufen ließ. Das Chriſtenthum muß hier frühe eine Heimath gefunden

haben ; denn unter den Martyrern der diokletianiſchen Verfolgung um 285 nennt Euſebius den

Biſchof Silvanus von Gaza, wie auch die Unterſchriften von Concilien bis zu dem von Jeruſalem
1

PO

Gaza
.
Die Stadt Gaza . 215

im Jahr 536 auch die Namen von fechs Biſchöfen dieſer Stadt Gaza aufweiſen . Doch muß
der Hang zum Gößendienſte noch lange mächtig geweſen ſein, da im V. Jahrhundert noch acht,
heidniſchen Göttern geweihte Tempel , worunter der des Marnion oder des fretiſchen Jupiter
der bedeutendſte war, in Gaza beſtanden , bis der Biſchof Porphyrius von Arcadius ermächtigt

warb, dieſelben zu zerſtören und eine chriſtlidie Kirche im Jahre 406 aufzuführen , welche nach
der Kaiſerin Eudoria benannt wurde. Dies wird die große , jetzt in eine Moſchee verwandelte

Kirche ſein, welche nach Robinſon's kurzer Beſchreibung dreiſchiffig und ohne den für den Altar
beſtimmten ſüdlichen Raum von etwa 110 Fuß Länge iſt. Die Schiffe ſind , wieder nach dem

Grund - Schema der chriſtlichen Baſilika , fo angeordnet , daß das Mittelſchiff über die zwei

Abſeiten emporgeführt und was bemerkenswerth iſt, über der unteren Colonnade noch eine obere,
zweite Reihe von Säulen aufgeſtellt iſt. Die Säulen haben korinthiſche Kapitäle . Ueber den

altchriſtlichen Charakter fann ſomit fein Zweifel obwalten . An der Weſtſeite haben die

Mohammebaner noch einen niedrigen Gang in einem ſchlechteren Bauſtyle angebracht. Euſebius

und Hieronymus ſprechen von Gaza zu ihrer Zeit als einer bedeutenden Stadt. Gegen Ende
des VI. Jahrhunderts wird es als glänzend und genußvoll" und die Einwohner als ,, edel,
mit aller Bildung geſchmüct und Freunde der Fremden “ beſchrieben . In dem Wechſel der

Herrſcher kam auch Gaza bald in die Hände der Mohammedaner und litt viel während der
Kriege zwiſchen den beiden Chalifen Aegyptens und Syriens, ſo daß die Kreuzfahrer die Stadt

verödet fanden . Die nun errichtete Feſtung ward den Templern übergeben. Mit dem Siege

bei Hittin und der Uebergabe des nördlichen Askalons kam auch Gaza wieder in die Gewalt des
Halbmonde . Im XV. Jahrhundert zogen die chriſtlichen Pilger gewöhnlich von Jeruſalem aus

nad dein Sinai über das volk- und gewerbreiche Gaza , wo ſie ſich mit Vorräthen für die
Wüſte verſehen konnten . Die jetzige von Olivenpflanzungen umgebene und an dem öſtlichen
Höhenzug amphitheatraliſch ſich erhebende Stadt iſt ein wichtiger Verbindungsort zwiſchen Syrien

und Aegypten, zählt 15 Tauſend Einwohner, worunter 15 Hundert Chriſten. Im Süden, Oſten
und Norden umgeben herrliche Gärten, die von Caktu8 eingehegt ſind, die dem größeren Theile
nach über die Ebene hingebreitete offene Stadt ; Thore hat ſie nicht. In der fruchtbaren
Umgegend gedeihen Granaten , Pomeranzen und treffliche Datteln in Menge , wodurch ſich der

ganze Küſtenſtrich überhaupt auszeichnet. Am Fuße der Anhöhe zeigt man noch die Stelle der
alten Stadt- Thore und in einzelnen Marmorſäulen Ueberreſte der alten Zeit.
Die alte Straße von Jeruſalem ſcheint über Hebron hierher geführt zu haben .
6. Slofter St. Johann und hl. Kreuz .

In einem an den edelſten Trauben, Oliven und an Rosmarin - Gamander reich geſegneten
und durch eine bedeutende Quelle erquicten Thale füdweſtlichvon Jeruſalem liegt das Dorf

Ain Rarim mit dem Kloſter St. Johannes . Dasſelbe ward im Jahre 1621 erbaut und iſt

Das ſchönſte katholiſche Kloſter im heiligen Lande , von Zypreſſen und andern Bäumen ganz

umgeben . Friſche der Landſchaft und Fruchtbarkeit gleichen der von Bethlehem und Hebron.
216 Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems.

Der Name des Dorfes erinnert an die alte Stadt Rarem . *) (Joſue XV. 60. in der
Septuaginta.) Das Kloſter bewohnen acht bis zehn Franziskaner , die lauter Spanier ſind.
Dies Dorf gilt als Geburtsort des hl. 3ohannes des Täufers und in der Kloſter

Kirche, die ganz mit Marmor ausgelegt und nach abendländiſcher Art in Kreuzform gebaut iſt,
ſie mißt innen in der Länge 37 und in der Breite 24 Schritte und hat vier Pfeiler

ſteigt man zur Linken des Hochaltars durch ein vergoldetes Gitter eine Marmorſtiege zu der
verehrten Geburtsgrotte des hl. Johannes hinab , welche mit weißem und ſchwarzem Marmor
ausgetäfelt und mit Seidenſtoffen und Goldfranſen behangen iſt. Im Hintergrunde iſt die
Niſche, wo ein Stern aus weißem Marmor die Stelle umſchließt: Hic praecursor Domini
natus est. **) Fünf Basreliefs in weißem Mormor deden die Wände dieſer Niſche und ſtellen

die Heimſuchung, Geburt, Predigt, Taufe Chriſti am Jordan und die Enthauptung des Heiligen
dar. Sie ſind ein Geſchenk des Königs von Neapel und von etwas gezierter Arbeit. Ueber

der Niſche ſteht ein Altar mit dem Bilde des Täufers. Die Kirche ſelbſt hat 7 Altäre , eine
Orgel und werthvolle Gemälde , darunter einen hl. Johannes in der Wüſte, von Murillo. ***)
Eine kleine halbe Stunde von Ain Rarim wird der Ort der „ Heimſuchung " von Chriſten

und Mohammedanern verehrt. Hier glaubt man nämlich, daß die hl. Jungfrau mit ihrer Baſe
Eliſabeth zuſammengekommen iſt. Eine Stunde öſtlich von St. Johann ſteht das griechiſche
Nonnenkloſter „ Heilig - Kreuz“ von feſtungsartigem Anſehen . Die Kirche iſt geräumig
und ſchön geſchmückt. Dieſes ſchon im XIII. Jahrhundert erwähnte: einſame Kloſter befindet

ſich an der Stelle , wo nach einer alten Sage der Delbaum geſtanden , aus welchem das Kreuz
Chriſti gezimmert wurde.

7. Der Taufbrunnen des 11. Philippus .

Südlich vom Kloſter St. Johann befindet ſich eine freundliche Stätte an einem Waſſerquell,

der gleich einem kleinen Bache aus dem Felſen hervorbricht und überbaut iſt. Es iſt der Ort,
mit welchem die Erinnerung an eines der herrlichſten Ereigniſſe aus den erſten Tagen der
Apoſtel verknüpft wird ; an ein Ereigniß, deſſen gotteskräftige Folgen wie ein Strom lebendigen
Waſſers über ein Land des fernen Südens ſich ergoſſen. Es iſt die ſchöne Scene der Apoſtel
thätigkeit des hl. Philippus, welche die hl. Schrift alſo erzählt :

,, Ein Engel des Herrn redete nun zu Philippus und ſprach: Mach dich auf , und gelı'

gen Mittag auf die Straſſe, die von Jeruſalem nach Gaza führt, das öde liegt. Da machte
er ſich auf und ging hin . Und ſieh ! ein Mann aus Aethiopien , Kämmerer und Oberſchatz

meiſter der Königin Kandace in Aethiopien , ein mächtiger Herr , war zur Anbetung nach
3eruſalem gekommen .

* ) Graț 290.
**) Hier iſt der Vorläufer des Herrn geboren.
***) Brokef d 119.
Philippsbrunnen
|

1
Taufbrunnen des hl. Philippus. 217

Der kehrte nun zurück und ſaß auf ſeinem Wagen und las ten Bropheten 3ſaias. Da
ſprach der Geiſt zu Philippus : Geh' hin und nähere Didy dieſem Wagen. Philippus lief hinzu

und hörte ihn den Propheten Iſaias leſen und ſpracy: Verſtehſt du auch , was du liefeſt ?
Er antwortete : Wie ſollte ich dieß können , wenn mich Niemand anleitet ? Und er bat
den Philippue , er möchte aufſteigen und ſich zu ihm ſeßen . Die Schriftſtelle , die er las , war

dieſe : „ Wie ein Schaf wird er zur. Schlachtbank geführt , und ein lamm das vor ſeinem

Scheerer ſtumm iſt, that Er ſeinen Mund nicht auf. Mit ſeiner Erniedrigung hat ſein Gericht
aufgehört. Sein Geſchlecht aber, wer kann es zählen , wenn Er von der Erde weggenommen
iſt ?" Nun fragte der Kämmerer den Philippus und ſpracy: Ich bitte dich, von wem ſagt dies
der Prophet ? von ſich oder von irgend einem Andern ? Da that Philippus ſeinen Mund auf und

nahm von dieſer Schriftſtelle Anlaß , ihm das Evangelium von Jeſus zu verkündigen. Als ſie
nun den Weg fortzogen , kamen ſie an ein Waſſer. Da ſprach der Rämmerer : Sieh ! hier iſt

Waſſer ! was hindert , daß ich getauft werde ? Philippus antwortete : Wenn du von ganzem
Herzen glaubſt, ſo darf es geſchehen. Er antwortete und ſprach : Ich glaube, daß Jeſus Chriſtus
der Sohn Gottes iſt.
Und er ließ den Wagen halten : ſie ſtiegen beide in das Waſſer hinab , Philippus und
der Rämmerer, und er taufte ihn .

Als ſie nun wieder heraufſtiegen aus dem Waſſer, rückte der Geiſt des Herrn den
Philippus hinweg und der Kämmerer ſah ihn nicht mehr.
Er zog aber ſeines Weges voll Freude.“ Apoſtelg. VIII. 26—39.

Aethiopier und Aegypter waren die erſten Völker der Heidenwelt , welche den chriſtlichen
Glauben angenommen . Nach Alexander dem Großen bis zum Jahre 400 regierten zu. Meroe

Saba – im nördlichen Aethiopien Königinnen , welche den Namen Randake führten. Nady
der äthiopiſchen Ueberlieferung hieß dieſer Rämmerer Judich und verbreitete das Evangelium in

ſeinem Vaterlande. Die Worte des Pſalmiſten ſind hiedurch erfüllt worden : „ Aethiopien ſolt
zuerſt aufheben ſeine Hände zu Gott. Die Könige von Tharſis und die Inſeln werden Geſchenke
opfern ; die Könige von Arabien und Saba werden Gaben bringen ."

Die Lage des Brunnens iſt unbeſchreiblich ſchön zwiſchen Baumgärten und reichen Wein

pflanzungen. Ein Bad der durch das Thal gehet, macht dieſes noch jeßt zu einem Zeugniß der
natürlichen Fruchtbarkeit des gelobten Landes . Das Mauerwerk bildet eine Niſche mit korinthiſchen
Wandfäulen und daneben und darunter Reſte eines nicht unbedeutenden Bauwerke8 .

Uebrigens liegt dieſer Ort des Brunnens ( Ain Hanieh) von Jeruſalem , wie von Bethlehem
nur 1/2 Stunden weſtlich entfernt, während die alte Tradition des Pilgers von Bordeaur und
der hl. Hieronymus den Philippsbrunnen ausdrüdlich fünf Stunden von Bethlehem und

gegen ſieben Stunden von Jeruſalem entfernt angeben , und das damalige Dorf Bethfur als
Ort des Brunnens nennen , am Wege von Jeruſalem nach Hebron. Das alte Bethſoron und

die Taufquelle des Philippus muß ſomit ganz nahe bei Hebron gelegen haben. Bei ed Dirweh ,
28
218 Heilige Stätten im Süden und Weſten Jeruſalems .

auf dem Wege zwiſchen Bethlehem und Hebron , iſt ein reichlich fließender Brunnen , der dieſer
alten Ortsbeſtimmung entſpricht , von welcher die ſpätere Tradition alſo abgeirrt iſt. *) In der
Nähe der Quelle ſieht man noch die Trümmer einer uralten Kirche mit einem Vorhof, in welchem

ſich ein kreisförmiges ſteinernes Becken , gleich einem Taufbecken , vorgefunden . Daß in alter
Zeit von Jeruſalem über Hebron hier bei ed Dirweh eine Hauptſtraße vorüberzog , beweiſen noch
die vielen ſcharf in die Felſen einſchneidenden Fahrgeleiſe . Die Trümmer heißen hier noch Beit
Sur , entſprechend dem alten Bethfur.
8. Die Orte Maſpy a und Emmaus.
Außer dieſen ſüdweſtlich von Jeruſalem bemerkenswerthen Orten ſind nordweſtlich
hervorzuheben , Maſpha oder Maſphat, woſelbſt unter den Richtern und unter Saul öftere Volks

verſammlungen gehalten wurden , wo Samuel Recht ſprach und opferte und die Philiſter beſiegte.
Später im Kampfe der Juden gegen die Syrer bildete der Ort einen wichtigen Verſammlungs
Plaž. Ruinen einer alten Stadt ſind noch erhalten . Doch herrſcht hierüber noch mancher

Zweifel. Die Bezeichnung des Ortes , Neby Samwil, welcher zwei Stunden nordweſtlich von

Jeruſalem liegt , ſcheint die Erinnerung an Samuel erhalten und hierher die Grabſtätte des
Propheten verlegt zu haben .

Etwas weiter weſtlich liegt El Rubeibeh . Dieſe Ortſchaft gilt für den Flecken Emmaus ,

wohin ſich zwei Jünger begaben und unterwegs von dem auferſtandenen Heiland angeſprochen
wurden . Dieſer Flecken war 60 Stadien oder gegen drei Stunden von Jeruſalem entfernt.
Das Evangelium erzählt hierüber :

Und ſieh ! zwei von ihnen giengen an demſelben Tage in einen Flecken , der bei 60
Stadien von Jeruſalem entfernt iſt und Emmaus heißt .

Und ſie redeten mit einander über all das , was ſich zugetragen hatte. Und es geſchah,

da ſie ſo redeten und einander fragten , nahte ſich iğnen Jeſus und gieng mit ihnen . Ihre

Augen aber waren gehalten , daß ſie ihn nicht erkannten . Er ſagte nun zu ihnen : Was ſind

das für Reden , die ihr mit einander wechſelt auf dem Wege und warum ſo traurig ? Da

antwortete einer von ihnen , Cleophas mit Namen, und ſprach zu ihm : Biſt du denn der einzige

Fremdling in Jeruſalem , der nicht weiß, was daſelbſt geſchehen iſt in dieſen Tagen ? Was denn,

fragte er ſie. Und ſie antworteten : das mit Iefus von Nazareth , der ein Prophet war , ein

Mann mächtig in Wort und That , vor Gott und allem Volke . Wie ihn unſere Hohenprieſter

und Vorſteher überliefert haben, daß er zum Tode verurtheilt wurde, und wie ſie ihn gekreuzigt
haben . Wir aber hofften , daß er Iſrael erlöſen würde. Aber bei alle dem iſt es heute ſchon

der dritte Tag , ſeit dies geſchehen iſt. Nun haben uns auch einige Weiber von den Unſrigen

in Erſtaunen geſetzt, die ſchon vor Tagesanbrud beim Grabe waren. Sie fanden ſeinen

Leichnam nicht, und kamen und ſagten , ſie hätten eine Erſcheinung der Engel geſehen , welche

*) Grat 214 und §. 165. Mislin III, 61 .


.
Emaus
VILD ution
Fillo
SANI
1

.
\\
|131
TEN
.|
குலப்
Die Orte Maſpha und Enimaus. 219

lebe.
er lebe.
ſagten , er Da giengen einige von den Unſrigen zum Grabe hin und fanden es ſo , wie

die Frauen geſagt ; ihn aber fanden ſie nicht.


Da ſprach er zu ihnen : O ihr Unverſtändigen ! wie lange ſtreubt ſich euer Herz , alles
zu glauben , was die Propheten geſagt haben ? Mußte denn nicht Chriſtus dieſes leiden und ſo
in ſeine Herrlichkeit eingehen ? Nun fieng er an von Moſes und allen Propheten und erklärte

ihnen alle Særiftſtellen , die auf ihn deuteten . Sie nahten ſich nun dem Flecken , wohin ſie
giengen ; da ſtellte er ſich , als wollte er weiter gehen . Sie aber nöthigten ihn und ſprachen :

Bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat ſich geneigt. Da ging er hinein
mit ihnen . Und es geſchah , als er mit ihnen zu Tiſche lag , nahm er das Brod , ſegnete es
und brachy es und gab es ihnen. Da wurden ihre Augen aufgethan und ſie erkannten ihn.
Er aber verſchwand vor ihren Augen . Und ſie ſprachen zu einander : „ Brannte nicht unſer

Herz in uns , wie er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift eröffnete ? Und ſie
madyten ſich auf noch in derſelben Stunde und kehrten nach Jeruſalem zurück und fanden die

Eilfe verſammelt und die bei ihnen waren . " Luc. XXIV. 13–34.
Neuere Forſcher *) wollen den Flecken Emmaus in dem heutigen, zwei Stunden nordweſtlich
von Jeruſalem entlegenen Dorfe Kulonieh erkannt haben , welches noch einen Anklang an die
alte römiſche Rolonie bewahrt hat, da der jüdiſche Geſchichtſchreiber von einem Emmau8 erzählt,
das 60 Stadien von der Stadt entfernt achthundert ausgedienten Soldaten von Titus zur

Anſiedelung (colonia) überlaſſen worden . Die Stadt Emmaus , ſüdöſtlich von Lydda , auch
Nikopolis genannt, iſt von dem Flecken Emmaus wohl zu unterſcheiden . Dies ſind die im Süden

und Weſten Jeruſalems bedeutſamſten Orte und Stätten . Betrachten wir nun die davon

öſtlich gelegenen .
X. Deſtlidh von Jeruſalem gelegene Stätten.
Durch das Stephansthor zu dem Garten Gethſainene am Delberg gekommen , ſteht man
am Wege , der nach Bethanien und Jericho führt. Derſelbe verfolgt zuerſt am weſtlichen

Abfall des Delberges hin die Richtung des Thales Joſaphat, von welcher er unweit der Grab

mäler des Abſalom und Zacharias gegen Südoſt abweicht , unterhalb der Propheten- Gräber die

direkt öſtliche Richtung einſchlägt und nach einer kleinen Stunde Bethanien erreicht, welches

ſomit am öſtlichen Abhange des Delberges liegt.


1. Bethanien.
In Bethanien weilte Unſer Herr öfters , wo das Haus der edlen Geſchwiſter Lazarus,

Martha und Maria ſein liebſter Aufenthaltsort war. In dieſem Hauſe faß Maria zu den

Füſſen des Herrn, während Martha viel beſchäftigt war, den Heiland zu bedienen. Luc. X. 38.

Eine Stätte chriſtlicher Erinnerung ward aber Bethanien vor Abem durch die Auferweckung

des Lazarus, welche der Evangeliſt Johannes alſo berichtet:

*) Gra 13 349. Hiſt. pol. Bl. 1855 S. 718.


28 *
220 Deſtlid, von Jeruſalem gelegene Stätten.

Gin gewiſſer Lazarus von Bethanien , einem Flecken , wo Maria und Martha ihre
Schweſter wohnten , war kranf... Seine Schweſtern ſandten nun zu Jeſus und ließen 3hm

ſagen : Herr ſieh ! den du lieb haſt, der iſt krank. ... Da nun Jeſus ankam , fand Er , daß
Lazarus ſchon vier Tage im Grabe liege. Bethanien war nahe bei Jeruſalem , ungefähr 15
Stadien weit.

Daher waren viele Juden zu Martha und Maria gekommen, um ſie über ihren Bruder

zu tröſten . Als nun Martha hörte , daß Jeſus komme, eilte ſie Ihm entgegen ; Maria aber
blieb zu Hauſe ſitzen . Da ſprach Martha zu Jeſus : Herr ! wäreſt du hier geweſen, mein Bruder
wäre nicht geſtorben . Aber ich weiß auch jetzt noch , was du immer von Gott bitteſt, das

wird dir Gott geben . Jeſus ſpricht zu ihr : Dein Bruder wird auferſtehen.

Martha erwiderte Ihm : Ich weiß wohl , daß er auferſtehen wird, in der Auferſtehung
am jüngſten Tage. Jeſus ſpricht zu ihr : Ich bin die Auferſtehung und das Leben, wer an Mich
glaubt, der wird leben, wenn er gleich ſtirbt. Und jeder der da lebt und an Mich glaubt, wird
niminermehr ſterben . Glaubſt du das ?

Sie ſagte zu Ihm : Ja Herr ! ich glaube , du biſt Chriſtus, der Sohn des lebendigen
Gottes , der in die Welt gekommen iſt. Und als ſie dies geſagt hatte , gieng ſie hin , rief ihre
Schweſter Maria und ſagte ihr heimlich : Der Meiſter iſt da und läßt did, rufen. Als Maria
dies hörte, ſtand ſie eilends auf und kam zu Ihm . Denn Jeſus war noch nicht in den Flecken

gekommen , ſondern war noch an dein Orte, wo Ihm Martha entgegengekommen war.
Da die Juden , welche bei Maria im Hauſe waren und ſie tröſteten , ſahen, daß ſie eilends

aufſtand und hinausging, folgten ſie ihr und ſprachen : Sie geht zum Grabe, im da zu weinen .
Als nun Maria dahin kam , wo Jeſus war und Ihn fah , fiel ſie Ihm zu Füſſen und

ſpracy zu Thm : Herr ! wäreſt du hier geweſen, mein Bruder wäre nicht geſtorben .

Als nun Jeſus ſah, daß ſie weinte und daß auch die Juden weinten , die mit ihr kamen
ward Er in ſeinem Gemüthe erſchüttert und ſehr betrübt. Er ſprach: Wo habt ihr ihn hin

gelegt ? Sie ſpradjen : Herr ! komm und ſiehy es !


Und Jeſus weinte.

Da ſagten die Juden : Sieh doch, wie lieb .Er ihn hatte !
Einige aus ihnen aber ſagten : Ronnte denn der , der dem Blindgebornen die Augen
aufgethan, nicht machen, daß dieſer nicht ſtürbe ?

Jeſus aber wurde wiederuin tief erſchüttert und kam zur Grabſtätte. Es war aber eine
Höhle und ein Stein war davor gelegt. . Da ſprach Jeſus : Hebet den Stein weg . . Jeſus

aber hob ſeine Augen empor und ſprady: Vater Ich danke dir, daß du Mich erhört haſt! Ich
weiß wohl, daß du Mich allezeit erhöreſt ; aber ich ſage es um des Volkes willen , das umher
ſteht, damit ſie glauben, daß du Mich geſandt haſt. Nachdem er dies geſagt hatte , rief er mit

lauter Stimme : Lazarus , komm heraus ! Und ſogleich kam der Todte hervor , umwunden mit
1
w

wisma JERICND
16.2
Bethanien. 221

Tüchern an Händen und Füſſen , und ſein Angeſicht mit einem Schweißtuch verhüllt. Jeſus
ſprach zu ihnen : Löjet ihn auf und laſſet ihn gehen .“ Joh . XI.
Dieſen Augenblick der Freude und zugleich erſchütterndſten Ehrfurcht vor dem Herrn über
Leben und Tod vermag keine Zunge zu ſchildern ; nur die Meiſterhand eines Rubens war im

Stande , denſelben in ein bewunderungswürdiges Bild zu bringen , wogegen jede Schilderung


völlig verſtummen muß.

Zu Bethanien fand im Hauſe des Simon die Aufnahme der buffertigen Magdalena
ſtatt, welche die Füße des Herrn mit ihren Thränen beneşte . Matth . 26, 6 .

Es wird noch am Fuße des Hügels eine Felskammer gezeigt, welche man für das Grab
des Pazarus hält. Man ſteigt auf 30 Stufen hinab und gelangt nach der 24. Stufe zu einer

Art Vorplat , wo ein ſteinerner Altar ſteht. Auch die Trümmer des Hauſes dieſer Geſchwiſter
und des Phariſäers Simon glaubt man hier noch erhalten ; die Mauertrümmer ſind wohl noch

Neſte der hierorts erbauten Kirchen ; denn ſchon im IV. Jahrhundert ſtand über Lazarus Grab
eine Kirche, woran im VII. ein Kloſter gereiht wurde. Die fromme Meleſinda ſtiftete im Jahre
1183 zu Bethanien ein Frauenkloſter. Im XIV. Jahrhundert ſtanden drei Kirchen über den
Stätten der genannten Häuſer und des Grabes.

Zwiſchen den zerſtreuten alterthümlichen Mauerreſten wohnen jetzt arme Araber. Das

kleine Dorf heißt jetzt mit Nüdjicht auf Lazarus ,, El- Ajarieh “ oder „ El Aziriyeh ." * ) Die vielen
ſchattigen Bäume und grünenden Felder ringsherum machen den Ort freundlich und dem Pilger
zu einer lieblichen Erinnerungsſtätte. Am höchſt gelegenen Theile des Dorfes ſieht man die

noch erkennbaren Reſte einer Kirche und eines Thurmes. **) Die öſtlich vom Lazarus - Grabe
ſehr tief liegende Moidee mag Neſte der alten Lazarus -Sird)e enthalten . ***)
2. Die Wüſte von Ierido.

Von Bethanien geht es ein ſchmales Thal hinab , wo ein Brunnen mit altem Gemäuer

liegt. Hier ſoll Unſer Herr mit den Apoſteln öfters geruht haben, weßhalb der Ort „ Apoſtel
brunnen “ genannt wird.
Von hier beginnt ein ganz ödes Berggeländ , das bei brennender Hitze doppelt troſtlos

iſt. Der Wanderer fühlt ſich glüdlich, unter einem vorhängenden Fels etwas Schatten zur Raſt
zu finden. Zur Seite des Weges ſpaltet ſich der Berg ſenkrecht zu einer außerordentlichen
Tiefe, in weldher ein kleiner Bach ſich durchwindet. Vom todten Meere wird ein Theil ſichtbar
und die Gegend von Jericho taucht auf und in derſelben eine grüne Strecke voll Baum und

Buſch, die in dieſer ausgebrannten Wüſte Auge und Herz unbeſchreiblich erquickt. Dieſen ſcharfen

*) Tobler Topogr . II. 422. Er hat zuerſt das Lazarium des Cyrillus als Bethania nachgewieſen
1848, Ausland 24. Jan.
**) Grat 286 .
***) Tobler III. W. 356.
222 Deſtlich von Jeruſalem gelegene Stätten.

Gegenſatz eines pflanzenreichen ſaftigen Erdſtriches mitten in einer Wüſtenei bringt die Elifäus
Quelle hervor . Sie fließt unmittelbar am Fuße eines niedern Berges heraus und zwar ſo

ſtark wie ein kleiner Bach. Fhre Mündung ſelbſt iſt mit uraltem Mauerwerk eingefaßt. Es iſt

die Quelle, von welcher die hl. Schrift erzählt :


Und die Männer der Stadt Jericho ſprachen zu Eliſäus : „ Sieh doch, die Lage der Stadt

iſt gut ; aber das Waſſer iſt ſchlecht und das Land iſt entvölkernd . Da ſprach er : Holet mir
eine neue Schüſſel und thuet Salz darein. Und ſie holten ſie ihm. Und er gieng hinaus an
den Quel des Waſſers und warf Salz hinein und ſprach : So ſpricht Jehova : Ich heile dieſes

Waſſer , nicht mehr ſoll daraus entſtehen Tod und Entvölferung ! Und das Waſſer wurde
geheilt bis auf dieſen Tag, nach dem Worte des Eliſäus, das er geredet." II. Rön . 2.

Dieſe rauhe Gebirgsgegend von Jeruſalem bis Jericho wird ſchon imn Budje Joſue 16, 1 .
genannt. In dieſer Wüſte hielt fid Unſer Herr nach alter Ueberlieferung , während ſeines

vierzigtägigen Faſtens auf, woler ſich ihr Name „ Quarantania " ſchreibt, weld)er eigentlicy

dem hödyſten Gipfel jenes Gebirgtheils zukömmt, der ſich von Jeruſalem nordöſtlich hinzieht und
die grauſe Wildniß bildet . Es iſt ein ſteiler Kalkberg mit vielen Höhlen , worin fromme Einſiedler

ihren Aufenthalt hatten. Man hält dieſen Berg für jenen, wo Unſer Herr vom Satan verſucht
wurde. Matth . IV. 1 . Er begrenzt die Wüſte von Jericho. Derſelbe erhebt ſich gegen

1500 Fuß über die Ebene und iſt von der Eliſäus - Quelle ungefähr eine Viertelſtunde entfernt.

Bevor man zum Berge kömmt, findet man ein kleines Hochthal, welches eines der angenehmſten
Ruheplätzchen der Welt ſein möchte. Die hödyſt gelegene Grotte des Berges bildete ehedem eine
Kapelle, die mit Wandgemälden geſchmückt war . In derſelben ſoll ſich Jeſus aufgehalten haben,
als der Verſucher zu Ihm trat . Auch der Gipfel trägt Ruinen einer Kapelle, die den Ort

bezeichnete, wo nach der Meinung alter Berichte Unſer Herr die Worte ſprach: Weich Satan !
denn es ſteht geſchrieben, du ſollſt Gott deinen Herrn anbeten und Ihm allein dienen . Matth . IV. 10 .
Mislin glaubt, hier müſſe audy die Höhle der ſieben Jungfrauen geweſen ſein, welche im Innern

der Höhle , wo jede ihre Zelle hatte , in beſtändigem Gebete lebten . Sie waren ſchon in ihrer
Kindheit hierher gebracht worden und ſowie eine davon ſtarb, diente ihre Zelle auch als ihr
Grab und es ward eine neue Zelle für eine andere Jungfrau ausgehöhlt. So erneuerte ſich
ſtets ihre Zahl und mehrten ſich um ſie herum die zu Grabkammern gewordenen Zellen . Der
Gipfel dieſes Berges iſt ſehr ſchwer zu beſteigen, die Ausſicht von demſelben aber lohnend. Sie

reicht über das Jordanthal, das todte Meer , die Wüſte von Thekua , die Gebirge von Judäa

und Galiläa, den Libanon und Antilibanon und über die Hochebene von Moab und Galaad hin .
Auf dieſem Berge und in der Umgebung findet man noch Steinböcke, Füchſe und eine unglaub
liche Menge Schakals. In der Nähe der Eliſäus - Quelle erwähnen die Schriften des Mittel

alters die Cultur des Zuckerrohres , wie der Name von Ruinen , „ Zuckermühlen “ heute noch
beſtätigt. An der Seite dieſer Mühlen zieht eine Waſſerleitung vorbei , von der auch tiefer in
der Ebene Ueberreſte zu ſehen ſind. Da ſie höher liegt als die Elifäus -Quelle, ſo war ſie zur
soci

.
Jericho
von
Ruinen
der
Stelle
223
Die Wüſte von Jericho.
4

.Leitung des Waſſers aus einer andern Quelle beſtimmt. Sie reicht bis zur Quelle Ain Dof,

die eine kleine Stunde von der erſteren entfernt iſt und läßt ſich füdlich von Jericho bis auf
anderthalb Meilen gegen das todte Meer hin verfolgen . Die erſte Anlage dieſer Waſſerleitung wird
dem Herodes Asfalonites zugeſchrieben . Die daneben liegenden Ruinen bezeichnen das alte Schloß

Dagon, wo Simon Makfabäus, der vom Voife geliebte Fürſt und Hoheprieſter der Juden umfam.
Er bereiſte aújährlich Judäa und kam einſt in Begleitung ſeiner Söhne Judas und Mathathias

zu Ptolemäus, feinem Schwiegerſohne, der Statthalter zu Jericho war, in dies Schloß. Dieſer
: ermordete ſie aber beim Gaſtmahle, um die . Regierung zu erhalten . Hyrkan belagerte den
Mörder, der auch bald nach Antiochia flüchtete und in Vergeſſenheit ſtarb. Dieſe Burg gehörte

während der Kreuzzüge den Tempelherrn . *)


Der Weg, der ſich über Bethanien nach Jericho durch tiefe Thalſchluchten 30g, war wegen
der hierum hauſenden Räuber gefährlich, weßhalb er geradezu der „ blutige Weg “ genannt wurde.

Eine Anhöhe dieſer Wüſte heißt auch Höhe der Blutigen “, weil hier manche Mordthat durch

die Räuber vollführt worden war.


In der ſchönen Gleichnißrebe **) von dem „ barmherzigen. Samariter“ nimmt der Heiland
auf dieſe Umſtände Rückjicht, indem er die Geſchichte des unter die Räuber Gefallenen hierher,

auf den Weg gegen Jericho, verlegte.


Der Bach der Eliſäus - Quelle durchfließt nach einer halben Stunde Entfernung von

feinem Urſprunge ein armſeliges, ſchmutziges Dorf, das von dichten Reihen der ſtachligen Gewächſe

des Cactus oder der Opuntienfeige wie mit einer Mauer umhegt iſt und den . Namen Erich a
führt. Nach den alten Mauerfundamenten zu ſchlieſſen , ſo lag das alte Jericho höchſt wahr

ideinlich eine halbe Stunde weſtlich dem heutigen Erida. Dus nahe Raſtell und Waſſerleitungen

ſtammen wahrſcheinlich aus der römiſchen Herrſderzeit.


Die Umgebung war im Alterthum wegen ihrer Fruchtbarkeit und Bewäſſerungs - Mittel

ſehr geprieſen , weldie noch jetzt, freilich in beſcheidenem Maaße dieſen Ort zu einer Fruchtſtelle

in der Wüſte geſtalten . Aus den Früchten des dornigen Zakkum - Baumes wird der heutige
Balſam oder das Del von Jericho bereitet, das die Araber und Pilger als ein beſonderes Heil

mittel bei Wunden und Quetſchungen preiſen. Hier wuchſen auch die berühmten Jericho - Roſen,
die vielfach in's Ausland verſchickt wurden . Sie haben das Eigenthümliche, daß ſie nach vielen
Fahren, in’s Waſſer gebracht, wieder aufblühen. Letztere Eigenſchaft kömmt jedoch den jeßt um

Jericho gefundenen nicht zu, ſondern ſolchen , die im Südoſten des tobten Meeres in der Wüſte

Arabiens und bei Kairo Häufig gefunden werden . Ludolph von Suchem ſagt : Dieſe Wüſte (vom

Sinai bis Syrien ) iſt die Jungfrauw mit jrem Kind Jeſu durchreyjęt ... und auff dem Weg,,
wo ſie gezogen, wachſen dürre Roſen, welche ſie in denſelben Länden Roſen, von Jericho heiſſen .

*) Mislin JIJ. 173 ff.


**) Luc. X. 30 fi.
224 Deſtlid, von Jeruſalem gelegene Stäten .

Verſchiedene Sagen verknüpften ſich mit dieſer Blume und es haben ſich noch Gebräuche z . B.

im Poschiavino - Thal der italieniſchen Schweiz erhalten , die mit dieſer Eigenſchaft der Blume
zuſammenhängen . *) Das alte Jericho war eine Königsſtadt und hieß wegen der an Palmen

reidyen Ebene vorzugsweiſe die Balmenſtadt.**)


Nachdem 3ſrael über den Jordan gezogen , wurde die Königsſtadt Chanaans von Joſue

unter göttlider Hilfeleiſtung erobert und zerſtört. ***) Achab befeſtigte Jericho wieder und in
den Tagen des Elias und Elifäus blühte baſelbſt eine Prophetenſchule. Das Meiſte that Herodes

M. für Jerichos Befeſtigung und Verſchönerung. Er erbaute einen Palaſt, ein Kaſtell und eine

Rennbahn , in welche er noch kurz vor ſeinem Tode eine Menge Volkes beſchieden und noch

in den letzten Augenblicken den uninenſchlichen Befehl gegeben hatte, um eine allgemeine Trauer
zu bewirken , alle barin Verſammelten niederzuhauen , was aber nicht ausgeführt wurde. Unter

der römiſchen Oberherrſchaft hielt ſich wegen der Balſamverſendungen daſelbſt ein Oberzoll

einnehmer auf. Der von Jeſus liebreich aufgenommene Zadhäus war ein ſolcher. ****) Hier

fand audh die Blindenheilung ſtatt, welche das Evangelium erzählt. *****) Die chriſtliche Kirchen

Geſchichte nennt aus dem IV . und V. Jahrhundert Biſchöfe von Jericho , wo Juſtinian eine
Kirche mit Hospiz erbaute.
Bon Jericho weg betritt der Pilger die Ebene oder das Gefilde von Jericho,

welches eigentlich den ſüdlichen Theil der großen vom See Geneſareth bis zum todten Meere
ſich erſtreckenden Jordan Ebene bildet. Der Forban theilt die Ebene in ein weſtliches und

öſtliches Gefilte. Das weſtliche heißt Gefilde von Jericho und das gegenüberliegende öſtliche
heißt Gefilde oder Ebene Moab . Die ganze Thalfläche des Jordan führt den Namen el Ghor

(Thal) und wird öſtlich vom Gebirge Galaad, weſtlich durch die Ausläufer der Gebirge Gelboe,
Ephraim und Juda begrenzt. Die weſtlichen Klippen überragen das Jordanthal in einer Höhe
von Tauſend bis zwölfhundert Fuß, während die öſtlichen Berge zwar anfangs weniger hoch und
ſteil ſind, weiter zurück. aber zu Retten von 2000 bis 2500 Fuß Höhe anſteigen . Von den das

Gefilde Jericho ehedem auszeichnenden Erzeugniſſen trifft man heute nur wenige mehr. Während

im VII. Jahrhundert hierorts noch Palmwälder blühten, ſieht man jetzt nur noch einen einſamen

Palmbaum verlaſſen in der ganzen Ebene ſtehen , die ſandig und ſparſam mit Rajenbüſcheln,

Blumen und Geſträuchen bedeckt iſt.


Anf dem Wege von Jericho gegen den Jordan liegt Galgala , Joſue’s erſter Lager
Platz im gelobten lande. Hier feierten die Iſraeliten das Oſterfeſt und aßen von den Früchten

*) Georg Leonhardi. Da8 Boschiavino- Thal 1859.


**) V. Moj. 34, 3. Richt. I. 16. II . Chron . 28, 15. Tacit. H. V. 6.
*** ) Jof. VI . 2.
*****
**) Luc . XIX . 5, 10 .
*****) Luc. XVIII . , 35. Marc X, 46. Matth. XX . 29 .
Der Jordan . 225

des Landes Canaan und das Manna Hörte auf. Hier blieben ſie ſieben Jahre nach ihrem
Einzuge in das gelobte land gelagert und die Bundeslade ward vou hier ſpäter nad Silo
übertragen . Hierher kam Samuel, uin Recht zu ſprechen , zu opfern und dem Könige Saul ſeine
Verwerfung anzukünden . I. Könige 7, 16 ; 10, 8 ; 13, 14. Die Propheten Elias und Eliſäus
waren hierher gekommen , als der Herr den Elias im Sturine aufheben wollte gen Himmel
(IV . Kön. 2, 1.), und ſie giengen trocknen Fußes durch den Jordan, nachdem Elias das Waſſer
mit ſeinem Mantel geſchlagen hatte . Dody Iſrael vergaß der Wohlthaten Gottes und errichtete
hier ſeine Gößen ( Richt. III. 13). Da ſprach der Herr das Urtheil : „Alle ihre Bosheit
treiben ſie in Galgala ;. denn da bin ich ihnen feind geworden um der Bosheit ihrer Anſchläge

willen ; ich werde ſie verſtoſſen aus meinem Hauſe ." Djeas 9.
Dieas 15.
15 . In die Nähe Galgala’s
verlegen Einige das Schirat der hl . Schrift, als gleichen Namens mit Styrias. Damit hängt
nun folgende von Fl. 3oſephus erzählte. Ueberlieferung zuſammen : Als die Nachkommen Seth's

von Adam erfuhren , daß die Welt ziterſt durch Waſſer dann durch Feuer zu Grunde gehen ſollte,

hätten ſie in der Vorausſetzung, daß einige Menſchen verſchont blieben, die Entdeckungen, welche
jie in der Aſtronomie gemacht hatten, der Nachwelt aufbewahren wollen ; ſie hätten deßhalb dieſe

Entdeckungen auf zwei Säulen , die eine von Stein , um dem Waſſer, die andere von Ziegeln,
um dem Feuer zu widerſtehen, eingegraben und dieſe in der Syrias aufgeſtellt. Bei heidniſchen
Schriftſtellern findet man über den Urſprung der Syringen oder Höhlen mit Hieroglyphen

ganz ähnliche Sagen . *)


3. Der Jordan .
Je näher Dein Jordan, deſto ſichtlicher vermehren ſich die Gebüſche und belebt ſich das
Grün des Bodens. Endlich nach langem Wandern gegen Dſt erſcheint der Jordan . Sein

Bett liegt gegen 40 Fuß tiefer als der übrige Theil der Ebene und iſt an den Ufern längs der
weitläufigen Krümmungen des Flußes mit Buſdwerk und kleinen Hainen bewadiſen , worin ſich
Wild aufhält , Vögel niſten und ſingen . Die Ufer ſind hierum ſenkrecht abſchüſſig und vom

Waſſer faſt bis zum Rande angefüllt. Das üppige buſchige Gehölz garnirt den Jordan jo dicht,
daß man nur eine kleine Strecke davon überſieht und er wie aus unbekannter Waldestiefe

hervorſchießt, um alsbald wieder in Walb umzubiegen .


Der Jordan bildet für den chriſtlichen Pilger ein heiß erſehntes Ziel. Er iſt durch die

Neihe der Jahrhunderte göttlicher Führung Iſraels und durch Unſern Herrn geheiligt , der ſich

herabgelaſſen in ſeiner Fluth von Johannes getauft zu werden .


„ Als aber Jeſus getauft war , ſtieg, er alſogleich aus dem Waſſer herauf ; und ſieh ! der
Himmel öffnete ſich über Ihm und Er ſah den Geiſt Gottes wie eine Taube herniederſchweben
und ſich auf Ihn niederlaſſen . Und eine Stimme erſcholl vom Himmel herab: Dieſer iſt mein

geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe.“ . Matth . III:

.L
*) Bei Mislin III, 186.
29

d
226 Deſtlidy von Jeruſalem gelegene Stätten.

Der von Unſerm Herrn für den Größten unter allen vom Weibe Gebornen erklärte Vor:
läufer Johannes predigte und taufte am Jordan. Zu ihm ſtrömte nach dem Worte der hl. Schrift
,, Jeruſalem und ganz Judäa und die ganze Umgegend des Jordan , um ſich taufen zu laſſen

und Buße zu thun. “ Im Jordan hieß der Prophet Eliſäus den ſyriſchen Heeresfürſten Naaman
ſich waſchen , um vom Ausſage rein zu werden . An dieſem Fluſſe zeigte Gott ſeine Wunder

macht dem Volke Iſrael , als es aufbrach aus ſeinen Zelten und die Bundeslade vorangetragen
wurde , worauf das Waſſer des Jordan an Einem Orte ſtand und aufgethürmt wie ein Berg
erſchien, ſo daß das Volk hinüberziehen konnte gegen Jericho. Joſue errichtete *) zur Erinnerung
an dieſes wunderbare Ereigniß im Rinnſal des Jordan Denkſteine, welche im Laufe der Zeiten
verſchwunden ſind, aber das Andenken an dieſen Durchzug blieb in das Herz Iſraels eingegraben .
Pſ. 113, 3 .
Moſes kain bis an den Jordan, nach dem Willen Jehova's aber ſah er nur vom Berge
Nebo das den Iſraeliten bereitete Land der Verheißung , ohne es ſelbſt zu betreten . Der
Patriarch Jakob gieng nad Meſopotamien über den Jordan und im Gefilde dieſe $ Fluſſes hatte

ſich Loth fein Weideland ausgewählt . Die chriſtlichen Perioden haben das Gebiet des Jordan
für Klöſter und Kirchen außerkoren , deren älteſte die Kirche und das Kloſter St. Johannes ſein

mochten , wovon am weſtlichen Ufer noch Reſte gefunden wurden . Nahe bei letteren iſt die
Stelle , woſelbſt die lateiniſchen Chriſten ſich zu baden pflegen , während die Griechen eine
Stunde weiter unterhalb ihre Badeſtelle haben , wohin ſie alljährlich am Dſtermondtag in

großen Sdaaren wallfahrten . Die armeniſchen Chriſten bringen meiſtens zum Jordan leinene
Gewande mit , die ſie dann zu Sterbekleidern aufbewahren. In früheren Zeiten machten auch
die Franziskaner jährlich eine Pilgerfahrt an den Jordan und feierten an ſeinem Ufer das hl.
Meßopfer , was jedoch ſeit einem halben Jahrhundert wegen der Unſicherheit und der großen

Koſten, die ein zahlreiches Gefolge verurſachte, unterblieben iſt. Am 19. Oktober 1848 las jedoch
der Abt Jac. Mislin in Gegenwart des fatholiſchen Patriarchen von Jeruſalem am Sorbangs

Geſtade auf einem Tragaltare die Hl. Meſſe, was dann auch von Seite der begleitenden Prieſter

der Reihe nach geſchah.


Der Sorban , von den Arabern el Urdun genannt, entſpringt am Fuße des Antilibanus

oder Hermon bei Banias, dem alten Cäſarea- Philippi, ans einer Felſengrotte, welche aber mit
dem kleinen runden See Phiala ( Birket el Rain in keiner Verbindung ſteht.
Um die Quelle , welche in N. D. des heutigen Dorfes Banias entſpringt, findet man
noch viele behauene Steine von der alten, dem Pan geweihten Grotte. Weſtlich von Banias
liegt eine kleine Erhöhung , Tell eľ Rady genannt , aus deren Mitte an fünf bis ſechs Orten
gleichfalls Duellen hervorbrechen , die vor Alters den gemeinſamen Namen Dan ( iet Nahr ed

Dhan) führten und auch kleiner Jordan genannt wurden. Außerdem wird der Jordan durch

*) 3o8. 4. 3.
DATUM

.
Meer
Todtes
-
Das todte Meer. 227

den waſſerreichen Hasbeny, der ſeine Quelle im Hochgebirge des Libanon hat, verſtärkt, ſo daß
man ſagen kann , der Jordan werde durch die drei Flüſſe : Banias, Dan und Hasbeny gebildet.
Er durchſtrömt Paläſtina von Nord nach Süd und durch die Seen Merom und Geneſareth .
Nach dem Austritt aus legterem bei dem alten Tarichäa ( ietzt Kerak) hat er kryſtallhelles Waſſer
in einem 30 Fuß breiten und ſechs Fuß tiefem Bette , madit ſofort viele Krümmungen , zieht

ſich anfangs gegen die weſtlichen und dann gegen die öſtlichen Bergreihen . Zwei Stunden
unter Beiſan wendet er ſich wieder nad, der weſtlichen Thalfeite, nähert ſich aber weiter abwärts
den öftlichen Gebirgen und mündet nach Aufnahme mehrerer Flüſſe in das todte Meer . Seint
gelbliches Waſſer, mehr lau als kalt , iſt trinkbar und fiſchreid). In Folge des Regens im
Dezember , Januar und April , wo der Schnee auf dem Libanon ſchmilzt, ſchwillt das Flußbett
an . In den waſſerarmen Sommermonaten fann er an vielen Stellen durchwatet werden, obwohl

im Allgemeinen ſein Lauf noch reißend genannt werden kann . Durch die große Sand - Ebene
hindurch erreicht der Jordan bas todte Meer , welches unter andern Namen auch den des
Aſphaltijden Sees führt. Die Heilige Schrift nennt e8 ,, Das Salzmeer“ oder das Meer der

Wüſte“ oder „ das öſtliche Meer “ .


4. Das toote Meer.
Da wo jest tas todte Mex ſich findet , lag ehedem das fruchtbare ſogenannte Afazien

oder Waldthal , welches eine Fortſetzung der Jordan - Ebene war und viele Erdpech - Quellen
( 1. Moj . 14 , 10) hatte , aber auf Gottes Geheiß zum Aſphaltſee wurde, indem Schwefel und

Feuer vom Himmel die gottloſen Städte Sodoma, Gomorrha, Adama, Seboim und die Umgegend
verzehrte. *) ,, Der Ewige hat die Städte Sodoma und Gomorrha in Aſche verwandelt und zur

Zerſtörung verdamint und ſie zum Beiſpiele für die, ſo gottlos Handeln, aufgeſtellt. “ II. Petr . 2, 6.
Der franzöſiſche Gelehrte Saulcy , welcher im Januar 1851 an das todte Meer reiſte,

glaubt die durch das genannte Greigniß zerſtörten Städte gefunden zu haben . Auch die im

Jahre 1848 hierher unternommen: amerikaniſche Expedition ſprach die einmüthige Ueberzeugung
aus , daß nach dem Augenſchein ſich die bibliſche Erzählung von der Zerſtörung genannter

Städte in der Ebene beſtättige. Die genaueſten Beobachtungen haben zu dem Reſultat geführt,
daß die ſich hier erhebenden Berg: älter ſind als das Meer.

Die Länge deſſelben betrigt durchſchnittliich gegen 20 Stunden und die Breite 4 bis
4 '/2 Stunden . Am Südende gibt es eine Furt, wo der See bei niedrigem Waſſerſtande durch
watct werden kann .

Als einer der eigenthümlidſten Umſtände in dem Charakter des tobten Meeres muß das

außerordentlich niedrige Bett beahtet werden ; es liegt nämlich gegen 1341 oder 1351 Bar.
Fuß unter dem Spiegel des Mittſmeeret. Außerdem hat dies Meer, obwohl der Jordan nebſt
anderen Bächen ſich dahin ergießt, keinen Ausfluß , woraus geſchloſſen werden muß , daß die

*) I Moj. 14, 3. 19, 1. V Moj. 29, 33 .


29 *
228 Deſtlid) von Jeruſalem gelegene Stätten.

Verdünſtung eine große Menge Waſſers hinwegführt und daß dieß bei dem heißen Klima ſoviel oder
mehr , als der Zufluß beträgt. Der läſtige Schwefelgeruch ſteigt vom Meere ſelbſt nicht auf,
vielmehr kommen die ſchädlichen Dünſte von den faulen Quellen und Verſumpfungen am Ufer

des Sees. Die ſtarke Ausdünſtung , welche in Folge der tiefen Lage und großen Sonnenhitze

vom See ausgeht, hat auf die Klarheit der Atmoſphäre allerdings Einfluß, iſt aber keineswegs
verpeſtend ; mehr muß die außerordentliche Hiße an und für ſich ungeſund ſein. Das Waſſer

ſchmect als ein widerliches Compoſitum von Salz und Bitter herbe und unangenehm , läßt auf

Hand , Geſicht und Kleidern eine fett - ölige Rruſte zurüc und erregt auf der Haut ein äßend
prickelndes Gefühl. Lebendige Weſen finden ſich darin nicht. Die hie und da in dieſem Meere

gefundenen todten Fiſche kommen aus dein Jordan . Iin Meere gehen ſie zu Grunde und werden
dann wieder ausgeworfen . Selbſt die Fiſche aus den zufließenden Quellen ſterben , ſobald ſie
in dies Meer geworfen werden . Der Gefährte Lynch's , Doctor Anderſon hat mehrere Male

1 ſolche Fiſchchen , die gegen das todte Meer herabfamen , beobachtet; drei, vier Schritte vor dem

Ausfluße wendeten ſie ſich um und wenn man ſie erſchreckte, um ſie zum Eintritte in das Meer
zu zwingen, ſo ſprangen ſie eher aus dem Waſſer. Graſſi, Oberarzt bei der ägyptiſchen Sanitäts

Behörde hat Fiſche aus dem Mittelländiſchen Meer, welche eine halbe Minute, nachdem man ſie
in das Waſſer des tobten Meeres geworfen hatte, geſtorben waren , fecirt und ihre Verdauungs

Werkzeuge frei von ſichtbaren Verleßungen gefunden , woraus er den Schluß 303 , daß der Tod

durch Aſphyxie entſtanden ſei , oder daß das Gift auf das Vervenſyſtem gewirkt habe. Schon
der hl . Hieronymus ſchreibt darüber : Seinem Namen entſprechend, enthält dies Meer kein
athmendes und ſich bewegendes Weſen . Wenn es ſich fügt , daß etwa der vom Regen ange

ſchwollene Jordan Fiſche dorthin bringt , ſo ſterben ſie auf der Stelle und ſchwimmen vermöge

der größeren Schwere des Waſſer obenauf. Bögel wurden son manchen Reiſenden beobachtet,
da bei der Nähe der Gebüſche des Jordan und der Menge am Strande fich aufhaltender Inſekten
ſolche Gäſte leicht erklärlich ſind. Lynch ſah ſogar Wilderten auf der Waſſerfläche dahin
ſchwimmen . *)
Das Meer ſelbſt bringt kein lebendes Weſen hervor. Die Gegenſtände, welche man

hineinwirft , werden ſogleich mit einer Salzkruſte überzogen uid ſelbſt die Steine am Ufer und
andere Gegenſtände ſind mit einer Salzrinde bedeckt, wovon me Araber den nöthigen Salzbedarf
für ihre Familien und Heerden entnehmen . Die Bewohner upn Rerek holen namentlich an der
Dſtſeite, wo das Salz ſo ſtarke Rruſten bildet, daß zuweilen en Stück die ganze Ladung für ein

Maulthier ausmacht, den nöthigen Bedarf. Vermöge feines $alzgehaltes und ſeiner Didytigkeit
hat das Waſſer eine außerordentliche Hebungskraft , ſo opaß ſelbſt ſchwere Körper darauf
ſchwimmen . Schon Tacitus weiß von dieſer Eigenthümlichkat des todten Meeres . Das am
Südende, außerhalb Paläſtinas, ſich gegen drei Stunden Länge in einer Ebene erſtreckende Thal

*) M is lin 210.
Das todte Meer. 229

Ghor hieß deßhalb ehedem „ Salzthal“ und trennte die alten Gebiete von Juda und Edom. Ain
äußerſten Südweſtende des Salzfees zieht ſich durch einen flachen , ſumpfigen Klippenrand ein

drei Stund langer, eine Stund breiter und gegen 600 Fuß hoher Salzberg ( Dichebel el Miſh)
auch Sodom - Berg genannt, hin . Dieſer Salzberg iſt unſtreitig in Folge vulkaniſchen Ausbrucje
in die Höhe getrieben worden . W. Lynch entdeckte auf der Oſtſeite dieſes Berges am Eingang
einer ſteilen Schlucht eine runde hohe Säule von reinem Salz , cylinderförmig auf der

Stirn- und pyramidal von der Rüdjeite . Der runde Säulenſchaft von etwa 40 Fuß Höhe ruht
auf einer ovalen Unterlage , im Ganzen 40 bis 60 Fuß über dem Spiegel des Meeres. Die

ganze Maſſe iſt reine Kryſtalliſation. Von der Salzſäule , in welche das unfolgſame Weib
des lot verwandelt worden , berichtet Flav . Joſephus, daß er ſie noch mit eigenen Augen geſehen

habe. Erſt der genannte amerikaniſche Rapitän hat dieſelbe ſozuſagen wieder entdeckt. Von
derartigen ſonderbaren Formationen fand er ſonſt keine am tobten Meere .

Je nach Maaßgabe des einfallenden Lichtes, der Tageszeit und des Geſichtspunktes ſtellt

ſich die Waſſerfläche bald wie ein reiner Spiegel , bald wie geſchmolzenes Blei und bald wie

eine phosphorleuchtende Schaumfläche dem Auge dar. Todtenbleich ſpiegelt ſich oft die Sonne

im regungsloſen Waſſer und die Berge von Moab mit ihren ſchwarzen ſpißen Häuptern halten
an der Dítſeite gleichſam die ſtille Todeswacht:

Die ſogenannten Sodomsäpfel , die nach alten Nachrichten hierum wachſen , und die dem
deußern nach ſchön , innen aber mit Aſche angefüllt ſind , halten einige Naturforſcher für die

Frucht des Tollapfels oder Nachtſchattens , wogegen andere darunter die Frucht des arabiſchen
Baumes Desher ſich denken . Sdlüßlich theilen wir aus dem Berichte der amerikaniſchen
Expedition unter W. Lynd noch folgendes Begegniß mit.

,, Als man am 26. April 1848 unweit des Wadi e8 Safieh am Südoſtende des Meeres
bei der 2000 Fuß hohen en Nuweireh - Klippe, welche aus roſarothen horizontalen Kalkſteinſchichten

beſteht, vorbeiſteuerte, erhob ſidy plötzlich von Südoſt ein ſo heißer Orkan, daß die Bootsknechte
ihre Augen gegen den feurigen Luftſtrom ſchlieſſen und mit aller Kraft die Ruder gegen die
gewaltigen Wogen ſtemmen mußten , um nicht in die Mitte des Sees geſchleudert zu werden .
Die Hitze hatte das Metall ſo glühend gemacht, daß man die Metallknöpfe nicht berühren konnte
und die Stahlbrillen wegen der Hitze abnehmen mußte. Es war der 30. April , da man an
heißem und windſtillem Morgen von Ain Dichiddi mit beiden Booten gegen Südoſt ausfuhr.

Das Waſſer zeigte eine dunkle Farbe, während der Reflex des Sonnen -Strahls auf dem Spiegel

der Oberfläche den Augen höchſt beſchwerlich wurde. Dunkle Feldſpalten gähnten zur Seite

zwiſchen thurmhohen Felsmauern auf und unter den Booten ſank das Senkblei zu 1200 Fuß hinab in

den Schlamingrund. Die Mannſchaft fühlte ſich allmählig geſchwächt, verſant in Starrſinn und
dumpfen Schlaf. Nur Einer , der wach geblieben , vermochte die bleichen Geſtalten zu erwecken
und zur Beſchleunigung der Fahrt wiederum anzufeuern .“

Mit Rüdjicht auf die erwähnten Erſcheinungen, zumal der aufſteigenden Dünſte und die
230 Deſtlid, von Jeruſalem gelegene Stätten .

ringsum in weiter Dede gelegenen heißen Quellen werden die Worte im Buche der Weis

heit klar : *)
Die Weisheit Gottes hat den Gerechten (lot) gerettet , da er von den Gottloſen floh,

die umfamen, als das Feuer auf die fünf Städte herabfiel ; wovon noch jetzt zum Zeugniß ihrer

Bosheit der Erdboden wüſte liegt und raucht, die Bäume Früchte tragen , die nicht reif

werden und die Salzſäule zum Andenken an eine ungläubige Seele daſteht ." X. 6. 7 .

Unfern dem öſtlichen Strande des todten Meeres lag die Grenzveſte Beräa's „Machärus“.
Sie gehörte zum Gebiete des Herodes Antipas, des Tetrarchen von Galiläa und Beräa .
Weil der heilige Johannes dieſem weichlichen Fürſten das Unrecht vorgehalten hatte, daß er die

Herodias, ſeines Stiefbruders Gattin, als ſein zweites Weib entführte , wurde er hier gefangen
gehalten und auf Betrieb dieſes Weibes ſpäter enthauptet . Herodes hatte Johannes
ergreifen , binden und in das Gefängniß werfen laſſen , wegen Herodias , der
Frau feine8 Bruder8 Philippu 8.

Denn Johannes hatte ihm geſagt : Es iſt dir nicht erlaubt , ſie zum Weibe
zu haben .

Er hätte ihn gerne hinrichten laſſen , fürchtete aber das Volk , weil es ihn

für einen Bropheten hielt . Am Geburtsfeſte Herodes aber tanzte die Tochter
der Herodias in der Mitte vor allen und ſie gefiel dem Herodes ſo wohl , daß
er ihr unter einem Eidſch wure verſprach , ihr zu geben , was ſie nur von ihm
verlangen würde.

Sie aber , von ihrer Mutter zum Voraus unterrichtet, ſprach : Gieb ' mir

hier auf einer Schüſſel das Haupt Johannes des Täufers . Darüber wurde
der König traurig ; doch um des Eidid wures und um deren willen , die mit zu
Tiſche faſſen , befahl er , es ihr zu geben .

Er ſchickte hin und ließ Johannes im Rerker enthaupten. Da ward fein

Haupt auf einer Sdüßel gebracht und dem Mädchen gegeben und ſie brachte es
ihrer Mutter." Matth . XIV.

An dem weſtlichen Geſtade dieſes Meeres lag das Engaddi, deſſen Plinius erwähnt.
Von dieſer alten Stadt hat ſich übrigens keine Spur mehr erhalten ; nur die Stelle, wo ſie

geſtanden , faſt in der Mitte der weſtlichen Küſte und die ſchöne Quelle exiſtiren nocy , welche
derſelben ihren Namen gegeben hat und Engaddi genannt wurde . Sie heißt jetzt Ain Dſchiddi,
das iſt die Ziegen- oder Bodøquelle. Die Stadt ſelbſt lag eine Viertelmeile vom Strande

entfernt und war durch ihre Wein- Balſam- und Palmenpflanzungen berühmt. Sic hieß früher
aud Ajaſon -thamar d. h . Schnitt der Palmen und war von Amorrhitern bewohnt. Es bildete
in den Tagen Joſaphats, des Königs von Juda , den Sammelplatz der Ammoniter , Moabiter

*) Graz $ . 115 ff.


1
Saba
.St.
.
Kloſter St. Saba. 231

und Syrer. II. Chron. 20 , 2. I. Moj. 14 , 17. Zur Zeit des hl. Hieronymus war Engaddi

noch ein großes Dorf. In der barnad; benannten Wüſte lebten viele Anachoreten. Die Eſſener
hielten ſich gleichfalls in dieſer Gegend auf. Weiter ſüdlich ſind noch Ruinen bei Sebbeh
beachtenswerth , wo das letzte Bollwerk der Juden, Maſada, gelegen war, das von den Römern
nach der Zerſtörung Jeruſalems erobert warb . Eleazar überredete die Beſaßung , daß ſie ſich
felbſt tödteten , nachdem ſie ihre Weiber und Kinder erſtochen hatten , damit feines der Fhrigen
in römiſche Hand falle. Endlich ſteckte der Legte die Veſte in Brand und ſtürzte ſich in ſein

Schwert. Al& Flavius Sylva am andern Tage eindrang , fand er 960 Leichen. Zwei Frauen
und fünf Kinder hatten ſich in ein Gewölbe verkrochen und waren dem Tode entronnen .* )
5. Kloſter St. Saba.

Vom todten Meere wieder gegen Weſten zu , empfängt den Pilger ein kahles ödes
Gebirgsland . Steil und glatt fenfen fidy die Bergwände zu ſpigwinkligen Thälern zuſammen
aber oben und unten iſt gleichmäßig nichts als der todte gelbliche Fels , Stein und Staub .

An den lenden der Berge klettert mühſam und fümmerlich ein ſchmaler Fußweg hin , für ſolche

die an Schwindel leiden , ein beängſtigender Pfad . Es iſt, ſagt ein Reiſender , wie wenn das
letzte Gericht und der Erdbrand ſchon vorüber wären und nun die leere ausgeglühte Brandſtätte
als Grabſtein über allem ausgetilgten Leben zurückgelaſſen wäre. Es zeigen ſich ſpäter zuweilen
Thäler und Abhänge , die ziemlichen Pflanzen- felbſt Graswuchs haben . Die Atmoſphäre beſigt
hingegen eine wundervolle Klarheit über dieſem waſſerloſen Gebirge. Der Weg des Kloſters
St. Saba ſelbſt aber iſt ordentlich hergeſtellt; daſſelbe tritt aus der öden wilden Bergſchlucht

hervor, als wolle es fidy meſſen mit den aufgerecten Felshäuptern des Bergreigens , welcher
die Schlucht umfängt. Zahlloſe Höhlen ſind in die ſchroffen ſenkrechten Bergwände eingeniſcht ;
es ſind die Wohnungen von mehr als Tauſend Einſiedlern , welche einſt hier ein wunderbares

Leben führten . Jetzt ſchweben und weben die Vögel der Wildniß dort . Nurz vor der Verwüſtung
Syriens durch Chosroes fielen die Sarazenen ein und ermordeten die Einſiedler. Darauf erſt

wurde das Kloſter erbaut. Dieſes gleicht von Außen einer fühnen kriegsbereiten Feſtung.
Ueber ungeheuer hohem Gemäuer von Quaderſteinen liegen einige Fuß hoch Steine aufgeſchichtet
ohne alle Bindung , damit die Beduinen bei gewaltſamer Erſteigung der Mauer von dieſen

Steinen geworfen und verrathen würden.Auf einem hohen Thurme ſteht Tag und Nacht eine
Wache; auf den Thurm hinauf aber kann man nur durch einen am Seil herabgelaſſenen Rorb
gezogen werden . Vom Wächter ziehen ſich Schnüre zu 11 kleinen Gloden im Kloſter hinab, um

dort aufzulärmen, wenn Gefahr ſich naht . Tiſchendorf erwähnt, daß übrigens immer Rörbe voll

kleiner ſchwarzer Brode für die hungrigen Söhne der Wüſte bereit ſtehen , um denſelben gereicht
zu werden, von Zeit zu Zeit jedoch trofdem feindliche Einfälle in das harmloſe Aſyl ſtatt haben .
Im Innern des burgartigen Kloſters ſind Kirchen , Kapellen , Wohnungen , Treppen, Sänge,

* ) Flav. Josephus , De Bello IV. und VII.


232 Deſtlidy von Jeruſalem gelegene Stätten .

Terraſſen, Höfe und Gärtchen wunderſam in einander verbunden . Ueberraſchend wirkt ein aus
der Tiefe emporſteigender hoher Palmbaum und die kleinen Gartenanlagen in dieſein Bau aus
und über Felſen . Man hat dazu fruchtbares Land aus der Ferne holen müſſen. Die Kirche,
vor welcher unter einer Kuppel das Grabmal San Saba's ſteht im gepflaſterten Hofraume, iſt

größtentheils aus Felfen gehauen . Dem hl . Johannes von Damaskus iſt eine eigene Kapelle
geweiht , da er hier viele ſeiner gelehrten Schriften verfaßt hat und in dieſer Kapelle beſtattet

iſt. Die Bibliothek des Kloſters fand Tiſchendorf nicht unbedeutend. In einem düſteren Raume
werden viele hundert aufgeſchichtete Schädel gezeigt, die von den hingeldladyteten Einſiedlern ſind.

Nicht weit vom Kloſter iſt die Felsgrotte des hl. Saba , welche er auch dann noch bewohnte ,
als er ſein Kloſter für mehrere hundert Brüder ſchon geſtiftet hatte.

Vor dem barbariſchen Einfall der Sarazenen im Jahre 614 hieß die Einſiedelei in den
vielen Felshöhlen „ Laura “ und zwar die „ neue“ , zum Unterſchied von der Laura Chariton's bei

Thekoa, welche die ,,alte “ genannt wurde. Das Labyrinth von Höhlen bei Thekoa auf dem Wege
gegen Hebron haben wir bereits erwähnt. Gegründet wurde dieſe neue Laura im V. Jahr
hundert. Im Jahre 410 wurden von den Sarazenen die Einſiedler , welche neben Thekoa in
der großen, gegen das toste Meer und gegen Arabien ſich ausdehnenden Wüſte ein heiliges Leben

führten, ermordet und ilire Stätten zerſtört. Ein Zug unnennbarer Barbarei und Grauſamkeit
verdient aus der Geſdhichte dieſer ſo oft hart heimgeſudyten Klöſter angeführt zu werden . Als
im Jahre 1187 das hl . Land den Chriſten entriſſen wurde und die Mönche von St. Saba
kräftig dagegen gekämpft hatten, ließ der Sultan dieſelben unter verſchiedenen Dualen ermorden
und nur wenige Mönche verſchonen , welche den Eid der Unterwürfigkeit ſchwuren. Unter dem
türkiſchen Kaiſer Selim II . ( 1566-1574) 30g zu Jeruſalem ein neuer Sandſchaf auf und die

Mönche giengen hin, ihn zu bewillkommen . Es waren ihrer Tauſend . Der Sandſchak wechſelte
zuerſt ein paar Worte mit ihnen und erklärte dann , daß er keine ſo große Menge Ungläubiger

beiſammen dulden fönne, worauf er alle bis auf zwanzig niedermetzeln ließ und ſich durch dieſe
empörende Rohheit bei Selim in große Gunſt ſetzte. *)

Die Schlucht, an welcher St. Saba liegt , iſt das aus der Vereinigung der Schluchten

Joſaphat oder Kidronthal und Ben Hinnom , ſüdlich von Jeruſalem gebildete ſchauerliche Thal,

genannt Wadi en Nar , deſſen Beginn der ſogenannte Hiob8- Brunnen bezeichnet, den wir füd
öſtlich vom Teiche Siloah kennen gelernt haben . " Gegen 660 Fuß über der Sohle dieſes Wadi
én Nar liegt an der "feljichten ſchroffen Weſtſeite das Kloſter - Gebäude St. Sába . Da dieſe

Schlucht eine halbe Stunde nördlich vom Kloſter, die Richtung Weſtoſt verlaſſend, gegen Mittag
umlenkt und nid )t weit ſüdlich von demſelben wieder gegen Oſt umbiegt , ſo iſt die Ausſicht in
enge Grenzen und auf lauter Felſen gewieſen, abgeſehen von der Enge und Tiefe der Schludit:
1

*) Bei Tobler Top. Il 854. 1


Die Sinaitiſche Halbinſel. 233

Dieſelbe alſo der Wadi en Nar wird auch als ſüdöſtliche Fortſeßung des Ridronthales

angeſehen, ſo daß auch geſagt werden kann, St. Saba liege im Kidronthale.
Der Weg von dort nach Jeruſalem zieht ſich allmählig, obwohl abwechſelnd mit mehreren
Senkungen, aufwärts. Er beträgt drei Stunden und wird eigentlich erſt beim Hiobsbrunnen,

oder der Quelle Rogel merklich anſteigend. Von keiner andern Seite erſcheint Jeruſalem in
folchem Maaße als eine „hochgebaute Stadt “ , als auf dem Wege von St. Saba , wo man die

alte, verarmte Königin der Städte ſchon aus weiter Ferne auf dem Thron ihrer Berge erblickt.

Die iibrigen Stätten des heiligen Landes .

Die Sinaitide albinjel.

Die Sinai- Halbinſel, im weiteren Sinne genommen , iſt von den beiden Armen des
rothen Meeres oder arabiſchen Meerbuſens eingeſchloſſen und dehnt ſich gegen Norden bis zur
Küſte des Mittelmeeres und zur Südgrenze Paläſtina's aus, bei einem Flächeninhalt von ungefähr
tauſend Quadratmeilen .

Sie iſt das öſtliche Grenzland Aegyptens und heißt auch „ſteiniges Arabien " , Arabia
Beträa . Die Araber nennen dieſelbe Tih beni Iſrail 8. i . Wanderung der Kinder Sſraels.
Im engeren Sinne begreift man darunter das Land, welches ſich zwiſchen den genannten Meer

buſen bis zur Hadſchi-Straße (Pilger-Straße von Kairo nad) Mekka) im Norden, oder bis zum
Golf von Suez und Akaba ausbreitet. Während ſich im Norden der Halbinſel das Tih - Plateau
ausdehnt, die Wüſte Et Tih , erhebt ſich im Süden das großartige Hochland des Sinai .
Die zwei Hauptgebirgsgruppen ſind das Sinai- und Serbal - Gebirge.

Die Sinaigruppe beſteht aus drei Gebirgsſtöden , welche durch Schluchten, Thäler

und Ebenen von einander geſchieden ſind. Der erſte nordöſtliche Gebirgsſtock, Dídhebel ed
Deir oder Kloſterberg genannt, hieß früher auch Epiſtemeberg, weil die fromme Chriſtin Epiſteme
hier ein Nonnenkloſter gegründet haben ſoll. Der zweite, mittlere Stock heißt Sinai in der

hl. Schrift, bei den Arabern Movſesberg und bei den Chriſten meiſt Horeb . Der dritte füd
weſtliche endlich heißt Ratharinenberg .
Der Berg , wo der Ewige dem Volke 3ſrael das Geſet gab , wird ſowohl Sinai als

Horeh genannt. Mit Horeb ſcheint die ganze Gebirgsgruppe und mit Sinai die einzelne

Höhe, wo die Geſetzgebung ſtatt hatte, bezeichnet zu ſein .


Die Bilger pflegen den Sinai von dem im Thale gelegenen Katharinenfloſter aus zu
beſteigen. Der Weg führt ſüdlich vom Kloſter durch eine Schlucht über Stein - Trümmer und

an einzelnen Stellen über regelmäßige Treppen hinauf. Nach einer Viertelſtunde gelangt man
zu einer Bergquelle und nach einer Stunde zu einem Portal , durch welches man in die Ebene

oder das Beden tritt, welches die Höhe des Bergrückens vom Sinai zwiſchen dem Kloſter- und
Ledſcha - Thale einnimmt.
Hier iſt die Stelle, wo man zuerſt die Spitze des Sinai und die noch höhere des
30
234 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

Katharinenberges erbliďt. In der genannten Ebene findet ſich ein Brunnen nebſt einer hohen

Zypreſſe. Ein Fels in der Nähe mit arabiſchen Inſchriften verewigt den Beſuch von Pilgern .
Vom Brunnen einige Schritte entfernt ſteht die Kapelle des Elias , der ſich wegen der Nach

ſtellungen des Achab und der Jezabel hierher geflüchtet. III Nön . 19, 9.

Von der Elias - Rapelle ſüdwärts erreicht man in einer Stunde den Gipfel des Sinai
Dichebel Muſa der aus einer grauen Granitfläche von 80 Fuß iin Durchmeſſer beſteht.

Dieſe Spitze liegt 7035 oder 7097 par. Fuß über dem Meere . Auf der Gipfelfläche gewahrt
man eine kleine, faſt zerfallene Kapelle, die in früheren Zeiten den lateinern und Griechen gehörte .

Nady uralter Ueberlieferung iſt dieſe Bergſpitze der Ort , wo Gott init Moſe8 ſprach
und wo die zehn Gebote verfündet wurden . II Moſ. 19, 1. 20, 1 .
Von dieſen mächtigen Höhen des Sinai, welcher den Juten , Chriſten und Mohammedanern
ein heiliger Ort iſt, überſchaut man einen Kreis von mehr als 90 Stunden im Durchmeſſer
und 400 Stunden im Umfange . In dem furchtbar ſchönen Wüſtenpanorama unter dem blauen
Gewölbe des reinſten Himmels begegnen aber dem Auge keine Ortſchaften , Dörfer und Burgen ;
kein See und Waſſerfall , kein grünendes Wieſen- und Ackerfeld unterbricht die ſchauerlich
erhabene Gebirgsſcene . Jin Süden, wie im Oſt und Weſt bemerkt man an einzelnen Punkten
den Gürtel des Meeres , der das Hochland der peträiſchen Halbinſel umſchlingt; jenſeits des
Meeres in weiter Ferne mehrere Gebirg8 - Höhen der arabiſchen und ägyptiſchen Küſte. Es iſt
als ſtünde man in der Mitte des rieſengroßen Horſtes eines einſamen Adlers , gegründet auf
nackten öden Felſen zwiſchen den Grenzen der Meere.

An ſolch denkwürdiger Stelle ward das Geſet gegeben , das auf Chriſtus hinweiſt, weil
in Ihm des Geſekes Erfüllung iſt. Röm. 10. 4.

Das Ergebniß der langen Vorbereitung des Volkes Iſrael unter der Führung Moſes
war die allgemeine Bereitwilligkeit zu einer Hingebung an Gott . * ) Dieſe mußte beſtimmter
hervortreten , um Iſrael zum Empfange der erweiterten Offenbarung fähig zu machen. Es
wurde ihm die ganze Höhe und Würde desjenigen Berufes vorgehalten , welchen es durch die

gehorſame Hinnahme der Willenseröffnung Gottes erhalten ſollte; aber auch der Gehorſam gegen
Gott als unerläßliche Bedingung geſegt .

„ Ihr habt ſelbſt geſehen , was ich den Aegyptern gethan , wie ich euch auf
Adler8flügeln getragen und zu mir genommen habe. Wenn ihr nun meine
Stimme höret und meinen Bund haltet , jo follt ihr Mir zum Eigenthume ſein

a us allen Völkern ; Doch mein iſt der ganze Erdkreis. Und ihr follet Mir ein
prieſterlich Königthum ſein und ein heiliges Volk.“ II Moj. 19, 4.
Die mächtigen Eindrücke der wilden Gegend um den Sinai her , die Erinnerung an die
eben erlebten Wunder, der Anblick des auf wunderbare Weiſe glühenden Sinai mußte das Volk

*) aneberg g . W. 86 ff.

7
Die Sinaitiſche Halbinſel. 235

empfänglich für Reden Gottes machen. Und Er redete. Wie am Beginne ein zehnmaliges

Sprechen die ſichtbare, äußere Schöpfung hervorgerufen hatte, ſo legten die zehn Worte, welche Er
vom Sinai herab (prach, den Grund zur geiſtigen Weltordnung . Gott ließ ſich in dieſer Mittheilung

zur Wahl von mächtigen, donnerähnlichen Tönen herab, wodurch das ganze Volk in den Stand

gefeßt wurde , ſeine Offenbarung unmittelbar zu empfangen . Schon durch dieſe Art der Mit
theilung ſind jene zehn Worte vor Allem , was ſonſt in der Bibel vorkommt, ausgezeichnet ; denn
alles , was wir ſonſt als Offenbarung Gottes in derſelben verehren , iſt durch irgend einen
Propheten vermittelt. Nur etwa die Worte , welche ſich über Chriſtus bei der Taufe , bei der
Verklärung auf Tabor und beim feierlichen Einzuge in Jeruſalem vom Himmel her vernehmen
ließen , können damit verglichen werden . Eine zweite Auszeichnung beſteht in der Art , wie ſie

aufbewahrt wurden . Die hl . Schrift brüdt fich aus : „ Und der Herr gab Moſes , als Er

geendet hatte , folches zu reden auf dem Berge Sinai , zwei ſteinerne Tafeln des Zeugniſſes,
geſchrieben mit dem Finger Gottes“ (II Moſ. 31 , 18. Vgl. Deut . 9, 10. ), und noch deutlicher :

„ Und Moſes trug die zwei Tafeln des Zeugniſjes in der Hand, beſchrieben auf beiden Seiten,
gemacht durch Gottes Werk ; und auch die Schrift war von Gott in die Tafeln gegraben ."

II Moſ. 32 , 15. Die neuen, welche nothwendig wurden , nachdem Moſes die erſten zerworfen

hatte ( 32 , 19) , werden ebenfalls ausgezeichnet durch den Bericht: „ Und der Herr ſchrieb auf
die Tafeln die zehn Worte des Bundes . " 34, 28 .

Nach einer ſpäteren Stelle (Deut. 10 , 1. ) bereitete Moſes dieſe neuen Tafeln und Gott

beſchrieb ſie. Obſchon uns keine beſtimmte Vorſtellung gegeben iſt, wie Gott dieſe Schrift auf
die Tafeln gebracht habe , ſo iſt doch immerhin hiedurch ein außerordentlidies Gewicht auf

dieſen Theil der Offenbarung gelegt. Auch dadurdy ſind die zehn Worte ausgezeichnet , daß
Moſes ſie am Schluße ſeines Lebens vollſtändig wiederholt . Von dieſen auszeichnenden Um
ſtänden abgeſehen , iſt der Inhalt ſelbſt von höchſter Wichtigkeit. In dieſen „ zehn Worten “ ,
oder wie wir gewöhnlich ſagen „ zehn Geboten “, iſt der Reim der ganzen Offenbarung enthalten .

Die Offenbarung beherrſcht zwei Gebiete , in dem einen giebt ſie dem Menſchen Renntniß von
Gott und ſeinen vorzüglichſten Werken (Dogmatik) ; in dem andern ſagt ſie dem Menſchen , wie
er nach Gottes Willen ſein Leben zu ordnen habe ( Moral) . Nun ſind allerding8 alle zehn

Worte in Form von Vorſchriften für das Verhalten des Menſchen gefaßt ; ſie ſind aber auf

wichtige Lehren von Gott und der Würde des Menſchen gegründet , ſo daß der Inhalt der zehn
Gebote in folgende Gruppen zerlegt werden kann.

I. Glaubenslehre. Im erſten Gebote wird die Einheit , Lebendigkeit , Geiſtigkeit

Gottes, im dritten die Herkunft der ganzen Welt von Gott und zwar durch Schöpfung in ſeche
Abſchnitten gelehrt. Auch die Würde des Menſchen iſt im dritten Gebote vom Sabbath
angedeutet . Inſoferne es von dem Grundſatz ausgeht : „ Was Gott vorangethan iſt, das muß

der Menſch nachahmen “ , iſt in demſelben die Gottebenbildlichkeit ausgeſprochen .


II. Sittenlehre. 1 ) Verhalten gegen Gott . Das erſte „ Wort“ enthält das
30 *
236 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

Gebot, den wahren Glauben an den Einen, lebendigen, geiſtigen Gott feſtzuhalten und ihn nicht
durch Bilderdienſt zu verlegen . Im zweiten wird die Heilighaltung des Namens Gottes gefordert,

Anwendung deſſelben auf Nichtiges verboten . Dies Verbot warnt nicht nur vor Anwendung
des Namens Gottes bei leichtſinnigen Flüchen , ſondern auch bei der Irrlehre über Gott . Dieſe

beiden Gebote ſind in dein Verhältniß des Menſchen zu Gott ganz natürlich begründet und
fordern nicht nothwendig eine Aeußerung. Anders iſt es mit dem dritten Gebote vom Sabbath ;

es fordert eine Aeußerung , iſt alſo ein Mittel , den Glauben an Gott öffentlich zu bekennen,

und es beruht auf einem Willen Gottes , deſſen Grund wir nicht ganz einſehen , jedoch aus
verſchiedenen Analogien ahnen , iſt alſo myſtiſcher Art. Durch dieſes Gebot iſt in den zehn

Worten das Ceremonialgeſetz vertreten .


2) Verhalten gegen die Mitmeniden und gegen ſich ſelbſt. a) Hochachtung

gegen die Eltern (IV ) iſt eine Pflicht, welche in dreifacher Hinſicht allen andern gegen den
Nädyſten vorangeht: weil ſie Stellvertreter Gottes , Verwalter ſeines Segens für ihre Kinder

ſind , zweitens weil ſie das Leben der Menſchengattung in ihrer Familie erhalten haben , und

drittens inſoferne ſie an dem allgemeinen Nedite des Menſchen dem Menſchen gegenüber Theil
nehmen . Die Heilighaltung der Ehe ( VI) ſchließt ſich an die Hochſchätzung der Eltern an,

da die Ehe die Aufgabe hat , das Leben der Gattung nach Gottes Ordnung zu bewahren .

b) Dem Einzelnen gegenüber iſt es Pflicht, das Leben (V) , das äußere Gut (VII ) und die

Ehre (VIII) eines jeden zu achten. c) die Pflicht der Selbſtachtung vor Gott, verbunden mit

der inneren Actung des Nächſten vor Gott gebietet, ſelbſt böſe Begierden und neidiſche Wünſche

zu vermeiden ( IX . und X) .
Das iſt der Inhalt des Dekalog8 , woll werth , auf Tafeln von unvergänglicher Dauer

geſchrieben zu werden . Er enthält die Grundlage der ganzen moſaiſchen Religion . Die Offen

barung auf Sinai bildet den Mittelpunkt in der Geſchichte Iſraels. Dieſer Berg iſt deßhalb

vor allen andern ausgezeichnet und unvergänglichen Andenkens .


Der Ratharinenberg , 8168 Fuß über der Meeresfläche überſteigt den Sinai und

bietet die herrliche, weite Ausſicht faſt über die ganze Halbinſel dar. Sein Gipfel beſteht aus

zwei Felserhöhungen , auf deren öſtlicher eine kleine Kapelle angebracht iſt, in welcher nach der
Ueberlieferung der Körper der hl . Katharina , die im Anfang des IV . Jahrhunderts den

Martyrted zu Alexandria ſtarb, beſtattet wurde.


Das von der Sinaigruppe nordweſtlich gelegene Granitgebirge Serbal iſt durch Inſchriften
berühmt und mag wohl der Berg Serbal ſoviel als Berg des Baal bedeuten , alſo der Mittel

punkt des ſabäiſchen Cultus hierher verlegt werden.


Der heutige Sinai.

In der ſchauerlichen Felſen - Einſamkeit gewährt das griechiſche Kloſter am Sinai, 5115 Fuß

über dem Meere, einen überraſchenden Anblick, ſo daß die durch die lange Wüſtenreiſe abgeſpannten

Pilger mit einemmale in hohes Entzücken verſekt werden.


.

,]S.I:1
Der heutige Sinai . 237

Dies bereits erwähnte, am Fuße des Sinai gelegene Kloſter iſt das der Verklärung
Seſu , nachmals wegen der hierher gebrachten Ueberreſte ber hl. Ratharina aud Ratharinen

Kloſter genannt . Ein die ganze Breite der engen Thalkluft ausfüllender Garten , zum Theil
noch auf dem untern Fuß der Bergſeiten angelegt und mit einer hohen Mauer umgeben, bildet

von Norden her den Vordergrund , über welchen ſich füblich der weitläufige Kloſterbau erhebt.

Die Bäume des Gartens liefern das feinſte Obſt an Orangen , Limonen , Aprikoſen , Mandeln,
Oliven, Pfirſichen , Granaten und Weintrauben . Das Kloſtergebäude ſtellt ein unregelmäßiges

Viereck vor und wird von 20 bis 30 Mönchen bewohnt , die größtentheils von den griechijden
Inſeln ſind und nach der Regel des hl. Baſilius leben . Die Thoreingänge ſind zugemauert,
um ſich gegen die Raubanfälle der Araber zu ſichern. Es müſſen deßhalb die Menſchen und

alles was Aufnahme im Kloſter erhalten ſoll, gegen 30 Fuß hoch an einem Seile zu einer in
der Mauer befindlichen Deffnung hinaufgezogen werden . Das Innere des Kloſterbaues theilt

ſich in 8 bis 10 auf- und abſteigende Hofräume, die unter einander in Verbindung ſtehen und
mit Zypreſſen und Weinreben bepflanzt ſind. Die Kloſterbibliothek gleicht der von St. Saba

und enthält mehrere griechiſche und arabiſche Handſchriften. Die große von Juſtinian gegründete
Kirche Hat Baſilifenform , iſt durch zwei Säulenreihen in drei Schiffe getheilt und mit einem

blaubemalten Gewölbe geſchloſſen. Die Säulen wurden widerlich) genug mit Gyp8 überkleidet

und gehören meiſt der forinthiſchen Ordnung zu. Boden und Wände ſind aus italieniſchem

Marmor. Silberne und vergoldete Lampen erleuchten den Raum. Die Gemälde ſind zwar in
reiche Rahmen gefaßt, aber ſelbſt werthlos . Hinter dem Altar wird der Ort gezeigt , wo der
brennende Dornbuſch geſtanden haben ſoll . Ein Brunnen in der Nähe wird als derſelbe

ångenommen , wo Moſes die Heerde des Jethro tränkte. Die Thalſchlucht, in welcher das

Kloſter ſelbſt liegt, heißt daher „ Thal des Jethro“.


Die Gegend des Sinai war in den Zeiten der blutigen Verfolgung der erſten Jahrhunderte
für viele Chriſten aus Aegypten ein häufig aufgeſuchter Zufluchtsort. Im III . und IV. Jahr
Hundert hielten ſich hier auch viele Anachoreten in Höhlen und Felſenzellen auf. Der Abt
Silvanus war im IV . Jahrhundert das Haupt vieler ſolcher Einſiedler, die ſich färglich
nährten , an jedem Sonnabend zuſammen kamen , die Nacht hindurch beteten , am Sonntag das
ht. Abendmahl empfiengen und dann wieder in ihre einſamen Zellen zurückfehrten . Aber auch
hierher drangen die rohen Sarazenen und ermordeten 40 Einſiedler. Ein jetzt verlaſſenes
Kloſter in dem weſtlich gelegenen Thale el Ledſcha erhielt davon ſeinen Namen ,, Erbain d . h .
die Vierzig “. In der Mitte des V. Jahrhunderts exiſtirten ſchon mehrere Klöſter am Sinai .
Im VI. Jahrhundert ließ Juſtinian hier ein feſtes Kloſter zum Schutze wider die Araber
erbauen . Seit dem Anfang des VII . Jahrhunderts findet ſich der biſchöfliche Sig von Pharan
im Sinaikloſter, um welche Zeit der Abt Joannes Klimakus und Anaſtaſius Sinaita im Sinai

Gebirge lebten und wirkten . Während der mohammebaniſchen Eroberungen lebten gegen 7 Tauſend
Mönche auf dem Sinai und der Halbinſel , welche Zahl ſich jedoch immer mehr verminderte.
238 Die übrigen Stätten des hl. Landes .

Der wegen ſeiner Sprachkenntniſſe berühmte hl. Simeon verweilte hier längere Zeit, kam im
Jahre 1027 nach Europa und veranlaßte die Stiftung einer Abtei in Frankreich. Noch im

XIV. Jahrhundert ſtanden auf der Halbinſel ſieben Klöſter nebſt Kapellen ; auf dem Sinai ſelbſt
lebten 400 Mönche unter einem Erzbiſchofe. *)

Denkmäler im Oſten der Halbinſel.

Petra , Babylon und Niniveh.


Der nordöſtlichſte Ausläufer der Sinai - Gruppe iſt das Gebirge Seir oder Edom,
welches ſich in einer Länge von 23 bis 25 deutſchen Meilen und einer Breite von 5 Meilen

vom älanitiſchen Golfe des rothen Meeres nordwärts bis zum Wadi Rurahi erſtreckt und
Porphyr und Granit mitten unter horizontalen freite- und Ralfſteinlagern enthält. Längs dem
öſtlichen Fuße des Gebirges zieht ſidy die heutige Rarawanenſtraße hin . Am Fuße des zu

dieſem Höhenzuge gehörigen Berges Hor liegt die Ruinenſtadt Petra , welche die Hauptſtadt
dieſes Hochlande& Edom oder Idumäa war. Der Name bezeichnet ihre Beſchaffenheit hinlänglich

als Felſenſtadt , denn ſie lag in dem engen , aber fruchtbaren Felſenthale , welches Moyſisthal,
heute Wadi Muſa heißt . Da ſich bei Betra zwei Rarawanenſtraßen kreuzten , ward dieſe

Stadt ein wichtiger Handelsplatz und gab dem peträiſchen Arabien den Namen . Die Edomiter
ſtammen von Eſau ab , der auch Ed om hieß , weil er die röthlidhen Linſen ſo gerne aß .

I Mof. 25 , 30. Er ſiedelte ſich mit jeinen Nachkommen auf dem Gebirge Seir an , deſſen

urſprüngliche Bewohner , die Horrhiter , den Edomitern weichen mußten . In der Folge
breiteten ſie ſich weiter gegen Süden au8 und nördlich bis Bojra in Auranitis. Sie trieben
Akerbau , Viehzucht und Handel ; gegen ihre Halbbrüder, die Iſraeliten zeigten ſie jedodh eine
feindliche Geſinnung, indem ſie ihnen bei der Wanderung aus Aegypten den Durchzug durch

Edom verwehrten , ſo daß jene genöthigt waren , das Gebiet der Edomiter zu umziehen.
IV Moſ. 20 , 14 ff. Saul bekriegte und David beſiegte ſie. I Rön . 14 , 47. II . 8 , 14. Pi.

59 und 82. Unter König Joram erkämpften ſie ſich die Unabhängigkeit wieder, bis Amaſias und
Dzias dieſelben abermals unterjochten . IV Kön . 8 und 14. Als ſich die Chaldäer mit den Edomitern
verbanden , und die Iuden grauſam mißhandelten , weifſagten die Propheten vielfach gegen ſie,
die Strafgeridyte Gottes verkündend. Mittlerweile erhob ſich innerhalb der edoinitiſchen Gebirgs

klüfte die Herrſchaft der Nabathäer , der Nadſkommen des Nabajoth , des Sohnes Iſmaels .

I Moj. 25 , 13. Dieſe ſchufen in Folge ihres Handels den berühmten Marktplat Betra und
waren bei ihrer Friedliebe auch den Iſraeliten befreundet .
Von Edom heißt es in ber Schrift: „ Im Hochmuth deines Herzens übernimmſt du

did ), weil du in Felſenklüften wohneſt und in der Höhe deinen Sip haſt; und du ſprichſt in

deinem Herzen : Wer wird mich herabſtürzen zur Erde ? Aber wäreſt du audj erhöhet wie der

Adler und ſetzteſt du zwiſchen die Sterne dein Neſt; von dannen zög' ich dich herab , ſpricht

*) Grat 130, 134 ff.


Denkmäler im Oſten der Halbinſel. 239

der Herr.“ Abd . 3, 4. Jerem. 49 , 16. Die Nabathäer beherrſchten den Handel des rothen
Meere8 und leiteten damit die Reichthümer Arabiens und Indiens, die Edelſteine und Gewürze

gleichfalls hierher. Die Verſuche feindlichen Ueberfalle , wie die griechiſchen Könige Antigonus
und Demetrius und noch die Römer des Raifer8 Auguſtus fie unternahmen , ſcheiterten bereits

an den Wüſten der Umgebung oder an der Tapferkeit der Bewohner in den engen Schluchten .
Doch ſpäter erfüllte ſich das Wort des Propheten auch von dieſer Stadt, die langſam abgeſtorben.
Die Römer waren von Suez aus in direkten Verkehr mit Indien getreten, ſo daß der öſtliche
Golf des rothen Meeres , der auf Betra weiſt, mit den Rarawanenſtraßen an ſeiner Seite
veröden mußte. Die großen Denkmäler von Betra gehören demnad , ähnlich wie die Blüthe
Palmyra'8 und Baalbeks in die römifde Raiſerzeit . Aber mitten zwiſchen dem auf

genommenen römiſchen Styl begegnen altorientaliſche Formen, ſei’8 daß ſie Denkmäler bezeichnen,
welche der Zeit nach älter ſind, ſei's , daß ſie zwiſchen jener römiſchen Art fich fortgepflanzt
haben . Da und dort auf den Felſen , zu denen einſt Treppen hinaufführten , ſollen ſich
Pyramiden und obeliskenartige Denkmäler finden. Kleine Pyramidalformen , reihenweis
aneinander geſchloſſen , krönen da und dort eine Facade. Oder es ſind aſſyriſche Stufen
zinnen , ganz wie auf den Mauern von Nala Scherkat oder über Chorus Gartendom bei
Kirmanſchah . Die einfache, im Feiſen angegebene Facade, welche ſie krönen, gleicht den ſyriſdhen

Grabthürmen zu Palmyra. Oft ſcheint ein Denkmal in alterthümlicherem Style von oben herab
begonnen und in modernerem nach unten fortgeſegt zu ſein. Man meiſelte von oben herab,
wie an der weſtlichen Thalwand recht deutlich wird , wo nur erſt vier Rapitäle aus dein Fels
befreit ſind , Alles andere aber noch darin ſteckt. Folgt man dem Bache, der in das Moſes
Thal, in dieſen Bergkeſſel hinabführt, ſo vertieft man ſich mit dem Bache immer mehr zwiſchen
den anſteigenden Felswänden . Man bewegt ſich zu Kameel durch Dleandergebüſche, welche nur
von den Hälſen der Kameele überragt werden . Zur Rechten erſcheinen die erſten Grabs
Denkmäler in Geſtalt von quadratiſchen , vom Felsberg abgetrennten Maſſen , ähnlich wie die
beſchriebenen Grabbenkmäler im Stidronthale, aber ſehr verſtümmelt.

Zur Linken folgt im Fels eine einfache Facade , die mit 4 obeliskenartigen Pyramiden

in Einer Reihe gekrönt iſt, alſo eine Form , die bei den Gräbern der Könige im Norden
Jeruſalems aufgefallen . Immer enger wird die Kluft oder der lange Felſenſpalt , bis ein

einziger flachgeſpannter Bogen hoch oben herüberſchwingt und ein großartiges Thor bildet. Es
iſt freilich nur ein ſchwacher Reil zwiſchen dieſen Felswänden , die eine furchtbare Naturgewalt
einſt auseinander geriſſen und er würde ſie nicht aufhalten , wenn ſie ſich wieder ſchlieſſen

wollten . Man ſieht anderwärts, daß die Natur die Ruinen der Menſchen -Arbeit verſchönert

hier aber verſchönert der Menſch die Ruinen der Natur. Wie dieſer Bogen und ſeine
ftüşenden Pfeiler am Fels mit den Niſchen dazwiſchen anzeigen, herrſcht hier römiſcher Styl.

Niſchen , Felsgräber , verwitterte Inſchrift - Felder , felsgehauene Leitungskanäle folgen nun auf
beiden Seiten . Die Fel8 -Wand wird ſo hoch und überhängend, daß fein Sonnenſtrahl mehr herein kann.
240 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

Epheumäntel hängen von oben herab , wilde Feigenbäume ſtrec : n ſich darüber. Endlich wird

es hell , wo die enge Kluft in eine weitere offene mündet. Vor dieſer Mündung erſcheint die

roſenroth leuchtende Facade eines hohen , in den gegenüberſtehenden Fels gehauenen Pracht
baues. Es iſt das ſogenannte Schafhaus des Pharao , wie das Volk dieſen Bau benennt.

Der Schatz ſoll in jener Urne liegen , welche unerreichbar hoch den Gipfel der ganzen Pracht
Facade frönt.

Es iſt eine zw eiſtödige Tempelfacade , die in einer über 100 Fuß hohen Niſche
ſteht. Die Felswand iſt grau , die Skulptur in der Niſche prächtig roſenroth . Im unteren
Theile ſtehen 6 korinthiſche Säulen, von denen die vier mittleren einen reidhen Giebel tragen,
während die zwei andern rechts und links ſich mit dem Geſims begnügen , das über ſie heraustritt,

einzig nur, damit ſie etwas zu tragen haben . Unter dieſem Vier- Säulengiebel der Mitte öffnet

ſich die Vorhalle in gleicher Breite , ſo daß nur die mittelſten beiden Säulen vollkommen frei
werden durch den Raum , den ſie hinter ſich haben .

Darüber erhebt ſich ein zweites Stockwerk, das gleichfalls von einem Giebel , aber in

ganzer Breite überſpannt wird . Nur iſt der Giebel in der Mitte ausgeſchnitten , ſo daß nur
links und rechts eine Giebelede , jede von zwei Säulen in der Front getragen , ſtehen bleibt.
In der Mitte aber iſt ein freier Raum , deſſen Seiten- und Hinter -Wände wieder mit Säulen
bekleidet ſind . In dieſer freien Niſche erhebt ſich ein runder Säulenthurm mit rundem

Dach und trägt zuoberſt die genannte Urne. Der Anblick des Ganzen iſt zwar phantaſtiſch,
aber großartig und überraſcend, wie kaum etwas Anderes auf dem ganzen Boden der alten
Welt. Wie dieſe Säulen , dieſe unterbrochenen Giebel und verkröpften Geſimſe an die

römiſchen Formen der Höfe von Baalbek erinnern , ſo gemahnt der runde Säulenthurm an

die ſyriſchen Grabthürme die im Grabmal des Abſalon geſchildert wurden. Eine uralt morgen
ländiſche Form hat den römiſchen Giebel durc/brochen und ſich über ihn aufgeſchwungen . Das

Ganze war ein Grab . Durch eine reich gebildete Pforte mit hohen Ornament-Dhren an den
oberen Ecken tritt man aus der zweiſäuligen Vorhalle in die Grabkammer . Dieſe vertieft
ſich nach hinten und nach beiden Seiten in drei kleinere Felskammern, die vollkommen ſchmucklos

ſind . Die Kluft des Badjes ſetzt ſich zwiſchen ſolchen Felskammern und Facaden bis zum großen

feløgehauenen Theater fort , welches links zwiſchen den Klippen ruht und ſich über ſeinen
oberſten Halbkreisſtufen ſelbſt wieder init Todtenkammern ſäumt. Von ſeinen Stufen ſieht man

bereits durch die Deffnung der immer weiter gewordenen Kluft in den noch weiteren Thal
Reſſel hinaus , wo die alte Stadt gelegen. Ein feliig unebner , trümmerbedeckter Boden mit

noch ſtehenden Reſten von Tempeln , Triumphbögen , Paläſten Alles in ſpätrömiſchem Styl.
Der klare Bach verliert ſich und erſcheint wieder aus dem Schutt.

Beſteigt man den Berg Hor , wo die von Ferne ſchon ſichtbare Grabfapelle Aaron’8
ſteht, ſo erreicht der Rundblick über das ſchluchten- und ſpaltenreiche Gebirg den hellen Sandſtreif
Denkmäler in Often der Halbinſel . 243

des großen Arabathales , welches am ganzen Weſtfuß des Edomitergebirgs von Nord nach
Süd, d. h . vom tobten Meere bis zum rothen Meer die tiefe Einſenkung fortfeßt.
Jenſeits iſt das Randgebirg jener nahrungsloſen Wüſte, in welche ſich 3ſrael ſo lange

Jahre zuſammendrängen mußte. Von dem Orte Rades aus verlangten ſie vergebens den
Durchzug durch das Gebirg Edom. Der Name des Ortes lebt heute noch und die Quelle ,
welche Mofes dort aus dem Felſen ſchlug. Vom Gipfel des Hor erblickt man auch im Norden

Petra’s das größte Denkmal dieſer Gegend , welches jeţt El Deir heißt . Es beſteht auch aus
zwei Stocwerken und iſt um Vieles größer, als das beſchriebene in der Schlucht. Im unteren
Theile giebt es keine offene Vorhalle und feinen Giebel , wie dort , ſondern nur ein zwiſchen

und über den Säulen bald zurück- und bald vortretendes Gebälk , das in der Mitte ſogar
halbrund nach Innen geſchweift iſt. Darüber ſteht in der Mitte wieder der runde, mit der
Urne gekrönte Säulenthurm , der den Giebel des oberen Stockwerkes durchbrochen hat und
nur beſſen abgeſchnittene, ſäulengetragene Eden rechts und links noch ſtehen läßt. An allen
drei Bruchtheilen zieht oben ein dorifer Triglyphenfries ſenkrechte Gliederungen,
die mit Rundſchilden wediſeln , bekanntlich eine uralt aſiatiſche Form . Das Ganze iſt unvollendet,
die Rapitäle ſind noch plumpe Klöße. Im Innern, wo der Felſenraum größer iſt, als gewöhnlicy,
erkennt man in der Rückwand der Altarniſche noch das Kreuz . Die Grabfammer war alſo
eine chriſtliche Kirche geworden . Die Beduinen nennen deßhalb dieſe Ruine noch heute
„ das Kloſter" ( El Deir) . Gegenüber auf höherem Felſen findet man noch den Boden und
das felsgehauene Heiligthum eines großartigen Tempels . Das Ganze liegt wohl tauſend Fuß
über dem Thalkeſſel von Petra und führen durch eine enge , ſchwer zugängliche Kluft noch

theilweis die alten felsgehauenen Treppen hinauf. *)


In die Tiefe des Arabath ales gelangt man ſüdweſtwärts vom hochgelegenen Thal
becken Betra's in verſchiedenen Terraſſenſtufen, hinab an ſteilen Wänden und mit Oleandergebüſch

erfüllten Thalſpalten . Die ſteilen Zacken des Hor bleiben noch lange im Angeſicht. Der
ſandige breite Thalweg. im Weſten des Gebirges Edom, der ſüdwärts zum Golf.des Schilfmeeres
führt, ernährt nichts als Geſtrüpp und bittre Roloquinten . Schubert erlebte hier einen Chamſin,
vor welchem der Himmel fahl und dunkel , die Luft glühend wird und wo vor dem herein
brechenden Sturmſtoß und ſeinen unermeßlichen Staub- und Sandwolfen die Rameele umwenden

und brüllend in'8 Weite rennen , bis man ſie und ſich geduldig zur Erde beugt und die Wuth
des Orkans über ſich hingehen läßt. Wo der Golf die Deffnung des breiten Sand- und
Sumpfthales fortſett, ſteht das Kaſtell Akaba , ein viereckiger Bau mit Thürmen an den Eden .

Zur Seite iſt ein Palmenwald. Hier lag Salomon's Hafen Aſiong aber. Jetzt kommt
niemals mehr ein Schiff in dieſen gefährlichen Golf Akaba . Salomon ließ Sdiffe bauen und

erhielt Schiffsleute „ des Meeres kundig “ . von König Hirain in Tyrus , um nach dem fernen

*) Jul. Braun g. W. I 430 ff. Gr at 113. ff.


31
242 Die übrigen Stätten des hl. Landes .

Ophir zu fahren . Drei Jahre brauchte ein Schiff zum Hin- und Rückweg und brachte Gold,
Silber , Elfenbein , Affen , Pfauen und Sandelholz . Ophir muß in Nordindien , vielleicht am

Buſen von Rambay geweſen ſein , wo die genannten Produkte aus dem Süden und Norden
Indiens auf gemeinſamen Markt ſich vorfinden konnten . Die Phönizier kannten von Uralters
her den Seeweg um Arabien herum in den perſiſchen Golf , zu ihren früheren Wohnſitzen ;
indiſche Gewürze , wie Rinnammon d . 1. Zimmt famen nur durch die Phönizier in's Abends

land und waren durch ſie, wahrſcheinlich ſchon vor Saloinon's Betheiligung bekannt. Phöniziſches
Glas , Erzgeräth und Purpur mag den Indern zum Tauſche geboten worden ſein , während die

Phönizier ſich an paläſtiniſchem Getreide, Wein und Del entſchädigt haben werden . Die Schiffe

hießen Tarſisi chiffe, von dem Land Tarſis in Spanien , welches ein gewohnteres Ziel der

Fahrt war . Dieſer Name ſcheint aber auf jedes größere Schiff, auch wenn es nicht nach Tarſis ,
ſondern nach Indien gieng, wie unſer „ Oſtindienfahrer “ übertragen worden zu ſein . König

Joſaphat baute ſpäter abermals eine Tarſisflotte, um nady Gold gen Ophir zu gehen . „ Aber
ſie gieng nicht, denn die Schiffe wurden zertrümmert zu Aſiongaber .“ Wegen ſolcher Gefahr

haben die Nabatäer , nach Beſitznahme dieſer Küſten die Fahrt auf dem Golfe ſelbſt ganz
aufgegeben und ihre Waaren fern außerhalb , zu leukekome , vielleicht der heutigen Bucht
Hauara an's land geſetzt und mittels Rarawanen nach Petra gebracht. Eine ſolche
Larawanenſtraße wird durch Grabdenkmäler angezeigt, welche denen Betra's entſprechen und

unter andern Formen auch eine Spitbogenthüre zeigen .

Das rothe Meer , der indiſche Ocean und der perſiſche Meerbuſen ſchließen Arabien
im Weſten und Dſten zwiſchen ſich ein . Der mit dem Tigris in den Berſiſchen Golf mündende
Euphrat fließt jetzt an den Ruinen des alten Babylon vorüber , das an Madt und

Herrlichkeit alle Reiche übertraf. Die Stadt bildete ein ungeheures Quadrat hinter einem
unglaublich hohen Walle , jede der vier Wallſeiten fünf Stundeit lang. Die Straßen waren
gerade , von der Länge der ganzen Stadt und kreuzten fidy in rechtem Winkel. Mitten durch

die Stadt gieng der Euphrat und war gleichfalls zu beiden Seiten von hohen Wallmauern

begleitet. Wo die Querſtraſſen auf dieſe Ufermauer ſtieſſen , waren eherne Thore nach dem

Fluß. Die Häuſer waren hoch , brei- und vierſtöckig , aber nicht aneinander gedrängt , ſondern
mit Gärten abwechſelnd. Es blieb Raum genug an Aderland und Dattelwald innerhalb

der Mauern , um der Bevölkerung in Belagerungsnoth auszuhelfen. Man denkt dabei an die

üppigen -Babylonier , die wohlgepflegt in langen Gewändern einherwandelten , jeder mit ſeinem
Siegelring und dem Stabe, der in ein Schnißwert endet , Roſe , Lilie , Adler u . d. gl. , an die

ausſchweifende Frauenwelt dieſer Stadt , die in vollem Gelage die Eroberung überhörte , als
die Perſer des Syrus im Euphratbette herauſdrangen , wo ſie das Waſſer durch Ableitung
hatten fallen machen und wo ſie die ehernen Thore offen fanden. Von der Höhe des umwallten

Berges „ Babel" ſieht man den Euphrat zuerſt. Er geht groß und ruhig zwiſchen ſeinen
Palmenufern und verliert ſich fern in den Balmenwäldern von Hillah , der heutigen Stadt, die
Denkmäler im Oſten der Halbinſel. 243

noch immer innerhalb des alten Babylon liegt, obgleich zwei Stunden von hier entfernt. Eine

ungeheure , faſt ſcharf viereckige Terraſſe, aus ungebranntem Backſtein aufgemauert mit Lehm

mörtel und Lagen von Rohrgeflecht bezeichnet eine Burg aus Nabuchodonoſor'8 Zeit , wie

die Namen in Reilſchrift auf der Unterſeite jede8 Backſteines zeigen . Die Terraſſenwände waren
mit gebrannten Steinen bekleidet , deren viele mit Nabuchodonoſor's Namen gefunden

wurden . In den unteren Gängen und Kammern haben ſich die wilden Thiere eingeniſtet .

Einige daſelbſt gefundene Särge hatten noch die Leichen , die aber der Luft ausgeſetzt, ſogleich

in Staub zerfielen . Nach Weſt, Nord und Oſt iſt dieſer ſteile Berg Babel von einer
Umwallung umgeben , die ſich erſt ein Stück ſüdwärts verfolgen läßt und vom nächſten Kanal

durchſchnitten wird , dann aber in geradem Zuge fern nach Südoſten in die dürre Wüſte
hinausgeht. Endlich wendet ſie rechtwinklidh an den Strom , ſüdweſtwärts zurück, alſo ein

Dreieck , das ſeine Spitze landeinwärts legt und den Strom mit den Trümmerbergen an ſeiner

Baſis hat. Dieſer Berge ſind drei : Babel der nördlichſte, Nasr der mittlere und der

Amranhügel der ſüdlicyſte. Am nördlichen Anfange dieſes Palaſtgebiete lag als

Citadelle der Terraſſenbau des Babel. Nebukadnezar's große Burg mit Parks ſonderte ſich
durch eigene Umwallung von der übrigen Stadt. Die Grundbauten dieſes Rieſenpalaſtes ſind

in dieſen Trümmerhügeln zu erkennen . Der mittlere , Kasr d. h . Schloß oder Mudichelibe

d . h . Umſturz iſt ein unermeßlicher Schutthaufen , aus deſſen Höhe die blaßgelben Badſtein
wände und Pfeiler noch hervorſtoffen. Halb vergraben erblickt man eine Löw enfigur im

Scutte. Sonſt iſt nichts mehr zu enträthjelu . Diodor erwähnt rieſenhafte fagogemälde
von glaſirtem Backſtein : Semiramis zu Pferd , nach einem Bardel mit dein Speer werfend,

und Ninus neben ihr , wie er einen Löwen durcyſtach. In lebhaften Farben ausgedrückt fand
man neuerdings Spuren ſolcher Badſteingemälde mit Pferdehufen , Kinnbacken von Löwen,

Schweif und Pfote von Hunden, feingepflegte Bartlocken, menſchliche Augen u . d. gl. Da aber

Nebukadnezar der Erbauer dieſer neuen Burg geweſen , ſo wird nicht Semiramis und Ninus

ſondern er und ſeine königliche Frau hier abgebildet geweſen ſein . Jeder Backſtein trägt ſeinen
Stempel , alſo wird er auch Niemand als ſich ſelbſt darauf abgebildet haben . Sein iſt dieſe

ganze neue Stadt der Oſtſeite und er durfte von ſich ſagen , wie im Buche Daniel geſchrieben

ſteht: „ Das iſt die große Babel, die ich erbaut habe zum königlichen Hauſe durch meine große
Macht, zu Ehren meiner Herrlichkeit .“ Der dritte Hügel , gleichfalls über einem feuchten

Weidegrund, iſt wahrſcheinlich der Platz der berühmten „ hängenden Gärten " . Dieſen Balaſt
ließ Nebukadnezar erbauen , damit ſeine Gemahlin , eine mediſche Prinzeſſin den Reiz ihrer

Bergesheimath in der babyloniſchen Ebene nicht vermiſſe. Darum trug der Berg auf ſeinem
terraſſenförmig anſteigenden Rüden die Gartenwälder , während der Raum darunter , Bogen

über Bogenſtellung bewohnbare Gemächer bot. Dieſe waren eng , aber fühl , wie die heutigen

Serdabø, die ein ſo großes Bedürfniß ſind. Nach ſolcher Kühlung, verlangte Alerander , den
man von der Weſtſeite herüberbrachte. Von hier hatte er nicht mehr weit in ſein legtes Haus,
31 *
244 Die übrigen Stätten des hl . Landes .

Nebukadnezar'8 neue Burg , wo er ſtarb, er , der ſo manche fremde Königsburg betreten hatte.
Daß der Gewölbebau hier angewandt war , iſt außer Zweifel in ſoferne, als die Tunnels de 8

Euphrat denſelben vorausſetzen und bei ähnlichen Anlagen möglich zeigen .

Die Hauptruine der Weſtſeite iſt der babyloniſche Thurm . Er liegt fern ſüdwärts
von Hillah, gehört aber immer noch zur alten Stadt. Derſelbe heißt „ Birs Nimrud “ und iſt
ein dürrer, ſtaubbedeckter Hügel von Ruinen, der zu einer Höhe von 200 Fuß anſteigt. Raum
daß die Terraſſe noch erkennbar iſt, auf welcher der gewaltige , einſame Mauerpfeiler ſteht,
der noch 35 Fuß höher ſteigt. Er iſt von Oben bis Unten geſpalten , ſo daß man hindurch
ſehen kann . Auf dem alten Grundbau des Thurmes zu Babel ward der Belus - Thurm
errichtet, eine vierſeitige Stufenpyramide von acht großen Abjäßen , an welchen die Treppe

außen hinaufgieng . Zu oberſt, berichtet Herodot, als achte Stufe ſtand ein großer Tempel mit
dem goldenen Tiſch und Bett des Gottes . Gegenüber war ein anderer Tempel mit dem

goldenen Koloſſalbild des Gottes auf goldenem Throne . Außen ſtand ein goldener und der
große Altar, auf dem die Chaldäer beim Feſte des Gottes Belus für tauſend Talente Weihrauch
verbrannten . Der Belustempel war durch den Euphrat vom großen König8 - Palaſt mit ſeinen

Burgen getrennt, ſo daß dieſer großartige Ruinenhügel die Stelle deſſelben anzeigt. Die
Badſteine ſind unvergleichlich fein in einander gefügt und haften ſo feſt aufeinander , daß es

nicht möglich iſt, ein ganzes Exemplar mit der immer nach unten gewandten Reilſdrift zu

gewinnen . Der König von Babylon ſchreibt ſich hier ſelbſt „ Nab uch udurruſur “. Die

andern Titel, die noch beigeſchrieben ſind, harren nody unzweifelhafter Erklärung . Nabuchodonoſor,
der in der hl. Schrift als ſo gewaltig geſchilderte König , auf dem die kurze babyloniſche Welt

Herrſchaft ruhte, hat alſo dieſe Rieſen - Paläſte und Tempel aufgethürmt und einen älteren
Terraſſenbau beim Belusthurm weitergeführt, welcher von den älteſten Geſchlechtern bis gegen

den Himmel aufgebaut werden ſollte. Nebukadnezar ſo wird der Name Nabuchodonoſor
gewöhnlich geſchrieben erbaute ſich, ähnlich den ägyptiſchen Königen hier ſeine Grabesſtätte
in einer gewaltigen Pyramide . Aber nicht lange blieb Babylon auf dieſem Gipfel irdiſcher
Größe und Herrlichkeit. Die gräuelvolle Sittenloſigkeit und Gottloſigkeit hatte ihr Maaß

erreicht und es erfüllten ſich die Worte der Weiſſagung :


Sieh ' ich will die Meder über ſie erweden , die auf Silber nicht achten

und Gold nicht verlangen , ſondern mit Pfeilen die Jungen tödten ; die ber
ſäugenden Mutter ſich nicht erbarmen und deren Blid der Kinder nicht ſchont.
Alſo foll Babylon , die Herrliche unter den Königreichen , die berühmte, ſtolze
Stadt der Chaldäer , wie Sodoma und Gomorrha werden , die der Herr um

gekehrt hat. Um des Herrn Zorn willen wird ſie nicht bewohnt , ſondern ganz
wüſte werden . Wer durch Babel zieht , wird fidy entfeßen und über all ihr
Unglüď ziſchen. Wie iſt zerbrochen und zerſchlagen der Hammer der ganzen
Erde ; wie iſt verwandelt in eine Wüſte Babylon unter den Völkern ! Sie foll
Denkmäler im Oſten der Halbinſel. 245

hinfür nimmermehr bewohnt und nicht mehr aufgebaut werden von Geſchlecht
zu Geſchlecht; der Araber ſoll dort ſeine Zelte nicht aufſchlagen , und die

Hirten ſollen ſich nicht lagern daſelbſt fondern wilde Thiere werden da hauſen
und ihre Häuſer voll Eulen ſein . Ich will ſie zum Eigenthum des Igel8 und

zu Waſſerfümpfen machen , und mit dem Beſen des Verderben8 rein auskehren,
ſpricht der Herr der Heerſdaaren ." * )
Die vortrefflichen Kanäle ſind verſchüttet und die großartigen Tunnels zerfallen , die
herrlichen Dattelgärten verborrt , unabſehbare Sümpfe und eine ausgebrannte Wüſte begegnen
dem Wanderer , wenn er dieſe berühmte Stadt beſuchen will. Wie ſehr dieſe Denkmäler und

die babyloniſche Kultur auf das alte Aegypten zurückweiſen, wird, bei Betrachtung der ägyptiſchen
Kunſtwerke erſichtlich werden. Hier ſei nur bemerkt , daß der Rern des Grabbaues im Belus
oder babyloniſchen Thurme aus geformter , an der Sonne gebackener , aber nicht in Feuer

gebrannter Erde beſteht ; die Erdformen ſind groß und verbunden durch Schlamm und gehacktem

Stroh . Ganz ebenſo iſt der Rern mancher Pyramiden in den Todtenfeldern von Memphis .
Maſſenhafte Wände von gebranntem Stein bekleiden mantelartig , wie in Aegypten , dieſen

Kern des babyloniſchen Thurmes . Wo ſie im unteren Theile des Ruinenberges noch zu Tage
ſtehen, ſind es die rothen , gebrannten Backſteine von geringerer Dualität und ohne Inſchrift,
verbunden durch zerlaſſene Erde , einen rothen Thon . Auch das gehört noch zum alten Bau .
: ,, laſſet uns Ziegel ſtreichen und im Feuer brennen ; und ſie nahmen Ziegel zu Stein und Thon
zu Ralf." Aber leicht zu unterſcheiden ſind die harten , feinen , gelbrothen Badſteine, aus

denen z. B. der einſame Mauerpfeiler auf der Höhe beſteht. Dieſe ſind nicht durch zerlaſſene
Erde verbunden , ſondern durch ſehr feinen Salk und vollkommen unlösbar. Dieſe bergen auf

der unteren Seite Nebukadnezar's Namen . Er alſo hat die uralte Maſſe mit ihrem neueſten
Stufenmantel bekleidet und ausgebaut . Ebenſo wurden auch die Pyramiden in Aegypten
aufgeführt.

Ganz enge hängt mit babyloniſcher Bau- und Kunſtweiſe die berühmte Stadt Niniveh
zuſammen . Der Fluß Tigri8 zeigt hier die Hauptrichtung der Stadt und des Landes. Von
Moſul aus ſieht man die hohen Tigrisufer hinab abwärts die Schiffbrücke und gegenüber

landeinwärts die Ruinenhügel bon Niniveh . Die Stätte Niniveh’s iſt zwar längſt
bekannt , aber Niemand ahnte unter dieſen Schutthügeln die vergrabenen großen Paläſte.
layard’8 Energie förderte dieſe Schätze an’s Tageslicht und Rawlinſon übernahm die

Prüfung des hiſtoriſchen Werthes dieſer Denkmäler , ein Mann , deſſen Entzifferungskunſt an
den perſiſchen Reilſchriften geübt war. Auf dem Oſtufer liegen zwei Hügel , von welchen der
-.füdliche,ein Dorf mit Moſchee trägt , die über Jonas' Grab erbaut worden . Derſelbe heißt

mit Bezug auf das vermeintliche Grab des genannten Propheten , Nebbi Iunu8 " . Er enthält

38. 13, 47. Jerem. 50.


246 Die übrigen Stätten des hl. fandes.

einen begrabenen aſſyriſchen Balaſt. Im Keller eines turkomaniſchen Hauſes entdeckte man
die foloſſalen Häupter geflügelter , menſchenköpfiger Stiere. Aufgefundene Inſchriften
nennen einen der jüngſten Könige Niniveh's als Erbauer des Palaſtes, den Ejjarhaddon.

Der größere, nördlidye Hügel heißt Rujjundidik. Der franzöſiſche Conſul Botta unternahm
1843 hier die erſten Verſuche einer Ausgrabung . Bruchſtücke von Alabaſterplatten mit faſt
verſchwundenen Spuren von Sculptur und Badſteine mit Reilſchriftzeichen lohnten ſeine
Mühe . Man hatte noch keine Ahnung, daß man dem Hügel durch, 20 Fuß tiefe Graben, durch

Tunnel und Schachte zu Leibe gehen müſſe, bevor er den Palaſtbau offenbarte. Der aſſyriſche

Balaſt ward wie der babyloniſche auf einer 40 Fuß Hohen Terraſſe von ungebrannten Erdformen
erbaut , um von dieſer Höhe auf die Ebene zu überſchauen . Dieſer Palaſt von dicken Erd

wänden , die nur unten mit ſtarken Alabaſterplatten bekleidet ſind , aber mehrere Stocwerke,

mit hölzernen Stockwerken dazwiſchen, zu tragen hatten, brady im Brande zuſammen und wurde

mit ſeiner Plattform ein einziger Erdberg . Dieje Plattform von ungebrannten Backſteinen muß
nun gefunden werden .
Fünf Stunden nordwärts, in der Ebene bei Khorſabad wurde die Mühe erſt eigentlich

gelohnt, wo ein ähnlicher einſamer Hügel die bedeutendſten Neſte barg . In geringer Tiefe ſtieß
man auf den obern Rand einer Mauer, die aus Erde beſtand und mit ſtarken Alabaſterplatten
bekleidet war. Weiter fortwühlend befand man ſich bald in einem Gemache, das mit ſolchen

Platten ausgeſetzt war, die faſt alle mit Sculptur bedeckt waren . Die Darſtellungen enthalten
den Angriff auf eine Feſtung durch knieende Bogenſchützen , reichgeſchirrte Pferde und Wagen,

der König mit Wagenführer und Sonnenſchirmnträger darauf, die Zierrathen des Geſchirrs zum
Theil noch in lebhaften Farben , roth und blau. Keilſchriften trennen die oberen von den unteren
Bildern . Unten ſieht man eine Feſtung , beſtehend in einer langen Reihe mauerverbundener

Thürme, die durch viereckige Fenſter, fünf, feche übereinander, ihre Höhe anzeigen. Zur Linken
ſteigen aſſyriſche Krieger , größer übrigens als die Thürme ſelbſt, init emporgehaltenem Rund
ſchild auf der Sturmleiter hinauf. Auf der Platte der Thürme und aus andern , höheren
Gebäuden des Burgberges ragen die verzweifelten Belagerten mit emporgeſtredten Händen .

Rothe Flammenbüſchel lodern bereits zwiſchen ihnen einpor . Am Fuß der Terraſſe ſieht inan
Gefangene auf Pfählen geſpießt . Ferner8 ſieht man den bogenſchießenden König auf ſeinem
Wagen , wie er einſprengt über fliehende Reiter und Gefallene. Ein feindlicher, pfeildurchbohrter
Krieger ſcheint dieſen einſprengenden Pferden gerade auf den Kopf zu fallen. Dies iſt der
Mangel an Perſpektive , der einen entfernt liegenden Gefallenen unverkleinert läßt , ſo daß

es nur ausſieht , als ob er darüber in der Luft hänge. Der König8 Rundſchild zeigt den
Palmettenkranz , wechſelnd aus Knoſpe und entfaltetem Kelche Ornamente , die in

Griechenland ſpäter beliebt waren , ihre Heimath ſomit in Affyrien haben . Ueber dieſen
kriegeriſchen Scenen ließ ſich auf derſelben Plattenreihe ein großes Feſtgelage verfolgen. Da
fitzen die Gäſte, alle im Profil , immer vier an einem Tiſche, auf hohen Stühlen , laſſen die
LAN

.
Khorsabad
Denkmäler im Oſten der Halbinſel. 247

Beine hängen und erheben ihre Trinkgefäſſe , die in Geſtalt eines hohlen Löwenkopfes gebildet

ſind und in Etrurien und Hellas gleichfalts gefunden wurden . Bartloſe Eunuchen ſchöpfen
Wein mit ähnlichen , löwenköpfigen Henkelgefäßen aus einem großen , einfüffigen Miſchbecken.
Muſifanten ſchlagen die Lyra , die ſie am Band um den Nacen tragen . Vieles gemahnt hier
an homeriſche Weiſe .
All dieſe Sculpturen ſind jedoch zerfallen , weil ſie verkalkt waren und haben kaum jo

lange gehalten, bis Zeichnungen davon genommen waren . Von den erhaltenen Stücken zeigt

ein in Louvre bewahrter Stein die landung aſſyriſcher Seeſchiffe vor einer feindlichen Feſtung .
Das Meer iſt durch verſchlungene Wellenlinien , Fiſdhe und Seeungeheuer bezeichnet. Die

Schiffe mit einem Maſtkorbkelch , wie er in der ägyptiſchen Seeſchlacht Rhamſes? III. auf der
Tempelwand von Medinet Habu zu ſehen iſt, ſchleppen Balken hinter ſich her oder haben ſie
auf Deck, um am Ufer einen Damm und künſtlichen Aufweg zur feindlichen Feſtung zu bauen

Die endlich aufgefundenen Nieſen - Stiere mit Menſchenköpfen bezeugten , daß hier ein
Balaſt geſtanden , deſſen Zugang ſie flankirten , wie zu Berſepolis . Dieſe rieſenhaften Leiber,
die nach vorne mit ganzer Bruſt und zwei Beinen aus dem Block hervortreten, ſie waren nach

Innen in Halberhobener Bildung auf der in den Thorweg gewandten Fläche deſſelben

ungeheuren Bloces , der den Eckpfeiler bildete , fortgeſekt . Ihre Geſtaltung iſt höchſt impoſant
mit dein inenſchlichen Haupt unter hoher Königsmütze , um welche die Hörner nach hinten

ſidy herumlegen , mit dem majeſtätiſch geflochtenen langen Bart und deßgleichen Haarwulſt auf
beiden Seiten, mit dem gewaltig ausgeprägten Stierleib , deſſen Haarpartien abermals wie

Poſſamentirarbeit geflochten ſind, und mit dem großen Adlerflügel über Sculter und Rüden.
Dieſe Roloſſe verſehen das Amt der Balaſtwächter und ſind deren mit der Zeit an jedem
Aus- und Eingang ſolcher Paläſte immer mehrere gefunden worden . Von den anderen Figuren

ähnlicher Größe fällt beſonders eine Menſchengeſtalt auf, die gerade herausſchaut unter einer
zierlichen lođenperücke , mit fünſtlich friſirtem Bart und einen kleinen , teufliſch blickenden

Löwen init dem linken Arme ſich an die Bruſt drückt. Dieſe Beſtie frallt ſich mit der Hinter
tatze in die Franſen des Leibrockes ein und ſtreckt die Krallen des von der Rieſen - Hand

gepreſſten Vordergelenks ſchmerzlich vor. Er aber, der ſiegreiche Rieſe iſt vollkommen ruhig,
ſchaut gerade heraus, während ſeine nackten Beine mit gewaltiger Muskelangabe ſammt den

Füßen im Profil ſtehen. Die Außenſeite eines ſolchen Balaſtes iſt durch Reliefs konventioneller
Behandlungsart bezeichnet. Es ſind Unterthanen , die Tribut und Geſchenke bringen und vor
ihrem Könige ſtehen. Sie bringen Schaalen und Trinkgefäſſe, reichgebildete Tiſche und Thron

Seſſel mit Figurenlehnen ; einen Wagen , der gleichfalls von Zweien auf der Schulter getragen
wird ; der König allein mit bedecktem Haupte. Er trägt eine Müge von ſtumpfer Regelform,
aus der eine kleinere Spiße hervorragt, hat einen ſteifgeflochtenen breiten Bart , ein langes,
roſettenbefäetes franjenbehangenes Gewand und ſtüßt ſeine Rechte auf einen langen Stab . Die

Linke ruht auf dem Griff eines wagrecht getragenen kurzen Schwerteß. Aber die ſchöne Stickerei
248 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

des Gewandes darf durch die einfache Schwertſcheide nicht verdeđt werden . Darum werden

die geſtickten Muſter rückſichtslog über die Sdyeide weg fortgeſegt , als ob dieſe darunter läge.
Nur der Schwertknauf ſelber , mit Thierköpfen dekorirt , war widytiger und erhält ſich

oben . Hinter dem König ſtehen Eunuchen , bartlos und fett , welche Bogen und Fliegenwedel
tragen . Die Anlage dieſer Paläſte ſelbſt zeigt Vorhöfe mit Portalbauten , die oft wiederholt
endlich in's Innere der prachtvollen Säle führen . Dieſe waren wohl mit Holz gedeckt und

hatten eine Fenſterreihe hoch auf der Wand und unmittelbar unter der flachen Decke. Ein
erhaltenes Sculpturbild von Niniveh ſtellt einen Palaſt bar, wo verſchiedene Stufen des Gebäudes

durch eine ſolche offene Fenſtergallerie gekrönt werden .* ) Es iſt alſo ein vollkommen offener
Säulengang , der auf der Höhe der Mauer lauft und auf ſeinem Dache ſogar noch Baum
Pflanzungen trägt. Statt der Säulen ſtehen aber Pfeiler , welche gruppenweis , immer zwei
zuſammen zwei kleine joniſche Säulen zwiſchen ſich nehmen dieſer Form gleichen die Kapitäle

nämlich auf dieſem Relief. **) Sie tragen einen Querbalken , der die beiden Pfeiler verbindet

und waren von Holz oder Badſtein . Dieſe Gruppirung wiederholt ſich in regelmäßigem Abſtand
auf der Mauer hin und muß , der Dicke der Mauern nach , eine doppelte Reihe geweſen ſein .
Dieſe Doppelreihe, dieſer Fenſter- oder Säulengang trug eine mit dem tiefen Saale gemeinſame
Decke und mag zumal im Sommer als Schlafſtätte gedient haben . Aehnlich freie Schlafſtätten

ſind auch heutzutage dort unentbehrlich . Vielleicht erhob ſich auch der mittlere Saal durch eine

höhere Decke über die anſtoſſenden Süle. Von den Ornamentfiguren iſt vor Allem der heilige
oder lebensbaum “ hervorzuheben. Im Nordweſtpalaſte, am Ende des langen Saales , der
eine Löwen- und Stier - Jagd, die Belagerung einer Jufelburg auf Reliefplatten enthält, ſieht

man auf einer großen vertieften Wandplatte zwei Könige gegen einander gewendet ſtehen und

zwiſdien dieſen Figuren den heiligen Baum , einen palmenartigen Pfeiler inmitten eines
Bändergeflechts, aus deſſen Knotenpunkten außen herum ſidy abermals blumenartige Gebilde

entfalten , ein wirklicher Baum , der aber ähnlich wie der Leib der Flügelſtiere in aſſyriſchem
Poffamentirgeſchmack behandelt iſt. ***) Darüber ſchwebt eine Figur im geflügelten Kreis , die
von Oben Menſch und Aſſyrer iſt, nach unten Vogelgefieder. Sie hält einen Ring, das Symbol
der Weltherrſchaft in der Hand . Der König erhebt anbetend die Hand darnach. Das

Arabesken - Geflecht des hl. Baumes iſt öfters mit Früchten, wie Eidjel, Granatapfel und Fichten
zapfen geſäumt. Den hl . Baum verehren auf ſolchen Reliefs knieende geflügelte Geſtalten zu

beiden Seiten . Meiſt jedoch ſteht eine ſolche Flügelfigur davor und trägt in der einen
erhobenen Hand die genannte zapfenähnliche Frucht des Baumes , in der andern geſenkten ein
korbartiges Gefäß mit Henkelgriff. Frucht und Saft des hl . Baumes – des Lebensbaumes –

*) Kugler Geſch. 6. Bſt. I. 85 hat eine Abbildg . davon .


**) Kugler Ebend. 88 Abbildg.
***) Kugler Ebend. 89 Abbildg.
Denkmäler im Weſten der Halbinſel. 249

machen nach Zoroaſter's Lehre unſterblich. Darum ſteht dieſe Figur auch an Eingängen und
Hält dem Eintretenden dieſe Baumfrucht und das Gefäß ( mit dem belebenden Safte ) entgegen .

Broncegeräthe , Waffen , Becken , Roſetten , Berlmutterknöpfe , Gürtel, broncene Würfel


mit der Figur des geflügelten Skarabäuß , Schalen und Taſſen das Innere derſelben mit
Figurenkreiſen in getriebener Arbeit geſchmückt Trümmer eines Thrones , Kupferkeſſel u, d . gl.
wurden ausgegraben und in's brittiſche Muſeum gebracyt. Alles zeigt auf ägyptiſden Styl,
nach weldjem die Phönizier jolche Arbeiten fertigten und in den fernſten Ländern umſetten ; denn
auf Cypern und in Etrurien entdecte man ähnliche Geräthſchaften . Die intereſſanten Reſultate
der Entzifferung der Reilinſchriften können hier natürlich nicht näher beſprochen , doch mag
hervorgehoben werden , daß von König Sanerib ausführliche Inſchriften berichten und die
Erzählung der Bibel unterſtützen . Sanherib zog 715 gegen die Juden und erzwang von
Ezechias (Hisfias) 30 Talente Gold und 300 Talente Silber. Ezechias mußte alle Schätze
ſeines Hauſes und des Tempels hergeben und die goldenen Bleche von den Tempelthüren reißen,

um die Summe aufzubringen. Dies , ſowie , daß Ezechias ſich nicht unterwerfen wollte und
feine feſte Stadt verlor , erzählen dieſe Juſdhriften auf'8 genaueſte. Hier lernte man die
erhaltenen Nachridyten der Bibel neuerdings hoch ſchätzen , da es nur mittels derſelben gelang,
des Inhalte der Inſchriften habhaft zu werden und eine Zeitfolge für die Thatſachen zu
gewinnen. Was den Styl dieſer Denkmäler anlangt, ſo weiſt er zwar auf Aegypten zurück, iſt
aber nicht ſo ſcharf und richtig ; das Relief viel weicher, in der Muskelangabe ganz übertrieben ,

ohne hiedurch mehr Kraft zu gewinnen . Altbabylon mag die Vermittlung zwiſchen Aegyptiſcher
und Aſſyriſcher Kunſt bilden . Ueber das X. Jahrhundert vor Chriſtus reichen dieſe Denkmäler
Niniveh's nicht zurücť ; und über'8 XIII. nicht einmal die Königsnamen . Die Sculpturen zu
Paſargada zeigen noch aſſyriſde Formgebung, während die von Perſepolis minder reich
an hiſtoriſchen Darſtellungen als Niniveh einen Fortſchritt im Style offenbaren , der groß
genug iſt. Die Hände ſind hier fein und geſchickt gezeichnet, jede Reminiscenz an Hieroglyphik
iſt verbannt. Sicherheit und Schwung der Umriſſe ſind überall bemerkbar . *)
Zierlichkeit und Freude an Buntheit der Formen zeichnet die perſiſche Kunſt vor der
der genannten Völker aus . In Bewältigung architektoniſcher Aufgaben vermag jedoch den Reſten

nach zu ſchlieſſen , auch dieſe nicht ſich auf die hohe Stufe zu erſchwingen , welche Hellas in
ſo kurzer Zeit erreicht hat.
Deukmäler im Weſten der Halbinſel des Sinai.
Aegypten.

Nach dieſem weiten Ausfluge gegen Oſten wenden wir uns von der Sinaitiſchen Halbinſel
noch gen Weſten , um in Kurzem die Denkmäler Aegyptens namhaft zu machen , welche in
neueſter Zeit ſo ergiebige Forſchungen veranlaßt haben. Der Segenſpender dieſes Landes iſt

*) I. Braun I. 164 ff. 216 ff.


32
-

250 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

der Nil. Tief aus dem Innern Afrika's und aus den abyſſiniſchen Gebirgen kommen die

Flüſſe , welche dem Nilſtrome ihr Waſſer geben . Nachdem er zur Seite des landſtriches,
der von den Alten die Inſel Meroe genannt ward , hingefloſſen und an der Nordſpige deſſelben

die Waſſer des Atbara aufgenommen , wendet er ſich im weiten Bogen gen Weſten, dann gen
Norden , in dieſer Richtung fortan die lande im Nordoſten Afrikas burchfurchend. In vielen

Katarakten und Stromſchnellen durchbricht er das nubiſche Gebirgsland. Nach den Brandungen

der letzten Katarakte gen Norden führt das Nilthal den Namen Aegypten . Es iſt ein ſchmales

Land von einer halben bis etwa 2 Meilen Breite , auf der Oſtſeite eingeſchloſſen von den höheren
arabiſchen Gebirgen , deren Felswände ſich 500 bis 800 Fuß hoch aus dem Spiegel des Stromes

erheben, auf der Weſtſeite begrenzt von den lybiſchen Feldufern, die zumeiſt nur eine Höhe von
50 bis 100 Fuß erreichen und hinter denen die Sandwüſte beginnt. Wo hüben und drüben ,

gegen die Küſte des Mittelmeeres hin , die Höhen ſich weſtwärts und oftwärts zurückziehen ,

breitet der Nil fich vielarmig aus , die Niederungen des Delta’8 durchſtrömend und ſeine

Waſſer dem Meere zuführend. Alljährlich und in regelmäßiger Wiederkehr , wenn der Schnee

der Hochgebirge an den Quellen des Nils geſchmolzen iſt und die tropiſchen Regen eingetreten
ſind , ſchwillt der Strom an , ſo daß auf Monate hin das ganze ägyptiſche Thal überfluthet

wird. Er hinterläßt einen fetten, fruchtbaren Schlamm , der der geringſten Mühe die reichlichſte

Aerndte gewährt . Der Nil iſt der Erzeuger des ägyptiſden Bodens, weiland des fruchtbarſten
unter den Ländern der Erde .

Seine Geſchichte reicht bis in die graueſte Urzeit hinauf , bis zu Jahrtauſenden , aus
denen von feinem andern Volke der Erde eine Runde zu uns gedrungen iſt. Vor mehr als
drei Tauſend Jahren v. Chr. wurden ſchon die Coloſſalbauten des alten Memphis in Unters
ägypten errichtet. Es ſind die älteſten und bedeutendſten Pyramiden ; denn ſie überdauerten

die Herrſchaft der um 2082 v . Chr. in Aegypten einfallenden Hyffos , ein fremdes barbariſches
Nomadenvolf. Dieſe Herrſchaft dauerte gegen 300 Jahre und ward von Ahmoſis gebrochen .
Von da beginnt der Aufſchwung des neuen Reiches , das unter Ramſes Miamum , dem
großen Eroberer ſeine glorreichſte Zeit erlebte. Bis 1260 v . Chr. währte dieſe Epoche, in

welcher Theben die Hauptſtadt war. Darnach erlebte das Land mancherlei Schicjale, zulegt
eine Zwölfherrſchaft, der Pſammetic um 670 v Chr . ein Ende machte. In ſeine Zeit
fallen die erſten Beziehungen zu Griechenland, da vorher Aegypten in ſtrenger Abgeſchloſſenheit
jeden fremden Einfluß ſich ferne gehalten hatte . Mit dem Verlaſſen der nationalen Grundfäße

aber trat der Verfall ein, der dann durch die perſiſche Eroberung vollendet ward .
Die Pyramiden von Memphis liegen in einer Ausdehnung von 8 Meilen in
Gruppen zerſtreut, welche nach den benachbarten Dörfern Ghizeh , Daiſchur , Meidun, Saccara
benannt werden . Ihre Zahl beläuft ſich auf 40, die von verſchiedener Größe ſind. Die

größten, welche der Gruppe von Ghizeh angehören und von den Königen Cheops und Chefren den
Namen führen , haben eine quadratiſche Grundfläche von über oder nahe an 700 , eine Höhe
$
Denkmäler im Weſten der Halbinſel. 251

von faſt 450 Fuß . Der Winkel , in dem die 4 Seiten oben zuſammen treffen , iſt ein ſehr
ſtumpfer, das Anſteigen der Pyramide ein allmähliges. Dieſe gewaltigen Bauten ſind in
compakter Maſſe aus großen, bis zu 20 Fuß langen Bruchſteinen, zum Theil auch aus Ziegeln

aufgeführt und genau nach den Himmelsgegenden gerichtet. Das Volumen der einen Pyramide
hat man auf mehr als 74 Millionen Rubikfuß berechnet. Nur einige ſchmale Gänge führen

in den Kern derſelben zu einer kleinen Grabkammer , welche den Sarkophag des königlichen

Erbauers birgt. Das Werk ward als Stufenbau begonnen , und dann mit Granitplatten
bekleidet. Es wurden Abſätze aufgeführt und dann von oben nach unten die Bekleidung
derſelben vollendet. Da die Pyramide das Mauſoleum des Königs war und von ihm begonnen

wurde, ſo ermöglichte dieſe Stufenform bei etwaigem Tode des Erbauers eine raſche Vollendung
des Ganzen . Die rieſigſten Pyramiden laſſen auch auf die längſte Dauer der Regierung des
betreffenden Königs ſchlieſſen . Der Terraſſenbau war auch hier die Grundform.

Bei Ghizeh erhebt ſich aus dem Sande eine Koloſſalſculptur, würdig die ſymboliſche
Wächterin dieſer Todten - Paläſte zu bilden. Es iſt eine Sphynx von 89 Fuß Länge und einer

urſprünglichen Höhe von 70 Fuß. Sie iſt mit bewunderungswürdiger Sicherheit aus einem

einzigen Felshügel gemeiffelt und hält zwiſchen den Vordertaken einen kleinen Tempel. Die
berühmten zwei Memnon's -Geſtalten ſigende Roloſſalſtatuen bei Theben — ſind noch erhalten

und ſchmücten die Vorderſeite des Hauptpylons. Sie haben eine Höhe von 70 Fuß und
waren bewundert im Alterthum . Die eine dieſer Rieſen - Figuren benannten die Griechen als

den Memnon ihrer Nationalmythe. Bei Sonnenaufgang erklang dieſe Statue : dann grüßte
Memnon ſeine Mutter Aurora. Zahlreiche Inſchriften am Fuß der Statue aus der Zeit von
Nero bis Septimius Severus ſind Zeugniſſe dieſes Klanges. Mit ſolchen Koloſſen wurden

die heiligen Straſſen zu den Gräber - Denkmalen , zu den Tempeln und Paläſten ausgezeichnet,
die terraſſenförmig emporſtiegen .
Die vielen Höfe waren nach Innen durch Säulen , nach Außen aber immer durch

einwärts geneigte Mauern abgeſchloſſen. Dieſe Höfe ſtiegen ſtufenweiſe über einander

empor und große Phlonen , thurmartige , pyramidal aufſteigende Mauern ſchmückten den
Haupteingang, mit Obelisken oder Roloſſal - Statuen in der Front. Farbige, eingegrabene
Bilder bedecken die Flächen dieſer Pylonen , deren horizontale Geſimſe Einziehung und
auslabende Platte würdig abſchlieſſen und mit dem bandartigen Saume der Flächen , der

die Bilder einrahmt, in ſchöner Verbindung ſtehen. Maſtbäume mit wehenden Wimpeln waren

neben der Thüre, in ſchlißartige Vertiefungen geſteckt für feſtlichen Schmuc. Solche Eingangs
bauten waren öfters wiederholt , da dieſe Anlage — Säulenhof auf Säulenhof folgend

ſolches ermöglichte. Dieß Einerlei ermüdet hier ebenſo , wie die ſtets wachſende Maſſe der

Pyramide. Die Obelisken , aus einem einzigen Felsblode gehauen , auf ſchmaler rechtwinkliger
Grundlage ſteil anſteigend und in pyramidaler Spitze abſchließend, waren Denkpfeiler und deßhalb
ganz mit Inſchriften bedeckt. Freie Säulenhallen nach Außen hat man bis jegt noch nicht
32 *
252 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

gefunden ; immer ſchließt die Mauer ab . Die Form der Säulen iſt entweder nach dem

Schema der lotosſtengel mehrere zu Einem Schafte verbunden durch horizontale , das

Käpitäl vermittelnde Bänder mit kleiner Deckplatte - oder ſechzehnkantig mit ausgetieften
Rinnen nach Art der boriſchen Säule . Dieſe Kanellirung wird jedoch durch vier ſenkrechte

Flachſtreife unterbrochen , welche für Inſdhriften verwendbar , den urſprünglichen vieređigen


Pfeiler noch andeuten. Das Kapitäl endlich ſtellt das vorbildliche Verhältniß zur doriſchen Form

in höchſt merkwürdiger , noch entſchiednerer Weiſe feſt , als der kanellirte Stamm . Unter der

Viereckplatte des Abakus befindet ſich nämlich eine Rundplatte , die an ihrer untereit Kante
abgerundet und beträchtlich über den Säulenſchaft vorſpringend ſchon deutlich dem wichtigſten

Gliede des doriſchen Kapitäle , dem Echinus entſpricht. Unter dieſer Rundplatte bildet der

obere Theil des Schaftes einen gegliederten Halb , indem die Bänder , welche am Obertheil

der Lotosfäule erſcheinen, auch auf dieſe Form übertragen ſind und ein Zuſammenfaſſen der
Kraft unmittelbar unter der laſt trefflich ausdrüden . Die Baſis beider Säulenformen iſt eine

einfache Rundplatte ohne Gliederung. Andere Kapitälbildungen , zumal der ſpäteren Dynaſtien
öffnen den Lotoskelch, ſo daß die Kelchartige Form vortritt.
Noch ſpäter wird die Glockenform , das Palmenkapital und die Hathor - Maske üblich,

lettere, zu Denderah , mit einem ſogenannten Tempelchen als Deckplatte und rundem Schafte.
Inſchriften bedeđen jetzt alle Pfeiler, Säulen und Wände und die ſtrenge Technik des Alterthums

iſt dahin . Kleopatra’s Bauten , Tempel der Hathor zu Tentyris ( Denderah ) tragen den

Stempel der legten Periode.


Noch iſt der Feldgräber zu gedenken . Sie ſind gleich den ausführlich beſdyriebenen
in Paläſtina und zu Petra in der Felswand ausgehöhlt und an der Eingangsſeite durch

Koloſſalſtatuen oder Säulen geſdyinüdt, zwiſdien welchen der Zugang ſich befindet. Meiſt gelangt

man in einen Vorſaal, deſſen Felsdecke auf Säulen oder Pfeilern mit angelelinten Koloſſen ruht
und dann in die kleine dunkle Grabfammer. In Nubien haben ſich die merkwürdigſten

erhalten . Zu Abu Simbel ( Ibſambul) ſind vollſtändige Tempel in dem Fels angelegt . Die

Facaden ſind aus dem Fels gehauen und durch 4 ſitzende Roloſſe ausgezeichnet , deren Höhe

60 Fuß beträgt. Sie ſtellen alle Ramſes II dar ; kleinere Figuren , Perſonen ſeiner Familie,

umgeben die Füſſe des Nieſen . Hier ſind , wie bei den Tempeln, mehrere Vorſäle bis man in
das kleine Sanktuarium mit dem Götterbilde gelangt.

Von den aufgefundenen ägyptiſchen Wandbekleidungen ſind die anziehendſten , welche das

Todtengericht und Scenen aus dem werfthätigen leben darſtellen. Von erſterem heben

wir folgende Darſtellung aus . Dfiris , der Richter der Unterwelt, figt in einem Tempelgemach ;

auf der entgegengeſetzten Seite wird in das , auf Säulen ruhende Haus des Amente der

Verſtorbene eingeführt von der Göttin der Wahrheit und Gerechtigkeit Ma ; in der Mitte iſt
eine Wage aufgerichtet, in deren einer Schale die Henkelvaſe, Symbol des Herzens, in der andern

das Bild der Wahrheit liegt. Horus und Anubis , die Söhne des Oſiris, wägen ab und ſchauen
--
200

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WANDGEMAELDE AUS AEGYPTISCHEN GRAEBERN


Denkmäler im Weſten der Halbinſel. 253

nach der Zunge der Wage. Oben darüber ſitt der Rynokephalus Hapi , als Symbol des
Maaßes. Vor der Wage ſteht der Ibisköpfige Thoth , der Schreiber der Götter und verzeichnet

das Reſultat der Abwägung auf einem Bapyrus . Zwiſchen ihm und Oſiris ſitzt ein weibliches
Nilpferd , Amam , die Verſchlingerin genannt, als Ankläger des Verſtorbenen , welchen Thoth

rechtfertigt, wenn er gerecht gelebt hat. In den oberen Abſchnitte betet der Verſtorbene zu
den 42 Todtenrichtern mit verſchiedenen Köpfen , deren jeder die Feder der Wahrheit auf dem
Ropfe trägt und über eine beſtimmte Sünde zu richten hat , an welcher ſich der Verſtorbene im
Capitel für unſchuldig erklärt hat. *)
Von legteren folgende . Von redyts oben beginnend reihen ſich die Handwerke alſo
aneinander : 1 ) Steinmetzen mit Meißel und Schlägel. Dahinter Drechſler; 2 ) Wagner ;
3 ) Ein Bret wird ausgemeißelt, ein Stab geſpalten , eine Planke zerfägt ; Andere zimınern ein

Schiff, wozu Palmen gefällt werden ; 4) Bildhauer poliren eine Königsfigur ; ein ſitzender
Koloß im Gerüſte wird polirt ; Säulen werden bearbeitet ; eine Thür wird bemalt und beſchrieben ;
5 ) Die nächſte Reihe beginnt rechts mit einer Anzahl von Möbeln ; 6) Lanzenſchäfter ; daneben
der Schmelzofen mit Blaſebälgen zu beiden Seiten ; 7) Waffen ; 8) Töpferei ; 9 ) Eine ſitzende
Koloſſalſtatue, auf einem Schlitten befeſtigt, wird von 4 Reihen Männern fortgezogen . Oben
gehen Männer mit Palmzweigen . Ein Mann ſteht auf den Knieen der Statue und kommandirt ;

ein anderer ſchlägt mit zwei Hölzern den Takt zum gleichzeitigen Anziehen ; ein dritter gießt
Waſſer auf die Unterlage des Schlittens, andere tragen neue Waſſerkrüge und Unterlagen herbei.

10) Eine ägyptiſche Reüche; 11 ) Schuſterwerkſtatt; 12) Weiber und Männer fertigen
Fäden, ſpinnen, weben und waſchen ; 13) Seiler ; 14 ) Goldringe werden gewogen ; die Gewichte
bilden Thierköpfe ; daneben ein Korb mit noch andern Gewichten , von denen eines die Form
des Nilpferdes hat ; 15) Ein Landhaus von Holz ; Grund- und Aufriß immer miteinander

dargeſtellt; Gäſte werden empfangen und begrüßt ; davor iſt ein Garten ; 16) Villa mit Teiden,

zu denen Treppen hinabführen ; Höfe mit Pylonen ; 17) Muſicirende Frauen in Prozeſſion ;
18) Vier phantaſtiſch gekleidete Weiber , deren eine die Flöte blaſt. Die andern klatſchen zum
Takte; Shre dunkelbraune Farbe verräth den Süden ; es ſind keine blaſſen Aegypterinnen ;
19) Hausfrauen werden von Sklavinnen bedient mit Speiſe und Trank oder bei der Toilette ;

20) Weinbereitung . Links werden die Trauben gepflückt, dann mit den Füſſen gefeltert , wobei
ſich die Stampfenden an einer Stange anhalten ; dann werden die zerſtampften Trauben in

einen Sac geſteckt und dieſer mittels Stangen gewunden, ſo daß der Moſt in das Gefäß darunter

abfließt; Rechts wird der Wein iſt größere Gefäſſe abgegoſſen ; mehrere ſchon verſchloffene
Gefäſſe ſtehen daneben .
21) Vogelfang . Auf einem mit Lotos und andern Blumen bewachſenen Teiche haben
ſich viele Vögel niedergelaſſen ; hinter einem Schirm ſitzt am Ufer der Vogelſteller und zieht an

*) Ausführlich bei Döllinger „ Heidenthum und Judenthum “ 429 ff “.


254 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

einem Strick das große Netz über den Teich , den er durch ein kleines Fenſter im Schirm
beobachten fann ; 22) Fiſchfang und Vogeljagd. Auf kleinen leichten Schiffen fährt der

Eigenthümer in einen hohen Papyruswald ; auf der einen Seite ſticht er Fiſche mit einer Gabel
im Waſſer an ; auf der andern wirft er ein Holz unter die Vögel und ſammelt die betäubten .
!
23) Zwei Doppelgeſpanne von Pferden neben einander ; die Zügel ſind noch am Wagen
befeſtigt; 24) Ein Mann von zwei Eſeln getragen und von Dienern begleitet.

25) Ochſen werden auf der Tenne herumgetrieben zum Dreſchen ; 26) Acerbau. ES

wird die Erde aufgehackt, gepflügt, gefäet, gedroſchen und geärndtet ; die Scheffel werden in die
Kornhäuſer geleert, die nur von Oben zugänglid ) ſind. Auf dem Dache ſitzt der Schreiber und

verzeichnet die Maaſſe ; 27 ) Iagd . Gazellen, Haſen, Steinböcke, Strauſſe werden init Hunden
gejagt. Auch ein Stachelſchwein iſt abgebildet.

28 ) Ein großer Fiſchfang. Die im Waſſer befeſtigten Neşe werden an langen Tauen
herausgezogen. Zur Seite liegen die getödteten Fiſche, die man in der ganzen Länge aufſchnitt.

Solcher Darſtellungen finden ſich die meiſten in den Gräbern von Privaten . Von den
geſchichtlichen muß namhaft gemacht werden :

1) König Seth o8 auf ſeinem Streitwagen ſchlägt das Volk der Saſu . Der Ort der
Schlacht iſt in Paläſtina , denn auf dem Thurme links iſt eingeſchrieben : „Feſtung von
i
Kanana " ; 2) Rönig Ramſes ( Seſostris) II . auf ſeinem Streitwagen ſchlägt ein aſiatiſches Volk.
Sieben Söhne deſſelben nehmen Theil an der Schlacht; einer ſteht auf der Leiter , um die

Feſtung „ Pala “ zu ſtürmen ; 3) Ramſes III. kämpft gegen das jüdlicher wohnende Volk der
Fikekero, die zu Schiffe angreifen und zu Waſſer und land bekämpft werden ; 4) Amonra führt

hinter ſich 65 Gefangene als Repräſentanten von ebenſoviel Ländern , Städten oder Völkern .

Unter ihm führt eine mit Bogen und Pfeil bewaffnete Göttin vier Reihen von über

70 Gefangenen fort. Die Inſchrift ſagt, daß Scheſchonk I. der XXII. Dynaſtie dieſe Völker
beſiegte. Ein Schild enthält das Wort „ Juthemalet", was auf Rehabeam , König vorl Juda

gedeutet wird, in deſſen 5. Regierungsjahre, 971 Jeruſalem von Scheſchonk (Seſak) erobert ward. * )
Andere Orte mit Denkmälern ſind in Oberägypten : Ombos , Edfu , Karnak und

luror beim alten Theben.

In dieß Land Aegypten führte der Herr fſrael, als die Familie des Patriarchen Jakob
ſich daſelbſt niedergelaſſen. Die wunderbare Führung in der Geſchichte Iofepho hatte dieſen

Zwed erreichen ſollen . Die Familie Jakobs ließ ſich im Lande Goſen oder Geſſen, in Nieder

ägypten , öſtlich vom Ntle nieder , an der Grenze von Aegypten und Arabien . Es iſt mit
ziemlicher Sicherheit anzunehinen , daß dies unter der Herrſchaft der Hykfo8 ſtattgefunden.
Dieſe regierten von 2082 bis 1822 vor Chriſtus über Niederägypten, ſelbſt noinadiſcher Abkunft,
wie die Familie Iſrael. Joſephs Anweſenheit in Aegypten fält um das Jahr 1960 v. Chr.,

*) Lepſiu 8. Königl . Muſeen. Aegypt. Alterth . Berlin 1855 Text zu Taf. 30, 10, 13, 14, 16.
.
Bireh
KRITI
TURLALAR
PANாயாம்
i

525
Weg nady Samaria und Nazareth.

alſo mitten in die Regierungsperiode dieſer Hyffor. Die Iſraeliten wudiſen unter dem Schutze
einer den Aegyptern fremden Dynaſtie zum Volke heran . Nach dem Siege Ahmoſis' über dieſe
Nomadenkönige ( 1822 v. Chr . ) änderte ſich auch die Behandlung der 3ſraeliten von Seite der
neuen ägyptijden Dynaſtie. Da die Hyffos alle früheren Denkmäler zerſtört hatten , ſo mußten
> die neuen heimiſchen Herrſcher Alles wiederherſtellen und zu dieſen Bauten wurden die

Ifraeliten verwendet. Es wurden Frohnvögte über ſie geſtellt, um ſie beim Laſttragen und bei

der Handlangerarbeit zu beaufſichtigen . Außer der Herbeiſchaffung der großen Bauſteine wird
als andere ſchwere Arbeit das Bereiten der Ziegel genannt. Exod . 1 , 14. 5 , 7. Auf
ägyptiſchen Bildern ſind auch wiegelſtreichende Iuden “ dargeſtellt. Auch zur Beſtellung

der Felder nahm man dieſelben in Anſpruch. So wurden ſie mit der ganzen ägyptiſchen Cultur
bekannt, zu ſchwerer Arbeit befähigt und für die fünftige Aufgabe vorbereitet. Nad etwa

430 Jahren führte ſie Moſes aus Aegypten . Der Punkt , von welchem aus ſich der Zug
bewegte , war ( nach Erod. 12 , 37) Naemſes , eine Stadt auf der Oſtſeite des Delta gegen
die arabiſche Wüſte hin , ſüdlich von Tanis oder Zoan , wo wahrſcheinlich damals Pharao ſeine
Reſidenz hatte. Von da wäre der nächſte Weg nach Canaan und in die Wüſte, wohin Moſes
verlangt hatte , um zu opfern (Daf. 5 , 1 ) wſtwärts gegangen , aber : „ Gott führte ſie nicht

auf dem Wege nach dem Lande der Philiſter , welches der nächſte war .... ſondern auf dem

Wege nach der Wüſte am rothen Meere “, ( 13, 17 ) alſo ſüdlich. Bei dieſer Ausbeugung nach
Süden nahi Moſes die Gebeine Joſephs mit ſich ( Daf. 13 , 19) , wohl ohne vom Volke

begleitet zu ſein . Der wunderbare Uebergang fand beim heutigen Suez ſtatt. Das rothe

Meer reichte früher weit über Suez gegen Norden hinaus , ſo daß der Durchgang nur auf
wunderbare Weiſe bewerkſtelligt werden konnte . Hinter den Iſraeliten ſchlugen die Wellen über

den nachgeeilten Truppen Pharao' $ zuſammen . *) Während des Aufenthaltes in der arabiſchen
Wüſte erhielt Iſrael vom Sinai die 10 Gebote, wie bereits erwähnt iſt. Wir wenden uns nun
wieder gegen die hl . Stadt und zu der von ihr nördlich gelegenen Landſchaft.

Weg nad Samaria und Nazareth .


1. Birey und Beitin.
Auf der Straſſe von Jeruſalem nach Nabulus, brei Stunden nördlich von der hl. Stadt

begegnet man dem Dorfe Bireh , welches auf der Mittagsſeite einer Anhöhe in ziemlidy
unfruchtbarer Gegend liegt und für das alte Beroth des Gebietes Gabaon gehalten wird.

Außer alten Grundbauten ziehen anſehnliche Architektur- Reſte des Spitzbogenſtyls die Aufmerkſamkeit
auf ſich. Es ſind die Ruinen einer ſchönen gothiſchen Kirche, welche wahrſcheinlich von den Tempel
Rittern, denen zur Zeit der Kreuzzüge der Ort zugehörte, errichtet wurde . Der Chor, die Mauern und
die Safriſtei ſind ſtehen geblieben ; erſtere umfaſſen 90 Fuß in der Länge bei 55 in der Breite.

Im Jahre 1598 war dieſe Mirdie ſchon großentheils zerfallen mit Ausnahme der Mauern und

*) Haneberg g . W. 55 ff.
256
Die übrigen Stätten des hl. Landes.

des Chors. Sie war Unſer lieben Frau geweiht , welche hier auf der Rückkehr voin Tempel

zu Jeruſalem nadh Nazareth ihr göttliches Kind vermißte und nach der Stadt , dasſelbe zu
ſuchen , umkehrte.
Rechts von der Straße trifft der von Jeruſalem kommende Wanderer am Südende des
Dorfes eine ſchöne fließende Quelle nebſt einem ſteinernen Troge , der mit einem kleinen
muſlimitiſchen Gebäude , einem Betorte , in Verbindung ſteht. Das Waſſer wurde vor Alters
in zwei große Behältniſſe etwas unterhalb an der anderen Seite des Weges geleitet, wovon ſich
noch Reſte erhalten haben . In einem dieſer Waſſerbehältniſſe ſind noch Theile von zwei ſeiner
Seiten ziemlich vollſtändig zu ſehen , während das andere ganz in Trümmern liegt . *)

In dem weiter nördlich gelegenen Dorfe Beitin erkennt man das alte Bethel , eine
der merkwürdigſten Städte Canaan's. In der Nähe Bethels wanderte Abraham mit ſeinen
Heerden umher, baute dem Ewigen einen Altar und rief ſeinen Namen an . I. Moſ , 12. Hier
( d)aute Jakob , als er nach Charan zog , die Himmelsleiter und rief vom Traum erwacht:
Wahrhaftig der Herr iſt an dieſem Orte und ich wußte es nicht! Wie heilig iſt dieſer Ort !

Hier iſt nichts anderes als Gottes Haus und die Pforte des Himmels. Alſo ſtand Jakob des
Morgens auf und nahm den Stein , den er unter ſein Haupt gelegt und richtete ihn zu einem
Zeichen auf und goß Del darauf und nannte den Namen der Stadt Bethel , die zuvor Luza
genannt ward.“ Nad der Rückkehr aus Meſopotamien baute Jakob einen Altar und erhielt
den Namen Iſrael und empfieng die Verheißungen Gottes . Die nachmalige Stadt , der Sitz
eines canaanitiſdhen Königs wurde Benjamin zugetheilt, in der Folge aber von Ephraim
erobert. Hier ſtand einige Zeit die Stiftshütte nebſt der Bundeslade , hier wurden unter
Samuei jährliche Gerichtstage gehalten . Joſias riß den von Jeroboam zu Bethel erbauten
Götzenaltar nieder, der die hl. Stätte geſchändet hatte. Nach den in der Folge über Judäa
hereingebrochenen Stürmen unterlag auch dieſe Stadt und in den Tagen des hl . Hieronymus
ſtand nur mehr ein kleines Dorf daſelbſt. Am Abhange des nordöſtlichen Hügel8 trifft man

noch umfangreiche Ueberreſte des Alterthums . **)

2. Die land daft Samaria.


Je näher der Weg dem Land der Samariter führt, deſto friſcher wird die Gegend im
Vergleid) zu Judäa ; manche Strecken ſind recht fleißig mit Del- und Feigenbäumen angepflanzt,

aber die Wege, abgeſehen von der ſteilen Senkung unvergleichlich ſchlecht. Mit andern als
arabiſchen Pferden wäre hier ſchlechterdings nicht fortzukommen . Auch hier begleiten den Weg

zahlreiche Feldgräber.***) Die Gegend öffnet ſich allmälig zu einer Thalweite , von ſchönen

Bergen umſtanden . Man gelangt dann thalabwärts mitten im Feld zu einem Quadergemäuer,

*) Robinſon II. 348. Tobler Top. II. 496.


** ) Gratz 345. Robinſon II. 342.
*** ) Stolz 350 ff.
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Bireh
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Cisterne
)
1
257
Weg nad Samaria und Nazareth.

von üppigem Kräuterwerk umſponnen . Es iſt hier der Brunnen , an welchem Unſer Herr mit
der Samariterin redete . Dieſer denkwürdige Brunnen war zur Zeit des hl. Hieronymus
mit einer Kirche überbaut, die von der Pilgerin Baula auch beſucht wurde. Dieſe Kirche ſtand
noch im Jahre 740 und der heilige Biſchof Willibald verrichtete dort ſein Gebet. Im

XII. Jahrhundert wird gleichfaus einer ſchönen Kirche an dieſer Stätte gedacht, welche Ende

des XIII. ſchon zerſtört ſein mochte. Der türkiſche Fanatismus hat auch dieſes Denkmal
weggefegt. Auch ein Frauenfloſter beſtand hier. Im XVII . Jahrhundert fand Duaresmius
daſelbſt nur mehr Grundmauern und Bruchſtücke von Säulen. Unten im Brunnen - Raum jah

er eine kleine Kapelle mit einem Altar.


Der Brunnen heißt bei den Chriſten gewöhnlich ,, Brunnen der Samariterin " . Seine

Deffnung iſt verſteckt, weßhalb man von einiger Entfernung aus denſelben nicht wahrnehmen
?
fann. Die Deffnung befindet ſich in einer Krypta inmitten der Ruinen der alten Kirche. Im

Gewölbe dieſer Krypta iſt ein Loch, das gewöhnlich durch einen großen Stein geſchloſſen iſt.

1 Man ſteigt durch dieſes Loch und kömmt in ein kleines , gewölbtes Zimmer , das halb mit
Trümmern angefüllt iſt ; und wenn man nicht Acht hat , läuft man Gefahr , in den Brunnen

zu fallen. Dieſer iſt im Winter und Frühjahr immer voll Waſſer, im Herbſt aber öfters ganz
trocken . Maundrell, welcher das Waſſer darin 15 Fuß hoch fand , ſagt , daß derſelbe 105 Fuß

tief und 5 Fuß breit ſei ; heutzutage iſt er nur mehr 75 Fuß lief, das Uebrige iſt mit Trümmern
angefüllt. Auf dem Boden liegen zerbrochene Säulen von grauem Granit ; andere Trümmer
ſind ringsherum zerſtreut. *)

Die Umſchau in dieſem fruchtbaren , gut angebauten Thal iſt außerordentlich ſchön ; auf

einer Seite deſſelben ſteht der Berg Garizim mit einer Moſchee, auf der andern der Berg.
Ebal . Der Landſchaft fehlt zur vollen Schönheit , hier wie in ganz Paläſtina der Wald . An

allen Bergen ſchaut das nacte Geſtein zwiſchen der zerriſſenen frühlingegrünen Bekleidung heraus .

Hier lag alſo Sidhar mit dem Jakobsbrunnen . Das hl . Evangelium erzählt :
Da kam Er zu einer Stadt in Samaria , mit Namen Sidhar ... daſelbſt war der

Jakobsbrunnen . Da nun 3eſus müde war von der Reiſe, ſetzte er ſich an den Brunnen nieder

... da kam ein Weib aus Samaria um Waſſer zu ſchöpfen . Jeſus ſprach zu ihr : Gieb mir

zu trinken ! . . das ſamaritiſche Weib erwiderte Ihm : Wie kannſt Du als ein Jude von mir zu
trinken begehren , da ich ein ſamaritiſches Weib bin ? denn die Juden haben keine Gemeinſchaft

mit den Samaritern . Jeſus antwortete und ſprach zu ihr : Wenn du die Gabe Gottes kennteſt
und wer der iſt, der zu dir ſagt : Gieb mir zu trinken , ſo hätteſt du ihn gebeten und er hätte

dir lebendiges Waſſer gegeben . Darauf ſprach das Weib zu Ihm : Herr ! Du haſt ja nichts zum

Schöpfen und der Brunnen iſt tief ; woher wollteſt Du denn lebendiges Waſſer nehmen ?
Jeſus antwortete und ſprach zu ihr : Wer von dieſem Waſſer trinkt , den dürſtet wieder. Wer

* ) Mislin 360.
33
1
1

258 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

aber von dem Waſſer trinkt , das ich ihm gebe , den wird nicht mehr dürſten in Ewigkeit.
Sondern das Waſſer, daß ich ihm geben werde , wird in ihm ſelbſt zur Quelle eines Waſſers

werden , das bis in das ewige Leben quilt. Da ſprach das Weib zu Fhm : Herr ! gib mir
ſolches Waſſer , damit ich nicht mehr dürſte und hierher zum Schöpfen kommen muß. Jeſus
{
erwiderte ihr : Geh ' hili, rufe deinen Mann und komm' wieder her ! Das Weib antwortete und

ſprach zu Ihm : Ich habe keinen Mann . Jeſus erwiderte ihr : Du haſt recht geſagt , ich habe
keinen Mann. Denn fünf Männer haſt du gehabt und den du jetzt haſt , der iſt nicht dein
Mann , da haſt du alſo die Wahrheit geſagt. Nun ſprach das Weib zu Ihm : Herr ! ich ſehe,
daß du ein Prophet biſt. Unſere Väter haben auf dieſem Berge angebetet und ihr ſagt , zu
Jeruſalem ſei der Ort, wo man anbeten ſoll. Jeſus ſprach zu ihr : Weib ! glaube mir, es kommt
die Zeit , wo ihr weder auf dieſem Berge noch zu Jeruſalem den Vater anbeten werdet. Thr
wiſſet nicht, was ihr anbetet ; wir aber wiſſen, was wir anbeten , denn das Heil kommt von den
Suden . Aber e fommt die Zeit und ſie iſt ſchon da , wo die wahren Anbeter den Vater im
Geiſte und in der Wahrheit anbeten werden, denn der Vater ſudyt ſolche, die Ihn alſo anbeten . 1
1
Gott iſt ein Geiſt, und die Ihn anbeten , müſſen 3hn im Geiſte und in der Wahrheit anbeten .
Da ſagte das Weib zu Ihm : Ich weiß , daß der Meſſias kommt. Wenn dieſer kommt, dann
wird Er uns Alles verkündigen. Jeſus ſpricht zu Ihr : Ich bin's, der Ich mit dir rede. Indeß
kamen ſeine Fünger .... das Weiß aber ließ ihren Krug ſtehen , lief in die Stadt und ſagte

zu den Leuten : Kommet und fehet einen Mann, der mir alles geſagt hat, was ich gethan habe,
ob er nicht etwa gar Chriſtus iſt .... Sie gingen alſo zur Stadt hinaus und famen zu

Thm. Ioh . IV. 5 ff.

Die ſchöne, blühende landſchaft läßt uns auch die Hinweiſung Unſereg Herrn auf die
große Aerndte , deren Saame von Ihm ausgeſtreut worden , recht lebendig auffaſſen und wirkt

mit, die geiſtige Bedeutſamkeit des Ortes und des Vorganges daſelbſt auch natürlicher zu erhöhen
und unvergeßlich zu machen.

In einiger Entfernung ſteht eine Art kleiner Kapelle , von den Mohammedanern über

dem Orte gebaut, wo die Gebeine Joſeph8 aus Aegypten beſtattet ſein ſollen . Die Juden zeigen
dieſe Stätte links vom Wege , der von Nablus nach Jeruſalem führt . Ihre Ueberlieferung iſt
ohne allen Zweifel hierüber am zuverläßigſten. Der hl. Evangeliſt Johannes IV , 5 bezeichnet
das Grab Joſeph's nicht weit vom Brunnen entlegen . Jakob hatte ſeinem vielgeliebten Sohne
ein Feld bei Sichem als Erbtheil und über den ihn treffenden Antheil gegeben und dort wurde
er begraben . Geneſ. 38, 22. Beim Auszuge aus Aegypten nahm Moſes die Gebeine Joſeph's 1

mit fich, wie Joſeph es ſich von den Söhnen Iſraels hatte verſprechen laſſen. Exod . 13 , 19 .
Im gelobten lande angekommen, begruben die Iſraeliten dieſe Gebeine an dieſem Orte, wie im
Buche Joſue zu leſen iſt: „ Und die Gebeine Joſeph's , welche die Söhne Iſraels aus Aegypten
gebracht hatten , begruben ſie zu Sichem auf dem Stücke Feldes , welches Jakob gekauft hatte
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Weg nach Samaria und Nazareth. 259

von den Söhnen Hemors , des Vaters Sichems, um den Preis von 100 Reſiten, und es war
eine Beſitzung der Söhne Joſeph’8 . 24, 32.
Hier endet die Geſchichte Joſeph's, eine der ſchönſten des alten Teſtamentes, die wir alle
mit Wohlgefalen gelernt haben ; hier hatte ſie auch begonnen . Hierher kam der kleine Joſeph

mit dem bunten Kleide angethan, um ſeine Brüder zu ſuchen . Aus dem Thale Hebron kam er nach
Sidhem . Und ein Mann fand ihn irregehend im Felde, und fragte ihn, was er ſuche. Er aber
antwortete : Ich ſuche meine Brüder, fag' mir, wo ſie die Heerden weiden ? Genef. 37 , 14.
Nach einer halben Stunde iſt die alte Stadt Sichem erreicht in dem jetzigen Nablus

oder Nabulus, welches den Verkehr zwiſchen Damaskus, dem Jordanthale und dein Mittelmeere
noch zur Stunde vermittelt und gut gebaute Häuſer mit Kuppeldächern , ſchöne Gärten und
Baumpflanzungen in der Umgebung zeigt. Die Stadt zählt über 8 Tauſend Einwohner,

worunter noch ſtrenge Samariter , welche an beſtimmten Tagen auf den Berg Garizim wall

fahrten und ſich von Juden und Mohammetanern ſtrenge abſcheiden. Sie beſißen eine Synagoge
und rühmen ſich einer Thora (die fünf Bücher Moſes) , welche von einem Enkel des Aaron
geſchrieben ſein ſoll. Auf dem Garizim finden ſich Ruinen eines ungeheuren Bauwerkes von

gehauenen Steinen, welche der gelehrte F. de Saulcy *) zuerſt gründlich unterſucht und als die

Ueberbleibſel des großen ſamaritaniſchen Tempels ausführlich nachzuweiſen geſucht hat .


Robinſon begnügte ſich hier mit der Tradition der Samariter, die dieſelben , Raſtelt " nennen .
Abraham lagerte an dem Orte, wo ſpäter Sichem aufgebaut wurde und Jakob ſchlug hier ſeine

Zelte nadı der Rückkehr aus Meſopotamien auf und kaufte , wie eben geſagt ward , von den
Kindern Hemors ein Stück Landes, das er ſeinem Sohne Joſeph ſchenkte.

In den Zeiten nach der Gefangenſchaft wurde Sichem der Heerd des ſamaritiſchen
Glaubens und Lebens . Der berühinte Juſtinus , welcher zu Rom im Jahre 167 den Glauben
an Chriſtus mit ſeinem Tode beſiegelte, war ein Sichemite. Im V. Jahrhundert ermordeten
die Samariter viele Chriſten und zerſtörten zu Sichem fünf Kirchen . Nady der Einnahme

Jeruſalems durch die Kreuzfahrer unterwarf ſich die Stadt und Tankret nahm Beſik von der

ganzen Landſchaft. Die beiden Berge „ Hebal “ und „ Garizim “ ſind durch die Erneuerung des
Bundes für die Iſraeliten denkwürdig geblieben. Der kahle Berg Hebal nördlich von Sichem

gelegen , wird durch ein ungefähr 3 Tauſend Schritte langes und 500 bis Tauſend Schritte

breites Thal , in welchem die Stadt Sichem lag , vom Garizim getrennt. Auf dem Hebal
mußten auf Moſes' Anordnung ſteinerne Denktafeln , mit den Grundgeſeßen Iſraels überſchrieben,

feierlich errichtet und ein ſteinerner Altar erbaut werden, um dem Herrn Dankopfer darzubringen.
V. Moj . 11 , 29. 27, 1-9 und Jof. 8. Außerdem ſollte auf dem Hebal der Fluch über alle

jene ausgeſprochen werden, welche die Saßungen des Herrn übertreten . „ Wenn ihr über den

*) Histoire de l'art Judaique 1858 pag. 360 ff. Eine Abbildung des Planes der Ruinen giebt nad
Saulch) aud Mislin 1860. III. Band, Taf. 5.
33 *
260 Die übrigen Stätten des hl. Landes .

Jordan gezogen , ſo ſollen Folgende , das Volk zu fegnen , auf dem Berge
Garizim ſtehen : „ Simeon , Levi , Judas, Iſſachar, Jofeph und Benjamin. Und

gegenüber ſollen Folgende ſtehen , zu fluchen (den Fluch der Leviten zu bekräftigen )
auf dem Berge Hebal : Ruben , Gad und Afer und Zabulon , Dan und Nephthali.“
Die Samariter behaupteten , daß auf dem Garizim , und nicht auf dem Hebal , der

Altar errichtet und das Opfer dargebracht ward und verfälſchten darum den hl. Tert, indem ſie
V Moj. 27, 4 ſtatt Hebal die Lesart Garizim unterſchoben.

Der Hebal, ein unfruchtbarer Felſen, hat mehrere natürliche Höhlen und Grotten, welche
ehebem zu Begräbnißſtätten dienten . Auf ſeinem Gipfel zeigen ſich noch Spuren früherer

Wohnungen . Der Hebal und Garizim überragen die Ebene nur 750 Fuß und ſtehen ſich gegenüber . *)
3. Stadt Samaria oder Sebaſtieh.

Dritthalb Stunden nordweſtlich von Sichem liegt die im X. Jahrhundert v . Chr. erbaute
Stadt Samaria , von welcher die Landſchaft den Namen erhielt. Herodes M. verſchönerte
die Stadt außerordentlich und erbaute zu Ehren des Kaiſers Auguſtus einen Tempel und nannte

darnach die Stadt geradezu Sebaſte oder Auguſta d . i . Kaiſerſtadt. Hierher fam Philippus
und predigte das Evangelium . „ Und die Schaaren merkten einmüthig auf das , was
Philippus ſagte , indem ſie die Zeichen Hörten und fahen , die er that ... A18

aber die Apoſtel, die in Jeruſalem waren , gehört hatten , daß Samaria das
Wort Gottes angenommen habe , fandten ſie den Petrus und Johannes zu ihnen .

Da dieſe gekommen waren , beteten fie für dieſelben , daß ſie den hl . Geiſt
empfangen möchten. Da legten ſie ihnen die Hände auf und ſie empfingen den
hl . Geiſt .“ Apoſtelg. VIII.
Aus dem IV. und V. Jahrhundert werden Biſchöfe dieſer Stadt erwähnt . Die Kreuz

fahrer richteten den Biſchofsſig von Samaria wieder auf in Jahre 1155 und die Johanniter

Ritter erbauten die prachtvolle St. Johanne 8-Kirche , welche noch heute in großartigen

Ueberreſten erhalten ſteht. Hier mag es geſtattet ſein , auf den Urſprung dieſes berühmten

Ordens zurückzuweiſen.** ) Er gieng von dem großen Hospital zu Jeruſalem aus , deſſen
Ruinen Oben beſchrieben wurden . Dies Hospital gründete Conſul Pantaleon filius Mauri de

Pantaleone de Mauro de Maurone Comite . Dieſer im XI. Jahrhundert in Unteritalien

lebende Pantaleon ließ die berühmten Broncethüren für die St. Pauls - Baſilika zu Rom in
Conſtantinopel verfertigen , die leider bei dem großen Brande 1823 zerſtört wurden . Er war

auf denſelben abgebildet zu den Füßen der Apoſtel , in Anbetung vor Chriſtus niedergeſunken ,
der ihn ſegnet . Auf der Schulter iſt er mit dem Kreuze geſchmüdt, das auf die Johann

übergieng . Er verwendete ſeinen ungeheuren Reichthum zu frommen Stiftungen und benügte

*) Grat 165. Mislin III, 364 ff.

** ) Zeitſchrift für chriſtl. Archäologie und Kunſt II . 1 , 35 und 3, 113.


VMNVS
EDOC

.
261
Weg nady Samaria und Nazareth.

feinen ausgebreiteten Verkehr mit dem Drient beſonders dazu , für die Chriſten allenthalben

Hospitäler und Pflege der Bedürftigen in's Werk zu ſetzen. Zu Antiochia hatte er eine ſolche
Anſtalt gegründet und die genannte zu Jeruſalem übertraf alle dieſer Art. Sie hieß von dem

Stifter Pantaleon aus Amalfi „ Das Hospital der Amalfianer zu Jeruſalem ". Der

nach Eroberung Jeruſalems durch Gottfried von Bouillon mit dieſem Hospitale verbundene

Ritter - Drden der Hospitaliter und Johanniter (fratres hospitalis S. Joannis ) widmete ſich
dem Krankendienſte und der Armen - Pflege, ſowie der Vertheidigung und Beſchützung der Chriſten .
Sie führten im Wappen ein achteckiges ſilbernes Kreuz im rothen Felde. Die Mauern der

Kirche, welcher man ſich von Weſten nähert , ſind bis zu einer beträchtlichen Höhe noch ganz
vorhanden und umſchließen einen großen Raum , worin jeßt eine Moſchee und das kleine

Gebäude über dem Grabe des hl . Johannes de 8 Täufer & fteht. Aus der Tiefe ragen

zwei hohe Palmen empor. Die Kirche mißt inwendig 153 Fuß in der Länge , außer einem

Portal von 10 Fuß , und 75 Fuß in der Breite . Das öſtliche Ende ragt über den Rand des

ſteilen Abfalls unterhalb des Dorfes hervor , iſt vollſtändig und zieht die Aufmerkſamkeit des

Reiſenden noch weit früher auf ſich, als er Sebaſtieh erreicht. Daſſelbe umſchließt den Altar

in einer gerundeten Niſche und zeigt runde Bögen über den Fenſtern, reiche Verzierung, beſonders

von Außen, während die oberen Bögen im Innern der Niſche und die großen Bögen im Schiffe
der Kirche ſpit ſind. Lettere ruhen auf Säulen , deren Kapitäle mit Verzierungen , ähnlich dem

Stamme des Palmbaumes , geſchmückt ſind. Die Fenſter liegen hoch hinauf und ſind ſchmal

und die ganze Kirche hat zugleich das Anſehen einer Kriegsſchußwehr. Die ſüdliche Mauer hat

außen ſchlanke Strebepfeiler. Zwei oder drei große Marmortafeln im Innern enthalten viele

in erhabener Arbeit gemeißelte Kreuze des Drdens der Johanniter- Ritter. Auch hier ſcheint ein

früherer Bau in der erwähnten Periode umgewandelt worden zu ſein . Zu dem Grabmal des

hl. Johannes, das die Araber in hohen Ehren halten, ſteigt man auf 21 Stufen hinab . Es iſt

eine kleine, tief in den Felſen ausgehöhlte Rammer. Schon zu des hl. Hieronymus Zeit wurde

hier der Begräbnißort des hl. Johannes verehrt. Da die Enthauptung zu Machärus am todten

Meere vollzogen worden war , ſo müſſen die Gebeine des Vorläufers Chriſti ſchon frühe nach

Samaria gebracht worden ſein , da ſelbſt die Heiden davon wußten und unter Kaiſer Julian
Apoſtata im Jahre 361 zu Samaria das Grabmal erbrachen und gegen die hier bewahrten
Reliquien wütheten. Auch die Grabmäler des Eliſäus und Abdias wurden vor Alters hier

gezeigt. Das jeßige unanſehnliche, von rohen Arabern bewohnte Dorf Sebaſtieh, Usbuſte, liegt

an der Oſtſeite des Berges, welcher mitten in einem großen unfruchtbaren Beden ſteht und bis
zum Gipfel bebaut iſt. Den Gipfel frönen Ruinen einer griechiſchen Kirche ſammt Kloſter .
Die Ausſicht bei dieſen Ralfſteinſäulen in die Umgegend und auf das Mittelmeer macht dieſen
Berg doppelt anziehend. Die ſchönen blauen Lilien auf der Höhe erinnern einen Pilger

an den hl. Johannes den Täufer , deſſen edle reine Gerechtigkeit, ſeinen gerade zum Himmel
ſtrebenden Charakter dieſe Pflanze am ſchönſten ſinnbildet. An der Weſtſeite des Berges
262
Die übrigen Stätten des hl. Landes.

begegnen noch viele Trümmer von den herobianiſchen Prachtbauten , worunter eines majeſtätiſche
Colonnade von mehr als 60 Säulen mitten in gepflügten Feldern ganz vorzüglich die Auf

merkſamkeit feſſelt. Viele andere Säulen aber liegen zerbrochen umher, da die Eigenthümer der

Felder zum Terraſſenbau ihrer Weinberge dieſe mächtigen Trümmer verwendeten . Auch an den
Häuſern bemerkt man Fragmente alter Säulen und Sculpturen , wie ja das ganze Dorf aus
Ueberreſten der alten Sebaſte erbaut iſt .* )

4. Die landi dhaft G alilä a.


In der Richtung von Süd gegen Nord führt die Straße bei Dichenin über die Grenze
Samaria's nach Galiläa , abwärts in die große Ebene von Estrelon , welche mit Gras und
üppigen Kräutern bewachſen iſt und ſchöne Weideplätze für die edlen arabiſchen Pferde bietet.

Dieſe Ebene , welche auch Jezrael heißt , dehnt ſich vom Karmelgebirge gegen den Jordan hin
und wird im Norden von dem Hochlande Galiläa , im Süden von den Bergen Samaria's
begrenzt. Sie erſtreckt ſich von Weſt nad Oſt gegen adyt bis zehn und von Süd nach Nord

gegen vier bis fünf Stunden . An der ſüdlichen Seite iſt ſie von vielen niedrigen Anhöhen

umgeben, welche von Dichenin bis zu ihrer Vereinigung mit einer Ausdehnung des Rüdens vom
Karmel in nordweſtlicher Richtung laufen. Dieſe Anhöhen ſteigen weiter ſüdlich und bilden die
Berge von Samaria. Dieſe in einem Hügelſtrich beſtehende Ausdehnung des Karmel nach

Südoſt trennt auch die große , längs der Küſte ſich erſtreckende Ebene Saron von der Ebene
Esdrelon . Der Weg nach Nazareth führt in ziemlicher Höhe nach einigen Windungen in ein

grünes , von Bergen umfangenes Thal , an deſſen nördlicher Seite , über den Bergkeſſel etwas
erhöht Nazareth liegt.

5. Nazareth .
Die Stadt Nazareth , im Arabiſchen en - Naſirah genannt , liegt an der weſtlichen Seite
eines ſdmalen , länglichen , etwa von S. S. W. nach N. N. D. ſich erſtreckenden Bedens von
vielleicht 20 Minuten Länge und acht oder zehn Minuten Breite . Die Häuſer ſtehen auf dem
untern Theile des Abfalls des weſtlichen Berges, welcher ſich ſteil und hoch über ſie erhebt, oben 1

mit einem Welt, Namens Neby Iſmail. Nach Norden ſind die Berge nicht ſo hoch, im Oſten
und Süden ſind ſie niedrig. Im S.D. zieht ſich das Becken zuſammen und ein enges und gekrümmtes

Thal läuft nach der großen Ebene aus. Von dem Becken gehen verſchiedene Wege aus, ſo im
Norden nach Sefurien und Afka, im N. D. nad, Refr Renna und Tiberias, im Oſten zum Berge Tabor ,

im S.W. nach der Ebene Estrelon und Iafa. Die Häuſer der Stadt ſind im Allgemeinen von Stein

wohl gebaut, ſie haben nur flache Dächer wie Terraſſen und zwar ohne die in Jeruſalem und im

Süden von Paläſtina jo gewöhnlichen Ruppeln. Das maſſivſte und größte Gebäude oder viel
mehr aus vielen einzelnen beſtehende Vauwerk iſt das lateiniſche Kloſter**) mit der Mariä

* ) Gray $. 184. Robinſon III. 1, 370. A. Stolz 358.


**) Robinſon III, 1 , 419.
ARA

NAZARETHI
)
'
1
Weg nady Samaria und Nazareth. 263

Verkündigungskirche, und einer Knaben- und Mädchen - Schule der katholiſchen Miſſion.
Die Kirche iſt im italieniſchen Styl erbaut und reich geſchmüct . In der Nähe des Eingang!
ſteigt man mehrere Marmortreppen hinab in eine Kapelle, deren Decke und Wandung aus

Fels beſteht. Dieſer Ort wird als das Zimmer verehrt , wo der Engel Maria die Botſchaft

brachte; die Häuſer in Nazareth haben nämlich öfters ganze Kammern in die vom anſteigenden
Berg gebildete Felswand eingehauen . Jegt ſteht an der Stelle ein ſchöner Altar , deſſen
Höhlung mit mehreren ſilbernen Lampen ſtets beleuchtet iſt und auf dem Marmorboden mit
goldglänzenden Buchſtaben die Inſchrift enthält :

Verbum hic caro factum est.

Hier iſt das Wort Fleiſch geworden .


,, In derſelben Zeit ward der Engel Gabriel von Gott geſandt in eine Stadt in Galiläa,

mit Namen Nazareth . Zu einer Jungfrau, die verlobt war mit einem Manne, genannt Joſeph ,
aus dem Hauſe Davids ; der Name der Jungfrau war Maria . Der Engel kam zu ihr hinein

und ſprach: Sei gegrüßt Du Hochbegnadigte! der Herr iſt mit Dir , du Geſegnete unter den
Weibern ! Da ſie aber dies hörte , erſchrac ſie über feine Rede und dachte bei ſich , was für

ein Gruß dies ſei . Und der Engel ſprach zu ihr : Fürchte Didy nicht Maria ! denn Du haſt

Gnade gefunden bei Gott : Sieh ! Du wirſt empfangen und einen Sohn gebären ; und ſeinen

Namen ſollſt Du Jeſus nennen . Dieſer wird groß ſein und der Sohn des Allerhöchſten genannt

werden ; Gott der Herr wird Ihm den Thron ſeines Vaters David geben und Er wird König

ſein über das Haus Jakobs in alle Ewigkeit und ſeines Königreiches wird kein Ende ſein .
Maria aber ſprach zu dem Engel : Wie kann dies geſchehen, da ich keinen Mann erkenne ?
Der Engel antwortete und ſprach zu ihr : Der heilige Geiſt wird über Dich herabkommen und

die Kraft des Allerhöchſten Dich überſchatten ; darum wird auch das Heilige , das aus Dir
geboren wird , Sohn Gottes genannt werden . . . Denn bei Gott iſt kein Ding unmöglich.
Da ſprach Maria : „ Sieh die Magd des Herrn ! mir geſchehe nach deinem Worte. "
Luc. I, 26 ff.

In dieſer Stadt verlebte Unſer Herr feine Jugendjahre in ſtiller Zurückgezogenheit und
ward deßhalb der Nazarener genannt und nach ihm die erſten Chriſten . Nachdem er Galiläa

durchwandelt und durch ſein göttliches Wort und allmächtiges Walten Viele zu ſich gezogen hatte,
kam Er wieder nach Nazareth , gieng am Sabbate in die Synagoge und ſtand auf , um zu

leſen . Er erregte aber durch ſeine Worte den Zorn der Juden und ſie ſtieſſen Ihn zur Stadt

hinaus , führten Ihn auf die Anhöhe des Berges , auf welchen die Stadt gebaut war , um Ihn
hinabzuſtürzen. Er aber ſchritt mitten durch ſie hin und ging von dannen. Luc. 4, 17 .

Der jetzt dafür gehaltene Berg iſt von ſchauerlichen Felſen umgürtet. Auch Nazareth
hat den Wechſel der Herrſchaft über Iſrael mitempfunden und obwohl im VII. Jahrhundert
chriſtliche Pilger daſelbſt Kirchen beſuchten, Nazareth im XII. einen Biſchofsſitz bildete, ſo verfiel

es nach der verhängnißvollen Schlacht bei Hittin in Folge der daran anknüpfenden Verwüſtungen
1
264 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

ſchnell und die Franziskaner bauten nur mit vieler Mühe 1620 die Kirche der Verkündigung
wieder auf und ſtellten 1730 das Kloſter her, worauf allmälig auch andere Gebäude dem Schutte
entſtiegen. Das Städtchen zählt gegenwärtig 3500 Einwohner , worunter 600 Katholiken,
250 unirte und 1200 ſchismatiſche Griechen ſind. Seit dem Jahre 1854 haben franzöſiſche
-

Jungfrauen voll Edelmuth den Krankendienſt und Unterricht der weiblichen Jugend übernommen,
und führen den Namen „ Frauen von Nazareth ". In dieſer Schule werden die Rinder aller

Befenntniſſe unterrichtet. Nazareth gleicht noch heute einer Blumenſtadt von iieblicher Anmuth .
Der Gluthwind der Wüſte , ſagt Sdubert, wenn er ſchmachtend vor Durſt aus der ſüdöſtlichen
Landſchaft hier eintritt in das von grünenden Höhen umſchloſſene Thal , fühlet da alsbald ſeine
Stirn und wird zum wohlthätig wärmenden Luftſtrom , der den Purpur der Granaten früher
reift und die Fülle der Drangen , des Weinſtocs und des Delbaums zeitiget. Von dem Berge
über Nazareth genießt man eine herrliche Ausſicht über die Ebene Estrelon vom Tabor bis zum

Karmel und zum Mittelmeere ; auch der ſchneebedeckte Gipfel des Libanon bietet ſich dem Auge

dar und weckt die Erinnerung an längſt dahingegangene Tage . Eine Viertelſtunde von Nazareth,
wo die tiefe Bergſchlucht in ein baumreiches Thal ausmündet, ſteht das griechiſche Kloſter und

in deſſen Nähe ergießt ſich eine fleine Quelle , der Brunnen Mariens genannt, an welchem
die hl . Jungfrau Waffer ſchöpfte. Es iſt die nädyſte Waſſerquelle und die Frauen und Töchter

von Nazareth holen das Waſſer darum noch immer an dieſem Brunnen . Auch der Ort , wo
das Wohnhaus des Nährvaters Jeſu , des hl. Joſeph geſtanden , wird zwiſchen Türkenhäuſern

gezeigt . Ein Pilger *) nennt dieſes Hochthal von Nazareth die ſchönſte Zelle der Welt , welche

den Verkehr mit irdiſchem Getümmel abſperrt ; eine Heimath, wie Maria eine Mutter war.

Umgebung von Nazareth .

1. Sana.

3m Nordoſten von Nazareth, 19/2 Stunden entfernt, auf einem der Wege nach Tiberias

liegt das kleine Dorf Refr Renna, welches die ſpätere Tradition für das Cana erklärt, woſelbſt

Jeſus das erſte Wunder gewirkt, indem er Waſſer in Wein verwandelte . ( Joh . 2. )
Es iſt ſtufenförmig an einen Hügel gebaut und von ähnlichen Anhöhen umgeben . Ruinen
einer Kirche und eines Hauſes ſind noch vorhanden , welches das des Apoſtels Bartholomäus
genannt wird .

Uebrigens hat die frühere Ueberlieferung und deren Entfernungsangaben über Cana mit

dieſem Refr Kenna nichts Uebereinſtimmendes , während ihnen zufolge die Ruine Kana el
Didelil , drei Stunden nördlich von Nazareth , entſchieden als das neuteſtamentliche Cana
anzuſehen iſt. **)

*) Stolz 372 .
**) Gra 411 nach Robinſon JII. 1 , 443 .

CUTA

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Umgebung von Nazareth . 265

1
2. Sepphoris.
1
Weiter weſtlich davon am Fuße einer Anhöhe, 11/2 Stunden nordweſtlich von Nazareth

iſt das Dorf Sefurieh beachtenswerth , da es die Stelle der alten Stadt Sepphoris
(Zippori) einnimmt und früher den Namen Setron führte. Cetron war dem Stamme

Zabulon zugefallen.* ) Sepphori8 gilt für den Wohnort von Joachim und Anna , der
Eltern der hl. Jungfrau Maria, deren Andenken auch die Kirche daſelbſt geweiht war. Unter
Conſtantin erbaute hier nach dem Beridite des Epiphanius , ein Vornehmer , Namens Joſeph
eine Kirche und zu gleicher Zeit auch eine zu Tiberias. Sie wird im VI. Jahrhundert eine

Baſilika genannt. Die Kreuzfahrer errichteten eine prächtige Kirche an der Stelle, wo man
das Wohnhaus der hl. Eltern vermutete. Sie hatte 3 Schiffe, die in Halbrunden Niſojen
1
oder Apſiden endeten . Die auf der Anhöhe noch ſtehenden Ueberreſte zeigen von großer

Schönheit des Baues . Um in den Chor dieſer ehemaligen Kirche zu gelangen , mußte Mislin

ſich durch allerlei verfallenes Gemäuer , Säulenſtücke und einige in der Mitte des Sciffes
befindliche, von Muſelmännern bewohnte Hütten hindurchwinden. In dieſer , der hl. Anna
geweihten Kirche fand man Gemälde auf Syfomorenholz, welche nach Cambridge gebracht
wurden . Sie haben ſich erhalten , ohne daß das Holz von Würmern angeſtodien war. Sie
1
ſollen über das X. Jahrhundert hinaufreichen. Das Eigenthum des Grundes iſt den Fran
ziskanern geblieben , die einmal des Jahres hierher kommen , die hl. Meſſe zu leſen . Das i

jezige arme Dorf Sefurieh nimmt einen Theil des Hügels ein, auf dem die ehemalige Stadt
1
geſtanden hatte . Auf der Spige des kleinen Berges ſieht man die ſehr beträchtlichen Ruinen

einer Feſtung des Mittelalters , welche ohne Zweifel die Stelle der früheren Afropolis von

Dio- Cäſare a einnahm , welches der Name von Sepphoris wurde, nachdem Herodes Antipas
1
dasſelbe befeſtigt und Herodes Agrippa II. den Herrſcherſitz von Tiberias hierher verlegt hatte . **)
3. Berg der Seligkeiten. I

Jenſeits Refr Renna wendet ſich der Weg nach dem Tiberiasſee in ein breites Thal , 1
deſſen Bergwände zur Rechten wie zur Linken aus Kreidekalk gebildet ſind, während ſich in ſeiner
Mitte an vielen Stellen der Baſalt , in kleine Säulen geſondert , zeigt. In dem Ralfgebirge

ſieht man natürliche, auch wohl durch Menſdenhand erweiterte Grotten . Das grünende Gefilde, 1

das noch jetzt ohne Pflege der Menſchenhand ein Feld der verwilderten Waizenähren , freilich

untermiſcht mit zahlloſen Diſteln iſt, wird von der driſtlichen Sage als jenes erkannt , auf
1
welchem die Jünger am Sabbath Aehren rauften und ihr Korn zur Stillung des Hungers
genoſſen. (Matth. 12. Marc. 2, 23. Luc. 6.)

Nahe zur linken des Weges ſteht der ſeltſam tafelförmig aufſteigende Berg der
Seligkeiten mit ſeinen beiden aufwärts gebogenen Enden da wie der kleine Thron eines

*) Richt. I, 30 .
** ) Mislin g. W. III, 507.
34
.

i.
266 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

Mädytigen , deſſen Fußidhemel der Erde Feſte iſt. Hier verweilte Unſer Herr nach alten chriſtlichen
Nachrichten im Gebete , wählte aus ſeinen Jüngern die 12 Apoſtel aus und hielt vor der

Menge Volkes, das Ihm allenthalben nachgefolgt war, die ewig denkwürdigen Neden , in welchen
Er die Seinigen in der wahren Glückſeligkeit unterwies und gottliebende Geſinnung forderte,
welche die Handlungen durchdringen und aus ihnen hervorleuchten ſoll. (Matth . IV und V.)

Bei den Arabern heißt dieſer Berg Rerun el Hittin , Hörner von Hittin und

erinnert tadurch an jene verhängnißvolle Schlacht in der Ebene von Hittin , welche am 5. Juli
des Jahres 1187 das chriſtliche Heer und die chriſtliche Macht in Paläſtina vernichtete. Gerhard
von Betford , der ſtaarſinnige Großmeiſter der Templer führte durch ſein hochmüthiges

Selbſtvertrauen den Untergang ſeiner Glaubensgenoſſen eigentlich herbei , indem ſein Ohr für
jeden vernünftigen Rath taub war. Er hatte ſchon am erſten Mai 140 Nitter und 500 Fuß

Fenechte im Gefilde Esdrelon planlos auf die Schladitbank geführt. Das Fußvolk, der er durch

übereiltes Vorgehen den Schutz der Ritter entzogen , war zuerſt der feindlichen Uebermacyt
erlegen , die Ritter ſelbſt durch ihren Führer in einen engen Raum gerathen , an welchem ſie
weder gegen den Türfen anrennen , noch ihre Lanzen anlegen konnten . Da geſchah es , daß

dieſe Löwen im Kampfe , welche mit Ausnahme des ſchmählich entfliehenden Großmeiſters die
Siegespalme der Martyrer der ſchimpflichen Flucht vorzogen , zulegt den leichten Waffen der
Feinde erlagen , welche ſonſt gleich Binſen vor ihrem Schwerte zerſplittert waren . Der edle

Großmeiſter der Hoſpitaliter, Roger du Moulin , war unter den Gewaltigen und vor Allem der
Sdređen der Heiden, der weiße Ritter Jakob von Mailly . Die Kraft dieſes Mannes erſchien
den Heiden als eine ſo übermenſchlide , daß ſie zuletzt dem noch in ſeinen Todeswunden

Kämpfenden nicht mehr zu nahen wagten, ſondern ihn nur aus der Ferne, wie einen belagerten

Thurm , durch ſteinerne Geſchoſſe zerſchmetterten , ja daß ſie ſelbſt den blutgemiſchten Staub
von ſeinem Leichname auf ihren Nacken legten , um hiedurdy, wie ſie wähnten , Kräfte dieſes
Helden an ſich zu ziehen .

Aehnliche Wunder der Tapferkeit hatte der Mitfämpfer des weißen Ritters , Heinrich

der Hoſpitaliter, nody im Sterben gethan . Der Anſtifter dieſes Unglüds, Gerhard v . Betford,
war entfommen , um bei Hittin, nicht wie hier am erſten Mai hundert und vierzig, ſondern faſt
die ganze edle Ritterſchaft des heiligen Landes, zwei Tauſend an der Zahl mit ihren achtzehn

Tauſend Lanzknechten und einem ganzen Heer der Bogenſchützen und leichten Neiter in die Hand

der Feinde zu geben . Alle nachlerigen Züge und Anſtrengungen des chriſtlichen Abendlandes
vermochten dieſen Verlurſt nicht mehr zu erſetzen und Paläſtina auf die Dauer wieder zu gewinnen.
4. Tiberia 8 und der See Genefar et h .

Wenn der Abhang der mit dieſem traurigen Angedenken behafteten Ebene erreicht iſt,
erfreut den Pilger der ungehemmte Blick hinab nach dem See von Tiberias Geneſareth

oder das galiläiſdie Meer genannt und ſeinen grünenden Uferbergen. Der zum See hinab

führende grasreiche Abhang gilt als die Stätte , wo Unſer Herr durch die wunderbare Brod
:
.

Skiner
Halbrerter
Brud
Tiseecmanni

. TIRBIRIS
Umgebung von Nazareth. 267

i
Vermehrung die Schaaren hungernden Volkes ſättigte , wie das Evangelium (Ioh . VI .) erzählt.
Der Abhang iſt ſteil. Das Hinabſteigen bis zum Ufer des Sees dauert gegen eine Stunde

und das ehedem ſo herrliche Tiberias liegt vor Augen in der jeßigen , aus den Ueberreſten

der Vorzeit erbauten trümmerreichen Stadt Tubariyeh . Die ſchmale fruchtbare Ebene , in
welcher die Stadt liegt, lehnt ſich an den See Geneſareth als weſtliches Geſtade deſſelben. Wie
die Stadt am 30. Oktober 1759 durch ein Erdbeben heimgeſucht wurde , ſo erfolgte 1837 und

1847 eine heftige Erderſchütterung, wobei viele Häuſer zuſammenſtürzten , ſo daß die heutige
Stadt ein Bild der Armſeligkeit darbietet. Dicht am Ufer des Sees im nördlichen Stadttheile
wird in der Beterskirche, deren Gewölbe zum Theil eingeſtürzt iſt, der Ort verehrt, wo der

auferſtandene Heiland dem Apoſtel Petrus den letzten Auftrag ertheilte (Joh . 21 ) . Die Stadt
wurde von Herodes Antipas erbaut und nach ſeinem Gönner , dem Kaiſer Tiberius , benannt.
Unſer Herr [dpeint dieſelbe nie betreten zu haben ; hingegen war Er auf dem See und an deſſen

ſchönen Geſtaden wiederholt als Heiland und Lehrer thätig, ſo daß ſich die erhebenſten Erinnerungen
an dieſe Landſchaft knüpfen . Trotz der Trägheit der Menſchen gedeihen hierum die edelſten
Südfrüchte, deren Wachsthum der weite ſchüßende Bergkeſſel mit ſeinen Terraſſen - Stufen
begünſtigt. Der roſenfarbige Schimmer der zahlreichen Oleander-Gebüſche, die wie ein Morgen

roth der Tiefe über Thal und Hügel ſich hinwegziehen , verbreitet einen ganz eigenthümlichen
Reiz über die Landſchaft, welche noch jetzt, namentlich in den erſten Frühling8 - Monaten die
angenehmſte und ſchönſte in ganz Baläſtina iſt. Sie iſt wohl die wunderreichſte Gegend der
Erde zu nennen , da Chriſtus hier ſo oft und ſo gerne verweilte und ſich als denjenigen erwies,

dem alle Macht gegeben . Um den reizenden See Geneſareth lagen ja wie in einem lieblichen
Kranze die Städte Capharnaum , Tiberias , Bethſaida , Taridhia , Chorozain und
andere herum, welche die Zeugen der göttlichen Weisheit und liebe Unſers Herrn waren . Aus
den Fiſchern an dieſem See wählte Er ſeine erſten Jünger, Petrus, Andreas, Johannes und Jacobus
und machte ſie zu Menſchenfiſchern. Matth . IV . 18. Unzählige ſtrömten herbei , ſein Wort zu
hören und Hilfe in Bedrängniſſen zu erfahren . Auf dieſem See ſchlief Unſer Herr im Schiffe
und gebot dem Sturme durch ſein Wort. Matth . VIII. 23. Hier lehrte Er vom Schiffe aus,
da ihn das Volk brängte. Luc. V. 3. Balb darauf bewies er den Süngern wiederholt, daß ihm

die Natur und alle Creatur unterthan ſei , als Er zu Betrus geſprochen : Fahrt hinaus in die
i
Tiefe und werfet eure Neße zum Fange aus. Da antwortete Simon und ſprach: Meiſter!
wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen ; aber auf Dein Wort will ich das
Netz auswerfen . Als ſie dies gethan hatten , fiengen ſie eine große Menge Fiſche, ſo daß ihr
Netz zerriß. Luc . V. Nach der wunderbaren Speiſung der Fünftauſende hieß der Heiland ſeine
Jünger im Schiffe nach Bethſaida hinüberfahren , während er auf den nahegelegenen Berg
gieng , um zu beten . Als es ſchon ſpät geworden und ſie mitten auf dem See waren , und

große Mühe im Rudern hatten , weil der Wind ihnen entgegen war, da kam Er wandelnd auf

dem Meere um die Morgenfrühe zu ihnen und reichte dem Petrus , da dieſer auf dem Waſſer
34 *
268
Die übrigen Stätten des hl. Landes.

entgegeneilend zu ſinken anfieng, ſeine Hand, indem Er ſprach : Du Kleingläubiger ! warum haſt

du gezweifelt ? Und da ſie in das Schiff getreten waren , legte ſich der Wind ; die aber im
Schifflein waren, kamen herzu , beteten Ihn an und ſprachen : Wahrlich! Du biſt Gottes Sohn !

Jeſus erſchien auch nach ſeiner Auferſtehung den Jüngern am See Geneſareth und aß mit
ihnen ; hier war es , wo Er das ewige Reich ſeiner Kirche gründete und zu Petrus ſprach:
Weide meine Lämmer ! Weide meine Schafe! Ioh. XXI. 1. ff. Hier ſetzte ſich Unſer Herr
ſo gerne nieder, um ſeinen Mund zu Gleichnißreden zu öffnen, das Geheimniß ſeiner Sendung

in die Herzen niederzulegen und ſeine Worte durch wunderbare Handlungen vor dem hart
gläubigen Geſchlechte zu beweiſen . Zu Capharnaum verhieß er das Brod des Lebens in ſeinem
Fleiſch und Blut. Kurz die ganze Landſchaft gemaậnt allerorts an die Anweſenheit Unſers
Erlöſers zur Rettung der Menſchen .

5. Berg Tabor.
Vom „ See des Herrn “ oder dem „galiläiſchen Meere" ſüdweſtlich erhebt ſich in geringer
Entfernung der Berg Tabor gleich einem Hochaltar der Natur zum Himmel. Er ſteht von
1: drei Seiten frei in der Ebene und übertrifft bei einer Erhebung von 1747 Fuß über der
Meeresfläche die benachbarten Berge uin mehr als 200 Fuß an Höhe . Sein Gipfel, mit Eichen,
Geſträuchen und hohem Graſe bewachſen, bildet eine ovale Ebene, deren Ausdehnung eine halbe
Stunde und eine Breite von etwa acht Minuten beträgt . Mächtige weitläufige Ruinen , wie

von zerſtörten Feſtungswerken , ſtehen in dieſer blumenreidyen Umgebung, wie der Winter nebent
dem Frühling ; Kirchen , Klöſter , Häuſer und Befeſtigungen ſind jetzt zerfallen ; der Türke iſt

ſchon lange mit ſeiner Verwüſtung darüber gefahren und nun iſt es wieder einſam , unendlich
einſam da ! Die Schönheit der Natur dieſes Berges und die Ausſicht auf die ganze Herrlichkeit
Galiläa's , ſeine prächtigen Gebirge bis zum Meere hin , läßt ſich nicht beſchreiben . Da Unſer
Herr auf dieſem Berge einen Augenblick die Knechtsgeſtalt von der Gottheit durdyleuchtet ſichtbar
machte, dies alſo die einzige Stelle auf Erden iſt, wo die Gottheit aus der Wolke des Menſchen
Leibes hervorbrach und ſich Jeſus als den Sohn des Königs der Welt zeigte , fo mag es Ihm,

der jetzt zur Rechten des Vaters fikt, gefallen haben , dieſen Berg als einzigen Ort des Andenkens
ſeiner Herrlichkeit auf Erden ſo ſchön durch die Jahrhunderte zu bewahren . Auf dieſem Boden
iſt, wie nirgends auf der Welt, Himmel und Erde, tauſendjährige Vergangenheit und Gegenwart
in einander gefloſſen die drei Apoſtel der Zukunft auf dem Boden , die großen Apoſtel des

alten Teſtaments in übernatürlicher Erſcheinung , der Gottmenſch in himmliſcher Verklärung und

vom Himmel die Stimme des ewigen allmächtigen Vaters .

Dieſe Heiligkeit der Stätte und Frühlingsfriſche der Natur machen den Tabor zum
ſchönſten unter allen Bergen der Erde. Gleidy einem Thautropfen auf dem Blatt der Roſe

der auf ſeiner klaren Fläche den blauen Himmel und den Strahl der Sonne abſpiegelt, ſteht
der „ heilige Berg “ da über der grünenden Ebene von Edrelon und die Erinnerungen , die in dem

Schatten ſeiner Eichen erwachen , ſind herrlicher als der Strahl der Sonne und das Blau des
:

ᎢABO

Ꮢ.Ꭰ
Umgebung von Nazareth . 269

Himmels iin Spiegel des Thautropfens . Wie dem Angeſichte eines Menſchen , welcher zur That
der höheren Begeiſterung beſtimmt war , glaubt man dieſem Berge es anzuſchen , daß der,

welcher ihm ſeine Geſtalt gab, mit ihm Gedanken einer künftigen Verherrlichung hatte.
,, In derſelben Zeit nahm Jeſus den Petrus , Jacobus und deſſen Bruder Johannes mit

ſich und führte ſie von den Andern weg auf einen hohen Berg .
Da ward Er vor ihren Augen verklärt und ſein Angeſicht leuchtete wie die Sonne, ſeine

Kleider aber wurden weiß, wie Schnee.


Und ſieh ! es erſchienen Mofes und Elias vor ihnen und redeten mit Ihm . Petrus aber
nahm das Wort und ſprach zu Jeſus : Herr ! hier iſt gut ſein für uns ; willſt Du , ſo bauen

wir hier drei Hütten, für Dich eine, für Mofes eine und für Elias eine.
Da er noch redete, ſieh ! da überſchattete ſie eine lichte Wolke ; und ſieh ! eine Stimme

aus der Wolke ſprach : Dieſer iſt mein geliebter Sohn , an dem ich mein Wohlgefallen habe.

Dieſen höret !
Da die Jünger dies hörten , fielen ſie auf ihr Angeſicht und fürchteten ſich ſehr. Jeſus
aber trat zu ihnen hin, rührte ſie an und ſprach zu ihnen : Stehet auf und fürchtet euch nicht.

Da ſie nun ihre Augen erhoben , ſahen ſie Niemand mehr , als Jeſum allein ." ( Matth . 17.)
Wie ſein Leiden und Tod hatte audy. ſeine Verherrlichung auf einem Berge ſtatt. Die

katholiſche Chriſtengemeinde Nazareths begeht hier alljährlich das Feſt der Verklärung Unſeres
Herrn . Zufolge einer chriſtlichen Sage ſoll bei der am Fuß des Tabors gelegenen Ortſchaft

Daburieh die Stätte geweſen ſein , wo der Heiland, als er vom Berge herniederkam , die
zurückgebliebenen Jünger nebſt einer großen Schaar Volkes traf, ſowie den Vater, welcher ſeinen

mondſüchtigen Sohn herbeigebracht hatte. *)


6. Andere Stätten dieſer Gegend.
Vom Tabor jüdweſtlich lag die Stadt Naim , wo der Heiland am Stadt- Thore ben

einzigen Sohn einer Wittwe vom Tode zum Leben erwedte und der weinenden Mutter zurück

gab . Luc . VII. 11. Das heutige Dörfchen Nain hat nur mehr etliche arme Wohnungen,
welche ſich unregelmäßig an große Steinhaufen anlehnen. Weiter öſtlich, dem Jordan zu iſt

noch Endor bemerkenswerth , wo Saul die Zauberin befragte über den Ausgang der Schlacht

bei Gelboe . Das jetzige gleichnamige Dorf am nördlichen Abfall des kleinen Hermon entſpricht
genau der alten Lage von Endor. Saul wnrde übrigens beſiegt und ſtürzte ſich in ſein Schwert.
Drei ſeiner Söhne kamen mit ihm um . I Rön . 30. 3m Deuteronomium lieſt man : Wenn

du in's Land kommſt , welches der Herr , dein Gott dir geben wird , ſo hüte dich, nach den
Gräueln jener Völker thun zu wollen . Es ſoll unter dir keiner gefunden werden , der ſeinen
Sohn oder ſeine Tochter durch's Feuer gehen läßt , ſie zu reinigen , oder der die Wahrſager

frägt und auf Träume und Vorbedeutungen achtet, oder ein Zauberer , noch ein Beſchwörer,

* ) Stolz 379. Soubert III. 175. Gra g 159 ff.

1
2
270 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

noch einer , der die Pythonsgeiſter befragt; oder die Weisſager , noch einer , der die Wahrheit
von den Todten erforſcht; denn das Alles verabſcheuet der Herr. XVIII. 9. Zwei Jahre vor
dieſem Beſuche der Zauberin zu Endor hatte Saul ſelbſt die Zauberer ausgerottet und doch

nahm er , als er ſich vom Geiſte Gottes verlaſſen ſah , ſeine Zuflucht, um den Ausgang der
Schlacht zu erfahren, zu dieſem Weibe. Der Name Pythia oder Pythoniſſe wurde im Augemeinen
allen Prieſterinnen Apollos gegeben , welcher ſeit ſeinem Siege über die Schlange Python
Pythonius genannt wurde ; in der hl. Schrift bezeichnet er diejenigen , welche mit Hilfe des

böſen Geiſtes weisſagten und die Todten befragten , wie in jener Stelle des Buches Leviticus,
wo es heißt : „ Und ein Mann oder Weib , in denen ein Pythons- oder Wahrſagergeiſt wäre,
die ſollen des Todes ſterben ; ſteinigen ſoll man ſie und ihr Blut ſei auf ihnen .“ XX . 27.
Die Gräuel folder Nekromantie und Beſchwörungskunſt zeichneten von jeher die heidniſchen

Völker aus . Döllinger *) führt die Belege dafür ausführlich an und beſchreibt die gräßlichen

Gebräuche, die oft dabei ſtattfanden . Es wird nicht leicht ein ſo düſteres Gebiet in der Geſchichte
der von Gott verlaſſenen Menſchheit geben , als das beregte. Das Entſetzlichſte fand man
gerechtfertigt, um dieſem gottloſen und die Menſchen -Vernunft entehrenden Hange , die Zukunft
ohne Gottes Willen zu erfahren , Genüge zu thun . Wie nahe ähnliche Beſtrebungen in der

Gegenwart dieſen traurigen Zeiten des Heidenthums ſtehen , kann jeder Vernünftige leicht
einſehen . Wie ſehr die hl. Väter und die katholiſche Kirche von jeher gegen ſolches Treiben
eiferten, iſt allbekannt.

7. Das Carmel - Gebirge oder Didyebel Mar Elias.


Von der Höhe , welche im Weſten Nazareth umfängt und eine erhabene Ausſicht bietet,
hinab gegen üppige , grüne Thäler gelangt man an einen Bach, der eine Mühle treibt. Sonſt

ſieht man im Orient nur Handmühlen , wo in kleinen Quantitäten das Korn gemahlen wird.
Dieſe Waſſermühle gehört dem Kloſter von Carmel. Nach einer weiten, unbebauten, mit hohem

Gras und Buſch bewachſenen Ebene zeigen ſich Palmen und das Meer , an welchem die kleine
Seeſtadt Kaifa (Hepha) , liegt. Hier mündet der Badh Rifon , jetzt Reiten oder Nahr el
Mukatta d. H. Würge-Bach , von dem Tod der Gögenprieſter alſo benannt , welcher am Tabor
entſpringt und im Winter und Frühling von mehreren Bächen verſtärkt in vielen Krümmungen

die Ebene Estrelon durchfließt. Am Riſon beſiegte Barať die Canaaniter unter Siſera , denn
es heißt im Siegesliede Debora's und Baraf's : der Bach Kiſon wälzte fort ihre Leichname und

der Prophet Elias ließ die Volksverführer, die Gößenprieſter des Baal am Kiſon tödten. Das

ärmliche Städtchen Raifa war einſt eine wichtige Veſte, welche der edle Tankred in Geſellſchaft
des Löwenwürger8 Wicker aus Schwaben im Jahre 1100 mit ſo kräftigem Anlauf eroberte,

ein für die chriſtlichen Kämpfer ſtärkendes Ereigniß gerade zu der Zeit , als die Nachricht von
Gottfried von Bouillon Tobe ſie tief gebeugt hatte. In einer kleinen Stunde erreicht der

*) Heibenthum und Zubenthum $ . 148 ff. Mislin II, 146 ff.


--
CHARAN

Carmel
Berg
Umgebung von Nazareth. -271

Pilger das Kloſter auf dem Carinel. Der Weg dahin führt ziemlich bequem am Abhange
des Berged hinan . Zur Linken hat man die öfters von Höhlen durchzogene Felſenwand des
Berges , zur Rechten die herrliche Ausjicht nach der Riſonsmündung und nach dem Mittelmeer.

Das ſchöne Kloſter liegt 582 Fuß über dem Spiegel des Meeres , am nordweſtlichen

Abhange des Berges , der ſich von dort an vielleicht noch einmal ſo hoch , bis an 1200 Fuß
und darüber erheben mag.

Der Carmel iſt ein Vorgebirge, welches aus einer Berg- und Hügelfette beſteht, im Oſten
mit der erſten Hügelreihe von Galiläa und durch dieſe mit dem Libanon zuſammenhängt und
bei der Kiſon - Mündung in's Meer ausläuft. Dieſes Gebirge heißt mit Rückſicht auf das

Eliaskloſter Dichebel Mar Elias und erſtreckt ſich 2/2 Meilen nach Süden , iſt im Norden 2 ' / 2,
im Süden 5 Meilen breit und beſteht aus hartem Salkſtein , hat aber in ſeinem Umfange von

8 bis 10 Meilen fruchtbares Erdreich. Es iſt am Fuße mit Lorbeer- und Delbäumen und
Oben an vielen Stellen mit Fidyten und Eichen bewadiſen . Hyacinthen , Narziſſen und andere
Blumen gedeihen hier wild und eine Menge kryſtallheller Bädie eilen in dichtbebuſchten Ufern
dem Kijon zu. Die Schönheit des Carmel dient den Propheten als Bild der fünftigen Herrlich

keit der Kirche Chriſti. 38. 35 , 2. Jer. 50 , 19. Den Gipfel krönen noch vereinzelte Bäume
und die Flora kann reich und mannigfaltig genannt werden , weil ſie die Formen des Gebirges

mit jenen der Thäler und des Meerſtrandes vereinigt. Die Mönche, gegenwärtig 12 an der
Zahl , ſammeln die Pflanzen ſorgſam und bereiten daraus eine Art Liqueur , der als beſonderes
Heilmittel in manchen Krankheitsfällen geſchätzt wird ; zudem ſteht die kleine Kloſterapothefe den
Pilgern , wie den armen Arabern von nahe und ferne offen . Die Ausſicht vom Carmelkloſter
wird als reizend geprieſen. Nach Norden und Nordoſten erblickt man die ſchneebedeckten Gipfel

des Libanon und Antilibanon , nach Weſten das Mittelmeer und nach Süden die Meeresküſte
bei Atlit und das Gefilde von Cäſarea . Ungemein anziehend iſt der Anblick der Bucht, die ſich

gegen Akfa (Ptolemais) hinzieht.


Der Carmel war der liebſte Aufenthaltsort des Elias und Elijaus und die Chriſten

ahmten dieſes Beiſpiel nach , indem eine Menge von Einſiedlern dieſe ſchönen Höhen ernſter

Einſamkeit aufſuchten und hier gleich denen zu St. Saba und auf dem Sinai ein gottesfürchtiges
Leben führten. In den zahlreichen Höhlen und Grotten, woran die Weſtſeite des Gebirges ganz
beſonders reich iſt, war für einſame Betrachtung der paſſende Ort. Wo ſich der äußerſte

Gebirgshang gegen das Meer hinabſenkt, ſtand ein altes verlaſſenes Kloſter, welches gegen

Ende des XII. Jahrhunderts der calabreſiſche Mönch Brocardus mit ſeinen Brüdern zum

Aufenthalte wählte , hiebei die alte Kirche, welche bis auf Helena zurücgeführt wird , wieder

herſtellte und im Jahre 1209 von dem Patriarchen Albert zu Jeruſalem eine Regel für die
Brüder der „ heiligen Jungfrau vom Berge Carmel" erhielt, wonach Gebet, Handarbeit, Faſten

und Schweigſamkeit zur Lebensaufgabe gehören ſollten. Die Warte , welche die Templer

errichteten , datirt voin Jahre 1217. Ein ſpäter hier erbautes Kloſter haben die Franzoſen unter
272 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

Napoleon ( 1799) in ein Peſtſpital verwandelt. Im Jahre 1821 wurde das Kloſter vom Paſcha

von Afre zerſtört. Erſt Johann Baptiſt von Fraskati ſtellte, von milden Beiträgen Europa's
reidlichſt unterſtüßt , für die Carmeliter Kloſter und Kirche wieder her. Die Gebäude zählen

zu den freundlichſten , welche die lateiniſchen Chriſten im Morgenlande beſitzen. Es wird wohl
keinen Ort geben , welcher den Reiſenden , die aus den gemäßigteren oder nördlichen Gegenden

von Europa nach Paläſtina kommen , ſo vorzugsweiſe auch wegen der geſunden Lage zum erſten
Aufenthalte empfohlen werden könnte , als das Kloſter am Carmel , deſſen uneigennügige Gaſt
freundſchaft bekannt iſt.

In der einfachen , aber ſchönen Elias -fir dhe zeigt man unter dem Chore eine Höhle,
worin nadi der Ueberlieferung der Prophet verweilte . An die Höhle iſt eine Kapelle angebaut
und wird „ Zu Unſrer Lieben Frau vom Berge Carmel " genannt. Einige Scritte oberhalb iſt
die Grotte des Elijaus und nahe dabei cine Ciſterne . Hier ſoll die Sunamitin , gebeugt

von mütterlichem Schmerz über den Tod des Sohnes, den Propheten hilfefleherid aufgeſucht und
vermocht haben , daß er mit ihr vom Karmel herabſtieg und den Sohn zum Leben erwedte.
IV. Rön . 4. 25 .

In der Nähe des Kloſters ſteht ein anſehnliches Gebäude, welches Ibrahim Paſcha den
Mönden denkte , um mehrere Pilger und im Nothfalle aucy Franke aufnehmen zu können .
Am Fuße des Berges endlich befindet ſich eine Grotte, welche „ Schule des Elias “ heißt und

in großer Verehrung bei den Juden und Mohammedanern ſteht. Zahlreiche griechiſche Inſchriften
find in die Seitenwände eingegraben, wohl von chriſtlichen Pilgern früherer Jahrhunderte.
8. Atlit , Cajarea und Atla .

Südlidy vom Carmel ſind die impoſanten Ruinen von Atlit auf dem zwiſchen Kaipha

und Cäſarea gelegenen Vorgebirge beachtenswerth . Atlit gehörte mit Tortoſa , auch Tantura
genannt , zu den am längſten von den Chriſten behaupteten Punkten . Es war ſchon in den
erſten Zeiten der chriſtlichen Herrſchaft in Paläſtina zum Schutz und Dienſt der Pilger angelegt ,
von den Tempelrittern 1218 mit Mauern und Thürmen umgeben und auf’s tapferſte vertheidigt
worden . Doch nach dem Falle von Ptolemais wurde auch dieſes Kaſtell bald eingenommen und

zerſtört. Wie ein Heldenleichnam mit zerhauener Rüſtung liegt die edle Burg auf ihrem Meereß
Felfen da . Einſame Birger und Seefahrer , wenn ſie vom Sturm an dieſe grünende Süſte
verſchlagen in der Nähe der Ruinen übernachten , vernehmen , wie die Sage des Landes geht,
das Rauſchen des Windes in dem zerriſſenen Gemäuer wie ein Geheul oder wie Töne der

Todtenklage .

Noch weiter füdlich an der Küſte des Mittelmeeres liegt die ehemals glänzende Stadt
Cäfarea , welche von Herodes M. an der Stelle eines ehemaligen Caſtells, des Straton - Thurms,
unter dem größten Aufwande erbaut und zu Ehren des Kaiſer8 Auguſtus „ Cäfärea " oder
Kaiſerſtadt benannt wurde. Die Stadt hatte ein prachtvolles Amphitheater und zwei bedeutende

Häfen . · Hierher kam der Diakon Philippus nady der Taufe des äthiopiſchen Kämmerers und
Umgebung von Nazareth. 273

als griechiſche Juden den Apoſtel Paulus zu tödten ſtrebten , brachten ihn die Gläubigen hier in
Sicherheit. In Cäſarea war der römiſche Hauptmann Cornelius , der vom hl. Petrus zum
Chriſtenthume bekehrt und mit dem ganzen Hauſe getauft wurde. Der Völkerapoſtel fam
wiederholt hierher und vertheidigte ſich vor den römiſchen Statthaltern Felir und Feſtus während

ſeiner zweijährigen Gefangenſchaft und ſprach vor Herodes Agrippa dem Jüngeren von der
wunderbaren Bekehrung zur Lehre Jeſu mit ſolcher Kraft, daß · Agrippa ausrief : „ Beinahe
könnteſt du mich bereden , ein Chriſt zu werden , worauf Paulus antwortete : Wollte Gott, daß

nicht nur beinahe ſondern völlig, nicht allein Du, ſondern auch Aue, die mich hören, heute das
würden , was ich bin, ausgenommen dieſe Bande . " *)

Der Apoſtel war zum Schluſſe ſeiner dritten Miſſionsreiſe im Jahre 59 nach Jeruſalem
gekommen , wo die Juden einen ſolchen Sturm gegen ihn heraufbeſchworen , daß nur die größte
Energie des kommandirenden Offiziers im Stande war , den Apoſtel der Wuth der Juden zu
entreiffen und nach Cäſarea zu bringen , woſelbſt er ebenſowenig hart gehalten wurde als zwei

Jahre darauf zu Rom.


Der Apoſtel hatte der jüdiſchen Richtung iin Chriſtenthume ein Ende gemacht und
durch ſeine Predigt und Briefe das phariſäiſche Judenthum überwunden . Die bald darauf
erfolgende Zerſtörung des Tempels zu Jeruſalem war eine große ſichtbare Beſtätigung vom

Siege des Evangeliums , welchen vorzugsweiſe Paulus im Namen des Herrn erkämpft hatte.
Das Heidenthum trat nämlich erſt unter Nero. zum erſtenmale wider das Evangelium auf,
nachdem das dawider kämpfende Iudenthum unmächtig geworden . Zu Cäſarea blühte ſchon

frühe eine theologiſche Schule, an welcher die ausgezeichneten Lehrer Pamphilus und Euſebius
wirkten . Der berühmte Origines hielt ſich im Jahre 215 , da zu Alerandrien unter Kaiſer

Caracalla eine Verfolgung der Chriſten begann, zu Cäſarea auf und die Biſchöfe erſuchten ihn,
die hl. Schrift öffentlich in der Kirche zu erklären . Hier ward er zum Prieſter geweiht und
ſeine theologiſche Schule bei einem ſpäteren Aufenthalte eröffnet... Der nach Jeruſalem's
Zerſtörung zu Cäſarea errichtete und von den Sarazenen zerſtörte Biſchofsſtuhl ward von
Balduin I. wiederhergeſtellt, bis der ägyptiſche Sultan Bibars 1265 die Stadt in Trümmer
verwandelte, deren das jetzige Raiſariyeh in Fülle aufweiſt.
Die vom Carmeltloſter im Norden vor den Blicken auftauchende Bucht von Akka war

zur Zeit der Kreuzzüge einer der wichtigſten Punkte . Die an der Nordſeite der Bucht gelegene

Stadt hieß früher Ptolemais und durch die Kreuzfahrer fortan Afra oder mit Bezug auf
die dem hl. Johannes daſelbſt geweihte Kirche geradezu Sanct Johann von Akra. (St.
Jean D'Acre).
Dem Alexander Jannäus , dem maktabäiſchen Fürſten , 'entriß der Aegyptier Ptolemäus

Lathurus dieſe Stadt und daher ſcheint der Name Ptolemais zu ſtammen. Die Stadt ſpielt

* ) Apoſtelg. 26, 28 ; 23.


35
274 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

in der früheren jüdiſchen und römiſchen Geſchichte; auch in der Frühzeit der chriſtlichen Kirche
wird ſie bemerkenswerth , denn ihre chriſtlichen Einwohner beſuchte der Völkerapoſtel auf ſeiner

Reiſe nach Jeruſalem , wie Lucas erzählt : „ Die Fahrt von Tyrus war nun vollendet , und wir

begaben uns hinab nach Ptolemais , grüßten die Brüder und blieben einen Tag bei ihnen .“ *)
Gegen Ende des II. Jahrhunderts befand ſich hier ein Biſchof, der inehrere Nachfolger hatte .

Die ſeit dem Jahre 638 daſelbſt hergeſtellte Macht der Sarazenen brach Balduin I. mit Hilfe
einer genueſiſchen Flotte , worauf die Stadt im Jahre 1148 nicht nur der Sip der großen

Rathsverſammlungen der Könige und Baronen , ſondern auch der Mittelpunkt des Großhandels
zwiſchen dem Morgen- und Abendlande wurde. Richard Löwenherz und Philipp Auguſt von
Frankreich gewannen die von Saladin den Chriſten entriſſene Stadt abermals , worauf die
Johanniter ihren Sitz daſelbſt aufſchlugen (1192 ). Der hl. Ludwig befeſtigte Afra gegen

feindliche Ueberfälle ( 1250) ; aber die unter den Fürſten verſchiedener Nationen in Afra immer
mehr auftretenden Streitigkeiten und widerwärtigen Händel trieben den ( 1291 ) heranfommenden
kampfbegierigen Aegyptern die Beute entgegen , welche unter Hinmordung von 60 Tauſend

Einwohnern auch die Herrn der Stadt wurden .


Auf der Anhöhe nahe am Meere ragen die Trümmer der berühmten St. Andrea 3

Kirche hervor , während die ehrwürdige St. Johannes - Rirche hinter den Ruinen des

Johanniter - Palaſtes in der Mitte der Stadt in Schutt liegt . Trotz der umgebenden

Landhäuſer und Palmen übt die Stadt auf den Pilger einen traurigen Eindruck. Die erhaltenen

Trümmer des einſt ſo prächtigen Palaſtes des Johanniter -Großmeiſters zeigen die bereits ander

wärts betrachteten Architektur- Formen dieſes Ordens. An Majeſtät und Schönheit gleichen ſich
dieſe Bauwerke der Abendländer in Paläſtina durchaus. Die Straßen ſind enge , die Häuſer

plump , die Bazars ſchmutig und wenig beſucht. Der einſt ſo weite und tiefe Hafen iſt beinahe

verſandet. Die fremden Conſuln und die Franziskaner , die Mönche der Terra sancta wohnen
in Chan8 , die dem in Sidon , deſſen Beſchreibung folgen wird , ähnlich ſind. Die Ruinen

aller Zeitalter , Kirchen , Moſcheen , Paläſte, Klöſter und Spitäler ſind durch die Barbarei der
Menſchen ſo ſehr beſchädigt, daß man Mühe hat , ſie von einander zu unterſcheiden. Die

berühmte Didezzar - Moſchee, um deren Erbauung willen Dichezzar ſo viele Denkmale

zerſtören mußte, wird nun bald ſelbſt ein Trümmerhaufen ſein.


9. Cäſarea philippi

Im öſtlichen Galiläa iſt nördlich vom See Merom das Dorf Banias bemerkenswerth,

welches jedoch ſchon jenſeits des Jordans, gerade an dem Urſprung der zweiten Jordan -Quelle
Nahr Banias liegt und früher Cäſarea Philippi genannt wurde , an der Grenze

Galiläa's und Gaulonitis ' . Der König Herodes erbaute hier zu Auguſtus' Ehren einen Tempel

und ſein Sohn Philippus erweiterte die Stadt und nannte ſie in derſelben ſchmeichelhaften

*) Apoſtelg. 21 , 7 .
Syrien. 275

Beziehung ,, Cäſarea ". Zum Unterſchiede von dem am Mittelmeere gegründeten hieß es
,, Cäſarea Philippi“. Der älteſte Name Baneas, von einer dem Ban geweihten Grotte ging in

der Folge in Banias über. Das vom Herrn geheilte Weib , welches zu Capharnaum des
umbrängten Heilands Kleid berührte, und von ihrem Leiden befreit wurde, war nach der
Ueberlieferung aus Panias und ließ zum dankbaren Andenken ihrer Heilung eine eherne Säule

in ihrer Vaterſtadt errichten . In der Gegend dieſes Cäſarea bekannte Simon Petrus die
Gottheit Jeſu Chriſti und erhielt die Schlüßelgewalt durch den Herrn . Matth . 16.
Nach der Zerſtörung Jeruſalems ließ Titus hier Schauſpiele aufführen , wobei viele

zum Kampfe mit den Beſtien verurtheilte Juden zerriſſen wurden ! Gegenwärtig führen von

Banias zwei Straſſen an dem Oſtgehänge des Hermon und Antilibanon nach Damaskus ; die

ſüdlichere über Saſa wird von allen Pilgerkarawanen eingeſchlagen , welche von Jeruſalem nach
Damaskus ziehen .

Syrien.
Bevor wir die jeßige Hauptſtadt Syriens betreten , werfen wir einen Blick auf den

früheren Beſtand des Landes und deſſen Bedeutung für die chriſtliche Kirche. Das altteſtament
liche Aram , von den Nachkommen Aram's bevölkert, hatte folgende Grenzen : ,, Im Norden bas

Taurusgebirge , im Oſten den Trigris , im Süden Babylonien und die arabiſche Wüſte , im
Weſten Canaan , Phönizien und das Mittelmeer. Die Griechen und Römer geben dem weit
ausgedehnten Lande den Namen Syrien . Im Neuen Teſtamente begreift dieſer Name alles

Land, welches im Oſten vom Euphrat und der arabiſchen Wüſte , im Weſten vom Mittelmeere,
im Süden von Aegypten und dem ſteinigen Arabien und im Norden vom Gebirge Amanus

berührt wurde. Demzufolge war Paläſtina und Phönizien mit inbegriffen , Meſopotamien dagegen
ausgeſchloſſen. Die angegebene Ausdehnung Styriens iſt die unter der römiſchen Herrſchaft

beſtimmte.

Nach dem Sturze des babyloniſch - chaldäiſchen Weltreiches kam Syrien nebſt Phönizien
und Judäa an die perſiſche Monarchie und ſeit 330 v . Chr. an Alexander den Großen. Nachy
der Schlacht bei Ipſus im Jahre. 301 gieng es an Seleucus Nicator über , den Gründer

der ſeleucidiſchen Monarchie, die bis 64 v . Chr. beſtand. Unter dieſem Könige hatten ſich viele

Fuden zu Antiochia und anderwärts angeſiedelt und gleiche Rechte mit den Macedoniern erlangt.
Mit den Iſraeliten kamen in nähere Berührung folgende Rönige dieſer Dynaſtie: Antiochus III.

der Große (224 v. Chr.) , welcher nach mehreren Kämpfen die Aegypter beſiegte und ganz
Paläſtina unterwarf (Dan . 11 , 10.) ; durch die Schlacht bei Magneſia in Lucien wurde er

aber genöthigt, einen ſchmählichen Frieden mit den ſiegreichen Römern einzugehen . Antiochus IV ,
genannt Epiphanes war im Gegenſatze zu dem vorhergehenden Seleuciden den Juden feindlich

geſinnt; er kam nach einem glücklichen Kampfe mit Aegypten gegen Jeruſalem , plünderte den
Tempel, verheerte und mordete allenthalben, ſo daß ganz Iſrael klagte und weinte. Bald darauf
zwang er die Juden zur Annahme der heidniſchen Religion und ließ im Tempel zu Jeruſalem
35 *
276 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

die Statue des Jupiter Olympius aufſtellen. Da erhob ſich der dem moſaiſchen Glauben treue

Mathathias und erkämpfte mit einer Schaar gottbegeiſterter Juden Freiheit und Unabhängigkeit.
Dadurch entſtand ein unabhängiges jüdiſches Fürſtenthum und Antiochus V. Eupator ſah
ſich genöthigt, mit Iudas , der ſeiner Heldenthaten wegen Makkabi ( Hämmerer) hieß, Friede
zu ſchlieſſen. Unter den folgenden Seleuciden tauchten Thronſtreitigkeiten und Zerwürfniſſe
aller Art auf , bis im Jahre 64 v . Chr. Pompejud Syrien zur römiſchen Provinz erklärte.

Seitdem wurde das Land durch römiſche Statthalter , präsides, regiert. Im Jahre 6 n . Chr.
vereinigten die Römer Judäa und Samaria mit Syrien . Im Jahre 33 kamen noch Batanäa,
Gaulonitis und Trachonitis dazu. *)

Die Hauptſtadt Syrien8 war unter den Seleuciden und Römern das berühmte Antiochia.

Dieſe Stadt hat nicht nur für das vorchriſtliche, ſondern ganz beſonders für das chriſtliche
Alterthum, wie Alerandria, eine große Bedeutung, weßhalb eine kurze Schilderung unter beſonderer
Bezugnahme auf Alexandria hier Plat finden mag .
Antiodia.

Im Jahre 300 v . Chr. gründete am Fluße Orontes Seleucus Nicator auf das
Vorzeichen eines ſich hier niederlaſſenden Adlers hin die neue Stadt , welche an ihren Grenzen
das Zeichen eines Adlers in Marmor führte. Nach dem Sohne des Seleucus , mit Namen

Antiochus wurde die bald erweiterte Stadt Antiochia benannt . Sie zerfiel in 4 Theile,

welche eine gemeinſame Mauer umſdyloß. Die Stadt war ſehr regelmäßig auf einer Fiußinſel
angelegt und hatte ſicy rechtwinklig durchſchneidende Säulenſtraßen ſchon unter Seleucus IÍ.

und Antiochus III. Im nördlichen Theile erhob ſich die große und prachtvolle Königsburg ,
nach hinten mit doppelten Säulen - Galerien über der Stadtmauer . Unter Antiochus IV . zog

ſich die Anlage den Berg Silpion hinauf und ſchloß die Akropolis und die Felſengräber

ein . Im unteren Theile war die 36 Stadien lange Hauptſtraße, von zwei bedeckten Säulenhallen
eingefaßt; ſie wurde von einer andern , ebenſo angelegten rechtwinklig durchſchnitten. Die

Punkte , wo ſich die Straßen freuzten , waren durch prachtvolle Triumph - Bögen geſchmüct.

Julius Cäfar bemühte ſich dieſe Stadt , gleich Alexandria zu heben und mit Prachtbauten
auszuzeichnen . Er baute eine große Baſilika , welche nach ihm Cäfarium hieß. Die Baſilika
der Römer Porcius Cato baute als Cenſor die erſte zu Rom im Jahre 184 v . Chr. —

bildete, ſoweit wir darüber unterrichtet ſind, im Allgemeinen ein rechtwinklig angelegtes
Oblongum , welches durch paralel laufende, einander gegenüber ſtehende Colonnaden in 3 oder
5 Schiffe getheilt war. Die Säulenreihen waren jedoch gewöhnlich auch an den Schmalſeiten

des Oblongums fortgeführt und die Haupt- Eingänge befanden ſich häufig an den längsſeiten
des Bauwerkes . Ueber der unteren Säulenreihe war noch eine obere , aus kleineren Säulen
beſtehend angebracht, zwiſchen welchen die Fenſteröffnungen von der Seite her das Tageslicht

*) Graß §. 37 und 49 .
Syrien. 277

in das Hauptſchiff. leiteten. Daſſelbe ſtieg über die Nebenſchiffe empor und bedurfte ſo einer

eigenen Beleuchtung von den Seiten her durch die erwähnten Lichtfenſter, da das Ganze durch
eine horizontale Holzdecke geſchloſſen war. Das Dach des Hauptſchiffes fiel nach den zwei

Seiten des durchlaufenden Firſtballens ab , als ſogenanntes Adlerdachy, während das Dach der

Nebenſchiffe ſich an die Wandmauern des Hauptſchiffes über deſſen Säulenkapitälen anlehnte
und entweder gerade war , ſo daß man darauf herumgehen konnte , oder ſchräg geneigt zum

Ablaufen des Waſſers. In letterem Falle, welcher der gewöhnliche ſein mochte, hatte das

Seitenbach alſo nur einen Flügel , während das Mittelſchiff zwei Flügel durch den Firſtbalken
verband . Unſere Kirchdächer ſind ebenſo angeordnet ; freilich viel ſteiler. Die Deckenbalken

waren prachtvoll geziert und gewöhnlich überdielt, ſo daß die Dede des Hauptraumes Vers
tiefungen (lacunaria) bildete , die man Cajetten ' nennt und auch auf den römiſchen Gewölbebau
übertrug, wie die vielen auf uns gekommenen Triumphbögen zeigen . Die foſtbarſten Holzarten
wurden für ſolche Deckenwerke verwendet und Farbe und Gold nirgends geſpart , um eine

glänzende Wirkung zu erzielen. Eine der Schmalſeiten der Baſilika pflegte in eine halbkreis
förmige , geräumige Niſche auszulaufen , welche für die Rechtsverhandlungen diente. Dieſe

gerundete Niſche hieß Apſis oder Conche und war oben gewölbt nach Art der römiſchen
Tonnen -Wölbung. Die Baſilika zu Antiochia hatte , wie ausdrücklich bemerkt iſt, eine ſolche

Apjis oder Conche, in welcher der Senat Antiocha's ' ſeinen Siß aufſchlug, weßhalb dieſer
Theil auch ,,Senat“ genannt wurde, wie er zu Rom und anderwärts von dem hier aufgeſchlagenen
Tribunal des Prätors den Namen ,, Tribunal" führte . Dieſe Bezeichnungen „ Apſis " und
„ Tribunal" blieben auch für dieſen Theil der Baſilika im Chriſtenthume. Zu Antiochia
befand ſich in dieſer Conche eine goldene Statue der ,, Roma" und außerhalb derſelben , aber

unter freiem Himmel die des Erbauers Julius Cäſar. Zwiſchen dieſer großen, für die Aufnahme
des Senats beſtimmten Conche und der davor quervorüberlaufenden Säulenſtellung, welche eben

die eine Schmalfeite der Baſilika vor der halbkreisförmigen Niſche ſchmückte, ſcheint hier
ein unter freiem Himmel ſtehender Raum geweſen zu ſein , den wohl die herumgeführten
Uinfaſſungs -Mauern mit dem Geſammt-Bau dieſes Cäſarium's verbanden .

Als Kaiſer Valens hier ſein Forum anlegte und das Cäſarium abbrach, blieb dieſe Conche

von Cäſar’& Bau allein noch übrig. Zu Alexandrien war gleichfalls ein ſolches Cäfarium
aufgeführt. Von den Bädern , dem Amphitheater, der großartigen Waſſerleitung und anderen

öffentlichen Bauwerken *) dieſer Stadt können wir nur Erwähnung thun . Wir wenden uns
nun der chriſtlichen Aera zu .

Zu Antiochia bildete ſich ſchon ſehr frithe eine chriſtliche Gemeinde. Die Apoſtel Paulus
und Barnabas hielten ſich hier längere Zeit auf und lehrten und verkündigten

*) C. O. Müllèr. Antiquitates Antiochenae 1839. I, 29. II, 2, 19 ff.


278 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

mit vielen Andern die frohe Botſchaft des Wortes des Herrn . Apſtg. 15 , 25 .
Von hier aus unternahmen ſie ihre apoſtoliſchen Reiſen. *)

Die Anhänger Jeſu , welche zuerſt Galiläer , Gläubige , Jünger, Brüder , Heilige

und Nazarener genannt wurden , hießen zu Antiod ia zuerſt Chriſten . Ebend. 11 , 26.
Auch der hl . Petrus fam in dieſe Stadt und gründete daſelbſt den Biſchofsſitz. Von dieſer

Errichtung eines biſchöflichen Sitzes zu Antiochia durdy den hl. Petrus berichten ſchon unſere älteſten
Urkunden . Bis zur Stunde wird in der katholiſdien Kirdye dies Feſt gefeiert unter dem Namen ,, festum
cathedrae S. Petri Antiochiae “ . **) An die Anweſenheit und Thätigkeit dieſes Apoſtels zu

Antiochien hat ſich ein ſagenhafter Bericht geknüpft, der für die Kenntniß des dhriſtlichen

Alterthums aber von höchſtem Belange iſt. Der Verfaſſer der Recognitionen, deren Abfaſſung

in die Jahre 212 bis 240 fällt , erzählt von einem der Angeſehenſten dieſer Stadt , Namens

Theophilus, daß derſelbe von Petrus bekehrt die ungeheure Baſilifa feines Hauſes der

neugegründeten chriſtlichen Gemeinde widmete. Hier gieng alſo die Balaſt - Baſilika eines
Angeſehenen in die dhriſtliche Kirche über. Reiche Römer befaſſen nämlich in den Bereich ihrer
großen Gebäude auch eigene Bajilifen , welche für Privat- Verſammlungen und Familien -Schieds

Gerichte beſtimmt waren . Sie waren häufig mit den Bädern ( Thermen ), Portifen und ähnlichen
Gebäuden verbunden, und den öffentlichen Baſiliken conform . Da nun das Chriſtenthum ſchon

in früheſter Zeit bei Angeſehenen des Reiches Eingang fand und, wie die Briefe des hl . Paulus
zeigen , in deren Häuſern oder Paläſten die früheſten gottesdienſtlichen Verſammlungen der erſten
Gemeinden Statt hatten , jo fonnten jolde Privatbaſilifen oder dieſen ähnliche Säle auch die

erſte beſtimmte Form für das driſtliche Kirchengebäude an die Hand gegeben und ihre

Bezeichnung auch auf daſſelbe übergetragen haben . Der chriſtliche Cultus lebte ſich in dieſen
Sälen, in dieſer Baſiliken - Form ein, modifizirte dieſelbe nach ſeinen, ohnehin einfachen Bedürfniſſen,

ſo daß mit der Verkündigung der öffentlichen Anerkennung durch Conſtantin im IV. Jahrhundert
audy die kirchliche Bauform für Errichtung neuer Kirchen längſt ausgebildet war. Da die

genannte Schrift in den Beginn des III. Jahrhunderts fällt , ſo iſt, mag an der Erzählung

von dieſem Theophilus nun Wahres oder Erdichtetes ſein, jedenfalls gewiß, daß im Jahrhundert

des Verfaſſers eine ſolche Uebergabe einer Privatbaſilika an die chriſtliche Gemeinde häufig ſtatt
gefunden haben müſſe , weil er ſonſt gar nicht auf dieſen Einfall hätte gerathen können . So

gieng auch die Balaſt - Baſilika der Lateranen eines der ausgezeichnetſten Geſchlechter —

zu Rom in eine chriſtliche Baſilika über, und wurde die Mutterkirche des Abendlandes . Solches

konnte idon in der apoſtoliſchen Zeit ſtatthaben ; nur fehlen dafür die ſtrikten Belege . Auf

*) Apftg. 13, 1. 15, 36 und 18, 23.


**) Am 22. Februar . Das älteſte Depoſition's -Verzeichniß , bon 336-352 entſtanden , führt daſſelbe Feſt

auf unter der Bezeichnung : Natale Petri de cathedra . VIII Kal. Mart .
Syrien. 279

dieſe Weiſe nahm die chriſtliche Baſilika ihren Urſprung in der römiſchen Privatbaſilika. *)
Die Form der Baſilika blieb für den Kirchenbau im Abendland die maaßgebende und ſo bekannt

ſie auch im chriſtlichen Morgenlande geweſen, bildete ſich hier doch noch eine andere aus, welche
dem Polygon entſprach und gerade Antiochia weiſt das früheſte glänzende Beiſpiel dieſes Styles
auf. Die alte" und ,, apoſtoliſche Kirche dieſelbe von welcher eben geſprochen wurde

von Naiſer Decius (Philippus oder Numerianus) überfallen und der ſich entgegenſeßende Biſchof
Babylas getödtet. Raiſer Conſtantin traf Anordnungen zur Wiederherſtellung , die er aber
nicht mehr erlebte. Conſtantius vollendete den Bau um das Jahr 341 , welcher bis 526 ſtand,
dann durch ein Erdbeben zerſtört bald wieder aufgebaut und ſelbſt von dem Berſerkönig

Chosroës nach Einnahme der Stadt verſchont wurde. Raiſer Julian ließ ihn ſchlieſſen und
Jovian dem chriſtlichen Cultus zurückgeben. Der berühmte hl . Chryſoſtomus hielt in derſelben
die meiſten ſeiner Homilien und führt ihren Urſprung gleichfalls auf die apoſtoliſche Zeit zurück.

Sie bildete ein Achteck, welches, ähnlich der Kirche St. Vitale zu Ravenna, viele niſchenförmige
Ausbeugungen im Kreiſe ſich anfügte. Dieſe Neben - Niſchen hatten ein oberes und unteres
Stocwerk und waren auf das prachtvollſte ausgeſtattet. Man kann ſie Kapellen nennen,

welche ſich im Kreiſe um das mittlere Achteck herumlegten . Das Adhted , der Mittelbau nämlich,

ſtieg jedoch bis zu unglaublicher Höhe über die Dädjer dieſes herumgelegten Kapellenfranzès
empor und war in ganz beſonderer Weiſe geſchmückt mit koſtbaren Marmortafeln und Moſaik
Muſtern. Es ruhte auf Pfeilern und war im Kuppelgewölbe geſchloſſen. Dieſes beſtand aus

Holz und war ſo reich vergoldet , daß der hl. Hieronymus davon die ganze Kirche geradezu
„ das goldene Haus des Herrn " (Dominicum aureum) nannte. Nach dem erwähnten Erdbeben

ſtellte der Architekt Ephräm dies Gewölbe aus Zypreſſenholz wieder her. Der Altar ſtand
gegen Abend.

Die von Nonnus, Vater des hl . Gregor von Nazianz, gegen Ende des III. Jahrhunderts
erbaute Kirche war gleichfalls im Achted angelegt. Dieſe im chriſtlichen Orient immer mehr
beliebte Architekturform zeigte auch die berühmte Kirche „ der göttlichen Weisheit“ zu
Conſtantinopel (Hagia Sophia ) , die St. Markuskirche zu Venedig, St. Vitale zu Ravenna und

viele Bauten des ſüblichen Frankreiche. Das von Karl dem Großen zu Ehren Unſer Lieben
Frau zu Aachen aufgeführte Münſter ſtimmte in der Grundform gleichfalls mit dieſen Central

Bauten überein, anderer im Abendlande nicht zu gedenken . Auch die mohammedaniſche Architektur
eignete ſich dieſe Form an und liebte ſolche impoſante Ruppel- Bauten. Doch kehren wir zur
Antiocheniſchen Kirche zurück. Außer dieſer alten apoſtoliſchen Prachtkirche beſtanden daſelbſt noch

mehrere, wie aus Chryſoſtomus ſchon zu erſehen iſt.


Der Kirche zu Antiochia gehörte der hl. Ignatius an , deſſen Marttyrium zu den

*) Eine genaue Darlegung hierüber gab ich in der Zeitſchrift für driſtliche Ardäologie und

Kunſt II Band 5. Heft 212-229.


280 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

gefeiertſten der chriſtlichen Kirche zählt. Ignatius war im Anfange des II. Jahrhunderts Biſchof
von Antiochia, Nachfolger des Evodius und in der Reihe der dritte nach dem Hl. Apoſtel Petrus.

Ignatius, auch Theophorus genannt, ein Schüler des Apoſtels Johannes , 30g die Augen Vieler
erſt gegen ſein Lebensende auf ſich, da ſeine Schidjale eine außerordentliche Wendung nahmen .
Man blickte mit Theilnahme auf ihn hin und einige ſeiner Freunde erhielten die Aufforderung,

die legten Augenblicke ſeines irdiſchen Daſeins aufzuzeichnen und zur Erbauung den Gemeinden
bekannt zu machen. Es ſind dies die Martyr - Akten des hl. Ignatius , welche noch vorhanden
ſind. Als Raiſer Trajan den Kampf gegen das Chriſtenthum begann, deſſen Ausbreitung ihn

beunruhigte , richtete er auf den berühmten Biſchof von Antiochia ſein Augenmerk und ließ ihn
vor ſich rufen , da er eben um das Jahr 107 auf dem Zuge gegen die Armenier und Parther
Antiochia berührte. Ignatius erſchien bereitwillig vor dem Richterſtuhle des Kaiſers . Wer
biſt du , böſer Dämon, redete dieſer den Biſchof an, daß du es wagſt, meinen Befehlen zu trogen
und auch Andere in das gleiche Verberben verlodeſt ? — Niemand nennt, erwiederte Ignatius,
einen Theophorus einen böſen Dämon ; dieſe fliehen vielmehr vor Gottes Dienern. Wenn du

aber , weil ich den Dämonen böſe bin , mich alſo nenneſt, fo mag es fein ; denn Chriſtus, den

Himmelskönig im Herzen tragend , vernichte ich ihre Nachſtellung. Trajan : und wer iſt denn
ein Theophoros ? — Ignatiu8 : Wer Chriſtus im Herzen trägt. Trajan : meinſt du alſo nicht,
-
audy wir tragen die Götter in unſerem Sinne , welche uns gegen die Feinde beſchirmen ?
Ignatius : Du irreſt, Raiſer ; die Götter der Heiden ſind Dämonen . Nur Ein Gott iſt, der
Himmel und Erde und Alles, was darin iſt, gemacht hat und Ein Chriſtus Jeſus, der eingeborne
Sohn Gottes . – Trajan : meinſt du den , der unter Pontius Pilatus gekreuzigt worden iſt ? —

1 Ignatius : den meine ich, der meine Sünde ſammt ihrem Urheber gefreuzigt und alle dämoniſche
Verführung und Bosheit denen unterthan gemacht hat , die ihn im Herzen tragen. Trajan :

du trägſt alſo den Gefreuzigten im Herzen ? Ignatius : Ja, denn es ſteht geſchrieben : „ich will
in ihnen wohnen und in ihnen wandeln . " Da ſprach der Kaiſer das Urtheil : Ignatius , der

vorgebe, Chriſtus im Herzen zu tragen, ſolle gefeſſelt nach Rom geführt und dort im Amphitheater
den Beſtien vorgeworfen werden ; ein loos, welches ſonſt nur den ausgezeichnetſten Verbrechern

in den Provinzen beſchieden ward , dem hl. Ignatius aber ſicher in der Abſicht, um durch das

entfeßliche Schickſal eines der vornehmſten Häupter der Kirche und Bekenners Chriſti die übrigen
Chriſten abzuſchrecken. *)

Ignatius hörte dieſe richterliche Sentenz mit Dank und Freude , weil ſie ihm möglich
machte , Chriſtus Liebe für Liebe vollkommen zu erwiedern. Er empfahl Gott ſeine Kirche,

empfieng ſeine Bande und trat ſeine Todesreiſe von Antiochia nach Seleucien an . Hier beſtieg

er ein Schiff und feßte ſeinen Weg nach Smyrna fort , wo er landete und kurze Zeit bei
ſeinem Freunde , dem Biſchofe Polycarpus verweilte , auch einige Deputationen auswärtiger

* ) Möbler Patrologie 108 ff.


Syrien. 281

Kirchen empfieng und ihnen Briefe mitgab . Von da gieng es über Troas nach Philippi und

zu land durch Macedonien bis Epidamnus , wo er wieder zu Schiffe gieng und über das
adriatiſche und tyrrheniſche Meer Italien zueilte. Als man ihm von Ferne Puteoli zeigte,
wünſchte er an's Land zu ſteigen , um auf demſelben Pfade , den ehedem der Apoſtel Paulus in
gleicher Lage zurückgelegt hatte , nach Rom zu wandern . Aber durch heftigen Gegenwind

weggetrieben , landete das Schiff erſt einen Tag ſpäter in Porto , wo die Brüder ihn ſehnlich
erwarteten . Er mahnte ſie nochmals ab , keinen Schritt für ſeine Freilaſſung zu thun , betete

mit ihnen um Frieden für die Kirche und ward in's Amphitheater geführt, wo die Löwen
ſeinem Leben ſchnell ein Ende machten. Dieſer glorreiche Tag war der 20. Dezember 107.

Von den Orten, wo gelandet wurde, ſchrieb er an die Gemeinden . Bon Smyrna aus ſchrieb
er an die Epheſier, Magneſier, Tradier und an die Römer ; von Troas hingegen an die

Philadelphier , Smyrnäer und an deren Biſchof Polykarpus. Sie ſind ein Muſter biſchöflicher
Treue , unerſchütterlichen Glaubens und ächt chriſtlicher Geſinnung. Wir heben von dieſen
liebeglühenden Briefen einige Stellen des an die Römer gerichteten Schreibens aus , die er in

der Vermuthung , ſie möchten ſeinen Tod Hindern , ſchriftlich davon abmahnt , bevor er ſelbſt
Rom erreichen konnte. Er gab es Epheſiern mit , welche ihm von Smyrna weg nach Rom
vorauðeilten . ,, Ich will nicht Menſchen , ſondern Gott gefallen , wie auch ihr ihm wohlgefallt.

Nie werde ich wieder eine ſo ſchöne Gelegenheit erhalten , zu Gott zu kommen und ihr, ſoferne
ihr ruhig bleibt , könnt kein verdienſtlicheres Wert thun , als dies. Bleibt ihr ruhig , fo werde

ich zu Gott kommen ; liebet ihr aber mein Fleiſdy, ſo muß ich meinen Lauf wiederbeginnen .
Beßeres aber gebt ihr mir nicht, als daß ich Gott zum Opfer geweiht werde , ſo lange der
Altar noch bereit iſt ; damit ihr in Liebe zum Chore vereinigt lobſinget dem Vater in Jeſus
Chriſtus, daß er den Biſchof von Syrien gewürdigt hat , vom Aufgang gegen Niedergang

gebracht zu werden . Herrlich iſt's unterzugehen den Augen der Welt zu Gott hin , damit ich
zu ſeiner Anſchauung aufgehe .. Laßt mich die Speiſe der Thiere werden, durch die ich Gott
finden darf. Gottes Rorn bin ich, durch die Zähne der Thiere will ich gemahlen
werden , damit ich als reines Brod Gottes befunden werde . Liebkoſet vielmehr den

Beſtien , damit ſie mein Grab werden und ſie nichts von meinem Körper übrig laſſen, auf daß,
wenn ich entſchlafen bin , ich Niemand mehr läſtig falle. Dann werbe ich wahrhaft Chriſti
Jünger ſein , wenn die Welt auch meinen Körper nicht mehr ſehen wird .... Nichts helfen

mir die Grenzen der Welt , nichts die Reiche dieſer Zeit. Es iſt beſſer für mich , um Chriſti
willen zu ſterben , als über die Grenzen der Erde zu Herrſchen. Ihn ſuche ich , der für uns

geſtorben iſt; nach ihm verlangt es mich, der wegen unſer auferſtanden iſt. Er iſt mein
ausgefeßter Siegespreis . Haltet mir es zu Gute , Brüder ! wehret nicht, daß ich lebe ;
wollet nicht, daß ich ſterbe. Bei Gott will ich ſein ; ſcheidet mich nicht von ihm durch die .

Welt und laßt euch nicht bethören durch die irdiſche Hülle ! Laßt mich reines Licht ſchöpfen ! bin

ich dort angelangt , dann werde ich Menſch ſein. Laſſet mich Nachahmer ſein des Leidens
36
282 Die übrigen Stätten des hl. Landes .

meines Gottes ! Wer ihn im Innern trägt , erwäge , was ich will, und fühle mit mir , indein
er kennt , was mich drängt ... lebend ſchreibe ich euch , ergriffen von Liebe zum Sterben .
Meine liebe iſt gefreuzigt. Und was brennt in mir, iſt kein Feuer, das Kühlung verlangt ;

aber lebendig iſt es und mahnend in mir ; e8 ruft mir zu im Innern : „ Romme zum Vater " .
Ich habe keine Freude an bergänglicher Nahrung , noch an den Lüſten dieſes Lebens . Gottes

Brod wil ich, welches iſt Jeſu Chriſti Fleiſch, der iſt vom Geſchlechte Davids ; zum Tranfe will:

ich ſein Blut , welches iſt unvergängliche Liebe ... Endlich empfiehlt er ihnen mit rührender
Sorgfalt ſeine verwaiſte Kirche. „ Seid eingedenk in euren Gebeten der Kirche in Syrien, welche
nun Gott zum Hirten hat. Jeſus Chriſtus allein möge ihr Biſchof ſein und eure Liebe . Ich
erröthe einer der Shrigen zu heißen ; denn ich bin es nicht würdig , da ich der Legte darunter

bin und eine Fehlgeburt ; aber ich bin begnadigt, noch etwas zu ſein ; wenn ich Gott erreiche.
Dieſes ſchrieb ich euch von Smyrna aus durch die Epheſier am 24. Auguſt. Lebet wohl jetzt
in der Geduld Chriſti. Amen .

Von gleicher inniger Liebe ſind die anderen Briefe durchweht, unnachahmlichen apoſtoliſchen
Gepräges .

Im IV. Jahrhundert ſchmückte ein anderer treuer Befenner dieſe antiocheniſche Kirche:

Johannes Chryſoſtomus. Die theologiſche Schule von Antiochien zeichnete ſich vor der
alerandriniſchen beſonders durch eine nüchterne, dem Wortverſtand möglich freue Schrifterklärung

aus, während dieſe mehr der allegoriſirenden Richtung zuneigte. Wie zu Alexandria ſo hatten

ſich auch zu Antiochia ſehr viele Juden ſeit langer Zeit niedergelaſſen . Titus ſoll die von
Jeruſalem mitgeführten goldenen Cherubim - Figuren hier vor dem Thore aufgeſtellt haben , das

gegen Abend ſtand und nach dieſen geflügelten Figuren benannt war. So bedeutend die Anzahl
der Juden zu Antiochia auch geweſen , beſaß doch Alexandrien die größte Synagoge und
Heliopolis fogar einen eigenen Tempel der Juden . Alexander der Große fand an den
Juden bei Gründung Alexandria’s geeignete Coloniſten . Sie erhielten von Anfang an in
dieſer nachmals ſo wichtigen Stadt gleiches Recht mit den griechiſchen Bewohnern. Die

prachtvolle Synagoge erbaute um das Jahr 300 v . Chr. Simeon , Sohn des Hohenprieſters

Simeon des Gerechten , der fidy wegen einer Zurückjetzung mit ſeinem Bruder Onias oder
Nehonion entzweit hatte. In dieſer Synagoge, welche der Talmud baſilikenähnlich nennt, wurde

anfangs auch geopfert . Trotz der ſtrengen Verordnung des moſaiſchen Geſeges , an keinem
anderen Orte zu opfern , als an dem Einen für die Stiftshütte außerkorenen Platze, ward alſo

hier in Aegypten ein eigener Opferdienſt errichtet. Er blieb nicht einmal der einzige , denn
Dnias, Sohn des mißhandelten Dnia8 III., ſah um das Fahr 150 v . Chr. deren mehrere in

dieſer Gegend . Um dieſer Trennung in mehrere Opfer - Stätten zu wehren , entſchloß er ſich

für Aegypten Einen Tempel geltend zu machen. Er erbat ſich dazu vom Könige Philometor
die Erlaubniß, im Heliopolitaniſchen Nomos , nahe bei Leontopolis , einen zerfallenen Tempel der
Göttin Bubaſtis zu einem jüdiſchen umwandeln zu dürfen . So konnte unter ägyptiſchen Juden ,

1
Syrien . 283

deren Zahl ſeit dem erſten Ptolemäer erſtaunlich groß geworden , eine religiöſe Einheit entſtehen.

Es fehlte nur noch gegenüber dem moſaiſchen Gefeße die göttliche Ermächtigung. Dieſe ſuchte
Onias in der Stelle des Propheten Ifaias , welcher verkündet hatte , daß nicht nur 5 Städte

in Aegypten hebräiſch reden würden, ſondern daß ſogar ein jüdiſcher Tempel in Aegypten gebaut
werden würde. 19 , 18. Doch wurde ihm die Anerkennung , zumal von der Prieſterſchaft in

Jeruſalem verſagt und derſelbe für ungeſeglid , erklärt. *) Als Handelsſtadt übertraf Alexandria
nach dem Sturze von Tyrus und Carthago alle Städte und zählte gegen 300 Tauſend Einwohner.

In der chriſtlichen Periode machen ſich alejandriniſche Juden gegen den hl.Stephanus
bemerklich. Apollo , der nady ſeiner Bekehrung das Evangelium zu Epheſus verfündete , war

ein von Alexandrien gebürtiger Jude. Auf einem alexandriniſchen Schiffe fuhr der Völkerapoſtel

nach Malta und Italien . Als erſter Glaubensprediger dieſer Stadt wird der Evangeliſt Marcus ge
nannt, deſſen hochalterthümlicher Biſchof8ſtuhl mit aramäiſcher Inſchrift zu Venedig aufbewahrt

wird. **) Aus der berühmten alerandriniſchen Patriarchalkirche der erſten Jahrhunderte blühte eine
chriſtliche Schule auf , deren Lehrer und Glieder den Glanz der heidniſchen Schule verdunfelte.
Die berühmten Namen : Athenagoras , Pantänus , Clemens , Dionyſius, Origines zählten zu

derſelben . Der große Biſchof Athanaſius lebte im IV . Jahrhundert zu Alexandria . Um das


Jahr 641 verheerten die wilden Horten der Araber unter Amru Stadt und Umgegend und

gaben die große Bibliothek , welche die reichen Schätze des Alterthums enthielt , barbariſch
den Flammen preis . Von der alten Stadt ſind nur mehr Trümmer vorhanden . Außerhalb
lagen die Begräbnißſtätten , welche wohl die älteſten dieſer Art ſind und jetzt nach den Cömeterien
unter der Stadt Rom allgemein Natacomben genannt werden . Es ſind große, aber regelmäßig
angelegte Feløgänge oder Galerien mit den Gräbern zu beiden Seiten . Die Seitengänge

laufen miteinander parallel und ſtoſſen rechtwinklig ihn durchkreuzend an den breiteren Hauptgang .
Dieſer Hauptgang (oder Galerie) hat keine Gräber an den Seitenwänden , wie zu Rom,
ſondern führt nur nach Rechts und Links zu den Seitengängen mit den Felsgräbern . Die

Grabſtätten in den Seiten - Gängen ſind rechtwinklig gegen letztere angelegt , ſo daß die Leiche
im Felsgrab die Füſſe gegen den Seitengang gerichtet hat , mit der Richtung des Hauptganges
aber wieder parallel zu liegen kömmt. In den römiſchen Cömeterien liegen bekanntlich die

Leichname ihrer Länge nach parallel mit der Wand des Ganges , es ſei nun ein Haupt- oder

Seiten- Gang ; immer iſt die Längenſeite des Körpers gegen den Gang zu gerichtet. Zu
Alerandrien aber immer die Breitſeite des leichnams. Hierin war wohl die größere oder
.
geringere Härte des Geſteines maaßgebend . ***)

1 *) Haneberg 427 ff.


**) P. G. Secchi hat 1853 darüber gründlich gehandelt. In's latein überſetzt heißt die Inſchrift: „cathedra
Marci eadem ipsa (sum) . Divina norma mea Marci mei (est) : in aeternum iuxta Romam .“
***) Vgl. Pocockes Beſchreibung des Morgenlandes . I, 15 Taf. V.
36 *
284 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

Als Zufluchtsſtätten der Chriſten in der Verfolgung werden dieſe Cömeterien bei Euſebius
öfters erwähnt. Die Chriſten in Rom , Neapel, Syracus und anderwärts haben höchſt wahrſcheinlich

von Alexandria aus, wo die Juden ſolche Beſtattungen liebten, dieſe Sitte überfommen und in

gleicher Weiſe fortgeführt. Auch Antiochia hatte Cömeterien vor der Stadt. Während Alexandria

noch eine große belebte Stadt iſt, hat Antiochien , jetzt Antakia genannt , von ſeinem früheren
Glanze Alles eingebüßt und füllt kaum mehr ein Viertheil der alten Stadt. Die noch vor

handenen Ruinen, welche von den höchſten Bergkämmen bis an die Ufer des Orontes hinabreichen,
zeugen von der ehemaligen ungeheuren Feſtigkeit. Der Handel hat Alexandria in ſeiner Bedeutung
erhalten , und trotz der großen Veränderungen immerhin blühend gemacht. Dies mangelte bei
Antiochia und ließ den Ruin . allgemein werden . Es hörte auf die Hauptſtadt Syrien's zu ſein
und trat an das blühende Damaskus dieſe Auszeichnung ab . Das heutige Syrien erſtreckt

ſich vom 31 ° nördlicher Breite bis zum 37 ° zwiſchen Kleinaſien , dem Mittelländiſchen Meere,
Aegypten , der Wüſte und dem Euphrat. Es beſteht mit Einſchluß von Paläſtina aus den vier
Paſchaliks von Terablus (Tripolis) , Acre , Aleppo und Damaskus . Ein Gemiſch von

Nationalitäten bewohnt dieſe ausgedehnte Landſchaft des osmaniſchen Reiches, Juden und
Perſer, Griechen und Lateiner, Franken und Araber, Maroniten und Mutualen .
Damaskus.

Die Hauptſtadt Syriens, „ die Perle des Orients " iſt Damaskus. Außerdem
nennen die orientaliſchen Schriftſteller dieſe Stadt , die wie Eden prächtige, die paradiesduftende,
das Gefieder der Paradieſespfauen , den farbigen Fragen der Ringeltaube , das Halsband der
Schönheit, das Thor der Kaaba, das Eden der Moslim . Kaiſer ' Julian hieß Damaskus „ das

Auge des Orient8 " . Sie iſt die ſchönſte der Städte, mit friſchem Waſſer in folcher Fülle,
Klarheit und in ſolchem Wohlgeſchmack geſegnet , daß nicht nur das für ſolche Segnung am
meiſten dankbare Morgenland dieſen Vorzug von Damaskus ohne gleichen unter ſeinen Städten

findet, ſondern auch wenig größere Städte der Erde hierin wetteifern können mit der

Hauptſtadt Syriens . Der Pharpharfluß, deſſen alter Name noch in dem jetzigen „ Barrada "
zu erkennen iſt, umfaßt und durchſtrömt die große Stadt mit ſieben Armen , deren Waſſer in

eine unzählbare Menge von Gräben und Kanälen ſich vertheilt ; zu jenen ſieben Verſorgern

kömmt der glüdlichen Landſchaft noch der achte: die Quelle Feidſchah , die ſich als ſtarker
Bach mit lautem Rauſchen aus der Felskluft eines Luſtgartens ergießt und bald nachher ſich

mit dem Barrada vereinigt. Legterer fließt zwei Stunden von der Stadt an im Schatten der

Gärten und Obſtwaldungen ; dann zieht er ſich wie ein Silberfaden zwiſchen dem ſaftigen
Schmelz immergrüner , baumloſer Wieſen . Dabei iſt die mittlere Temperatur der Gegend eine
bedeutend hohe und dieſe& Zuſammenwirken der väterlich belebenden Wärme und des mütterlich
nährenden Waſſers begünſtigt jene Fülle der Zeugungen des Pflanzenreiches, welche dem Fremdling,
auch wenn er aus den fruchtbarſten Ländern von Europa fam , hier als etwas noch nie

Geſehenes erſcheint. Durch Wälder der hohen Eichen und Buchen oder auch der Kaſtanien iſt
‫ܠܝ‬
‫ܩܬ܂‬
‫ܐܘܕ‬
వరకు
ఆయన
ముందు

IITINGon
Damaskus. 285

er wohl auch in ſeiner Heimath Stunden weit gekommen ; Wälder aber der edelſten Fruchtbäume,
welche einer am andern , eine Fläche von ſechs bis ſieben Quadratmeilen bedecken und hiebei
ſo hoch und dickſtämmig ſind, als die um Damaskus , ſind ihm dort niemals begegnet . Wie
Aphrodite dem Meere , ſo iſt die ſchöne Fürſtin der Städte einer Fluth des Gewächereiches
entſtiegen , deren Fülle überall aus ihren Loden herabträufelt , wo ſie ſtehet oder ruhet ; denn

mitten in den Gaſſen, in allen Höfen und Vorpläßen der Häuſer bricht das übermüthige Grün
hervor und läßt die Menſchengebäude der volkreichen Stadt öfters nur wie Vorhallen oder
Umzäunungen der Gärten erſcheinen.

Von den urälteſten Städten der Erde hat keine ihre Herrlichkeit und Schönheit behauptet,
als Damaskus. Während Ninive, Babylon, Memphis und tauſend der andern Fürſtenſtädte von
der Erde verſchwanden oder frank und ſiech ſind ; während Jeruſalem zu einer verarmten elenden

Wittwe geworden iſt, deren Kinder nach Brod gehen , ſteht das alte Damaskus noch als eine
wohlhabende und blühende Herrin des Hauſes da. Mit ſchwärmeriſchem Entzücken preiſen die
Bekenner des Felam dieſe Stadt , dieſes vielfäulige frem , dieſes wie Eden prächtige, von dem

Propheten dreimal ſelig geſprochene Damaskus oder Schain in orientaliſcher Bezeichnung. Die
drei Jungfrauen des Himmels, welche Allah zur Beſeligung des Paradieſes geſchaffen : Schönheit
Fülle und Weisheit, gingen einſt wandeln auf Erden, daß ſie die Stätte fänden, welche vormals
des unſterblichen Edens ſterbliche Schweſter war ; ſie wandelten lange und ſuchten ; da aber, wo

der Weisheit zu ſein beliebte , da mochte die Schönheit nicht wohnen ; wo die Fülle ſich am
meiſten daheim fühlte , da mißfiel es der Weisheit . Da ſpracy die Weisheit zu den beiden

Schweſtern : laßt uns vereinzelt mit dem Flug der Schwingen durchziehen land und Meer,
nach drei Tagen begegnen wir uns im Thal von Mina , dann ſagt jede von uns , wo ſie das

Eden der Erde gefunden . Und da die drei jich begrüßten im Thal von Mina , da ſagte die
Schönheit: Edene Abglanz iſt Scham , denn auf keinen andern Ort der Erde fällt ſo herrlich der

Strahl der Schönheit von Allah's Angeſicht. Die Fülle ſagte : Edens irdiſche Schweſter iſt
Dimiſcht (Damaskus) , denn keine andere Stätte duftet ſo mächtig nach Allah's id der

Fülle. Die Weisheit rief : Das Paradies Gottes bei den Menſchen iſt Damaskus, denn nirgends
wie hier hat Allah ſolche Gedanken und Worte der Weisheit auf Herzen und Lippen der

Menſchen ergoſſen . Da beſchloſſen die Schweſtern , daß ſie bei Damaskus drei Zelte ihrer
Wanderſchaft errichten wollten ; die Fülle ſchlug das ihre auf in den Tauſenden der Fruchtgärten

und in den Gaſſen der Stadt ; die Schönheit ſpannte ihr Zelt hinüber vom tönenden Feidichaquell
bis über die vielfäulige Moſchee der Ommajaden ; die Weisheit wählte ſich zur Stätte der Ruhe,
zu der ſie ſo oft zurückehrte, das Grabmal des Mohijedbin Al Arabi. *) Darum iſt Damaskus

ein Becher, in welchem die Fülle aller Segnungen ihre Aräfte ergießt , die Schönheit bekränzt
ihn mit dem Liebreiz der, menſchlichen Anmuth , die Weisheit hält ihn und reicht dem Trinker

*) Dieſer war einer der berühmteſten Myſtiker des Islams.

1
286 Die übrigen Stätten des hl. Landes .

ihn dar mit Gedanken des göttlichen Beſinnens. Und es ſcheint in der That ſo, als habe dieſe

Fürſtin unter den älteſten Städten der Erde den Becher der Berauſchung , der auch ſie , wie
viele der Andern trunken machte , mit etwas größerer Mäßigung genoſſen , als jene. Die

Bewohner ſind rührig und arbeitſam , mäßig und ordnungsliebend wie in keiner andern Stadt
des Morgenlandes. Schon die kräftig ſchönen Geſtalten laſſen auf eine waưre Uebung der
Kräfte ſchlieſſen und inan kann von dieſer unermüdeten Thätigkeit Zeuge ſein , ſobald man

hinaustritt auf die Gaſſen der Handwerker und Künſtler und in die Bazar8 der Handelsleute.
Wer hat nicht von den berühmten Stahlarbeiten der Damascener , von ihren Webereien in
Seide, Leinen und Baumwolle , ihren Arbeiten in Leder , Holz und Elfenbein gehört , von ihrer
Fertigkeit in Zuſammenſezung metalliſcher Farben , in Bereitung von Balſamen , geiſtigen

Eſſenzen , aromatiſchen Delen , wohlriechenden Waſſern , Seife und all dergleichen Dingen oder

von dem im Orient hochgeprieſenen Wohlgeſchmack ihrer mannigfachen Bäckereien ? Man ſagt,
daß allein über 40 Tauſend Arbeiter mit der Fabrikation der Atlas- und geſtreiften oder

geblumten, öfter mit Gold durchwirkten Seidenzeuge beſchäftigt ſind, deren Einkauf und Transport
in andre Länder , vor allem nach Aleppo ganze , große Rarawanen in Bewegung ſeßt. Die

Sattler-Arbeiten aus Damaskus ſtehen in ſo hohem Rufe , daß ſie wie ihre Träger, die edlen

Roſſe der Umgegend ſelber, von Räufern aus weiter Ferne geſucht werden . Rurz es gibt keinen

Hauptzweig künſtlicher Handarbeiten , der nicht in Damaskus auf eine beachtenswerthe Weiſe

gepflegt würde. Man muß dem Volke von Damaskus den Ruhm laſſen , daß es von dem
gewöhnlichen Hang zum Nichtsthun, den man dem Orientalen vorwirft, ſich losgemad ;t habe und

an Fleiß und Arbeitſamkeit dem Bewohner des mittleren Europas nicht nachyſtehe. Auch macht

der Europäer zu ſeiner Beſchämung hier die Wahrnehmung , daß man in dieſer Stadt weder
jenes tiefe Elend und die Bettelarmuth , noch die Sittenloſigkeit finde, welche in ſo vielen
Fabrikſtädten unſres Welttheiles in's Auge fallen ; auch den ärmeren Arbeitern ſieht man keine
Noth und feinen Hunger an . Die frühere Unduldſamkeit gegen die Chriſten war bis vor

Kurzem faſt verſchwunden und Ibrahim Paſcha's energiſche Regierung von glüdlichſter Nachwirkung
begleitet . Da die Bewohner von Damaskus ſich einſt bei ihm beſchwerten , daß Franken , was

unerhört ſei, ſich unterwunden , auf Roſſen durch die Stadt zu reiten , ein Recht, das nur den
Gläubigen des Islam zuſtehe , da antwortete ihnen der ägyptiſche Feldherr : wenn es euch als

unverbrüchlides Recht erſcheint, daß die Moblemen auf höheren Thieren ſitzen ſollen denn

die Chriſten , wohlan ſo reitet ihr auf Kamelen durch die Gaſſen und laſſet den Chriſten die
Pferde. Hatte doch Mehemed Ali die, wenn auch nicht dem Namen, doch der That nach höchſte
des edlen Bakary Bey gelegt, der
Gewalt der Stadt in die Hände eines katholiſchen Chriſten ,
>
ſich in all ſeinem Thun und Wejen des Namens eines Chriſten würdig bezeugte und demſelben

Achtung verſchaffte. Man konnte ganz allein und ohne Furcht um die Stadt durch die Felder
und über die Hügel wandeln und ſelbſt den Begräbnißſtätten der berühmten Weiſen und der

hl. Scheikhs ſich nähern, ohne daß es verwehrt ward. Von den beinahe zweimal hundert tauſend
su

Damaskus
.zu
Christenvierte
dem
aus
Parthie l
Damaskus. 287

Einwohnern bekennen ſich gegen 28 Tauſend zum Chriſtenthum . Die Katholiken haben zu
Damasfu8 drei Klöſter, das der Väter Franziskaner vom hl . Lande mit 8 Prieſtern aus Spanien,
das Kloſter der Rapuziner und das der Lazariſten , eines vom hl . Vincenz von Baula geſtifteten

Ordens für Miſſionen in fremden Welttheilen .


Chriſtenverfolgung im Iahre 1860 .
Der frühere Fanatismus der Damascener brady jedoch im Sommer vorigen Jahres mit

einer Stärke und Entſetlichkeit über die chriſtlichen Bewohner los , daß die neuere Geſchichte
dafür ohne Beiſpiel iſt. Den Anlaß gab folgendes Ereigniß : Am 9. Juli ließ der Polizeivorſtand
einige junge Mohammedaner , welche in den Straßen kleine Kreuze machten , um ſie von den

Vorübergehenden zertreten zu laſſen , ſtrenge beſtrafen : ſie mußten mit Feſſeln an den Füſſen

die Straßen kehren . Es war zwei Uhr Nachmittags. Die muſelmaniſchen Budenbeſißer, welche
dies mit anſahen , geriethen in Wuth und gaben das Zeichen zur Empörung gegen die Chriſten .
Nun drangen bewaffnete Banden in die von Chriſten bewohnten Stadtviertel ein, legten Feuer an
verſchiedenen Orten und begannen zu plündern. Die zum Schuße der Chriſten aufgebotenen Soldaten

ſahen dieſen Vorgängen mit Gleichgültigkeit zu und betheiligten ſich bald auch an der Plünderung.
Gegen Abend brach das Feuer auf furchtbare Weiſe aus und verſetzte die Chriſten in den

ſchredlichſten Jammer. ,, Rette ſich, wer kann !" war das allgemeine Loſungswort und ſo flohen
ſie denn , alles preisgebend, ſo wie ſie waren . Abd - el - fader that zur Rettung der Chriſten

alles , was in ſeiner Macht ſtand ; ` aber den Aufruhr vermochte er , wie er gehofft hatte , nicht
zu bewältigen . Er begab ſich mit ſeinen Leuten an Ort und Stelle , brachte die Lazariſten und
barmherzigen Schweſtern in Sicherheit ſowie das Perſonal des franzöſiſchen Conſulats . Das

ruſſiſdie, öſterreichiſche und griechiſche Conſulat wurden in Brand geſteckt und ausgeplündert,
das belgiſche und amerikaniſche ausgeplündert und zerſtört; der öſterreichiſche Conſul machte

mit bewaffneter Hand , als die Flammen bereits in ſein Zimmer ſchlugen , einen Ausfall und

ſchlug ſich durch. Das Engliſche Conſulat, weil inmitten der mohammedaniſchen Häuſer und ganz
nahe an der großen Moſchee, blieb verſchont. Am folgenden Tage war der Anblick der Chriſten

Quartiere ein herzzerreiſſender : alle Häuſer , alle Miðſter , alle Kirchen waren niedergebrannt,
Zerſtörung und Brand währten am nächſten Tage fort ; das Gemetzel begann aber erſt eigentlich

am 11. Juli in allen Straßen , um alle Chriſten zu vertilgen. Selbſt die zu Muſelmanen
geflüchteten Chriſten waren nicht ſicher, weil die Plünderer auch dieſe Häuſer in Brand zu ſteden

drohten, wenn die Flüchtlinge nicht ausgeliefert würden. Das entſetliche Morden und Zerſtören

dauerte bis zum 14. Juli , wo Muſtapha Baſcha von Hauran und Emin Paſcha von Baalbek
ankamen , ohne jedoch Erhebliches leiſten zu können . In der gräßlichſten Noth der Chriſten

hatte Abd - el -Kader und die Regierung Truppen abgeſendet , welche die dem Blutbade Ent
ronnenen in die Burg führten , welche bald mit 10 Tauſend ſolcher Unglücklicher angefüllt
war. Dies war noch am 11. Juli geſchehen , als die Vertilgung der Chriſten im Werke war .
Die Zahl der Mörder und Plünderer mehrte ſich von Stunde zu Stunde , von Tag zu Tag
288 Die übrigen Stätten bes hl. Landes.

bis gegen 2400 . Sie beſtand aus einer bunten Miſchung von Druſen , mohammedaniſchen

Bauern und Zigeunern – die ganze islamitiſche Stadt war unter Waffen. Die Zahl der

Ermordeten wird auf 3 bis 4 Tauſend angegeben.


Von den 2700 Chriſtenhäuſern wurden ungefähr 2400 gänzlich geplündert und nieder
gebrannt , nämlich diejenigen , welche das eigentliche Chriſten - Viertel bildeten ; die andern 300,
die ſich zwiſchen türkiſchen Häuſern befanden , wurden zwar auch rein ausgeplündert, aber nicht
verbrannt. Zehn Rirchen und 4 Klöſter wurden geplündert und verbrannt, die darin befindlichen
Prieſter gemordet ; nur wenigen gelang die Flucht. Von den Franziskanern ward keiner gerettet.

Abd- el- Rader's Dienſte in dieſen fürchterlichen Tagen ſind nicht hoch genug zu ſchätzen. Der den
Flüchtigen erwieſene Schuß in dem Caſtell hat Tauſenden das Leben gerettet . * ). Ein Augenzeuge
ſchildert die Verheerung im Chriſten -Quartier alſo : die Verwüſtung iſt eine namenloſe, Schritt

auf Schritt auf dem Schuttboden der übereinander gehäuften Ruinen führt zu neuen Zeugen
der vandaliſchen Wuth, die hier, nicht im Sturmſchritt, ſondern ungeſtört Tage hindurch gehauſt
hat. Außer den nackten Wänden des Lazariſten - Seminars und einigen Moslims gehörigen ,

im chriſtlichen Quartier zerſtreuten Kaufbuden iſt auch nicht eine einzige Mauer mehr als einige

Fuß hoch über dem Erdboden ſtehen geblieben . Der prachtvollſte Marmor, hauptſächlich Schmuď
des Inneren der Häuſer von Damaskus , maſſive Säulen , ſchwere eiſerne Thüren , die ſolideſt

gefertigten Gewölbe , nichts entgieng der Zerſtörungswuth , ſondern bedeďt nun ein ſeltſames
Gemiſch von Trümmern – die Erde . Auf der Schuttſtätte des Hauſes des ruſſiſch. Dolmetſchers

Freis, deſſen Errichtung weit über 1 Mil. Piaſter gekoſtet haben ſoll, ſah ich noch die halbe Kuppel
des einſt ſo reichen Speiſeſaales, mit weißem Marmor überkleidet und mit goldenen Inſchriften
verziert ein trauriger Gegenſatz zu den halbverkohlten Mauerreſten ringsumher. Am

gräßlichſten ſcheinen die Barbaren in dem armeniſchen Kloſter gehauſt zu haben ; wir fanden
hier in einem Gewölbe dicke Bündel ausgeriſſener Haare und eine Menge zerbrochene Stüce
von Glasbraceletten , wie ſie Weiber niederen Standes zu tragen pflegen ſprechende Zeugen

der Gräuelſcenen, die hier vor ſich gegangen ſein mögen . **)

Die Bekehrung des hl. Paulus zu Damaskus.

Für den chriſtlichen Pilger iſt Damaskus vor Adem eine unvergeßliche Stätte durch die
Erinnerung , daß daſelbſt der gegen die Chriſten wüthende Saulus durch den Ruf Jeſu Chriſti
zum Apoſtel der Kirche umgewandelt wurde .

,, Saulus aber ſchnaubte nach Wuth und Mord gegen die Jünger des Herrn und gieng

zum Hohenprieſter und erbat ſich von ihm Briefe an die Synagogen zu Damaskus , daß wenn
er einige fände, die dieſes Weges wären, Männer und Weiber, er ſie gebunden nach Jeruſalem

* ) Aug. Zeitung Beil. zu Nr. 256, 1860. Vgl. 205, 218, 220, 245 .
** ) Ebend. 1861 Nr . 20 B.
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289
Damaskus.

führte. Als er nun auf dem Wege war und nahe an Damaskus kam, umſtrahlte ihn plöglich

ein Licht vom Himmel und er fiel nieder zur Erde und hörte eine Stimme, die zu ihm ſprach:
Saulus ! Saulus ! warum verfolgſt du mich ? Er fragte: Herr, wer biſt du ? der Herr ſprach :
Ich bin Jeſus, den du . verfolgſt. Es wird dir ſchwer werden, gegen den Stachel auszuſchlagen.

Und er ſprach zitternd und bebend : Herr ! was willſt du , daß ich thun fou ? Und der Herr
ſprach zu ihm : Steh auf und geh' in die Stadt ! da wird dir geſagt werden , was du thun
jollſt. Die Männer aber , die ihn begleiteten , ſtanden ganz betäubt ; ſie hörten wohl eine

Stimme, ſahen aber Niemand . Saulus ſtand nun auf von der Erde ; da er aber ſeine Augen
öffnete, ſah er nicht mehr. Sie leiteten ihn daher bei der Hand und führten ihn nach Damaskus.

Da konnte er nun drei Tage lang nicht ſehen und aß nicht und trank nicht.
Es war aber ein Jünger zu Damaskus , Ananias mit Namen ; zu dem ſprach der Herr
im Geſichte : Ananias ! Er antwortete : Sieh ! hier bin ich, Herr ! Der Herr ſprach zu ihm : Steh'
auf und geh' in die ſogenannte gerade Gaſſe und frag’ in Judas' Haus nach einem Tarſenſer,
Saulus mit Namen ; denn ſieh' er betet , und hat im Geſichte einen Mann geſehen , Ananias
mit Namen, der zu ihm hineintrat und ihm die Hände auflegte, damit er wieder ſehend würde.

Ananias aber antwortete : Herr ! von dieſem Manne haben mir viele erzählt, wie viel Böſes er
deinen Heiligen zu Jeruſalem gethan hat. Und auch hier hat er von den Hohenprieſtern

Volmacht, alle in Bande zu legen, die deinen Namen anrufen. Der Herr aber ſprach zu ihm :
Geh' hin , denn gerade er iſt mir ein auserwähltes Werkzeug , Meinen Namen vor Heiden und

Könige und Kinder Iſraels zu tragen . Denn ich will ihm zeigen , wie viel er um meines

Namens willen wird leiden müſſen . Da ging Ananias hin und kam in das Haus und legte

ihm die Hände auf und ſprach : Bruder Saulus ! der Herr Jeſus , der dir erſchien auf dem
Wege , den du zogeſt, hat mich geſandt , damit du wieder ſehend und mit dem heiligen Geiſte

erfüllt werdeſt. Und alsbald fiel es von ſeinen Augen wie Schuppen und er ſah wieder und ſtand auf
und ließ ſich taufen Saulus blieb dann noch einige Tage bei den Jüngern zu Damaskus

und predigte ſogleich in den Synagogen Jeſum , daß Er der Sohn Gottes ſei." Apoſtelg. IX .

Vor den Verfolgungen der Juden flüchtete Paulus nad) Arabien und kehrte nach drei
Fahren wieder nach Damaskus zurück, das ein Statthalter des arabiſchen Königs Aretas befekt
hatte , mußte aber wiederholt fliehen und kam dann nach Jeruſalem . (Gal . Br. 1 , 17. II,

Cor . 11 , 33.) Eine halbe Stunde von Damaskus zeigt man gegen Oſten den Ort, wo Baulus

niederſtürzte. In der Stadt ſelbſt führt noch ein Thor ſeinen Namen und eine Straſſe den

des Ananias. Die in der Apoſtelgeſchichte genannte gerade Straße beſteht noch in ihrer
ganzen Länge, iſt die größte der ganzen Stadt und durchſchneidet dieſe von Oſt nach Weſt.

Die Gebäude zu beiden Seiten ſind faſt ebenſoviele Läden und Magazine, in welchen die reichſten
Waaren aus Europa ſowohl als aus den verſchiedenen Theilen Aſien8 feil geboten werden .

Die Bauart der Stadt und Häuſer.


Damaskus ſteht an Umfang , Häuſer- und Einwohner - Zahl dem jegigen Kairo nur wenig
37
290 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

nach. Zwar ſieht man auch hier große Strecken, in denen eine Stille und Lebloſigkeit herrſcht,
wie in einer verlaſſenen Stadt , doch rührt dieſer Schein der Unbewohntheit mehr von der
ſonderbaren Bauart der Häuſer als von wirklicher Menſchenleere her. Die Häuſer tragen

nämlich nicht, wie in unſerm neugierigen Europa die Fenſter vorne heraus auf die Gaſſen ,
ſondern hier ſieht man häufig nur die leeren Wände , während die bewohnten Zimmer mit
ihren Fenſtern , bedeckten Gängen und ſchönen Terraſſen nach dem geſchloſſenen Hof hin liegen,
der meiſt mit Bäumen und Blumenbeeten geziert iſt und in deſſen Mitte ein Springbrunnen

oder laufendes Waſſer plätſchert. Die Häuſer ſind von Holz oder Ziegelſteinen erbaut und die

Thüre gleicht einer Gefängnißpforte , iſt ſo nieder , daß man ſich mühſam bücken muß, um
durch zukommen . Das Aeußere zeigt nur Armuth und Unſcheinbarkeit ; allein kaum hat man die
Schwelle überſchritten , ſo ſieht man ſich wie durch Zauberei in eine neue Welt verſetzt. Am
Ende eines kleinen Ganges hat man plötzlich einen prächtigen Hof vor ſich, der mit weißem
Marmor gepflaſtert und mit einem ebenfalls marmornen Baſſin geziert iſt , welches eine

Einfaſſung von arabiſchem Jasmin , Drangen , Zitronen , Granatbäumen und wohlriechenden


Blumen hat . Aus der Mitte des Beckens erhebt ſich ein klarer Waſſerſtrahl, der in Form

einer Garbe wieder herabfällt und eine angenehme Mühle unterhält . Auf beiden Seiten ſind

die Zimmer und Säle beſtimmt, die Gäſte aufzunehmen. Die Bildhauerarbeiten, die Vergoldungen,
die Spiegel , die koſtbaren Geräthſchaften , die ſeltenen Porzellangeſchirre, die Uhren von den

ſchönſten Formen , die Kiſſen , die Teppiche von außerleſenen Stoffen , kurz alles, was die
Vollkommenheit der Künſte dem eleganteſten und reichſten Luxus liefern kann , findet ſich hier

mit ebenſoviel Verſchwendung als Geſchmack vereinigt. *) Daran reihen ſich in mehreren
Wohnungen Gärten , die an Gemüſe- Früchten , beſonders an Aprikoſen, Pflaumen und föſtlichen
Trauben Ueberfluß haben . Dieſe reizenden Hofräume in Verbindung mit der ganzen Herrlichkeit
der Stadt rufen das Bild der alten vielgeprieſenen Pracht orientaliſdher Städte in der Phantaſie

um ſo ſtärker hervor , als Damaskus die vielbeſungene und geſangreiche Stadt geweſen , das
erſehnte Ziel der Jünger , die wie Sadi nach Weisheit ſuchen ; die ſinnvolle Bilderſprache der
orientaliſchen Myſtik wird hier dem Nachdenkenden klar und er fühlt ſich in die Heimath von
Sabi's Roſengarten mit Entzücken verſett.

Die eigentliche innere Stadt iſt von mächtig hohen , dicken Mauern umgeben , an denen

eine Menge Thürme und Zinnen ſich erheben. Die Gaſſen haben zu beiden Seiten erhöhte
Trottoirs, ſind aber dabei meiſt ſo eng, daß wenn ein beladenes Kameel hindurchgeht, man nur

mit Mühe den Stöſſen, die ſeine Bürde nach beiden Seiten austheilt, ſich entziehen kann. Das
hervorragendſte Gebäude iſt die große Moſchee“ . Der Khalif Walid gründete ſie im
Jahre 705 an der Stelle der gefeierten Kirche des Täufers Johannes und nach deren

Abbruch mit erheblichem Roſtenaufwande. Sie galt neben der Moſchee zu Jeruſalem als das

*) Schubert III 285 ff. Geramb II 373.


1
‫חנות‬

.
Baalbeck
Damaskus. 291

bewunderte Glanzwerk der mohammedaniſchen Architektur und gab das Muſter für andere
Anlagen von Bedeutung . Das gegenwärtige , für Chriſten unnahbare Gebäude iſt ein Hof

hallenbau von einfacher, doch anſehnlicher Anlage , ein Mauerviereck von nahe an 400 Fuß
Breite und gegen 180 Fuß Tiefe , im Inneren rings von Arkadenhallen umgeben , welche einen

weiten Hofraum einſchlieſſen. An der einen langſeite ordnen ſich die Hallen für die gottes
dienſtlichen Zwecke in größerer Tiefe , als drei querlaufende Schiffe, von denen bas mittlere

breiter iſt ; eine Einrichtung, welche wiederum auf die Baſilikendispoſition als Vorbild zurückweiſt.
Jede dieſer Hallen hat 44 Säulen mit leicht zugeſpitzten Bögen ; die Säulen, welche nicht genau
übereinſtimmen , werden als forinthiſche bezeichnet und rühren ſomit muthmaßlich von älteren
Denkmälern her. Ihre Kapitäle waren vergoldet. In der Mitte des Mittelſchiffes erhebt

ſich auf vier mächtigen Pfeilern eine große Kuppel ; das Uebrige iſt mit Zimmerwerk bedect.

Ueber den Arkaden der Hoffront wird eine doppelte Fenſterreihe mit Bögen erwähnt , ebenſo
mujiver Schmuck an verſchiedenen Theilen , wozu die künſtleriſchen Kräfte von Conſtantinopel
ſchon unter Walid in Anſpruch genommen worden waren. *) Ueber die Behandlung der Formen
im Einzelnen mangelt auch hier die nähere Kunde.
In dieſer Moſchee ſoll das Haupt des hl. Johannes aufbewahrt ſein . Damaskus iſt die
Pforte von Mekta. Obgleich letzteres über 40 Tagreiſen weit entfernt iſt, ſo iſt Damaskus
doch die erſte Stadt von dort, oder wenigſtens von dem hl. Medina an bis hierher. Ende Dezembers

findet der Einzug der großen Pilgerkarawane in Damaskus ſtatt und vier Monate früher
der Abzug nach Mekka unter eigenthümlichem Ceremoniell. In 30 Tagen wird Medina erreicht.
Nördlich von Damaskus lag Hoba , wo ·Abraham die gegen ihn verbündeten Rönige

ſchlug. Da Abram hörte , daß ſein Bruder lot gefangen ſei , muſterte er ſeine geübten , im
Hauſe gebornen Knechyte , 318 und jagte nach bis gegen Dan und theilte ſeine Sdaar und

überfiel ſie des Nachts, ſchlug jie und verfolgte ſie bis gen Hoba , welches links von Damaskus
liegt. ** )

Nach den Berichten von Troilo liegt eine halbe Stunde nördlich von Damaskus ein
Dorf, das noch oba heißt.***)
Die Ruinen von Baalbek.

Von Damasku8 geht es in nordweſtlicher Richtung auf ſteinigten Gebirgs - Wegen dem

Antilibanus zu in das alte Cöleſyrien mit der Ruinenſtadt Baalbek , ehedem Baalgad, von
den Griedyen Heliopolis oder Sonnenſtadt genannt . Baalbek liegt in dem öſtlichen Theil
des Thales, welches jetzt den Namen al Bakaa führt und iſt 6 Meilen nordweſtlich von Damaskus

entfernt. Das jetzige Dorf mit etwa 2000 Einwohnern, wovon 400 dem Chriſtenthume gehören,

*) Stugler Geſch. d . Beft. I. 502 .


**) I. Moj. 14, 14.

***) Gray ş. 42 .
37 *
292 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

gleicht einem großem zuſammengeſtürzten Palaſte , unter deſſen Trümmern dürftige Miethleute
wohnen . Die Ruinen von Baalbek zählen zu den großartigſten, die auf uns gefoinmen ſind
und erregen die Bewunderung der Beſucher. Das Thal iſt majeſtätiſch ſchön ; eine ſolche

mächtige Umhegung der Gebirge , wie in dieſer grünenden Breite zwiſchen dem Libanon und
Antilibanon findet ſich nirgende . Baalbek liegt an jenem Giebelpunkt des mächtigen Libanon
Thales, welcher die Wetter- und Waſſerſcheide zwiſchen dem nördlichen und ſüdlichen Verlauje

von dieſem bildet. Einige Stunden im Norden von Baalbek entſpringt der Drontes , der
ſeinen Lauf nordwärts nimmt ; wenige Stunden fübwärts von hier quillt der leontes , der

nach Süden läuft ; der Bach aber, der durch Baalbek fließt, nimmt zwar auch ſeinen Lauf nach
Süden , kann aber in der Thalebene nicht den nöthigen Abfall finden und verſiegt darum in
geringer Entfernung von hier in dem grünenden Boden . Die Gebirgswände zu beiden Seiten

ſteigen gegen 5 Tauſend Fuß über der Fläche des Thales empor , das hier nicht viel über eine
deutſche Meile breit iſt. Steigt man den mit Gras bewachſenen Schutthügel hinan ober dem

Dorfe, ſo geſtattet das zerriſſene Gemäuer der Tempelburg den Zutritt zum Innern . Hier iſt es
ſtill und einſam ; man ſteht allein vor den rieſenhaften Trümmern ſyriſcher und römiſcher Architektur ;
denn Plan und Grundlagen ſind altſyriſch, wie der Cultus daſelbſt. Das weſtliche Ende der

Burg tritt zunächſt entgegen , wo oben die beiden Tempel ſtehen und wo ein Zickzackweg

über rieſige Kapitäle und Säulentrommeln , den Trümmerſturz der Tempel , zwiſchen dieſen
hinauf in den großen Vorhof führt. Er iſt geſäumt von Prieſterwohnungen , Rammern , die
vorne offen ſtehen und Niſchenreihen des reichſten römiſchen Styls, nach hinten ſieht man die
beiden Tempel , von denen der tieferſtehende zur Linken noch maſſenhaft und ganz iſt,

während der höher liegende und einſt noch foloſſalere rechts nur einen Theil ſeiner Säulen
Flanke aufrecht erhalten hat. Es iſt die Flanke , die dem andern Tempel zunädiſt gegenüber

ſteht. Sein ganzer übriger Raum bleibt leer und es ſind auch aus jener Flanke nur ſechs
Säulen , die aber ohne Lücke ihr gemeinſames Steingebält noch ſchwindelnd hoch in die Lüfte
tragen . Sie beſtehen jede nur aus drei Stüden , haben im unteren Durchmeſſer achthalb Fuß
und mit dem Gebälfe eine Höhe von 72 Fuß . Dieſe ſtolzen , fühnen Träger ſieht man dhon

von weiter Ferne die Stätte einſtiger Bradt verkündeu . Von welcher Seite ſie ſich nur immer

präſentiren , ihr Eindrud bleibt gleich gewaltig . Dieſer große Tempel erhebt ſich über einem
großen vieredigen Hof , welch lekterer wieder höher als der kleinere fechseckige Vorhof liegt,
indem der altorientaliſche Terraſſenbau dieſe Anordnung liebt, wie der Prachttempel zu Jeruſalem

gezeigt hat. So ſteigt auch hier der Unterbau der ganzen Anlage ſtufenweiſe von Oſt gegen
Weſt; denn an der Oſtſeite ſtand die Vorderfront der ganzen Anlage und beſtand aus
einer Säulenhalle von 12 Säulen , deren Fußgeſtelle noch übrig geblieben ſind . Zu ihr
ſtieg eine Treppe von derſelben Breite hinauf. Aus dieſer Fronthalle tritt man in den ſech 8
ſeitigen mit Rammern und Niſchen eingefaßten Hof. Seine an die Fronthalle anſtoſſende

Seite iſt nicht ſo breit , als jene , ſo daß die Ausdehnung der Halle mit den Flügeln darüber
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Baalbeck
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Thorweg
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Die Ruinen von Baalbek. 293

nach beiden Seiten hinausgeht. Aus dieſem ſechseckigen kleineren Hofe tritt man in den weiten
vierſeitigen Hof , der zu beiden Seiten noch bedeutend weiter ausgreift , als ſelbſt jene
Fronthalle mit den Flügeln . Dieſer größere Hof iſt ganz und gar mit Rammern geſäumt, welche

balb halbrund bald viereckig , immer aber nach vorne offen ſind. Hier waren Säulen aus

ägyptiſchem Granit oder Porphyr. Die halbrunden Räume des großen Hofes haben innen

Rundbogen - Niſchen , zwei übereinander zwiſchen forinthiſchen Pilaſtern , einſt für Statuen
beſtimmt. Die geſtredten vieredigen Rammern wechſeln mit den halbrunden ab und ſind

gleichfalls mit Pilaſtern , von denen eine obere Ordnung auf den Kopf der unteren tritt,

bezeichnet. Alles glänzt in Reichthum und Pracht. Auf dieſem großen vierſeitigen Hofe erhob

ſich der große Tempel ſelbſt, auf welchen ſich die ganze Anlage allein bezieht . Er hatte

10 Säulen in Front und 19 wie es ſcheint in die Flanke. Von ihnen ſtehen nur noch die

genannten fechs mit dem Gebälke aufrecht. Dieß war der eigentliche Tempel des Baal , des

Sonnengottes . An die Südweſtecke des erwähnten vierſeitigen Hofes wurde ſpäter ein neues
Stück Terraſſe angehängt und auf dieſen tieferen Grund , der die Symmetrie der Anlage

aufhebt, ein zweiter , weniger foloſſaler aber immer noch ſtaunenswerther Tempel , paralel

mit dem größeren geſtellt. Dieſer zweite Tempel iſt wohl gemeint , wenn berichtet wird , daß

Raiſer Antoninus einen Jupitertempel in Syrien erbaut habe , der für ein Weltwunder galt.

Einen Jupitertempel verrathen nämlich die Darſtellungen über ſeiner gut erhaltenen Flankenhalle,
die der höheren Terraſſe des größeren Tempele zugekehrt iſt. In den dortigen Deckenfeldern

( Cakunarien ) findet ſich z . B. Ganymed vom Adler entführt , Leda mit dem Schwan — alſo

eine römiſche Auffaſſung des babyloniſchen Bel und Planeten Jupiter. Die Vorderſeite dieſes

Tempels iſt durch ſarazeniſche Feſtungsmauern verbaut. Ein niederer Eingang führt durch die
plumpe Mauer hinein vor das Portal , an welchem der römiſche Bauſtyl Alles was ihm an
Verzierungen zu Gebot ſtand , faſt überreich und dennoch in ſymmetriſch ſchönem Einklange

angebracht hat. Der Schlußſtein des Portals iſt durch die Kraft des Erdbebens aus ſeiner

Anfügung losgeriſſen worden und hängt nur mit ſeiner oberen Hälfte noch zwiſchen den

Nachbarſteinen feſtgehalten , drohend über dem Haupte des Eintretenden. Auf die Unterſeite
dieſes mächtigen Blockes iſt ein Adler in halberhabener Arbeit geprägt und zu deſſen rechter

und linker Seite ein geflügelter Genius. Im Innern , das ohne Decke und ziemlich verſchüttet

iſt, ſind abermals die Wände unten mit runden , oben mit giebelgekrönten Niſchen ausgeſtattet,

und große forinthiſche Halbſäulen dazwiſchen tragen das obere Geſims. Der innerſte Theil
mit dem Altar zwiſchen zwei prachtvollen Bögen bildete noch eine höhere Stufe. Tritt man

durch das bedrohliche ſchöne Portal heraus , ſo ſteht man vor einem farazeniſchen Kaſtelthurm ,

der über ſeinem Eingang ein zierliches Tropfſteingewölbe hat , das trotz ſeiner ſauberen
Ausführung lächerlich anzuſehen iſt , wie eine Modedame neben dem marmornen Imperator. *)

* ) Nach I. Braun I, 348 ff. Subert III, 327.


294 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

Wohl zu beachten iſt, daß der ganze viereckige große Hof auf Gewölben ruht, die einen
gewaltigen Tunnel und den Grundbau der Terraſſen - Höfe bilden . So ſehr hier einige Lagen

großer Blöcke auffallen , die einen älteren Unterbau unterſcheiden laſſen , ſo verſchwinden dieſe
Dimenſionen völlig gegen die unerhört großen Quaderſtücke in der weſtlichen und
nördlichen Burgwand. Im Weſten, wo einſt das Hinterende des großen Tempels oben ſtand,
findet man in einer Höhe von 30 Fuß eine Reihe von drei Quaderblöden , wovon jeder bei
14 Fuß Höhe und bis 68 Fuß Länge inißt. Der obere Theil des Baues iſt römiſch und

arabiſch ; der Unterbau ſtammt aus einer unbeſtimmbar älteren Zeit . Auf der ganzen
Nordſeite iſt gleichfalls ein altſyriſcher oder phöniziſcher Unterbau rieſiger Quader , die immer

nur an den Fugen glatt behauen oder gerändert ſind , zu verfolgen . Im benachbarten

Steinbruch des Antilibanon ſieht man niod einen fertig gehauenen Steinblock, welcher 71 batyr. Fuß
Länge , 18 Fuß Breite und 14 in der Dicke hat. Dieſer Roloß Harrt nun ſchon lange , lange
Zeit ſeiner Einfügung in den Bau, der indeß ſelbſt zu Trümmern zerbrochen iſt! Nachdem die

letzte Hand an denſelben gelegt war , wie gering modte im Vergleich mit dem bereits in die
kühnſte Höhe geführten Tempelbau die Einfügung dieſes Bauſteines den damaligen Werkleuten

erſchienen ſein – und doch trennt ihn ſeit der letzten Stunde der Arbeit vielleicht ein Jahrtauſend

von dem Bauwerk und Jahrhunderte um Jahrhunderte füllen den kleinen Abſtand nicht aus !

Die Ruinen bezeugen eine Mächtigkeit des Bauwerkes, daß der gegenüberſtehende Libanon ſelbſt
darauf ſtolz ſein kann .
Der Libanon und das Cedern - Tha I.

Das majeſtätiſche Gebirge ſteigt zu ewiger Schneehöhe auf , kurz bevor es ausgeht als
Debel Mach mel, während der damit faſt parallel laufende Antilibanon am Südende als

Dichebel Sched oder großer Hermon ſeinen höchſten Punkt erreicht. Den libanon aufwärts
erreicht der Pilger auf dem Dſchebel Riehan , einem Hochrüden des Gebirges , bei der weiten
Umſchau in ferner Tiefe das Meer , das von ſolcher Höhe geſehen zweifellyaft läßt , ob dieſe

blaue, ſcheinbar anwärts ſteigende Fläche Waſſer oder ein Wolkendamm iſt, der über der Ebene
emporſteigt, bis das Auge allmälig deutlicher zu unterſcheiden und zuletzt im Hafen von Beirut
ſelbſt die Maſten der Schiffe zu erkennen vermag .

Der von den Pilgern aufgeſuchte Hain der Cedern des libanon liegt weiter nördlich

beim Höhepunkte dieſes Gebirges, dem erwähnten Dſchebel Machmel.

Das Plateau, worauf die Cedern ſidy erheben , wird gegen Oſten von dem halbkreisförmigen

Gürtel der legten Gipfel des Madh mel umgeben und im Weſten von hohen Felſen begrenzt,
die ſich in’8 Thal der Heiligen (Radiſcha ) hinabſenken. Die Cedern ſind auf zehn Hügeln
zerſtreut, ſo daß ſie einen kleinen friſchen und ſchattigen Wald bilden, den viele Vögel mit ihrem

Geſange beleben . 3. Roth, der von Baalbek aus den Cedernhain bei Betſcherri beſuchte, ſchäßt

deren Zahl auf 300. In der Mitte fand er den Hain etwas lichter ; hier ſtehen fünf, an
Umfang faſt gleiche Cedern , deren Durchmeſſer 9 Fuß beträgt . Man hält dieſe herrlichen

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Die Ruinen von Baalbef. 295

Bäume für Zeitgenoſſen des Königs Salomon , der ja vom Libanon durch König Hiram von
Tyrus Cedern und Steine zum Tempelbau erhielt. In den hl . Büchern wird der Cedern des

Libanon häufig gedacht und ſowohl der Stolze und Hochmüthige damit verglichen als auch der
dauernde Ruhm des Gerechten. Beides liegt nahe. Ihr Wipfel ſteigt majeſtätiſch gen Himmel

und bildet gleichſam eine weite grüne Suppel und das knotenfreie Holz gehört zu dem dauer
hafteſten . Die Region der Cedern reicht bis an die Höhe von nahe 6000 Fuß , während der
ſie beſchirmende Gipfel des Mach mel 8800 Fuß über dem Meeresſpiegel erhaben iſt. Eine

kleine Kapelle ſteht jeßt mitten im Haine und fünf um dieſelbe und ſieben auf dem nahen
Hügel gruppirte Cedern gelten für Ueberbleibſel des früheſten Alterthums. Der berühmte

Naturforſcher Ruſſeger gibt zu , daß dieſe Stämme in Anbetracyt ihrer Größe und Dicke, ſowie

des ſteinigen Bodens und der hohen Lage ein Paar Jahrtauſende zählen . Dieſe über 50 Fuß
hohen Bäume meſſen im Umfange über 40 Fuß und theilen ſich etliche Fuß über dem Boden

in mehrere Stämme. Die übrigen ebenſo hohen Cedern ſind im Durchmeſſer unſeren größten
Tannen gleich und insgeſammt viel jünger. Das immergrüne Laubwerf verbreitet einen ange
nehmen Geruch und kleidet das einſame Thal, von ſchneebedeckten Gipfeln überragt , in die

erfriſchende Farbe des Frühlings. Vom Libanon ſagen arabiſche Dichter, daß derſelbe auf ſeinem

Haupte den Winter, auf ſeinen Schultern den Frühling , im Schooße den Herbſt trage und daß
zu ſeinen Füßen der Sommer ſchlummere.
Das hehre Gebirg ſteht als ein Bild des Segens, der Feſtigkeit und Lieblichkeit vor den
Propheten ffraels.
Die chriſtlichen Gemeinden des libanon .

Die bedeutendſte Ortſchaft im libanon iſt die Stadt Zahleh oder Sahleh . Sie liegt
am öſtlichen Fuße des Gebirges in einer engen Sdilucht, auf deren Grunde der Burdony toſt.

Die Ufer des Wildbaches ſind mit einer langen Allee von Bappeln beſetzt; die weißen Häuſer
ſtehen auf beiden Seiten ſtaffelweiſe über einander .
Kriege und Verfolgungen haben die dyriſtliche Bevölkerung der Umgegend hier zuſammen

gebracht. In der Ebene von Bekaa oder auf den benachbarten Bergen zerſtreut, waren ſie von
den Türken beſtändig beläſtigt ; nun , da ſie in einer hinlänglich feſten Stellung vereinigt ſind,
konnten ſie ſich vertheidigen und wurden bis zu den Schreckendtagen vorigen Jahres weniger
beunruhigt. Die Stadt iſt ſehr vortheilhaft zwiſchen Damaskus und Beirut, zwiſchen der Ebene
und den Gebirgen , daher bequem für den Austauſch der Waaren und Handelsgegenſtände
gelegen. Zahleh iſt das Bollwerk der Chriſten im Gebirge. Sie zählte gegen 13. Tauſend
Einwohner , lauter Chriſten , nämlich: 8500 katholiſche Griechen , 3000 Maroniten , 1500 nicht
u nirte Griechen. Zu Muallaka und einigen andern Dörfern , die gleichſam ihre Vorſtädte
bilden , ſind 150 Metualis. In der Stadt und deren Gebiet giebt es 20 katholiſche Kirchen,
die aber eigentlich bloße kleine Kapellen ſind , wo der Gottesdienſt nicht in geziemender Weiſe
gefeiert und nur eine kleine Zahl der Gläubigen verſammelt werden kann. Mit Hilfe einer
296 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

Spende des Kaiſers von Deſterreich wurde der Bau einer geräumigeren Kirche begonnen , die

natürlich iegt in Trümmern liegt. Für die neu zu errichtende Kirche hat Profeſſor Schraudolph
das Altarbild gemalt und ſo der fernſten Grenzſtadt des Chriſtenthums eine Gabe nicht nur

neu belebter deutſcher Kunſt, ſondern auch tief chriſtlicher Liebe verehrt. Der Name des Meiſters
am Speyrer- Dom wird in dieſer, wenn auch kleinen Kirche des ſchwer heimgeſuchten Bergſtädt

chens dasſelbe dankbare Andenken ſich gründen , daß er in der alten Reichsſtadt am Rheine

hinterlaſſen. Die unirten Griechen befaſſen eine ſchöne neugebaute Kirche, welche durch Almoſen
Europa's zu Stande kam . Sie hatten in Zahleh einen Biſchof. Die Jeſuiten hielten Schulen,

die von 810 Schülern beiderlei Geſchlechtes beſucht wurden ; unter ihrer Leitung wurden für die
Mädchen Lehrerinnen beſtellt. Würden die Mittel reichen , ſo errichteten ſie eine Mittelſchule,

welche im Oriente beinahe gänzlich mangelt. Jeden Sonntag gehen Ratechiſten beiderlei
Geſchlechts in die Dörfer der Ebene hinaus ; fie ſtehen unter der Leitung der Jeſuiten , welche

ihre Leiſtungen überwachen und in den Dörfern herumgehen , um zu predigen und Beichte zu

hören . Dieſe unter der muſelmänniſchen Bevölkerung beinahe ſich verlierenden Chriſten leben
in religiöſer Beziehung in der vollſtändigſten Entblößung . Die Miſſionäre, die ſelbſt nichts

haben , müſſen ihnen oft helfen , Schulen und Kirchen bauen und mit dem Brode des Wortes
Gottes auch die tägliche Nahrung bringen. Als vorigen Jahres die Wuth der Druſen gegen

die Chriſten losgebrochen war , fiel auch Zahleh am 18. Juni Nachmittags 5 Uhr. Die Stadt
wurde unter furchtbarem Gemebel von den Druſen erobert, da ben bedrängten Chriſten Niemand

zu Hilfe kam ; würden die Caſtravaneſer zu ihrem Beiſtand ausgezogen ſein , ſo hätte Zahleh
den Räuberhorden Widerſtand leiſten können. Die Frauen , Kinder und Greiſe konnten zum

großen Theil noch vor Einnahme der Stadt in's Gebirge geflüchtet werden . Das franzöſiſche

Jeſuiten -Kloſter hatte die franzöſiſche Fahne aufgeſteckt, in der Hoffnung, dadurch ihr Leben und
Eigenthum zu retten ; allein die Fahne wurde von den Mordbrennern in Del getaucht und damit
das Gebäude angezündet, die Prieſter und Bewohner aber hingeſchlachtet. Kirchen und Häuſer

wurden niedergebrannt, die Einwohner ermordet. Die weiter ſüdlich gelegenen Orte Rasheya

und Hasbeya erlitten dasſelbe traurige Schickſal des Mordes und der Zerſtörung. Die Kirchen
ſind ein Raub der Flammen , die heiligen Gefäße entehrt und geraubt worden. Diejenigen

Chriſten, welche, vertrauend auf die falſchen Verſprechungen von türkiſchem Schut, in das Serai
des Raimafams eingetreten, waren auf die unmenſchlichſte Weiſe ermordet worden . Die türkiſchen
Soldatén ließen die Druſen ungehindert eindringen und jahen der Ermordung, das Gewehr im

Arm , zu . Außer einer Menge anderer chriſtlidher Dörfer und Klöſter des Libanon ward auch
Dheir - el - Kamar von den Druſen genommen, eine Ortſchaft mit 8000 chriſtlichen Bewohnern,

welche nur durch den ſchnödeſten Verrath des türkiſdien Plazkominandanten in die Hände der
Druſen fiel. Dieſe 8000 Einwohner wurden bis auf wenige durch die Flucht entronnene Reſte
ausgemordet. Eine Mutter ſuchte ihre 2 Knaben von 15 und 9 Jahren mit ihrem Leibe zu
decen ; die Mörder ſtießen aber dieſelben über die Schultern der unglücklichen Mutter hinweg
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1
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MARONITEN
DIRITSEN
.UND
durch
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der
Botführung
Priesters
Maronitischen
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Ermordung
1860
Beduinen
und
Drusen
-
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Die Bewohner des libanon. 297

nieder und zerhacten die Leichen Glied für Glied. Säuglinge hob man an den Füſſen auf und
ſchlitte ſie auseinander. Die Chriſtendörfer Hadet und Bhabda waren bis zum 29. Mai

vorigen Jahres ſchön und wohlhabend. Mehrere große Kirchen , 6 Seidenfabriken und hübſche
Häuſer befanden ſich daſelbſt - am 30. Mai ward Alles von den Druſen niedergebrannt , ſo
daß das Auge jetzt nur gräßliche geſchwärzte Trümmer wahrnehmen kann . Vom 29. Mai bis

1 Juli hatten die Druſen nicht weniger als 151 chriſtliche Dörfer ausgeplündert und nieder

gebrannt und in Folge deſſen ſind 75,000 bis 80,000 chriſtliche Bewohner des Libanon , von

denen viele noch vor einem Monate wohlhabende oder gar reidhe Leute waren , obdachloſe Bettler.
Außer den im eigentlichen Kampf erſchlagenen Chriſten wurden gegen 8000 hingeſchlachtet, oder
richtiger zu Tode gehackt, denn fein Schlächter verfährt gegen ſein Schlachtvieh ſo grauſam .

Mehr als 5000 Frauen , welche nod) vor Kurzem glückliche Gattinnen und Mütter waren, ſind jetzt
Wittwen und haben ihre Männer , Väter , Brüder und ſonſtigen männlichen Verwandten

verloren und 1600 Kinder ſind verwaiſt. Ferner ein furchtbar langes Verzeichniß von Kirchen,

Männer- und Frauenklöſtern, die nun geplündert und zerſtört ſind. 50 Millionen Pfund Sterling

würden außerdem den Schaden nicht erſetzen , der durch die Zerſtörung von Städten , Dörfern ,

Weilern und Seidenfabriken rings im Gebirge angerichtet worden iſt, welche alle den Chriſten
gehörten . Wie viele Klöſter zu Grunde gerichtet wurden , ergiebt ſich daraus , daß deren 200
im Libanon beſtanden . Zu Antura auf der halben Höhe des Libanon , 4 Stunden nordöſtlich
von Beirut hatten die Lateiner ein Kloſter , wo der apoſtoliſche Vifar und Delegat von Syyrien

ſeinen Siß aufgeſchlagen . Es gehörte den lazariſten , weldje in Syrien an die Stelle der

Jeſuiten -Miſſionäre getreten ſind. In der Nähe war ein maronitiſches Nonnenkloſter. Auf

dem höchſten und ſchönſten Punkte ſtand das Franziskanerkloſter lariſſa , in Solyma ein
Hospiz der Kapuziner und in dem freundlichen Dorfe Betidherri, dag 4322 Fuß über dem

Spiegel des Meeres gelegen, ein farmeliter - Kloſter. Zu Deir-el-Mauhaelles war ein
griechiſch-katholiſches Seloſter, das Herzog Maximilian in Bayern 1838 beſuchte. Die Chriſten

lebten hier patriarchaliſch und verſeşten durch ihre fromme Einfachtjeit und Freundlichkeit den
Fremden in die früheſten Zeiten des Chriſtenthums. Abt Mislin wurde ehrerbietig und herzlich
von allen Chriſtengemeinden aufgenommen und nach Kräften bewirthet. Jeder Gemeinde ſchied er
zu früh . Die Klöſter der Maroniten ſind Vereinigungen von einfachen, arbeitſamen Menſchen ,

welche ein Leben des Gebetes und die Freiheit des Geiſtes ſich zur Aufgabe machten. Sie

geben ſich außerdem mit der Zucht des Viehes und der Seidenwürmer ab , fie ſpalten das

Geſtein , bauen mit eigenen Händen ihre Felder , graben , ackern und ärndten . Jedes Kloſter iſt

nichts , als ein arines Bachtgut, das freiwillig übernommen wird und deſſen Bearbeiter feinen
weiteren Lohn erhalten , als Dady und Facy, die Nahrung eines Einſiedlers und die Gebete
ihrer Kirche. Das von Theodoſius dem Großen erbaute Kloſter sanobin (Cönobium ),

2 Meilen ſüdöſtlich von Tripolis , iſt der maronitiſdhe Patriarchalſig. Die in Felſen gehauene

Kloſter - Kirche enthält mehrere Gemälde , die von Rom zum Geſchenke gemacht worden und
38
298 Die übrigen Stätten bes hl. Landes.

verſchiedene Cocong -Opfer der Maroniten , da die Seide die wichtigſte ihrer Aerndten iſt und

dem Herrn des Weltalls die Erſtlingsfrüchte gebühren . II Moſ. 34 , 26. In dem nahen
Thale Kadifcha halten ſich mehrere Einſiedler auf , welche das Land bebauen und unter den

Cedern beten . Das Kloſter Reshaja (Kaſcheya ), nordöſtlich von Ranobin iſt das Haupthaus
vom Orden des hl. Antonius , der gegen 80 Klöſter im Libanon zählt. In dem herrlich
gelegenen Kloſter zu Bezominar weilt der armeniſch - katholiſche Patriarch, unter deſſen geiſtlicher
Leitung 2 Dioceſan - Biſchöfe, 4 Titularbiſchöfe mit 60 Mönchen und ungefähr 12,000 Gläubigen
ſtehen, welche in Syrien, Cilicien und Meſopotamien zerſtreut ſind . Das erwähnte maronitiſche
Nonnenkloſter bei Antura iſt arm ; die Jungfrauen ſind Araberinnen , die ſich aber in der

Kleidung und Lebensweiſe nach ihren Ordensſchweſtern in Europa richten. Sie haben zur

Beſtreitung ihrer Bedürfniſſe keine andern Quellen , als eine Seiden - Xerndte , die bisweilen

ziemlich ergiebig iſt und die Unterſtüßungen der Bewohner des libanon oder jene , die ſie aus
dem Abendlande erhalten .

So iſt dies Gebirge voll von Stätten chriſtlicher Frömmigkeit und Tugend. Faſt jede
Spiše , jedes Thal beſaß eine Kirche oder Kapelle. Welch ein mächtiger Eindruck, wenn in
Mitten dieſes majeſtätiſchen Naturtempels die Hellen Glocken das Ave Maria läuteten und dem

chriſtlichen Abendländer mit dieſen heimathlichen Tönen auch das Bewußtſein der Einheit der

Religion und des Gebetes auch unter dieſen unbekannten Völkern in ſo weiter Fremde wachriefen !
Die Maroniten.

Da die jüngſt im Libanon ſtattgefundenen Schauder - Ereigniſſe zunächſt die Maronitiſchen


Chriſten betrafen und ihre Abſtammung nicht allgemein bekannt iſt, ſo möge hievon kurz gehandelt
werden . Vor dem Entſtehen der Häreſieen im Morgenlande, hießen alle Chriſten , welche

zwiſchen Aegypten und Cilicien wohnten , Syrier. Nachdem ſich aber verſchiedene Sekten

gebildet hatten, bekamen dieſe den Namen ihres Stifters und da war es, wo die von der Kirche
getrennten Syrier die Namen Neſtorianer, Jakobiten und ähnliche annahmen .

Am Anfange des V. Jahrhunderts lebte auf dem Gipfel eines Berges , neben einem
Heidniſchen Tempel , den er in eine Kirche umgewandelt hatte , ein frommer Einſiedler, Namens

Maron . Sein Ruhm verbreitete ſich über den ganzen Orient ; von allen Seiten wandte man
ſich an ihn ; er bildete eine große Anzahl Jünger und beſtärkte feine Candeleute im Glauben .

Nach ſeinem Tode erbaute man ſeinem Andenken eine ſchöne Kirche, wo ſein Leichnam beigeſet
wurde. Sein Feſt iſt im Menologe der Griechen am 14. Februar aufgezeichnet. Seine Schüler

bauten in ganz Syrien eine Menge Klöſter; das berühmteſte war jenes , welches den Namen
Sanct Maron trug und bei der Stadt Apamea , an den Ufern des Orontes lag . Es
wurde gleichſam der Mittelpunkt der rechtgläubigen Chriſten ; deßwegen nannten die Häretiker

jene Syrier, welche dein alten Glauben treu geblieben waren, Maroniten . Die Jünger des
hl. Maron ſetzten dem Einreißen der Segerei alle inöglichen Anſtrengungen entgegen und waren

deßhalb auch den heftigſten Verfolgungen ausgeſett ; an einem einzigen Tage ſtarben ihrer
Die Bewohner des Libanon. 299

350 für den Glauben . Einer von denen , welche ſich durch Wiſſen , Frömmigkeit und unermüdlichen
Eifer auszeichneten, war Johannes, mit dem Beinamen der zweite Maron " . Er reiſte mit

einem legaten des Bapſte8 von Syrien nach Rom , wo Honorius I. ihn zum Patriarchen von

Antiodia weihte . Nach ſeiner Rückkehr in die Heimath bekehrte er viele Jakobiten und 30g
fich mit ihnen auf den Libanon zurück, wo er, nachdem er viele Verfolgungen erlitten, heilig ſtarb.

Als in der Folge Mohawiah , der vierte der Kalifen , welche Mahomed nachfolgten ,
Phönizien und den Libanon mit Krieg überzog , wählten ſich die zahlreichen Maroniten
unternehmende Anführer und begnügten ſich bald nicht mehr damit , ſich hinter ihren Felſen zu

vertheidigen, ſondern ergoſſen ſich in die Ebene und griffen mit Erfolg die Heere der Muſelmänner
an . Nachdem die Araber in einer blutigen Schlacht geſchlagen worden waren , ſammelten ſie
neue Kräfte und griffen die Stadt Hadet im Libanon an . Dieſe fiel durch Verrath nach

einer Belagerung, welche 7 Jahre gedauert hatte. Die Saracenen zerſtörten ſie und ermordeten

alle Einwohner. Die Maroniten flüchteten ſich nady Beſcharri, ganz nahe bei den Cedern ;
dies wurde dann ihre Hauptſtadt. Defters boten ſie dem durch die Einfälle der Araber bis

unter die Mauern von Conſtantinopel bedrohten byzantiniſchem Kaiſerthume ihren Beiſtand an

und begehrten dafür deſſen ſchwachen Schuß. Aber ſchon ſeit langer Zeit hatten die Griechen
(bie Byzantiner) kein Ohr mehr für die hl. Sadie der chriſtlichen Völker , der ebenſo feige

als grauſame Juſtinian II. überlieferte ſeine edelmüthigen Glaubensbrüder im libanon durch
Verrath an ihren unverſöhnlichſten Feind : er ſchloß einen Friedensvertrag mit den Muſelmännern
und verſprach, den Feindſeligkeiten der Maroniten ein Ende zu machen. Er ſandte ſeinen
Feldherrn Leontius mit einem ſchmeichelhaften Briefe an ihr Oberhaupt ; Leontius lud ihn zu einem
Gaſtmahle ein und ermordete ihn dann. Darauf lockte der Kaiſer durch Beſtechung und

trügeriſche Verſprechungen, unter dem Vorwande , des Beiſtandes der Maroniten zu bedürfen,
12 Tauſend ihrer beßten Krieger aus ihren Bergen heraus und zerſtreute ſie in ſeine Provinzen.
So wurde im libanon der Friede wiederhergeſtellt. Unter den Ommajaben und den erſten

Abaſſiden wurden allerdings die Chriſten in ganz Syrien im Allgemeinen mit Milde behandelt ;
als aber die wilden Krieger aus Hoch -Aſien ihre Tapferkeit und ihren Ehrgeiz an die wankenden

Geſchicke der Kalifen hefteten , waren die Chriſten die erſten , welche von der Grauſamkeit der
Türken zu leiden hatten . Der wahnſinnig wüthende Hakem ließ ſich wie ein Gott anbeten .
Seine Verehrung fand Ende des X. Jahrhunderts , wie jeder noch ſo abſurde Aberglauben,

ihre Anhänger , welche nach dem Tode ihrer Gottheit Aegypten verlieſſen und ſich in die

Gebirge flüchteten. Dies iſt der Urſprung der Druſen , mit welchen nun die Maroniten ihre
Gebirgsſchluchten theilen mußten.

Im erſten Kreuzzuge wurden die Kreuzfahrer , als ſie nach Eroberung Antiochia’s gegen
den Fuß des Libanon vorrüdten , von ihren Brüdern , dieſen Maroniten im Gebirge begrüßt.

Sie brachten Lebensmittel und dienten als Wegweiſer auf dem Zuge. Bei Raymund von Agiles
38 *
300 Die übrigen Stätten des hl. Landes .

wird der nämlichen Thatſache gedacht, wenn er von 60 Tauſend den Libanon bewohnenden
Chriſten alſo berichtet:

,, Dieſe Chriſten dienten den Pilgern als Wegweiſer und bezeichneten ihnen drei Wege,

um nach 3eruſalem zu gelangen : den erſten über Damaskus , einen leicht gangbaren Weg , der

ſich beinahe immer in der Ebene hinzog und auf dem es nicht an Lebensmitteln fehlte ; den

zweiten durch den Libanon , auf welchem man ſicher war und Vorräthe fand , der aber für

Saumthiere ſehr beſchwerlich war ; den dritten längs dem Meere, voll Engpäße, wo 50 Muſel
männer , wenn ſie wollten , das ganze Menſchengeſchlecht aufhalten konnten . Doch, ſagten dieſe

Chriſten zu den Pilgern , wenn ihr jene8 Volt ſeit , welches Jeruſalem erobern ſoll, ſo müßt

ihr , nach dem Evangelium des hl. Petrus , der Küſte des Meeres folgen , obwohl es uns
unmöglich ſcheint, dieſen Weg zu erzwingen ."

Die Kreuzfahrer wählten dieſen letzten Weg und kurze Zeit darauf bildeten die Maroniten
einen Theil des chriſtlichen Königreiches von Jeruſalem und ihren Chroniken zu Folge fielen

40 Tauſend ihrer Brüder, indem ſie an der Seite der Kreuzfahrer fämpften . Seitdem ſind ſie

wieder unter das Joch der Mohammedaner gefallen und Gott allein kennt alle ihre leiden .
In ihrer Bedrängniß wandten ſie ihre Blicke nach dem Abendlande , welches durch Frankreich

beſonders Conceſſionen für ſie von der Pforte erwirkte, die jedoch ſelten gehalten wurden .
Mit den Ereignißen , die ſeit einem halben Jahrhundert im Libanon aufeinander gefolgt

ſind, iſt der Name des Emirs Beſchir innig verwebt. Er ſtammt aus der arabiſchen Familie
Schebab, die ſeit 1109 den Libanon bis in die jüngſte Zeit beherrſcht hat. Durch Härte und

Erpreſſungen hatte der Emir Beſchir die Bergbewohner auf's Aeußerſte getrieben ; ſie hatten ſich

gegen ihn empört und er mußte ſich öfters aus Deir el Ranar flüchten ; aber es gelang ihm
jedesmal wieder ſich der Gewalt zu bemächtigen . Dann wüthete er mit der äußerſten Strenge

gegen die Aufſtändiſchen und gegen ſeine Nebenbuhler und ſogar gegen die Glieder ſeiner eigenen
Familie. So ließ er 1807 den Kindern ſeines Vorgängers Juſſuf die Augen ausſtechen,
ihren Erzieher enthaupten und die Druſen bezimiren . Ein Jahre 1823 ließ er den Druſenſcheit

und noch andere ermorden . Mehreren Emiren ſeiner Familie , welche in Syrien herumirrten,

bot er Verzeihung an und rief ſie nach Deir -el - Rainar. Dort ließ er ihnen die Zungen

abſdyneiden und die Augen ausſtechen. Durch ſolche Mittel wußte er ſich durch einige Jahre

ohne neue Erſchütterungen im Libanon zu behaupten .


Bei mehreren Völkern Aſiens, namentlich bei den Berſern, übten eiferſüchtige Könige, da

blinde Prinzen vom Throne ausgeſchloſſen waren , oft dieſe entſetzlich grauſame Vorſichtsmaaßregel
gegen die Glieder ihrer eigenen Familie. Sie glaubten ſogar einen Akt der Menſchlichkeit

auszuüben , wenn ſie der Ruhe des Staates nur das Augenlicht ihrer Anverwandten opferten,
während man bei den Türken den Prinzen , die man fürchten zu müſſen glaubte , das Leben

nahm. Als im Jahre 1832 Mehemeð Ali , des Emirs Beſchir alter Freund, die Fahne des
Aufruhrs erhob, ſchickte er ſeinen Sohn Ibrahim , um Syrien zu erobern . Dieſer entwaffnete
Die Bewohner des Libanon. 301

die Maroniten vollſtändig und zwang ſie vierzehnmal mehr Abgaben zu zahlen, als die türkiſche

Regierung gefordert hatte . Da brach 1838 unter den Fellahs und den Beduinen des Hauran
ein Aufſtand aus. Um ihn zu unterdrücken marſchirte Ibrahim gegen ſie und ſchicte dem Emir
Beſchir 16 Tauſend Flinten zur Bewaffnung der Maroniten, denen er die beßten Verſprechungen
machte. Schabil, der Held des Hauran , ward beſiegt und die Maroniten zum Lohne für ihre
Siege über die Beduinen ebenſo wie früher mißhandelt ; aber ſie hatten Ibrahim's Flinten

behalten . Im Mai 1840 erließ Mehemed Ali an die Gebirgsvölker einen Ferman , womit er

die Bezahlung ihrer Abgaben auf 7 Jahre vorhinein und die Rückſtellung der Flinten forderte.
Sie antworteten mit einer förmlichen Weigerung, wobei ſie der ägyptiſchen Regierung ihre

Wortbrüchigkeit, Undankbarkeit und Ungerechtigkeit vorwarfen . Von beiden Seiten griff man
zu den Waffen . Anfangs war der Aufſtand im Gebirge allgemein ; die Maroniten , Druſen
und Metualis nahmen gleichen Antheil daran ; aber der Emir Beſchir wußte Uneinigkeit zwiſchen

ihnen auszuſtreuen. Die Drufen , weldje geſchworen hatten , ihre Brüder bis zum Tode zu
vertheidigen, unterhandelten heimlich mit dem Emir ; alle druſiſchen Anführer waren durch ſein

Geld gewonnen . Welche Beſtürzung, als die Maroniten dieſen Verrath erfuhren ! Der Renegat
Soliman Baſcha orang an der Spitze der Aegyptier in den Libanon ein und wüthete mit Feuer
und Schwert, bis die vereinigte Flotte der Türken, Engländer und Deſterreicher an den ſyriſchen

Müſten erſchien . Die Maroniten waren genöthigt worden , ſich auf ihre höchſten Berge zurüd
zuziehen ; jetzt aber brachen ſie hervor und zermalmten, durch die Aliirten der Pforte unterſtüßt,

die Truppen Mehemed Ali's, welche dieſe Berge für immer verließen. Nach dem Sturze ſeines
Freundes fonnte jich Emir Beſchir nicht mehr länger halten und verließ am 11. Oktober mit
feiner Familie ſeinen Palaſt zu Deir el Samar und wendete ſich nach Saida , um ſich bem

Commandanten der engliſchen Station zu übergeben . Er wurde dann nach Malta und ſpäter
nach Bruſſa geführt, wo er auch geſtorben iſt. Jegt warb die Verwaltung der Maroniten und

Druſen getrennt und jedem dieſer Völfer ein Raimakam oder Statthalter gegeben . Dieſe

ſind aber nicht ausſchließlich, der eine das Oberhaupt der Maroniten , der andere jenes der

Druſen . Der druſiſche Enir hatte eine beträchtliche Anzahl Chriſten und der der Verwaltung
des maronitiſden Emirs Haidar unterworfene Theil enthielt dagegen auch Druſen in großer
Zahl. Die Maroniten, deren Geſammtzahl auf 250 Tauſend anzunehmen iſt, bewohnten allein
370 Dörfer oder Flecken und waren in 287 Dörfern mit den Ungläubigen, Druſen und andern

vermengt. Die übrige chriſtliche Bevölkerung betrug gegen 40 Tauſend.


Im Allgemeinen iſt die Maronitiſche Geiſtlichkeit ſehr arm, weil ſie zahlreich und mit Fa
milie belaſtet iſt. Nur der Patriarch und einige Klöſter befaſſen ausgedehnte . Güter. Man

zählte 5 Lehranſtalten : Ain Uarquah ( Quelle des Blattes), Mar Abba (S. Abdon) , Raifun,
Rumieh und Mar Marum. Nur die erſteren zwei ſind von einiger Bedeutung ; alle aber laſſen

in Bezug auf die theologiſchen Studien ungemein viel zu wünſchen übrig . Die ausgezeichnetſten
jungen Leute gehen nach Rom, um in der Propaganda ihre Studien zu machen ; ſie haben aber
302 Die übrigen Stätten des hl. Landes .

nur auf 6 Pläge Anſpruch. Ehedem hatten die Maroniten zu Rom einige Beſißungen , deren
Einkünfte zum Unterhalte der Zöglinge dienten , welche die Biſchöfe hinſchickten ; zur Zeit der
franzöſiſdien Herrſchaft wurden dieſe Güter verkauft. Die Reiſe nach Rom iſt koſtſpielig; we
nige junge Maroniten haben hinreichendes Vermögen, um ſie zit unternehmen, daher muß die

Wohlthätigkeit der Biſchöfe aushelfen . Nur für die Rüdfehr gewähren ihnen die franzöſiſche
und öſterreichiſche Regierung freie Ueberfahrt auf den Dampfſchiffen . So gutmüthig , einfach
und glaubenstreu die Maroniten ſind, ebenſo weit ſind ſie in den Wiſſenſchaften zurüc. Doch
bringt dieſer Mangel bei den Maroniten weder Rohkeit noch Sittenverderbniß, noch Barbarei
mit ſich, wie bei den übrigen aſiatiſchen Völfern ; der Katholicismus hat ihre moraliſche Erzieh

ung bewerkſtelligt. Genährt mit den Glaubenswahrheiten , welche die eigentliche Bildung geben,
ſind die Maroniten ein gefälliges, gutinüthiges, edelſinniges , der Aufopferung und erhabener
Gefühle fähiges Volk geworden . In ihrem Ritus weichen ſie von dem abendländiſchen in ver
ſchiedener Weiſe ab . So bedient man ſich bei ihnen des Weihrauchs in jeder ſtillen Meffe.

Der Patriarch verſicherte dem Abte Mislin bei deſſen Beſuche im Libanon , daß in ihren alten
Urkunden geſchrieben ſtehe, daß die Anachoreten alle zu gleicher Zeit Meſſe laſen und daß ihre
Anzahl ſo groß war, daß man jeden Morgen eine ganze Wolke Weihrauch aus dem Thale gegen
Himmel aufſteigen jah .

Der Patriard trägt ein Untergewand mit langen engen Aermeln und darüber ein ziem
lich weites Oberkleid, deſſen Theile vorne übereinander gehen , das aber nur halbe Cermel hat.

Seine Kopfbedeckung gleicht dem Turban alter Art, der hoch, in der Mitte aufgebauſcht und
aus einem Stücke gewunden iſt.

Die Kleidung der Prieſter iſt diefelbe ; ſie unterſcheidet ſich nur durch die Farbe ; die ber

Prieſter iſt dunkelblau, die der Biſchöfe veilchenblau, die des Patriarchen roth . Den Biſchöfen
gibt man den Titel ,, Saidna“, das heißt „ Unſer Herr “, dem Patriarchen ,, Ghobtat“ , Seligkeit oder

auch „ Akdas“ der Heiligſte. Sie tragen alle das Kreuz und den Ring, wie die Biſchöfe des
Abendlandes.

Das Kleid der Mönche iſt ſchwarz; anſtatt des Turbans haben ſie eine Capuze und ein
kleines Räppchen, ebenfalls von ſchwarzer Farbe.

Der maronitiſche Clerus beſteht aus dem Patriarchen , der den Titel eines Patriarchen von

Antiochien führt, aus 9 Erz- und Diözeſanbiſchöfen , 6 Biſchöfen in partibus , die dem Patri
archate oder den Erziehungsanſtalten zugetheilt ſind und aus 1200 Weltgeiſtlichen , welche 356
Kirchen verſehen . Männerflüſter gab es 67, die 1400 Mönche zählten und 15 Frauenklöſter
mit ungefähr 300 Nonnen .
Die Biſchöfe und Mönche müſſen das Cölibat beobachten ; die Weltgeiſtlichen können ber
ehlicht ſein, wenn ſie vor der Weihe ſich verheirathet haben.

Die Männer ſind groß und ſchön, mit freiem ſtolzen Blick und fanftem Lächeln ; ſie haben

blaue Augen, etwas gebogene Naſe, blonden Bart, edle Haltung, höfliche Manieren ohne Nie
Die Bewohner des Libanon. 303

derträchtigkeit, prächtige Kleidung und glänzende Waffen. Die unermüdliche Thätigkeit dieſes
Volkes hat auch die nackten Felſen fruchtbar gemacht. Von Stufe zu Stufe bis zu dem ewigen
Schnee hinauf haben ſie Terraſſen aus den Blöcken des Steingerölles errichtet und auf dies

ſelben die wenige fruchtbare Erde getragen, welche das herabſtürzende Waſſer in die Shluchten
geführt hat. Selbſt der Fels mußte ſeinen Staub Hergeben , um ihn mit jener Erde zu ver
miſchen und fruchtbar zu machen ; und ſo wurde der ganze Libanon zu einem Garten voll von

Maulbeer-, Feigen- und Delbäumen , von Weinbergen und Fruchtfeldern . Während des Eſſens
haben ſie auch den Brauch, Toaſte auszubringen . Bei ſolchen Gelegenheiten ſingt immer einer
der Anweſenden improviſirte Verſe zu Ehren desjenigen, deſſen Geſundheit ausgebracht worden
iſt. So beſang man auch bei den Alten während des Gaſtmahles die Waffenthaten der Helden
oder die Gelege des Landes.

Außer den Maroniten befinden ſich auf dem Libanon auch Katholiken des lateiniſchen und
griechiſchen Ritus, ſowie katholiſche Armenjer und Syrier. *)
Eine8 Volfes im libanon muß hier noch gedacht werden , welches in dem letten Kampfe

gegen die Chriſten eine ſo traurige Auszeichnung erlangt hat, nämlich der Druſen.

Die Drufen.

Der Name iſt abzuleiten von einem Manne, Namens Muhammed ed Derſi, oder eigent

lichy Derezi“, d. H. Schneider; ſie ſelbſt aber verſchmähen dieſen Namen und nennen ſich
Unitarier . Sie ſind aus der Sekte der Quarmatier Hervorgegangen , die auf Hamdan Gnor

mot zurückgeführt wird, ſich in der Stadt Hadſcủar, ſowie in lahja oder el Ahja und Suad el
Lufa erhob und Ende des III. Jahrhunderts der Hedſchra bis nach Femen und in das Gebiet
von Damaskus ausbreitete.

Die abbaſſidiſchen Salifen bemühten ſich ein Jahrhundert lang, dieſe Sekte auszurotten, er
oberten viele Ortſchaften , unter dieſen auch die Stadt Selemje, die in der Nähe von Hama lag .

Hier nun lebte ein Magier „ ón den Kindern des Daiſan “ (Bardeſanes ?), Namens
Obeid - ullah, der zur Sekte der Quarmatier gehörte. Er floh nach Afrika, wo er fidy Obeid
ullah -el Mehdi nannte, ficy ſcheinbar zum Islam bekannte und als Nachkomme der Fatime, Toch
ter Mohammed's, den Adel ſich anmaßte.

Er gründete eine Dynaſtie und erbaute die Stadt Mehdijje , die er nach ſeinem Namen
benannte. Maadb, befannt unter dem Namen el Melit (el) Muizz -eddie, eroberte mit Hilfe ſeis

nes Dieners, el Quâid . Dichauher, Aegypten und erbaute die Stadt Kahira. Mit dieſem be
ginnt die Dynaſtie der Fatimiden in Aegypten .

von ihm ſtammt el Hadim beamr illah, Ahmed Ben Nezar ab, der 11 Jahre alt, im
Jahre 375 der Hedſchra den Thron beſtieg.

*) Mislin g . W. I. 328 ff. 385. Grat 72 ff.


304 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

Im Jahre 407 der Hedſchra trat unter ſeiner Dienerſdjaft der oben erwähnte Magier

(Muhammed ed Derezi) hervor und forderte die Menſchen zur Berehrung des Hakim auf, da
er ein fleiſchgewordener Gott ſei . Es entſtand ein Aufruhr unter dem Volke , in welchem er
getöbtet wurde. Hakim that anfangs , als ob er deſſen Ermordung billige, ließ aber ſpäter die

Mörder hinrichten. Troydem verfluchen die Schriften Hamza's dieſen Muhammed ed Derezi
und aus dieſem Grunde wollen auch die Druſen nicht nach ihm benannt ſein .

Im folgenden Jahre, 408 der Hedſchra, welches der Anfang der Aera der Druſen iſt, trat
in Aegypten Hamſa ibn Ali ben Ahmed el Adſchemi ( der Perſer), ebenfalls ein Magier, auf
und forderte das Volk wiederholt zur Verehrung des Hakim auf. Er wählte zu ſeiner Unter

ſtützung vier Männer aus, Namen8 38mail , Muhammed , Salama und Beha ed Din . Er
nannte ſie die vier Frauen ! und gab ihnen viele Beinamen. Sich ſelbſt nannte er die

allgemeine Intelligenz," ben Zirkelpunkt , den Imam , den Führer der Antwortenden oder
Gehorchenden, den Meſſias der Völker, Jeſſu, den Hermes der Hermes . Außer dieſen vier
Männern, weldie von ihm Frauen genannt worden, erwählte er noch 159 Männer, die er Miſſio
näre, andere Vorſteher, wieder andere Hausnachbaren oder Ueberzeugung Schwächende nannte.
Die Zahl alſo aller, die zur Verfündigung dieſer Lehre berufen waren , war 164, die er „ die
Buchſtaben der Wahrheit“ nannte ( kabbaliſtiſches Spiel mit arabiſchen Buchſtaben ).

Im Gegenſatz zu dieſen Budiſtaben der Wahrheit nennen ſie Muhammed, den Stifter des
Islains und ſeine Genoſſen, im Ganzen 26 Perſonen, „ die Buchſtaben der Lüge. “

Dann fing Hamza an, Abhandlungen zu ſchreiben und ließ auch von ſeinen vier Gefährten
ſchreiben , die er Fra u en nannte , weil ſie von ihm Nutzen zogen , wie Frauen von ihren
Männern .*)

Die Kleidung der Druſen beſteht aus einer Art von weiß und ſchwarz geſtreifter Bluſe
ohne Aermel, worüber eine Tunika von Leinwand geworfen wird . Ein breiter Gürtel hält das

metaline Tintenfaß fammt Dolch und Piſtolen feſt; der Turban iſt gleich jenem der Türken in
der Mitte bauchig ; die Schuhe ſind von rothem Leder und an der Spitze erhöht. Die Flinte,

in Schulterriemen getragen , iſt ihre ſtete Begleiterin .

Die Sitte, ein langes Tintenfaß im Gürtel zu tragen , iſt im Orient allgemein und wird
ſchon bei Ezechiel Cap. IX . 2 erwähnt: „ Es war einer unter ihnen, der trug ein Schreibzeug an

den Lenden . “ Im Aermel trägt man die Halme des Schilfrohres, die als Federn dienen .

Die druſiſchen Frauen verſchleiern nicht blos ihre halbe Geſtalt, wie die Frauen in Cons
ftantinopel, ſondern bedecken das Geſicht ganz mit einem Stoffe von dunkler Farbe ; barüber

werfen ſie noch ein Stück von weißem Stoffe, ſo daß ſie vom Kopfe bis zu den Füßen gleich

Geſpenſtern eingehüllt ſind. Zu ihrem Kopfſdhmucke gehört das Horn (Tandur), welches aus
dem früheſten jüdiſchen Alterthume ſtammt.

*) Petermann. Reiſen im Orient 1860 .


Die Bewohner des libanon . 305

Dieß Horn iſt eine Röhre von Kupfer oder Silber, bisweilen vergoldet und mit getrie

bener Arbeit geziert . Sie iſt anderthalb Fuß lang und mag an ihrer Baſts 2 Zoll, an der
Spiße aber nur 1 Zoll Durchmeſſer haben . Sie iſt etwas nach vorne geneigt , wird mit Rie

men feſt an den Kopf geſchnallt und durch Kugeln von gleichem Metall , die an dieſem Horne
mit Rettchen befeſtigt ſind und rückwärts bis zur Mitte des Leibes hinabreichen , im Gleichges

wichte érhalten .
An der Spite hängt ein weißer und leichter Schleier, welcher auseinander fallend zu
beiden Seiten des Leibes herabwallt, um ihn im Notfalle zu bedecen . Die meiſten verheira

theten Frauen der Drufen und Motualis - tragen dieſe ſeltſame Zierde. Bei den Maroniter
gewahrte dieſelbe Abt Mislin nur auf dem Kopfe einiger Prinzeſſinnen . Sie wird weder bei.
Tag noch bei Nacht abgelegt, wenn eine Frau einmal damit geſchmückt worden iſt. Vor fur

zem war es Mode , bas' Horn ſeitwärts zu tragen , ' was aber jetzt nur mehr die alten Frauen
thun . Bei den Motualis der Ebene von Baalbek bemerkt man eine kleinere Art dieſes Hornes,

bas viel beſſer auf den Kopf paßt und an die Haarkämme der griechiſchen Frauen yerinnert,
um das Haar höher zu machen und den Kopfſchmuck beffer zu entfalten . Bei den Völkern des

Alterthums iſt das Horn Symbol der Stärke und der Herrſcherwürde. Man ſieht es deßhalb
oft an den Röpfen der Helden und Götter. Auf perſiſchen Münzen ſind mehrere . Könige

mit dieſem Kopfſchmuce dargeſtellt. Der hl. Clemens von Alejandrien ſagt : „Alexander der
Große trug oft ein Horn , um ſeinen göttlichen Urſprung anzubeuten .“ Noch heutigen Tages

zeichnen ſich mehrere Völker von Inner -Aſien durch die monumentale Höhe ihres Kopfſchmuckes
aus. In gewiſſen Ländern tragen die Oberhäupter das Horn nur bei Triumphzügen nach er

fochtenem Siege.
Die Cidariß der Hebräer war niedriger, als die heutigen monſtröſen Hörner , iſt aber
der Urſprung dieſer Zierde des Kopfes. Judith und Eſther erhöhten ihre Schönheit durch

dieſen Schmuc ..
Nach dem Vorhergehenden wird man die zahlreichen Stellen der heiligen Schrift leichter
verſtehen , wo von dem Horne als Zeichen der Macht, des Ueberflußes und oft des Stolzes

die Rede iſt, zum Beiſpiel jenen Vers ber Platmén , wo zu den Gottloſen geſagt wirb :- „ Er

Hebet Euer Horn nicht zu hoch." .74,6 . , 7 ..


Dod fängt dieſe Mode an , aufgegeben zu werden . In einigen Gegenden können ſich

die alten Frauen mit dieſem Kopfpuße: ſchon nicht mehr zeigen , ohne die Heiterkeit der Kinder
• zu 'erregen und bald wird der Sdjmud , der die Schönheit einer Judith ; und einer Eſther er

Höhte , nur mehr der Erinnerung angehören ., in ! Piso Lorem

Die reichen Mädchen vom Berge ſchmücken ihren Kopf mit einem goldgeſtidten Häubchen
oder mit einer Art Diadem , an welchem mit Goldſtücken beſegte Ketten- hängen , welche die
ganzen Schultern bededen . Dieß Häubchen iſt oft der wichtigſte Theil:wihrer Ausſteuer." Die
übrigen haben nur zu jeder Seite ihres Häubchens eine Reihe von Silbermünzen, je nach ihrem
39
306 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

Geſchmacke und ihrem Vermögen. Dieſer Kopfſchmuck iſt ſehr gewöhnlich, man findet ihn in
ganz Syrien . Bei Schilderung der Trachten Jeruſalems ward desſelben ausführlich gedacht.
In Arabien tragen die Weiber und Mädchen einen ähnlichen Kopfput , der durch eine
Menge Münzen und hohie Ringe, in denen Steinchen enthalten ſind, hellklingend gemacht wird .
Das Geräuſch, das ſie beim Gehen damit machen , verkündet das Nahen einer Dame .comme
il faut , wie bei uns das Rauſchen der Kleider und das Anſchlagen der kleinen Schmuckſachen.
Auch hier, im Libanon, wie in Conſtantinopel, zu Damaskus, Beirut und in Paläſtina färben ſich
die türkiſchen Damen die Nägel gelb , die Augenlider und Brauen ſchwarz , die Wangen roth
und weiß, die Lippen blau oder ſie zeichnen ſich bizarre Figuren auf die Stirne und um den Mund.

Die Motu ali8.


Der dritte Volksſtamm des Libanon , der erwähnt wurde , ſind die Motualis ober
Metawelen , deren Zahl ſich auf 5 Tauſend belaufen mag. Sie ſind diſſidente Muhamme

daner , gehören zu der rationaliſtiſchen Sekte der Schiiten , welche die mündliche Ueberliefer

rung ( Sunna) verwerfen , während die Mehrheit der Türken zu den Sunniten ſich hält,
die alſo die Ueberlieferung annehmen. Die Motualis, die beſonders im nördlichen Theile des
Libanon und in der Umgegend von Baalbek ſich niedergelaſſen haben , werden im Allgemeinen

als hart , gewaltthätig und geizig geſchildert *).


Von ihnen und den Druſen unterſcheiden ſich die Maroniten äußerlich durch Haar
und Bart ; die Maroniten tragen nur den Sonurrbart , während jene den Bart wie die
Türken ganz tragen .

Die Stadt Beirut,


Die Bilger nehmen nach dem Cedern - Thale den Weg meiſtens von Beirut nach Tris

polis und durch Eden zu den Höhen des Machmel. Die Hafenſtadt Beirut iſt gewöhnlich

das erſehnte Ziel des Pilgers auf ſeiner Rückreiſe, denn von hier geht die Fahrt der Heimath zu.
Sie bildet nach Smyrna den wichtigſten Handelsplatz an der ſyriſchen Küſte und ſtellt

ein lebendiges Bild des fränkiſch - ſyriſchen Lebens dar , indem die Gebräuche des Morgen- und
Abendlandes hier ſich ſo nahe berühren und eine durch Farbe, Tract und Sprache verſchiedene
Bevölkerung gegen 36 Tauſend durch die ſchmugigen, finſtern und krummen Straſſen ſich

drängt. Bei Ezechiel**) heißt dieſe Stadt „ Berotha “ und bei den Griechen und Römern

Berytus , an welche Zeit noch Reſte von Moſaikböden und Säulen erinnern. Beirut gleicht
feiner Lage nach einem Hauſe , deſſen Fronte , mit all ihren Fenſtern gegen Weſten ſtehet und

auf welches deßhalb die Strahlen der Nachmittags- und Abendſonne in voller Stärke auftreffen.
Darum iſt es auch hier ſo außerordentlich heiß. Der vor dem nordöſtlichen Thor der Land

feite gelegene türkiſche Begräbnißplaß gewährt einen der ſchönſten Punkte der Ausſicht über

*) Grat 73. Mislin I. 304.


** ) Ezech . 47,16.
II

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Beiruth
Die Stadt Beirut. 307

Land und Meer. Die Nachmittagsſtunden ſind in dieſer Gegend der Aüfte zur Beſchauung
des Libanon, welcher hier ſeinen Fuß im Meere badet, bort aber ſeinen Scheitel in die beſtän
dige Wohnung des Sdnees erhebt, die beßten , weil dann all ſeine Schluchten und Kuppen im

vollen Glanz der Sonne ſtehen . Dieſe Gegend gleicht einem goldenen Gefäße , in das der Li
banon die ganze Fülle ſeiner Naturgaben hineinſtrömen läßt. Wie an wenig Orten der Erbe

kann man hier am Fuße des libanon einen Inbegriff aller Gaben unſeres Haushaltes in er
höhter Kraft und Fülle beiſammen fehen . Unten an der heißen Müfte iſt ein Land der Pal

men, der Orangen und aller der edelſten Südfrüchte. Weiter hinan gedeiht das Obſt, vor Al
lem aber der Wein auf's Herrlichyſte; auf die Waldungen der Delbäume folgen die der Biſta
zien , der Walnüſſe , zuletzt die Arten des kräftigſten Getreides . Und wie ſich hier faſt alle
Gewächſe der Gärten und Felder mit verebelteren Kräften zeigen , fo hat am Libanon ſelbſt

das unſcheinbare Geſchlecht der Fichten ſeine ſchönſte Form , die Ceder entwickelt *).
Zu Ras - Beirut , das iſt auf der Erdzunge, die im Weſten ber Stadt ſich in's Meer

hinein erſtreckt, gibt es unterirdiſche Gewölbe, welche ehemalige , in Form von Niſchen in den
Felfen gehauene Grabmäler enthalten ; ſie ſind ohne Inſchriften und Verzierungen und ſcheinen

der griechiſchen Zeitperiode anzugehören .


Manche Schriftſteller leiten den Urſprung dieſer Stadt , die ehedem Geris hieß , auf

Girgaſi , den fünften Sohn Chanaans , zurück.


Sie wurde eine Colonie von Sidon , unter Kaiſer Auguſtus eine römiſche Colonie und

erhielt ihm zu Ehren den Titel Felix Iulia . Unter Auguſtus' Regierung berief Herodes der
Asfalonite nach Berytu8 eine Verſammlung von 150 Perſonen, von welcher ſeine zwei Söhne

Alexander und Ariſtobulus zum Tode verurtheilt wurden. Durch ihre Muttter, die unglüdliche
Maria mne , welche ſchon von Herodes war ermordet worden, ſtammten ſie von der berühmten

Familie der Maktabäer ab. Herodes beſchuldigte ſie , über den Tod ihrer Mutter ein under
föhnliches Rachegefühl zu nähren und ihm , ihrem Vater , nach Krone und Leben zu trachten.
Herodes trat ſelbſt mit außerordentlicher Heftigkeit als ihr Ankläger auf und erlaubte ihnen
weder zu erſcheinen noch ſich zu vertheidigen . Sie wurden nach Sebaſte geführt und dort

erdroſſelt. Zu Berytus wurde ſpäter auch Antipater , ein anderer Sohn dieſes Herodes,
zum Tode verurtheilt und im Merker ermordet.
Hier empfieng Vespaſian , nachdem er von ſeinem Heere war zum Kaiſer ausgerufen

worden, mehrere Deputationen , welche gekommen waren , ihm ihre Glüdwünſche darzubringen

und ſchenkte dem Flavius Iofephus , dem Geſchichtſchreiber der Zerſtörung Jeruſalems , die
Freiheit , da er ihm vorhergeſagt hatte, daß er Kaiſer werden würde. Auch hier gab Titus

bei ſeiner Rückkehr von Ierufalem Feſte, bei welchen mehrere Tauſende von Juden hingeſchlachtet
wurden . Dieſe Stadt Berytus hatte ſchon einen hohen Grad von Glanz erlangt und beſaß

1
*) Sdhubert III , 377. Graß 56 ff..
39 *
308 Die übrigen Stätten des hl. Landes .

mehrere Schulen , unter andern eine berühmte Scule des bürgerlichen Rechtes , weßhalb ſie

von Juſtinian die Mutter und die Amme des Geſetzes genannt wird .
Sie wurde im Jahre 566 durch ein Erdbeben zerſtört und fiel ſpäter in die Hände der

Sarazenen . Balduin I. eroberte ſie im Jahre 1111 , nachdem ſie durch 2 Monate den An
griffen der Chriſten widerſtanden hatte. Balduin's Gefährten bezogen ihre Kriegsmaſchinen aus
dem Fichtenwalde, den man noch heute in geringer Entfernung von der Stadt ſieht. Der aras

biſche Geograph Edriſi ſchrieb im nämlichen Jahrhunderte : „Südlich von Beirut liegt ein Fich
tenwald , der ſich auf einer Fläche von 12 Meilen in jeder Richtung bis zum Berge Libanon
erſtreckt . “ Dieſer Wald wurde alſo nicht erſt im ſiebzehnten Jahrhunderte von dem Emir Faf

reddin angelegt, wie Lamartine, Volnen und ſo viele behaupteten . Saladin nahm Beirut 1187

wieder in Beſitz und wurde dort als Beherrſcher der Stadt Gottes begrüßt und als Sultan
von Damaskus und Kairo gekrönt . Zehn Jahre war ſie dann die türkiſche Hauptſtadt von

Syrien bis zur Schlacht am Rasmieh , die an den Ufern dieſes Flußes zwiſchen Tyrus und
Sidon, von den Kreuzfahrern den Truppen Malek Adh el’s geliefert wurde . Als die ſiegreichen

Chriſten nach Beirut kamen, fanden ſie in der verlaſſenen Stadt ungeheure Vorräthe aller Art.
Die Seeräuber und die Türken hatten dort alle Beute der Chriſten aufgehäuft und alle wäh

rend des Kriegs gemachten Gefangenen zuſammengebracht. Die Kreuzfahrer befreiten durch

ihren Einzug mehr als 19 Tauſend ihrer Brüder. Während der Kreuzzüge wurde ſie zu einem
Lehen gemacht und als ſolches unter der Oberherrlichkeit des Königs von Jeruſalem von meh

reren lehensträgern beſeſſen. Später fiel ſie unter die Herrſchaft der Druſen und wurde die
Reſidenz des Emirs Fakreddin , der dort einen Palaſt baute und bei der Vertheidigung ſeiner
länder gegen den Sultan Amurad IV . fiel. Seitdem blieb ſie ununterbrochen in den Händen der
Muſelmänner. In der neueren Zeit wurde die Stadt Beirut einige Jahre hindurch von den

Truppen Mehemed Ali's beſetzt, aber von denen des Sultans mit Hilfe der Engländer, Deſter
reicher und Maroniten am 10. Oktober 1840 wieder genommen . Sanchoniaton , ein Name,

welcher „ Freund der Wahrheit“ bedeutet , nach Moſes der älteſte Geſchichtſchreiber , aus

Tyrus gebürtig war Prieſter in Berytus . Er lebte ungefähr 1250 Jahre vor Chriſtus. Seine
Geſchichte von Phönizien überſetzte Philon von Biblos in's Griechiſche. Dem Euſebius ver
danfen wir die Bruchſtücke, die uns davon geblieben ſind . Man muß übrigens zur Steuer der

Wahrheit geſtehen , daß die ganze Geſchichte von Sanchoniaton ſelbſt im höchſten Grade prob

lematiſch iſt.
An dieſe Stadt knüpfen ſich mehrere fromme Uleberlieferungen , die zum Theil weit zu

rückreichen. Nach dem griechiſchen Menolog iſt der heilige Thaddäu8, einer der 72 Jünger
und der erſte Biſchof von Edeſſa in Beirut in Frieden geſtorben . Beinahe eine halbe Meile

öſtlich von der Stadt zeigt man am Ufer des Meeres den Drt , den man als denjenigen be

zeichnet, wo der heilige Georgius die Königstochter befreite , indem er den Drachen er

legte , der dieſe Gegenden verwüſtete. Die Höhle , welche dieß Ungeheuer bewohnt haben ſoll,
Die Stadt Beirut. 309

liegt eine Meile weiter . gegen den Berg hin . Die alten Urkunden, die ſich auf das Leben dieſes
im chriſtlichen Morgenlande ſo hoch gefeierten Heiligen beziehen “ , erwähnen von dieſer Legende

nichts ; ſie war bis zum XII. Jahrhundert in Europa unbekannt. Die Schriftſteller der fol
genden Jahrhunderte ſprechen häufig davon ; aber ſie wählen Lybien zum Schauplage, andere
Nappadocien und erſt ſpäter hat man auch von der Umgebung von Beirut geſprochen . Die
legende vom Drachen des heiligen Georg beruht wahrſcheinlich auf der Gewohnheit , ihn zu

Pferbe darzuſtellen , wie er ein Ungeheuer erlegt , während eine Frau in königlicher Kleidung
dem Rampfe beiwohnt. Dieſe Arten allegoriſcher Gemälde ſteigen in die erſten
Chriſtenthums hinauf. Dieſer Drache ſtellt den böſen Geiſt vor, jene alte Schlange, den großen

Drachen, der Satan heißt, beſiegt durch die Standhaftigkeit, die Heiligkeit und den Heldenmuth
der Bertheidiger des Glaubens der Kirche. Der hl. Georg , wird erzählt , habe die Raiſerin

Alerandra von der Gewalt des Dämons ber Abgötteret befreit, da ſie beim Anblick der Tu

genden und der Wunder dieſes Heiligen Martyrs ſich als Chriſtin zu bekennen wagte und aus
rief : „ Gott des heiligen Georgius ! hilf mir , denn du biſt der einzige allmächtige Gott.“
Indeſ wird allgemein angenommen , daß der heilige Georgius zu Anfang der diocletia
niſchen Verfolgung ſie begann im Jahre 303 – in Nikomedia den Martyrtob ge
ſtorben iſt.

3n der Sammlung der Concilien lieſt man folgende Geſchichte, die ſich zu Beirut zus

getragen und vom hl . Athanaſius erzählt wird. Damals waren die Fuden ſehr zahlreich in
Beirut. Ein Chriſt, welcher neben ihrer Synagoge wohnte , hatte ein Crucifix an der Mauer
neben ſeinem Bette hängen . Da das Haus ihm zu klein wurde , berließ er es und es wurde

von einem Juden gekauft. Dieſer lub kurze Zeit darauf einige ſeiner Freunde zu einem Gaſt
mahle ein , einer davon bemerkte das Bildniß Unſers Erlöſers , welches der Chriſt vergeſſen
hatte , machte dem neuen Eigenthümer heftige Vorwürfe und gieng hin , Klage zu führen bei

den Vornehmſten der Prieſter. Es bildete ſich ein großer Zuſammenlauf, die Vornehmſten der
Prieſter unţ die Zelteſten Begaben ſich in die angezeigte Wohnung , ergriffen das Crucifir und
ſagten : Unſere Väter haben Chriſtus mit Unbilden überhäuft, machen wir es auch ſo.“ Sie

ſpieen es an und wiederholten alle Unbilden des hl. Leidens . Aber als ſie ihm die Seite durch
bohrt hatten , floß Waſſer und Blut heraus. Sie faßten es in einem Gefäße auf und ſagten

zit einander : „ Die Anhänger von Chriſtus verfichern , daß er allerlei Wunder gewirkt hat ;
bringen wir dieß Gefäß in unſere Synagoge ; gießen wir dieſes Blut über die Kranken aus ;
wenn Alles, was man von Chriſtus geſagt hat, wahr iſt, ſo werden ſie geheilt werden . “ Sie

trugen es alſo in ihre Synagoge und es geſchah eine Menge Wunder an Sichtbrüchigen,
Blinden , Ausſätzigen und Kranken aller Art. Bei dieſem Anblicke baten die Juden um Ver

zeihung ihrer Sünde und bekehrten ſich alle zum Herrn . Die Synagoge ward in eine Kirche

umgewandelt und dem göttlichen Erlöſer geweiht. Man holte Erkundigungen ein , woher dieſ
wunderthätige Bild gekommen ſei und erfuhr , daß es von dem Senator Nikodemus verfertigt
310 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

worden iſt , der unſern Erlöſer Nachts beſuchte und ihm in der Folge mit Joſeph von Arimas

thia , die leßten Pflichten erwieſen hat ; es hatte dann nacheinander dem Gamaliel , bem hl.

Baulus , dem hl. Jacobus u . 1. w . gehört.

Der Jahrestag dieſes Wunders wird jedes Jahr am 9. des Monats November gefeiert.
Der damalige Biſchof von Beirut verſchloß das aus dem Crucifix gefloſſene Blut in mehrere

gläſerne Fläſchchen und verſendete ſie an verſchiedene Drte ; eines wurde in der kaiſerlichen

Kirche zu Conſtantinopel aufgeſtellt. Dieſes iſt das nämliche , welches man in der Schakkam

mer der Baſilifa von San Marco in Venedig verehrt. Das Crucifix wurde gegen das' XII .

Jahrhundert in ein Dorf bei Ancona , Namens Umana , gebracht, wo es ſich noch befindet.

Die gegenwärtige Stadt hat den Handel der ganzen ſyriſchen Küſte an ſich gezogen.
Dieſe Rüſte, welche ſich in einer geraden Linie, deren Regelmäßigkeit kaum von Zeit zu Zeit durch
kleine , wenig tiefe Buchten unterbrochen wird , gegen die Wüſten von Aegypten hinzieht, hat
keinen Hafen . Die berühmten Häfen von Sidon, Tyrus , Ptolemais , Cäſarea , Joppe wurden
von Fakreddin im XVII. Jahrhundert, dann durch den Sand des Meeres und den Fluch des

Himmels ausgefüllt und ſind verſchwunden . Uebrigens gibt es auf der ganzen Küſte, wie im
Innern auch keine große Stadt mehr , die der Zufuhr bedürfte , und in den Ebenen und Thä
lern giebt es weder Produkte noch Waaren mehr, und die Schiffe von Tharſis kämen um

ſonſt mit dem ' Golde von Ophir beladen , um dafür das feine Oel , das Ge
treide , den Honig , den Balſam und das Pannag von Iudäa zu holen ( ili Rön.
11 , 25 Ezech. 27, 17). Die einzigen, einigermaſſen bedeutenden Städte in dieſen Ländern, Na

bulus, Jeruſalem und Hebron haben mitſammen kaum eine Bevölkerung von 40 Tauſend Seelen.
Anders iſt es mit Beirut , welches die ganze Bevölkerung des Libanon und von Da
maskus hinter ſich hat ; daher iſt ſeine Rhede , obgleich wenig ſicher , der wichtigſte Handels
platz dieſer Küſte. Seine Bevölkerung iſt im raſchen Zunehmen begriffen , ſo daß ſie gegen
wärtig auf 36 Tauſend geſchätzt wird . Die Bevölkerung vertheilt ſich wie folgt : es ſind unge
fähr 12 Tauſend Muhammebaner , Türken und Araber ; 12 Tauſend nicht unirte Griechen ;

das übrige Drittel beſteht aus Katholiken , ſowohl lateiniſchen , als griechiſchen, Maroniten und
Armeniern . Die Jeſuiten , die Maroniten , die Griechen , die Franziskaner und die Capuciner

haben hier ihre eigenen Kirchen. Die Kapuciner verſehen die katholiſche Pfarre der Stadt.
Juden giebt es wenige. Die Gaſſen der Stadt, gewölbt und düſter, krumm und unreinlich, die

Bazar's, die engen Quais, die Eingänge der Stadt und der Conſulatgebäude, über welchen die
Flaggen der vorzüglichſten Nationen Europa's wehen Alles iſt mit Menſchen bejeßt , die

in bunter Miſchung ein intereſſantes Bild gewähren . Schwarze und halbbekleidete Män
ner ſtreiten ſich um die Reiſenden und ihr Gepäcke und tragen ſie auf ihren Schultern
vom Qual bis in die kleinen Rähne, welche die Wellen des Meeres an ein

ander zu zerſchellen drohen . Ueberall ſißen Araber im Schatten unter Säulengängen , unter
Buden oder unter Zelten , die von einer Straſſe zur andern geſpannt ſind, ihr zweirähriges
Die Stadt Beirut. 311

Nargile ſchmauchend und verzückt bei dem leiſen Geflüfter dieſes berauſchenden Rauches. Der
Mucker vom Libanon mit ſeinem engen Turban und ſeinem ſchreienden Kleide von Damaskus,

verbrämt mit Zieraten , die wie Hieroglyphen ausſehen und mit offenen , herabhängenden Ver
meln, treibt langſam ſeine Maulthiere mit freiſchendem und wiederholtem Žurufen vor ſich her,

während ein Beduine der Wüſte in ernſter Kleidung eine lange Reihe von Kameelen führt, wo
bei er ſich auf dem größten dieſer Thiere , das mit Muſcheln vom rothen Meere geſchmückt iſt,

Maukelt. Die morgenländiſche Tracht bietet ſich hier recht augenfällig zum Vergleiche mit der
europäiſchen dar. Die Tracht des Orientalen im Augemeinen iſt weit , hinderlich , von lebhaf
ten Farben und wenn ſie ſauber iſt, majeſtätiſch. Weite Beinkleider , Tuniken , Mäntel , unges
heure Turbane, Gürtel , alles dieſes über einander fliegt herum im Spiel der Winde , ober
ſinkt in ſchweren Falten und Biegungen auf den Boden herab. Dieſe Tracht paßt für ein
Bolt mit langſamen Manieren , welches auf Divanen herumliegt, nicht geht , ſondern ſchleicht,

welches die Bewegung haßt und ſelbſt auf der Reife ſich nie von ſeinen Teppichen , von ſeinen

Kiſſen , von ſeinen Matragen , von ſeinen unbequemen Pfeifen , von ſeinen Waffen und von al

lem, was zum Schreiben nothwendig iſt, trennt. Unſere rührige Thätigkeit , die nie an einem
Drte Ruhe hat, mußte die ſo verfürzte Tracht der Abendländer erfinden ; der Dampf wird

unſer leichtes Gepäcke noch einfacher machen . Zwiſchen uns und der Levante liegt mehr als
das mittelländiſche Meer, es liegt der ganze Abgrund der Kleidertracht dazwiſchen. Schön fann

wohl nur die morgenländiſche, zweckmäßig hingegen die europäiſche Tracht genannt werden .
Die durchgängig übliche Vermummung der Damen iſt in der oben bei den Druſen
beſchriebenen Weiſe allgemein nothwendig nach dem Soran , damit ſie für Matronen guten

Rufes erkannt werden mögen . “ Die Frauen in Beirut tragen unter ihrer formloſen und gros
tesken Vermummung eine reiche und ſehr elegante Kleidung. Ein graciöſer Durban, oder eine

runde Müße von getriebenem Golde, zahlreiche Haarflechten mit langen Retten von Gold
münzen geſchmückt, ein geſticktes , auf der Bruſt offenes Ateid , weite , feidene Beinkleider, ein

Gürtel mit lebhaften und bunten Farben , rothe oder gelbe Halbſtiefel bilden die Kleidung, welche

die Frauen der wohlhabenden Claffe zu Hauſe tragen und welche von derjenigen , die oben
beſchrieben wurde und beim Ausgehen üblich iſt, To ſehr verſchieden -iſt *) ;
Beirut war die einzige Zufluchtsſtätte der unglücklichen Chriſten bei den geſchilderten

Schreckenstagen im Libanon und Damaskus. Hier waren die Conſuln aber auch Zeuge des
ungeheuern Jammers und Entſegens , welches durch die Druſen. über die chriſtlichen Bevölke

rungen Hereinbrach. Hier - fanden bieſe armen Flüchtlinge endlich Unterkunft. Der . Brief eines

engliſchen Flottenofficiers gibt von der Rettung ſolcher Flüchtlinge folgenden Bericht, datirt
aus dem Piräus von Athen , 23. Juli . vorigen Jahres. Auf die Nachricht von den Gräuel
Scenen in Syrien fuhren wir, ohne Verhaltungsbefehle abzuwarten, von hier nach Beirut. In

* ) Mislin I, 298 ff. 1


312 Die übrigen Stätten des hl . Landes.

4 Tagen waren wir zur Stelle und fanden die Druſen , die mit Niedermeßlung der Chriſten
im ganzen Lande beſchäftigt waren , auf dem Punkt Beirut anzugreifen . Die türkiſchen Truppen ,
ſtatt ſie davon abzuhalten , ermuthigten ſie vielmehr und betheiligten ſich in 2 oder 3 Fällen

fogar ſelbſt bei der Ermordung der Chriſten. Die Ankunft unſer8 Schiffes jedoch, einer fran

zöſiſchen und ruſſiſchen Fregatte verhinderte einen Angriff auf die Stadt und als 8 Tage
ſpäter unſer Linienſchiff „ Exmouth “ ( 60 Kanonen ) ankam , fühlten ſich die Einwohner Beiruts
ſchon ganz ſicher. Zwei Tage ſpäter erhielten wir plötzlich Befehl etwa 15 Meilen die Küſte

hinanzufahren , um daſelbſt Flüchtlinge aus Deir- el Ramar aufzunehmen. Dort angekommen

ſchickte mich der Kapitän an's Land , wo wir ungefähr 2 Meilen vom Strande einen Haufen

Frauen auf einem Hügel beiſammen erſpähten . Am Landungsplak ſtieß ich auf einen Trupp

bewaffneter Druſen und ließ mich von dieſen nach einem etwa 2 Meilen entlegenen Dorfe
führen , wo ſich ihr Anführer befand . Auf dem Wege dahin umringten mich Schaaren von

Weibern und Mädchen , als wäre ich ein Engel Gottes. Männer waren keine zu ſehen ; denn

dieſe hatten die Druſen alleſammt erſchlagen. Ich verſprach ihnen , alles Mögliche für ihre
Rettung zu thun und begab mich zum Druſenhäuptling. Dieſer empfieng mich mit großem Se
remoniell inmitten ſeiner Untergebenen . Ich ſagte ihn , daß ich gekommen ſei, die unglüdlichen
Weiber und Kinder mit mir zu nehmen , daß die Engländer die Tapferkeit der Druſen ſtets

bewundert hätten, aber ihre Feinde werden müßten , wenn ſie Weibern oder Kindern ein Haar
krümmten. Darauf entgegnete der Alte, daß die , Druſen nur gegen Männer Arieg führen und

daß die Frauen ungehindert abziehen können . Worauf ich verlangte , daß er die Flüchtigen
ohne Verzug an den Strand hinabbegleiten laſſe ; was er auch fogleich that. Da fanden wir

zu unſerer Ueberraſchung, daß wir nicht, wie wir anfangs geglaubt hatten, ihrer 200 oder 300,
ſondern mindeſtens 1500 mitzunehmen hatten . Unter ihnen nicht ein einziger Mann und kein
Knabe über 12 Jahren . Die waren alleſammt getödtet worden . Wir hatten blog 8 Boote und

die Armen mußten mitten durch den furchtbaren Uferſchwall nach dem Ufer getragen werden .
Manche von den Frauen und Kindern trugen ſchwere Wunden am Leibe, die ſie erhalten hatten,

während ſie ſich an ihre ermordeten Männer und Väter anklammerten. Wir waren gezwungen

nod, etwa 700 am Strande zu laſſen , ohne irgend welches Obdach , halbverhungert und wund
von einem 30 Meilen langen Tagmarſch. Ich empfahl dem Druſenhäuptling für ſie bis zum
andern Morgen zu forgen , wo wir ſie abholen würden , und gieng ſelbſt an Bord , um die

Rückfahrt anzutreten . Die Seenen auf dem Schiffe , das jeßt gegen 700 Frauen und Kinder

beherbergte , waren die ſchrecklichſten, die ich je geſehen. Nachdem die Todesgefahr verſchwun
ben war , überkam dieſe Armen erſt das volle Bewußtſein ihres Elends und ihrer Verlaſſenheit.
Sie ſchrieen und weinten jämmerlich, zerſchlugen ſich die Bruſt, rauften ſich die Haare aus.

Wir bemühten uns, ſie zu tröſten , gaben ihnen Kleider und Zwieback und brachten ſie am an

dern Morgen glüdlich an's land . Dann wurden die andern abgeholt. “ Die -Ankunft der aus
Damaskuß angelangten Flüchtlinge ſchildert ein Bericht alſo : „ Am Samſtag Deri : 4ten Auguſt
Die Stadt Beirut. 313

um 6 Uhr Abends iſt die erſte Flüchtlingskarawane aus Damaskus hier , zu Beirut angelangt.
Eine herzbrechendere Scene , worüber Männer weinten ; als wären ſie Frauen und welche un

widerſtehliche Rachegelüſte in den Herzen aller, die zugegen waren , heraufbeſchwor, iſt vielleicht
nie dageweſen . Am 2. Auguſt waren ſie von Damaskus aufgebrochen. Es waren ihrer
zwiſchen 2000 und 3000 , meiſt Weiber und Kinder , viele davon zu Fuß , denn die türkiſchen
Behörden hatten bloß für 1500 Perſonen Zugthiere geſtellt. Ausgetrocknet durch Durſt, ſchlecht
genährt, ungewaſchen , in denſelben Kleidern , die ſie ſeit einem Monat auf dem Leibe getragen,
ſtaubbedeckt und von Inſekten gefoltert , flohen ſie unter dem verſengenden Brande der Sonne

hierher aus Damaskus, das, wie bisher als die älteſte, ſo künftig als die niederträchtigſte aller
Städte angeſehen werden wird . Es waren Wittwen und Waiſen , deren Gatten , Väter und
Brüder vor ihren Augen auf das Gräßlichſte hingeſchlachtet worden und deren ſtattlidie. Töchter

man verkauft hat für die ſchmugigen Araber. Faſt alle litten an Augenentzündungen und
5 Frauen waren auf dem Wege geſtorben. Die Kinder ſtarben vor Schmuß und waren durch
Wundſtellen , in denen ſich die Fliegen eingeniſtet hatten , ſo entſtellt, daß es ein namenloſer
Schmerz war , ſie anzuſehen . Die Alten fanken erſchöpft an den Hausthüren zuſammen ; ſie

kümmerten die Menſchenmaſſen nicht weiter , die ſich um ſie drängten ; ſie glichen mehr Bün
deln mußiger Lumpen als menſchlichen Geſtalten und kaum daß ſie mehr Kraft genug be
faſſen , das bargereichte Gefäß mit Waſſer zu erfaſſen , um es an die Lippen zu führen . Nur

die Kinder jammerten, die Alten ertrugen ſchweigend ihr ungeheures Elend, es war zu gewaltig,
um ſidy in Tönen Luft zu machen . So lagen ſie nach einem zwölfſtündigen Marſch unter dem

glühenden Himmel Syriens mitten im Getümmel auf offener Straſſe, bis ſie einzeln nach dem
Chan gebracht wurden . Sie haben ja keine Stüte mehr auf Erden , als das Mitleid und

die Wohlthätigkeit. Dort im Chan fühlten ſie ſich nach langer Zeit zum erſtenmal doch wenig
ſten8 ihres Lebens ficher.
Der Chan iſt ein weitläufiger zweiſtöđiger Bau , der einen großen Hofraum auf allen

feinen vier Seiten einrahmt. Im Erdgeſchoß eine Reihe , oben zwei Reihen Stuben , die in

einen langen Corridor münden , Stuben von 10 Fuß Höhe und etwa 8 Fuß im Gevierte , in
deren jeder an zehn Perſonen einquartiert wurden . Eine traurige Zufluchtsſtätte allerdings,

aber doch der erſte ſichere Ruheplatz nach ungeheurem und langem Leiden * ). “

Von Beirut nach Sibon,

Hat man Beirut verlaſſen, ſo gelangt man in die Sandwüſte, welche ſich auf der an
dern Seite der Halbinſel gegen Südoſt ausbreitet ; links hat man den herrlichen Oliven - Wald .
des Dorfes Sciuffat , welches den ganzen Libanon mit Del verſieht. Mehrere Reiſende ha

ben die Bemerkung gemacht, daß die Delwälder vorzüglich von Tauben beſucht werden und daß

* ) Algem . Zeitg. 1860 S. 3739 und 4008 .


40
314 Die übrigen Stätten des hl. Landes .

der Delbaum auch unter dem Waſſer wachſen und grünen kann , was mit den bibliſchen Er

zählungen von der Sündfluth übereinſtimmt. Ein altes mexikaniſches Gemälde , von Clavigero
in Kupfer geſtochen , zeigt einen in einer Art von Barke liegenden Menſchen ; zur Seite taucht
ein Menſchenkopf und ein Vogelkopf auf , um anzubeuten , daß alle lebenden Weſen ertrunken

ſind. Aus der Mitte des Waſſers ſteigt ein Berg auf ; ein Baum ſteht auf deſſen Spiße und

auf dieſem Baume eine Taube mit verſchiedenen Zweigen im Schnabel.


Hinter dieſem Walde , auf dem Berge liegt Mar Hanna , eines der bedeutendſten

Klöſter der Griechen.


Beiläufig zwei Meilen von Beirut liegt ein kleiner , von Druſen gehaltener Chan , der
den Namen Chanel Chadah führt . Längs der Küſte trifft man häufig auf ſolche Chan's,

zwiſchen denen wenig Unterſchied beſteht. Der Chan entſpricht dem Begriffe, den wir von
einem Gaſthofe haben , ſehr ſchlecht; man kann den Namen „ Herberge“ im Augemeinen dafür

gebrauchen. Es iſt eben ein elender Schuppen , wo die Reiſenden ſicher ſind, jederzeit ein we
nig Schatten und laues , ſchlammiges Waſſer zu finden . Es ſind vier berußte Wände , oben

mit einer Terraſſe; auf einer Seite iſt ein aus Baumäſten gebildetes Vorbach . Hier lagern
ſich die Reiſenden auf Matten oder auf ihren Teppichen ; in das Innere einzubringen , wäre
unmöglich; die Kameele und Mauleſel befinden ſich ring herum. Während die Mucker Waſſer
holen oder Feuer anzünden und das Nargile zurichten, packt man ſeinen Mundvorrath aus, der

in etwas faltem Fleiſch und harten Eiern beſteht. Brodkuchen und Kaffee bekömmt man faſt
überall. Alles raucht und ſchlürft den dichten und duftenden Kaffee, die einzige Erfriſchung,
die man in der Levante findet. Die Drientalen zerſtoſſen die Raffeeförner anſtatt ſie zu mah
len ; dadurch erhalten ſie vorzüglich dieſem Getränke , das ſie auf eine andere Art bereiten , als
die Europäer , ein Aroma , das wir gar nicht kennen . Sie nehmen den Kaffee, ohne ihn zu

läutern , ohne Milch und ohne Zuđer . Für die Muſelmänner vertritt der Kaffee die Stelle
der vom Roran verbotenen , gegohrenen Getränke ; ſein Name kommt ohne Zweifel von dem
arabiſchen Worte Kaoueh , das die Türken Kahvéh ausſprechen und womit ſie Wein und die

berauſchenden Flüſſigkeiten bezeichnen. Einige Imans , die fanden , daß auch der Kaffee berau
ichende Eigenſchaften beſigt, verboten den wahren Gläubigen deſſen Genuß. Darüber entſtanden
zu Rairo und Mekka ernſthafte Unruhen , bis der Sultan Selim I. das Verbot aufhob und

die Gelehrten , welche deſſen Genuß zu unterſagen fortfuhren, hängen ließ ; von da an hörte
jede Oppoſition auf

Man behauptet gewöhnlich, der Kaffeebaum ſtamme urſprünglich aus Arabien ; da aber

im Koran der Kaffee nicht erwähnt wird, ſo iſt es wahrſcheinlich , daß dieſes Gewächs in Aras
bien erſt nach Muhammed eingeführt wurde und aus Ábyſſyinien kam , wo es frei wächſt und
von woher man beinahe allen Kaffee bezieht, der für Mokka gilt.
In der Nähe des erwähnten Chan's der Druſen fallen ſteinerne, einzeln ſtehende Sar

kophage in ungeheurer Menge auf und bekunden eine ehemals große Stadt in der Umgegend.
Von Beirut nadi Sidon. 315

Man glaubt hier die Stadt Leontopolis ( löwenſtadt) annehmen zu können . Mislin ſchließt
aus einer Angabe des Itinerariums von Jeruſalem über die Station Heldua , welcher Name

mit dem des bezeichneten Chan's Aehnlichkeit hat, daß Heldua , wenn dieſe Angabe richtig iſt,

eine große Stadt geweſen ſein müſſe , da dieſelbe eine ſo ausgedehnte Nekropolis gehabt hatte.
Beinahe halbwegs zwiſchen Beirut und Sidon fließt der Tamur , der Tamyras der Al

ten . Man paſjirt ihn an einer Furth , da die Brücke zur Hälfte vom Fluſſe fortgeriſſen iſt.
Beinahe alle Brücken, die man antrifft, find zerbrochen , jeden Winter hat man den Tod einiger
Menſchen zu beklagen, die beim Uebergange über dieſe Bergſtröme ertrinken und die Regierung

thut nichts, um dieſe einzigen Verbindungen zwiſchen den beiden Ufern herzuſtellen. Ein junger
Europäer, Spon , wurde , als er dieſen Fluß überſchreiten wollte , ſammt ſeinem Pferde in das

Meer hinausgeriſſen und von den Wellen verſchlungen. Alle Wildbäche dieſer Küſte bilden zur
Regenzeit bedeutende Flüſſe; mit Ungeſtüm von den Bergen niederbrauſend , gelangen ſie in die
Ebene, wo ſie mehr Schaden anrichten als Fruchtbarkeit bringen, denn kein Damm wehrt ihrer Wuth.

Der Fluß Tamur wird, wie alle Flüſſe Syriens, an ſeiner Mündung durch eine Sand

bank aufgeſtaut und bildet wenige Schritte vom Meere eine Art Teich, deſſen Waſſer nur durch

eine enge Deffnung im Sande abfließt; die Fiſcher pflegen dieſe Deffnung mit Neßen zu um
ſtellen , ſo daß auch dem kleinſten Fiſchchen das Entkommen unmöglich wird. In der Nähe iſt
ein kleines Monument , das man von weitem für eine Moſchee halten könnte ; e8 ſteht an der
Spiße einer kleinen Bucht, deren eine Seite das Ras Nebbi Jones oder das Vorgebirg

des Propheten fonas bildet. An der Spiße dieſer Bucht ſoll der Prophet von dem Fiſche,
der ihn verſchlungen , ausgeſpieen worden ſein. Um aus dem Angeſichte des Herrn zu entflie

hen, hatte ſich Jonas zu foppe , das gegen 5 Tagreiſen von dieſem Orte entfernt iſt, einge
ſchifft: aber der Herr ſandte einen ſtarken Wind auf's Meer und das Schiff war in Gefahr
zu ſcheitern. Die erſchreckten Schiffer warfen das loo8 , um zu erfahren , woher dies Unglück
käme und das loos fiel auf Jonas. Er bekannte ihnen ſeine Schuld und ſagte : „ Werfet mich

in das Meer, ſo wird es ſich beruhigen , denn ich weiß, daß um meinetwillen dieſer große Sturm
über euch gekommen iſt .“ Und ſie nahmen den Jonas und warfen ihn in das Meer und das
Meer ſtand ſtille von ſeinem Wüthen . Und Gott ließ einen großen Fiſch kommen , Jonas zu

verſchlingen ; und Jonas blieb im Bauche des Fiſches drei Tage und drei Nächte und betete
zu dem Herrn ſeinem Gotte . Fonas betete im Abgrunde des Meeres jenes wunderbare Ge

bet , das jeder Menſch im Abgrunde des Leidens mit ihm zu Gott rufen wird.

„Ich rufe aus meiner Trübfal zum Herrn und Er erhöret mich. Aus dem Bauche des
Todtenreiches ſchreie ich und Du erhöreft meine Stimme. Du haſt mich im Herzen des
Meeres in die Tiefe geworfen und die Fluth umgiebt mich ring8 herum . Ať Deine

Wirbel und Wogen giengen über mich hin . Und ich ſprach : Weggeworfen bin ich von
dem Blicke Deines Angeſichtes und dennoch werd' ich wiederſehen Deinen heiligen Tem
pel. Die Waſſer haben mich umgeben bis an die Seele : der Abgrund umgähnt mich,
40 **
316 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

das Meer hat mein Haupt zugedeckt. Bis zur Wurzel der Berge ſinke ich hinab.

Die Riegel der Erde ſchließen mich ab auf ewig . Reiß empor , o Herr , mein Gott !
mein Leben aus dein Untergange !"

Da meine Seele ſich in mir ängſtete, gedachte ich Deiner , o Herr ! daß gelange zu

Dir mein Gebet, zu Deinem Heiligthume . Die dem Eitlen nachjagen im Dienſte Gottes ,
verlieren den Sinn für Barmherzigkeit . Ich aber will mit der Stimme des lobes Dir
opfern : was ich nur immer gelobt habe , werde ich leiſten dem Herrn für meine Er
rettung !"
Und der Herr gebot dem Fiſche und er ſpie Songs an's Land .
Man nimmt an , Jonas ſei in dem Wahne befangen geweſen , den wir ſpäter bei den

Juden vollkommen ausgebildet finden, daß Gottes Eingebung nur auf dem heiligen Boden Ca
naang ſtattfinden könne . Deſhalb habe ſich Jonas dadurch dem göttlichen Rufe entziehen

wollen , daß er Paläſtina verließ und in's Ausland reiſte. Indem die wunderbare Führung

Gottes den Flüchtling auf dem Meere, ja unter dem Meere trifft und auf's Wunderbarſte nach

ihrem Willen lenkt , ſo iſt der jüdiſchen Ausſchließlichkeit gegenüber die Allgemeinheit der

göttlichen Gnade dargeſtellt. Es wird durch die wunderbare Führung des Jonas auf dem
Schiffe und im Fiſche das Wort des Herrn in's Gedächtniß zurücgerufen : „ Der Herrlichkeit

des Ewigen voll iſt die ganze Erde.“ Num . 14, 21 .

Die Geſchichte der Führung des Ionas ſollte die engherzigen Vorſtellungen der Juden
erweitern. Nody mehr war dies der Fall mit dem , was Jonas in Niniveh ſelber erfuhr.

Er iſt nicht nur Zeuge dafür , daß Gott ſich auch um die Buße von Heiden kümmert , ſondern
auch , daß er ſie annehme. Auch die Heiden haben Theil an den Erbarmungen Gottes.

Die Erſcheinung des Propheten Jonas iſt von großer Bedeutung. Er bleibt nicht da
bei ſtehen , fremde heidniſche Irrthümer zu bekämpfen und eine treue Beobachtung des mo

faiſchen Geſetzes zu befördern , ſondern er ſegt die Beobachtung dieſes Geſetzes voraus und
wirkt gegen Selbſtgenügſamkeit, gegen jüdiſchen Adelsſtolz, mit Einem Worte gegen jenen
Geiſt, der viel ſpäter ſich im Phariſäiemus völlig verkörpert hat. Ein höchſt wichtiges Re
ſultat. Es darf nicht überſehen werden , daß der Prophet ſelbſt ſich gegen dieſe großartigen
Abſichten Gottes ſträubt. Er iſt alſo ſelbſt noch nicht reif , um die einfache Lehre zu faſſen,

die ihm angeheftet iſt. Er muß unwillführlich im hohen Alterthume Zeugniß geben von dein
umfaſſenden Erlöſungswillen Gottes und von der Unfähigkeit ſeiner Gegenwart , ſolche Liebe

Gottes zu faſſen. Es liegt daher in ſeiner Geſchichte eine Berufung auf eine beffere Zukunft. Im
Großen verwirklicht wurde das , von ihm vorbildlich Dargeſtellte erſt durch den Erlöſer.
Dieſer gründet die weltumfaſſende oder katholiſche Religion. Darum hat die Vorſehung in

die Führung des Jonas ein Zeichen eingewebt , welches das Zuſammengehören derſelben mit
dem Wirken Chriſti verſichern ſoll , nämlich den dreitägigen Aufenthalt im Innern des Meer
ungeheuers. Das Weſentliche von der Sendung des Jonas würde durch jede Art der
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44

Sidon
.
Die Stadt Sidon. 317

Rettung auf dem Meere und durch jede Art der prophetiſchen Thätigkeit erreicht worden ſein.
Warum gerade dieſes ſonderbare Schickſal ? Daß es gerade unter dieſer außerordentlichen
Form geſchieht, läßt eine abſichtliche Bezeichnung der Thatſache als zuſammengehörend mit etwas

Anderem erkennen und wir finden dieſes Zeichen in der Haupthandlung des Erlöſer8 , nämlich
in dem Hingange in den Tod und der Auferſtehung verwirklicht. Er hat ſelbſt dieſe Deutung

gegeben : „ Das entartete ehebrecheriſche Geſchlecht ſucht ein Zeichen. Aber es ſoll ihm kein
anderes gegeben werden , als das Zeichen des Propheten fonas . Wie nämlich Jonas drei

Tage und drei Nächte im Bauche des Fijdjes war , ſo wird auch der Menſchenſohn drei Tage

und drei Nächte im Herzen der Erde ſein .“ Matth . 12,39. Das Aehnliche zwiſchen beiden
Thatſachen läßt ſich genauer ſo beſtimmen : Jonas bringt den heidniſchen Niniviten Bekehrung
zu Gott und Gnade ; dadurch kommt eine beſſernde Rückwirkung auf das Volk Iſrael zurück.
Auf dem Wege , der Vermittler dieſer Gnade für Heiden und Juden zu ſein , geräth er drei

Tage lang in die Tiefen des Meeres . -

Chriſtus bringt den Heidenvölkern Bekehrung zu Gott und Erlöſung ; darnach kommt

auch ein Theil von 3ſrael zum Beſiße der Gnade . Um der Vermittler des Heils für Heiden

und Juden zu ſein , weilt er drei Tage im Grabe *) .

Ganz nahe am Monumente des Jonas , das übrigens nichts anderes iſt als eine mo
hammedaniſche Grabkapelle, ſtehen einige von Felah’s bewohnte Häuſer. Viele Mohammedaner
kommen hierher wallfahrten . Am Meeresufer findet man einige Ruinen . An dieſe Stelle,
Jonin genannt , wird die Stadt Porphyrion geſetzt. In der Nachbarſchaft liegt eines der
berühmteſten Klöſter des Libanon ,, Deir Mofalleg" oder Kloſter zum heiligen Erlöſer. Es
wurde von den Druſen zerſtört. Die Mönche hatten in den letzten Zeiten eine große Menge arabi

ſcher Werke, gedruckte und im Manuſcript (Handſchrift) geſammelt ; aber vor ungefähr 8 Jah
ren hat der berüchtigte Baſcha von Akka , Djezzar dieſen Bezirk mit Krieg überzogen und ſeine

Soldaten plünderten das Haus und zerſtreuten all dieſe werthvollen Bücher. Den Druſen
blieb hier ſomit nicht mehr viel zu thun übrig. Indem man ſich Saida nähert, ſtößt man
auf einen Fluß Aula ( Boſtrenus) , welcher die Stadt und ihre fühlen Gärten mit ſeinem

reichlichen Waſſer verſieht.

Die Stadt Sidon.

Unter den mächtigen Seeſtädten der weſtaſiatiſchen Küſte, in denen das betriebſame
Volk der Phönizier alle Gaben und Reichthümer des Landes verſammelte , hat ſich nur Beirut
noch am meiſten einen Schatten des alten Wohlſtandes erhalten . Die andern Nachbarfolonien
von Sidon und ſie ſelber, die Mutterſtadt, die ſo reiche und große , ſind in die tiefſte Unbes

deutendheit verſunken ; denn wer könnte an dem armſeligen Saida noch eine Spur der Herr

*) Saneberg g . w . $. 11 und 12.


318 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

lichkeit bemerken , womit die Königin unter aưen Handelsſtädten der alten Welt angethan war,

wer ſollte in dem kleinen Sur das reiche , mächtige Tyrus wiedererkennen .
Das jetige Saida , welches den Namen und die Lage vom alten Sidon bewahrt , er

hebt ſich mit ſeinem verſandeten Hafen dicht am Meeresſtrande und zählt gegen 9000 Ein
wohner.

Sidon die älteſte von allen am Mittelmeere gelegenen Städten ward von Sidon , dem

erſtgebornen Sohne Kanaans gegründet. Zu Joſue's Zeit war dieſe Rüſtenſtadt ſchon ſehr be

völkert und groß , kam nie in die Gewalt Iſraels und hatte in ihrer Blüthezeit eigene Könige
und Münzen . Auch bei Honier werden die Sidonier als kunſtliebendes und der Schifffahrt
kundiges Handelsvolk geſchildert, wenn der Dichter ſingt:
dann ſtieg ſie hinab in die lieblich duftende Rammer ,

Wo ſie die ſchönen Gewande verwahrte , reich an Erfindung,


Werke ſidoniſcher Frau'n , die der göttliche Held Alexandros

Selbſt aus Sidon gebracht. ( 31. VII , 288. )


Beleus' Sohn nun ſtellte noch andere Preiſe dem Wettlauf :
Einen ſilbernen Rrug volt Kunſtwerk ; diefer umfaßte

Sechs der Maaß ' , und beſiegt' an Schönheit aư ' auf der Erde

Weit ; denn kunſterfahr'ne Sidonier ſchufen ihn ſinnreid );


Aber phöniziſche Männer , auf dunkelen Wogen ihn bringend ,

Boten im Hafen ihn feil , und ſchenkten ihn endlich dem Toas . ( II. XXIII, 740.)

Den Phöniziern wird die Erfindung der Schifffahrt und Buchſtabenſdrift zugeſchrieben ;
gewiß iſt es , daß die Phönizier lettere den Griechen übermittelten .

Die Bropheten erheben Sidon's Größe und weiſſagen ſeinen Fall. Juſtin glaubt,
daß dieſe Stadt ihren Namen , der im Syriſchen Fiſchfang oder Fiſch bedeutet , von dem

Reichthum dieſer Küſte an Fiſchen erhalten hat. Die am Ufer des Sees Tiberias gelegene

Stadt Bethſaida hat dieſelbe Etymologie : Bethſaida bedeutet im Hebräiſchen „ Haus des Fiſch
fange8 “ oder „ Fiſchhaus. "

Die Völfer, welche von den Griechiſchen Schriftſtellern Phönizier genannt werden, heißen
in der heiligen Schrift Kananiter , mit denen die Iſraeliten unaufhörlich Krieg führten.
Den Götzendienſt der Phönizier haben die Hebräer oft nachgeahmt , vorzüglich ſeit der

Regierung Achab’8 , welcher Jezabel , die Tochter Etbaal's , des Königs der Sidonier , zur Ehe
hatte .

Phönizien war eigentlich nur ein Theil vom Lande Kanaan , wird aber häufig für das
ganze Land genommen .

Unter den Völkerſchaften dieſes Landes zeichneten ſich die Sidonier durch ihren Ger
werbsfleiß, ihre Thätigkeit und beſonders durch ihren Handel aus , der ſich über die halbe
Welt erſtreckte. Nebſt den genannten Erfindungen ſchreibt man ihnen auch die Fabrikation des
Die Stadt Sidon. 319

Glaſes , die Kunſt der Tiſchlerarbeiten , des Steinſchneidens und des Holzſchnigens zu. Es

iſt Niemand unter uns , ſchrieb Salomon an Hiram , der Holz ſchneiden könnte , wie die Si
donier." III Rön . 5,6. Darum war. -der Antheil dieſes Volkes am Tempelbau und an der

Herſtellung der Salomoniſchen Prachtwerke zu Jeruſalem ein ſo vorzüglicher und entſcheidender.


Holzſchnißwerke mit Blech zu überziehen, gehörte zu der bei den Phöniziern zuerſt beliebten Art
von Bildnerei, die allenthalben Verbreitung fand. Welche Rolle dieſelbe bei dem Wunderbau

zu Jeruſalem ſpielte, ward ausführlich geſchildert.

Während die Stadt Sidon den Berſern unterworfen war , verband ſie ſich , des zu
harten Joches müde' , mit Aegypten gegen Artarerres Mnemon und ſpäter gegen Artarerres
Odjus. Tennes , König von Sidon , ſchlug von den Griechen unter Mentor unterſtüßt , das
perſiſche Heer. Aber nun kam Ochus ſelbſt an der Spige eines anderen Heeres ; da gab Men

tor dem Tennes verrätheriſcher Weiſe den Rath , die ſo ſtark befeſtigte Stadt zu übergeben .
Die angeſehenſten Bürger wurden getödtet und die Sidonier , welche früher ihre. Schiffe ver

brannt hatten, damit Niemand entfliehen könne, verbrannten in der Verzweiflung ſich ſelbſt mit
all ihrer Habe und ließen dem Ochus nichts, als das geſchmolzene Gold und Silber unter den

rauchenden Trümmern der Stadt . Sie wurde zwar wieder aufgebaut , erlangte aber ihre frü
here Unabhängigkeit nie wieder. Das von Sidon gegründete Tyrus rivaliſirte bald mit der
Mutterſtadt und unterwarf ſich dieſelbe. Dann kamen Cyrus, Alerander und endlich die Römer

als Eroberer und wurden ihre Herrn.


Das Chriſtenthum hatte in Sidon frühzeitig Eingang gefunden, denn der hl. Paulus
beſuchte, da er als Gefangener nach Rom gebracht wurde, daſelbſt mehrere Gläubige. „ Am
folgenden Tage famen wir nach Sidon . Julius . der römiſche Officier der ſich men
fchenfreundlich gegen Paulus betrug, erlaubte ihm, zu ſeinen Freunden zu gehen und ihrer Pflege
zu genieſſen .“ Apoſtelg. 27,3 . Auch iſt aus den Evangelien bekannt , daß Viele aus der Ge

gend von Sidon und Thrus zu Jeſus eilten, als ſie von ſeinen Thaten hörten. Marc. III. 8.
Ja Unſer Herr kam ſelbſt in die Grenzen von Sidon und Tyrus. Da ging Er in ein Haus
hinein und wollte es Niemanden wiſſen laſſen . Er konnte aber nicht verborgen bleiben. Denn
ein Weib , deſſen Töchterlein einen unreinen Geift hatte , kam ſogleich, da ſie von Ihm hörte,
hinein und fiel Ihm zu Füſſen . Sie war ein heidniſches Weib aus Syrophönizien und bat Jhn,
daß Er den Teufel von ihrer Tochter austreiben möchte. Jeſus aber ſprach zu ihr : Laß zuerſt
die Kinder ſatt werden ; denn es iſt nicht billig , den Kindern das Brod zu nehmen und es
den Hunden vorzuwerfen . Sie aber antwortete und ſprach zu Thm : Ei ! ja doch Herr ! denn
auch die Hündlein unter dem Tiſch eſſen von den Broſamen der Kinder. Und Er ſprach zu

ihr : Um dieſes Wortes willen geh? hin ! Der Teufel iſt ausgefahren von Deiner Tochter ! .*)
Die gegenwärtige Citadelle von Saida iſt auf einem kleinen Hügel am Ufer des Meeres

*) Marc. 'VII. 24.


320 Die übrigen Stätten des hl . ſandes .

erbaut und beherrſcht zwar die ganze Stadt , gleicht aber nur einem ruinöfen Gebäude. Vom
Thurme der Citadelle aus genießt man eine entzückende Ausſicht. Das von dem Glanze des

Meeres und dem Reflere der Berge geblendete Auge ruht mit Wohlbehagen auf den Gärten,
welche den Fuß der Hügel umfäumen ; bort war es , wo die Kreuzfahrer unter den fühlenden

Schatten und neben den ſchönen Quellen ausruhten . Die Palmen fangen an , zahlreicher zu
werden . Die Baradiesfeigen von Saida ſind die beſten in Syrien ; in anderen Städten wer

den ſie aus Mangel an hinreichendem Waſſer wenig gezogen . Von hier aus geſehen iſt die
gegenwärtige Stadt nichts als eine Gruppe weißer Häuſer, deren Terraſſen ſo nahe aneinander

ſtehen, daß es ſcheint, man ſollte über die ganze Stadt hin von einer Terraſſe zur andern ge
hen können .

Die Gaſſen ſind ſehr enge, zum Theil überwölbt , wie in Beirut, zum Theil mit Binſen
und Matten überdeckt , ſo daß es dort immer dunkel und fühl iſt. Kleine Läden öffnen ſich

auf die vorzüglicheren Gaſſen , die ein wenig belebt ſind, während die andern öde ſtehen . Längs

der Häuſer läuft ein hohes , gepflaſtertes Trottoir. Die Gaſſen ſind durch die erwähnten ba

rüber gehängten Strohmatten und zerriſſenen Plahen ſo niedrig, daß man zu Pferde ſich oft
bücken muß , um durchzukommen. Man ſieht nichts als fenſterloſe Mauern und glaubt immer,

in einem ſchmußigen und finſtern Hofraume zu wandeln .


Von Alterthümern gibt es hier nicht die geringſte Spur , mit Ausnahme einiger zer

brochenen Säulenſchäfte die man auf den Wegen , am Ufer des Meeres und auf den Feldern

antrifft. Die ehemalige Stadt dehnte ſich wahrſcheinlich gegen Norden und Oſten aus , wo
man noch einige Mauerreſte findet.

Neben dem Fluße El Hamit ſteht ein altes Gebäude , welches man den venetia ni

ichen Chan nennt. In den Gärten ſteht die kleine Moſchee , Nebi Sidon genannt und
zwar , nach der Meinung der Muhammebaner , auf dem Grabe Zabulon'8 . Gegen Norden

zeigt ein bedeutender Mauerreſt die Einfaſfung des ehemaligen Hafens an . Der gegenwärtige

Hafen iſt verſandet, wie ſchon bemerkt wurde. Der Anfang der Zerſtörung dieſes Hafens war

Menſchenwerk. Als Fafreddin Herr dieſer Gegenden war , ließ er , in der Furcht von den
türkiſchen Galeeren angegriffen zu werden , alle Häfen zwiſchen Akka und Beirut ausfüllen und
zwar mittels Schiffen , die man mit Schutt füllte und dann verſenkte . In geringer Entfer

nung vom Ufer liegt im Meere eine kleine Felfeninſel ; neben derſelben ankern heutzutage die
Schiffe; doch bietet ſie wenig Schutz. Einige arabiſche Fahrzeuge und drei Handelsſchiffe ſind

alles , was von den ſidoniſchen Flotten übrig geblieben .


Der Prophet hatte verkündet : „ So ſpricht Gott , der Herr : Sieh ' ich will an dich,
Sidon ! ich werde verherrlicht werden in deiner Mitte , daß man erfahre , daß ich der Herr
bin , wenn ich Gericht in dir -übe und geheiliget werde in dir. Ich will die Peſt über dich

ſenden und Blutvergießen auf deine Gaſſen ; es follen hinſtürzen die Erſchlagenen in deiner
Mitte durch's Schwert ringsum und man wird erfahren, daß ich der Herr bin . “ Ezech. 28 , 20.
Die Stadt Sidon. 321

Während der blutigen Kataſtrophe im Libanon vorigen Fahres ward beſonders Saiba

den Chriſten unvergeßlich durch die daſelbſt ſtattgefundenen Gräuel. Die Zahl der Chriſten un

bewaffneter Randleute, Mönche, Brieſter, Weiber , Kloſterfrauen und Kinder - welche vor den

Flinten und Meſſern der Drufen im füblichen Libanon flohen und in Sidon Schut ſuchten,
überſtieg 450. Sie wurden von Moslems , Mutualis und Druſen an den Thoren und in den

Gärten dieſer Stadt kaltblütig hingeſchlachtet. Der türkiſche Befehlshaber des Orts , welcher
200. Mann regulären Militärs zu ſeiner Verfügung hatte , rührte keine Hand zur Rettung der
Unglücklichen , vielmehr wurden viele Chriſten von den Soldaten erſchoſſen oder niedergeſtoſſen,
während ihre Officiere zuſahen. Wenn ein Haufe von Flüchtlingen, ſich der Stadt näherte,
ging das Morden jedesmal wieder neu an . In den leßten Tagen des Monats Mai war der
Mufti, das muhammedaniſche Religionsoberhaupt, an den Thorert Saida’s erſchienen , um den
Fanatismus der Moslems noch mehr anzufachen, nachdem er ſie vorher ſchon aufgefordert hatte,
zu den Waffen zu greifen und die Chriſten zu überfallen. Sein Sohn war unter den Mör
dern. Die türkiſchen Frauen ſchrieen ihren Männern von den Terraſſen aus zu , die Chriſten
auszurotten . Es war eine furchtbare Schlächterei. Man war nicht damit zufrieden , ſie zu
tödten, man hieb ſie in kleine Stücke. Man zerſtreute ihre Glieder, riß ihnen Augen und Ein
geweide heraus. Die Todten wurden nicht eingeſcharrt, ſondern fielen den Hunden anheim.
Darüber freuten ſich die Türken . Trop der drohenden Gefahr und der Abmahnungen des
franzöſiſchen Conſuls war der Miſſionär Rouſſeau mit einigen Männern am 9. Juni ausge
zogen , um die Leichen der gefallenen Prieſter zu beerdigen Als wir erzählt
er – von einem türkiſchen Weib geführt bei dem Ort angelangt , wo der Großvikar, H. Bou

tras , in vier Stücke zerhauen worden war , fanden wir nur noch den Kopf des ehrwürdigen
Prieſters . Die Reſte ſeines Bruders und ſeiner Schweſter waren gleichfaus verſchwunden .
Auf einem einzigen Fleck fanden wir die Leichen von 12 Prieſtern und vier Laien, die von Hunden

verzehrt wurden ; es gelang uns: nur mit Mühe , ſie zu verjagen . Die Hiße iſt entfeßlich, 30
Grade im Schatten . Ueberall Leichen, welche einen unerträglichen Geruch verbreiten
Zwölfhundert Bewohner von Gazing hatten ſich in ein Gehölze vier Stunden von Saida , ges

flüchtet; die Druſen ſteckten den Wald in Brand. Sobald das Feuer einen Chriſten zwang ,
das ſchüßende Holz zu verlaſſen , war er geopfert ; die Uebrigen verbrannten oder ſtarben Hun
gers . Viele Frauen mit ihren Kindern ſind in den Gebirgen , Grotten und Höhlen verſteckt.

Der Hunger treibt ſie heraus und ſie fallen den Bewaffneten anheim

Das oben bereits erwähnte reichſte Kloſter in Syrien , Deir Mofalles , das den katholi
ſchen Griechen gehörte , wurde mit ſeinen großen Schätzen an Büchern und Kirchengeräthen

neuerdings geplündert und verbrannt , Delbäume umgehauen , Maulbeerpflanzungen , Seidenco


cons und Getreide vernichtet, Wein und Del zu vielen tauſend Gallons ausgeſchüttet, wiewohl
der Druſen-Schech des Bezirkes, Said Bey Timblut von Mathtarah , ben Mönchen aber und
abermals verſichert hatte , daß ſie als harmloſe Gemeinde nichts zu befürchten hätten . Nachdem
41
322 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

er ſie ſo in Sicherheit gewiegt, erlaubte er ſeinen Leuten , das Kloſter anzugreifen. ' Von den
60 Mönchen wurden gegen 16 getödtet , die Uebrigen flohen nnd verſteďten ſich im Gebirge,,

fanden aber großentheils bei dem Blutbad in Sidon den Tod *).
Als endlich durch Einſprache der Mächte die türkiſche Regierung ſich aufmachte, den
Gräueln zu Damaskus und im Libanon zu wehren , fanden die Verlaſſenen , dem Gemegel in
Damaskus und im Gebirge Entronnenen auch zu Sidon Schutz und Obdach , vorzüglich in dem

franzöſiſchen großen Chan dieſer Stadt. Er befindet ſich nicht weit von dem unteren
Thore in dem belebteſten Stadttheile. Er bildet ein ungeheures vierediges , mehrſtöckiges Ges
bäude , einſt der Mittelpunkt des franzöfiſchen Handels in Syrien . Das Gebäude umſchließt

heutzutage ein Kloſter , eine Kirche , eine Schule, Colonien von Franken aus allen Theilen
Europa's, einen weitläufigen Hofraum, Gärten, Galerien, Ställe , eine Fontäne ; es iſt eine Fe
ſtung, ein Chan, ein Bazar, beinahe eine Stadt. Man trifft dort Leute von allen Farben , man
hört aue Sprachen. Die Franziskaner vom heiligen Lande haben einen Theil dieſes Gebäudes
inne und nehmen Pilger darin auf **) .
Zwei Stunden von Sidon oder Saiba pafſirt man, immer dem Geſtade des Meeres fol
gend , einen kleinen Fluß Nahr Noſer und gelangt an die föſtliche Quelle el Borok.
Sie fält in ein großes , von den ſchönſten Bäumen beſchattetes Baſſin ; ganz daneben ſteht

eine Raravanſerai , mit Orangegärten umgeben. Hier erhält man Milch und Trauben zur Ers
quicung bei dieſer angenehmen Raſt. Das Waſſer dieſer ſchönen Quelle wird durch einen
Aquäduct nach Saida geführt.

Bei den Slippen , die man zwiſchen Sidont und Sarepta antrifft, ſoll die Stadt
Ornithopolis geſtanden haben , von welcher Plinius ſpricht.

Am Fuße des Gebirges , in geringer Entfernung von Sarepta befinden ſich die
Grotten von Adnun. Es ſind dies zahlreiche, in den Felſen gegrabene Höhlen , deren Be
ſtimmung dunkel iſt. Die Grotten unterſcheiden ſich von einander ſehr wenig. Der Eingang
mag 2.Fuß im Geviert haben ; auf einer Seite iſt die Thüre , auf den andern drei Seiten ſind
mehrere Zellen oder Niſchen , zwei Fuß über dem Boden . Einige haben 3 Fuß im Geviert,
andere mehr oder weniger. Ueber der Thüre einer jeden Zelle oder Rammer bemerkt man
eine Rinne zur Ableitung des aus der Feuchtigkeit des Gewölbes herrührenden Waſſers und da

dieſe Zellen über einander angebracht ſind, ſo gibt es auch bequeme Stiegen , um die Commu
nication zu erleichtern. . Am Fuße des Felſens ſind mehrere Ciſternen zur Aufbewahrung des
Waſſers. Dieſe Aushöhlungen ziehen ſich bis nahe an Tyrus hin und können ſomit immer
hin als die Todtenſtadt von Tyrus angeſehen werden. Da die Einſiedler gerne ſolche Stätten
aufſuchten und ihre Zelte auch zugleich ihr Grab bildete, ſo läßt ſich die eine mit der andern

*) Augem . 3tg. 1860. S. 3168 und 3231.


**) Mislin I. 603. . '
TRAILER

10

Chan
Sidon
.in
1
Von Sibon nach Tyrus. 323

Beſtimmung dieſer Höhlen vereinigen und die urſprünglichen Begräbnißkammern wurden wieder
zu folchen , nachdem die einfachen Bewohner derſelben geſtorben waren. Große Zeiträume

trennten ohnehin beide Arten von Verwendung. Der Name Abnun ſcheint von ,,ad nonum “

herzukommen, da hier eine römiſche Station war „ mutatio ad nonum (lapidem ).“
Was von dem alten „ Sarepta “ noch beſteht, ſind kleine Bruchſtücke von Mauer- und
Marmorſteinen , Felſenhöhlen am Meeresufer und ein Brunnen . Wahrſcheinlich deckt der Sand

noch andere Trümmer.


Zu Sarepta laſſen die Sidonier das Glas bereiten und daher hat die Stadt ihren
Namen erhalten ; ſaraph heißt hebräiſch ſchmelzen. Der Sand wurde von der Mündung des

Belus geholt.
Sarepta iſt in der heiligen Schrift vor allem durch den Aufenthalt des Propheten

Elia 8 daſelbſt bekannt. Als der Prophet am Bache Karith war , befahl ihm der Herr , ſich

nach Sarepta , der Stadt der Sidonier zu begeben. Es war während einer großen Hungers

noth , von der Israel heimgeſucht war. Und da er zum Thore der Stadt kam , ſah er ein

Weib , eine Wittwe , welche Holz auflas. Er bat ſie um Brod und ein wenig Waſſer. Das

Weib antwortete : » So wahr Jehova, Dein Gott lebt, ich habe kein Brod , außer eine Handvoll

Mehl im Topfe und ein wenig Del im Kruge , und ſieh ', ich leſe ein Paar Stücke Holz auf,
um hineinzugehen und es zu bereiten für mich und meinen Sohn , auf daß wir eſſen und ſter's

ben. Der Prophet ſprach zu ihr: "Fürchte Dich nicht, ſondern geh ' und thu' , wie Du ge
ſagt ; aber mach' mir davon zuerſt ein kleines Brod und bring' es mir ; hernach bereite eines

für Dich und Deinen Sohn. “ Sie gieng hin und that , wie Elias ihr geſagt hatte. Elias aß

und das Weib und ihre Hausgenoſſen aßen auch; und von dieſem Tage an nahm der Mehltopf
nicht ab und der Delkrug ward nicht leerer bis zum Tage , an welchem der Herr Segen fandte
über das Land. Einige Zeit darauf erkrankte der Sohn dieſes armen Weibes und ſtarb. Auf
das Gebet des Bropheten fehrte er wieder in's Leben zurück. III Rön . 17. Die Wittwe von

Sarepta erſcheint auch in der chriſtlichen Symbolik , indem dieſe Darſtellung auf das Brod

des lebens im heiligſten Altarsſakrament hinweiſt. Der heilige Hieronymus erzählt von der
ul. Þaula , diefelbe habe auf ihrer Pilgerreiſe hier noch einen kleinen Thurm gefunden , der

den Namen des Propheten Elia8 trug ; er war ſüdlich von Sarepta in einem Walbe , wo

der Prophet die Wittwe angetroffen , von Chriſten erbaut worden . Adrichomius ſagt , daß zu
ſeiner Zeit noch Ruinen vorhanden waren , welche die ehemalige Herrlichkeit dieſer Stadt be

zeugten. Während der Kreuzzüge war Sarepta ein Biſchof8fit , der unter dem Erzbiſchof von

Tyrus ſtand. Zu dieſer Zeit führte es auch den Namen Schloß Gere z.
Die Dichter haben die Güte des Weines dieſer Gelände beſungen , die aber jegt ver
ſchwunden ſind. Der Boden ſcheint gut, etwas ſandig , aber er wird nicht bebaut. Man ſieht
keine Wohngebäude in dieſer eine halbe Stunde breiten Eberte und þefindet ſich in einer unges
heuren Einöde. Von Zeit zu Zeit eilen flüchtige Gazellen Øurch das hohe Gras und verſchwinden
41 *
324 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

in den Schluchten der Berge. Merkwürdig iſt, daß in den Felſen , die dieſe Gebirge einfaſſen ,
eine Menge Tauben ſich aufhalten ; in zahlreichen Schaaren ſieht man ſie am Fuße der Hügel
herumfliegen und ſich in den Höhlen dieſer Felſen verbergen. Die Verehrung der Tauben

geht in’s früheſte Alterthum zurüc. Sie waren von allen Vögeln die heiligſten . Die Baby
lonier hatten auf ihren Fahnen eine Taube ; ſie war das Sinnbild der Nation. Die Syrier

durften ſie nicht nur nicht eſſen , ſondern nicht einmal berühren . Zu Orakelverkündigungen
wurden ſie gleichfalls gebraucht ; in jedem heidniſchen Culte ſpielen ſie eine große Rolle. Eine
Stunde vor Tyrus gelangt man in ein kleines Thal hinab , durch welches der Nahr Ra 8

mieh . fließt, der größte unter dieſen Flüſſen. Man überſchreitet ihn auf einer Brüde , die
aus einem einzigen Bogen beſteht, eine Viertelſtunde oberhalb ſeines Ausfluſſes. Der Schatten
eines alten verfallenen Schloſſes auf dem linken Ufer ladet den Wanderer zu kurzer Raſt ein.
Dieſer Fluß hat ſeine Quelle in der Nähe von Baalbek und heißt Litany in ſeinem oberen

Theile, dann bis zu ſeiner Mündung Rasmieh , das iſt: Theilung. Man hat ihn Häufig
Peontes , im Mittelalter Eleutherus und fanta genannt . Das Thal des Nahr Rasmieh
iſt die Fortſegung des Thales von Baalbek , welches den Namen Bkaa annimmt und hier mit

einem Engpaſſe endigt , welcher den Libanon vom Anti-libanon (dheidet. Dieſe beiden Gebirg8=
ketten , welche einerlei Formation haben , laufen beinahe parallel von Norden nach Süden ; in
ihrem nördlichen Theile weichen ſie ſehr weit auseinander, hier aber ſind ſie nur mehr durch
einen Fluß getrennt. --

Bei dem erſten Kreuzzuge hielten die chriſtlichen Heere, bevor ſie nach Tyrus kamen , fich
drei Tage an den Ufern des Nahr Rasmieh in einem fühlen Thale auf. Sie litten viel von

Schlangen und Inſekten , die man Taranten nannte und deren Stich auf der Stelle Ge
ſchwulſt mit unerträglichen und tödtlichen Schmerzen verurſachte.
Zu gewiſſen Zeiten des Jahres wird dieſe Gegend von den Winden der Ebene von Baal
bek , welche ſich in dieſem engen Thale - verfangen , durch die heftigen Windſtöſſe, die hier hers
vorbrechen , gefährlich gemacht. Dieſes intereſſante Thal bietet die ſchönſten Gegenden und iſt

noch ſo wenig bekannt. Der Nahr Sasmieh durchfließt es langſam , indem er ſich zwiſchen dem
fühlen Saume von Erlen , Weiden und Schilf dahinſchlängelt. Sein Waſſer iſt falt und tief ;
buntgefiederte Vögel flattern an ſeinen Ufern . Die Brüde am Eingange dieſes Thales iſt
ſehr hody, gepflaſtert und in gutem Stande erhalten ; eine Art mit Matten und Schilf gedeckten
Chans befindet ſich daneben .

Die Ruinen des beregten Schloſſes am Ufer dieſes Fluſſes ſcheinen einen Bunkt zu bem
zeichnen , welcher ſeit dem Beſtande von Tyrus befekt war. Die auf dem Feſtlande ſtehende

Stadt hat ſich jedenfalls bis hierher erſtreckt und Mislin glaubt, es ſei einer jener Punkte , wo

die Truppen Salmanaſjar'8 5. Jahre lang lagen , um die belagerten Tyrier zu hindern , aus
dem Fluſſe Waſſer zu ſchöpfen.
Wenn man dieſes Thal verläßt, nähert man ſich wieder dem Ufer des Meeres , wo
Die Stadt Thrus. 325

nach Pliniu8 noch andere Städte geſtanden haben , die aber nun gänzlich verſchwunden ſind.
Dieſe Ebene wird nur mehr von Rebhühnern und Gazellen bewohnt.

Tyrus.

Ein Haufe Sand, ein gebrochenes Thor , ſchwarze mit Schutt gefüllte Gaffen – das iſt
alles, was der Wanderer von Tyrus , der ſtolzen Königin der Städte, noch übrig findet. Der

heutige Name von Tyrus iſt: Sur (Tor).

Der Prophet Ifaias nennt Thrus udie Tochter Sidons. Die Sidonier grün
deten dieſe Stadt nach einer Niederlage, die ſie mit dem Könige von Askalon erlitten , da ihnen

die lage für den Handel fehr vortheilhaft erſchien . Sie ſtellten die neue Stadt unter den
Schuß des Gottes der Kaufleute . Im Buch Joſue * ) wird der Stadt Tyrus als einer
befeſtigten Stadt erwähnt und dieſelbe dem Stamme Aſer zugetheilt ; und im II. Buche der
Könige ** ) wird geſagt , daß Foab'an den Mauern von Tyrus vorüberzog , als er die Zählung
des Volkes 38rael vornahm . Dion und Menander von Epheſus ſprechen von Hiram , dem
Freunde Salomon's , welcher die Stadt Tyrus vergrößerte und verſchönerte. Dem Hiram

folgten fechs Könige nach , von denen nur die Namen bekannt ſind. Ethbaal , König von Tyrus
und Sidon , Vater der Jezabel , regierte nach dieſen. Bis auf Pygmalion ' werden noch zwei
andere Könige Badezor und Matgenus erwähnt.

Die Gefdichte von Tyrus iſt mit allen großen Ereigniſſen der alten Zeit verwebt ;

in dieſem Rahmen von 4 Tauſend Fahren findet man alles vereinigt; die Fabel , die Poeſie,

die ' heilige und die Profangeſchichte, Agenor , Dido , Hiram , Nabuchodonoſor, Alexander den

Großen , Ludwig den Heiligen und Saladin , Herodot , Homer , Virgil und Taffo , die Bibel,
die freuzzüge und die Concilien. Tyrus iſt die Mutter von Cadir und Karthago , und

fein Name erinnert an den höchſten Grad der Macht und des Reichthums , den ein Volkers

reichen kann. Seine Einwohner waren die Fürſten des Meeres ; ihre Wohnungen waren Bas
läſte von Gold und Marmor,
und Marmor, wo immerwährend Gefänge und harmoniſche Harfen ertönten ;
ihre Kleider 'waren mit Hyazinth und Purpur gefärbt ; die Fürſten von Cedar boten auf den
Plägen der Stadt ihre Pferde aus zum Kaufe ; die Bewohner von Yemen , Javon , Thubal,
Armenien brachten Silber , Zinn , Teppiche , koſtbare Gewänder , Rubine , Sklaven , Myrrhen,
Korallen und Faspis herbei ; die Krieger von Berſien , Lydien und Aegypten hiengen ihre Pan

zer und Schilde zur Zierbe an die Mauern der Stadt ; die Kinder von Aruab befesten ihre
Mauern und auf den Thürmen glänzten die Röcher der ſie bewachenden Dſchemedeer ; alle Län
der der Erde drängten ſich heran , um den Glanz dieſer Stadt zu erhöhen ; ihr Hafen war mit

Fahrzeugen angefüüt ; ihre Schiffe waren aus den Tannen des Sanir gezimmert ; die Cedern

*) XIX ,. 29.
**) XXIV , 7.
326 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

des Libanon lieferten ihr die Maſten ; ihre Ruder waren mit Elfenbein geziert ; die Söhne
von Sidon waren ihre Ruderknechte und die Weifen von Tyrus ihre Steuerleute ; aúe Meere
waren bedeckt mit ihren Segeln und ihre Flotten berührten die fernſten Inſeln *) .

Alſo preiſen die Propheten die Größe und den Ruhm dieſer ſtolzen Stadt , gegen die
alle Völker ſich erheben , wie die Fluthen des Meeres.
Die Stadt Tyrus freute ſich über das Elend Jeruſalems und ſprach : Mit ſeinem
Sturze wil ich mich vergrößern . Sie hat ihre Stärfe in ihre Einſicht und in ihre Weisheit
gefegt ; ihr Herz ſchwoll ihr ob ihrer Schönheit. Durch die Größe ihres Reichthums ward ihr
Inneres voll des Unrechts und ſie hat geſündigt wider den Herrn. Sie hat aus Silber Haus
fen gemacht, wie man Haufen macht aus Staub, und aus Gold, wie man deren macht aus dem
Kothe, der auf der Straſſe liegt. Das Herz ihres Königs hat ſich erhoben , er hat geſprochen :
Ich bin Gott und ſige auf dem Throne. Gottes im Herzen des Meeres ** )..

Welches wird die Strafe der fündigen Stadt ſein ? Es iſt von Wichtigkeit , hier einige
Daten zuſammenzuſtellen. Jfaias begann im Fahre 735 vor Chriſtus zu weisſagen ; die Stadt
Tyrus wurde nach 13jähriger Belagerung von Nabuchodonoſor eingenommen im Jahre 573,

alſo 172 Jahre nach den erſten Prophezeihungen des Iſaias, und zu einer Zeit , da die- Aſſyrier,
die dieſe mächtige Stadt zerſtören ſollten , noch ein wenig bedeutendes Volk waren .
Die Weisjagungen des Iſaias ſind nun folgende :

"Heulet, ihr Schiffe von Tharſis ***) ; Thrus iſt verwüſtet, ſo daß kein Haus mehr übrig
bleibt und man nicht mehr hineingehen kann ; ſein Fall wird verkündet den Einwohnern von
Chitim t) . Bewahret ein düſteres Schweigen , ihr Bewohner der Inſel, welche die Kaufleute

von Sidon , die Meerbeſchiffer, mit ihren Waaren angefüllt haben . Der Same Sichor's †1)
befruchtet durch die vielen Waſſer , die Lerndten des Fluſſes, waren Tyrus' Einkommen ; zum
Markte der Völker iſt ſie geworden. D Sidon ! erröthe vor Scham ; die Stadt , die auf den
Waffern ſigt, des Meeres Beſte ſpricht: Nein , ich habe nicht geboren , ich habe nicht aufgezogen

Fünglinge, ich habe nicht aufgezogen junge Mädchen tit). Wenn man's hört in Aegypten, wird
man zittern über die Runde von Tyrus. Wandert nach Tharſis ; heulet , ihr Bewohner der

Inſel. Iſt das eure muntere Stadt , die in der Urzeit ſchon fich rühmte ihres Alters ? Thre

* ) Ezech. 26 , 27 und 28.


** ) Efaias , Ezechiel und Zacharias.
*** ) Das ſind die von Tyrus , die des Handels wegen nach Tharſis fuhren und die der Prophet als.
dort befindlich annimmt im Augenblide des Falles von Tyrus.
† ) Eigentlich die Inſel C y pern, wie es fdjeint. És wird aber auch gebraucșt für die Küſte und die
Inſeln Griechenlands und ſelbſt Italiens. Aus dieſen Gegenden, wohin die Kunde vom Falle Tyrus zuerſt
tam , gelangte ſie zu den Kaufleuten dieſer Stadt, welche fich damals zu Tharſis (wahrſcheinlich Gades)
befanden .
tt) Der Nil , der in dem nämlichen Saße auch mit dem Namen Fluß überhaupt bezeichnet wird.
ttt) Das heißt : Ich habe keine Kinder mehr ; es iſt , als ob ich nie eines zur Welt gebracht hätte.
Die Stadt Tyrus. 327

Füße tragen ſie nun fernehin in die Fremde. Wer hat das beſchloſſen über Tyrus, die Aronen

vergab, deren Kaufleute Fürſten, deren Händler. Herrliche auf Erden waren ? Jehova, der Herr
der Heerſchaaren hat es beſchloſſen , um den Stolz alles Herrlidien zu ſtürzen und mit Schmach

zu bedecken die Vornehmen auf Erden .. XXIII. Die Tyrus betreffenden Weisjagungen ſind
fo zahlreich, ſo beſtimmt und ſo ſchauerlich , daß alle diejenigen, welche dieſe verödete Küſte be
rühren , von Staunen und Berwunderung über dieſes bleibende Zeichen des Zornes Gottes er:

griffen , die Bücher der Propheten aufſchlagen und nur in den Klagetönen Ezechiel's oder Ifaias'
den Ausdruck der Gefühle finden , die ſich in ihrem Gemüthe drängten .
Die Worte Ezechiel's ſind folgende :

Der Herr hat geſprochen: Sieh ?! ich will nach Tyrus kommen laſſen Nabuchodonoſor,
den König von Babylon , von Mitternacht her , den König der Könige , mit Roſſen und Wa
gen , mit Reitern und Heeréshaufen und viel Volk. Deine Töchter auf den Feldern wird er
mit dem Schwerte töbten ; um dich her wird er Bollwerke bauen, einen Wall ringsherum aufwer

fen und den Schild wider Dich aufheben ; mit Sturmgeräth wird er Deine Mauern fchlagen
und mit dem Eifen Deine Thürme zerſtören , . er wird Deine Reichthümer zur

Beute nehmen und Deine Kaufmannsgüter rauben , Deine Mauern zerſtören , die Häuſer, welche
Deine Wonne ſind, niederreiſſen und Deine Steine, Dein Holz und Deinen Staub in’s Waſſer
werfen . Ich will Dich zum platten Steine machen , zum Orte , wo man die Fiſch
neke trodnet und Du ſollſt nicht fürder erbaut werden Ich werde ein ſchreckliches

Gericht über Dich halten ; Du wirſt verſchwinden , man wirb Dich ſuchen , aber fürder nicht
finden in Ewigkeit. XXVI.

Die Erfüllung dieſer Weisſagungen iſt augenſcheinlich. Die alte Stadt Thrus , Bekannt
unter dem Namen Baläthrus , ſtand auf dem Feſtlande, und auf der Friſel, oder vielmehr auf
beiden Inſeln (denn es gab eine größere und eine kleinere) ſtand nichts als ein dem National

Gotté geweihter Tempel ; auf jeder der beiden Seiten war ein Thor , eines gegen Sidon , das
andere gegen- Aegypten. Im Jahre 581 belagerte Nabuchodonoſor die Stadt und zerſtörte ſie
von Grund aus.

Seitdem iſt ſie nicht wieder aufgebaut worden ; man ſucht ſie und man
findet ſie nicht mehr. Es iſt jener Haufen Staub, den der Nordwind, das vom aſſyriſchen
Könige begonnene Werk der Zerſtörung fortſetzend , Tag für Tag in's Meer wirft ; ihre
Haufen Gold und Silber ſind eine Hand voll Staub und Roth geworden .

Nach Plinius lag zwiſchen der Infel und dein feſten lande nur die Entfernung von 700

Schritten. Dion und Menander erzählen, daß der König Hiram , der Freund Salomon's, ſchon
große Arbeiten auf den beiden Inſeln, die er vereinigte, ausgeführt hatte. Nabuchodonofor ver

band dieſe Inſeln mit dem Feſtlande durch die Erde , die Steine und das Holz , das er in's

Waſſer warf. „ Er wird Deine Steine , Dein Holz und Deinen Staub in's Waf

fer werfen , hatte der Prophet geſagt. Die Thrier bauten ihre neue Städt auf jener In
328 Die übrigen Stätten des heiligen Landes.

fel, welche bisher nur die Wohnung ihres Gottes , der Prieſter und der Seaufleute geweſen war ,
und räumten den Meeresarm , der ſie vom Feſtlande trennte, wieder aus , um ſich gegen eine
neue Belagerung zu ſchüßen .

Iſaias hatte geſagt : " Thrus wird vergeſſen ſein 70 Jahre lang , gezählt wie die Tage
eines Königs und nady 70 Fahren wird man ihr Lieder ſingen , wie einer Buhlerin
Nach 70 Jahren wird der Herr Tyrus heimſuchen , und ſie wird wieder zu ihrem Schandges

werbe zurückehren und wieder buhlen mit allen Königreichen der Welt, ſo weit die Erde reicht.“
XXIII , 15 und 17 .

Zu Alexander's Zeiten ſtand Tyrus mitten auf einer Inſel und war ſchon lange
aus der Vergeſſenheit hervorgegangen und hatte ſeinen ehemaligen Wohlſtand wieder
gewonnen.

Nachdem der König von Macedonien ſich ganz Syriens bemächtigt hatte , ließ er den

Tyriern ſagen , er wünſchte in ihre Stadt zu kommen , um dem Herkules feine


Opfer darzubringen . Es war von der alten Stadt noch ein dieſem Gotte geweihter
Tempel ſtehen geblieben * ) . Die Tyrier ließen dem Könige ſagen , es ſtehe ein Tempel des

Herkules außerhalb ihrer Mauern und er könne dort ſeine Andacht mit allen erforderlichen Ce

remonien verrid ;ten . Darüber ergrimmt , erklärte Alexander , er werde in die Stadt kommen,
ſei es in Güte oder durch Gewalt .

Da begann nun jene berühmte Belagerung , welche 7 Monate dauerte und mit neuer
Zerſtörung der Stadt endete. Die Macedonier füllten den Meeresarm, der ſie von den Mauern
von Tyrus trennte , aus ; die alte Stadt bot ihnen eine große Menge Steine und der Libanon
alles Holz , deſſen ſie bedurften , um Schiffe und Thürme zu bauen . Sie warfen ganze große
Bäume mit allen Aeſten in das Meer , belaſteten ſie mit Steinen , legten darauf wieder andere
Bäume und bedeckten ſie mit einer fetten Erde , die ihnen als Mörtel diente. Es waren alſo
auch hier immer noch die Ruinen von Palätyrus, die man in's Meer warf. Endlich nach uns
zähligen , erbitterten Kämpfen erhielten die Macedonier neue Verſtärkungen , wogegen eine Des

putation von Karthagern den Tyyriern ankündigte , daß ſie auf ſie nicht mehr zu rechnen hätten.

Die Stadt, zu Land und zu Waſſer beſtürmt, unterlag endlich und mit Ausnahme von 15 Tau
fend Menſchen , welche durch die Sidonier gerettet wurden , kamen alle Einwohner um. Eine

kleine Zahl wird kaum entkommen ** )". Sechstauſend Soldaten wurden allein im Um

fange der Schanzen erſchlagen und der Zorn des Königs war ſo groß , daß er, als ſeine Sol
daten nach ſo vielem Blutvergießen des Mordens müde und noch 2 Tauſend Menſchen übrig
waren , ſie alle längs des Ufers an’s Kreuz Heften ließ .

Nach der Einnahme durch Alexander den Großen erſtand Tyrus noch einmal aus ſeinen

*) Sicheuß, Dibo's Gemahl, war Oberprieſter bell Bertulee.


**) faias XXIV .
Die Stadt Tyrus. 329

Ruinen und wurde blühend unter ſeinen Nachfolgern ; nad ). der Eroberung der Römer war es
eine römiſche. Colonie und der Kaiſer Hadrian baute ſeine Mauern wieder auf. Es war nicht

mehr jene prächtige Stadt von ehemals , aber ſie war für den Handel ſo vortheilhaft gelegen,
baß ſie noch die bevölkertſte Stadt von ganz Syrien war. Im Jahre 183 wurde ſie neuerdings

durch Niger in Aſche gelegt , weil ſie aus Haß gegen Antiochus den Severus ausgerufen

hatte.
In dieſer Periode iſt die Geſchichte von Tyrus aber nicht mehr bloß eine heidniſche,

ſondern ſie verwebt ſich innig mit der Geſchichte der Kirche. Jeſus Chriſtus fam felbſt in

das Gebiet von Tyrus und heilte das Töchterlein eines Weibes , deſſen Glauben Er bewun

berte * ). Unter der großen Menge Volkes , das dem Herrn nach Galiläa nachfolgte, waren
auch Leute von Sidon und Tyrus ** ). Auch von Jeruſalem und 3dumäa , von jenſeits des

Jordans , von den Gegenden um Sidon und Tyrus kam eine große Menge zu Ihm , als ſie

von ſeinen Thaten hörten. In der Apoſtelgeſchichte leſen wir , daß dieſe Stadt auch von dem

heiligen Apoſtel Paulus beſucht wurde. Als wir gegen Phönizien fuhren , landeten wir zu
Tyrus ; denn da ſollte das Schiff die Fracht ausladen . Und weil wir daſelbſt Jünger fanden,

blieben wir ſieben Tage und ſie ſagten zu Baulus , auf höhere Gingebung , er ſollte nicht hin
aufgehen nach Jeruſalem . Nachdem die ſieben Tage zu Ende waren , begaben wir uns auf

die Reiſe ; alle, fammt Weibern und Kindern , geleiteten ung bis zur Stadt hinau8 ; da knieten

wir nieder am Ufer und beteten. Und da wir von einander Abſchied genommen , ſtiegen wir

in's Schiff , jene aber kehrten nach Hauſe *** ).

Der heilige Petrus foll ſchon früher , nachdem er Cäfarea verlaſſen hatte , nach Thrus
gekommen ſein , das Evangelium verkündet und eine Kirche daſelbſt gegründet haben. Zur
Zeit der blutigen Chriſtenverfolgung bekannten die Chriſten von Tyrus mitten unter den Mar

tern ihren Glauben und ſtarben ' al8 Martyrer . Euſebiust), ein Augenzeuge , erzählt uns von
der Standhaftigkeit der Martyrer dieſer Stadt, welche unter Diocletian's und Maximian's Vers

folgung den Beſtien vorgeworfen wurden . Weiber und Kinder erhoben mit heiterem Angeſichte
Hände und Augen zum Himmel und beteten ruhig zum Herrn , mitten in der Arena , umrungen

von hungrigen Löwen . Die von den wilden Thieren verſchonten Leiber dieſer chriſtlichen Hel
den wurden mit dem Schwerte zerfleiſcht und in das Meer geworfen . Einer der vorzüglichſten
Martyrer war der heilige Tyrannion , Biſchof von Tyrus ; die Kirche feiert ſein Feſt am
28. Februar. Auch der hl. Methodius , der als Martyr in Griechenland“ ſtarb , war Biſchof
von Tyrus. Der berühmte Rechtsgelehrte Ulpianus und der Philoſoph Porphyrius waren

von Tyrus gebürtig - Feinde der Chriſten.

* ). Marc. 7. ,
**) Marc. 3,8
***) Apoſtg. 21 .
1
† ) Hist. eccles. VIII .
42
330 Die übrigen Stätten des hl. Sandes.

Die durch den Beſuch des Apoſtels berühmt geworbene Kirche von Tyrus war nach
jener in Jeruſalem die erſte in ihrer Gegend ; ihre Erzbiſchöfe wohnten den Concilien von
Cäſarea, Nicäa, Conſtantinopel und Chalcedon bei . Unter dem Erzbiſchofe von Tyrus ſtanden
14 Disthümer . Alles dieſes wurde im Jahre 636 vernichtet , als die Saracenen fich Syriens
bemächtigten .

Als im Jahre 1124 die venetianiſche Flotte unter dem Befehle des Dogen Michaelis
nach Paläſtina gekommen war , wurde eine große Expedition gegen die Muſelmänner vorgeſchla
gen ; über Asfalon und Tiyrus wurde das Loos geworfen und es traf die regtere Stadt. Die
Einwohner aller von den Chriſten ſchon beſetzten Städte hatten ſich nach Tyrus geflüchtet , weil
ſie es für uneinnehmbar hielten. Der Doge von Venedig griff es von der Seeſeite an und
bemächtigte ſich des Hafens , während der Patriarch von Jeruſalem und der Graf von Tripolis,
Regent des Königreiches , die Belagerung des Platzes von der Seite der Landenge aus unters
nahmen , wo derſelbe durch eine dreifache Mauer vertheidigt war. Nach einer Belagerung von
ſechſthalb Monaten fielen die Mauern unter den Anſtrengungen der Kreuzfahrer und das Ban
ner des Dogen von Venedig wehte auf den Thürmen von Tyrus neben jenem des Stönigs von
Jeruſalem . Während eines Zeitraumes von 60 Jahren , unter der Herrſchaft der chriſtlichen
Fürſten, hatte die Stadt Tyrus noch einige Tage des Ruhmes und der Ruhe. Im Jahre 1187
ſchlug ſie die Angriffe Saladin's ab , welcher mit einem zahlreichen Heere zu ihrer Belagerung
herangerückt war. Die Vertheidigung der Stadt war Konrad, dem Marquis von Montferat, an
vertraut, welcher dabei ebenſoviel Geſchidlichkeit als Tapferkeit bewies . Er ſtellte die ſo oft zer
ſtörten Befeſtigungen wieder ler , ließ neue Gräben aufwerfen , trennte noch einmal die Stadt
vom feſten Lande und Tyrus wurde wieder inzugänglich mitten im Waſſer. Saladin war ge

genöthigt, ſich zurüdzuziehen.


Im Jahre 1201 fiel Tyrus endlich in die Hände der Ungläubigen , um ſich nicht mehr
zu erheben ; ſie zerſtörten es und ſeine Einwohner wurden auf immer zerſtreut. Die, welche es
Heutzutage bewohnen , ſind gegen ſeine Geſchichte ebenſo gleichgiltig und derſelben ebenſo fremd,
wie die . Raubvögel, welche auf ſeinen Ruinen horſten.

Dieſe Stadt wurde überdies häufiger durch Erdbeben verwüſtet, als vielleicht irgend eine
in der Welt. Die kleine Inſel, worauf der Herkulestempel ſtand, hielten die Alten für eine an
der Oberfläche des Meeres ſchwimmende Fafel , wie Delos . Dieß nöthigte auch oft die Ty
rier , ihre Baterſtadt zu verlaſſen , in der Ferne zu Utica , Karthago und Cadir Colonien zu
gründen. Während der zwei oder drei Jahrhunderte , welche der Geburt Chriſti vorhergingen

und nachfolgten , hatte Tyrus um ſo mehr von den Erdbeben zu leiden , als ihre Häuſer ſehr
hoch waren . Unter Diocletian ſtürzte ſie ganz zuſammen . Im XI. Jahrhundert wurde ſie mit
dem größten Theile der Einwohner verſchüttet. Im Anfange des XIII. blieben nur
einige Häuſer ſtehen . Dieſe fürchterlichen Ereigniſſe ' Haben ſich beſtändig wiederholt ; das
letzte, das über ſte kam , war im Monat Fänner 1837.
Die Stadt Tyrus. 331

Die gegenwärtige Stadt gleicht mehr einem Gottesacker, als einer Stadt. Einige nied
rige Häuſer, Gräbern aus Erde oder Stein ähnlicy, bedecken einen kleinen Theil der Halbinſel:
Rein Denkmal iſt ftehen geblieben , der Hafen iſt deríandet ; an einigen Felſenklippen gewahrt

das Auge noch eine Spur der alten Ringmauer ; zerbrochene Säulen liegen überall auf dem
Ufer im Schutte, in den alten Mauern im Meere herum ; in Leintüchern eingehüüte Weis

ber wandeln ſchweigend durch die öden Gaſſen : Berwüſtung iſt übrig geblieben in der

Stadt ; ihre überwältigten Thore ſind zerbrochen * ). In weiten Zwiſchenräumen


fauern einzelne Männer an den Ecken der Straſſen : In der Mitte des Landes ſelbſt
wird man kaum einige Menſchen finden , ſowie wenige Oliven zurüdbleiben
nach dem Schütteln des Delbaumes und wenige Trauben nach der Weinleſe **) .
Außen auf der Seeſeite ſtehen noch einige Reſte der doppelten Ringmauer , welche die Stadt

vertheidigte ; hie und da'noch Säulenſchäfte; am Ufer nackte Felſen , Fiſcher und ihre Netze.
Ich will Dich zum glatten Felſen machen , zum Orte , wo man die Fiſchnete

trocnet ***). Gräben , Wälle und Thürme ſind verſchwunden . Die kleine Inſel, welche Hi
ram mit der großen vereinigt hatte , der alte Tempel des Herkules oder Melkarth , einer der

älteſten , deſſen menſchliche Erinnerung erwähnt , liegt unter dem Waſſer begraben ; der Hafen
bamm iſt von den Wogen und von dem Erdbeben fortgeriſſen worden . Von dieſer Inſel iſt
nichts mehr übrig geblieben als Klippen. „ Nun biſt Du zertrümmert worden vom

Meere , in die Tiefe des Waſſers ſind gefallen Deine Gütert)."

Blog an der nordweſtlichen Spitze der Inſel kann man mehr als 50 Säulen von Gra

nit und Marmor zählen , die theils im Meere liegen , theils im Sande vergraben ſind. Bei

ruhigem Wetter muß man außerhalb des jetzigen Hafens , der ehemals nur der innere Hafen

war, hinausgehen und den ganzen Strand unterſuchen, um einen Begriff zu bekommen von den
ungeheuren Arbeiten , welche die Tyrier ausgeführt hatten , um ihre Magazine und ihre Schiffe
zu ſchüßen. Auf dem Grunde des Waſſer8 fieht man noch eine Menge Säulen , ungeheure be

hauene Steinblöcke und Mauern von erſtaunlicher länge. Graf von Bertou , berichtet Mislin,
hat theils ſelbſt theils durch Taudjer Mauern aus behauenen Steinen entdeckt, welche nur 2

oder 3 Klafter unter der Oberfläche des Waſſers liegen , 33 bis 36. Schuh breit ſind und ſich
länge der Küſte in einer Strecke von 6 Tauſend Fuß hinziehen . Ein einziges Baſſin , -welches.
wahrſcheinlich das Seearſenal von Tyrus war , hat 2105 Fuß in der Länge.

Am ſüdöſtlichen Ende der heutigen Stadt liegen die traurigen Reſte der ehemaligen

Rathedralé von Tyrus. Sie ward vom Erzbiſchof Baulinus von Tyrus auf derſelben

*) Sjaias xxiv
**) Iſaias a. a O.
***) Ezechiel XXVI.
+) Ezechiel XXVII ,
42 *
332 Die übrigen Stätten des hl. Landes .

Stelle erbaut , wo jene Kirche geſtanden , die im Jahre 303 in Folge des Ediktes Diocletian's

zerſtört worden iſt. Zur Zeit der Verfolgungen hatten die Heiden , nachdem ſie die Thore mit
der Axt eingeſchlagen , die Altäre verbrannt und entheiligt hatten , ein Unrathsmagazin daraus
gemacht. Als Conſtantin der Kirche die Freiheit gegeben , ließ der Biſchof von Tyrus jene
prächtige Baſilika erbauen , welche Euſebius von Cäſaräa in der Predigt , die er am Tage
der Einweihung derſelben gehalten hat , beſchrieben hat. Es war die ſchönſte Kirche in ganz
Phönizien . Hier folgt die genaue Beſchreibung derſelben nach Euſebius * ).

Dieſer unſer neuer und vortrefflicher Zorobabel (d . h . Paulinus , Biſchof von Tyrus,
der darum alſo genannt wird, weil er, wie Zorobabet nach der Rückkehr aus dem babyloniſchen

Exil den Juden einen neuen Tempel errichtete , den Tyriern für die frühere während der Mas

ziminiſchen Chriſtenverfolgung zerſtörte Kirche eine neue prächtige Kirche baute , ) hat uns die
verfallene Kirche wieder aufgerichtet , ihr aber nicht das urſprüngliche alte Gewand angelegt.

Nachdem er den ganzen Platz für dieſelbe viel größer beſtimmt hatte , baute er durch Ummaue
rung des Ganzen von Außen eine Umfriedigung , damit für das Ganze ein hinreichend ge

ſchügter Hof entſtände. Indem er nun gerade den Strahlen der aufgehenden Sonne gegens

über eine große und hochſtrebende Vorhalle aufſtellte, gewährte er auch ſchon denen , welche

fern von der Umfriedigung auſſerhalb des Heiligthums ſtanden , eine Fülle der Anſicht der

Dinge, die innerhalb enthalten ſind. Demjenigen, welcher durch die Pforten eingetreten iſt,

erlaubte er nicht , ſogleich mit ungeheiligten und ungewaſchenen Füßen das Heiligthum im In

nern zu betreten , ſondern nachdem er zwiſchen dem Tempel und den erſten Eingängen einen

möglichſt großen Zwiſchenraum gebildet hatte , zierte er denſelben ringsum mit vier ſchräg

einfallenden (d . h . ſchräggedachten ) Säulenhallen. Da er jo den Raum ziemlich in Form eines


Viereds allenthalben mit aufgerichteten Säulen umhegt, und die Zwiſchenräume derſelben

(Säulen) mit Schranken aus Holzgittern in paſſender Höhe für die Anweſenden geſchloſſen
hatte , ließ er einen unbedeckten Mittelraum zum Anblick des Himmels , welcher auch für die

Strahlen des Lichtes einen herrlichen offenen Raum gewährte . Daſelbſt ſtellte er Sinnbilder

der reinigenden Opfer auf , indem er im Angeſichte des Tempels Brunnen baute , welche durch

reichlichen Erguß des Waſchwaſſers denjenigen , welche zu dem Innern des umſchloſſenen Hei

ligthums hinzugehen wollten , Reinigung gewährten. Und dieſer erſte Aufenthaltsort für die
Eintretenden dient dem Ganzen zum Schmucke und zur Zierde , denen aber , welche die erſte

Unterweiſung (im Chriſtenthume) noch bedürfen (d. i . den Katechumenen ), zu einem paſſenden

Plaße (zum Verweilen während des Gottesdienſtes ). Doch auch den Anblick dieſer Dinge
überbietend ſchloß er noch an die innerſte ſehr breite Vorhalle die Eingänge zum Tempel an.

Indem er nämlich gegen Oſten auf ein und derſelben Seite abermals drei Pforten erbaute, deren

*) H. E. X. 4 , 15.
2

3
Die Stadt Tyrus. 333

mittelſter er geſtattete, die zu beiden Seiten an Größe und Breite zu übertreffen , während er
ferner dieſe (mittelſte) durch bronzene Schilder und geſchnigte Zierrathen ganz beſonders vers
ſchönerte, vereinigte er mit dieſer , gleichſam der Königin die beiden andern als Trabanten .

Gleicherweiſe gab er auch den Säulenhallen zu beiden Seiten des ganzen Tempels die Zahl

der Vorhallen (d. . je eine Säulenhalle auf jeder Seite) . Von oben über denſelben beſorgte
er aber verſchiedene Eingänge in das Haus für anderes größeres Licht (als das , welches durch
die Pforten einfallen konnte, d . h . er ſorgte für Fenſter in der Mauer oberhalb der Säulen:

Hallen ) und bildete die Verzierungen derſelben mannigfaltig aus feinem Holzſchnißwerk. Das
fönigliche Haus (den Tempel) erbaute er aus reichen und koſtbaren Stoffen , indem er freige
bige Prachtliebe im Aufwande zeigte. Es ſcheint mir überflüſſig , die Länge und Breite des
Hauſes, dieſe glänzende Schönheit und die alle Beſchreibung überſchreitende Größe , den glän

zenden Anblick der Arbeiten in Worten zu zergliedern und die himmelanſtrebende Höhe und die
Darüber lagernden koſtbaren Cedern des libanon zu beſchreiben .

Als er nun ſo den Tempel vollendet, und obenan mit Seſſeln zu Ehren der Vorſteher
und überdieß mit Bänken der Reihe nach für die geringeren Geiſtlichen , wie ſich ziemt , ge

ſchmückt, nach allen aber den heiligen · Altar in die Mitte (dieſer Siße) geſtellt hatte, umgab er
auch dieß wieder , damit es den Laien unzugänglich wäre , mit Holzgitter , das oben mit kunſt
reichem Schnißwerk verziert war , ſo daß es den Beſchauenden einen wundervollen Anblick ge

währte. Aber auch den Fußboden vernachläſſigte er nicht, indem er auch dieſen mit Marmor
in jeder kunſtreichen Form verzierte. Endlich wandte er ſich auch zu den Außenſeiten des Tems

pels indem er Ausbaue und ſehr große Häuſer auf beiden Seiten kunſtgerecht aufführte, welche
gleichfals mit den Seiten des föniglichen. Hauſes verbunden und den Eingängen in das mitten
inne liegende Haus angeſchloſſen waren *).

Die ferneren Schicfale dieſer prachtvollen Baſilika ſind unbekannt. Ohne Zweifel er
litt ſie im Laufe dieſer Zeiten ähnliche Wandlungen , wie die übrigen Kirchen des Orients.
Im eilften Jahrhunderte ſah man in dieſer Kirche noch das Grab des Origene 8 .

Der große deutſche Kaiſer Friedrich Barbaroſſa wurde 1190 in derſelben begraben. Erz
biſchof Wilhelm von Tyrus nahm die Ueberreſte dieſes Helden in Empfang . Andere glaub
ten , der Kaiſer ſei zu Antiochia beſtattet worden. Der gelehrte Erzbiſchof Wilhelm von
Tyrus , der die Akten des Conciliums von Lateran verfaßte und eine der beſten Geſchichten

der Kreuzzüge geſchrieben hat (von 1174–1184) iſt lange Zeit an der Spitze dieſer Kirche ge
ſtanden. Er reiſte nach Europa , um die Hilfe der chriſtlichen Fürſten zur Vertheidigung des
heiligen Landes zu erbitten .
In der Kathedrale zu Thrus und ſpäter in der, zu Famaguſta wurden nach dem Ber.

luſte der heiligen Stadt die Rönige von Jeruſalem gekrönt. Heutzutage iſt ſie halb unter

*) Nad Beſtermann. Die antiten und chriſtlichen Bafiliten. 1847. S. 138 – 140 .
334 Die übrigen Stätten des hl. Landes .

Trümmern vergraben und in die Erde verſunken . Eine Menge Hütten bedecken einen Theil
des Chores und der Schiffe; neben einer dieſer Hütten liegen noch zwei große und herrliche
Säulen im Hofe. Robinſon ſagte vor kaum 22 Jahren von dieſer Kirche : „ Das Innere iſt in
drei Flügel abgetheilt , die durd, eine Reihe von Granitſäulen von einander geſchieden werden .
Am äußerſten Ende jedes der beiden Arme des Kreuzſchiffes ſtand ein Thurm , in den man

über eine Wendeltreppe hinaufſtieg , die noch vollkommen erhalten iſt .“ Gegenwärtig gibt es
keine andern Säulen mehr als die zwei , welche eben beſprochen wurden . Von dieſen Wendel

treppen beſteht nur mehr eine , und dieſe iſt ſo ſchadhaft, daß man nur mit Mühe und nicht
ohne Gefahr hinaufſteigen fonnte ; auch geht ſie nicht höher , als bis zur legten Mauerede

der Kirche.
Nicht weit von dem ſogenannten Grabe Hiram's Rabr Hiram wurde unlängſt von

Erneſt Renan ein Mojait - Boden der chriſtlichen Aera entdeckt. Derſelbe foll vortrefflich ers
halten , byzantiniſcher Arbeit und mit vielen Figuren geſchmückt ſein . Er diente einer bem
hl . Chriſtoph geweihten Kirde als Fußboden und datirt laut Renan's Bericht vom Jahre 652
oder 653 unſrer Zeitrechnung.

Dieſe kleine byzantiniſche Kirche wird bei der raſchen Verbreitung des Islams nur

kurzen Beſtand gehabt haben , wofür auch die unbedeutende Abnütung dieſes Moſaik - Bodens
ſpridit. - Er wird nach Paris transportirt und dort im Muſeum des louvre aufgeſtellt
werben *) .

Die Bevölkerung des Dorfes Sur beſteht aus etwa Tauſend Motualis , 8 Hundert
katholiſchen Griechen , 2 Hundert Maroniten und 20 nichtunirten Griechen. Die katholiſchen
oder unirten Griechen haben für Sur und das Gebirge einen Biſchof. Die Kirche derſelben
iſt klein und wurde vor 150 Jahren gebaut. Der Fußboden iſt von Marmor berſchiedener
Art und von Porphyr, alles iſt aus den Trümmern der Nachbarſchaft geholt . Die im Sande

liegenden Säulen hat man dazu nicht verwendet, weil Niemand im Stande iſt, ſie zu bewegen .
Dieſelben wollte Dichezzar für ſeine Moſchee in Akfa fortnehmen ; ſeine Ingenieurs fonnten
dieſelben jedoch nicht einmal von der Stelle rüden .

Wir können Tyrus nicht verlaſſen , ohne die Aufmerkſamkeit auf eine Kunſtfertigkeit der

alten Bewohner zu richten , welche ſie vor allen andern auf Erden běrühmt gemacht hat , näm

lich die Bereitung des Burpur 8 .

Zuvor ſei noch eine kleine Abſdyweifung erlaubt über eine andere Kunſtfertigkeit der
Phönizier, die den Tyriern nicht allein zufömmt. Die Phönizier fertigten nämlich auch Holztapeten aus

übereinander und durcheinander geflochtenen Holzſpähnen und nannten dieſe gegitterten, carrirten
und oft gewürfelten Flechtarbeiten „muski “ oder ,,muſaki ; " daher ſtammt das Wort „Moſaif.“

*) Annales Archéologiques publiées par Didron 1861. Juin et Juillet pag. 151 .
Die Stadt Tyrus. 335

Die Griechen haben daher die Bezeichnung muſeion , die Láteiner musivum oder museum ,
die Italiener ihr musaiko , und die Franzoſen mosaique *) . ·

Man glaubt nicht an der Stätte dieſer weltberühmten Erfindung des Purpurs zu ſein,

da die jebigen Bewohner nicht einmal die Erinnerung daran bewahrt haben ; kein Band

knüpft ſie mehr an die glorreiche Epoche der alten phöniziſchen Stadt.
Der Reiſende Mislin ' durchwanderte den Strand und fam weit in das Meer hinaus ;
überau traf er eine ungeheure Menge kleiner Muſcheln an , die während der Monate Juni und

Sulivou Fluthen ausgeworfen werden und das ganze Geſtade mehrere Fuß hoch bedecken.
Von dem murex trunculus und der helix iạnthina , welche dieſe ſchöne Farbe gegeben haben
follen , und nach Plinius ſich an dem Ufer von Tyrus befanden , fand er jedoch keine Spur.

Im Deuteronomium findet ſich eine merkwürdige Stelle , welche ſich entweder auf den Sand
dieſer Gegenden , der zur. Erfindung des Glaſes diente , oder auf die Purpurmuſchel, die man
im Sande fand, bezog. Der Antheil Zabulon's erſtreckte ſich vom Tiberias - See bis an das
mittelländiſche Meer ; deßwegen ſagt Moſes zu den Stämmen Iſraels : Zabulon , freue dich

deiner Schiffahrt, und 3ſfachar unter deinen Zelten ; eure Kinder werden das Volk auf das

Gebirge rufen ; dort werden ſie die Opfer der Gerechtigkeit ſchlachten ; denn ſie werden
einjaugen Den Ueberfluß des Meeres und die Schäße, die in Sande ver
borgen ſind. “ XXXIII, 19 .
Die Purpurfarbe war einer der geſuchteſten Gegenſtände des tyriſchen Handels , und

bei Plinius ſieht man , daß ſie zu Rom um mehr als tauſend Denare das Pfund verkauft

wurde . Sehen wir von der Mythe der Nymphe Tyros und. Herkules ab , ſo hat doc Nie

mand den · Tyriern die Erfindung des Burpurs ſtreitig gemacht. Sie wird . allgemein auf den
Gründer ihrer Stadt , Melkarth , zurückgeführt. Daher kommt es , daß der Murer gehei

ligt und anbetung 8würdig genannt wurde und daß der Purpur das . Attribut der

Gottheit und des Rönigthum8 wurde . Die Statue der tyriſchen Göttin Aſtarte war

mit einem Purpurmantel bedeckt ; der Oberprieſter des Melkarth mußte ſich mit einem

Mantel von derſelben Farbe bedecen , wenn er dem Gotte ein Dpfer brachte. Von ba an

wurde der Purpur geheiligt und anbetungswürdig genannt und überall als Unterſcheidungs

zeichen der königlichen Würde oder der Macht angewandt. Auf Befehl des Affuerus wurde

Mardochäus in den Straſſen von Suſa mit einem Purpurmantel bekleidet herumgeführt ** ).

Die Könige von Madian pflegten Purpurmäntel zu tragen ***) . Die Juden erlaubten dem

Simon ſich in Gold und Purpur zu kleiden , damit alle wiſſen , daß er ihr Oberhaupt iſt t).

*) Redslob in der Zeitſdrift der deutſchen morgenländiſchen Geſellſchaft 1861 .


**) Eſther 8 , 15 .
***) Ridhter 8 , 26.
†) I. Makk. 14 , 43.

is
336 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

Von den Römern iſt dieſe Auszeichnung bekannt als Zeichen der Gewalt. Im kaiſerlichen
Balaſte zu Conſtantinopel gab es einen ganz mit Purpur ausgeſchlagenen Saal, welcher für die

Entbindungen der griechiſchen Kaiſerinnen beſtimmt war. von denen , die dort geboren wurden ,
konnte man buchſtäblich ſagen : Sie ſind in Burpur geboren ; und ſo wurden ſie auch
bezeidynet.

Zum Spotte über das Königthum des Sohnes Gottes ſegten die Soldaten des Präto

rium8 Unſerem Herrn eine Dornenkrone auf das Haupt und bekleideten Ihn mit einem Schar
lachmantel *) .

Im Symbolismus der Kirche iſt dieſe Farbe, geheiligt durch das Blut des Erlöſers, für
die Feier der für Chriſtus im Zeugniſſe des Blutes Hingegangenen beſtimmt; für den höchſten
Triumph , den die Kirche fennt.

Das Wort Purpur bezeichnete im Alterthume nicht bloß eine einzelne Farbe , ſondern

eine ganze Schattirung von Farben, die aus thieriſchen Stoffen, namentlich den Seemuſcheln ,
bereitet wurden . Man fand dieſe nicht bloß an den Küſten Phöniziens , ſondern im ganzen

mittelländiſchen und atlantiſchen Meere . Es gab mehrere Arten von Muſcheln und ſie lieferten

auch verſchiedene Farben . Die des atlantiſchen Oceans gaben die ſchwärzeſte Tinte , die der

italieniſchen und ſicilianiſchen Küſten eine violette Farbe und die p h ö niz iſden das hellſte

Roth . Die Tinten, welche man zu Tyrus zu gewinnen verſtand, konnte man nirgends nach

ahinen ; deßhalb waren auch die Stoffe dieſer Stadt ſo geſucht, weil die Tyrier durch die
Nachbarſchaft mehrerer Nomadenſtämme, welche ihnen die beſte Wolle lieferten , den Vortheil

hatten, Stoffe zu verfertigen , welche an Güte , Feinheit und Farbe alle andern übertrafen .
Die Bereitung des Purpurs aus Muſcheln war ſchwierig und koſtſpielig ; es war eine
Kunſt, die ihre Traditionen hatte. Range Uebung , begünſtigt durch eine Menge localer Ver
hältniſſe, hatte die ganze Bevölkerung des Landes darin geſchidt gemacht. Der' hohe Preis des

auf dieſe Weiſe erzeugten Purpurs und die ſo oftmalige Zerſtreuung derjenigen , welche ihn
bereiteten , bewirkten , daß dieſes Verfahren ſpäter durch die Cochenille erſeßt wurde. Das

alte Berfahren erhielt ſich in Tyrus bis in das Mittelalter und die Juden hatten damals

dieſes Monopol in Händen. Benjamin von Tudela traf im Jahre 1160 in dieſer Stadt 400

Juden , die ſich insbeſondere mit der Bereitung des Glaſes und des Purpurs , den beiden vor

züglichſten Künſten der Phönizier , beſchäftigten. Die Reiſenden haben verſchiedene Verſuche

gemacht, dieſe alte Methode zu erklären . Es iſt nicht zu zweifeln, daß das Feſt, welches heute

noch in den Monaten Juni und Juli in Tyrus zu Ehren des Maſchuk gefeiert wird , ein

Ueberbleibſel des Meltarthdienſtes iſt und ſich auf die Erfindung des Purpurs bezieht. Um
dieſe Zeit wirft das Meer eine ſehr große Menge Muſcheln, vielleicht murex purpureus , aus.

Man findet ſie im Sande des Ufers , kaum einen Fuß tief unter dem Waſſer. Die Kinder

*) Sohannes 19 , 2 , 5.
Die Stadt Thrus. 337

ſammeln nun dieſe Muſchel, welche, wenn ſie aus dem Waſſer genommen wird , eine ſpeichels
ähnliche Matërie von blaßblauer oder violetter Farbe von ſich giebt. Dieſe trocknen ſie mit weißen
linnen ab, wobei ſie' regelmäßige Streifen bilden ; tann geben ſie etwas Soda bazu und drücken

den Saft einer kleinen Limonie darauf und alsbald erhält ihr linnen die lebhafteſten Farben .
So trägt an dieſem Feſte jedes Kind an einem Stocke ſeine kleine Fahne von lebhaften und
bunten Farben . Mit welchem Bompe dies Feſt im Alterthume begangen wurde , lieſt man im
II. Buche der Makkabäer *) .

Die befriedigendſten Entdeckungen über den Purpur verbankt man jedoch dem Profeſſor
Roth von München . Er hat dieſelben 1857 in Paläſtina gemacht und ſein Leben dieſen

wiſſenſchaftlichen Forſchungen gewidmet , das viel zu frühe denſelben entzogen werden ſollte. Er

fand in Jafa eine Art Schnecke (Purpura patula ), welche den Chriſten dieſer Stadt an Faſt
tagen zur Nahrung dient unð welche, wenn man ſie verlegt, eine grünliche Subſtanz ausſcheidet,

die unter Einwirkung der Sonnenſtrahlen purpurfarben wird und ſpäter durch
Waſchen noch mehr lebhaftigkeit erhält. Roth . hat den murex trunculus , deſſen
Farbe lebhafter iſt, als die des vorgenannten, in großer Menge zwiſchen Tyrus und Sidon ge

funden . Eine einzige Muſchel genügt, um einen Quadratzoll eines Stoffes zu färben, während
man dazu 5 der erwähnten Schnecken bedarf. “ Wolle nimmt dieſe Farbe am beſten an und

hält ſie auch am längſten ; Seide iſt wenig dazu geeignet. Der Saft, den dieſe kleinen Thier

chen liefern' , iſt anfangs ſchmußig weiß , dann wird er olivenfarbig und endlich purpurn.
Dieſe Veränderung wird durch das licht und nicht durch die Luft hervorgebracht.
Im Sommer geben dieſe Thierchen am wenigſten von dieſer Flüſſigkeit. In den Monaten
Juni und Juli legen ſie ihre Eier , die in großen Maſſen an Felſen hängen und die ebenfaus

purpurn färben. So hat denn Tyrus auch ſeine letzte Auszeichnung in der Welt völlig ver
Voren **) .

Von dem Nationalheiligthum der Tyrier , von dem Tempel Melfarth's war bereits

wiederholt die Rede. Nahm ja Alerander der Große dávon den Vorwand , in die Stadt Thrus
zu kommen , um dem Gotte ſeine Opfer darzubringen . Melkarth bedeutet „ König der Stadt "
und jein Cultu8 entſprach dem des Herkules." Es iſt die Gottheit , deren Cultus über Aethio

pien, Aegypten , über ganz Aſien und ſpäter über Griechenland verbreitet war ; ſie führte die

Namen : Moloch, Dſiris , Adonis, Baal, Apollo, Bacchus u . F. w . und iſt der Sonnengott, den
man in der Mythologie beinahe aller abgöttiſchen Völker wieder findet. Der ſemitiſche Name

iſt Melkarth ; ſein phöniziſcher Baal- Tur, das iſt Rönig oder Herr von Tyrus, ſowie ſein grie

chiſcher Name Archegetes ſoviel heißt , als Führer oder Herr des Volkes . Sein Cultus iſt der
Sabäismus in abwechſelnder Form , die Anbetung der Geſtirne; ihr Schimmer , ihre majeſtä

*) II Maft. IV , 18 , 20.
**) Mislin I. 613 ff. 643.
1

43
338 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

tiſchen Bahnen, ihr geheimniſvoller Einfluß wirkten auf die Phantaſie der Menſchen ; ſie trachs

teten , dieſelben ſich geneigt zu machen . Deßwegen opferten ſie ihnen ihr Hab und Gut , ihre
Ehre, die Früchte der Erde , die Thiere und ſchlachteten ihnen ſogar ihre eigenen Kinder. Die
Feſte dieſes Gottes wurden vorzüglich im Frühlinge ; im Herbſte , zur Sonnenwende , beim Zu
und Abnehmen der Tageslänge gefeiert. Das Abſterben und Wiederaufleben der Natur wurde
in dem Tode und dem Wiedererwachen dieſer Gottheit verſinnbildlicht, welches je nach dem
Geiſte der verſchiedenen Völker verſchieden erzählt wurde. Allen dieſen Theogonien liegt immer
das doppelte Princip, das männliche und weibliche zu Grunde , welches den Ideen , den Leiden
ſchaften der Menſchen angepaßt wird. Daher finden wir immer 3jis mit dem Culte des Dfis
ris , Venu8 mit dem des Adonis oder Thamnus u . f . w . vereinigt , oder wohl auch dieſe beiden

Prinzipe in einer einzigen Gottheit verſchmolzen , wie im Gotte Punus und Luna, in Baal und
mehreren anderen . Die ganze Mythologie läßt ſich auf dieſe Doppelgottheit zurückführen. Die
fes doppelte Element bemerkt man auch überall im Cultus . Die Prieſter des Herkules trugen
weibliche Kleider, uin zu opfern ; in den Tempeln hatte man Magazine von Kleidern , und um
die ſchändlichen Myſterien dieſes Gottes zu feiern , zogen die Männer Weiberkleider und die
Weiber Männerkleider an . Sardanapal , der als Weib gekleidet am Hofe erſcheint und bei einer
Drgie auf einem Scheiterhaufen ſtirbt, iſt nur eine Abart . des Todes des Herkules , der auf
einem Scheiterhaufen endet, nachdem er als Weib gekleidet am Hofe der Königin von Lydien

gelebt hat. Die Ausübung dieſes Cultus findet man ſogar in den unglaublichen Tollheiten des
Heliogabalus wieder, dieſes großen Prieſters der Sonne, welcher den ſchon mit ſo vieler Schmach
befleckten Thron der römiſchen Kaiſer durdy ſeine namenlofen Ausídyweifungen noch zu beſudeln
im Stande war . Der Cultus der Sonne , weldier Alles das , was die beiden unterſcheidenden
Merkinale des Polytheisinus : Sittenverderbniß und Grauſamkeit , Abſcheuliches Hervorzubringen

vermögen , im höchſten Grade in ſid vereinigte , dieſer Cultus , der ſidy unter lachenden Formen
zeigte, der ſich an die unſchuldigſten Naturſcenen anknüpfte , der in Geheimniſſe gehüllt war , der

nach und nach durch immer fortſdreitende Einweihungen gelernt und erſt dann begriffen wurde,
als man weder Kraft noch Luſt hatte ſich davon loszureißen , mußte nothwendig , wie Alles, was
den böſen Trieben ſchmeichelt, ſich im ganzen Univerſum ausbreiten . Jutäa ward fchon früh
zeitig davon angeſteckt, trotz der ſo zahlreichen, ſo augenſcheinlidyen Wunder der Güte Gottes ge
gen das Volk Iſrael. Hundertmal ſehen wir die Propheten den Juden den Vorwurf machen;
daß ſie dem Baal Opfer darbringen ; ſie zeigen uns Weiber , welche den Adonis beweinen auf
den Terraſſen der Gebäude Jeruſalems , und ſogar im Hauſe des Herrn ; während die Aelteſten

Iſraels in den unterirdiſchen Räumen des Teinpels- zur aufgehenden Sonne beteten . Ezech. VIII.
Die Myſterien dieſes Cultus ſind es vorzüglich , welche durch die Stelle im Deuterono
momium den Ffraeliten verboten werden , wo es heißt : ,, Ein Weib foll nicht Mannskleider an
thun und ein Mann ſoll nicht Weibskleider anziehen ; denn ein Gräuel iſt vor Gott , wer ſolches
thut. XXII. 5.
Die Stadt Tyrus. 339

Wahrſcheinlich ſpielt auch das Wort des Herrn bei Johannes darauf an , wenn er zur

Stadt Sardes , die dem Gößendienſte der Diana und des Herkules geweiht war , ſpricht: 'n Aber
du haſt doch einige wenige Namen , die ihre Kleider nicht beſubelt haben, dieſe ſollen mit mir in
weißen Kleidern wandeln, weil ſie es werth ſind . Apokal. III. 4 .
Der Gott , der Tyrier war gefeſſelt, wahrſcheinlich um die Idee eines durch den Winter

gelähmten Gottes auszudrücken , ſowie die Römer und die Kappadocier einige ihrer Götter bis
zur Winterſonnenwende in Retten hielten. Sie ſtellten ihren Gott todt oder ſchlafend dar, damit

er mit neuen Kräften wieder aufleben und erwachen könne. Bei dem jährlichen Feſte, das zum Ge

dächtniſſe des Todes des Melfarth begangen wurde, ließen ſie einen Adler von dem Scheiterhaufen

auffliegen ; der Adler war, wie der vom Altar der Sonne zu-Heliopolis aufſteigende , verjüngte
Phönix, urſprünglich das Symbol der Unſterblichkeit der Seele . Auch die Athener hielten die

Statue der Siegesgöttin : gefeſſelt . Vorzüglich -in Kriegszeiten , oder wenn die Heiden ihren
Göttern ihre Unzufriedenheit ausdrücken wollten , pflegten ſie dieſelben zu feſſeln. · Flavius Jos

ſephus ſchreibt dem Hiram, dem Zeitgenoſſen Salomon's, die Gründung des Feſtes zu , welches
zu Tyrus gegen die Zeit der . Winterfonnenwende zu Ehren- der ſiegreichen Sonne gefeiert wurde.

Man verbrannte auf einem Scheiterhaufen das Bild dieſes Gottes , welches durch die Flammen
neues Leben empfieng und eine neue Umgeſtaltung erlitt. Als der Prophet Elias zu den Baals

Prieſtern auf dem Berge Carmel ſagte: „ Rufet mit lauterer Stimme, denn euer Gott ... ſchläft
vielleicht und braucht, daß man ihn aufwecke (III. Sön. 18 , 27 ) , ſpottete er über dieſen allen
menſchlichen Schwächen unterworfenen Gott , welcher von den verdorbenen und ſtolzen Menſchen
nur als Vermittler, um die Menſchheit zu vergöttern, in den Himmel verſetzt worden war. Die
Sinnbilder der Sonne waren bei dieſem Cultus , der Löwe , bisweilen ein gefeſſelter Löwe ; der

Ochs, deſſen Hörner die Macht und die Stärke bedeuten ; das Pferd , um durch die leichtigkeit
dieſes Thieres die Schnelligkeit der Sonne zu bezeichnen. Auch als ein Mann mit einer Peitſche,

als ein Strahlenhaupt oder als ein Auge wurde ſie dargeſtellt. Die Phönizier , welche dem
Herkules , die Entdeckung des Purpurs zuſchreiben , hatten auf ihrer Münze einen Hund , der eine
Muſchel faßt ; audy dieß war ein Sinnbild ihrer Gottheit.
Wie im Libanon an einer Stelle die Mythe von Adonis erzählt wird, der auf der Jagd
durch den unter der Geſtalt eines Ebers , verborgenen .Gott Mars getödtet worden, ſo findet ſich
hier die ähnliche Erzählung: Pygmalion , König von Tyrus tödtet auf einer Wildſchweinjago
ſeinen Bruder Sichaarbaal oder Sidhäus, Prieſter des Sonnengottes Melkarth auf der Inſel von
Tyrus , und Gemahl der Dido, welche die Venus oder Aſtarte der Karthager iſt. Der Bär

und der Eber ſind in der. Mythologie die Sinnbilder des Winters oder der Jahreszeit , in der
die Sonne mit der ganzen Natur abſtirbt * ).

Vor dem Tempel zu Tyrus ſtanden jene zwei Sonnenſäulen , die man im Alterthume

*) Mislin g . W. I. , 624 ff.


43 *
340 Die übrigen Stätten des heiligen Landes.

Häufig am Eingange der Tempel , namentlich am Eingange des Tempels des Melfarth zu Cadix,
das eine thriſche Colonie war , findet . Nach Herodot war eine Säule in Tyrus von Gold , die
andere von Smaragd und ihr Leuchten in der Nacht gewaltig. Sie ſollten die beiden Pole, die
Sonne und den Mond, das Alpha und das Omega, den Leib und die Seele, Serapis unb Sfis

der Aegyptier, Taautes und Aftarte der Phönizier, Saturnus und Op8 der Lateiner und über
haupt das männliche und weibliche Prinzip in der Natur vorſtellen. Jedes Jahr ſchickten die
Marthager eine Deputation mit Opfern für den Tempel ihrer Mutterſtadt nach Tyrus . Der

Tempel des Melfarth zu Gades ( Cadir) in Spanien und der ſogenannte Apollo - Tempel zu
Utita in Afrika follen im zwölften Fahrhundert vor Chriſti Geburt erbaut worden ſein und ſich
in ihrer urſprünglichen Beſchaffenheit ſelbſt mit ihrem alten Balkenwerke , welches aus Sedern

Holz beſtand, bis in die nachchriſtliche Zeit - erhalten haben. In dem genannten Tempel von
Gades ſtanden eherne Säulen , auf denen die Baukoſten des Tempels verzeichnet waren. Ebenſo

ſpärlich wie die ſchriftlichen Nachrichten über die phöniziſche Architektur ſind auch die auf die

Nachwelt gekommenen Reſte derfelben. Auf der Inſel Cypern finden ſich einige wenige Ueber
bleibſel des im Alterthume gefeierten Aſtarte- (Venus-) Tempels von Paphos, die jedoch vor

zugsweiſe ben Höfen des Heiligthums angehört zu haben ſcheinen, wozu Abbildungen dieſes Tem
pels auf Münzen und Gemmen einige Erklärung bieten. Man berechnet die ganze Anlage auf
100 Schritt Breite und 150 Schritt Tiefe und nimmt an , daß ſie ſich in zwei Höfe theilte, von

denen der äußere mit einer Säulenſtellung umgeben war , während im inneren Hofe der immer
hin kleine Tempelbau lag. Die Reſte beſtehen auch hier aus großen Steinquadern. Die Ab

bildungen auf Münzen , ſie mögen aus früher oder ſpäter Zeit ſein und natürlich nur die An

deutung des vorzüglichſt Wichtigen des Tempels geben , veranſchaulichen den ſyriſch - phöniziſchen
Tempelbau in Ermangelung anderer Anhaltepunkte immerhin noch am beſten und ſind für die

Kenntniß der allgemeinen Anlage folder Tempel von größtem Werthe. Sie zeigen einen er
höhten Mittelbau , deſſen Obertheil durch drei Fenſter bezeichnet wird und in deſſen unterem

Theile man das den Phöniziern heilige kegelförmige Symbol erblickt; an dieſen erhöhten Mittel
bau ſchließen ſich niedrige Neben -Hallen an, deren Bedachung von Säulen geſtüßt wird . In
dieſen Haten ſtehen Sandelaber. Zu den Seiten des Mittelbaues erheben ſich ſchlanke Pfeiler,

welche wahrſcheinlich freiſtehend zu denken ſind und oberwärts zumeiſt, ohne Zweifel wiederum
in beſonderer ſinnbildneriſcher Abſicht, gabelförmig gezact , auch gelegentlich durch ein Gehänge
verbunden erſcheinen. In einzelnen Darſtellungen fehlen die Nebenhallen , woraus nach der im
Münztypus üblichen Abbreviatur zu entnehmen iſt, daß ſie eine untergeordnete Bedeutung hat

ten*). Vor dieſer ganzen Anlage iſt ein Gehege im Halbkreiſe angeordnet bemerklich, ſowie die
der Göttin geheiligten Tauben auf den Dächern und in dieſem Gehege deutlich wahrzu
nehmen ſind.

*) Sugler Gefd . Der Baukunſt 1. 121 .


Die Stadt Tyrus. 341

Außer den erwähnten Denkmälern ehemaliger phöniziſcher Architektur finden ſich an ver
ſchiedenen Orten phöniziſcher Coloniſation noch einige wenige von ähnlichem alterthümlichen Ges

präge, von welchen man annimmt, daß ſie derjenigen Weiſe monumentarer Ausführung entſpre
chen , welche den Phöniziern in den Anfängen ihrer Geſchichte und vor der etwaigen Aufnahme

mittelaſiatiſcher Elemente eigen geweſen. Die Reſte ſind über weit von einander entfernte Punkte

des phöniziſchen Meergebietes zerſtreut und es ſteht immerhin in Frage, ob die für phöniziſch aus

gegebenen Fragmente wirklich dieſer Cultur-Epoche angehören . Außer einigen merkwürdigen


Felsmonumenten im karthagiſchen Gebiete zu Lehis , Magrauah und Mader werden auf der
Inſel Malta und ihrer nordwärts gelegenen kleinen Nachbarinſel Gozzo dem alten Gaulos

den wichtigen Stations-Punkten - für den Uebergang aus der weſtlichen in die öſtliche Hälfte des
mittelländiſchen Meeres, einige Tempelreſte für Ueberbleibfel phöniziſcher Kunſt gely alten . Sie
ſind ebenſo ſehr Zeugniſſe eines ausgebildeten religiöſen Cultus und zwar nach phöniziſcher

Weiſe , wie eines noch durchaus rohen Anfanges fünſtleriſcher Raumgeſtaltung. Offene, unbe
deckte Räume von unregelmäßiger, länglich elliptiſcher Grundform , verſchiedenartig nebeneinander

geordnet und mit einander in Verbindung, ſind von koloſſalen Steinplatten umfaßt , die ihnen
eine mauerartige Einfriedigung gewähren. Füllwerk in den Zwiſchenräumen verbindet die Maſſen
zum Theil zu einem Ganzen ; aufragende Steinpfeiler leiten den Blick auf einzelne ausgezeichnete

Punkte. Im Innern der geweihten "Bezirke finden ſich Abtheilungen , die durdy Steinſchranken
bezeichnet ſind, durch Steinſtufen erhöhte Pläße, Steintiſche und Altäre, bedenartige Vertiefungen,

Niſchen , die zum Theil durch rohe Pfeiler gebildet werden , myſteriös geſtaltete Buchten. An
ausgebildeten Formen iſt ſehr wenig vorgefunden ; dahin gehören der Heilige kegelförmige Stein,
das Symbol des Aſtarte -Cultus und einzelne ornamentirte Platten , beſonders mit dem Relief

ſpiralförmig gewundener Bänder , audy mit wellenförmigen Verzierungen.


Die auf der Inſel Gaulos vorgefundenen Trümmer zeigen eine mehr einfache Anlage,
welche das Volk mit dem Namen „ Giganteiau , des Rieſenthurmes benennt. Dieß ſind zwei
nebeneinander gelegene, durch gemeinſames Mauerwerk umfaßte Tempelhöfe, von denen jeder aus

zwei Haupträumen mit Seitenrundungen beſteht. Der größere hat eine Geſammtlänge von
81 Fuß. An dieſem vorzüglich iſt Vieles von den urſprünglichen Einrichtungen erhalten , unter
welchen ſich in der einen Seitenrundung ein gitterärtiges Niſchenwerk von Steinen bemerklich
macyt, welches man für das Haus der zum Aſtartedienſt gehörigen Tauben zu halten geneigt

iſt. Früher ſchloß ſich dieſen beiden Tempelräumen noch ein beſonderer , jett verſchwundener
Steinkreis an . – Das verwandte Denkmal auf Malta , welches den Namen Hadjar -Chem ober

Cham führt , liegt am fütöſtlichen Ende der Inſel, unfern von Caſal Crendi. Es hat in ſeinen
Hauptdimenſionen 105 Fuß Länge und 70 Fuß Breite. Der Haupttheil hat eine ähnliche Ein
richtung , wie der größere der beiden Tempelräume von Go330 ; mit demſelben ſind aber , auf
ziemlich unregelmäßige Weiſe, noch andere elliptiſche, kreisförmige und ſonſtige kleine Nebenräume

verbunden , der Art , daß ein Raumgewirr entſteht, welches durch die Berſchiedenartigen.fonder
342 Die übrigen Stätten des hl. landes.

baren Einrichtungen, die in demſelben getroffen ſind und durch die rohe Koloſſalität der Stein
blöde , aus denen das Ganze gebildet iſt, einen ſeltſam phantaſtiſchen Eindruck hervorbringt.
Auf der Inſel Sardinien und auf den baleariſchen Inſeln haben ſich verwandte Reſte erhalten,
die jedoch mit den Formen des pelasgiſchen Alterthums ſo viel Uebereinſtimmendes haben , daß
ſie wohl ſchwerlich von demſelben getrennt gedacht werden können . Von den für altphöniziſche
Bauwerke maaßgebenden Merkmalen weiſen dieſe Trümmer unleugbar wenige auf, wie auch das

kegelförmige Symbol anderwärts angetroffen wird , wo von phöniziſcher Kunſt nichts verlautet.
Die Rohheit und Unbeholfenheit der genannten Reſte ſtimmt nicht zu der aus dem Alterthume

über die Phönizier berichteten Kunſtfertigkeit in der Führung des Meißels und Herſtellung präch
tiger Cederndecken, denn dieſe Blöcke zeigen keine Spur von Bearbeitung und dieſe Steinmaſſen
ſcheinen nie zur Aufnahme einer Decke beſtimmt geweſen zu ſein . Wir haben dieſe Ueberbleibſel

als ähnliche rohe Anfänge eines Bauwerkes zu betrachten , dergleichen bei allen Völkern ange
troffen wurden .

Es ſind die erſten Verſuche einen Raum architektoniſch zu umſchließen und dem religiöſen
Zwecke entſprechend zu geſtalten. Nach Maaßgabe der künſtleriſden Begabung und der techniſchen
Fertigkeit gelang es, dieſer Aufgabe geredyt zu werden. Die verſchiedenſten Formen der religiö

ſen Architektur ſind im Laufe unſerer Wanderung durch das heilige land und in deſſen Nachbar
ſchaft bereits an uns vorübergezogen, ſo daß ein Rückblick von den zuletzt betrachteten Anfangs
Bauten aus hier wohl geſtattet fein mag. Die Baukunſt intendirt, einen Raum zu umſchließen ,
denſelben ſchlecithin abgrenzend zu unterſcheiden von Anderem und als ein in und für ſich Beſtehen
des zu beſtimmen , ſo daß dies Umſchloſſene und Abgegrenzte ein Inneres bildet , deſſen Correlat

als Aeußeres eben damit geſetzt erſcheint. Davon zeugen die keltiſchen Steinkreiſe im Norden
Europa’s ebenſo ſehr , wie die eben betrachteten Anlagen , welche für phöniziſch und pelas
giſch gelten.
Dies abgeſchloſſene und nach den räumlichen Dimenſionen abgegrenzte Innere iſt nun

im eigentlichen Sinne des Wortes „ leerer Raum " , der als ſolcher nur durch den beſtimmenden
Zweck erfüllt wird und dadurch erſt Etwas zu „ bedeuten “ hat. Dies aber iſt das eigentliche
Innere und Inhaltliche , welches , wenn es nicht auch durch die Form des Bauwerkes ſich als
das Innere geltend macht, zwar Monumente , nidt aber monumentale Bauwerke vor
Augen führt. So ſind die mächtigen Steinwerke in Amerika, in der Bretagne und im ſkandi

naviſchen Norden zwar monumental, wie die Obelisken, Memnonen und Sphinxen der Aegypter,

aber Bauwerke ſind ſie ebenſo wenig , wie dieſe. Die rieſigen Terraſſenbauten , wie ſie uns
bei Babylon entgegentreten und an der Stätte des alten Niniveh , ſüdlich vom Ararat , deſſen
ewig reiner Schneekegel nordoſtwärts des großen tiefblauen Vanſee's in Kurdiſtan über dunkle

Gebirgsmaſſen emporſteigt, ſpannen gleich den ägyptiſchen Tempel- und Pyramiden -Anlagen die
Erwartung nach dem eigentlichen Innern des koloſſalen Außenbaues bis in's Ungemeſſene und

führen zuletzt in eine dunkle Kammer ſchlichteſter Form . Ale dieſe foloſſalen Werke grauer
Die Stadt Tyrus. 343

Vorzeit gehen mehr oder minder in der Maſſenhaftigkeit des Stoffes auf und tilgen ſo den
Gegenſaß von Innerem und Aeußerem durch die imponirende Wucht des Materials zuletzt voll
kommen . Allerdings weiſen ſie auch ſo auf ein all dieſe Maſſen Erfüllendes und Erhebendes

hin , auf den religiöſen Zweck des Werkes nämlich, wodurch ſich ſelbſt dieſe Rieſengebilde
des Stoffes der bloßen Rohheit und Leußerlichkeit entziehen und eine höhere Bedeutung in An

ſpruch nehmen ; aber dies religiös geforderte Innere und Inhaltliche erſcheint baulich als das
Minimum . Die Maſſenanhäufung ſtellt ein mehr plaſtiſch als architektoniſch geſchloſſenes Ganzes
hin, welches blos monumental.und ſymboliſch iſt, ohne dieſer höheren Beſtimmung in der Be
herrſchung der ſtruktiven Bedingungen gerecht werden zu können . Es iſt dies überhaupt eine
in der Kunſtgeſchichte oft wahrzunehmende Erſcheinung , daß der Stoff immer um ſo mehr

herrſcht, je weniger man ihre zu beherrſchen verſteht; denn die ſtatiſchen Geſetze laſſen ſich nidyt
einfach ignoriren und umgehen , ſondern nur beherrſcht einem höheren Zwecke dienſtbar machen.
Auch dieſe älteſten Werke der Architektur wollten das Unermeßliche und Gelyeimnißvollſte in
übermächtiger Größe zum Ausdruck bringen , ohne des Materials im Ganzen durch die ſtruk

tiven Geſetze Meiſter geworden , zu ſein und giengen deßhalb im Materiale unter . Wie der
Tonkünſtler den in den Tönen herrſchenden Geſetzen vorerſt gehorchen muß, um dann durch

dieſe nach ihren Geſetzen bewegten Tonwellen feiner Idee Ausdruck zu verleihen , ſo kann auch
der Baumeiſter nur im Gehorſam gegen die ſtatiſchen Bedingungen das Bauwerk zum Medium
der durchwaltenden Idee ſchaffen . Ohne daß dieſen Bedingungen Genüge geleiſtet wird, vermag
auch der erhabenſte Gedanke kein wahres Kunſtwerk hervorzubringen . Der höchſte und abſolute

Zweck der Architektur iſt aber, zur ſtruktiven Vollendung und einheitlichen Verbindung der bau
lichen Gegenfäße durch die Beziehung zur Gottheit zu gelangen . Dieſe Beziehung und Er

hebung zu Gott iſt das eigentliche Innere , welches allem künſtleriſchen Bauen zu Grunde
liegt. Je nach der Erfaſſung .Gottes in den Religionen der Völker wird das allgemeine, ideelle
Innere ſonderheitlich geſtaltet, von der beſonderen religiöſen Anſchauung modifizirt und deren
Cultus erfüüt. So verſchieden durch letteren dieſe Ausfüllung des Inneren auch wird , das

bleibt all dieſer Verſchiedenheit gemeinſam , daß die Erhebung zu Gott der eigentliche und höchſte
Zweck der Baukunſt iſt, der Tempel ſomit die Stufe jedes Volkes aufweiſt, auf der ſeine reli

giöſe Anſchauung den Bau zur relativ höchſten Schönheit erhob . Auf dies ideale Innere deutet
das Bauwerk hin und ſpricht blos ſymboliſch. dies Göttliche als tiefſten Inhalt und Zweck des
Kunſtgebildes aus . Es leuchtet ein, daß je mehr das Innere des Tempels für den Bau maaß
gebend erſcheint, je mehr nämlich das Innere ausgebildet und das Aeußere davon beſtimmt und

beherrſcht iſt, auch der Tempel eine um ſo höhere Stufe in der Geſchichte der Architektur ein
zunehmen berechtigt iſt. Wie bewunderungswürdig im Ganzen und Einzelnen die ägyptiſchen

und aſiatiſchen Runſtgebilde auch erſcheinen , wie ehrfurchtgebietend dieſe koloſſalen Reſte der
Architektur und Sculptur einer längſt untergegangenen Welt auf den nachdenkenden Menſchen

wirken , ſo müſſen ſie gleichwohl der maaßvollen Würde und der für alle Generationen gleich
344 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

mächtigen Schönheit und Klarheit helleniſcher Kunſtwerke weichen . Die in's Ungeheure auss
dehnbaren Vorhallen , Höfe und Kammern , die in's Ungemeſſene wiederholten Terraſſen und

Maſſenanhäufungen nehmen am helleniſchen Bau ein Ende , indem ſie in das richtige Verhält
niß gebracht werden . Der Stufenbau erſcheint in ſeiner richtigen Anwendung als Unterbau des

über ihm aufſteigenden Tempels . Der vorbereitende Unterbau iſt hier was er ſein kann , aber
nicht mehr. Die Terraſſe, der Stufenbau tritt nicht mehr als Hauptſache hervor , ſondern als

bloße Grundlage des auf ihr ſich ausbreitenden Tempels . Die Stufen führen zum Tempel
empor , der durch das vorſpringende Deckenwerk und durch das nad zwei Seiten ' abfallende

Adler - Dach nach Außen beſtimmt und eines blog willführlidhjen Zuwachſe8 fernerhin unfähig ein
Ganzes darſtellt, deſſen Maaß und Einheit in ihm ſelber ruht. Das Adler- oder Giebel - Dady

charakteriſirt von Vorne herein den helleniſchen Bau . Die Verbindung zweier, ſich gegeneinan
der neigender , ſchräger Flächen in einer gemeinſamen Mitte ſtelt nicht nur an den kurzen
Seiten des oblongen Gebäudes eine dreieckige, alſo in fich abgeſchloſſene Form her , ſondern

giebt dem Bauwerke eine eigentliche Mitte , zu welcher- zwei gleiche Theile in Beziehung treten
und durch dieſe wirkliche, nicht blos fiktive Mitte die Symmetrie im Bauwerk herſtellen.

Die monotone Maſſenanhäufung und das Einerlei der , gleich den Steinmänteln um den Pyra
mibenkern immer wiederholten Vors und Nebenhallen hat ein innerliches Scheibunge - Motiv

nad Rechte und Links gewonnen , welches ſich an der kleinſten wie größten Tempelanlage gleich

wirkſam anwenden ließ. Das freiſdhwebende , über die Umfaſſungsmauern weit vorſpringende
Deckenwerk erforderte raumöffnende Stüßen , die je nach dem Styl des Tempels , beziehunges
weiſe der Dede, doriſche oder joniſche Säulen waren , in dem einen wie in dem andern Falle
aber die vollkommene Einſtimmung des Bauwerkes in bis dahin ungekannter Schönheit und

Klarheit bewerkſtelligten. Die Energie und Majeſtät des doriſchen Tempels , in einfachſter
Form vor Allem die bauliche Totalität anſtrebend und die Bildung der einzelnen Glieder unab

änderlid; hiedurch beſtimmend , hebt ſich am wirkſamſten neben der Anmuth und Beweglichkeit
des joniſchen Heiligthums, bei aller Verfchiedenheit im Einzelnen, im Weſentlichen dod über=
einſtimmend als derſelbe helleniſche Bau, dem nämlichen feinen Formſinne entſprungen. Der

Dreitheiligkeit des Deckenwerkes entſpricht die der Säulen ; bei jener als Epifthl ( Architrav)
Fries und Kranzgeſim8 und bei dieſen als Baſis , Schaft und Kapitäl . Während der boriſche

Styl nur einen einfachen Epiſtylbalken und die das Kranzgeſim8 ſtügenden Triglyphen als
Fries im Deckenwert zeigt , dann im Stützenbau gleichfalls nur eine alten Säulen gemeinſame

Unterlage ( Baſis) bei ſtrafferem Schafte; der gegen die Deckplatte (abacus) anſchwellend ſein

Kapital durch den Echinus charakteriſirt - löft der beweglichere joniſche Bau den Epiſtyl in
drei Theile , geſtaltet den Fries zum Träger von Weihebildern , indem die edelſten Relief8 ſeine
Fläche zieren und läßt überhaupt das einzelne bauliche Glied zu freierer Entfaltung kommen , ſo
daß von den Säulen jede bei ſchlankerer Geſtalt ihre eigene breitheilige Baſis und ein confors
ines , durch die Voluten ausgezeichnetes Kapitäl erhielt. Das längliche Viereck des Tempels
1

í
Der
Ararat
.
Die Stadt Tyrus. 345

ichied ſich in den Raum, wo das Götterbild ſtand , Naos, Cella genannt und in den Bronaos,

welcher ſich vor demſelben an der Eingangsſeite befand . Um das Oblongum führten die durch
das vorſpringende, freiſchwebende Deđenwerf geforderten Säulen - Umgänge oder Hallen herum,
welche an den Frontſeiten durch den im Dreieck aufſteigenden Giebelbau mit dem plaſtiſch ge
ſchmückten Tympanon und den Afroterien den ſchönſten Abſchluß fanden . Wie künſtleriſch aus
geſtattet auch das Innere der ſogenannten Hypäthraltempel geweſen ſein mochte, um für Feſt
züge Raum und Schmuck zu bieten , fo gab doch nicht die Innen - Architektur Maaß und Geſetz

für die äußere , ſondern lektere beſtimmte die erſtere und zu einer Entwicklung des Inneren
kam es auch im helleniſchen Tempelbau ' nicht. Die römiſche Kunſt brachte die Technik des

Wölbens auf eine hohe Stufe der Ausbildung, ohne im Stande zu ſein , die helleniſchen For
men damit in Einklang zu bringen . Bracht und imponirende Größe traten an die Stelle der
edlen griechiſchen Architektur , beren Einzelformen noch immer maaßgebend blieben , aber oft die
ihnen widerſprechendſte Verwerthung fanden. Erſt das Chriſtenthum führte durch ſeine Kunſt

zu neuer Entwiclung , indem ein neu belebender Geiſt die überlieferten Formen durchdrang und
die römiſche Baſilika zur chriſtlichen Kirche umgeſtaltete. Was wir hier an Formen ſehen , iſt
überliefert ; Technik und Struktur iſt römiſch, aber das zur Bedeutungsloſigkeit und Willkühr

herabgekommene Formgerüſte wird durch den chriſtlichen Cultus verjüngt , gehoben und zu neuer
Entwicklung fähig . Durch die Ueberhöhung des Hauptſchiffes über die Nebenſchiffe behuf8
felbſtſtändiger Beleuchtung des Mittelraumes traten auch für den Anblick von Außen zwei gleich

artige Theile in Beziehung zu einer Mitte, die Nebenſchiffe ſchloſſen ſich mit ihrem anliegenden
halben Dache an das Mittelſchiff an. Dieſe Organiſation war aber , wie erſichtlich, durch den
Innenbau hervorgerufen , der nun fortan . die Initiative zu allen Modifikationen giebt. Dieſe
Unterordnung der Nebenſchiffe unter das Hauptſchiff ſtrebte im Innern allmälig zu immer volls
kommnerer Form , fo nämlich , daß die Arkaden - Bögen , welche von Säule zu Säule bis zum
Altar vorwärts liefen , auch mit den Nebenſchiffen in Bezug geſeßt , das Hauptſchiff mit den
Abſeiten verbanden . Die Baſilika S. Praſfede zu Rom ſowie viele Kirchen in Sachſen weiſen

bereits auf dieſe Vermittlung durch Wiederholung des fogen. Triumphbogens und den Wechſel
von Pfeilern und Säulen hin , bis durch das romaniſche Kreuzgewölbe für Haupt- und

Seitenſchiff die ſo lange verſuchte Organiſation bewerkſtelligt war. Der byzantiniſcje Central
Bau mit den ſchweren Tonnengewölben , die nur quergelegt ben Anſchluß der Nebenſchiffe er

möglichten , hat im Orient durch die Metropole der oſtrömiſchen Raiſer die größte Ausbreitung
gefunden , für den abendländiſchen Kirchenbau aber mit Ausnahme von Venedig, Piſa, Ravenna

und dein ſüdlichen Frankreich nur eine untergeordnete Wirkung erlangt. Das Abendland ver
blieb bei dem Schema der Baſilika und ſtellte ſtatt der fladjen Holzdecke das Rundbogen - Ge
wölbe her , welches als Kreuzgewölbe – zwei in der Diagonale ſich freuzende Rundbögen
auf vier gleichweit von einander entfernte Stützpunkte gegründet nicht nur die Zahl der Pfeiler
oder Säulen beſtimmte , ſondern auch die Scheibe- und Arfadenbögen für den ganzen Innenbau,
44
346 Die übrigen Stätten des hl . Landes.

alſo die Verbindung von Haupt- und Seitenſchiff endlich bewerkſtelligte. Die zwei Pfeiler an
jeder Seite eines Gewölbejodhes oder Quadrates im Grundriß nahmen die Scheidebögen der

Seitengewölbe auf ſich , mußten aber einen für je ein Gewölbejoch des Hauptſchiffes über
zähligen Pfeiler noch zwiſchen ſich ſeten , da das Seitenſchiff nur die halbe Breite des Haupt

fchiffes hatte , ſomit je zwei Quadrate des Nebenſchiffes auf je ein Quadrat des Mittelraumes
famen . Dieſer für das Quadrat des Hauptſchiffes überzählige Pfeiler vermittelt je zwei Qua
brate der Abſeiten mit einem Quadrat des Mittelſchiffes. Der Muſterbau romaniſchen Style,

der Dom zu Speyer zeigt dieſelbe Anordnung. Im nördlichen Theile des heiligen Grabdoms zu

Jeruſalem und am Portal des Iohanniter -Hospitals traten uns Reſte dieſes Styles vor Augen.
Er war den neueſten Forſchungen zu Folge ſchon im XI. Jahrhundert am Niederrhein als voll
fommener Rundbogen - Gewölbebau in Anwendung*).
Dieſe Zwiſchenpfeiler ſind jedoch ohne organiſche Bedeutung für das Mittelſchiff , worin

ſie ſtehen . Sie fungiren nur für die Abſeiten . Erſt der Gothik gelingt es im Spitbogen

Gewölbe die Gebundenheit der gleichen Abſtandsweiten der Pfeiler zu verlaſſen und bei gleicher
Kämpferhöhe (ſo heißt der Stützpunkt , von welchem die Wölbung anhebt) dieſelbe Raumglie

derung für den ganzen Bau herzuſtellen, ſo daß auf je ein Rechteck des Hauptſchiffes auch eines

im Nebenſchiffe fömmt. Zudem jeţt alle Pfeiler die gleiche Beſtimmung erhalten und durch
die Gurtung alle Spannung in einzelne Glieder zuſammengezogen wird, tritt auch am Pfeiler
eine hiedurch geforderte Gliederung in ſogenannte Säulenbüſchel hervor , die Wände aber haben
den ſchweren Charakter des romaniſchen Baues verloren und können durch ſchlanke, vielfarbige

Fenſter und kunſtvolles Maaßwerk in Stein, dekorirt und erſetzt werden . Den Seitenſchub der

Gewölbe nämlich nimmt der von der UmfaſſungSmauer ſpringende Strebepfeiler auf fich ,
von welchem der Strebebogen über das Dach der Abſeiten hinüber zum Gewölbeanſaß des

Hauptſchiffes leitet und ſo eine Verſpannung herſtellt, welche die widerſtändige Kraft des äußeren

(d. H. Strebe-) Pfeiler8 mit dem Gewölbe und dem inneren Pfeiler auf's vollkommenſte ver

mittelt. Der fühne Formgedanke einer vertikalen Wölbung , einer Auflöſung aller ſtüßen
den und verſpannenden Theile in einzelne conforine Glieder hat endlich den chriſtlichen Kirchens

bau auf die höchſte Stufe techniſcher und fünſtleriſcher Vollkommenheit gehoben und die ſchon
in der Baſilika begonnene Erhöhung von der Erde ſtruktiv vollzogen und im gothiſchen
Thurmbau zu Ende geführt. Der Spigbogen gleicht ja ſelbſt der Vereinigung beider zum Ges
bete erhobenen Hände und iſt die idealſte Form , welcher die an den Stein und die Maſſe ges

wieſene Architektur überhaupt fähig iſt. Das Innere beherrſcht von dem großen Sterngewölbe
des Chores an den ganzen Bau , beſtimmt nicht nur Zahl und Größe der Pfeiler und Glieder,

ſondern ruft jetzt auch die Außen - Architektur in ſeinen Dienſt. Die Strebepfeiler und Bögen,

*) Dr. Fr. Remling der Speyrer - Dom. 1861. Die entſcheidenden techniſchen Gutachten Geier'8 und
Federle's ſind in dieſer verdienſtvollen Monographie abgedruct.
Die Stadt Thyrus. 347

die Fialen und Erker , bie Thürme und Portale - alles und jedes hängt von der inneren

Organiſation ab , deren Geſetz bis in die fernſte Einzelheit hin Atle $ durchdringt. Der lebte

Reſt des antiken Baues iſt nunmehr getilgt und eine durch und durch neue Architektur in's

Daſein gerufen die chriſtliche. Dieſer ſeit dem XIII. Jahrhundert über das Abendland

verbreitete Kirchenbau hat einſt auch die heilig Grabkirche zu Jeruſalem ausgezeichnet , wovon

die wenigen Spuren noch Zeugniß geben . Die S. Georgskirche zu Lydda hat uns denſelben

Styl vor Augen geführt *).


Der Ruppelbau der muhammedaniſchen Moſcheen mit den vielen Vorhöfen und Säulen
halen iſt theils btyzantiniſchen , theils alt orientaliſchen Urſprunge. Der mit der Ruppel ver

bundene Längsbau iſt eine Nachahmung der altchriſtlichen Baſilika. Die Bracht der Dekora
tion und der Hufeiſenbogen zeichnen dieſe Gebäude vor andern aus , ohne daß jedoch ein neuer

ſtruktiver Gedanke dieſer Bauart zugeſchrieben werden kann. Die Stadt Cairo zeigt dieſen

Styl in ſchönſter Ausbildung , während die zu Jeruſalem und Damaskus betrachteten Gebäude

dieſes Cultus ein Gemiſch verſchiedener Epochen barſtellen .


Für die Drnamentit in Herſtellung prachtvoller Seidengewebe und Teppiche war die

farazeniſche Kunſt dem Abendlande von höchſter Bedeutung, wie die vielen nody erhaltenen kirch
lichen Gewänder unwiderleglich barthun . Von dieſen ging die Ornamentik auf die Skulptur
und Glasmalerei über , wo ſolche Muſter oft die glüdlichſte Anwendung fanden . Die orienta
liſche Ornamentik in den Prachtbauten zu Cordova und Granada, zu Cairo und Jeruſalem ver
feßt den Beſchauer ſo zu ſagen in eine zauberiſche Märchenwelt, deren Glanz die Phantaſie

auf's wunderbarſte beſchäftigt.


Tyrus iſt die lette Stadt , welche auf unſerer Wanderung im gelobten Lande , den
Stempel des göttlichen Gerichtes an ſich trägt bis zu dieſer Stunde. Faſt bei jedem Schritte
findet man in dieſem Lande und ſeiner Geſchichte bloße Gerippe der mächtigſten Städte der

Welt vergraben. Daß Erdbeben oder Vertilgungsfriege Feſtungen , Baläſte, ja ganze Städte
zerſtören , daß anſtecenbe Seuchen ſie entvölkern , das kann man wohl oft bemerken ; aber nach

und nach erſtehen ſie wieder aus ihrer Aſche und oft bewundert man an der Seite altehrwür

diger Ruinen den Aufſchwung einer neuen Stadt ; während in Phönizien , Aegypten , Affyrien,
Judäa die Städte Sidon und Tyrus, Theben und Babylon , Baalbek und Palmyra , Niniveh
und Jeruſalem auf ewig untergegangen ſind. Der Gläubige erblickt in dem Umſturze dieſer

Reiche und in dem Ruine dieſer Städte dic augenſcheinliche Wirkung des göttlichen Strafge
richtes. Gerade . gegen die Völker von Aſſur, Chanaan , von Chaldäa , von Aethiopien , von

Syrien und Paläſtina ſind die ſchrecklichſten Gerichte des Allerhöchſten angekündigt worden und
eben dieſe Völker ſind es , die wir noch heutzutage mit dem Siegel der Verwerfung gezeichnet

*) Hier wurde nur die Darſtellung des ſtruktiven Prinzipe in der Gothit beabſichtigt und die Fülle reli:
giöſer und äſthetiſcher Motive bei dieſer Architettur ſelbſtverſtändlich dem Leſer überlaffen .
44 *
348 Die übrigen Stätten des hl. Landes.

fehen * ). Die Weisſagungen vor der Verwirklichung der angekündigten Ereigniſſe und die
materiellen und immer noch vorhandenen Beweiſe ihrer Erfüllungen wer ſollte darin nicht
die göttliche Hand erblicken , die in der Vollſtreckung des Urtheils unaufhaltbar , aber immer

gerecht waltet . Der erſte Anblick Jeruſalem führte uns dieſe Betrachung entgegen und die ·
legte der Städte an der Grenze Paläſtina’s iſt das Echo derſelben. Die Spuren göttlicher
Führung , göttlicher Langmuth , Barmherzigkeit , Warnung und endlich des Gerichtes über die
Unbeugſamen liegen allerwärts in dieſen Gegenden ausgeprägt vor Augen . Das Geſchick jener
Stadt , die die Füüle himmliſcher Fürſorge , Gnade und liebe durch Jeſus Chriſtus empfan

gen , aber ruchlos den vom Vater Geſandten hinausgeſtoſſen und gefreuzigt hat : Das Ge
richt über Jeruſalem iſt das entſetlidiſte , da demſelben die Strafe ſo vieler fündhafter
Reiche vorangegangen und gerade dem Volfe Iſrael der Grund der Strafe und deren Voll

ſtreder durch die Propheten bezeichnet und überhaupt bekannt war : Das Uebermaaß der
Gottloſigkeit und der Herr der Welt.

Darum tragen dieſe heiligen Länder und Stätten ein zweifaches Gepräge für den
chriſtlichen Pilger : einerſeits die Erinnerung an die größten Beweiſe göttlicher Liebe und Gnade

gegen die Menſchheit und erfdyeinen ſo als Stätten des himmliſden Segens ;
andrerſeits das Andenken an die größte Unthat der Menſchen wider Gott und des dafür

verhängten Gerichtes und ſtehen ſo als Stätten göttlicher Gerechtigkeit und Strafe
vor uns. Der Chriſt weiß aber, daß in derſelben Weiſe über Ieden von uns einſt
werde Gericht gehalten werden und über die ganze Menſchheit vor Jeſus
Chriſtus ain Ende der Tage ; er weiß , daß Chriſtus lebt in Ewigkeit und jeder

Menſch ihm gegenüber ſich in derſelben { age befindet , wie einſt dieſes Volt
Ifrael. Diejenigen , welche den Tod Chriſti beſchloſſen und vollzogen haben,
find nicht die ichlechteſten aller Menſchen geweſen ; jeder Menſch , welcher ſich

der göttlichen Wahrheit widerſetzt, welcher etwas Gottverwandtes in fid oder


andern mißhandelt – und wer hätte das in keiner Weiſe gethan ? iſt in der

felben Lage und Stimmung. Was von Millionen Menſchen von Anbeginn an

geſchehen war und nach Chriſtus bis jeßt fortgeſchieht , ohne daß fie's bedenken

nämlich daß in der Sünde das Göttliche angeklagt , verkannt , verfolgt , miß
handelt wird, das iſt zu Jeruſalem in der perſönlichen Erſcheinung des Urbildes
von allem Göttlichen im Menſchen in beſtimmter Zeit und beſtimmter Form ge

fchehen ** ). Das Gericht, das über dies Jeruſalem darum hereinbrach , iſt nur
ein Vorbild des über die Menſcheit kommenden Gerichtes und ein Zeugniß
dafür.

*) Mislin I .. 644.
**) Haneberg .g. W. 538 .
Verzeichniß der merkwürdigften Orte , Perſonen und Sachen .

Aaron , Grab des . 240. Apamea 298 .


Abba , ( Mars ) 301 . Apollo v. Alerandr. 283.
Abendmahl. Saal des hl. 141 ff. Apoſtel - Brunnen 221 .
Abraham 157 . Hölle 139 .
Nuinen des A. bei Jeruſ. 158. 256 . Kirche 141 .
Zu Hebron 208 ff. . Hebron. Araba - Thal 241 .
Hoba 291 . Araber 12. 284.
S. Abraham 209 . Arabia 314. A. Peträa 233.
Abu - D i 8. Dorf. 127. Aram . Land (Syrien) 275.
Abu - Ghoſdh 40. Goth. Kirche ebend . Arnon - Thal 127.
Abu - Simbel . Felsgräber 252. Aarieh (el) ſieh' Lazarium .
Abyſſinier 117 ff. 183. 313. Aaon Thamar (Engabdi) 230.
Adam a 227 . Aſiongab er 241 .
Adam's Kapelle 81. 94. 95. . 91. Grabkirche 8. Askalan 37 .
Aegypten 249 ff. Askalon 37. 38. 215.
Aelia Capitolina 4. 61 . Affyrien 245. Kunſtw . 246.
Athanafiu8 d . Gr . 283 .
Ataba. Caſtell 241 .
Akka (Acre, Ptolemais ) 7. 272. Atlit 272 .
Afra - Hügel in Jeruſal. 57. 58. ff. Auferſtehung , Kapelle der. 8. Zerſtört 14. Con
Alexander d . Gr. 217. 243. 283. 275. 328 . ſtantin's Bau 63. 66. ſ. hl. Grab
Jannäus ( Grab des) 150. 273. firde.
11 Biſchof 4. Avitus Biſch. 10.
Alerandria 11. 273. 282. Biblioth . 283. Sh Azirieh ( el) 1. Lazarium.
nagoge 282. Gräber 283. Unter Azotus (Esdob) 37 .
ſchied v. D. römiſchen Catakomben. Baalbek 291. 324. Tempelr. 292 ff.
Amran - Hügel 243. Babel 242. 243 .
Andreas -Mirche zu Ptolemais 122. Babylon 3. 242. Thurm 244.
Anna - Kirde zu Serufal. 122.3u Sepphoris Balduin 26. 35. Grabm. 95 ff. 273. 274.
265 . Bania : 226, 227.
Antilibanon 294. 171. 324. 1. Libanon. Baſilita Algem . 276 ff. Sieh' Grabkirche S. 63.
Antiochia 27. 276. Baſilika 278. Apoſtol. Kirche und Helena -Ziſterne.
279. Polygon - Bau ebend. u. 65. Bethlehem 200 ff.
Felsgräber 276. Zionsfirde.
Antipatris 7. Atah - Moſchee.
Antonia . Burg 146. 163. f. Jeruſ. Alte Stadt Mamre.
Mauern. Sepphoris.
Antura 297. 298. 294. Tyru8 332 ff.345.
350 Verzeichniß der merkwürdigſten Orte, Perſonen und Sadjen.

Batanäa 276. Cäſarium zu Alerandr. 277. Zu Antioch. 276 ff.


Bazar 32. 178. Sana 264. Sefr Renna u. Ranna el Dídhelil.
)
Beirut 11. 306. ff. Ebend .
Beijart 227 . Canaan ( Land) 2. 214. 222. 225. 275.
Beitin 255. Capharnaum 267 .
Beitſabur 206. Cariath Arba 208 1. Hebron .
Beit dala 197 . Carmel 270 ff. 1. Elias u. Eliſäus .
Beitjur 218. Cathedra bes hl . Petrus ( Antiochiae) 278 it.
Betaa 295. Tumlg.
Belu8 - Thurm 244. be8 h1. Markus (Alexandrien) 283 u . Anmtg .
Berſaba 209 . Sedern . 35. 294. 57 .
Bethanien 128. 219 ff. Cedron ( Thal 11. Bad) Ribron ( Joſaphats - Thal
Bethel 256. ſ. 6.) 56. 132 .
Bethcsba Teid 121 ff. Chamſin 241 .
Bethlehem. Weg nad B. 8. 194. Lage 197. Kirche Chan 303. 313. 314. 320. 274. 322. 324.
61. 200. Schmuck 201. Altäre 203 ff. Charan 256 .
Kapelle der Geburt U. H. 8. 202. 204. Chareitun 208 .
Höhle 62. 200. 203. Kreuzgang 201. Chorozain 267 .
latein. Kloſter ebend. Chriſten im 11. Lande 4. Handel 12. Bedrüdung 19.
Zelle des hl. Hieronymus 203. 204. Gemeinde zu Jeruſ. 61.
Griech. u. Armen.-RI. 202. Antiocia 278.
Grab. Euſebius' 204. im Libanon 295 ff.
Grabmal 8. hl. Paula u. Euftochium n zu Sidon 319.
204. 205 . am Delberg 132.
Katharinen -Kirche 201. 202. 205. Bro als Syrier bezeichnet 298.
zeſſion 1. Franzist. 206. Bewohner Verfolgung 14. 287. 297. 311. 321. zu
205 ff. Mildygrotte 205. Umgebung Damasku8 288.
126. 206 ff. Altes Kloſter 5.ff. 1. Paula. Viertel (Quartier) zu Jeruſ. 177. Ch. Gaſſe
Bethſaida 267. Patriarchen - . 64 .
Bethur (Bethſoron ) 218 . Chryfoftomu 8 61. 279 .
Bet darri 299 . Clermont Verſ. zu 21 .
Betiderri 297 . önaculum . Abendmahls - Saal.
1
Betfufafa 126 . S + n ft a tin (Raifex) 4. 62 f. 200. 279.
Bet Surik 127 . Cyrillu8 v . Jeruſ. 5. 1. Grabkirche.
Betzetha 57. 126. 174. Daburieh 269.
Bezommar 298. Dad ( Terraffe) 32 ff. 46. 70. 126. 153. 180 .
Bhabda 297. 184. 210. 262.
Bireh 255 . Dagon. Sdloß . 223.
Bö mund 26. 27. Damaskus 37. 290. 65. 179. 208. Die Bekeh
Brunnen Anlagen 36. 37. 38. Mariä b . Naza rung des hl. Paulus 288. Chriſten
reth 264. Der Samariterin 257 ff. verf. 287. Bauart der Stadt- und
Rapelle ebenb. 1. Þebron . Seruſal. Waffer Häuſer 289. Chriſten - Viertel 288.
behälter. Siloah 2c. f. Apoſtelbr. u. Elis Thor zu Seruj. 150. 153. 169.
fäus - Quelle . Dan (Nahr ed Dahn) 226 ff.
Bural el 206. David 155. 194. 198 ff. 209. Grab des D.
Cäfar ea 7. 272 ff. Cornelius 3. Caf. 33. Dio. 58. 152. 141 ff.
Cal. (Sepphoris) 265 . Burg des D. zu Jeruſ. 145. 57. 58. 143.
Philippi 226. 274. Hebron 209. 212.
Verzeichniß der merkwürdigſten Orte, Perſonen und Sadjen. 351

Stadt Davids 57. 143 ſieh' Zion. Francisfaner zu Jafa 34. Ramleh 38. Streuz
Deir -el - Mauballes 297 ff. gang ebenb. 3u Jeruſal. 59 ff. Hospiz
Deir Motalles 317. Mloſter 321 . 60. Druckerei 61. Dienſt der F.
Dender a h 252. in der H. Grabt. 61. 104. Gebete
Dheir - el Ramar 296. U. Hymnen, ſieh' Stationen der H.
Dirw eh (ed) 217 u. 218 . Grabr. Marienfirche 109 . Pro
Doppelthor zu Seruſ. 168 . zeſſion 112. Seloſter 113. 118. 153.
Druſen 299. 303 . Zu Bethlehem 61. Kloſter 201 .
Dicebel Der Abu Tor (Berg des böſen Rathes) Prozeſſion 205.
127. 140. Am Jordan 226 . Zu Nazareth
Didelad (Gileab ) 127. 263. Zu Akka 274. Zu Sidon 322 .
Et Tur (Delberg) 1. 0 . Francistu 8 hl. v . Affifi 60.
Ferebis ( Paradiesberg) 127. Frankenberg 207 .
Madmel 294. O ab a on. Stadt. 7 .
Mar Elias [. Carmel. Gadara 152 .
Muſa 234 . Garten des Königs 137. Salomon's î. d.
Riehan 294 . Thor ( Gennath ) 146.
Sched 294. Gärten hängende 243 .
Schihan 294. Galaad. Gebirge. 224.
Didenin 262 . Galgala 224.
Dicheraſch (Geraſa) 127 . Galiläa 261. 172. 173.
Dichiodi Ain am todt. Meer 229. 230. Garizim. Berg. 259 .
Eden 306. Gauloniti8 276 .
Edom Gebirge u. Landidy. 238. Gaza. Stadt. 214 ff. 12. 37 .
Eifer nes Thor (porta ferrea ) zu Jeruſ. 149. Gebote die zehn . 235 ff. u. 255
Eleutherus ( Fluf) 324. fieh' Rasmieh. Gefängniß Chrifti f. Grabr . 13.
Elias 225. 272. Zu Sarepta 323. Kloſter des des Hl. Petrus 149 .
El. 126. 194. 195. Gelboe 224.
Eliſäu8 225. 226. 272. Carmel. Quelle des El. Geneſareth 265. 267. 172. 227 . 0
222. 223. Genua Flotte von. 19. 27. 274 .
Emmaus 7. 218. Georgiu8 h . 308. fieh' Lydba.
Endor 269 . Gerez Saloß ( Sarepta ) 323.
Engaddi 230. Gerichtsthor 150. 119. 121 .
Ephraim Geb. 172. 224 . Gethſema ni 123. 128.
Epiſteme - Berg (Sinai) 235. Gihon- Brunnen (Birket es Sultan) 141 .
Erbſen - Acer 195 . Goldenes Thor zu Jeruſ. 168 .
Erich a 223. Golgatha 81 ff. 91.56 65. 66.118.121 . Zerſtörung 67 .
Erlöſer- Kirche I atein. ſieh' Franciskaner. Thor 67. 72. 81. Beſchreibung 90. Stand
M armen . 144 . ort des hl. Kreuzes 85. Felſenriß 85. 94.
E - S der afa t. Dorf . 126. Lage u. jegige Erhebung 114. 86 ff. 146.
Esdrelon (Iesreel) Ebene 173. 262. 268. Altäre 90. 91 .
Effarhaddon 246 . Unſer L. Frau auf G. 91. Ueberſicht 97.
Euphrat 18. 242. 244. 275. fieh? Heilig Grabfirde.
Ezech ia8 249. 169. Teich des E. 148. Gomorrha 227. j. todtes Meer.
fatimiter 13. 14 Gothit in Paläſtina 39. 40. 68. 70. 117. 118.
Feldbau in Paläſt. 176 ff. " 122. 136. 142. 149. 197. 212. 255 346.
Feld der Hirten bei Bethlehem 199. Gottfried 6. Bouillon 18. 23. 25. 26 ff. Vor
Feuer das heilige. 80 ff. Jeruſal. 28 ff. Am Grabe
352 Verzeidhniß der merkwürdigſten Orte, Perſonen und Sachen .

U. H. 29. 96 ff. Grab 13 ) Kapelle des Gefängniſfes U. H. 108.


des G. 71. 95. 14) Kirche Mariä Erſcheinung 109 ff.
Grab Unſeres Herrn 8. 77. 13. Vor Conſtantin 62. Geißlungefäule 6. 110. 112.
Höhle 64 . Kapelle daſelbſt 64. 72. 76 , 77 ff. Nütdblick auf das Ganze 112 ff. Rop
79. 81. Feløgrab 114. ſieh' H. Grabkirche. tenkap. 113. Latein. Kloſter 109. 113.
Davids 141 ff. 118. Griedy. u. Armen .- Kloſter 113.
Mariä 122. Boden- u. Raum - Verhältniſſe 114 ff.
Rachel's 8. 195 . Reſte am abyſſin . Kloſter 117. Weſt
Abner's u. Ieſſe’8 212. Eingang 118. Apoſteltapelle 118. An
Joſeph's v . Aegypten 258 . blick der Grabkirche 126. 195 .
o Lazarus’ 221 . Grotte der Todes - Angſt u. H. 124. 128.
Gottfried'8 v . B. 71. 95. Habatut, bes Propheten. Kirche u. Kloſt. 195.
Gräber jüdiſche. Hauptformen 137 ff. Anlagen 86. Hadet 297 .
Benützung 139. 140. Haialon . St. 7 .
A1 ägyptiſche 252. 3. Antiodien 276. Bu Hafeldama (Blutader) 58. 137 . Apoſtelhöhle
Alexandrien 283. daſ . 139 .
der Könige 139. 150. der Propheten 131 . Hamly cl. Fluß 320.
139. der Nidhter 153. des Abſalon , Jo Handwerke ägyptiſche 253.
ſaphat , Jakob u. Zacharias 133. 140. Hanna (Mar) 314.
Mamilla -Gr. 140. der Patriarchen zu Hebron Haram 165 ff. 126. 163. 178.
209 ff . Harun al Raſdiid 12.
Grabkirche (Auferſtehungsk.) hl. zu Jeruſ. 58. 61 . a8beny. Fluß. 227 .
Anfang u. Vollendung des Conſtantin. Ha8beya 297 .
Baues 63. Baſilika 63 u. 116. lage u. Hauran 152.
Form der K. 64. Zerſtörung der Per Haus des Kaiphas fieh' Erlöſer -Kirche (armen .).
fer 65. Neubau 66. Marienkirdje 66 . Pilatus ſieh' Via dolorosa, Prätorium.
73. Zerſtörung 67. Neubau 67. Por Hausgeräthe im hl . Land ſieh' Jeruſal.
tal 67. 70. 81. 91. Bau der Kreuz Häuſer -Bau i. Jeruſ. 1. Damaskus und den Ar
fahrer 68. Glodenthurm 69. Fernere titel ,, Dady " ( Terraſſe ).
Geſdh. 71. Brand u . Reſtaur. Ebend. Hebal . Berg. 259 .
Katholifon der Griechen T. d. Die Hebron 208 ff. 171. Moſdhee 210 ff. Patriarchen
Stationen : Gräber in derſ. 211. Brunnen Abrahams
1 ) Stätte der Salbung 72 ff. 212. Teidje 212 .
2 ) Grabdom 76. Heerdenthurm 207 .
3) Engelskapelle 76 . Helbua 315 ,
4) Das hr. Grab U. H. 77. 79. Helena hl. 5. 63. 100. 102. Gründet die Himmelf.
Gottesdienſt 81 . S. 129. Die Kirde zu Bethl. 200. Zi
5 ) Golgatha ſieh' basſ. ſterne H. 65. 116 .
6) Sapelle u . 2. Fr. auf Golg . 91 . I von Adiabene 8 . Grabmal 151 .
7) der Maria Aegypt. 94. Heliopolis ſich' Baalbek.
8) Adams 94. 81. 96 . Helleniſche Baukunft. 344 ff.
9) Grabmal Gottfrieds, Balduins u. Hermon 294. 226.
andrer Ritter 96. Herodium 207 .
10) Kapelle der Berſpottung 97. Hieron y n u s hl. 5. 129. 136. 141. 196. 203. 279.
11 ) S. Helena - Kirche 100 ff. Ort Hilla 242.
ber Kreuzfinbung 102 ff. Himmelfahrtskir dy e . Delberg. H. Feſt 129 .
12 ) Rapelle ber Kleiderberloojung 105. Hinnomthal 137. 141. 148. 174. 232. fieb'
Longinuskap. 108. Wadi en Nar .
Verzeichniß der , merkwürdigſten Orte, Perſonen und Saden. 353

Hippik u8thurm 145. Name 146. 153. den 144. Abyfl. kl. 117 ff. Teich
Hittin ( örner von) 266. 30. Bethesda 121 ff. Waſſerbehälter
Hoba 291 . 141. 168 ff. 206. Waſſerleitung
Höhle der 7 Jungfr. 222. Bei S. Saba 231 ff. 135. 141. 206. S. Annakirche 122.
Thekua. Þetra. Am Delberg, 1. 8. D. Sinai Grab Mariä 122 ff. Alte Johannesť.
237. Carmel 271. Von Abnun 322 . 126. Johanniterhospital 148. Tem
Hor 240. pel auf Moriah 49. 50. 54. 57. 58 .
Horeh 233. 126. 153. 169. 275. Omar-Moſchee
Horn ( Tanbur) 304 . 58. 126. 165. Akſa - Moſchee 167 .
Hospital 10. 181. 182. 209. f. Franzisk. und Jeruſ. 58. 126. 165. Kirche Mariä -Opfer
Hule. See. 171 . ung 166. Templerkirche 166. Vera
Jacobus hl. 149. Kirdye 144. 126. Grab 133. kehr u . öffentl. Leben 177. Die Spi
Safa oder Toppe 7. 31. ff. Tabitha zu I. 32 täler 1. Hospital . Religiöſe Verhälts
ff. Bewohner v. I. 34. Handel 35. 38. nifie 182 . sitten u. Tradhten 183
Geſchichte v. J. 35. Lage 171 . ff. 188 ff. Hausgeräthe 193. Um
Iafa : Thor zu Jeruſ. 59. 148. gebung ſteh ' Delberg, Joſaphatsthal,
Ibna ( Iamnia) 37 . Hinnomthal u . Gräber.
Ieremia 8 - Grotte 150. 153. Jethro Thal des. 237 .
Jericho 221. 222 St. 224. 127 Ebene. 223 Ignatiu 8 hl. v . Antiochia 279 ff.
Roſen v . I. 128 Weg nach I. Johannes Baptiſt. 225. Geburtsſt. 216. Ort
Jeruſalem Name 2 . Geſchichte 3 ff. Gericht der Enthauptg. 230. Kirchen- u. Klö
über I. 42 ff. Lage 56. Mlima u. Ve ſter des hl. J. Zu Jeruſ. 126. Zu
getat. 170. 174. Boden - Erhebung Samaria ( Sebastieb) 261. Bu Ptole
170 ff. Stadt- Viertel 177. Gaffen mais 273 ff. Am Jordan 226. Zu
178. Häuſerbau 179 ff. Alte Stadt Damaskus 290. Zu Ramleh 439 .
mauern 90. 146 ff. 53. 90 ff. 141 . Johann S. Kloſter 215.
143. Jevige 147. Einwohner -Zahl Johanniter 260. Hospital 148. 67. Balaſt 274.
182. 58. Erſte Chriſtengemeinde 61 . Jonas 245. 315. 35 .
Königreich Jeruſ. 29. 30. Von der Jordan 170. 225. 127. Ebene (el Ghor) 224 .
Süd - Seite 58 . V. N. Oſt. 153 . Land 2. Kleiner 9. 226.
Kirche des hl. Grabes 1. 0. Golga Joſaphats - Thal 56. 125. 127. 128. 132. 136.
tha f. 8. Via Doloroſa ſ. d . Pilger 165. 174. 232. .
u. Kreuz - Sige nach 3.1.0 . Brä Straſſe (Sitti Mariam ) 119 .
torium 118. 119. Thore d . Stadt : Ifaias Grab 136 .
1 ) Safa- oder Bilgerthor 59. 148. Juben zit Jeruſ. 4. 178. Scheibewand zwiſch . 3 .
2) Zionsthor 58. 141 . 11. Heiden 33. 316. Gegen hl. Paulus 273 .
3 ) Stephansth . 118. Klageſtätte der I.163. Tempel der I. T. Moriah.
4) Gerichtsthor 119. 121. 150. Zu Antiochia 275. Su Aleandria 282 .
5) Damaskusth. 150. 153. 169. Synagoge daſ: 282. Gräber 8. F. . Grä
6. Goldenes Thor 168. ber. Uebertünchen D. Gräber 196.
7 ) Miſtthor fieh' Tyropöon u. Kades 241 .
Alte Stadtmauer . Sabifda. Thal. 298.
8 ) Eiſernes Th. 149 . Raifa . Stadt. 270.
9) Käſeniacherthor 56. Kairo. Stadt. 13. 179. . 289.
Kirche der Geißlung 119. Der Ruhe Raiſer die griech. 13. 19. 20. 24. 26. 66.
U. H. 119. Latein. Kloſter T. Fran Randake. Königin 5. 217 .
ciskaner . Griechifdy. Kl. 97. 113. Ranobin . Kloſt. u. Felskirche. 297 .
117. Armen-Kl. 113. 145. u. Kira Rarem es Sejad 127 .
45
354
Verzeichniß der merkwürdigſten Orte, Perſonen und Sachen.

Parim Ain 215. laura die alte ſieh' Thekua .


Karl 8. Gr 12. 21. 279 . neue 232 .
Räſemad erthor 56. ( Jeruſal .) Lazarium 221 ſieh' Bethanien .
Ka8mieh Nar 324. Lebensbaum 248 ff.
Rasr 243 . ledica - Thal am Sinai 233.
Katharina S. Kloſt. 233. 237. Kirche zu Beth leontes. Fluß . 293 324.
lehem 201. 202. 205. Leukekome 242 ,
Ratholiton d. Griechen 65. 67. 72. 105. 113 . libanon 32. Bewohner 294 ff. 227. 313. 324.
117. ſieh' h . Grabkirche. Pitant). Fluß 324 .
Rerak ( Feſtung) 127. 227 . Ludwig der hl. 30. 35. zu Jafa. 273 zu Afka ( Pto
Nesh aja 298. lemais).
sehorſabad 246 . Lydda 7. 32. S. Georgskirche 39.
Riſon. Bady. 270 . M a ch är u 8 231 .
Rreibung des jüd. Hohenprieſters 156. 1. Ieruſ. u. M a ďy mel ( Didhebel) 294. 306.
302. 304. ff. 311. 188 ff. 36. 40. M akarius Biſd . 5. 63. ſieh' Grabkirche.
Kleopatra 252. Ma I dy a h . Dorf . 126 .
Könige die hl. drei. Brunnen der. 195. Altar der M milla Gräber 140. Teich 141 .
hl. 3 R. zu Bethleh . 303. Ma m r e (Mambre) 208. 213.
Kopten 183. Marienkirche zu Jeruſ. 168 .
Kreuz das heilige. 10. 61. 63. 65. 66. Fund des Mar o niten 34. 297 ff.
Hl. R. 100. 102 ff. fieh' Golgatha. Marra St. 28 .
der Ritter 22. Kloſter hl. Kreuz 215. M a rum (Mar) 301 .
Kreuzzü ge 16 ff. 19. 20. 21 ff. Erſter Verſuch Maſada (bei Sebbeh) Ruin. 231 .
24. Zweiter 28. Aufbruch des Heeres 25 ff. Maspha 218.
Ritter 23. 25. Wappen derſ. 36. Zu Jeruſ . Megiddo 7 .
28. 67. 68. Melfa 12. 233 .
Rubeibeh el. ſieh Emmaus. Melania 6. 9 .
Sulonieh Mer om. See. 227 .
Kuppelba u 166. 279. 129. 145. 346. ſieh' hr. M o abiter (Gebirge) 127. 207. 222 .
Grabkirche 2 . Modeſt u r. Patriarch v . Jeruſ. 65. 1. Grabk.
der Häuſer 180. fich' Dady ( Terraſſe ). Moham med 12. 303 .
Land das heilige. 1. Geograph. u. geſch. Ueber Moria h 56. 164. 174. 158 ff. Tempel auf M.
bl. 2 ff. 49. 50. 54. 57. 58. 126. 153. 169. 275.
Begetation 31. 36. 41. 170. Moſaik . Urſprung des Namens 333 ff.
215. 221 ff. 258. 267. 268 . D ofdee des Omar 165. 58. 126 .
Boden - Erhebung ( Gebirge) 2. el Akfa 167. 58. 127. 165.
36. 41. 57. 125. 126 ff. 170 zu Hebron 210 .
ff. 207. 222. 224. 227. 231 . Damaskus 290.
233. 237. 262 . 11 Acre 274. 334.
Erinnerungsſtätten 1. die einzeln. 0 Gaza 215 .
Orte u. Stätten. Mulawieh zu Jeruſ. ( Johannist.) 126 .
Sitten u. Trachten fieh' Jeruſal., Motu ali8 306.
Bethlehem u. Libanon. M u allala 295.
Lanta ( litany) Fluß 324. Nabatäer 242.
Lariſſa Kloſt. 297 . Na blu $ (Nabulus) 259. 38. 127. 173.
Lateranen - Palaſtbaſilika 278. Nabuchodonofor ( Nebucadnezar) 2. 244 ff.
Laura 0. i. Compler von Höhlen der Anachoreten Naim 269.
1. Höhle. Nazareth 256. 173. Lage. Häuferbau . Latein .
Verzeichniß der merkwürdigſten Orte, Perſonen und Sachen. 355

Kloſt. u. Stirche „ Mariä Verkündig." Zu Tyrus 329.


262. Felskapelle 263. Berg des Abs über Davids Grab 143. Ses
fturze8 253. Geſch . des Städtchens fängniß des hl. p. 149.
264. Franciskaner in Naz. Einwoh Petrus v. Amiens 20. 24. 26. 28.
ner Ebend. Umgebung 264. Brunnen Kirche zu Tiberias 267 .
Mariens u. Haus des hl . Joſeph . Ebend. Pharp har ( Barrada) Fluß 284.
Nebi ( Samuil) Berg 127 . Phiala (See) Birfet el Ram 226.
Neb o . Berg . 127. 226. philippus - Brunnen 216 .
Nehemi a 8 - Brunnen 136. Pilger 4. 7. Herberge 9. 10. Bedeutung der $ .
Nicä a 17. 19. 24. 26. 63 . Fahrten 10. Deutſche P - Fahrt. 10. 115.
Nifephorus Patriard 13 . Gebräuche bei D. Abreiſe u. Rüdkunft 11 .
Nikopolis 7. 28. 219 . P. -Hospiz der latein . 13. Deſtreich. B.-Haus
Nil. 250. 326 Anmkg . 153. P. am Delberg 80. 129. Am Jordan 226.
Nini ve h 245. . Jonas. Straſſe 40. Nach 8. Sinai 215.
Nephto 4. Waſſer 206 . 11 Thor ( Safa- ) zu Seruj. 59 .
Obelisken 251 . Bija Flotte von. 19. 20. Pijaner 13. Caſtell fieh'
Offenfionis (mons) 6.5 . Berg des Aergerniſſes Davidsburg v . Jeruſ .
126. 127 . Porphyrion d. i. Šonin 317 .
Delberg 41. 58. 125. Himmelfahrtskirche 128 Pylonen 249.
ff. Andere Kirchen 128. Ausſicht vom Pyramiden 250 ff. 343.
Ouarantania Wiiſte u. Berg 222. Grotte u.
D. 126 ff. Ort wo U. H. über Jeruſ.
geweint 128. fieh' Gethſemani. Klöſter Kapelle. Ebend.
129. Grabm . der Belagia 132. Gang nach Quelle bei Bireh 256. Bei Bania: 226.
dem D. 142 Erhebung des O. 173. 195. Burat (Berſiegelte Qu.) 206 .
Origine 8 273. 283. M Feidſchah 284.
Ophel (Felsrüden) 57 . Quellen heiße, am todt. Meer 230. Bei Engaddi 230.
Ornithopolis 322. Quelle Rogel 58. 233. 2. Siloah f. dieſ.
Oronte 8. Fluß. 276. 292. 298 . Quell- Waſſer in Jeruſ. 169 ff.
Paſargada 249. 152 . Rachel 195 ff. Grab Ebend.
Pater Noſter Kirche 128. Raifun 301 .
Paula hr. 5. 7 ff. 203. Grab 204. 206. Naimund Graf. 26. 28 .
Paulinus v. Nola 7. 9. 10. 104. 129. Rama 196
Paulus hl. Apoſtel 34. 3u Cäſarea 273. Bu Ptoles Namatha 38 .
mais 274. 3u Antiochia 277. 3u Buteoli Ramleh 17. 28. 37. Heimath des Joſeph v. Ari
281. Zu Damaskus 288 ff Zu Tyrus math . 38 ff. 65 ff. 171. 179 .
329. Zu Sidon 319. Raphaim 194.
Pelagia . Grabm. Der. 132. 139. Ra8 - 18 - Soweka 127 .
Pella 61 . Rasheya 296.
Peräa. Provinz 2 61. 231 . Römiſche Baukunſt 346. ſteh' Petra u. Gräber
Berſepolis 249 . fieh auch Bafilika.
Petra 238 ff. 151 . Romaniſcher Styl 1. Grabkirche, beſ. den Nörði.
Betru 8 hl. Apoſtel. 3u 3oppe 32 . Flügel u. Johanniter Hospit. 148.
de Cäſarea 33. 273. Rumie h 301 .
Jeruſal. 149. Saba S.Kloſter. Felsgrotte. Geſchichte 231ff 127.174.
n Cäſarea Philippi 275 . Sajach. Berg 127 .
Antiochia 278. Gründung Salzſäule am todt. Meer 229.
der Kirche. Cathedra Ebend . thal 229 .
u. Anmtg. Salomon 57.126.143.160.206 . Tempelbau 158 ff.57.
45 *
356
Verzeichniß der merkwürdigſten Orte, Perſonen und Sachen.

Salomon's geſchl. Gärten 207 . Therebinthen - Thal 127 .


Teiche 206 . Thräne der Juden 169.
Samaria 256. Stadt 260. 172. Tiberias 265 ff. 171 .
Sanherib 249 . Tigris 245 .
Sanir- Thal 173 . Todten - Gericht 253.
Sarepta 7. 322. 323 . Tootes Meer 56. 227. 127. 171. 208. 222.
Sarona Ebene u. Gefilde 36. 171 . Wald 37. Top het 136.
Sdhirat 225. Tortoſa ( Tantura ) 272 .
S dlantgenteich 150. Tradonitis 276 .
Sciuffat . Dorf 313 . Traubenthal 213.
Seboim 227 . Tripoli 306. 297 .
Seligkeiten Berg ber . 266. Türken 18 ff. 27. 36.
Gepphorie 265 (Sefurieh Zippori). Ty r o p ö on Thal 56. 57. 136. 146. 153. 165.
Sidhar 257 . 174.
Sichem 259. 173 . Tyrus 7. 308. 322. 325. Weisſag . 326. Handel
Sidon 7. 317 ff. 307. 326. 326 . Chriſtenth. 329. Martyrer Ebend.
Silo 225 .
Tempel Melfarth'8 330. Ruinen 331. Kas
Siloah Qu. u. Teid) 134 ff. 52. 56.58. Thurm 136. thedrale 331. u. 333. Chriſti. Baſilika 332
Silpion . Berg . 276. ff. Purpur 335 ff. Mojait 333.
Silvan Dorf. 127. 136. Uarqu a h (Ain) 301 .
Simeon des hl. Haus 194. Ueberlieferung über die hl. Stätten 62. 86. 114.
Sinai 233 ff. 255 Halbinſel 233 ff. u ma n a 310.
Sinbidel 173 . U rb a n Papſt 20. Zu Clermont 21 .
Sitten Oriental. 32. ſieh' Jeruſ. u. Libanon. U rdun el D. i. Jordan 226.
Skopus 127 . U rta $ 207. Thal Ebend.
Smyrna hl . Polykarpus v. 280. 281 ff. 306. Venetian . Flotte 330. fiel ' Genueſer- Fl.
Golyma . Hospiz 297 . Via doloroja zu Jeruj. 117 ff. Prätorium 163. 165.
Stephansthor zu 3eruſ. 118. 219. Ecce homo - Bogen Ebend . u. 169. Stationen
Stiftshütte 155 ff.
119 ff. Haus der Veronika 120 ff. 150.
Suez 255. Victor Papſt 19 .
Sugheir 37 . Viri Galiläi ( Nordfuppe des Delberges ) 126.
0
Sur d. i. Tor oder Tyrus 325. Wadi en Nar (Feuerthal) 56. 58. 127. 136 , 232 .
Synedrium Lokal des. 141. el Rattun 127 .
Syrien 275 ff. es Safieh 229.
Tabor . Berg. 268. 173. Weli ( Am Delberg) 127 .
Tamur (Tamyras ) Fluß 315. Neby Iſmail 262.
Tandur (Horn ) 304. Willibald hl. v. Eichſtädt 13. 257 .
Tanis 208.
Xyftu 8 146 .
Tankreb 26. 28 .
3 ab ulo n's Grab 320 .
Tarida a 227. 287 .
3 abre 1 295 ff
Taufſtätte U. H. am Jordan 225. 226. Kirche Zerka 127 .
S. Johann. Ebend . Bi miscez 13 .
Templer ( Tempelherrn ) fieh' Affa Moſchee u. 3 immer in Jeruj. 1. Häuferbau 11. Kaitsgeräthe baj.
Hittin . Zion - Sion 8. 28. 56. 57. 58. 126. Kloſt. 8.
Terraffenba u 32.159 ff. 244. 251.243.181.293 ff . Francisk. 60. Apoſtelk. 141. 148. 153.
Tharſis 242. 35 326. 163. 174.
Thekua 208. 126. 222. Zions Thor 58. 141 .
Therebinte bei Bethl. 194. Zippori 1. Sepphoris.
Drud von Dr. C. Wolf & Sohn in München .
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