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d1433 - compressedARAÑas (001-307) 22 WORD ARAÑAS
d1433 - compressedARAÑas (001-307) 22 WORD ARAÑAS
Textband
Inauguraldissertation
an der
Philosophischen Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel
vorgelegt von
Preetz / Holstein
2004
Erstgutachter:
- II -
INGRID († 2000) und FRIEDRICH MASCHER, Preetz
in Dankbarkeit und Liebe gewidmet
- III -
Inhalt
Vorwort
Dank
1. Einleitung................................................................................................. 1
1.2 Forschungsgeschichte......................................................................... 5
1.2.1 Kronleuchter – Metallgießer........................................................ 5
1.2.2 Werkstoff und Technik – zur Verbreitung der Kronleuchter............ 28
2. Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze des 16. bis 18. Jahrhunderts
in Norddeutschland.................................................................................. 41
- IV -
3.2.2 Exkurs ................................................................................ 124
3.3 Die Topfigur „Römischer Soldat, Cavallerie“ auf Kronleuchtern ............. 126
4. Unterhänge an Kronleuchtern des 16. und 17. Jahrhunderts aus Metall ......... 160
7. Resümee.............................................................................................. 192
Lebenslauf
-V-
Vorwort
Die vorliegende Studie zu Kronleuchtern aus Metall (Messing und Bronze) des 16. bis
18. Jahrhunderts in Norddeutschland ist unter anderem durch die folgenden Voraus-
setzungen begründet:
Von besonderer Bedeutung für die Wahrnehmung des menschlichen Schaffens und
Lebensraumes nach kunstwissenschaftlichen Kriterien waren vor allem architektur-
historische Lehrveranstaltungen von Herrn Professor Dr. phil. Uwe Albrecht und
Herrn Professor Dr. phil. Adrian von Buttlar am Kunsthistorischen Institut der Chris-
tian-Albrechts-Universität zu Kiel. Gleichfalls prägten dort die Seminare zur Iko-
nographie mittelalterlicher (Grab-)Denkmäler bei Herrn Professor Dr. phil. Wolfgang
J. Müller († 1992) sowie zur Ikonographie barocker Deckenmalerei bei Herrn Profes-
sor Dr. phil. Frank Büttner.
Nach der Auseinandersetzung mit der Gestalt und Bedeutung mittelalterlicher Sak-
ralarchitektur weckte die Beschäftigung mit dem Werk universeller Architekten neben
dem bestehenden Interesse an der Baukunst nicht nur ein solches für Interieurs,
Mobiliar und Materialästhetik, sondern auch für Licht und Beleuchtung.
Beide Bereiche – die Dokumentation von Kunstgut an sich sowie die der Beleuch-
tungskörper und -konzepte im besonderen – werden in ihrer Bedeutung oft unter-
schätzt; sie bilden oftmals nur das Schlusslicht diverser Planungen.
Licht und Schatten tragen aber wie die Architektur und ihre künstlerische Ausgestal-
tung als Teil derselben erheblich zur Ästhetik, zum Charakter der Raumatmosphäre
und damit zur Nutzung, Identitätsstiftung und Erhaltung dieser Zeitdokumente bei.
Seit Ende des vergangenen Jahrhunderts kann eine stärkere Einbindung der Licht-
technik festgestellt werden. Die systematische Inventarisierung der Beleuchtungsge-
räte, respektive Kronleuchter aus Metall mittels aussagekräftiger Fotografien bildet in
den Landesämtern für Denkmalpflege bisher noch eine verhältnismäßig große Lücke,
die es zu schließen gilt.
Denn tatsächlich sind die scheinbar in sicherer Höhe hängenden und so robust wir-
kenden Gusserzeugnisse weder vor den Auswirkungen des Raumklimas und gutge-
meinter, aber nicht immer sachgerechter Handhabung und Pflegemaßnahmen noch
vor Missgeschicken, Diebstahl, mutwilliger Zerstörung oder ignoranter Veräußerung
(in der Vergangenheit) so wenig sicher wie zuweilen anderes Inventar.
- VI -
Anregungen zu einer intensiveren Beschäftigung mit historischen Kronleuchtern aus
Metall in Norddeutschland bieten außer schuldig gebliebene Antworten zur Thematik
während der ergänzenden Inventarisierung kirchlicher Kunst und der oben angespro-
chenen Motivation unter anderem die folgenden Veröffentlichungen: Die Reisebe-
schreibungen „Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Gesandtschaft
1
beim Schah 1633-1639“ von Adam Olearius und ferner „Die Bronzetüren des Mittel-
alters“ sowie „Die Türzieher des Mittelalters“ von Mende als Fortsetzung des Corpus-
werkes der mittelalterlichen Bronzegräte, das 1935 von von Falke und von E. Meyer
2
mit einem Band über Aquamanile und Leuchter begründet wurde. Es werden dort
Löwenkopf-Masken als Türzieher in ihrer formgeschichtlichen Entwicklung vorgestellt.
Die Löwenkopf-Maske kommt in etlichen Varianten auch als Unterhang an älteren
Winkelarmkronleuchtern sowie als Maskaron anders platziert an barocken Kronleuch-
tern vor. Dieser Aspekt wurde in der Erforschung der Kronleuchter bisher nicht be-
rücksichtigt. Insofern liegt der Schwerpunkt dieser Studien weniger auf der Typologie
3
der Kronleuchter an sich, die an anderer Stelle bereits anschaulich beschrieben wird.
Vielmehr ist das ikonographische Programm, sind die Bekrönungsfiguren und Unter-
hänge der Metallkronleuchter in ihrer (potenziellen religionspolitischen und rechtshis-
torischen) Bedeutung von Interesse. Und dies ist ursächlich in der Erfahrung und des
immer wieder beschäftigenden Spannungsfeldes zwischen einem
(material-)ästhetisch, idealistisch inspiriertem Kunstschaffen und des als
Bedeutungsträger geprägten Lebensumfeldes begründet.
Der zweite Aspekt ist die Faszination für Licht und Schatten als wesentliche Basis für
Leben überhaupt sowie als ein vielfach – insbesondere künstlerisch – instrumentali-
siertes Phänomen.
1
Adam Olearius, Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Gesandtschaft beim Schah
1633-1639, Hg. D. Haberlandt, 1986, S. 251
2
U. Mende, Die Türzieher des Mittelalters, Berlin 1981 (Bronzegeräte des Mittelalters, Bd. 2). - O. v.
Falke/E. Meyer, Romanische Leuchter und Gefäße, Gießgefäße der Gotik, Berlin 1935 (Bronzege-räte
des Mittelalters. Bd. 1)
3
S. Erixon, Mässing. Svenska Manufakturer och Konsthantverksprodukter under 400 år, Stock-
holm/Malmö 1943.
- VII -
Dank
Mein besonderer Dank gilt allen, die mit Interesse und vielfältiger Unterstützung die
Durchführung dieses Forschungsvorhabens gefördert haben.
Dank gebührt Herrn Professor Dr. phil. Uwe Albrecht, Kunsthistorisches Institut der
Christian-Albrechts-Universität Kiel und Herrn Professor Dr. Phil. Adrian von Buttlar,
Institut für Geschichte und Kunstgeschichte der Technischen Universität Berlin für die
fachliche Betreuung.
Sehr zu danken habe ich Firma Benedikt, Lübeck; Werkstatt für Metallgestaltung und
U.-V. Bläse/K.-U. Laas, Plön; Herrn Wolfgang Hofmann, Werkstatt für Metallgestal-
tung und Restaurierung, Wolgast; Herrn Laabs, Werkstatt für Restaurierung, Greifs-
wald; Firma Paul Oehlmann († 1999/2003) & Sohn, Bielefeld; Werkstatt für Metall-
Restaurierung Frau Betina Ross, Hamburg. Die Gewährung der Einblicknahme in Her-
stellungsprozesse und Restaurierungsmaßnahmen sowie die als Arbeitsmaterial zur
Verfügung gestellten Fotografien und Befunddokumentationen waren über die pro-
funden Gespräche und Erfahrungsberichte hinaus überaus förderlich für das Ver-
ständnis der Thematik.
Mein Dank gilt ferner Herrn T. Theise, Regensburg für Empfehlungen zur Lektorie-
rung, den Damen und Herren der Universitätsbibliothek Technische Universität Han-
nover; Frau Renate Oldermann-Meier, Archiv Stift Fischbeck/Hessisch Oldendorf;
Frau Kiesendahl, Fachbibliothek des Instituts für Kunstwissenschaft der Universität
Greifswald; den Damen und Herren der Landesbibliothek Schleswig-Holstein in Kiel
sowie den Damen und Herren der Stadtarchive von Kiel, Lübeck, Mölln und Stralsund
sowie des Kreisarchivs Nordfriesland in Husum; den Herren Robert Gahde M.A. und
B. Utermöhlen, Buxtehude – Archiv der Evangelischen St. Petri-Kirchengemeinde
sowie Stadtarchiv; Frau Büttner, Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg;
Frau Dr. S. Graf, Niedersächsisches Staatsarchiv in Stade; den Damen und Herren
des Schleswig-Holsteinischen Landesarchivs in Schleswig; Herrn Dr. phil. Bern-hard
Heitmann, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg; Herrn Dr. phil. Franz Leitgeb,
Stadtmuseum Graz; den Damen und Herren der Landesämter für Denkmal-pflege
von Brandenburg, Mecklenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sach-sen,
Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.
Sehr zu danken habe ich Frau I. Gräfin Brockdorff-Ahlefeldt sowie Herrn H. Joswig,
Adeliges Kloster Preetz und Herrn Jochen Storjohann († 2003), Archiv des Adeligen
Klosters Preetz; den Kirchengemeinden der Evangelischen Landeskirche in Berlin-
Brandenburg – hier insbesondere: Alt Placht, Rheinsberg, Gransee/ Sonnenberg,
Wittstock a. D.; den Kirchengemeinden – insbesondere Herrn Pfarrer P. Röthke,
Salzgitter-Ringelheim – sowie dem Amt für Öffentlichkeitsarbeit der Evangelisch-
lutherischen Landeskirche in Braunschweig; den Kirchengemeinden der Evangelisch-
lutherischen Landeskirche Hannovers – hier insbesondere: Berdum, Buxtehude, Ot-
terndorf, Stade, Werdum sowie Herrn Jörg Giermann, Landeskirchliches Archiv der
- VIII -
Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers; der Evangelisch-Lutherischen
Landeskirche Mecklenburgs; den Kirchengemeinden der Nordelbischen Evangelisch-
Lutherischen Kirche – hier insbesondere: Bredstedt, Eckernförde, Hattstedt, Kei-
tum/Sylt, Lauenburg, Meldorf, Mölln, Plön, Preetz, Rendsburg sowie Herrn Grützner,
Kirchengemeindearchiv Rendsburg; Schleswig; Kirchenkreisarchiv Eiderstedt; der
Kirchenkreisverwaltung Husum-Bredstedt; den Kirchengemeinden der Pommerschen
Evangelischen Kirche – hier insbesondere: Barth, Bergen/Rügen, Richtenberg sowie
Herrn Pfarrer Christian Tiede, Evangelische St. Jacobi-Kirche Stralsund und den Da-
men und Herren der Evangelischen St. Nikolai-Kirche Stralsund; der Evangelisch-
Lutherischen Landeskirche Sachsens – hier insbesondere Frau Dietlinde Tesp,
Schmiedeberg/Sachsen; dem Kirchenbuchamt Kirchenkreis Plön; der Evangelischen
Kirche in Dänemark; Herrn Juhan Kilumets, Tallinn/Estland; Herrn Andreas G.
Kamm, Bielefeld; Herrn Wolfgang Gross, Herrn Dr.-Ing. Wilhelm Poser, Frau Ingrid
Wenk, Nordelbisches Kirchenamt Kiel, Frau Dr. phil. Annette Göhres, Frau Prang und
Herrn Ulrich Stenzel, Nordelbisches Kirchenarchiv Kiel; Herrn Dr. phil. Hasso von Po-
ser und Groß Naedlitz, Amt für Kunstpflege des Landeskirchenamtes der Evange-
lisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
Mein Dank gilt ferner Frau Dr. phil. Anne Heinig, Kiel für ihre konstruktive Kritik und
Frau Dagmar Rösner M.A., Eckernförde; Frau Frauke Dreyer, Kiel.
Sehr dankbar bin ich Frau Helga Weinhold und Frau Ute Weinhold, Uslar-Ahlbers-
hausen; Frau Käte Bohrdt, Kiel; meinen Schwestern mit ihren Familien. Herzlichst
danke ich meinen Eltern Ingrid († 2000) und Friedrich Mascher, Preetz.
- IX -
Einleitung Seite 1
1. Einleitung
4
Kronleuchter – „Lux ad illuminandas gentes“ , Schaftkronleuchter aus Messing des
16. bis 18. Jahrhundherts in Norddeutschland.
Die unter diesem Titel vorliegende Studie thematisiert das Bildprogramm resp. Be-
krönungen und Unterhänge (früh-)neuzeitlicher Schaftkronleuchter in evangelischen
Kirchen. Deutlich weniger Kronleuchter dieses Typs sind in Sakralgebäuden anderer
Religionsgemeinschaften oder als Inventar bestimmter Korporationen sowie aus Pro-
5
fangebäuden – wie zum Beispiel Rathäuser und Schlösser – bekannt. Dieses Phä-
6
nomen ist in weiten Teilen verbreitet und bisher nicht in allen Facetten erforscht.
Die zahlreichen Schaftkronleuchter aus Messing werden in erster Linie als kunst-
handwerklich gestalteter Gebrauchsgegenstand wahrgenommen und nach folgenden
Kriterien beurteilt: Größe, Funktion und Form. Ihre materialtechnische und -ästhe-
tische Verarbeitung kann in Anbetracht des Erhaltungszustandes und aus bloßer An-
schauung nur vage eingeschätzt werden. Selten findet der Motivschatz dieser Be-
leuchtungsgeräte Erwähnung oder die Tatsache, dass Kronleuchter unterschiedlich
motivierte Stiftungen und ursprünglich Halterungen für Wachsabgaben resp. -lichter
sind.
An sich ist der Begriff Kronleuchter abzuleiten von den Worten „corona“, das heißt
Kranz sowie von „leuchten/licht“, das heißt einen Raum mit Licht erfüllen. Dies ist
effektiv möglich mittels eines mehrarmigen Lichtträgers, der frei von einer Raumde-
cke herabhängt.
Die Typologie und Bezeichnung für Kronleuchter orientierte sich daran, dass Archi-
tekturelemente rezipiert und kompositorische Bezugspunkte verändert werden – wie
zum Beispiel morphologisch bei Radleuchtern/Lichtkronen, Tabernakel- oder
Schaftkronleuchtern und im Detail bei Winkelarmkronleuchtern der Renaissance oder
Kugelkronleuchtern des Barock.
4
J. Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes in der Auffassung des Mittelalters, 1928, S. 186. Zitat in
Anlehnung an das Buch des Propheten Sacharja im Alten Testament, s. Neue Jerusalemer Bibel,
1985, S. 1347 ff.
5
Siehe amtliche Länderinventare der Bau- und Kunstdenkmäler, z. B. Die Kunstdenkmäler der Provinz
Hannover, Stadt Emden, VI. Regierungsbezirk Aurich, 1927, S. 124.
6
S. Erixon, Mässing, Svenska Manufakturer och Konsthantversprodukter under 400 år, 1943.
Einleitung Seite 2
Diese wechselnde Gestaltung spiegelt eine sich wandelnde Vorstellung von Ordnung
wider.
7 Siehe u. a.: Die Denkmäler des Rheinlandes, Kreis Kleve, 1: Altkalkar-Huisberden, 1964, S. 72 und
Abb. 179. Vgl.: Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 8, II: Die Kreise Erkelenz und Geilenkir-
chen, 1904, S. 45 f. (S. 288 f.). – K. Jarmuth, 1967, S. 107 f. mit Abb. 91 und 92.
8
R. A. Peltzer, Die Geschichte der Messingindustrie, 1909, S. 69, 137 ff.
9
J. Sauer, 1928, S. 186. – R. Wittkower, Allegorie und der Wandel der Symbole in Antike und Renais-
sance, Köln 1983, S. 56 ff.
10 J. Brinckmann, Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe, 1894, S. 761. – J. Brüning, Der
Kronleuchter, in: Kunstgewerbeblatt, n.F. 7, 1897, S. 53. Brüning weist darauf hin, dass der Wechsel
von einer Zentral- und einer Bekrönungsfigur bei Kronleuchtern den Charakter des rein Attributiven
vermitteln könne.
Einleitung Seite 3
Die systematische Durchsicht der amtlichen Länderinventare der Bau- und Kunst-
denkmäler lässt erkennen, dass das ikonographische Programm von Schaftkron-
leuchtern des 16. bis 18. Jahrhunderts mit 39 unterschiedlichen Bekrönungsfiguren
dort weiter gefasst ist, wo die lutherische Glaubenslehre praktiziert wird als in calvi-
11
nistisch geprägten Gebieten – wie zum Beispiel in den Niederlanden.
Die südlichen Bundesländer Deutschlands in diese Untersuchung einzubeziehen, er-
scheint angesichts fehlender Einträge zu Schaftkronleuchtern aus Messing in den
entsprechenden amtlichen Länderinventaren der Bau- und Kunstdenkmäler nicht
möglich. Zwar heißt es Mitte des 20. Jahrhunderts, dass zum Beispiel ursprüngliche
Bestände an Landsknechtkronleuchtern in Süddeutschland die Verbreitung vergleich-
barer Leuchter in Norddeutschland maßgeblich geprägt habe, aber infolge von Ge-
12
genreformation und Bildersturm nicht mehr als Sachquelle erhalten seien. Die Ein-
flussnahme der Druckgrafik wird nicht erörtert, obgleich sowohl die Motivauswahl als
auch die Gestaltung der Bekrönungen auf Schaftkronleuchtern aus Messing des 16.
bis 18. Jahrhunderts Parallelen zu Sujets und Duktus deutscher Kleinmeister erken-
13
nen lassen. Nach bisheriger Kenntnis sind keiner Quellen bekannt, die diese Über-
legung eines Zusammenhangs zwischen Kleinmeister, Kunsthandwerker und
Schaftkronleuchter resp. Bekrönungen bestätigen würden. Aber die Recherchen zur
vorliegenden Kronleuchterstudie führen zu der Erkenntnis, dass einzelne Schriftquel-
len des 16. bis 18. Jahrhunderts zu Künstlern, Kunsthandwerkern und den besagten
Objekten als Positionierung zur neuen Glaubenslehre, das heißt zum Protestantismus
14
zu lesen sind.
Bemerkenswert ist – neben der häufig konstatierten weiträumigen Verbreitung der
Schaftkronleuchter aus Messing – die über Stadt-, Landes- und Staatsgrenzen hin-
15
ausreichende Mobilität von Künstlern, Kunsthandwerkern und Auftraggebern.
Der große Bestand an (früh-)neuzeitlichen Schaftkronleuchtern aus Messing – und
soweit inventarisiert – mit 39 unterschiedlichen Bekrönungsfiguren in evangelischen
Kirchen Norddeutschlands, Skandinaviens und Teilen der Baltischen Staaten scheint
ursächlich im humanistischen und reformatorischen Gedankengut, das heißt in der
Herausbildung der Grundrechte und der Einführung der lutherischen Glaubenslehre
begründet: Das Individuum wird im Zuge wissenschaftlicher Erkenntnisse und des
Interesses an Erziehung und Bildung als Ideen- und Entscheidungsträger (an-)er-
kannt, in religiösen und politischen Gemeinschaften gesellschaftliche Neuordnungen
16
zu leben oder diesen entgegenzuwirken. Bedeutsam erscheint der Aspekt „Frei-
11 Siehe u. a.: De Nederlandsche Monumenten van geschiedenis en kunst, T. IV, 1971, S. 20, 39. –
Weitere Kunstdenkmälerinventare s. Literaturverzeichnis.
12 H. Spielmann, Die Kerzenkrone der Renaissance und des Barock im Ostseegebiet, Greifswald 1956
(Diplomarbeit Greifswald 1956, maschinegeschrieben).
1
3 H. W. Singer, Die Kleinmeister, 1908.
1 Vgl.: Inschrift eines Schaftkronleuchters der ev. Kirche in Esens, Niedersachsen.
4
15 K. Jarmuth, 1967. – Zu: Mobilität, s. u. a. Dokumentation von Kronleuchter-Inschriften in amtlichen
Länderinventaren der Bau- und Kunstdenkmäler.
16 N. Mont (Hg.), Die Kultur des Humanismus: Reden, Briefe, Traktate, Gespräche von Petrarca bis
Kepler, München 1998, S. 25.
Einleitung Seite 4
heit“, der mit der von Martin Luther (1483-1546) und Johannes Calvin (1509-1564)
maßgeblich geprägten theologischen Rechtfertigungslehre „simul iustus et peccator“,
das heißt „Gerechterklärung“ des (sündigen) Menschen seitens Gott, verbreitet wird
und in Norddeutschland der allmählich Fuß fassenden lutherischen Zwei-Reiche-Lehre
Rechnung trägt. Sie nimmt mit der Herausbildung von Territorialstaaten in Ab-lösung
des zentralistischen, universalistischen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
und mit der phasenverschobenen Einführung der Evangelischen Kirchenord-nung in
Norddeutschland Gestalt an.
Die Bekrönungen: Römischer Soldat, Büttel, Landsknecht und Wilde Leute auf (früh-)
neuzeitlichen Schaftkronleuchtern aus Messing in evangelischen Kirchen Nord-
deutschlands und der benachbarten Staaten scheinen religionspolitische Auseinan-
dersetzungen und daraus resultierende Entwicklungen über den Dreißigjährigen Krieg
(1618-1648) hinaus zu dokumentieren und Zeichensprache zu sein.
Mit einer Gesamtstückzahl von mehr als 700 amtlich inventarisierten Schaftkron-
leuchtern des 16. bis 18. Jahrhunderts in Norddeutschland – und im Rahmen der
17
vorliegenden Kronleuchterstudie kartographisch dargestellt – repräsentieren diese
die quantitativ und qualitativ sehr unterschiedlichen Bestände (Minimum ca. 30, Ma-
ximum ca. 300) der nördlichen Bundesländer Deutschlands: Nordrhein-Westfalen, die
Hansestädte Bremen und Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen,
Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und den Norden Brandenburgs – und als Stiftun-
gen in evangelischen Kirchen insoweit eine ähnliche Größenordnung wie in Dänemark
oder Schweden.
Unter den inventarisierten Schaftkronleuchtern aus Messing befinden sich nur wenige
Beispiele, die mittels Marke, Stempel oder Namen der Kunsthandwerker gekenn-
zeichnet sind. Und aus der Vielzahl unsignierter Exemplare können kaum kongruente
Arbeiten ermittelt werden, so dass auch Werkstattzuschreibungen nach wie vor ein
Forschungsdesiderat darstellen.
17 Diese Verbreitungskarte (Maßstab 1 : 750.000) ist als Anhang zum Bildband der vorliegenden Kron-
leuchterstudie nur in der Christian-Albrechts-Universität Kiel verfügbar und bildet die Grundlage der
digitalisierten Übersichtskarte.
Einleitung Seite 5
1.2 Forschungsgeschichte
1
8 K. Jarmuth, 1967, S. 160 ff.
1
Einzelne Titel und Themen werden im Anschluss an diese Übersicht ausführlich vorgestellt.
9
20 F. Bock, Der Kronleuchter Kaiser Friedrich Barbarossas im Karolingischen Münster zu Aachen und die
formverwandten Lichterkronen zu Hildesheim und Comburg, nebst zwanzig erklärenden Holzschnit-
ten und sechzehn von den Original-Kupferplatten des Aachener Kronleuchters., Leipzig 1864.
21 Großes Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste. Bd. VI, Halle/Leipzig 1733, Sp. 1722.
Einleitung Seite 6
Eine Untersuchung von 1874 zur ältesten Hamburger Zunftrolle, die einen Abschnitt
der Gewerbegeschichte Hamburgs vom 13. Jahrhundert bis zum Jahre 1603 reprä-
sentiert und als Schwerpunkt niederdeutscher Rollen gilt, spricht auf die Lübeckische
Zunftrolle als Vorbild an. Die Berücksichtigung dessen wie auch die Verbindung der
Ämter der Rotgießer und der Kannengießer zur Brüderschaft St. Marien in Hamburg
erscheint über die Tatsache der gemeinsamen Morgensprache, d.h. Zunftversamm-
lung, hinaus als hilfreicher Hinweis für Erkenntnisse über den Charakter historischer
Werkstätten der Metallverarbeitung. Der dort gepflegte Gemeinschaftssinn beinhaltet
unter anderem eine würdige Ausstattung der Kirche, da die Bruderschaft es als
Hauptanliegen betrachtete, für ein angemessenes Begräbnis ihrer Mitglieder zu sor-
gen. Das ist hinsichtlich des Themas Kronleuchter insofern von Interesse, als mittel-
alterliche Marienleuchter als Ausstattung oder Stiftung von Kalandsbruderschaften
genannt werden und neuzeitliche Schaftkronleuchter inschriftlich häufig als Stiftun-
gen diverser Handwerksämter ausgewiesen sind. Letzteres geht teils aus Inschriften,
teils aus entsprechenden Darstellungen oder aus den älteren amtlichen Länderinven-
24
taren der Bau- und Kunstdenkmäler hervor.
Erwähnt und zum Teil fotografisch oder als Zeichnung abgebildet werden Kronleuch-ter
25
1883 im „Handbuch der kirchlichen Kunst-Archäologie des deutschen Mittelal-ters“ und
26
1888 in der „Geschichte des deutschen Kunstgewerbes“ . Diese Publika-tionen
vermitteln weniger einen Überblick über das Spektrum an Bekrönungsfiguren auf
27
historischen Schaftkronleuchtern aus Metall, wie es bei Brüning anklingt.
Dies ändert sich mit der zunehmenden Inventarisierung der Bau- und Kunstdenkmä-
ler in den Städten sowie in den damaligen Provinzen und Herzogtümern, wo die im
Entstehen begriffenen amtlichen Länderinventare bereits um die Jahrhundertwende
eine gewisse Übersicht über die jeweiligen Bestände an Messingkronleuchtern geben.
28
Bereits 1889 erscheint ein Aufsatz „Zur Geschichte der Nürnberger Rotschmiede“.
Hier werden im Zusammenhang mit der Feststellung, dass Rotschmiede erst im
15. Jahrhundert als selbstständiges Gewerbe in Nürnberg auftreten, bestimmte
Rechte und eine besondere Stellung der Rotgießer beschrieben. Diese bestanden un-
ter anderem in der freien Wahl der Meisterstücke und zugleich in der Bindung, diese
in Werkstätten geschworener Meister auszuführen, sowie in der Reglementierung der
Ortsansässigkeit oder auswärtiger Kontakte.
Es heißt, dass die Nürnberger Rotgießer wesentlich vom Bronzeguss der Erzgießer-
familie Vischer (1450-1550) geprägt seien. Zugleich werden Auseinandersetzungen
um Abgrenzungen hinsichtlich der Aufgabengebiete anderer Metallgießer konstatiert.
25 H. Otte, Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie des deutschen Mittelalters, 2 Bde., 5. Aufl. Leip-
zig 1883, s. insbes. Bd. 1, S. 156.
2
6 J. v. Falke, Geschichte des deutschen Kunstgewerbes, Berlin 1888, S. 142 f.
2
A. Brüning, Der Kronleuchter, in: Kunstgewerbeblatt, N.F. 8, Hg. K. Hoffacker, 1897, S. 55.
7
28 Zur Geschichte der Nürnberger Rotschmiede, in: Mus.-Kat. Germanisches Nationalmuseum Nürn-
berg, 1889, S. 6–15.
29 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt, Bd. I: Bezirk Magdeburg, 2.
Aufl., 1990, S. 146, 178, 350. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg,
Neubrandenburg, Rostock, Schwerin, 1980, S. 358.
30 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg, Unveränd. Nachdruck des Bandes
„Die Bezirke Neubrandenburg, Rostock, Schwerin“, München/Berlin 1980, S. 358.
Einleitung Seite 8
Im Jahre 1890 erscheinen in „Bremische Werkmeister aus älterer Zeit“ die Namen
31
von Metallgießern. Die Personennamen stehen hier – wie auch in jüngeren Publika-
tionen – weniger im Zusammenhang stilkritischer Untersuchungen zu Kronleuchtern,
sie sind vielmehr Resultat des Aktenstudiums, das in der Regel kaum Aufschluss über
die Urheberschaft des Formen- und Motivschatzes von Leuchtern gibt. Aber es wer-
den anhand dieses Verzeichnisses Aufgabenbereiche des Metallgewerbes und mögli-
che Ortsbezüge deutlich, denn gelegentlich finden sich Hinweise, welcher Rotgießer
in welchem Zeitraum Leuchter angefertigt und/oder repariert hat. In Verbindung mit
anderen, vergleichbaren lokalhistorischen Studien zum Amt der Rotgießer könnte
dies eine Vorstellung vom Anteil der Metallgießer an der Entstehung, Verbreitung und
Veränderung von Kronleuchtern – insbesondere des 16. und 17. Jahrhunderts –
vermitteln.
In den einzelnen amtlichen Länderinventaren der Bau- und Kunstdenkmäler seit der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis heute sind Kronleuchter aus Metall sehr un-
terschiedlich dokumentiert. Neben ausführlichen und differenzierenden Dokumentati-
onen kommen diese Beschreibungen vor: „en lysekroner med ... plader og anden
32
zirat“ – „Zwei messingne Kronleuchter im Schiff, mit Doppeladler, zeigen die übli-
33
chen Renaissanceformen.“ – „ein eleganter Kronleuchter von Messing mit Inschrift
34
aus dem Ende des XVI. Jahrhunderts“ .
Die Tatsache immer wiederkehrender Formen und die Wiederholung einiger Motive
schließt Varietät nicht aus. So können Kronleuchter aus Metall auch angesichts tradi-
tioneller Konstruktion und Morphologie je nach Auswahl und Komposition der Motive
sehr unterschiedlich sein und wirken. Von Interesse ist auch, welche Gestalten die
zum Teil allein als weiblich oder männlich bezeichneten Figurentypen tatsächlich ver-
körpern.
Hinsichtlich der Fragen zur Ikonographie der christlich deutbaren Topfiguren auf
Schaftkronleuchtern aus Metall des 16. bis 18. Jahrhunderts beschäftigen die zur
Beschreibung und Identifikation der Figur herangezogenen Kriterien.
31 J. Focke, Bremische Werkmeister aus älterer Zeit. Als Beitrag zur Nordwestdeutschen Gewerbe- und
Industrie-Ausstellung in Bremen, Bremen 1890. – H. Fatthauer, Die Bremischen Metallgewerbe vom
16. bis zum 19. Jahrhundert, in: Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt
Bremen (1936).
32 Danmarks Kirker, København, Bd. 1. Hg. Nationalmuseum Kopenhagen 1945–1958, S. 698. Insge-
samt aber sind insbesondere Art der Bekrönungen und Unterhänge sowie Inschriften gut dokumen-
tiert.
33 Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd. 6, Teil 1. Kreis Lebus, Berlin 1909, S. 84. – Das
Zitat zeigt, dass dieser Angabe nicht zu entnehmen ist, ob der Schaft der Kronleuchter aus einer Ba-
lusterform oder Kugelkolonnaden besteht, ob die Enden der Leuchterarme gewinkelt und mit einge-
stellten Rosetten oder lanzettlichen Blüten oder anstelle dessen aufgebogen und mit Masken verziert
sind. Da im Rahmen dieser Studie festgestellt wurde, dass die Bestände amtlicher Fotodokumentati-
onen von Kronleuchtern tendenziell unzureichend sind – nicht zuletzt infolge des Ersten und Zweiten
Weltkrieges – und die Inventarisierung kirchlicher Kunst seitens einiger Landeskirchen nicht begon-
nen, fortgesetzt oder abgeschlossen ist, erfordert dies einen zusätzlichen persönlichen Einsatz. Und
ohne das freundliche Entgegenkommen der Restauratoren/Restauratorinnen könnten etliche der in-
ventarisierten Kronleuchter als weitere Quelle bei Werkstattzuschreibungen oder anderer Forschun-
gen kaum berücksichtigt werden.
34 Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen, H. 1, Das Samland, Königsberg 1891, S. 70.
Einleitung Seite 9
Eine äußerst hilfreiche Arbeitsgrundlage bilden unter den oben genannten amtlichen
Länderinventaren jene, die bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts als Vollinventare
der Bau- und Kunstdenkmäler angelegt worden sind. Sie enthalten in der Regel aus-
führliche, teils metrische Objektbeschreibungen mit der Wiedergabe vorhandener In-
schriften und Hinweise auf weiterführendes Schrifttum. Ferner werden gelegentlich
Analogien angedeutet. Die Gesamt- oder Detailaufnahmen von Kronleuchtern sind
überwiegend aussagekräftig, doch proportional zum Gesamtbestand der inventari-
sierten Kronleuchter und ihres Formenrepertoires sowie Motivschatzes eindeutig un-
terrepräsentiert.
Die Inventarisierung kirchlichen Kunstgutes seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts
beinhaltet neben der deskriptiven und metrischen Erfassung als Aktualisierung und
Ergänzung der besagten amtlichen Länderinventare insbesondere eine systematische
fotografische Dokumentation. Hinzu kommt die Neuerfassung bisher nicht inventari-
sierter und/oder neu hinzugekommener Kunstgüter, um so die unentbehrliche Auf-
39
gabe der Dokumentation fortzuführen.
Erste Ansätze, historische Beleuchtungsgeräte über den architektonischen Bezug und
die christliche Symbolik hinaus hinsichtlich figürlicher Elemente und ihrer Ikono-
graphie wahrzunehmen, enthält die Darstellung „Histoire du luminaire“ (1891) von
38 Zu dieser Erkenntnis führt die persönliche Durchsicht der ortsalphabetischen Fotokarteien der Lan-
desämter für Denkmalpflege von Brandenburg (1999) sowie Schleswig-Holstein (M. 1990er Jahre).
Und auch die Ergebnisse der diesbezüglich schriftlichen Anfragen (2002) an die entsprechenden In-
stitutionen in Dresden, Hamburg, Münster und Schwerin lassen diesen Rückschluss zu. – Siehe ein-
zelne amtliche Länderinventare im Literaturverzeichnis. – Wertvolle Erkenntnisse sind aus den Do-
kumentationen zu einzelnen Restaurierungsmaßnahmen an Kronleuchtern der Werkstätten für Me-
tallgestaltung W. Hofmann in Wolgast sowie B. Ross in Hamburg sowie anhand einiger Arbeitsauf-
nahmen der Firma P. Oehlmann & Sohn in Bielefeld zu gewinnen.
39 Nähere Auskünfte dazu sind in der Regel über die Referate für Gebäudeplanung und/oder kirchliche
Kunst der Aufsicht führenden Kirchenbehörden erhältlich.
Einleitung Seite 11
40
d’Allemagne. Die dort auf Longperrier zurückgeführten Verbindungslinien zwischen
den beschriebenen Leuchtern „Wilde Leute“ zu Darstellungen und zur Kultur des Rit-
tertums im Mittelalter werden verstärkt in den entsprechenden kunstwissenschaftli-
chen Publikationen Mitte des 20. Jahrhunderts aufgegriffen. Das betrifft auch die an-
gesichts der Qualitätsunterschiede geäußerten Vorbehalte vor einer Überbewertung
dieser Statuetten, die allein potenzielle Reflektoren sein könnten. Die jüngere kunst-
wissenschaftliche Forschung hat dies anhand der Funktion und Mehrdeutigkeit des
Motivs in anderen Verwendungszusammenhängen relativiert.
In der „Geschichte der technischen Künste“ von 1893 stehen unterschiedliche Gefäße
und Gerätschaften aus Bronze, Kupfer oder Zinn des Mittelalters sowie der Neuzeit
im Mittelpunkt. Die komprimierte Zusammenfassung zu Metallgießern, Objekten und
41
Daten gibt wichtige Anhaltspunkte.
1894 spricht Justus Brinckmann – wie viele nach ihm – die kulturgeschichtliche Be-
deutung der Leuchter an, ohne neben typologischen Aspekten zu Leuchterstamm und
Leuchterarmen auf Weiteres einzugehen. Aber er weist auf die besonderen Leis-
42
tungen der Gelbgießer in Hamburg hin.
Ähnliche Ansätze wie bei d’Allemagne finden sich 1897 im Beitrag „Der Kronleuchter“
43
von Brüning für das Kunstgewerbeblatt. Die dort skizzierte Typologie der Kron-
leuchter enthält Deutungen, die für die weitere kunstwissenschaftliche Erforschung
dieser Beleuchtungsgeräte prägend zu sein scheinen.
40 H. R. d’Allemagne, Histoire du luminaire, Paris 1891, S. 141. – « Le plus souvent ces chandeliers
(14.–16. Jahrhundert) représentent des hommes sauvages ... M. de Longperrier a fait à ce sujet une
très interessante étude et il est le premier qui ait véritablement résolu cette question. Le sauvage
velu, dit-il, est une création contemporaine de la chevaliers une fois les paladins errants inventés, il
leur a fallu des adversaires en dehors des données communes de l’humanité. Cette villosité, symbole
de force ... » – Vgl. A. Spamer, Die wilden Leute in Sage und Bild (Bericht über den Vortrag am 18.
April 1911), in: Volkskunde und Volkskunst, 9. Jg. Nr. 11/12, München 1911. – R. Bernheimer, Wild
men in the Middle Ages. Cambridge/Mass. 1952 – s. Vorlage S. 34. – L. Möller, Die wilden Leute des
Mittelalters, Ausst.-Kat. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (1963). – Dies., Zwei Anmerkun-
gen zum Wilde-Leute-Thema in der niederländischen Kunst, in: Nordelbingen 34 (1965), S. 56–66. –
J. Schewe, Wilde Leute, in: LCI, Bd. 4, Sonderausgabe, Freiburg/Br. 1994, Sp. 531. – D. Kremers,
Der „Rasende Roland“ des Ludovico Ariosto, Aufbau und Weltbild, Mainz 1973. – N. Schindler, Wider-
spenstige Leute, Studien zur Volkskultur in der frühen Neuzeit, Frankfurt/M. o.J.
41 B. Bucher (Hg.), Geschichte der technischen Künste, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1893, S. 93.
42 J. Brinckmann, Führer durch das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe zugleich ein Hand-
buch der Geschichte des Kunstgewerbes, Hamburg 1894, S. 760 f.
43 A. Brüning, Der Kronleuchter, in: Kunstgewerbeblatt, N.F. 8, Leipzig 1897, S. 55.
Einleitung Seite 12
Lüer und Creutz nehmen im ersten Band „Kunstgeschichte der unedlen Metalle“ ihres
zweibändigen Werkes „Geschichte der Metallkunst“ (1904) besondere Kronleuchter in
Europa als beispielhafte Leistungen in der Verarbeitung von Buntmetallen auf. Die nach
Epochen und Länder gegliederte Darstellung vermittelt einen Eindruck von der
Verbreitung der Kronleuchter und ist maßgeblich für einen Teil jüngerer Fachpublika-
46
tionen auf diesem Sektor. Als wertvolle Grundlage für weitere Forschungen könnten
sich die darin erwähnten Namen von Metallgießern erweisen. Die in groben Zügen
skizzierte Stil- und Materialentwicklung mit Hinweisen auf die gegensätzliche Ent-
wicklung des Bronze- und Messinggusses im nördlichen Deutschland gegenüber jener im
südlichen enthält nur wenige detaillierte Angaben zur Gestaltung einzelner Kron-
47
leuchter. Die Äußerung, dass unter den Armkronleuchtern des 15. Jahrhunderts in
Norddeutschland nur der im Rathaus zu Goslar von einiger Bedeutung sei, findet mit
der Abbildung dieses Exemplars in der „Illustrierte[n] Geschichte des Kunstgewer-
48
bes“ (1909) eine Bestätigung , ist aber zu relativieren. Die seit der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts durchgeführte Inventarisierung der Bau- und Kunstdenkmäler
erbrachte eine Erweiterung der Denkmälerkenntnis.
Diese Äußerung im Jahre 1904 von Lüer und Creutz veranlasst Griep noch Anfang
49
der 1960er Jahre , eine Sonderstellung des Goslarer Leuchters anzunehmen. Im
Hinblick auf das Pendant in Münnerstadt wurde das Goslarer Exemplar auch metal-
lurgisch untersucht. Sowohl der Aufbau dieses Leuchters – insbesondere die Verwen-
dung zweier Statuetten: eine Muttergottes innerhalb der zentralen Kapelle und eine
Bischofsfigur darüber – als auch potentielle Verbindungen zum Rammelsberger Berg-
bau im Harz unterstützen diese Beurteilung einer Sonderstellung bedingt. Demge-
genüber ist von einem Tabernakelkronleuchter der Spätgotik in Waase/Ummanz (In-
sel Rügen), der in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wurde, „nicht bekannt“,
dass dessen Marien-Statuette erneuert wurde – im Gegensatz zum Beispiel in Goslar.
Dort heißt es, dass die seit 1819 fehlende Zentralfigur im Jahre 1871 ergänzt wurde.
Als ein in jüngere Zeit datiertes Exemplar, wo eine Zentral- und eine Bekrönungsfi-
gur einen Kronleuchter zieren, wäre der sogenannte Karls-Leuchter (vor/um 1628)
50
aus und in Aachen zu nennen. Anstelle einer Muttergottes im Zentrum des Kron-
leuchters erscheint hier ein geharnischter Krieger in Rennzeug. Die Statuette des
Salvator mundi bekrönt den Aufbau des Leuchters, wo in einem Kranz die Apostel
zwischen diesen beiden Figuren vermitteln. Hier ist die Bedeutung des Kronleuchters,
dessen Gewicht auf 500 Pfund und dessen Wert damals auf 350 Taler geschätzt wird,
aufschlussreich, da er ein Medium zur Bewältigung eines Interessenkonfliktes zwi-
schen Kaiser, Jesuiten und Protestanten hinsichtlich der Ansprüche an Grund und
Boden sowie dessen Bewirtschaftung darstellt. Eine Konfrontation, die auch für ältere
Kronleuchter auf einer anderen Ebene bestimmend erscheint.
Die Äußerung von Lüer und Creutz, „dass im 16. Jahrhundert im Norden Deutsch-lands
51
nichts Hervorragendes entstanden ist“ , ist angesichts des fehlenden Nachwei-
48 O. v. Falke, Das spätgotische Kunstgewerbe im 15. Jahrhundert, E. Eisen, Erz, Zinn, in: Illustrierte
Geschichte des Kunstgewerbes, 2 Bde., Hg. G. Lehnert, Berlin 1909, Bd. 1, S. 405 ff. – insbes.
S. 410 f.
49 H.-G. Griep, Ein Goslarer Kronleuchter in Münnerstadt, in: Harz-Zeitschrift, Jg. 13, Hg. K. W. San-
ders, Bad Harzburg 1961, S. 103–117 mit Bildtafeln, s. insbes. S. 106 (Ergänzung Zentralfigur) und
S. 110 ff. (Verhüttung und Aufbereitung der Erze). – Nach Angabe des Verfassers dieses Textbeitra-
ges handelt es sich dabei um eine Neufassung des gleichnamigen Aufsatzes von V. C. Habicht, Han-
nover.
50 R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie und der künstlerischen Arbeiten in Messing (Dinande-
ries) in Aachen und den Ländern zwischen Maas und Rhein von der Römerzeit bis zur Gegenwart (Mit
13 Abbildungen), Aachen 1909, S. 28, 128, 130 u. Taf. 8. – Zur Bedeutung des Nürnberger Mes-
singgusses, s. H. Stafski, Der künstlerische Messingguss, in: Nürnberg – Geschichte einer europäi-
schen Stadt, Hg. G. Pfeiffer, München 1971, S. 229–235.
51 H. Lüer/M. Creutz (1904), Bd. 1, S. 455. Diese Äußerung, die allen voran auf den Bronzeguss des 16.
Jahrhunderts gemünzt ist, lässt eine Gegenüberstellung mit regionalen Erzeugnissen – wie zum Beispiel in
Mölln/Schleswig-Holstein, Ev. St. Nikolaikirche, Bronzetaufe (1509) von Peter Wulf, Lü-beck oder in
Plau/Mecklenburg, Ev. Stadtkirche, Bronzefünte (1570), Rotgießer Evert Wichtendahl aus Plau
zugeschrieben – vermissen. Siehe G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Ham-
Einleitung Seite 14
ses und der in dieser Kronleuchterstudie exemplarisch genannten Objekte aus Metall
in Norddeutschland vorerst nicht haltbar. In Hinsicht auf die so genannten schönen
Kleingeräte aus Messing wäre allerdings eine Präzisierung erforderlich. So wären
Wandleuchter unter diesem Gesichtspunkt zu untersuchen – unter anderen jene des
Hans Meißner aus Braunschweig in der Evangelischen Stephanikirche in Oster-
wiek/Sachsen-Anhalt von 1567 oder die des Dominicus Slodt in der Evangelischen St.
Marien-Kirchen in Barth/Mecklenburg-Vorpommern von 1588. Als weitere Bei-spiele
sind zu nennen: Stralsund, Evangelische St. Marien-Kirche, „Salvator mundi“, 1557;
Otterndorf/Niedersachsen, Evangelische St. Severi-Kirche, „Büttel“, 1572;
Buxtehude/Niedersachsen, Evangelische St. Petri-Kirche, „gekrönter, heraldischer
Doppel-Adler“, 1589 von Hans Bars; Barth, Evangelische St. Marien-Kirche, „Greif“
52
1589/1590 von Dominicus Slodt.
Gleichwohl ließen sich bisher weder persönliche Daten noch die Wirkungskreise die-
ser Metallgießer ermitteln. Tatsächlich muten die vielfach stereotypen Bekrönungsfi-
guren etlicher anderer Schaftkronleuchter dieser Zeit zunächst wie unbedeutende
Serienprodukte an. Außer einer formalen Gruppenzugehörigkeit – die zu definieren
ist – sind sie häufig nur anhand geringfügiger Unterschiede in der Modellierung oder
der Weiterbearbeitung mittels Gravuren zu differenzieren. Und diese lassen in ihrer
teils minimalistischen, teils dominierenden Ausführung zunächst keinen größeren
kunsthandwerklichen Anspruch erkennen. Diesen sprechen Lüer und Creuz in ihrem
Hinweis auf den Anteil Nürnbergs an der Entstehung von Messingkronleuchtern des
17. Jahrhunderts in Reval und Rostock indirekt an.
burg, Schleswig-Holstein (1994), S. 630. – Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzog-
tums Mecklenburg-Schwerin, IV. Band, 2. Aufl., Schwerin i. M. 1901. – G. Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg (1980), S. 274.
52 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt, Kunstdenkmäler, Der Bezirk
Magdeburg (1974), S. 323. – Mit Ausnahme einer Rechnung, Register vom 20. Juli 1602 im Archiv
der Ev. St. Marien-Kirche in Barth, s. Anhang 1–3 und als Mitsiegler einer im Stadtarchiv der Hanse-
stadt Stralsund bewahrten Urkunde von 1594 konnten bisher keine weiteren Angaben zur Person des
Dominicus Slodt ermittelt werden – auch nicht unter Berücksichtigung einer unterschiedlichen
Schreibweise des Namens, s. HSTA St. Marien 157, Urkunde.
53 H. E. Benesch, Das Beleuchtungswesen vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, in: RDK, Bd. 2,
Wiesbaden 1905.
54 H. Bergner, Handbuch der kirchlichen Kunstaltertümer in Deutschland, Leipzig 1905, S. 338 ff. –
Ders., Ausstattung, kirchliche, in: RGG I (1909), S. 811–813.
Einleitung Seite 15
Die Vergegenwärtigung der Themenstellung ist wichtig, um den folgenden Satz als
Grenze der Recherche und nicht als Grenze der Verbreitung von Metall-Kronleuchtern
zu verstehen: „Eine besondere Zierde der meisten Kirchen Westdeutschlands, Bel-
giens und der Niederlande bilden noch heute jene effektvollen messingnen Kron-
56
leuchter, welche im 15. Jahrhundert entstanden.“ Denn die – siebzehn Seiten wei-
ter in Kapitel VI des Werkes dargestellten – Zusammenhänge zwischen der Auswan-
derung protestantischer Kupfermeister und den Auswirkungen der Gegenreformation
am Beispiel des Niedergangs der Aachener und des Aufblühens der Stolberger Mes-
singindustrie finden auch später in Stralsund eine gewisse Entsprechung.
So kann im Rahmen der hier vorliegenden Studie ein bisher unveröffentlichtes Proto-
koll des Jahres 1720 vorgestellt werden, das Auskunft über das Bestreben des Glo-
cken- und Rotgießers Jochim Nitzken aus Nürnberg gibt, Meister in Stralsund zu
werden. Im Zuge der Befragung durch Senat und Polizei der Hansestadt beschreibt
er die Stationen seiner 11-jährigen Wanderung zwischen Italien und Dänemark, und
es wird notiert: „... in Wien hatte er auch 6 Wochen gearbeitet, weil aber die Catholi-
sche Religion floriret, hätte er nicht länger sich da auffhalten wollen von da wärr er
57
nach Breslau gereiset ...“
Diese Korrelation zwischen religionspolitischen und sozioökonomischen Aspekten er-
scheint nicht allein bedeutsam für das Metallgewerbe an sich, sondern auch für die
Entstehung und Verbreitung bestimmter Figurentypen auf Schaftkronleuchtern aus
Metall.
55 J. v. Falke (1888), S. 142 f. – R. A. Peltzer (1909), S. 130. – Radleuchter, s. G. Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen, München 1992, S. 430. – Ders., Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler Sachsen-Anhalt, Bd. I, Der Bezirk Magdeburg, Unveränderter Nachdruck
des Bandes „Der Bezirk Magdeburg“ München/Berlin 1974, S. 145. – Ders.: Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler Westfalen, Unveränderte Neuaufl. und Nachdruck, München 1986, S. 363.
56 R. A. Peltzer (1909), S. 127.
57 HSTA Rep. 16, 263.
Einleitung Seite 16
Nach der Zerstörung Dinants als bedeutender Stätte der Messingverarbeitung und
der Abwanderung von Metallgießern – zunächst nach Stolberg/Aachen – weist Peltzer
insbesondere Nürnberg den entscheidenden Anteil an der Metallveredlung anhand
technischer Neuerungen wie zum Beispiel dem Metallbrennen zu. Da es aber im Be-
reich der Alchemie niemanden gab, der nicht auf die Geheimhaltung profitabler Ent-
deckungen bedacht war, die in der bildenden Kunst nachweislich die Arcanisten in
der Porzellanherstellung kennzeichnet, beanspruchen neben der genannten auch an-
dere Stätten der Metallverarbeitung für sich, besonderen Anteil an diesen oder ver-
gleichbaren Innovationen zu haben – wie zum Beispiel der Rammelsberger Bergbau
im Harz. Dort heißt es, dass zur Messingerzeugung der Zusatz von pulverisiertem
Galmei, das mit feiner Holzkohle vermengt und mit Kupfer verschmolzen wird, eine
besondere Hitzeentwicklung mit sich bringt. Und diese wiederum erlaubt, dass die
verschiedenen Schmelzpunkte von Galmei und Kupfer erreicht werden, um Messing
58
zu erzeugen.
Erklärungen dafür bieten nicht zuletzt die Abgrenzung zu den Mansfelder Erzen, die
als hochwertiger eingestuft werden, die Tradition des Rammelsberger Bergbaus und
die Nähe zu den mittelalterlichen Zentren des Bronzegusses, Hildesheim und Magde-
59
burg.
In Nürnberg hat der Bronzeguss mit der Erzgießerfamilie Vischer von 1453 an hun-
dert Jahre lang Tradition, ist weit über Deutschland hinaus führend und beinflusst die
Rotgießer vor Ort. Vereinzelt werden an anderer Stelle einige ihrer Namen – wie zum
Beispiel Hans von Cöln/Köln zu Nürnberg (Lüneburg, Evangelische St. Johannes-
Kirche, Kronleuchter, Messing, 1515; Salzwedel, Evangelischen Marien-Kirche, Bron-
zetaufe, 1520) oder Johann Müller aus Nürnberg – mit Norddeutschland in Verbin-
dung gebracht. Der Name dieses Kupfermeisters des 17. Jahrhunderts ist inschriftlich
auf einem Kronleuchter der Evangelischen Kirche in Klüss/Mecklenburg-Vorpommern
(möglicherweise mit Aufenthaltsort Kiel/Schleswig-Holstein) überliefert Im Anschluss
an Schlie erwähnen Lüer und Creutz die Kronleuchter der Evangelischen St. Jacobi-
Kirche in Rostock (1602 und 1603) sowie darüber hinaus fünf Kronleuchter der Evan-
gelische St. Nikolai-Kirche in Reval als nachweisbare Nürnberger Arbeiten – ohne je-
doch diesen Nachweis zu erbringen. Forschungsbedarf besteht in diesem Zusam-
menhang ferner in Bezug auf die vage Zuordnung eines Schaftkronleuchters (Stif-
tung des Jahres 1704) nach Deutschland oder Holland. Unter den im Jahre 1915 ver-
öffentlichten Merkzeichen der Nürnberger Rotschmiede zu den Signaturen der Mes-
singgusswaren des 16. bis 19. Jahrhunderts beziehen sich etliche auf Leuchtenma-
58 H.-G. Griep (1956), S. 111. – In der französischen Staatsgießerei wird mit dessen Leiter, einem
gewissen Keller aus Zürich (1683–1702), die Erfindung einer neuen Legierung aus Kupfer und Zink
mit einem geringen Zinn- und Bleigehalt in Verbindung gebracht, s. O. v. Falke (1935/1989), S. 107.
59 U. Mende, Die Türzieher des Mittelalters (1981). – H. Asmus, 1200 Jahre Magdeburg, Bd. 1, Die
Jahre 805 bis 1631, in: H. Asmus/M. Wille, 1200 Jahre Magdeburg, Von der Kaiserpfalz zur Landes-
hauptstadt, 2 Bde., Magdeburg 2000, S. 186 ff.
Einleitung Seite 17
cher, die dort verzeichnet sind. Die zuvor genannten Namen sind dort nicht vertre-
60
ten.
Sehr aufschlussreich ist die Arbeit des Jahres 1922 von Hüseler zum Amt der Ham-
burger Rotgießer insofern, als hier das Kunsthandwerk in Hamburg des 16. bis 18.
Jahrhunderts Gegenstand der Betrachtung ist. Es wird – wie schon 1767 in Sprengels
61
Werk „Handwerke und Künste“ – auf Grund handwerklicher Techniken, das heißt
anhand der zum Guss verwandten Form, zwischen Rot- und Gelbgießern unterschie-
den. Danach weist das Arbeiten in einer Lehmform, die kräftiger, aber stets für jeden
Guss neu anzufertigen ist, den Rotgießer als Kunsthandwerker aus. Hüseler kommt
zu der Auffassung, dass Rotgießer daher auf Bestellung und selten für den direkten
Marktverkauf gearbeitet haben. Letzteres aber war den Gelbgießern möglich. Auf
diese Weise untermauert Hüseler die Einschätzungen Brinckmanns zum Stellenwert
dieser Metallgießer in Hamburg. Er stellt fest, dass das Amt der Rotgießer schon lan-
ge vor 1573 Anschluss an vergleichbare Einrichtungen der slawischen Städte und
innerhalb des Niedersächsischen Reichskreises die Rolle einer höheren Instanz inner-
62
halb des Metallgewerbes inne hat. Indem aus Urkunden und Akten die Geschichte
des Amtes der Rotgießer dargestellt wird, bietet sich eine gute Grundlage, die Ent-
stehung des Amtes der Gelbgießer während des 17. Jahrhunderts in Norddeutschland
nachzuvollziehen und für weitere Studien anhand der chronologisch und alphabetisch
gegliederten Matrikel der Metallgießer. Doch ihre Viten sind weitestgehend uner-
forscht.
60 Geschichte der technischen Künste, Bd. 3, Hg. B. Bucher, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1893, S. 93. – Die
Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, Bd. III, 2. Aufl., Schwerin
1900, S. 219 f.: „Kronleuchter von Messing mit dem Doppeladler bekrönt. An der Krone dasselbe Wappen
mit der Jahreszahl 1658 wie an den Leuchtern, dazu die Inschrift: CHRISTOF NA-SAV RITMEISTER / JOHAN
MVLLER VON NIRNBERG HAT (lt. Inventar von 1811 DIESE KRONE IN KIEL GEMACHT). Der Schluss fehlt
jetzt, dafür liest man: DIESE KRONE IST VON F. PAEPKE IN GRA-BOW REPARIRT 1823.“ – Die Kunst- und
Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, Bd. I., 2. verb. u. verm. Aufl., Schwerin
1898, S. 98. – Ebd., S. 127, weist F. Schlie im Zusammenhang mit den Kronleuchtern der Ev. St. Petri-
Kirche in Rostock auf eine Verschlimmbesse-rung von Messingkronleuchtern durch Vergoldung hin und
erwähnt hier die evangelischen Kirchen St. Jacobi, St. Marien und St. Nikolai zu Rostock. – H. Lüer/M.
Creutz (1904), S. 494. – Die Datierungen der in der Nikolaikirche in Reval erhaltenen Kronleuchter: 1615,
1645, 1648, 1651, 1692. – Dan-marks Kirker. Sonderjylland. Kunsthistorisk Oversigt og Registre,
Kopenhagen o.J., S. 316. – R. Vollbrecht, Die zwei großen Kronleuchter der Bozener Pfarrkirche, in: Der
Schlern 20, 1946 (7), S. 220 f.:“ Der eine dieser Kronleuchter ist signiert von Sebastian Denner, Nürnberg
1675.“ – R. Schel-ler, Die Brauerkrone der Marienkirche zu Köslin, in: Pommern 23, 1985 (2), S. 2906. Ein
Messing-kronleuchter, der inzwischen verloren gilt, wird nach Nürnberg lokalisiert, um 1606. – W. Stengel,
Die Merkzeichen der Nürnberger Rotschmiede, in: Festschrift für Gustav von Bezold zu seinem 70.
Geburtstag (17. Juli 1918), Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg 1918.
S. 107–155. – E. Egg, Nürnberger Messingwaren in Tirol, in: Anzeiger des Germanischen National-
museums Nürnberg (1965), S. 52–59.
61 P. N. Sprengel, Handwerke und Künste in Tabellen, Berlin 1769-1778, Ausst.-Kat. München 1989,
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Hg. Bayerisches Nationalmuseum München (Bildführer
15).
62 K. Hüseler, Das Amt der Hamburger Rotgießer, Hamburg 1922, S. 16 f. – S. Erixon, Mässing, 1943,
S. 19.
Einleitung Seite 18
Weitere Namen von Metallgießern und insbesondere die der Gelbgießer in Lübeck
63
sind in der Sammlung Ed. Hach enthalten. Diese ist an sich den ungedruckten
Quellen zuzuordnen, erhält aber an dieser Stelle eine weitere Bedeutung angesichts
der Studien von Hüseler zum Amt der Rotgießer und zur Differenzierung von Gelb-
64
gießern in Hamburg sowie von Philippsen zu Schleswiger Zinn- und Rotgießern , wo
für die Stadt an der Schlei die Herausbildung des Kronengießers als Spezialberuf
65
festgestellt wird.
Mit der Darstellung „Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der
66
Auffassung des Mittelalters“ aus dem Jahre 1924 thematisiert Sauer aus theologi-
scher Sicht den Begriff „Symbolik“ in seiner Entwicklung – unter anderem anhand der
Schriften des Wilhelm Durandus (gest. 1332) und des Sicardus von Cremona (1158-
1215). Die in Anlehnung an das Alte Testament geschilderte christozentrische
Lichtsymbolik ist unstrittig. Sie wird allerdings als ursprünglicher Entstehungsgrund
der Kronleuchter hinterfragt. Sauer schließt angesichts der Formenvielfalt von Kron-
leuchtern eine Mehrdeutigkeit nicht aus, doch steht dieser eine Trennung zwischen
einer Ikonographie tragender Elemente, das heißt Kugel, Schaft, Leuchterarmen und
Aufhängung, und morphologisch untergeordneter, das heißt scheinbar bedeutungslo-
ser Zierelemente gegenüber. Licht bewirkt eine verbesserte Wahrnehmung und kann
als Beleuchtung auch der Erleuchtung dienlich sein.
67
1927 erscheint eine Beleuchtungskörper-Stilkunde von Schmid.
Aus schwedischer Perspektive weist im Jahre 1943 Erixon in seinem Buch „Mässing.
Svenska Manufakturer och Konsthantverksprodukter under 400 år.“ auf die fehlende
Erforschung der in Deutschland vorhandenen und/oder gefertigten Messingerzeug-
68
nisse – insbesondere Kronleuchter – hin. Und er betont ausdrücklich die Relevanz
des Quellenstudiums und größer angelegter Untersuchungen zu diesem Stoffgebiet,
um die stilkritischen Studien zu Messingkronleuchtern und die daran zum Teil sich
abzeichnende Zusammenarbeit zwischen Schweden und Deutschland, insbesondere
mit Aachen und Lübeck, in Hamburg zusätzlich aufzeigen und belegen zu können.
Denn, so stellt Erixon fest, es sei auf dem Festland bisher – das heißt bis zur Veröf-
fentlichung des Buches im Jahre 1943 – nicht gelungen, Messingerzeugnisse be-
stimmten Werkstätten zuzuordnen oder eine Hauptproduktionsstätte zu lokalisieren,
gleichwohl Aachen und Nürnberg seit 1466 als Synonym für Dinant zu stehen schei-
63 St.A. HL, Slg. Ed. Hach 98, Handwerker. Hier liegt ein Verzeichnis von Gelbgießermeistern in Lübeck
der Jahre 1647–1833 vor. Die Auflistung ist mit Zeitabständen von einem bis fünf Jahren nicht lü-
ckenlos. Die Jahre 1674, 1686, 1752 und 1759 sind mit jeweils einem Namen für Frühjahr und
Herbst doppelt aufgeführt; der größte Intervall besteht zwischen 1791 und 1814.
6
4
H. Philippsen, Schleswiger Zinn- und Rotgießer, in: Nordelbingen 4 (1935), S. 626–635.
6 Ebd., S. 632.
5
66 J. Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters,
Mit Berücksichtigung von Honorius Augustodunensis, Sicardus und Durandus, 2. verm. Aufl., Frei-
burg/Br. 1924. – Vgl. J. Brinckmann, Hamburg 1894, S. 761.
67 G. Schmid, a.a.O.
68 S. Erixon, Mässing. Svenska Manufakturer och Kosthantverksprodukter under 400 ar, Stock-
holm/Malmö 1943, S. 187, 19, 32.
Einleitung Seite 19
nen und für Lübeck der Nachweis fehlt. Erixon schlägt daher eine systematische Un-
tersuchung der so genannten Kirchenkronleuchter vor.
Obschon Braun in „Das christliche Altargerät“ unter „vasa non sacra“ im zweiten Ab-
schnitt gemäß der Kapitelüberschrift von Leuchtern ausschließlich Altarleuchter – und
damit zusammenhängend Akolythenleuchter – abhandelt, sind mit seinen Ausfüh-
rungen auch Anhaltspunkte für das Verständnis von figürlichen Motiven resp. Bekrö-
69
nungen auf Schaftkronleuchtern gesetzt.
Nur wenigen figürlichen und ornamentalen Elementen an (Stand-)Leuchtern spricht
Braun Symbolcharakter zu. Stattdessen sieht er die Gestaltung dieser Geräte über-
wiegend in der Schmuckfreude der jeweiligen Epoche begründet. Als zusätzliche Er-
klärung dienen ihm die sich häufig wiederholenden Motive mittelalterlicher Bauplas-
tik. Hier wie dort schließt er Ansätze einer Interpretation des Dargestellten als Kampf
zwischen „Gut und Böse“ weitgehend aus, da dies nicht Intention des Objekts, viel-
mehr des Betrachters sei.
Eine Häufung bestimmter Formen, Figuren und Motive ist auch an einem Großteil
früh-neuzeitlicher Schaftkronleuchter aus Messing zu finden – in Norddeutschland
ebenso wie im benachbarten Ausland. Obschon in diesem Motivschatz mehrerer
hundert Kronleuchter sowohl segnende als auch kriegerische Statuetten vorkommen,
sind darunter nur wenige Motive als Inbegriff dieses Schwarz-Weiß-Denkens bekannt
– z. B. Stade, Evangelische St. Cosmae et Damiani-Kirche, Kronleuchter „Erzengel
Mi-chael“, 1660 und Stadthagen, Evangelische Kirche, Kronleuchter „Heiliger Georg“,
wohl Ende 16. Jahrhundert. Dort ist der Kampf zwischen Gut und Böse narrativ – in
der Überwältigung des Lindwurms – als Figurengruppe dargestellt. Ob in diesem Sin-
ne die auf frühneuzeitlichen Schaftkronleuchtern stärker repräsentierten Soldaten
unter dem Aspekt der Tugend im eigentlichen Sinne und im Kontext der Unterschei-
dung zwischen Gut und Böse ebenso zu betrachten sind?
Mit stilkundlichen Aufsätzen über Beleuchtungsgeräte hat Jarmuth seit 1953 zur Auf-
70
nahme kunstgeschichtlicher Themen in die Zeitschrift „Lichttechnik“ beigetragen.
Spannend, aber in Deutschland offensichtlich nur kurze Zeit im öffentlichen Bewusst-
sein ist seine Darstellung zur Bergung jener Winkelarmkronleuchter, die Ende des
69 J. Braun, Das christliche Altargerät, München 1950, S. 492 ff. – Vgl. P. Bloch, Siebenarmige Leuchter
in christlichen Kirchen, in: Wallraf-Richartz-JB. 23/1961, S. 55-190. – Zur Darstellung hl. Georg auf
Kronleuchtern, s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen
(1992), S. 1232: Kronleuchter, wohl Ende des 16. Jahrhunderts und ebd., S. 1222: Kronleuchter „hl.
Michael“, um 1660, Vgl.: Danmarks Kirker, Arhus Amt, 3. Bd., Kopenhagen 1976. S. 1177 f und
1180 mit Abb.: spätgotischer Tabernakelkronleuchter mit Zentralfigur „St. Jürgen“ und Vogel als
Topfigur. – Die Kunst- und Kulturdenkmäler der Provinz Pommern, Kreis Kammin (Land), Stettin
1939, S. 139 und 170 mit Abb. 1061: Kronleuchter „Hl. Georg“, Ende 17. Jahrhundert; gilt als Stif-
tung von 1704 des Kupferschmieds.
70 K. Jarmuth, Lübecker Leuchten vom Meeresgrund, in: Lichttechnik. 21. Jg., H. 1. Berlin 1969, S. 72–
74. – Ders., Lübecker Leuchten vom Meeresgrund, in: Lichttechnik, 22. Jg., H. 5, Berlin 1970, S. 250
f. – Ders., Lübecker Leuchten vom Meeresgrund, in: Lichttechnik, 23. Jg., H. 10, Berlin 1971, S.
342. – Bemühungen, respektive Schreiben hinsichtlich einer Kontaktaufnahme (1999/2000) zum
Museum in Zadar, das lt. Jarmuth die Bergung des Schiffswracks und der Kollis mit 350 Einzelteilen
von Leuchtern leitete sowie Recherchen zu diesbezüglichen Dokumentationen von Sofija Petricioli,
Zadar blieben ohne Resonanz.
Einleitung Seite 20
16. Jahrhunderts bei einer Havarie im Adriatischen Meer versunken waren. Jarmuth
ordnet diese Leuchter mit heraldischem Doppel-Adler als Bekrönung und Löwen-
kopfmaske als Unterhang aufgrund des Kronleuchtertyps lübischer Provenienz zu.
Ferner weist er auf die Handelsbeziehungen und damit auf die Bedeutung Lübecks
hin. Zugleich gibt er zu bedenken, dass die tatsächliche Produktion bestimmter Kron-
leuchtertypen in Lübeck noch zu erforschen sei.
In Anbetracht des Titels sei hier die Diplomarbeit „Kerzenkrone der Renaissance und
des Barock im Ostseegebiet“ von Spielmann erwähnt. Diese auf die Küstenregion
Norddeutschlands konzentrierte Zusammenfassung von exemplarisch ausgewählten
71
Kronleuchtern war seinerzeit neu , wird später aber nicht wieder aufgegriffen. Sie
greift auf die bis 1956 erschienenen amtlichen Länderinventare der Bau- und Kunst-
denkmäler und auf entsprechende Fachpublikationen zurück und zeichnet die darin
zum Teil aufgestellte Typologie der Kronleuchter nach. Verhandelt werden im We-
sentlichen die aus Messing gegossenen Kronleuchter der Hansestädte in Mecklen-
burg-Vorpommern, der Hansestadt Lübeck und einzelner anderer Orte Norddeutsch-
lands. Erstmalig nach Stengel wird das Vorkommen von Landsknechtkronleuchtern
des 16. Jahrhunderts gewürdigt. Ein Exemplar im Schabbelhaus zu Lübeck ist als
72
Replikat erwähnt, mögliche Vorbilder werden nach Nürnberg lokalisiert. Die unter-
schiedlichen Gruppen von Landsknechtkronleuchtern, die einen Teil der vorliegenden
Kronleuchterstudie bilden, und Kriterien ihrer Verbreitung sind bei Spielmann kein
Gegenstand der Betrachtung.
71 H. Spielmann, Die Kerzenkrone der Renaissance und des Barock im Ostseegebiet, Dipl. Greifswald
1956.
72 W. Stengel, Nürnberger Messinggerät, in: Kunst und Handwerk, 21. Jg., H. 5–7, o.O. 1918.
73 E. Meyer, Mittelalterliche Bronzen, Bilderhefte des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg, H. III,
Nr. 38, Hamburg 1960. – Ders., Der gotische Kronleuchter in Stans, Ein Beitrag zur Geschichte der
Dinanderie, Festschrift Hans R. Hahnloser zum 60. Geburtstag 1959, Hg. E. Beer. Basel/Stuttgart
1961. – Vgl. Ausst.-Kat. München 1989, Bayerisches Nationalmuseum, Modell und Ausführung in der
Metallkunst, S. 7-34.
Einleitung Seite 21
men hatten dort zu neuen Erkenntnissen und zur differenzierten Datierung des
74
Leuchters geführt.
Innerhalb dieser drei Jahrzehnte entstanden unterschiedliche Studien zu Kronleuch-
tern. Daran werden die Komplexität des Themas und das unveränderte Interesse
deutlich, Kronleuchter als kulturgeschichtliches Phänomen zu ergründen, die Urhe-
berschaft bestimmter Kronleuchtertypen zu ermitteln und weitere Hintergründe ihrer
Verteilung einschließlich regionaler und stilistischer Einflüsse zu erhellen.
1961 findet in Gent unter dem Titel „Art du cuivre“ eine Ausstellung im Musée de la
Byloke statt, die Kunsthandwerk aus unedlem Metall gewidmet ist. Hier werden Korb-
und Tabernakelkronleuchter, das heißt Hängeleuchter mit einer Zentralfigur, als
reicher gestaltet beschrieben denn andere Leuchter, ohne dass letztere detailliert
75
vorgestellt werden.
Anders als bei bisherigen Darstellungen gilt im Rahmen einer weiteren Präsentation
mit begleitendem Katalog nicht dem Kronleuchter an sich die Aufmerksamkeit, son-
76
dern einem potentiellen Motiv desselben: „Die Wilden Leute des Mittelalters“ zeich-
nen in ihren vielfältigen Verwendungszusammenhängen im Museum für Kunst und
Gewerbe in Hamburg im Jahre 1963 ein Gegenbild des Gartens in der Kunst anläss-
lich der Internationalen Gartenbau-Ausstellung.
74 E. Lutze, Veit Stoß, o.O. 1968. – H. P. Hilger, Stadtpfarrkirche S(ank)t Nicolai in Kalkar, Kleve 1990,
S. 293.
75 Art du cuivre, Ausst.-Kat. Musee de la Byloke Gent, 1961, S. 51.
76 L. Möller, Die wilden Leute des Mittelalters, Ausst.-Kat. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
1961, S. 8–12. – Vgl. W. Bernheimer, Wild men in the Middle Ages, 1952. – T. Husband, The Wild
Men, Medieval Myth and Symbolism, Ausst.-Kat. Metropolitan Museum of Art New York (1980).
77 P. E. Bouchard, La dinanderie d’art, in: RDK, Bd. 4, Brüssel 1952. – H. R. Weihrauch, Bronze, Bron-
zeguss, Bronzeplastik, in: RDK, Bd. 2, Stuttgart 1948, Sp. 1182–1216. – Ders., Die Bildwerke in
Bronze und in anderen Metallen, Mus.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum, Bd. XIII 5, München 1956.
– Ders., Europäische Bronzestatuetten, 15.–18. Jahrhundert, Braunschweig 1967. – Vgl. Lichter,
Leuchten im Abendland, Zweitausend Jahre Beleuchtungskörper, Braunschweig (1967), S. 172
Einleitung Seite 22
83 K. Jarmuth, Lichter, Leuchter im Abendland, 1967, S. 226 u. 229. Die im Zusammenhang mit
Schaftkronleuchtern aus Messing des 17. Jahrhunderts in Norddeutschland getroffene Feststellung,
dass Engel als religiöses Motiv selten auf Kronleuchtern vorkommen, ist so nicht haltbar. Denn pro-
portional zum Gesamtbestand der Kronleuchter eines jeweiligen Bundeslandes im Norddeutschen
Tiefland sind die Gruppen der einzelnen Figurentypen annähernd gleich stark repräsentiert und wer-
den allein von der Anzahl der heraldischen Doppel-Adler übertroffen. Und zu dem dort exemplarisch
vorgestellten Kronleuchter (1665) aus Lübeck (Ev. St. Marien-Kirche, urspr. in Ev. St. Katharinen-
Kirche) wäre anzumerken, dass dessen Bekrönung angesichts des Palmzweiges eines Attributes ei-
nen Friedensengel darstellen könnte, doch die Armhaltung dieser Topfigur entspricht jener des Erz-
engels Michael als Seelenwäger. – Ebd., S. 289 ff.
84 The Wild Man, Medieval Myth and Symbolism, T. Husband. Ausst.-Kat. Metropolitan Museum of Art
New York (1980).
85 H. Ende, Die Stadtkirchen in Mecklenburg. Berlin 1984, S. 45.
86 K. Jarmuth, 1967, S. 164, 170.
Einleitung Seite 24
lern und ihrer Provenienz ansatzweise fassbar. Teils werden so neue Erkenntnisse zu
lokalen Handelsbeziehungen herausgearbeitet, teils rücken aber auch berufliche und
familiäre Bindungen der Kunsthandwerker stärker ins Blickfeld. Doch geraten die für
weitere Forschungen zum Teil wertvollen Ergebnisse heimatkundlicher Studien ohne
einen thematisch größeren Kontext häufig allzu rasch wieder in Vergessenheit.
Im Jahre 1881 werden in einem Beitrag über die kirchliche Kunst in Schleswig-
Holstein einige Kronleuchter – darunter exemplarisch zwei Kronleuchter (1667) aus
der Kirche zu Heide – vorgestellt. Die anschließende Würdigung: „Außer in Tondern
und Ratzeburg finden sich, soweit unsere Erfahrung reicht, nirgends hier zu Lande so
vorzügliche Kronleuchter.“, beschreibt zwar im Ansatz eine auf den Norden konzent-
rierte Sichtweise, zeichnet aber nicht erst nach heutigem Wissensstand ein unzuläng-
88
liches Bild tatsächlicher Quantitäten und Qualitäten in diesem Bereich. Schon im
Jahre 1886 erweitert T. Hach mit seinem Text über die kirchliche Kunstarchäologie
89
im Herzogtum Lauenburg die Kenntnis über Beleuchtungsgeräte beträchtlich.
Zu einer anderen Wahrnehmung führen um 1903 Mitteilungen in der schleswig-
holsteinischen Zeitschrift „Die Heimat“. Die Entstehung des dort beschriebenen Kron-
leuchters (1592) aus Schmiedeeisen weist über seinen praktischen Nutzen für die
Evangelische Kirche zu Heiligenhafen hinaus. Diesem Hängeleuchter, dessen Entste-
hung ursächlich auf einem Strafverdikt und der allgemeinen Erfüllung von Abgaben
gründet, stehen andere, unterschiedlich motivierte Stiftungen von Schaftkronleuch-
tern aus Messing gegenüber. Soweit erkennbar künden sowohl die Inschriften dieser
Messingleuchter als auch ggf. Aktenvermerke davon, dass es sich um freiwillige Ga-
ben handelt. Dieser Aspekt könnte sowohl im regionalen als auch im überregionalen
Vergleich eine andere Bedeutung – sowohl hinsichtlich des Stiftungswesens als auch
90
an möglicher Aussagekraft für Kronleuchter insgesamt erlangen. Weitaus häufiger
ist der Unterhalt eines Kronleuchters mittels Zinsen oder bestimmter Mengen Wachs
inschriftlich, zuweilen aktenkundlich festgelegt. Aber unter der Perspektive „Wachs-
abgaben, Wachsmengen, Wachs-Zieher“, die in der Regel eng mit Fragen der Kir-
chenbaulast sowie mit Einnahmen und Ausgaben der Kirchengemeinde verknüpft
sind, wurde die Bedeutung der Kronleuchter resp. ihrer Inschriften noch nicht syste-
matisch untersucht.
87 F. Seestern-Pauly, Aktenmäßiger Bericht über die in dem Herzogtume Holstein vorhandenen milden
Stiftungen, Schleswig 1831, S. 139.
88 F. Posselt, Die kirchliche Kunst in Schleswig-Holstein, in: Ztschr. f. S.-H.-Lauenbg. Geschichte, Bd. 1,
Kiel 1881, S. 251 ff.
89 T. Hach, Die kirchliche Kunstarchäologie des Kreises Herzogtum Lauenburg, in: Ztschr. f. S.-H.-
Lauenbg. Geschichte, Bd. 16, Kiel 1886, S. 1–194.
90 Mitteilungen: Stiftung eines Kronleuchters in die Kirche zu Heiligenhafen, in: Die Heimat, 13. Jg., Nr.
2, Kiel 1903, S. 47.
Einleitung Seite 25
Eine Denkschrift von 1918, welche die einstige Monopolstellung der Stadt Dinant für
die Messingverarbeitung würdigt, hebt die verlegerische Arbeitsorganisation als be-
währte Form auch für Kunsthandwerk kirchlicher Bestimmung hervor. Obgleich der
Doppel-Adler dort als verbreitetes Motiv vorgestellt wird, unterscheidet er sich von
der als Reichsadler bezeichneten Figur auf Schaftkronleuchtern darin, dass beide
92
Köpfe zusammen und nicht einzeln bekrönt sind, sofern hier wie dort nicht gänzlich
auf die Bügelkrone als Rangzeichen und Symbol der Souveränität verzichtet wurde.
Korns Untersuchungen zum Doppel-Adler führen in diesem Zusammenhang auf
93
Grund des zeitlich früher und geographisch ausgedehnten Faktors kaum weiter.
Wie eingangs erwähnt und wie weiter unten noch auszuführen sein wird, ist der Be-
stand und Erhaltungszustand der Schriftquellen zu Schaftkronleuchtern aus Metall
sehr unterschiedlich. Urkunden zu diesen frühneuzeitlichen Objekten in Norddeutsch-
land sind nach derzeitigem Erkenntnisstand selten. Außer jener im gedruckten
Diplomatarium von Jessien über die Unterhaltung des ältesten der insgesamt vier
94
Kronleuchter mit Wachs (1594) in Preetz weist erst Seeler in seiner Beschreibung
der barocken Kronleuchter und des gesamten Inventars der Maria-Magdalenen-
95
Kirche zu Lauenburg/Elbe von 1938 wieder auf eine Urkunde hin. Diese beiden
Schriftstücke sind kaum im Bewusstsein; sie enthalten keinerlei Erläuterungen zur
Entstehung und Gestaltung des jeweiligen Kronleuchters.
Dass ein Kronleuchter auf Grund seiner Inschrift in das Jahr 1740 umzudatieren ist,
96
erläutert Feigel 1952 in einem Artikel. In dänischen Kunstdenkmäler-Inventaren
wird hingegen mehrfach darauf hingewiesen, dass Kronleuchter und ihre Inschriften
97
nicht zwangsläufig derselben Zeit angehören müssen.
Bouchard skizziert im Reallexikon der Kunstgeschichte den Terminus technicus Di-
98
nanderie. Dieser bezeichnete ursprünglich die Messingerzeugnisse der Maasregion;
später wird er auch auf außerhalb entstandene Produkte angewendet und oft syn-
91 O. Pelka, Die Meister der Bernsteinkunst, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum
Nürnberg (1916), S. 113 f. u. Taf. XVIII u. XIX.
92 R. Graul, Die Dinanderie in Dinant, eine Denkschrift, München 1918, S. 155-175. – Vgl. C. Göttler,
Die Kunst des Fegefeuers nach der Reformation, 1996, S. 24, Anm. 6
9
3
H. E. Korn, Adler und Doppeladler, Diss., Göttingen 1969.
9 A. Jessien, Diplomatarium des Klosters Preetz, Kiel-Elmschenhagen 1838, S. 187.
4 S. Seeler, Die Maria-Magdalenen-Kirche Lauenburg (Elbe), Lauenburg 1938, S. 25 ff.
9
5
96 E. Feigel, Ein Bronzelüster aus Bingen, das Werk eines Mainzer Spenglermeisters, in: Mainzer Ztschr.
46/47 (1951/52), S. 100 f.
97 Danmarks Kirker, Sonderjylland. Kunsthistorisk oversigt, Kopenhagen o.J., S. 316.
98 P. E. Bouchard, La dinanderie d’art, in: RDK, Bd. 4, Brüssel 1952, S. 1.
Einleitung Seite 26
onym durch das Wort „cuivre poli“ als eine Art der speziellen Materialverarbeitung
99
und des künstlerischen Messinggusses ersetzt.
Hinsichtlich künstlerischer Arbeiten aus Metall, das heißt als Beispiel für Werkstattzu-
schreibungen und -traditionen ist die Arbeit über den Flensburger Glockengießers
Michel Dibler interessant. Obgleich diese vornehmlich auf die Glocken und die Tauf-
100
fünten des „königlich bestallten Büchsenmachers“ eingeht und kaum auf die ihm
101
auch zugeschriebenen Leuchter , legen einige Stücke stilistische Korrelationen na-
he. So weist die Bronzetaufe in Esgrus (1619) – wohl als Fortsetzung der Werkstatt-
Tradition durch den Sohn Marcus Dibler – in den Details Merkmale auf, die zum Teil
auch an den Löwenkopf-Masken der in der vorliegenden Studie thematisierten Kron-
102
leuchter zu finden sind. Forschungsbedarf besteht hinsichtlich weiterer Metallgie-
ßer und ihrer Werke, um mögliche Zusammenhänge in der Metallgestaltung zu er-
kennen – wie zum Beispiel zu Jochim Schmidt (Eckernförde, Evangelische St. Nikolai-
Kirche, Löwenkopf-Türzieher, 1621), Laurenz Karsten (Husum, Evangelische Markt-
kirche, Taufe, 1643 – nach Holzmodellen von B. Cornelissen und Zweitguß in Hatt-
stedt, Evangelische St. Marien-Kirche Hattstedt, Taufe, 1647) oder in Bezug auf je-
ne, die nachweislich Kronleuchter fertigten – wie zum Beispiel Borchart Gelgießer
(1585–1613/Dänemark), Johann Nikolaus Bieber (1725–1808), Hans/Johann Müller
(ca. 1635–1674) in Norddeutschland. Es fällt auf, dass mit Ausnahme einzelner Auf-
sätze oder weniger Monographien die Tätigkeit der Metallgießer als Kronengießer
kaum untersucht ist und Recherchen unter dem Stichwort „Glockengießer“ erfolgrei-
cher sein dürften.
Im Jahre 1960 werden die Kronleuchter (1638 und 1661) nebst dem Wandleuchter
„heiliger Georg“ (1655) der Evangelischen St. Nikolai-Kirche Kiel in einem Beitrag
ausführlich in ihrer Gestaltung und gemäß ihrer ursprünglichen Hängung beschrieben
und abgebildet. In diesem Zusammenhang wird der Marien-Leuchter, der 1495 mit-
103
ten in der Kirche hing, nicht erwähnt.
1961 erscheint in der Festschrift für Hans R. Hahnloser ein Beitrag von Meyer über
104
den gotischen Kronleuchter in Stans. Dieser und der im Folgenden genannte Auf-
satz weisen am Beispiel lokaler Kronleuchter über den Ortsbezug hinaus. Dennoch
erscheinen Werkstattzuschreibungen fast unmöglich.
Im gleichen Jahr veröffentlicht Griep neue Erkenntnisse über den Goslarer Kron-
105
leuchter in Münnerstadt. Er stellt fest, „dass Kronleuchter noch niemals das Objekt
einer speziellen Untersuchung waren“, und begründet so „erhebliche Schwierigkei-
ten“ bei stilkritischen Analysen. In diesem Zusammenhang schlägt er eine Typologie
der Kronleuchter vor, die Fragen handwerklich-technischer Voraussetzungen und der
traditionellen Lehre einbezieht.
104 E. Meyer, Der gotische Leuchter in Stans, Ein Beitrag zur Geschichte der Dinanderie, in:
Festschrift Hans R. Hahnloser, Zum 60. Geburtstag 1959, Hg. E. Beer, Stuttgart 1961.
105 H. G. Griep, a.a.O.
106 F. Michaelsen, Die Festung Glückstadt, in: Glückstadt im Wandel der Zeiten, Bd. 1, Hg. Stadt
Glück-
stadt, Glückstadt 1963, S. 83. Insbes. – Ders., Die Glückstädter Lichterkronen, in: Steinburger Jahr-
buch, 9. Jg. Itzehoe 1965, S. 91–99. Diesem Hinweis weiter nachzugehen, ist im Rahmen der vorlie-
genden Studie kein Erfolg beschieden: Lt. Antwortschreiben (24.02.2000) des Archivdirektors Hans-
Joachim Hacker, Stadtarchiv der Hansestadt Stralsund, kommt der Name Johann Lehmeyer in den
archivalischen Findmitteln nicht vor.
107 E. Egg, Nürnberger Messingwaren in Tirol, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums
Nürn-berg (1965), S. 52–59.
108 L. v. Döry, Ein Mainzer Kronleuchter von 1748, Seine entwicklungsgeschichtliche Stellung und
sein plastischer Schmuck, in: Mainzer Ztschr. 60/61 (1965/66), S. 145–150, 7 Abb.
109 Ders., 1966, Camberg, Pfarrkirche – Ein Messingleuchter von Conrad Müller († 1762 in Mainz)
mit vergoldeter Holzfigur des Hl. Sebastian von Johann Caspar Hiernle (1710–55). Anhang:
Rechnungs-auszüge.
110 C. Waagepetersen, Lysekroner i Skandinavien fra Gotik til Klunketig, Gyldendal 1969.
111 E. Schlee, Der Bildhauer Hans Ochs, in: Nordelbingen 46 (1977), S. 36–48, insbes. S. 37 – U.
Kuhl,
Bildhauer und Bildschnitzer im Dienst der Gottorfer Herzöge, in: Gottorf im Glanz des Barock. Kunst
und Kultur am Schleswiger Hof 1544–1713, Bd. 1, Die Herzöge und ihre Sammlungen, Ausst.-Kat.
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Hg. H. Spielmann/ J. Drees, Schleswig
1997, S. 192–209, S. 195 insbes.
Einleitung Seite 28
Während der folgenden Jahrzehnte erscheinen Kronleuchter rein deskriptiv und eher
beiläufig in unterschiedlichen Publikationen. Nach wie vor sind nur vereinzelt Ansätze
einer ikonographischen Fragestellung vorhanden. Als Beispiel wäre hier ein Aufsatz
von 1981 zu nennen, in dem der Doppel-Adler als Topfigur des Kronleuchters in Be-
ziehung zur mündlich überlieferten und mittels genealogischer Bande nachvollzoge-
nen Stiftung Friedrich des Großen von Preußen für den damaligen holsteinischen
Statthalter, Markgraf Friedrich Ernst von Brandenburg-Kulmbach (um 1745/85), ge-
112
setzt wird. Der Kronleuchter in der Kirche zu Hohenaspe wird ursprünglich in das
herrschaftliche Anwesen Drage/Friedrichsruh lokalisiert.
1985 wird die nicht mehr erhaltene so genannte Brauerkrone der Marienkirche zu
113
Köslin/Pommern als Nürnberger Arbeit von 1606 beschrieben.
In seinen Ausführungen zur Werkstatt Peter Vischers d. Ä. – unter Berücksichtigung
des Kronleuchters in der Lorenzkirche zu Nürnberg– umreißt Wixom 1986 unter an-
derem Zusammenhänge zwischen den Bereichen Messingproduktion, -handwerk und
114
-erzeugnisse. Auch an anderer Stelle – teils durch Inschriften und Dokumentatio-
nen – werden Verbindungen zu Nürnberg immer wieder bestätigt. 1988 erscheint
115
eine Dokumentation der Kronleuchter in der Kirche zu Westerbur , 1989 der Auf-
116
satz „Lysekroner i Rømø Sct. Clemenskirke/Dänemark“ .
Schaftkronleuchter des 16. bis 18. Jahrhunderts sind überwiegend aus Messing und
werden den Gelbgussarbeiten zugeordnet.
112 B. Langmaack, Gedanken über den Kronleuchter in der Kirche zu Hohenaspe, in: Steinburger
Jahr-buch, 25. Jg., Itzehoe 1980, S. 277–280.
113 R. Scheller, Die Brauerkrone der Marienkirche zu Köslin, in: Pommern 23 (1985).
114 W. D. Wixom, Nürnberger Messingarbeiten, in: Nürnberg 1300–1550: Kunst der Gotik und
Renais-sance, Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (1986), S.75–79. Vgl. S. 392
und s. auch S. 332: Drachenleuchter (1522) von A. Dürer. – Siehe auch: H. Stafski, Der
künstlerische Mes-singguss, in: Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt, Hg. G. Pfeiffer,
München 1971, S. 229–235.
115 Ebd.
116 F. J. Falk, Lysekroner i Rømøs Sct., Clemenskirke (Föhr 1989).
Einleitung Seite 29
Wenige Jahre später unterscheidet Hüseler anhand der Metallverarbeitung, dass Glo-
ckengießer im Gegensatz zu Gelbgießern sich nicht mit kleinteiliger Produktion be-
fassten. Letztere ist Ausgangsbasis der aus einzelnen Modulen zusammengesetzten
Schaftkronleuchter.
Umgekehrt sind etliche Namen von Gießern bekannt, ohne dass die ihnen archiva-
lisch zugeordneten kunsthandwerklichen Arbeiten präzise dargestellt oder gar er-
117
kennbar erhalten sind.
Die Tatsache, dass nur wenige Exemplare im Kronleuchterbestand signiert und aus
diesem kaum Pendants zu ermitteln sind, lässt eine generelle Zuordnung zu Metall-
gießern und Werkstätten unmöglich erscheinen. Erschwerend wirken sich zudem die
ursächlich in der manuellen Nachbearbeitung begründeten Unregelmäßigkeiten an
Kronleuchtermodellen aus, so dass eine Händescheidung oftmals ausgeschlossen
erscheint. Die bisher kaum beachtete Mobilität der Kunsthandwerker und Auftragge-
ber über Landesgrenzen hinaus sowie der unterschiedlich motivierte Entstehungshin-
tergrund von Schaftkronleuchtern erfordert einen größeren Forschungsrahmen.
117 S. Erixon, 1943, S. 32. – R. Haupt, Bd. 3 (Register, hier: Gießer), 1889. – J. Brinckmann,
1894, S.
761. – J. Faulwasser, 1894. – Thieme-Becker, Bd. 8, 1918, S. 328 und Bd. 27, 1933, S. 265. – K.
Hüseler, 1922, S. 2 f., 8, 14 ff. – H. Philippsen, 1928, S. 633. – F. Michaelsen, 1963. – Ders., 1965,
S. 91-99. – KD Niedersachsen, Landkreis Stade, (Textbd.), 1965, S. 591. – C. A. Meier, 1984, S.
165 ff. (= Quellen 18-22). – KD Hamburg, 1968 (Ev. Kirchen St. Katharinen, St. Jacobi), S. 267 f. –
K. Jarmuth, 1967, S. 126, 160 ff., 173. – Ders., Lübecker Leuchten vom Meeresgrund, in: Lichttech-
nik, Jge. 21-23, 1969-1971, S. 72 ff. (1969), 250 f. (1970), 342 f. (1971).
118 KD Lübeck, Bd. IV, 1928, S. 359, 554, 596. – Vgl. K. Hüseler, 1922, S. 15. – T. Raff, 1994, S.
46 ff.
Einleitung Seite 30
Hier wären insbesondere die Erkenntnisse über die Beziehung zwischen Einfalls- und
Reflektionswinkel in Licht und Beleuchtungstechnik von Leonardo da Vinci (1452–
1515), die Einführung des Begriffes Elektrizität bei geriebenen Körpern wie Bernstein
durch William Gilbert (1544–1603) und insbesondere die Formulierung und Veröf-
fentlichung der Brechungsgesetze des Lichts durch Thomas Harriot (1560–1621),
Willebrordus Snellius (Snell van Rojen, 1580–1626), René Descartes (1596–1650) zu
nennen.
120
Interessante Aspekte enthalten die Studie „Die Sprache der Materialien“ von Raff
und Untersuchungen der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, zum Beispiel: die
121 122
Entstehung und Ausbreitung der Alchemie und die Herstellung des Messings ,
die allerdings nicht im Zusammenhang mit Kronleuchtern erarbeitet wurden, aber in
Be-tracht zu ziehen sind.
Dass „die Formung des Erzes eine der schwierigsten künstlerischen Arbeitsweise ü-
berhaupt ist“, indem die für das Endprodukt relevante Eigenfarbe des Metalls hervor-
geholt wird, ohne dass einzelne Arbeitsvorgänge für den Betrachter sichtbar vollzo-
119 Lichter und Leuchter, Entwicklungsgeschichte und Technik eines alten Kulturgutes, Arnsberg
1987, –
H. Holländer, 2000.
120 T. Raff, München 1994, S. 38, 61 ff. – N. Gramaccini, Zur Ikonologie der Bronze im Mittelalter,
in: Städel-Jb., N.F. 11 (1987), S. 147–170. – Siehe auch: G. Bandmann, Bemerkungen zu einer
Ikono-logie des Materials, in: Städel-Jb., N.F., Bd. 2 (1969), S. 75 ff.
121 S. Krifka, Das Labor – Ort des Experiments, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, Hg. H.
Hollän-der, 2000, S. 755–771, insbes. S. 757.
122 Vannoccio Biringuccio, De la pirotechnia, Libri X, Venedig 1540, Dt.: Biringuccios Pirotechnia,
Ein Lehrbuch der chemisch-metallurgischen Technologie und des Artilleriewesens aus dem 16.
Jahrhun-dert, übers. v. O. Johannsen, Braunschweig 1925, S. 79 (s. dort Lit.hinweis: E. v.
Lippmann, Entste-hung und Ausbreitung der Alchemie, Berlin 1919 (Beiträge zur Geschichte der
Naturwissenschaften und Technik. Berlin 1923), S. 570) und s. Harburger Jahrbuch 1996, S. 48. –
Siehe Krifka, Zur Kon-struktion der Natur in wissenschaftlichen Experimenten, in: Erkenntnis,
Erfindung, Konstruktion. Hg.
H. Holländer, 2000, S. 725–753.
Einleitung Seite 31
gen werden, darauf lenkte im Jahre 1928 die Publikation „Gestaltung des Erzes und
123
ihre Grundlagen“ den Blick. Sie erlangt für die Wahrnehmung von Kronleuchtern
des 16. bis 18. Jahrhunderts aus Metall in Norddeutschland einen neuen Stellenwert
angesichts jüngerer Forschungen zu Handelsverbindungen sowie zu Schwerpunkten
124
der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa zwischen 1500 und 1650.
Kupferlegierungen mit Zink, das heißt Messing oder mit Zinn, das heißt Bronze – die
Verarbeitung beider Materialien zeichnet sich durch eine lange Tradition der Herstel-
125
lung und Verwendung aus.
Das besondere Interesse an einer künstlerischen Verarbeitung unedler Metalle sieht
der Kunsthistoriograph, Maler und Architekt Giorgio Vasari (1511-1574) im sozialen
126
Aufstieg sowie im Wettstreit der Künste begründet.
Daran scheinen geschichts- und kunstwissenschaftliche Untersuchungen zu Beginn
des 20. Jahrhunderts insofern anzuknüpfen, als sie auf Zusammenhänge zwischen
der Geheimhaltung von technischen Neuerungen in der Metallverarbeitung und der
127
Herausbildung führender Produktionsstätten im Metallgewerbe verweisen.
Jüngere Forschungen haben ergeben, dass Mitte des 16. Jahrhunderts insbesondere
die Gewinnung von Zink als Zinkspat oder -blende – anstelle des Zinkerzes – eine
Innovation im Bergbau darstellt und die daraus resultierenden Veränderungen in der
128
Veredelung der Rohstoffe zur Blütezeit des Messings führen. Hilfreich sind ferner
129
Analysen zu Kleinbronzen in Europa und vereinzelte Aufsätze und Monographien
130
zum Metallgewerbe.
Da unterschiedliche Schwierigkeitsgrade in der Verarbeitung der unedlen Metalle
Bronze und Messing einerseits sowie gegenüber jener der Edelmetalle andererseits
bestehen, sind insbesondere folgende Darstellungen hervorzuheben: „Metall im
Kunsthandwerk des Nachmittelalters“ als Einführung zur Ausstellung „Modell und
Ausführung in der Metallkunst“ sowie die Studien zur Bildgeschichte von Naturwis-
senschaften und Technik vom 16. bis zum 18. Jahrhundert „Erkenntnis, Erfindung,
123 Die Gestaltung des Erzes und ihre technischen Grundlagen, Sammlung Kluge, Berlin/Leipzig
1928, S. 6 ff.
124 H. Kellenbenz (Hg.), Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa:
1500– 1650, Köln/Wien 1977.
125
R. A. Peltzer, 1909, S. 16 ff.
126
W. Paatz, 1930, S. 67.
127
R. A. Peltzer, 1909, S. 138. – H. G. Griep, 1961, S. 110.
128 Z. Lovag, 1979, S. 51 ff. – L. Jardine, Der Glanz der Renaissance, 1999, S. 45. – H. Holländer,
Kommentare und Notizen zur Bildgeschichte des Bergbaus, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion,
2000, S. 643-671, insbes. S. 646.
129 H. R. Weihrauch, Art, Bronze, Bronzeguß, Bronzeplastik, in: RDK, Bd. 2, 1948, Sp. 1182-1216.
– Ders., Die Bildwerke in Bronze und in anderen Metallen, München 1956.
130 W. Paatz, Lübeckische Bronzeproduktion, 1930, S. 67. – J. Warncke, Zinngießer in Lübeck,
Lübeck 1922. – U. Mende, Minden oder Helmarshausen, Bronzeleuchter aus der Werkstatt Rogers
von Hel-marshausen, in: Jb. d. Berliner Museen, Bd. 31, Berlin 1989, S. 61–85. – Von allen Seiten
gleich schön, Bronzen der Renaissance und des Barock, Ausst.-Kat., Berlin 1996. – J. Stüben, Ein
verlore-ner Standleuchter aus der Werkstatt des Hamburger Metallgießers Hermann Bonstede in der
alten Kirche zu Uetersen, in: Nordelbingen 68 (1999), S. 11–27.
Einleitung Seite 32
131
Konstruktion“ ; dort werden unter anderem die wichtigen frühen Darstellungen zur
Technik des Bronzegusses zusammengefasst, insbesondere der „Codex Atlanticus“
von Leonardo da Vinci (1452–1519), „De la pirotechnia“ von Vannocio Biringuccio
132
(1480–1538) und „De re metallica“ des Georg Agricola (1494–1555). Diese Werke
sind sowohl relevante historische Dokumente zur Metallverarbeitung als auch maß-
geblich an der Wertschätzung unedler Metalle beteiligt.
Vor diesem Hintergrund ist angesichts der sehr starken Verbreitung von Kronleuch-
tern aus Metall in evangelischen Kirchen die Beziehung Martin Luthers zur wirt-
133
schafts-, sozial- und kunstgeschichtlichen Rolle des Bergbaus interessant.
Hinsichtlich der Entstehung und Verteilung von Kronleuchtern aus Metall werden in
den unterschiedlichen Publikationen seit Mitte des 20. Jahrhunderts abweichende
Ansichten vertreten. In erster Linie gelten wirtschaftliche Faktoren, das heißt insbe-
sondere ausbaufähige Handelsbeziehungen, als grundlegend. Hier stellt sich die Fra-
ge, ob Metallgießer nach ihren ausbildungsbedingten Wanderjahren als Arcanisten –
und zugleich im Interesse der Konjunktur – quasi zusammen mit den entsprechen-
den Exportgütern auf Reisen gingen.
Desgleichen wäre aus dieser Perspektive die Verbreitung bestimmter Motive durch
die Druckgraphik zu untersuchen. Erixon bemerkt im Zusammenhang mit gotischen
Kronleuchtern aus Metall: „I det stora hela rader en märklig överensstämmelse i typ
och detaljer mellan de gotiska ljuskronorna inom hela deras utbredningsomrade i
134
Tyskland, Belgien, Holland, England och Skandinavien samt Finland.“
Unstrittig scheinen daher die Auffassungen zur kunstgeographischen Ausbreitung der
Leuchter. Im Wesentlichen geht man davon aus, dass sie von niederrheinischen Ge-
135
bieten und der Maasregion ausgingen – insbesondere von Dinant als ursprüngli-
chem Zentrum der Metallverarbeitung bis 1466. Dabei wird eine wechselseitige Be-
einflussung mit anderen Ländern, so auch Deutschland, nicht ausgeschlossen, aber
auch nur anhand weniger Objekte unterschiedlicher Epochen exemplifiziert. Dies
deckt das Spektrum der Kronleuchter nicht ab und wäre anhand von Werkstatt-
Zuschreibungen zu spezifizieren.
Inwieweit also traditionelle Stätten des Bergbaus eng mit Monopolbildungen ver-
knüpft sind und – mehr noch – inwieweit jene des Metallgusses Anteil an der Form-
gebung und Verbreitung der Metallkronleuchter in Norddeutschland haben, gehört zu
den für diese Region nicht abschließend beantworteten Fragen.
131
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat., Bayerisches Nationalmuseum München
(1989), – Hg. H. Holländer, 2000.
132 C. Schneider, Die Gusstechnik, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Hg. H. Holländer,
a.a.O., S. 573–678.
133 „... von daher bin ich ...“, Martin Luther und der Bergbau im Mansfelder Land, Ausst.-Kat. 7 u.
H. 7 Stiftung Luthergedenkstätten Sachsen-Anhalt/Martin-Luther-Sterbehaus Eisleben, Hg. R. Knape,
Eis-leben 2000.
134 S. Erixon, 1943, S. 32. – K. Jarmuth, 1967, S. 187. – Vgl. J. v. Bonsdorff, Kunstproduktion
und Kunstverbreitung im Ostseeraum des Spätmittelalters, Helsinki-Helsingfors 1993.
135 S. Erixon, a.a.O., S. 54 (Messingwerk Skultuna/Dalarne wurde 1607 gegründet).
Einleitung Seite 33
1.3 Quellen
1.3.1 Schriftquellen
136 Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein, Stadt Flensburg, Hg. P. Hirschfeld,
München 1954, S. 127. – F. J. Falk, Lysekroner i Rømø Sct. Clemenskirke, Wyk/Föhr (1989), Text
Nr. 3, Abb. 12 f. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Hamburg, Schleswig-
Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., München 1994, S. 404. – Siehe LKA EKvW 4, 46 Nr. 5, 1
pag. 67 Andreas Kamm, Bielefeld übersandte im Rahmen seiner Studien zu Kronleuchtern aus
Messing in Westfalen der Verfasserin Ende 2003 einige Auszüge aus Archivalien.
137 Schaftkronleuchter mit heraldischem Doppel-Adler als Stiftungen von Bürgermeistern und
Ratsver-wandten kommen vor in Bernau, Ev. Kirche, Kronleuchter 1599, s. Die Kunstdenkmäler der
Provinz Mark Brandenburg, Kreis Niederbarnim, Berlin 1939, S. 86. – Eberswalde, Ev. Kirche, sog.
Ratskron-leuchter und Schumacherkronleuchter nur noch fragmentarisch erhalten. Ihre
ursprüngliche Gestal-tung ist unbekannt. Die männlichen Köpfe als flachgeschnittenes Zierelement
der Leuchterarme könnten auf die Bekrönung „Heraldischer Doppel-Adler“ hindeuten, denn nur in
dieser Kombination kommen vergleichbare Profile an Kronleuchtern vor, s. Inventar der Bau- und
Kunstdenkmäler in der Provinz Brandenburg, Berlin 1885, S. 330. – Flensburg, Ev. St. Marien-
Kirche, Kronleuchter (W) 1687 – und nicht 18. Jahrhundert, s. G. Dehio, Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler Hamburg, Schleswig-Holstein, 1994, S. 250. – Lauenburg, Ev. St. Maria-
Magdalenen-Kirche, Kronleuchter 1658, s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler
Schleswig-Holstein, Hamburg, Schles-wig-Holstein, a.a.O., S. 420. – Lütjenburg, Ev. St. Michaelis-
Kirche, Kronleuchter 1674, s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Schleswig-
Holstein. Hamburg, Schleswig-Holstein, a.a.O.,
Einleitung Seite 34
S. 614. Präzise Angaben zur Gestaltung dieser Kronleuchter in Schleswig-Holstein samt Inschriften,
s. R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein einschließlich Herzogtum
Lauenburg, 6 Bde., Kiel 1887 ff. – Und es sind ferner Ende des 19. Jahrhunderts insgesamt 16
Schaftkronleuchter des 17. Jahrhunderts, davon 15 mit dem „Reichsadler“ und 1 mit „Jupiter auf Ad-
ler“ als Ausstattung der Jüdischen Synagoge in Worms inventarisiert. – Siehe Kunstdenkmäler im
Großherzogtum Hessen, Provinz Rheinhessen, Kreis Worms, Darmstadt 1887, S. 263. – Vgl. G. De-
hio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Rheinland-Pfalz, Saarland, 2., bearb. und erw. Aufl.,
München 1984, S. 1177 ff. Es wird infolge der beiden Weltkriege (1914/18 und 1939/45) wohl nicht
mehr zu klären sein, ob diese Kronleuchter Originale oder Replikate darstellen, die möglicherweise
im 18. Jahrhundert erworben wurden, als mit Einführung der Predigt in Landessprache infolge der
jüdischen Emanzipationsbewegung auch die Kulträume entsprechend verändert wurden, s. dazu: Le-
xikon der Kunst, Bd. 7, München 1996, S. 160 f.
138 A. Jessien, Diplomatarium des Klosters Preetz, Kiel-Elmschenhagen 1838, S. 187 f.
139 Mitteilungen d. Gesellsch. f. Kieler Stadtgesch., Kiel 1908. – Lauenburg/Elbe, Archiv der Ev. St.
Ma-ria-Magdalenen-Kirchengemeinde, 5133, Beleuchtung, Nr. 959/768: Urkunde Stiftung Jürgen
Doch-termann, s. Abb. 47.
140 Berdum/Ostfriesland, Archiv der ev. Kirchengemeinde, KR I a 3, Berdumer
Kirchenrechnungsbuch 1762–1868: Kronleuchter 1771. Bestandteil der Fotodokumentation zu
Restaurierungsmaßnahmen an Kronleuchtern; 1998 von Firma Paul Oelmann & Sohn, Bielefeld zur
Verfügung gestellt, nach Rücksprache mit dem Kirchenvorstand der Ev. Kirche in Berdum.
Einleitung Seite 35
Sofern kirchliche Akten nicht als Depositum kommunaler Archive erkennbar sind,
ergibt das bisher dort recherchierte Schriftgut nur vereinzelt Aufschluss über die als
Kleinbetriebe wohl doch schwer fassbaren Werkstätten. Andernorts sprechen die er-
haltenen Selbstzeugnisse und die darin genannten Aufenthaltsorte der Metallgießer
für eine Fortsetzung der Recherchen.
Die in den Landes-, Kreis- und Stadtarchiven verwahrte Korrespondenz mit Gesu-
chen der Handwerker an die Obrigkeit um Schutz und Anerkennung ihrer Person und
Profession erstreckt sich vielfach über mehrere Seiten. Während einerseits die Her-
ausbildung des Kronengießers als eigener Berufsstand festgestellt werden konnte,
scheint diese Spezialisierung andernorts nicht abgeschlossen oder nicht vordringlich.
Infolgedessen bedarf es gleichzeitig verschiedener Suchkriterien – wie zum Beispiel
„Glockengießerei“ –, um mittels weiterer Quellen bisherige Feststellungen zur
Verbreitung, Ikonographie oder Provenienz von Kronleuchtern erhärten oder widerle-
gen zu können. Auch hinsichtlich der hier eingehender vorgestellten Kronleuchter mit
profanen Motiven sind die Recherchen noch nicht abgeschlossen.
Weitere Fragen ergeben sich zum Beispiel aus der auch als gedruckte Quelle verfüg-
baren Reisebeschreibung „Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Ge-
sandtschaft beim Schah, 1633–1639“ des Adam Olearius (1599–1671). Dort wird als
eines unter mehreren Gastgeschenken der Gesandten ein Kronleuchter mit dreißig
141
Armen und eingebauter Uhr (!) erwähnt. Eine derartige Komposition ist für Nord-
deutschland als Kunstgut nicht inventarisiert; eine gewisse Vorstellung davon dürfte
ein Kronleuchter (1610; 1750 gestiftet) in der Heilig-Geist-Kirche in Kopenhagen
vermitteln (Abb. 119). Teile des Uhrwerks bestätigen die frühe Datierung dieses
Kronleuchters. Weitere Beispiele dieser Art werden anhand von Inventarverzeichnis-
sen verschiedenen Gemächern auf Schloss Frederiksborg/Dänemark zugeordnet, und
141 Adam Olearius: Vermehrte Newe Beschreibung der Moscowitischen und persianischen Reyse
Zum
andern mahl herauß gegeben durch A. O. (Schleswig) 1656, S. 508: „Des Herrn Gesandten Brüg-
mans Geschencke. ... 2. Eine grosse messinge gantz vergüldete Liecht-Krone mit 30 Armen, so drey-
fach über einander mit Bildern und silbern Laubwerck besetzet und schön gezieret. Im Knopff war
eine Uhr so die Stunden und Viertel schlug.“ – Vgl. Adam Olearius, Moskowitische und Persische Rei-
se, Die Holsteinische Gesandtschaft beim Schah, 1633–1639, Hg. D. Haberland. Stuttgart/Wien
1986, S. 251, 22. Hier ist neben der Beschreibung eines Kronleuchters als Gastgeschenk des Weite-
ren die Verbindung zwischen Olearius und Kielmann interessant. Johann Adolph Kielmann von Kiel-
mannsegg (1612-1676) stiftete Kronleuchter (1661) in den Dom zu Schleswig. – Vgl. Kronleuchter-
details mit Exemplaren in Kiel, evangelische St. Nikolaikirche und Rendsburg, evangelische Christkir-
che. – D. Haberland weist darauf hin, dass diese Reisebeschreibungen ein erhebliches Maß Barockli-
teratur widerspiegeln. Vgl. dazu F. Kochwasser, Die holsteinische Gesandtschaftsreise 1633/1639. –
Adam Olearius, Vermehrte Newe Beschreibung der Muscowitischen und Persischen Reyse, Schleswig
1656. – O. Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, Kiel 1981, S. 184 f. und 189. – D. Lohmeier, A-
dam Olearius, in: Gottorf im Glanz des Barock, Kunst und Kultur am Schleswiger Hof 1544–1713,
Bd. 1, Die Herzöge und ihre Sammlungen, Ausst.-Kat. Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum
(199), S. 348–353. Es sind ferner zur Beurteilung diplomatischer Beziehungen der Neuzeit diese Un-
tersuchungen hilfreich: G. Mattingly, Renaissance Diplomacy, London (1954). – Siehe L. Gielham-
mer, Deutsche Gesandte in Iran, Zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutsch-
land und Iran, München 1960, S. 273–275, insbes. S. 274. Hg. D. Lohmeier. Tübingen 1971.
Einleitung Seite 36
1.3.2 Bildquellen
143
Neben der Erzgießerschale , auf der Abläufe des komplizierten Bronzegusses an-
schaulich dargestellt sind, und jenen Abbildungen, die in den Schriften namhafter
Autoren der Renaissance die einzelnen Arbeitsabläufe der Metallverarbeitung – ins-
144
besondere der Messingproduktion – schildern , können Bildquellen die Herstellung
oder die Verwendungszusammenhänge von Kronleuchtern aus Metall vermitteln.
Sehr häufig werden daher die Graphiken des Ständebuchs von Jost Amman (1539–
1591, Zürich) und das Gemälde „Die Hochzeit des Giovanni Arnolfini und der Giovan-
na Cenami“ (1434) des Jan van Eyck (1390–1441) als präzise Beispiele für
Schaftkronleuchter präsentiert und kaum die Darstellungen von Kirchen-Interieurs
des Emanuel de Witte (1607–1692) mit ihren flüchtig wiedergegebenen Kugelkron-
145
leuchtern. Beleuchtungsgeräte in Sakralgebäuden werden öfter dargestellt als sol-
che in profanen Wohn- und Repräsentationsräumen.
Die Herkunft der Schaftkronleuchter und ihrer weltlichen Bekrönungen ist nicht ein-
deutig geklärt. So wurde das besagte Gemälde van Eycks lange als zeitgenössisches
Dokument der Wohnkultur des 15. Jahrhunderts und der ersten Schaftkronleuchter
im profanen Ambiente betrachtet. Demgegenüber hebt die jüngere kunstwissen-
schaftliche Forschung anhand auffälliger Darstellungsdetails die rechtliche Kompo-
nente hervor. Insofern sollen die genannten Werke hier erneut einbezogen werden,
um an ihnen den mehrdeutigen Aussagegehalt derartiger Bildquellen zum Kunst-
handwerk zu verdeutlichen.
Andere Beispiele wurden während der Vorbereitung dieser Studie en passant zu-
sammengetragen und werden weiter unten genannt. Diese wären nicht nur um wei-
tere Darstellungen zu ergänzen, sondern auch genauer zu beschreiben und zu analy-
sieren. Tendenziell stehen die in der Bildkunst wiedergegebenen Kronleuchter (aus
Metall) über ihren dekorativen Charakter und Zeugniswert hinaus – indirekt auch zur
Entwicklung der Beleuchtungsgeräte – mit wichtigen Handlungen und damit zusam-
146
menhängenden Rechtsfragen in Verbindung. Diese Korrelation könnte auch die
142 Danmarks Kirker, København, Bd. 1, Kopenhagen 1945–58, S. 694 ff. sowie Abb. 119 der
vorliegen-den Kronleuchterstudie.
143 C. Schneider, Die Gusstechnik, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, Hg. H. Holländer,
a.a.O., S. 673–687, hier S. 673.
144 Dies., a.a.O., S. 675 ff.
145 Eygentliche Beschreibung aller Staend auff Erden, Nürnberg 1568, Nachdruck München 1923
(Holz-schnitte von Jost Amman). – Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat.
Bayerisches Na-tionalmuseum München (1989). s. Abb. Frontispiz.
146 In einer Beschreibung der Hohenzollerischen Hochzeit (1598) in Hechingen heißt es: „Von der
Decke hängen zwei Messingleuchter mit vierzehn Kerzen ...“, s. I. Loesch, So war es Sitte in der
Renais-sance, Leipzig 1965, S. 109.
Einleitung Seite 37
Die Graphiken von Jost Amman oder Christoph Weigel (1654–1725, Nürnberg) illust-
rieren in Druckwerken zur Beschreibung der Stände unter anderem die Tätigkeiten
der Leuchtenmacher und der Rotschmied-Drechsler oder Messing-Schaber im Bereich
der Messingverarbeitung. Sie geben so auch Einblick in die Anfertigung einzelner
Kronleuchter-Module, wobei der Weigel’sche Kupferstich „Der Leuchtenmacher“ un-
vollständige Schaftkronen abbildet, die mit einer großen Kugel am unteren Ende ab-
schließen und dem Barock zuzuordnen sind. Sollte dies die mehrfach erwähnte verle-
gerische Arbeitsorganisation der Metall verarbeitenden Berufe dokumentieren, so
scheint die zeittypische Grundform eines Kronleuchters demnach vom Hersteller
festgelegt und verfügbar, ohne dass ältere Modelle noch zur Auswahl stehen. Denn
die Winkelarmkronen der Renaissance sind dort zum Beispiel nicht abgebildet. Es sei
denn, dass die Provenienz der zuvor genannten Graphiken nicht nur Rückschlüsse
auf das Aufgabengebiet des Kronengießers an sich, sondern auch auf die Produkti-
onsstätte, die kunstgeographische Verbreitung oder den Erhalt eines bestimmten
Kronleuchtertyps zulässt.
Die Graphiken bieten keine Hinweise zum Motivschatz eines Kronleuchters. Aber die
dort unvollständig wiedergegebenen Kronleuchter könnten darauf hindeuten, dass
ihre weitere Gestaltung an anderer Stelle und nach Belieben der Auftraggeber ausge-
führt wurde.
Die den Darstellungen jeweils zugeordneten Sinnsprüche geben Aufschluss über die
Voraussetzungen für qualitätvolle Messingerzeugnisse, die dem Berufsstand zur Ehre
gereichen.
Während diese Abbildungen die verschiedenen Fachbereiche und -berufe und inso-
fern Sozialgeschichte veranschaulichen, belegen in Norddeutschland einige Schrift-
quellen die dort offensichtlich übliche Praxis. So sind namentlich bekannte Metallgie-
ßer dadurch charakterisiert, dass sie die von Amman illustrierten Facetten dieses
Aufgabengebietes in ihrer Person und Werkstatt (notgedrungen) vereinen. Gleich-
wohl stellt Philippsen in Schleswig die Herausbildung des Kronengießers als Spezial-
147
beruf fest.
Darstellungen einzelner zeittypischer und vollständiger Kronleuchter kommen in un-
terschiedlichen Sujets und Medien vor. Selten jedoch sind sie so realistisch wieder-
gegeben wie auf den Gemälden „Die Hochzeit des Giovanni Arnolfini und der Giovan-
na Cenami“ (1434) von Jan van Eyck und „Letztes Abendmahl“ (1464/67) von Dirk
148
Bouts. Infolgedessen werden diese Darstellungen in etlichen Untersuchungen zur
Thematik Kronleuchter in erster Linie herangezogen, um Datierungen oder den Ur-
sprung von Schaftkronleuchtern aus Metall als Ausdruck standesspezifischer (Wohn-)
149
Kultur zu belegen. Denn diese weichen morphologisch und bedingt auch iko-
nographisch von den eindeutigen Kirchenkronleuchtern der Gotik ab. Zu diesen Kron-
leuchtern kultischen Ursprungs gehören als Sonderform die Marienleuchter, die in
Westeuropa vornehmlich als Tabernakelkronleuchter das Abbild eines Sakralgebäu-
des resp. eines Sakramentshauses wiedergeben. In Osteuropa sind die Korbkron-
leuchter als Anspielung auf die Wurzel Jesse und die Rosenhag-Madonna stärker ver-
breitet. Bereits in spätgotischer Zeit kommen Schaftkronleuchter aus Metall mit den
Bekrönungsfiguren der Muttergottes oder eines sitzenden Löwen vor.
Eine differenziertere Bildbetrachtung vermittelt Büttner, und diese trägt zu einer neuen
151
Wahrnehmung von Kronleuchtern bei. Er analysiert das besagte Arnolfi-ni’sche
Hochzeitsbild der Gebrüder van Eyck über die diesem Gemälde zugeschriebe-ne
Dokumentation bürgerlichen Besitzstandes hinaus anhand der in Spiegelbild und
Schriftzug festgehaltenen Zeugenschaft als Darstellung eines Rechtsaktes. Indem er
dabei auf die einzelne Kerze des Kronleuchters als Brautkerze verweist, artikuliert er in
der Korrelation von Kronleuchter und Wachs ein Phänomen, das auch in Nord-
152
deutschland mittels anderer Rechtszusammenhänge anschaulich belegt werden kann.
Hinsichtlich der nahezu in fotorealistischer Maltechnik dokumentierten Hoch-
zeit des Arnolfini erhebt sich die Frage, ob nicht gerade diese Komposition von In-
nenraum und Menschenbild – die als Einzelsujets und als Charakteristika im Œuvre
der Gebrüder van Eyck gelten – über ihre Aufgabe einer Bilddokumentation des Inte-
rieurs hinaus auch den daraus abzuleitenden Aspekt der Rechtsfähigkeit darstellt.
Gerade diese Zusammenhänge erscheinen richtungsweisend für die Einordnung be-
stimmter Bekrönungsfiguren auf frühneuzeitliche Schaftkronleuchter aus Metall resp.
Motivschatz über kunsthandwerkliche Qualitäten hinaus auf ihren Verwendungszu-
sammenhang hin zu untersuchen.
Weniger differenziert sind Kronleuchter aus Metall zum Beispiel in folgenden Zusam-
menhängen dargestellt: auf dem Tafelgemälde „Verkündigung“ (um 1500) eines
153
Westfälischen Meisters für die Außenseite eines Flügelaltars , bei Lucas Cranachs d.
154
Ä „Martyrium des Apostel Themas“ (Holzschnitt, um 1512) in „Kleine Holzschnitt-
passion“ (1509/11), „Fußwaschung“ von Albrecht Dürer und deren Übertragung von
155
Hans Brüggemann in den Bordesholmer Altar (1521) im Dom zu Schleswig oder
zum Beispiel in einer Miniatur aus dem Ratsbuch der Stadt Augsburg (1545) von Jörg
Breu d. J. Unter dem Titel „De fem sanser“ (Die fünf Sinne) stellt Bassen (1590-
1652) unter anderem einen Kronleuchter aus Metall mit einer Haltefaust als Aufhän-
gung sowie ein Kohlebecken als Bestandteile eines holländischen Interieurs dar. Ver-
gleichbares Inventar ist zum Teil auch in einigen evangelischen Kirchen Dänemarks
sowie in Norddeutschland erhalten.
Einen Kugelkronleuchter ohne Bekrönung zeigt das Gemälde „En Drengeskole“ von
Frantz Clein (1582–1658).
Der Kronleuchter, der auf dem Gemälde „Das Fest des Herodes“ von Jaques Bellange
(1594–1638) zu sehen ist, könnte in der Gegenüberstellung zu den dort dargestell-
ten Waffen und Musikinstrumenten ebenfalls aus Metall gefertigt sein. Weibliche Sta-
156
tuetten scheinen den Schaft dieses Leuchters zu umgeben.
marck Dar to gaff Hans Schimmelpennyngk vefftich marck.“ – Mitteilungen, Stiftung eines Kron-
leuchters in der Kirche zu Heiligenhafen, in: Die Heimat, 13. Jg., Nr. 2 (1903), S. 47.
153 Dortmunder Kunstbesitz II, Erwerbungen 1958–1963, Ausst.-Kat. Museum für Kunst und
Kulturge-schichte, Dortmund 1963, Kat.-Nr. 21.
154 H. Appuhn, Einführung in die Ikonographie der mittelalterlichen Kunst in Deutschland,
Darmstadt 1979, S. 37.
155 J. Rosenfeld, Das Bordesholmer Hochaltarretabel: Hans Brüggemann, Albrecht Dürer und die
Reta-
belbaukunst in den Niederlanden und am Niederrhein, in: Der Bordesholmer Altar des Hans Brügge-
mann, Begleitband der Ausstellung „Der Bordesholmer Altar des Hans Brüggemann, Werk und Wir-
kung, Hg. U. Albrecht, Kiel 1996, S. 71–86, hier: 75, Abb. 6. – U. Wolff-Thomsen, Die bildliche Re-
zeption des Bordesholmer Retabels im 19. Jahrhundert: Ein Kunstwerk im Zeitalter seiner techni-
schen Reproduzierbarkeit, in: Der Bordesholmer Altar des Hans Brüggemann, 1996, S. 241–283,
hier S. 256.
156 Kunst und Kunsthandwerk, Meisterwerke im Bayerischen Nationalmuseum, Mus.-Kat.
Bayerisches Nationalmuseum München (1955), Abb. 88 und S. 59. – Fredensborg/Dänemark,
Rittersaal, s. in der Gegenüberstellung zu den Inventarstücken des Gemäldes: Kohlebecken, Bronze,
1491 mit Inschrift in der Ev. Kirche St. Petrus in Landkirchen/Fehmarn und Kronleuchter mit
Haltefaust – wie zum Bei-spiel in der Kirche St. Olai, Helsingør/Dänemark. – Enzyklopädie der
Weltkunst, Renaissance und Ba-rock, Bd. 6., Weinheim/Österreich o.J., S. 2750.
Einleitung Seite 40
157 Meisterwerke europäischer Graphik 15.–18. Jahrhundert aus dem Besitz des
Kupferstichkabinetts Coburg, 200 Jahre Coburger Kupferstichkabinett 1775–1975, Ausst.-Kat. Veste
Coburg 1975, Kat.-Nr. 174. – Anthonie de Lorme (1605–1673) „Inneres einer Kirche“, 1643, Öl auf
Eichenholz, 41,5 x 50,5 cm, Landesmuseum Oldenburg 15.686; Gerard Dou (1613–1675) „Die
Wassersüchtige“, Louvre Paris; Emanuel de Witte (1617–1692) „Die Oude Kerk in Amsterdam“,
1659, Malerei auf Leinwand 60,5 X 75,5 cm; Hamburger Kunsthalle; Ders., „Predigt in einer
reformierten Kirche“, 1670, Malerei auf Leinwand, 120,5 x 103,8 cm; Hamburger Kunsthalle; Ders.,
„Eine reformierte Kirche“, Eichen-holz 42 x 32,5 cm, Hamburger Kunsthalle; Gerrit Berckheyde
(1638–1698), „Die Bavokerk in Haar-lem“, Malerei auf Eichenholz 51,5 x 39,8 cm, Hamburger
Kunsthalle; Adolf Friedrich Teichs, „Kaiser Karl V. am Grabe Luthers“, Lutherhalle Wittenburg;
Stadtkirche Glückstadt, Emporengemälde, „Be-schneidung“, Detail aus dem Bilderzyklus in
Anlehnung an den Kupferstich von Hendrik Goltzius – s.o.
158 Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 1, Kreis Kempen, Geldern, Moers, Kleve, Düsseldorf
1892, S. 448, Abb. 10. – De Nederlandse Monumenten van geschiedenis en kunst, Deel II, De Pro-
vince Utrecht, Eerste Stuk, De Gemeente Utrecht, De Dom van Utrecht, Gravenhage 1965, S. 228 f.,
352. – H. Schmidt, Ludwig Dettmann, in: Nordelbingen 19 (1950), S. 53, 120. – Die Bau- und
Kunstdenkmale in der DDR, Bezirk Potsdam, a.a.O., S. 113. – Danmarks Kirker, Ribe Amt, 2. Bd.
Kopenhagen 1974, S. 1087.
159 H. H. Mann, Optische Instrumente, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Hg. H. Holländer,
a.a.O., S. 357–407, S. 381, Abb. 19.
160 Mus.-Kat. Rijksmuseum het Catharijneconvent, Utrecht 1983, S. 78 f.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 41
2. Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze des 16. bis 18. Jahr-
hunderts in Norddeutschland
Die Verarbeitung von Messing und Bronze ist nicht an den Ort des Bergbaus gebun-
163
den.
161 Vannoccio Biringuccio, De la pirotechnia, Libri X, Venedig 1540, dt. Übers. Braunschweig 1925,
S. 79 ff. – Z. Lovag, 1979, S. 51 ff. – W. D. Wixom, 1986, S. 75. – Modell und Ausführung in der
Metall-kunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum München (1989), S. 8 f. – W. Hofmann, Die
Kron-leuchter der Klosterkirche zum Heiligen Kreuz der Hansestadt Rostock, Befunddokumentation,
Res-taurierungsplan, Wolgast 1997. – R. A. Peltzer, 1909, S. 12. – Z. Lovag, Mittelalterliche Bronze-
kunst, Budapest 1979, S. 51 ff. – Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches
Nationalmuseum München 1989, S. 8. – T. Raff, 1994, S. 15 und Anm. 25.
162 R. A. Peltzer, 1909, S. 21. – W. D. Wixom, Nürnberger Messingarbeiten, 1986, S. 75.
163 H. Schmidt/H. Dickmann, Bronze- und Eisenguss. Bilder aus dem Werden der Gießtechnik, Ein
Be-richt über die „Historische Sonderschau der Internationalen Gießereifachmesse 1956“, Düsseldorf
1958. – Mittelalterliche Bronzen, Bilderhefte des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg (1960),
S. 4. – H.-G. Griep, 1961, S. 110. Entgegen der häufigen Darstellung, dass in erster Linie fremdes
Kupfer zur Messingproduktion gehandelt werde, beschreibt Griep für die Metallverarbeitung im Harz
die Verwendung einheimischen Kupfers und Zink. Und er führt weiter aus, dass es anfangs Schwie-
rigkeiten bei der Verhüttung gegeben habe und Galmeierz importiert wurde, obschon seit dem Mit-
telalter Galmei-Hütten im Harz nachweisbar seien. – O. Werner, Analyse mittelalterlicher Bronzen
und Messinge, 1977. – A. Timm, Die Bedeutung des Mansfelder Kupfers zwischen 1500 und 1630,
in: Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650. Hg. H. Kel-
lenbenz, 1977, S. 184–189. – W. D. Wixom, 1986, S. 76.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 42
Die rötliche Farbe des Kupfers bleibt sowohl bei einer Legierung mit Zink (1-7 %) als
auch mit Zinn erhalten (vgl. Kronleuchter mit gekröntem heraldischem Doppel-Adler,
bewaffneten Subfiguren auf der unteren Nutenscheibe und Löwenkopf-Maske
/Leuchterarm im südlichen Querhaus der Evangelischen St. Severin-Kirche in Ham-
burg Kirchwerder). Der Zusatz von Zink verleiht – bei einem Anteil zwischen zwei
und vier Prozent – der Bronze ähnliche physikalische Eigenschaften wie Messing und
die Möglichkeit, eine ausdruckstarke Patina anzusetzen. Messing gilt als korrosions-
beständig – werden Anteile von Zinn hinzugefügt, entstehen Übergänge zur Bronze.
Ein prozentual steigender Anteil von Zink bewirkt bei der Legierung mit Kupfer insbe-
sondere dessen Farbveränderung von Rot nach Gelb sowie eine Differenzierung der
gelben Farbtöne, wobei ein Über- oder Unterschreiten der hinzuzufügenden Anteile in
weißliche oder rötliche Farbtöne umschlagen kann. So entspricht Messing bei einem
50-prozentigen Zinkgehalt optisch dem Edelmetall Gold. Messing ist jedoch wesent-
lich kostengünstiger, da unter anderem in größeren Mengen verfügbar; denn einige
Bestandteile des Buntmetalls fallen quasi als Abfälle bei der Gewinnung von Silbererz
164
an.
Neben diesen wirtschaftlichen Aspekten werden die physikalischen Eigenschaften des
Kupfers als Hauptbestandteil des Messings und der Bronze, das heißt Härte und
Dehnbarkeit geschätzt. Kupferlegierungen besitzen eine bestimmbare Beschaffenheit
und eignen sich daher als Gebrauchsmetall. Die Bearbeitungsfähigkeit mit Schneide-
werkzeugen (Feile u.a.) kann durch Zusätze von Blei verbessert werden.
Messing ist leicht und blasenfrei zu gießen, da es dünn fließt. Es ist deshalb für Ar-
beiten nach einem Modell im Formkasten geeignet und infolgedessen als hauptsächli-
cher Werkstoff für die im Baukastensystem konzipierten neuzeitlichen Schaftkron-
leuchter anzusehen. Wobei von den üblichen drei Arten des so hergestellten Guss-
messings die als „cuivre poli“ bezeichnete Legierung mit einem Zinkanteil von we-
nigstens dreißig bis gut fünfzig Prozent für Schaftkronleuchter des 16. bis 18. Jahr-
hunderts in Norddeutschland in Frage gekommen sein dürfte. Dieses Mischungsver-
hältnis zeichnet sich durch besonders scharfe Güsse, schöne Farben und Politurfähig-
164 „Verfügbarkeit des Messings“ ist hier nicht im Sinne konstanter Bezugsquellen von Kupfer als
Be-standteil des Werkstoffes „Messing“ zu verstehen. Gleichwohl scheinen Angebot und Nachfrage
un-verändert hoch, werden aber erheblich von wirtschaftspolitischen Faktoren beeinflusst. Neben
Ver-änderungen auf dem Finanzsektor, das heißt Zahlungsverkehr und Preisentwicklung sowie
logisti-scher Aufgabenstellungen, gibt es unterschiedlich starke Erschöpfungen der bekannten
Erzlagerstät-ten. Dazu K. Glamann, Japanese Copper on European market in the 17th century, in:
Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650, 1977, S. 280–
289, insbes. S. 286. Hier wird der Einfluss von Amsterdam auf den schwedischen Kupferhandel
angesprochen. Es ist dabei zu vergegenwärtigen, dass der Handel Antwerpens zwischen 1649–1792
zum Erliegen kommt, als die Niederlande die Schifffahrt auf der Schelde unterdrücken. – R.
Hildebrandt, Augsbur-ger und Nürnberger Kupferhandel 1500–1619, Produktion Marktanteile und
Finanzierung im Ver-gleich zweier Städte und ihrer wirtschaftlichen Führungsschicht, in:
Schwerpunkte der Kupferproduk-tion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650, 1977, S. 190–
224. – H. Pohl, Kupfergewinnung, Kupferverarbeitung und Kupferhandel im Aachen-Stolberger Raum
von 1500–1650, in: Schwerpunk-te der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–
1650, 1977, S. 225–240. – K. Kumlien, Staat, Kupfererzeugung und Kupferausfuhr in Schweden
1500–1650, in: Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650,
1977, S. 241–259, insbes. S. 242, 245, 248 ff.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 43
165
keit aus und trägt so der Plastizität modellierter Motive Rechnung. Abweichungen
davon können neben Stilmerkmalen auf unterschiedliche Provenienz sowie auf Er-
166
gänzungen oder Replikate hindeuten.
Demgegenüber weisen im 19. Jahrhundert Schaftkronleuchter aus Messingblech eine
einheitliche Gelbfärbung auf.
Der Messingguss erlaubt eine beliebige Wiederholung von Formen und Motiven und
damit eine gesteigerte Produktion, wodurch die kunsthandwerkliche Authentizität
deutlich herabgesetzt wird. Andererseits dokumentiert der Bestand an Schaftkron-
leuchtern, dass eine Wiederholung von Formen und Motiven die Vielfalt nicht aus-
schließt. Es sind nur wenige Schaftkronleuchter erhalten, die annähernd gleich sind.
Etliche Exemplare wirken kongruent und weisen bei näherer Betrachtung deutliche
167
Unterschiede auf.
Im Gegensatz zu Messing, das sowohl im kalten als auch im heiß-flüssigen Zustand
verarbeitet werden kann, ist die Erzeugung und Verarbeitung von Bronze aufwendi-
ger. Sie schmilzt schwer, und beim Erstarren scheiden sich leicht die Legierungen
verschiedener Zusammensetzung voneinander. Sofern der Bronzeguss nicht ein-
wandfrei beherrscht wird, kann die Qualität des Endproduktes erheblich gemindert
sein.
Zum Teil können die Werkstoffe Messing oder Bronze durch andere Materialien er-
setzt oder ergänzt sein. Darunter kommen wenige Schaftkronleuchter aus Messing
168
vor, die feuervergoldet oder mit Silberblech beschlagen sind. Aus Zinn gegossene
Beleuchtungsgeräte dieser Art sind nur in geringer Zahl bekannt. Andere Beispiele,
die in der Formgebung den gegossenen und geschmiedeten Kronleuchtern sehr ähn-
lich sein können, bestehen aus Eisen, gedrechseltem, beschnitztem und gefasstem
169
Holz oder Bernstein. Dieses fossile Harz ist seiner chemischen Struktur nach ein
Dass die Verbreitung und der Bestand der Kronleuchter aus Messing dennoch sehr
viel größer ist, dürfte also einerseits auf die Materialeigenschaften und veränderten
Produktionsprozesse im 16. Jahrhundert, andererseits und nicht zuletzt auf die mit
Gold und Bronze assoziierten Werte zurückzuführen sein. Bronze wurde wegen seiner
Beständigkeit auch als aes aeternum bezeichnet, so wie Gold – seit Plinius d. Ä. (um
170
23/24–79 n. Chr.) – zugleich Licht, Beständigkeit und Ewigkeit bedeutete.
Weder das Material noch das Aufgabengebiet, sondern zuerst die handwerklichen
Techniken führen Hüseler zufolge zu einer Differenzierung der Metall verarbeitenden
Berufe und Berufsbezeichnungen – wie zum Beispiel Rotgießer oder Gelbgießer. Hü-
seler beschreibt dies in seiner Studie zum Amt der Rotgießer in Hamburg für das 16.
und 17. Jahrhundert. Ihre Institution galt unter den Metallgießern als oberste Instanz
im Niedersächsischen Reichskreis. Dieser Bereich der Kreiseinteilung Deutschlands
um 1500/1512 bezieht sich aus heutiger Sicht auf die Bundesländer Bremen, Ham-
burg, Mecklenburg, Niedersachsen sowie auf Teilgebiete Sachsen-Anhalts und
Schleswig-Holsteins.
Die Bezeichnung „Rotguss“ bezieht sich im Reich des späten Mittelalters und der Re-
171
naissance sowohl auf Bronze- als auch auf Messingarbeiten. Gelbgießern ist es
möglich, bedarfsorientiert für den Marktverkauf zu arbeiten, indem er seine Artikel
172
im Sandgussverfahren mittels Kastenformen herstellt. Dies ermöglicht zwar nur
Kleinteiliges, beinhaltet aber optisch positive Auswirkungen auf die Textur der Er-
zeugnisse.
Dies dürfte auch grundlegend für die Herstellung und große Ausbreitung der aus Mo-
dulen zusammengesetzten Schaftkronleuchter aus Metall des 16. bis 18. Jahrhun-
derts gewesen sein. Wobei für die Fertigung der Kronleuchterfiguren noch andere
Gussverfahren in Betracht kommen.
170 T. Raff, 1994, S. 15, 22 f. (Anm. 53), 66 (Anm. 267). – Möglicherweise spielten finanzielle
Erwägun-gen eine Rolle. – Vgl. betreff Umguss: D. Diederichs-Gottschalk, Die protestantischen
Schriftaltäre des 16. und 17. Jahrhunderts in Norddeutschland, 2004, S. 309.
171 R. A. Peltzer, 1909, S. 22 (Anm. 4). – K. Hüseler, 1922, S. 17. – Vgl. Großer Atlas zur
Weltgeschich-te, 1997, S. 97, Karte 2.
172 K. Hüseler, 1922, S. 2. – Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches
Natio-nalmuseum München (1989), S. 11. – Zur Unterscheidung der termini technici, vgl. H.
Drescher, Zur Technik der Untersuchung bronzener Bildwerke, in: Restaurierung von
Kulturdenkmalen, Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen, Beiheft 2, Hg. H.-H. Möller, Hameln
1989, S. 370.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 45
Bei einem Gussverfahren nach einem Modell in einer zweiteiligen Form wird das ab-
zuformende Modell jeweils zur Hälfte in den zubereiteten Formsand eingebettet und
nach dem Abdruck wieder entfernt. Es bleibt somit für die mehrfache Wiederholung
des Gussverfahrens erhalten.
Ein anderes Gussverfahren, dass für die Herstellung von Schaftkronleuchtern, das
heißt vor allem für ihren differenziert modellierten, vollplastischen Figurenschmuck in
Betracht gezogen wird, ist das Wachsausschmelzverfahren. Als qualitativ höherwerti-
ge Technik des Bildgusses ist an sich das „Wachsausschmelzverfahren in verlorener
Form“ (à cire perdu) für monumentale Kunstwerke bekannt. Für diese einmalig ge-
fertigten Statuetten wird das „direkte Wachsausschmelzverfahren mit verlorenem
Modell“ angenommen und für wiederholt verwendete Figuren liegt die Reproduktion
174
von Wachsmodellen mittels einer materialbeständigen Zwischenform nahe.
Wie die Bezeichnung „verlorenes Modell“ erkennen lässt, bleiben bei diesem Verfah-
ren die im Interesse einer künstlerisch zartgliedrigen Gestaltung aus Wachs model-
lierten Plastiken während des Gussvorganges nicht erhalten.
175
Das Fehlen historischer Formen und Modelle einerseits sowie die beruflichen Über-
schneidungen zwischen Glocken- und Kronengießern andererseits deuten auf diese Art
der Fertigung. Für das Gros der stereotypen Kronleuchterfiguren auf Schaft-
kronleuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts wird von der kostengünsti-
173
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum München
(1989), S. 12 f., nach: Denis Diderot/Jean le Rond d’Alembert, Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné
des siences, des arts et des métiers, 17. Bde., Paris 1751–1765. Recueil de planches, 11 Bde., Paris
1762–1765. – W. Hofmann, Die Kronleuchter der Klosterkirche zum Heiligen Kreuz der Hansestadt
Rostock, Befunddokumentation, Restaurierungsplan, Wolgast 1997.
174 U. Mathies, 1998, S. 21 ff. – C. Schneider, Die Gusstechnik, in: Erkenntnis, Erfindung,
Konstruktion, 2000, S. 673–687, insbes. S. 682.
175 Im Rahmen von Besichtigungen 1996 und 1997 der Betina Roß GmbH Restaurierungen in
Hamburg wird im Zusammenhang mit der Instandsetzung eines Kronleuchters aus Messing von 1633
das Feh-len historischer Formen als genereller Mangel angesprochen.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 46
Die Topfigur „Römischer Soldat“ (Abb. 56), die im folgenden Kapitel eingehender zu
betrachten sein wird, gehört an sich formal zu den stereotypen Bekrönungen, die
sich durch eine subtile Modellierung und wenige Gravuren auszeichnen. Proportional
und im Detail können stilistische Abweichungen auftreten – wie zum Beispiel in der
Modellierung des Brustpanzers. Die grundverschiedene Gestaltung dieses Figuren-
typs auf zwei Kronleuchtern in der Evangelischen Stadtkirche St. Marien in Ber-
gen/Rügen (Abb. 63) legt stilistische Verbindungen der Bekrönung des östlichen
Kronleuchters zum Gros vergleichbarer Exemplare in Niedersachsen und Schleswig-
Holstein, das heißt zum damaligen Niedersächsischen Reichskreis nahe. Demgegen-
über lässt die gedrungene Gestalt der Figuren auf dem westlichen Kronleuchter in
Bergen/Rügen und jener auf dem westlichen Kronleuchter in der Evangeli-schen St.
Marien-Kirche in Barth/Vorpommern (Abb. 54) eine andere Provenienz ver-muten.
Inwieweit ein weiteres der anderen hier thematisierten Motive auf Kronleuchtern –
gemeint sind die drei unterschiedlichen Gruppen von Landsknecht-Figuren (Abb. 68-
79) – eine kunsthandwerkliche Herstellung oder aber die Intention differenzierter
Bedeutungsgehalte widerspiegelt, soll im folgenden Kapitel erörtert werden.
Die Frage der Fertigungstechnik stellt sich auch bei anderen Modulen: Ob die Technik
des Wachsausschmelzverfahrens nach einer materialbeständigen Zwischenform bei
der Fertigung von Tier-/Löwenkopf-Masken, das heißt für Unterhänge an Schaftkron-
leuchtern der Renaissance Anwendung gefunden hat, wird weiter unten anhand der
aufgezeigten Quantität, Qualität und der Verbreitung dieser Masken zu differenzieren
sein. Denn das dort vorgestellte Spektrum an Löwenkopf-Masken reicht von wenigen
malerisch-plastisch modellierten bis hin zu extrem stilisierten und bisweilen stark
ziselierten Exemplaren. Es ist insofern eine stilistische Korrelation zu den jeweiligen
Topfiguren festzustellen, als dass sowohl an Bekrönungen als auch an Unterhängen
der Umfang der Endbearbeitung mittels Gestalt gebender Gravuren in dem Maße
steigt wie die differenzierte Ausarbeitung des Gussmodells reduziert ist.
176 Beschreibung nach W. Hofmann, Werkstatt für Metallgestaltung und Restaurierung in Wolgast.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 47
177 Die Baudenkmäler des Regierungs-Bezirks Stralsund, Heft IV, Der Kreis Rügen, Stettin 1897, S.
450.: „Als ein apungeter“ in Stralsund wird 1560 ein Frantz Bolte genannt; er hat 1576 einen Kron-leuchter
nach Wismar verkauft und könnte vielleicht auch dieses Werk von 1557 (das heißt den Kronleuchter
Salvator mundi“) ausgeführt haben, Str. Chr. III, S. 102, Schlie, Kunstdenkm. v. Meckl.
II. S. 60).“ – Möglicherweise gehört ein weiterer dazu: Von diesem Kronleuchter aus Messing des
ausgehenden 16. Jh. in der evangelischen Kirche in Kühlungsborn (vormals Brunshaupten) ist bisher
nur bekannt, dass dieser „beachtenswert ist .. mit einer langen Reihe von Stifternamen aus dem
Jahre 1597“. Dieser qualifizierenden Beurteilung wäre angesichts der Einschätzung und Datierung
ebenfalls auf eine mögliche Provenienz der Werkstatt Frantz Boltes nachzugehen. Siehe Kunst- und
Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, III Bd., 2. Aufl. 1900, S. 5.
178 „Den 6 Octobris Jost Roggen betaltt vor S: Catharinen bilde so up der Kronen steitt tho
snidende, dar nha gegaten Iß 2 mk“, s. Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt
Hamburg. Hamburg (1956), S. 132.
179 Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum München
(1989), S. 7–39.
180 W. Hofmann, Die Kronleuchter der Klosterkirche zum Heiligen Kreuz der Hansestadt Rostock,
Be-funddokumentation, Restaurierungsplan, Wolgast 1997.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 48
„Einige an der Goslarer Krone entnommene Späne ergaben, dass einwandfrei Ram-
melsberger Erz das Rohmaterial für diesen Messingguss gewesen ist. Damit besteht
kein Hinderungsgrund für die vorstehend aufgeführten Leuchter Goslar als Entste-
hungsort anzunehmen. Es ist uns bewusst, dass mit den vorstehenden Ausführungen
noch kein abschließendes Resultat gewonnen werden konnte. Allzu dürftig ist noch
der Urkundenbestand des 15. Jahrhunderts gesichtet. Die metallurgische Untersu-
chung ist mit dem Unsicherheitsfaktor behaftet, dass im Maasgebiet ebenso Ram-
181
melsberger Kupfer verarbeitet worden ist, wie Galmei von der Maas im Harz.“
Die Materialbezeichnung „Messing“ und Gewichtsangaben in Lot finden sich auf nur
182
wenigen Kronleuchtern.
DENKEN HAT DIESE MESSINGESKRONE IN DIESE KIRCHE VEREHRET CATHARINA AWEN CHRISTOF-
FER HOHMEISTERS SEHL(IG) GEWESENEN EINWOHNERS ZU OSTERN NACHGELASNE WITWE, 1667.
– Ev.-luth. St. Maria-Magdalenen-Kirche, Archiv, Nr. 963/878, 5.1.5, Inventarium Kirchliches Mobili-
ar 1700: „Eine Meßings Crohn mit neun Armen nahe bey der Cantzel hangend, welche seel(ig) Her-
mann Weltsien vorehret worden ...“, s. auch KR 1623/24 evangelische St. Petri-Kirche, Buxtehude.
183 Ev. Kirche St. Marien in Barth/Stralsund, Archiv 1156, Inventar 1658–1673. Im Jahre 1671
lauten die Eintragungen: „3. Messingzeugk. 3 Krohnen sindt vorhanden, undt ermangelt an der
kleinsten nur 1 arm“. – KKrs. A. Husum-Bredstedt, Husum St. Marien, Varia, 232: (1763) „Zwischen
denen p:t: Vorsteher der Kirchen als Inger Nilsen, Jacob Friedrich Hansen, ... nebst dem Küster
Johann Ge-org Lützen, und dem angenommenen Bälgetretter Peter Bennig ist folgender Contract
aufgerichtet und geschlossen, als (unter 23 Punkten ist an 12. Stelle zu lesen) Bey Öfnung, und
Schließung der Kirch Thüren fleißig nach den Cronen und .. zu sehen und zu visitiren, und so bald
etwas fehlet, so gleich dem Vorsteher des Kirchen=Bau=Registers davon Nachricht geben“.
184 Großes Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, welche bisher durch menschlichen
Verstand und Witz erfunden und verbessert worden (...). Bd. VI. Halle/Leipzig 1733, Sp. 1722. –
Landesausstellung Niedersachsen 1985, Stadt im Wandel, Kunst und Kultur des Bürgertums in Nord-
deutschland 1150–1650, Bd. 1, Ausst.-Kat. Braunschweigisches Landesmuseum, 1985, S. 264, Kat.-
Nr. 202.
185 D. Diederichs-Gottschalk, 2004, S. 309.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 50
186
Nach monumentalen Radleuchtern (Abb. O) oder Lichtkronen der Romanik , den
187
aus mehreren übereinander gesetzten Lichtreifen wie eine Tiara geformten Ex-
emplaren und nach Sonderformen gotischer Hängeleuchter (Abb. 7, 12, 13), die in
der Regel aus einer Zentralfigur und einem architektonischen Rahmenwerk aufge-
baut sind, durchweg kurze und irreversible Halterungen für Wachslichter tragen und
insgesamt hauptsächlich über einen kultischen Verwendungszusammenhang definiert
werden, treten während der Spätgotik bereits Schaftkronleuchter mit Bekrönungsfi-
guren auf. Die daraus unter anderem entwickelten Winkelarmkronleuchter der Re-
naissance sowie die Kugelkronleuchter des Barock bilden die Basis für ein umfangrei-
ches Bildprogramm.
191
Gießers. Darüber hinaus sind kaum mehr als vier Beispiele von Messingkronleuch-
192
tern bekannt, die an anderer Stelle eine Marke oder einen Stempel tragen. Haus-
zeichen können vorkommen, sind aber bisher nicht entschlüsselt und zugeordnet. Die
Aufhängeösen barocker Kronleuchter weisen keine Namen auf, denn die Kugel dieser
Leuchter bietet Raum für Inschriften. Zwei Sorten an Aufhängeösen der baro-cken
Kugelkronleuchter aber tragen beidseitig ein Löwenkopf-Maskaron. Löwenkopf-
Masken an Beleuchtungsgeräten sind an sich als vollplastischer Unterhang an Kron-
leuchtern der Renaissance üblich.
193
Je nach Größe und Gliederung des Schaftes aus wechselnd wulstigen oder bauchi-
gen, eingezogenen, zylindrischen oder balusterartigen Formen können an den dazwi-
schensitzenden, konstruktiv notwendigen Nutenscheiben mindestens vier oder insge-
194
samt bis zu dreißig Leuchterarme oder sechsunddreißig Lichter sowie eine Anzahl
von Zierelementen als einzelne Module axialsymmetrisch angeordnet sein (Abb. 22,
23). Der Durchmesser des Schaftkronleuchters, der sich aus der Spannweite der
Leuchterarme des unteren Lichtkranzes ergibt, entspricht annähernd der Höhe der
Spindel. Die Leuchterarme sind nicht mehr ranken- oder schablonenartig, sondern
körperhaft geformt. Ein Auflager in figürlicher oder geometrischer Gestalt schließt die
Spindel nach unten hin ab (Abb. 16, 17, 21).
Ein weiteres Kennzeichen ist das Prinzip der reversiblen Befestigungstechnik sämtli-
cher Kronleuchter-Module. Es wird seit der Spätgotik über Jahrhunderte hinweg bei-
behalten. Nur die Formen der Nuten wechseln in Entsprechung zur Morphologie der
Schaftkronleuchter und der sich daraus ergebenden Gewichtsverteilung. Die Verbin-
191 Es fällt auf, dass unter den wenigen inschriftlich genannten Namen der Metallgießer auf
Kronleuch-tern des 16. Jh. die Daten auf die Aufhängeösen graviert sind, Ev. St. Petri-Kirche in
Buxtehude, Kronleuchter „Gekrönter heraldischer Doppel-Adler und Löwenkopf-Maske“: DORCH DAT
FVR BIN ICK GEFLATEN HANS BARS HEFT MI GATEN ANO 1589. – Evangelische St. Marien-Kirche zu
Barth, Kronleuchter „Greif und Löwenkopf-Maske“: DOMINICUS SLODT 1590. – Demgegenüber
können im 17. und 18. Jh. die Namen der Hersteller auf die Kugel graviert sein, Ev. Kirche
Holzminden-Altendorf, Kronleuchter 1704 „M. B. J. HELMAN“; Ev. Kreuzkirche/Marktkirche Hannover
(vorm. in Ägidienkirche), Kronleuchter 1720, 1747 und 1753 bez. „Meister HINRICH MEIER“. –
Evangelische Kirche Lotte/Tecklenburg, Kronleuchter: „Hermanns Sternemann MEVESIT 1777
Rotterdam“, s. Fo-todokumentation Firma Paul Oelmann & Sohn, Bielefeld.
192 Die Fotodokumentation (1977) der Firma Paul Oehlmann & Sohn, Bielefeld enthält unter
anderem: Eine Aufnahme eines Kugelkronleuchters (um 1732) der evangelischen Kirche in
Horsten/Ostfries-land, dessen Aufhängeöse das Signum „E E“ über „V“ trägt; ferner eine Fotografie
eines weiteren schlichten Ringes als Aufhängung mit Stempel eines Kronleuchters in Groningen
„WED (hochgestell-tes) w (und als zweite Zeile darunter) G.V. DELDE(R?)“. Ob anhand der
markierten Aufhängeösen auch die Provenienz jener unsignierten Kronleuchter mit vergleichbaren
Hängevorrichtungen zu bestimmen sein wird – wie seitens einiger Werkstätten für Metallgestaltung
angenommen wird – wä-re noch zu überprüfen.
193 Die Höhe – vom Unterhang bis zum Scheitelpunkt der Aufhängeöse – vollständig erhaltener
Schaftkronleuchter aus Metall des 16. bis 18. Jh. in Norddeutschland beläuft sich in der Regel bei
entsprechenden Exemplaren der Renaissance auf minimal ca. 0,70, in der Regel 0,90 bis maximal
ca. 1,10/1,20 Meter. Die Kugelkronleuchter des Barock sind dort in der Regel zwischen 1,20 und
1,70 Meter hoch.
194 Schaftkronleuchter aus Messing der Renaissance mit einer Höhe bis zu 1 Meter besitzen
gewöhnlich einen Lichtkranz aus 6 oder 8 Leuchterarmen. Proportional zur Höhe eines Kronleuchters
können so-wohl die Anzahl der Leuchterarme und jene der daran befestigten Kerzentüllen als auch
die Zahl der Lichtkränze steigen. Siehe Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums
Braunschweig. Stadt Wol-fenbüttel, 1904, S. 66.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 52
dungen reichen von offenen Führungsschienen am oberen Rand der noch konsolartig
endenden Spindel während der Spätgotik und frühen Neuzeit über Schwalben-
schwanzverbindungen an den flacher werdenden Nutenscheiben von Kronleuchtern
der Renaissance bis hin zur Zapfenkonstruktion an barocken Kugelkronleuchtern.
Dabei sitzt die zur Einhängung und Befestigung erforderliche Negativform nicht mehr
wie zuvor am Rand der Nutenscheiben, sondern ist als ebenfalls konzentrischer Ring
mittig aus diesen herausgestanzt.
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts weist ein Schaftkronleuchter aus Messing von
1639 mit einer Höhe von ca. 1,43 cm und zwei Lichtkränzen aus jeweils acht Leuch-
terarmen inzwischen drei unterschiedliche Gruppen an Kerzentüllen auf (Abb. 37).
Von diesen insgesamt sechzehn sind sieben zylindrisch geformt. Sie unterscheiden
sich nicht nur nach Größe und Stil voneinander, sondern auch durch die insgesamt
fünf Gewinde, die in ihren Merkmalen – Kerndurchmesser, Gewindehöhe, Ganghöhe
und Flankenwinkel – voneinander abweichen. Ähnliches gilt für die übrigen neun ba-
rocken Tüllen, die sich aus vier bauchigen und fünf vasenförmigen zusammensetzen.
Dabei ist einzuräumen, dass der Größenunterschied zwischen gleichen Tüllentypen
auf ihre Platzierung im unteren oder oberen Lichtkranz hinweisen kann.
An etlichen Schaftkronleuchtern aus Metall des 16. bis 18. Jahrhunderts markieren
im Sinne einer Bauanleitung systematische Punzierungen und Einkerbungen in auf-
steigender Zählung die axialsymmetrische Zuordnung sämtlicher Module.
Zuweilen treten zusätzlich zur Bekrönung eines Schaftkronleuchters entweder auf der
unteren Nutenscheibe oder auf den Leuchterarmen Subfiguren auf (Abb. 17-19).
In dieser Verbindung kommen zum Beispiel die Motive Heraldischer Doppel-Adler und
Römischer Soldat oder Landsknecht, Caritas und Putti, Justitia und Tugendfiguren
oder Darstellungen des Salvator mundi mit der Apostelreihe oder den Klugen und
Törichten Jungfrauen vor. Nahezu alle zeigen die gleiche Gestik einer erhobenen
Rechten und einer angewinkelten Linken oder ausgebreitete Arme.
Oftmals gibt es stilistische Parallelen zwischen den Schaftkronleuchtern und den nicht
minder stark verbreiteten Wandleuchtern aus Messing. Inwieweit hier oder dort der
zusätzliche Figurenschmuck allein dekorative Ansprüche erfüllt, eine Verarbei-tung
überzähliger Motive darstellt oder von ikonographischer Bedeutung ist, wird ohne
eine systematische Untersuchung der Schaftkronleuchter und der Wandleuchter aus
Messing oder Bronze sowie ohne Werkstattzuschreibungen kaum zu klären sein.
Grundsätzlich gehören die Motive, die gleichmäßig linear und flächig gestaltet sind
und welche die Konstruktion des Kronleuchters in der Vertikalen, insbesondere aber
in der Horizontalen akzentuieren zu den Kronleuchtern der Renaissance. Unter diesen
ist der Winkelkronleuchter nach der liegenden S-Form seiner Leuchterarme benannt,
deren Enden annähernd einen rechten Winkel beschreiben. Auf den äußeren Leuch-
terarmen ruhen kleine flache Wachsteller und zylindrische Kerzentüllen. Letztere
können noch in gotischer Manier durchbrochen und mit ringförmigem Fuß gestaltet
sein, erhalten aber zunehmend ein geschlossene, leicht konische Wandung, deren
oberer Rand im späten 16. Jahrhundert schulterförmig ist. Die inneren Enden der
Leuchterarme können in Anlehnung an die Rollwerk-Ornamentik geschlossen oder
leicht aufgebogen sein. In der Regel bilden sechs oder acht Leuchterarme den unte-
ren Lichtkranz und gegebenenfalls ebenso viele oder um zwei vermindert den oberen
Lichtkranz. Dort können die Leuchterarme mit Zierelementen wechseln. Oder letztere
dekorieren ausschließlich die obere Nutenscheibe und sind in der frühen Neuzeit oft
kurze schablonenhafte S-förmige Bänder. Ihre Form zeichnet annähernd strahlen-
förmige Gravuren auf der Oberfläche nach.
Die Leuchterarme selbst sind nicht mehr rankenartig gezogen oder schablonenhaft
geschnitten, wie bei gotischen Kapellen- oder spätgotischen Schaftkronleuchtern,
sondern als Formgussstücke gestaltet. Mittig platzierte Ornamentscheiben und kugel-
förmige Verdickungen können die Leuchterarme akzentuieren und Gussnähte über-
spielen.
Die schaftnahen Abschlüsse der Leuchterarme enthalten als Volute eingestellte Blü-
tenmotive oder bisweilen bärtige Masken.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 54
Auf der so gebildeten Spindel kommen als Bekrönungen unter anderem heraldische
Doppel-Adler und Tiere, die als Wappentiere und Sinnbild der Stärke eingeordnet
werden könn(t)en, vor. Insgesamt überwiegen die profanen Motive. Und es sind mit
drei Gruppen an Kriegern und der Gruppe „Büttel“ mehr männliche denn weibliche
Figuren vertreten. Mit den derzeit bekannten maximal drei Darstellungen des Salva-
tor mundi (Abb. 88), sieben des Gnadenstuhls und drei der Muttergottes (Abb. 89,
90) repräsentieren verhältnismäßig wenige Figuren auf den Schaftkronleuchtern aus
Metall des 16. Jahrhunderts in Kirchen in Norddeutschland einen christlichen Kon-
195
text.
Den Gegenpol zu diesen Bekrönungen und den unteren Abschluss der Kronleuchter-
spindel bilden ein- oder doppelgesichtige Löwen- oder Tierkopf-Masken mit Ring
(Abb. 55) im Fang. Derartige Unterhänge schließen optisch zusammen mit der unte-
ren Nutenscheibe sowie gegebenenfalls mit einem kugelartigen Modul dazwischen als
Auflager die gesamte Komposition und Konstruktion nach unten ab. Bisher werden
sie als Zugvorrichtung eingeordnet, obgleich etliche Exemplare keine Gebrauchsspu-
196
ren aufweisen. Gleichwohl ist im Sinne der Verhältnismäßigkeit einzuräumen, dass
einige dieser Ringe zwischenzeitlich erneuert sein können und andere nicht erhalten
sind. Die Nutzung und Bedeutung des Motivs sind unbekannt.
195 Die Kunstdenkmäler des Landes Niedersachsen, Landkreis Stade, Textband, 1965, S. 84 – G.
Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg, 1980, S. 392. – G. Dehio, Handbuch
der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen, 1992, S. 1081, 1222. – U. Mathies, 1998,
S. 129–130, Abb. 1 (S. 161), 32 (S. 182), 34 (S. 183), 37 (S. 184) und 39 (S. 185). Ob die beiden
ersten Beispiele an ihren Schäften neben den Drachenfiguren auch Leuchterarme besaßen, ist nicht
ersichtlich, erscheint angesichts der anderen Exemplare nicht abwegig.
196 Lt. Auskunft von Herrn U.-V. Bläse, Werkstatt für Metallgestaltung in Plön (2. Hälfte 1990er
Jahre) sowie Herrn W. Hofmann, Werkstatt für Metallgestaltung und Restaurierung in Wolgast (2001)
wei-sen die Ringe im Fang der Löwenkopf-Masken an Kronleuchtern aus Messing der Renaissance
ten-denziell keine Gebrauchsspuren auf.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 55
Details – wie zum Beispiel in Gestalt aufgelegter Rosetten oder konzentrischer Gra-
vuren an den Scheitelpunkten der Kugel. In diesem Sinne beschreiben die U-förmig
ausschwingenden und an den äußeren Enden oftmals verzweigten Leuchterarme, die
tigel- oder muschelförmigen Wachsschalen (Abb. 34) und vasenähnlichen Kerzentül-
len im Ansatz ebenfalls Kreissegmente oder Kugelformen. Und in gleicher Weise sind
sämtliche Zierelemente – zum Beispiel Früchte oder Gefäße –, die das Körperhafte
betonen, das heißt räumlich-plastisch sind, vornehmlich den Kronleuchtern dieser
Zeit zuzuordnen. Die Abmessungen sind insgesamt größer, aber stets am Wechsel-
spiel von Zentrierung und Ausdehnung und am Abstand der Lichtquellen von der
Konstruktion orientiert. Der untere Scheitelpunkt der großen, abschließenden Kugel
ist mit einem Zapfen in Gestalt einer Traube oder eines Bienenkorbes versehen.
Das Gros der Motive veranschaulicht so unter anderem Reichtum und Fülle. Der Stei-
gerung ins Unermessliche und Unfassbare dient das Verschleifen der Konstruktion
mittels extremer Formen oder Konturen und dynamischer Linien sowie der daraus
resultierenden Verkürzungen oder Überschneidungen der Perspektive, wie sie für den
Barock charakteristisch und aus Architektur, Malerei und Bildhauerkunst dieser Zeit
bekannt sind. Zudem trägt der so und mittels der Materialästhetik des wellenpolier-
ten Messings erzielte Grad an Licht- und Schattenwirkung wesentlich zur Plastizität
des Objekts sowie der Umgebung bei. Denn dieser Effekt hängt insbesondere von
dem Strahlenverlauf punktförmiger Lichtquellen zur Gestaltung und Lichtneigung der
197
Flächen ab.
Ob diese Verbindung zwischen Gesetzmäßigkeiten der Optik und dem Betrachter-
standort und damit insbesondere die große, abschließende Kugel der barocken Kron-
leuchter auch im Sinne der optischen Täuschung zu betrachten ist oder nur als kon-
struktives und reflektierendes Detail, das zudem Inschriften Raum bietet, bleibt nä-
her zu untersuchen.
Sofern barocke Kronleuchter keine oder kaum Inschriften tragen, können sie unter
qualitativ und lokal günstigen Voraussetzungen mit der Wahrnehmung des Betrach-
ters spielen. So kann dieser mit Blickrichtung auf einen entsprechenden Kronleuchter
den Eindruck gewinnen, dass er mittels der widerspiegelnden Kronleuchterkugel im-
stande ist, einen großen Teil seiner Umgebung in einem flüchtigen, aber weiten
Blickwinkel zu erfassen. Und doch führt diese Wahrnehmung zu dem Ergebnis, dass
das Spiegelbild auf der Kugel nicht nur die Weite des Raumes erfasst, sondern diese
zugleich im Scheitelpunkt bündelt.
197 U. Sareik, Gelenktes Sonnenlicht im Kult, Diss., Erfurt 1985. – Lichter und Leuchter,
Entwicklungs-geschichte und Technik eines alten Kulturgutes, 1987. – A. Fölsing, Galileo Galilei.
Prozess ohne En-de, 1996, S. 300 f. – H. H. Mann, Optische Instrumente, in: Erkenntnis, Erfindung,
Konstruktion. 2000, S. 357–407.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 56
Wenige andere erhaltene Exemplare des 17. und 18. Jahrhunderts zeigen, dass in die
abschließende Kugel ein Uhrwerk eingebaut sein kann. Das Chronometer spricht für
den Erfindungsgeist, vermittelt insbesondere den Vanitas-Gedanken jener Zeit. Einen
derartigen Kronleuchter mit dreißig Armen beschreibt Adam Olearius in
„Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Gesandtschaft beim Schah
198
1633–1639“.
Eine gewisse Vorstellung von einer solchen Komposition könnte ein Kronleuchter in
199
der Heiliggeistkirche in Kopenhagen vermitteln. Dieses im Jahre 1750 gestiftete
Ausstattungsstück aus vergoldeter Bronze mit Silberbeschlägen wird aufgrund seiner
Marken und im Vergleich zu einigen Exponaten im dortigen Nationalmuseum um
1610 datiert. Es wird aber vermutet, dass das Exemplar auf einer Auktion erworben
wurde und daher verhältnismäßig spät in die Kirche gelangte. Derartige Kompositio-
nen scheinen kaum bekannt zu sein, denn sie finden in den entsprechenden kultur-
geschichtlichen Darstellungen keine Berücksichtigung.
198 Adam Olearius, Vermehrte Newe Beschreibung der Moscowitischen und persianischen Reyse.
Zum andern mahl herauß gegeben durch Adam Olearius, (Schleswig) 1656, S. 508: „Des Herren
Gesand-ten Brügmans Geschenke. „2. Eine grosse messinge gantz vergüldete Liecht-Krone mit 30
Armen, so dreyfach über einander mit Bildern und silbern Laubwerck besetzet und schön gezieret.
Im Knopff war eine Uhr so die Stunden und Viertel schlug.“ Der so beschriebene Kronleuchter ist
eines der für Schah Sefi von Isfahan vorgesehenen Gastgeschenke (1637) der holsteinischen
Gesandtschaft, dürf-te aber bei einer Havarie auf der Ostsee zwischen Reval und Nawar, das heißt
vor Hochland verloren gegangen sein. Siehe A. Olearius, Moskowitische und Persische Reise, die
holsteinische Gesandt-schaft beim Schah 1633–1639, Hg. D. Haberland, 1986, S. 40 f., 86 f. und
251. – F. Pohle, Univer-salwissenschaft, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, 2000, S. 73–119,
insbes. S. 77.
199 Danmarks Kirker, København, 1945–1958, S. 693 ff.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 57
Skandinavien bis Italien, von den Britischen Inseln über die Niederlande, Frankreich
und Deutschland bis Polen vor Augen. Weitere Beispiele in den Baltischen Staaten
200
und in Russland wären in Betracht zu ziehen.
Im Baltikum sind etliche Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis
18. Jahrhunderts erhalten; ihre Bekrönungen – wie zum Beispiel „Wilder Mann“,
„Krieger“ oder „heraldischer Doppel-Adler“ – könnten wie die erhaltenen Bestände in
Dänemark und Schweden weiteren Aufschluss über das Bildprogramm dieser Be-
leuchtungsgeräte geben. Die Hoch-Zeit ihrer Entstehung fällt in Zeiten der Auseinan-
dersetzung um die Vorherrschaft über die Ostseeküsten. Und für Moskau sind im Zu-
sammenhang mit Kronleuchtern Geschäftsbeziehungen eines Metallgießers aus dem
Reich bekannt, das mit dem Westfälischen Frieden (1648) nicht mehr als Heiliges
Römisches Reich Deutscher Nation fortbesteht, sondern aus einer Vielzahl an Territo-
rialstaaten. Diese große Verbreitung von Kronleuchtern ist sichtbarer Ausdruck reger
Handelsbeziehungen.
Der Kronleuchterstudie Erixons zufolge konnten diese neben dem Export und Import
von Rohstoffen resp. Erzen auch eine Vermittlung von Bearbeitungstechniken bein-
halten – wie er am Beispiel schwedisch-deutscher Kontakte für Skultuna/Dalarne
201
darlegt. Ähnliches beschreibt Peltzer bereits Anfang des 20. Jahrhunderts für die
202
kooperative Messingverarbeitung zwischen Maas und Rhein. Für diesen Bereich
wird kriegerischen Auseinandersetzungen in Burgund sowie religionspolitischen Kon-
flikten am Niederrhein ein maßgeblicher Anteil an Standortverlagerungen und der
Abwanderung von Fachkräften zugemessen. Seither gilt, dass die immense Produkti-
on von Kronleuchtern aus Messing und damit die weit reichende Verbreitung durch
eine nicht an den Ort des Bergbaus gebundene Materialverarbeitung begünstigt ist.
200 Dieser Eindruck ist aus einem Antwortschreiben (Ende 1990er Jahre) samt Fotokopien als
Arbeitsma-terial von Herrn J. Kilumets, Tallinn zu gewinnen. – Zu einem Kronleuchter (1653) in
Moskau ist nicht mehr bekannt, als dass Johann Wurzelbauer (*1595) aus Nürnberg diesen
geschaffen habe.
201
S. Erixon, Mässing, 1943, S. 57.
202
R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie (...), 1909, S. 144 ff., insbes. S. 155 ff.
203
Siehe H. Holländer (Hg.), Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, 2000.
204 R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie, 1909, S. 109, 137. – S. Erixon, Mässing, 1943.
– H. Kellenbenz (Hg.), Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–
1650, (1977).
205 R. A. Peltzer, 1909, S. 80 f.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 58
weitere Anteil an der Messingverarbeitung den dadurch zum Teil entstehenden oder
erstarkenden traditionellen Zentren für Metallgestaltung zugeordnet – wie zum Bei-
spiel Aachen, Nürnberg, Augsburg und die Harzregion. Wobei die Qualität des Ram-
melsberger Kupfers im Harz gegenüber jener der Erze des Mansfelder Landes herab-
206
gestuft wird. Des Weiteren werden Schlesien, Böhmen, das Erzgebirge und die
Niederlande genannt. Dabei fällt auf, dass die Bezeichnung „Flämischer Kron-
leuchter“ im Sprachgebrauch fest etabliert ist und es doch Unsicherheiten in der
geographisch exakten sowie morphologisch zutreffenden Beschreibung dieser
Schaftkronleuchter der Neuzeit gibt. Der pyramidale Aufbau ist ein Kriterium, das
207
Vorkommen in calvinistisch geprägten Gebieten ein weiteres.
Wird nun eine der oben genannten Stätten als Herstellungsort für bestimmte Typen
oder das Gros der überkommen Schaftkronleuchter aus Messing angenommen, so ist
plausibel, dass die Verfügbarkeit, Qualität und Verarbeitung des Werkstoffes Messing
sowie die Frage nach lokalisierbaren Führungspositionen in der Entwicklung neuer
Technologien eine entscheidende Rolle für die Entstehung und Verbreitung, aber
auch für die Beurteilung von Kronleuchtern spielt. Diese Kriterien gelten auch für den
Bronzeguss. Und bis zu einem gewissen Grade knüpft die quantitative Ausbreitung
der Schaftkronleuchter aus Messing an jene der Erztaufen, Aquamanile und anderen
Bronze- und Messingerzeugnisse – wie zum Beispiel Standleuchter oder Löwenkopf-
208
Türzieher - in Norddeutschland seit dem 13. Jahrhundert an. Obwohl Erixon aus
Stockholm und Jarmuth aus Berlin Mitte des 20. Jahrhunderts auf die Bedeutung der
Hansestadt Lübeck für die Messingverarbeitung und den ausgedehnten Handel hin-
weisen, fehlen bisher systematische Untersuchungen zur Urheberschaft und Produk-
tion des nach Lübeck lokalisierten Kronleuchtertyps der Renaissance: des so genann-
ten Winkelarmkronleuchter. In der Annahme, dass Schaftkronleuchter aus Messing
resp. Bekrönungen größtenteils seriell hergestellt wurden, erstaunt ihre ungleichmä-
ßige Verteilung in Norddeutschland – selbst eingedenk der vielfältigen Verluste und
209
Standortwechsel, sofern diese dokumentiert und bekannt sind.
206 Ebd., S. 106. – H.-G. Griep, Ein Goslarer Kronleuchter in Münnerstadt, in: Harz-Zeitschrift. 13.
Jg. Hg. K. W. Sanders, 1961, S. 111, 117. – R. Slotta/S. Müller, Zum Bergbau auf Kupferschiefer im
Mansfelder Land, in: Martin Luther und der Bergbau im Mansfelder Land: (Aufsätze zur Ausstellung
„... von daher bin ich – Martin Luther und der Bergbau im Mansfelder Land“), Ausst.-Kat. Martin Lu-
thers Sterbehaus Eisleben/Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt. Hg. R. Knape, 2000, S.
9–27, Ebd., S. 104–120: C. Bartels, Sauerländisches Blei für die Mansfelder Hütten – Blei zur Ent-
silberung des Mansfelder Kupfers.
207 S. Erixon, 1943, S. 44. Hier weist Erixon bereits auf die möglichen Produktionsstätten und
Handels-beziehungen hin. Vgl. K. Jarmuth, Lichter, Leuchten im Abendland, (1967), S. 160 ff. – Zur
„Flämi-schen Krone“ siehe S. Erixon, 1943, S. 47. – K. Jarmuth. (1967), S. 120, 187, 224 insbes.
208 H. Lüer/M. Creutz, Geschichte der Metallkunst, Bd. 1, Kunstgeschichte der unedlen Metalle,
1904/1909. – A. Mundt, Die Erztaufen Norddeutschlands von der Mitte des XIII. bis zur Mitte des
XIV. Jahrhunderts ... 1908. – W. Paatz, Die Lübeckische Bronzeproduktion des 15. und 16. Jahrhun-
derts, in: Repertorium für Kunstwissenschaft, Bd. 51, 1930. S. 67–92. – O. v. Falke/E. Meyer, Rom-
nische Leuchter und Gefäße, Gießgefäße der Gotik, 1935. – U. Mende, Die Türzieher des Mittelalters,
1981 (Denkmäler deutscher Kunst, Bronzegeräte des Mittelalters; Bd. 2).
209 Bildband, Anhang (Verbreitungsarte der Schaftkronleuchter) nur zusammen mit gedruckter
Kron-leuchterstudie – digitalisiert als Übersichtskarte.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 59
1. Die Inschrift eines Kronleuchters der Stadtkirche „Unser lieben Frauen“ in So-
rau besagt: Elisabeth Koberin selige hat zur erkeuffung dieser Leuchter funfzig
Gulden bescheiden, welche ihr Her Waltn Ludewich Secretarius anna 1590 von
211
Nurrenberg anhero brengen lassen. Renoviret 1774 / G.F.
2. Für die St. Jacobi-Kirche in Rostock wurden 1603 anlässlich des Todes von
Henricus von Bergen Rigensis und fürstlich Mecklenburgischer Fiscal zwei
212
Kronleuchter in Nürnberg erworben.
3. Johann Müller von Nirnberg hat (diese Krone in Kiel gemacht) lautet die In-
schrift des Kronleuchters in Klüss, wo inzwischen ein schlichter Zweckbau als
213
Gotteshaus dient.
Allen drei Kronleuchtern gemeinsam ist die Bekrönung durch einen heraldischen
Doppel-Adler. Es fällt weiter auf, dass diese nachweislichen Arbeiten aus Nürnberg
nach bisheriger Kenntnis auf die östliche Region des Reiches beschränkt sind.
Eine andere Akzentuierung zeigt die im Rahmen der vorliegenden Studie speziell er-
stellte Verbreitungskarte der Schaftkronleuchter mit ihren Bekrönungen aus Messing
214
des 16. bis 18. Jahrhunderts in Norddeutschland.
Schaftkronleuchter aus Messing mit der Bekrönung eines heraldischen Doppel-Adlers
kommen unter anderem in Südniedersachsen und Nordrhein-Westfalen vor und dort
intensiv in einem Gebiet zwischen Hannover, Goslar, Alfeld/Leine, Holzminden und
210
HSTA Rep. 16, Nr. 312 (Amt der Gürtler/Klage J. G. Woseck, 1740/53).
211
Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Kreis Sorau und Stadt Forst, 1939, S. 213.
212 Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, Bd. 1: Die
Amts-gerichtsbezirke Rostock, Ribnitz, Sülze-Marlow, Tessin u. a., 2. verb. und verm. Aufl., 1898, S.
98.
213 Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, Bd. III:
Die Amtsgerichtsbezirke Hagenow, Wittenburg, Boizenburg, Lübtheen, Dömitz, Grabow u .a., 2. Aufl.
1900, S. 220.
214 Bildband der vorliegenden gedruckten Kronleuchterstudie; Anhang: Verbreitungskarte für
Schaft-kronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jh. – digitalisiert nur als Übersichtskarte – auf der
Grundla-ge der amtlichen Länder-Inventare seit Mitte des 19. Jh. für die Bau-, Kunst- und
Geschichts-Denkmäler. Neben der weiteren Harzregion stellt das Erzgebirge – hier nicht eingetragen
– ebenfalls als traditionelle Stätte des Bergbaus einen deutlichen Schwerpunkt in der Verbreitung der
besagten Leuchter dar.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 60
Minden. Mit Ausnahme des Bistums Minden entspricht dieses Gebiet dem südlichen
Teil des Niedersächsischen Reichskreises (um 1500/1512); und dort dominiert als
Kronleuchterfigur der heraldische Doppel-Adler – insbesondere in und um Alfeld her-
215
um und ausgeprägter noch als auf der Insel Rügen. Werden zudem die Winkel-
armkronleuchter mit heraldischem Doppel-Adler als ältere Beispiele in Betracht ge-
zogen, deren Urheberschaft Jarmuth nach Lübeck und mit einer Hauptverbreitung in
Nordeuropa zuordnet, zeichnen sich zwei Richtungen ab:
Scheint die Darstellung des heraldischen Doppel-Adlers auf diesen havarierten Win-
kelarmkronleuchtern die mögliche Herkunft aus Lübeck zu stützen, so könnte dieses
Motiv auch für die freie Reichsstadt Nürnberg stehen. Erixon sieht in der Darstellung
des heraldischen Doppel-Adlers eine Art Markenzeichen oder Qualitätssiegel für die
217
Messingprodukte bzw. Dinanderien.
Erlaubt die Mehrdeutigkeit der Bekrönungen auf Schaftkronleuchtern, „ im besagten
heraldischen Doppel-Adler eine Sympathiebekundung der Stadt Amsterdam an Kai-
218
ser Karl V. wahrzunehmen?“
Angesichts der zahlreichen gekrönten und ungekrönten heraldischen Doppel-Adler
auf Schaftkronleuchtern, die auch außerhalb des Reiches und Herrschaftsbereichs
Kaiser Karls V. – zum Beispiel in Dänemark und Schweden – vorkommen, erscheinen
diese trotz der Interpretationsansätze universalistischer Kaiseridee und der dynasti-
schen Verbindungen schon fragwürdig und erfordern in jedem Fall eingehende Unter-
suchungen. Doppel-Adler auf Schaftkronleuchtern können wie die Löwenkopf-Masken
215 Gleichwohl die Provenienz etlicher Schaftkronleuchter aus Metall nach Süd- und
Westdeutschland sowie in die Niederlande lokalisiert wird, ist die Verteilung und Relation des
Motivschatzes auch für Kronleuchter im Norddeutschen Tiefland bisher kaum bekannt, s. u.a. Die
Kunstdenkmale der Pro-vinz Hannover, T. II: Reg.-Bezirk Hildesheim, Bd. 10., Kreis Alfeld, 1939. –
Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen, 1963.
216 F. Bruns, Die Lübecker Bergenfahrer und ihre Chronistik, 1900 (Hansische Geschichtsquellen,
N. F., Bd. II), 5. CXXII. Es ist allerdings nicht ersichtlich, ob es ein Winkelarmkronleuchter ist. – K.
Jar-muth, Lübecker Leuchten van Meeresgrund, in: Lichttechnik, Beleuchtung, Elektrogerät,
Installation, 21. Jg., H. 1, 1969, S. 72–74. Ders., a.a.O., 22. Jg., H. 5, 1970, S. 250–251. Ders.,
a.a.O., 23. Jg., H. 10, 1971, S. 342–343. – Die Bemühungen um Kontakte zum Museum in
Zadar/Kroatien in dieser Angelegenheit waren Ende der 1990er Jahre nicht erfolgreich – vermutlich
auf Grund des damaligen Bürgerkriegs in Jugoslawien. In die internationale Bibliographie ist die
Auswertung des Fundes im Adriatischen Meer von Sofija Petricioli, Leiterin des Museums in Zadar –
worauf K. Jarmuth hinweist
– nicht aufgenommen.
217 S. Erixon, 1943, S. 43. – K. Jarmuth, (1967), S. 172 f.
218 K. Jarmuth, (1967), S. 172.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 61
Weitere Zusammenhänge zeichnen sich ab, indem die drei Varianten der Lands-
knechtkronleuchter als eine andere Gruppe profaner Motive der Renaissance in ihrer
jeweiligen Verteilung zwischen Weserbergland und Vorpommern sowie zwischen dem
Großraum Hannover und Tondern/Dänemark oder aufgrund ihres Bestandes an der
Unterelbe, das heißt zwischen Altem Land und den Vierlanden, zur scheinbar willkür-
lich punktuellen Verteilung der anderen kriegerischen Kronleuchterfiguren „Römi-
scher Soldat“ und – bedingt – Büttel in Beziehung gesetzt werden. Nur die dichte
Abfolge zwischen Hannover und Goslar lässt die Verteilung der Kronleuchterstatuette
„Römischer Soldat“ ähnlich wie jene der Landsknechtkronleuchter als Route erschei-
nen. Ansonsten fällt auf, dass die innerhalb ihrer Gruppen stereotypen Motive sehr
unterschiedlich – anscheinend diffus – verbreitet sind. Der hier erarbeiteten Verbrei-
tungskarte zufolge kontrastieren gerade in den Elbmarschen die Kronleuchterfiguren
„Krieger“ und „Engel“ besonders augenfällig.
Wie im Falle der profanen Bewaffneten bedarf es noch der systematischen Untersu-
chung, inwieweit zwischen Friedens- und Erzengeln oder zwischen letzteren und Jus-
titia als Personifikation göttlichen Rechts zu differenzieren ist.
Obwohl Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts in der Regel
Stiftungen und diese vielfach individuell motiviert sind, erfordern sowohl die sich
daraus ergebende spezifische Deutung als auch die daran sichtbare Verfügbarkeit
des Motivschatzes weiter gefasste Bezugspunkte. Es sind dies die Bedeutung des
Kronleuchters als Inventar im Sakral- oder Profangebäude und die Standorte dersel-
ben.
Ein Beispiel:
Jarmuth stellt den Friedensengel als Bekrönung eines Kronleuchters (1676, Evangeli-
schen St.-Marien-Kirche in Lübeck) in einen Zusammenhang mit dessen Stifter-In-
schrift.
Diese ist auf das Ableben des Donators bezogen, was Jarmuth veranlasst, den Frie-
densengel als persönlichen Wunsch nach dem Ewigen Frieden im Jenseits zu inter-
220
pretieren. Die fehlende differenzierende Beweisführung erlaubt den Umkehr-
schluss: Demnach intendieren alle Memorialstiftungen, die als Kronleuchter keinen
Friedensengel oder eine vergleichbare Bekrönung tragen auch keinen Ewigen Frieden
des Verstorbenen, sofern keine besseren Alternativen und weitere Perspektiven vor-
gestellt werden?
Der Bestand und die Verteilung der neuzeitlichen Schaftkronleuchter samt ihrer Be-
krönungen zeigen, dass sich die bisher neununddreißig Figurentypen in Gruppen ein-
teilen lassen und offenbar bedarfsorientiert verteilt sind:
Die Gestik der von Jarmuth als Friedensengel bezeichneten Topfigur des besagten
Kronleuchters in Lübeck weist gegenüber vergleichbaren Exemplaren in Nord-
deutschland deutliche Parallelen zur Darstellung des heiligen Michael als Kronleuch-
terfigur in Gestalt des Seelenwägers auf. Und es gibt an sich kaum formale Anknüp-
fungspunkte zu jenen Boten Gottes, die mit axialsymmetrisch ausgestreckten Armen
Palmzweig und Lorbeerkranz darbringen. Diese Lichtgestalten sind es, die im eigent-
lichen Sinne die Friedensengel repräsentieren. Und sie entsprechen quantitativ etli-
chen anderen Figurentypen auf Kronleuchtern.
Die Feststellung Jarmuths, dass Engel mit Palmzweig als religiöses Motiv auf Kron-
leuchtern selten auftreten, erscheint angesichts der zahlreichen heraldischen Doppel-
Adler und Darstellungen „Jupiter auf Adler“ richtig, ist aber im Verhältnis zu den üb-
221
rigen Motiven so nicht haltbar.
Die Gegenüberstellung der Verbreitungskarte für Schaftkronleuchter und der Karte
Deutschlands im 16. Jahrhundert zeigt, dass die Erzengel auf den besagten Beleuch-
tungsgeräten in Norddeutschland vorzugsweise dort vorkommen, wo ihr Standort im
Einflussbereich von Bistümern liegt. Unterschiedliche Darstellungen der Erzengel
kommen vor auf Kronleuchtern in Stade und Oberndorf (vormals Erzbistum Bremen),
Bardowick (im 10./11. Jahrhundert ursprünglich als Bischofssitz vorgesehen – später
Bistum Verden) und Hessisch Oldendorf (Bistum Minden/Bistum Paderborn/Bistum
222
Münster). Ein Großteil derartiger Leuchter gehört in das 17. und 18. Jahrhundert.
Ihre Gestaltung dokumentiert den Eindruck aktueller Ereignisse als vielmehr prägen-
de Erfahrungen der Vergangenheit.
222 Siehe u.a.: Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen, Kreis Hadeln und Stadt Cuxhaven,
1956, S. 239. – Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen, Landkreis Stade, 1965, S. 103, 115.
– G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen, Neubearb., stark
erw. Aufl., 1992, S. 184, 186, 1217 f.,1222 f., 1224. – G. Dehio, Handbuch der deutschen
Kunstdenkmä-ler, Brandenburg, Neubearb. 2000, S. 55 ff. Ein Messingkronleuchter ist dort nicht
erwähnt, aber fo-tografisch im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege dokumentiert. –
Des Weiteren kön-nen adäquate Kronleuchter chronologisch genannt werden in ev. Kirchen: 1633,
Weener; 1650, Buttforde/Niedersachsen (urspr. Bistum Bremen); 1656, Borstel; 1660, Zeven; 1667,
Jork/Nie-dersachsen (urspr. Bistum Bremen); 1668, Hemme/Schleswig-Holstein (s. Schwabstedt,
urspr. Bis-tum Schleswig); 1674, Beeskow/Brandenburg. (urspr. Bistum Lebus); 1700,
Esens/Niedersachsen (urspr. Bistum Bremen); 1709, Reetz /Brandenburg (urspr. Bistum
Magdeburg); 1736, Gö-dens/Niedersachsen; 1738, Adeliges Kloster Preetz (urspr. Bistum Eutin-
Lübeck); 1739, Hemme (s. o.); des Weiteren: Brockhagen/Niedersachsen und Hamburg-Harburg
1645 sowie Haseldorf und Seester; s. Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1970, S. 547. Ebd., S.
555 f. ist für die evangeli-sche Kirche Seester-Kurzenmoor kein Kronleuchter mit geflügelter,
weiblicher Figur dokumentiert, aber doch vorhanden. – J. v. Schröder/H. Biernatzki, Topographie,
Bd. 1, 2. neu bearb. und verm. Aufl., 1855, S. 4 f., 16 f., 490, 513. Dies., a.a.O., Bd. 2, 1856, S.
439 f. Bremen und Magdeburg wa-ren Erzbistümer. Ostfriesland gehörte im Nordosten zum
Erzbistum Bremen und im Südwesten zum Bistum Münster.– Großer Atlas Weltgeschichte, 1997, S.
96.
223 Diesbezügliche Hinweise finden sich unter anderem in den amtlichen Länderinventaren der
Bau- und Kunstdenkmäler für Berlin und das Bundesland Brandenburg.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 64
224
Erwerbungen im Kunsthandel oder durch Replikate ersetzt sein. Nicht immer sind
überkommene Kronleuchter also authentisch und an ihrem Bestimmungsort oder in
ihrem Verwendungszusammenhang erhalten.
224 Lt. mündlicher Auskunft (E. 1990er Jahre) des Pastors der Ev. St. Johannis-Kirche in Hamburg-
Curslack wurde Mitte des 20. Jh. ein Kronleuchter aus Messing mit einem gekrönten, heraldischen
Doppel-Adler (Kirche, Südseite) im Kunsthandel erworben. – In der Alten Kirche auf Pellworm wurde
Mitte der 1990er Jahre das Replikat eines barocken Kugelkronleuchters installiert. – Im Sommer
1996 stellt die Nordelbische Kirchenzeitung (Evangelisch-Lutherisches Wochenblatt, Nr. 34, Kiel
1996, S. 6) einen Schaftkronleuchter (Höhe: ca. 3 m) des Domes in Hadersleben/Dänemark und im
Zusammenhang mit der Firma Scan Metal in Sölstedt/Jütland vor. Der besagte Kronleuchter weist
mit den Apostel-Statuetten als Subfiguren sowie in der Gestaltung der Leuchterarme und des Knaufs
unter der großen Kugel deutliche Parallelen zum Messingkronleuchter (1638) der Ev. St. Nikolaikir-
che in Kiel auf. Lt. Inventar hat der Dom zu Hadersleben 18 (!) Kronleuchter und datiert drei davon
vor 1605, zwei in das Jahr 1605, der dritte von 1655 und den Rest als Replikat. Siehe Danmarks Kir-
ker, Sonderjylland, Haderslev Amt, 1954, S. 156. – Eine Fotodokumentation (2. Hälfte 20. Jh.) der
Firma Paul Oehlmann, Bielefeld zeigt unter anderem eine Nachbildung des Landknechtskronleuchters
der evangelischen Kirche in Bad Bevensen sowie eine Nachbildung des Kugelkronleuchters (1717)
der evangelischen Kirche in Mittelnkirchen/Elbe nach historischen Fotografien. Der ursprüngliche
Kronleuchter wurde im Weltkrieg konfisziert; siehe Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen.
Landkreis Stade, 1965, S. 502. Das Replikat eines Winkelarmkronleuchters „Büttel“ war Ende der
1990er Jahre während eines Ortstermins in der Firma Oehlmann, Bielefeld zu besichtigen. Von einem
weiteren Exemplar ist bekannt, dass es vor 1996 in die evangelische Kirche in Müden/Aller gekom-
men ist.
225 St. A. Kiel, „Akten des Stadtkonsistoriums in Kiel betreff den Verkauf der beiden alten
Messingkro-nen in der Klosterkirche 1784“ (Nr. 9). Während einer Besichtigung der Klosterkirche in
Kiel anläss-lich der Errichtung eines neuen Chores stellt der Kirchenjurat Friedrich Tamsen fest, ...
dass solche (die beiden Kronleuchter) sehr schadhaft sind und einer sehr großen Reparation
bedürfen. Selbige in brauchbaren Stande zu versetzen, verlangt man 16 M(ark) und dan sind und
bleiben es doch altmo-dische Kronen, die meines dafürhaltens nicht wehrt, daß so viel Geld davon
verwandt wird“; „so wa-re es doch besser, aus den zweyen kleinen alten, eine etwas größere neue
machen zu lassen, wofür man à W (Pfund) Gut 20 ß (Schilling) in Lübeck verlanget“. F. Tamsen
skizziert dann, wie das Mes-sing der eingeschmolzenen Kronleuchter mit der Anfertigung neuer zu
verrechnen sei.
226 Mit dem Abbruch der spätgotischen Marienkirche in Husum finden die dazugehörigen
Kronleuchter des 17. Jh. in der vollkommen als klassizistischer Neubau errichteten Ev. Marktkirche
keine Ver-wendung mehr. Lt. R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-
Holstein, Bd. III, Register, 1889, S. 109 und vgl. P. Hirschfeld (Hg.), Die Kunstdenkmäler des Landes
Schleswig-Holstein, Kreis Husum, 1939, S. 112 gehörten drei Kronleuchter aus Messing der Jahre
1630, 1650/55 (Hl. Elisabeth) und 1643 (heraldischer Doppel-Adler) in die besagte Kirche. Der
Kronleuch-ter von 1643 wurde 1716 in Flensburg und 1773 van Gelbgießer Johann Christoph
Wiedecke re-pariert; s. KKrs.A. H.-B., 232, Akte St. Marien Husum 1605–1852, Notification.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 65
Die Platzierung eines Kronleuchters richtet sich augenscheinlich nach der baulichen
Situation des jeweiligen Bestimmungsortes und ist innerhalb dieser überwiegend sakralen
und profanen Repräsentationsräume – wie zum Beispiel in evangelischen Gotteshäusern
227
sowie in Rathäusern – per definitionem morphologisch und funktional begründet : Die
freie Hängung des Kronleuchters an Seilen, Ketten oder Gestängen inmitten eines
Raumes trägt sowohl einer effektiven, der Helligkeit dienenden und glanzvollen,
festlichen Nutzung der kranzförmig angeordneten Lichtquellen Rechnung als auch bedingt
der Ästhetik von Beleuchtungsgerät und Interieur. Einer Proportio-nalität zwischen beiden
wird damit nicht zwangsläufig entsprochen – wie zum Bei-spiel in
Otterndorf/Niedersachsen, Evangelische Kirche St. Severi, Winkelarmkron-leuchter (ca.
80 m Höhe) der Spätgotik und frühen Neuzeit oder Rheinsberg/Bran-denburg,
Evangelische Kirche St. Laurentius, Kronleuchter (Anfang 18. Jahrhundert). Denn
228
Baukörper und Ausstattung spiegeln häufig historische Prozesse wider.
227 Großes Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, (…), Bd. 6, Halle/Leipzig 1733, Sp.
1722.
228 Otterndorf/Niedersachsen, Evangelische Kirche St. Severi ist eine große hohe Saalkirche mit
Ton-nengewölbe. – A. Kamphausen, Der Dom der Dithmarscher, die Kirche zu Meldorf, Düsseldorf
1931, S. 155 f. – Denkelbok der St. Nicolai-Kirche zu Kiel von 1487-1601, in: Ztschr. d. Gesell. f. S.-
H.-Lauenbg. Gesch., Bd. 10, 1881, S. 226. - J. Kinder, Plön. Beiträge zur Stadtgeschichte, 1904, S.
31 f. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II, 1920. S. 267, 269,
271, 302. – A. v. Brand, Geist und Politik in der Lübeckischen Geschichte, Lübeck 1954, S. 88 ff. – J.
Heers, Vom Mummenschanz zum Machttheater, Europäische Festkultur im Mittelalter, 1986. – H.
Ewe, Das alte Stralsund, Kulturgeschichte einer Ostseestadt, 1995, S. 61. – G. Kießling, Der Herr-
schaftsstand, Aspekte repräsentativer Gestaltung im evangelischen Kirchenbau, 1995. – Gegenwär-
tig hängen drei annähernd gleich große Schaftkronleuchter, das heißt zwei Renaissancekronleuchter
von 1589 und 1590 je einer im Osten und Westen, ein barocker Kugelkronleuchter in der Mitte der
Ev. St. Marien-Kirche in Barth/Vorpommern. Im Inventar vom 20.10.1673 dieser Kirchengemeinde
heißt es: „4. Messingszeugk: Drey über der großen Kirchdiele hangende Crohnen sindt vorhanden
undt ist bey der (Vordersten) gegen den Rahtstuell ein arm hinwegk: Es liegtt aber annoch ein Stück
davon im Altar Pult Schapff hinterm Altar jedoch zerbrochen.“ Ein vierter Kronleuchter im Chor der
Kirche weist formale Parallelen zu den Exemplaren des Dominicus Slodt in der evangelischen St. Ma-
rien-Kirche in Barth auf. – Und auch in anderen Archivalien wird die Hängung von Kronleuchtern in
der Mitte des jeweiligen Gotteshauses, nicht aber die Reihenfolge beschrieben: A) LAS Abt. 7 Nr.
6091, Nr. 53, S. 4. Dom zu Schleswig: „Inventarium der Hochfürstlichen Thumb=Kirchen nebenst
andern dazu gehörigen Gebäuden, Brücken und Schlagbäumen. Anno 1706. Die 3 großen Meßinge
Crone, welche im mittelß großem Gange hangen ... hat ebenfalß folged achter Hr. Prasident der Kir-
chen verehret.“ – B) Im Kirchenbuch der Ev. Christkirche Rendsburg lautet der Eintrag für den 29.
Juli 1721: „Einnahme Caput 111. Vor Leichen auf die Verwesung, sowohl in der Kirche, alß 1.) In der
Kirchen den 29. July die Seel(ige) Jungfer Möllerinn mitten im Stiege unter die Krone in der Kirche in
die Erde davor Herr Pastor Müller bezahlet hat. 42 M.“ (Ki A RD Christkirche Nr. 391 Kirchensachen).
– C) Mölln, Ev. St. Nikolai-Kirche, Kircheninventar 1758: „10. Ein Meßingene Crone mit 16 Arm im
Leichen Hause, worauff die Höltichten Erben Lichter halten.“ Die Inschrift eines Kronleuchters von
1689 in der dortigen Kirche nennt als Stifter einen Jochim Werner Höltig. – D) Und im Verzeichnis
von 1763 der Ev. Kirchengemeinde in Hattstedt/Schleswig-Holstein betreff Kronleuchter von 1644
und 1654; s. KKrs. H.-B., Hattstedt Nr. 240. - Demgegenüber und Quellenstudien im LAS zufolge
scheinen die Informationen zur Gestaltung und Hängung neuzeitlicher Schaftkronleuchter aus Metall
in Profangebäuden dürftiger; s. C.-H. Seebach, Das Kieler Schloss. Neumünster 1965, S. 19 f. – Vgl.
LAS Abt.7 Kop. Abg. Nr. 1044/166. Landesausstellung Niedersachsen 1985, Staat im Wandel, Kunst
und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150-1650, Bd. 1, (1985), S. 264, Kat.-Nr. 202. – D.
Lafrenz, Das Kieler Schloss, Hamburg 1987, S. 33: „Zur Beleuchtung dienten Messingkronen mit
Kerzen, die an den Gewölbepfeilern befestigt waren (!), oder einfache Brandruten an den Wänden,
womit zum Teil wohl Fackeln, aber auch metallene Wandleuchter gemeint waren.“ Eine derartige An-
bringung von Messingkronen erscheint trotz spärlicher Quellen zu diesen Inventarstücken eher un-
wahrscheinlich, s. vorstehende Anmerkung. Selten gehen vergleichbare Einzelheiten zum Beispiel
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 66
Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts in Norddeutschland sind
oftmals Stiftungen und insoweit zweck- und ortsgebunden.
Mehrere Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts an einem Be-
stimmungsort können axialsymmetrisch angeordnet sein (Güstrow/Mecklenburg-
Vorpommern, Evangelische Pfarrkirche, Kronleuchter „Engel“, 1696 und Kronleuchter
„Doppel-Adler“, 17./18. Jahrhundert; Rössing/Niedersachsen, Evangelische Kirche, 1
Kronleucher „Sitzlöwe“, Evangelisch 16./7. 17. Jahrhundert und eine Nachbildung
anlässlich einer Familienfeier im 19. Jahrhundert; Lüneburg/Niedersachsen, Evange-
lische St. Johannis-Kirche, Kronleuchter, 17. Jahrhundert sowie Rathaus, Fürsten-
saal, je ein Kronleuchter „Sitzlöwe“, 16./17. Jahrhundert und „Doppel-Adler“, 17.
Jahrhundert; Odense/Dänemark, Frauenkirche, ein Kronleuchter, 16./17. Jahrhun-
229
dert, 2. Exemplar vermutlich eine Nachbildung).
Überwiegend hängen derartige Schaftkronleuchter in Longitudinalbauten in einer Rei-he –
wie zum Beispiel in Flensburg, Hattstedt und Preetz/Schleswig-Holstein, Evangeli-
aus den verschiedenen Urkundenbüchern hervor, wo im Zusammenhang mit Testamenten oder an-
deren Rechtsangelegenheiten, die sowohl Privatbesitz als auch kirchliche Belange beinhalten können,
mitunter nur das Vorhandenseins einer Ewigen Lampe oder eines Kronleuchters erwähnt bzw. die
Nutzung der Beleuchtung geregelt ist. Vgl. u.a. Hamburgisches Urkundenbuch 1337-1350, Bd. 4, Hg.
Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, 1967 (U 234/235 Hamburg, 21. März 1345, Ewige
Lampe und U 413 Hamburg, 20. Januar 1350 und U 270, Schwerin, 07. Dezember 1345), s. auch E.
Götz, Die Stadtkirche Unser Lieben Frauen zu Friedberg. Berlin 1984 (Große Baudenkmäler H. 203).
Darüber hängt ein Messingkronleuchter, der wie sein gleichartiges Gegenstück 1752 bei einem Nürn-
berger Händler zur Aufhängung im Mittelschiff bestellt und gekauft wurde...“ – Eine Vorstellung von
der Platzierung eines Metallkronleuchters in Profangebäuden gibt zum Beispiel das Gemälde „Ge-
richtssitzung“ (1625) von Hans van Hemßen, wo zwischen zwei Fensterachsen in der Stirnwand des
dargestellten Audienzsaales ein Kronleuchter mit kleiner Kugel und mehreren Lichtkränzen angedeu-
tet ist; s. A. Graßmann, Lübeck im 17. Jahrhundert: Wahrung des Erreichten. Europäische Konflikte
und Lübeckische Unruhen, in: Lübeckische Geschichte, 2. überarb. Aufl. 1989, S. 435 ff., insbes. S.
442, Abb. 145. – A. Wendt, Das Schloss Reinbek, Untersuchungen und Ausstattung, Anlage und
Architektur eines landesherrlichen Schlosses, Kiel 1991, S. 65: „Als besondere Ausstattungsstücke
fanden sich hier (im Schlosssaal) ein großer Kronleuchter...“ – H. Ewe, Das alte Stralsund. Kulturge-
schichte einer Ostseestadt, 2. Aufl. 1995, S. 156. Dort ist im Zusammenhang mit der Rechnungsfüh-
rung von 1499 zur Ausstattung des Stralsunder Artushofes „..., von einem Kronleuchter und einem
Marienbild“ die Rede.
229 Ein Ortstermin und ein Gespräch Ende der 1990er Jahre in der Evangelischen Kirche zu
Hamburg-Curslack ergab, dass zu einem vorhandenen Schaftkronleuchter Mitte des 20. Jahrhunderts
eine wei-terer barocker Kugelkronleuchter im Kunsthandel erworben wurde. Somit ist eine
axialsymmetrische Beleuchtung beider Querhausarme der Kirche möglich. – Die Kunst- und
Geschichts-Denkmale des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, IV. Band, 2. Aufl., Schwerin
1901, S. 247. – Die Kunst-denkmale der Provinz Hannover. I: Regierungsbezirk Hannover, 3: Kreis
Springe, 1941, S. 177. – Die axialsymmetrische Hängung der Schaftkronleuchter im Fürstensaal des
Rathauses zu Lüneburg besteht laut Länderinventar von 1906 nicht im Gegenüber der Bekrönungen
„Sitzlöwe“ und „heraldi-scher Doppel-Adler“. Mit Zerstörung der Evangelischen Kirche St. Lamberti in
Lüneburg nahm der Schaftkronleuchter „Ritter“ (richtig: Römischer Soldat) die heutige Platzierung
des Hängeleuchters mit bekrönenden Sitzlöwen ein, vgl. Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover.
III: Regierungsbezirk Lüneburg, 2 und 3: Stadt Lüneburg, 1906, S. 255 und s. S. 130, 241.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 67
230 Von ursprünglich drei Schaftkronleuchtern (1684, 1709 und 1745) der Evangelischen Kirche in
Ha-genow/Mecklenburg-Vorpommern ist Ende der 1990er Jahre nur das Exemplar von 1745 erhalten
und hängt nicht mehr mittig wie noch im neogotischen Interieur, sondern über der Taufe und diago-
nal zum Altar im erheblich verkleinerten und modernisierten Kirchenraum, vgl. Die Kunst- und Ge-
schichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, III. Bd., 2. Aufl., Schwerin 1900,
S. 6. – Ferner konnte eine seitliche Hängung eines Schaftkronleuchters (17./18. Jahrhundert) nahe
zum Seiteneingang in der Evangelischen St. Marien-Kirche in Salzwedel/Sachsen-Anhalt im Herbst
2000 festgestellt werden. – Betreff Goslar/Niedersachsen befindet sich der frühneuzeitliche
Schaftkronleuchter „Römischer Soldat“ heute in einem an die Diele des Rathauses angrenzenden
Raum und nicht mehr in Reihe mit den spätgotischen Geweihleuchtern und einem gegossenen Kapel-
lenkronleuchter, vgl. Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover. II. Regierungsbezirk Hildesheim, 1
und 2: Stadt Goslar, 1901, S. 302.
231 Die genannte Reihenfolge der Schaftkronleuchter in der Evangelischen Christkirche in
Rendsburg ist auf die gegenwärtige Hängung von Ost nach West bezogen. Die Bekrönung des östlich
hängenden Leuchters „Caritas“ ist eindeutig k e i n e Christus-Figur; s. Die Kunstdenkmäler des
Landes Schles-wig-Holstein, Hg. H. Beseler, 1979, S. 642 und vgl. G. Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenk-mäler, Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., 1994,
S. 743 und vgl. ebd.
S. 342 sowie G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen, 1992,
S. 1344 (Werdum). Der mittlere Kronleuchter „Doppel-Adler“ in der Evangelischen Christkirche zu
Rendsburg weist stilistische Parallelen zum Kronleuchter (1661) in der Evangelischen Nikolaikirche in
Kiel auf, s. Bildband der vorliegenden Kronleuchterstudie, Abb. 13.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 68
Die Grenzen zum Kunstgewerbe sind fließend. Sobald angesichts einfacher, schlichter
Formgebung, Materialeigenschaften und hoher Auflagenzahlen eine serielle Produkti-
on nahe liegend erscheint.
Dass Kronleuchter oftmals nach Größe und einem danach bestimmten materiellen
Wert beurteilt werden, überrascht ebenso wenig wie ihre scheinbar freie Hängung –
im übertragenen Sinne. So können Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18.
Jahrhunderts – wie zum Beispiel die zwischen 0,70 und 1,20 Meter hohen frühneu-
zeitlichen Winkelarmkronleuchter mit ihren spezifischen Bekrönungsfiguren unter-
schiedlich platziert sein: Eine dieser charakteristischen Bekrönungen bilden – neben
Motiven wie Römischer Soldat, Büttel, Wilde Leute und heraldischer Doppel-Adler –
233
die Darstellungen von Landsknechten.
Die so genannten Landsknechtkronleuchter können inmitten eines kleinen Gottes-
hauses (Kosel/Schleswig-Holstein, Abb. 74; Oederquart/Niedersachsen) oder als ein
exemplar unter verschiedenen Kronleuchtern vor der Orgelempore (Steinkirchen,
Elbe/Niedersachsen, Evangelische Kirche) oder seitlich, das heißt über Fünfen und
Taufständern (Holzminden/Niedersachsen, Evangelische Kirche) platziert sein (Abb.
73). Sofern letztere nicht bereits mit einer Taufkrone – möglicherweise kronleuchter-
artigen Abdeckung konzipiert sind und hier wie dort den Bezug zu den Kasualien ver-
deutlichen.
Andere Beispiele dieses Kronleuchtertyps der Renaissance, die auch eine Löwen-
kopfmaske als Unterhang besitzen und nach oben aber mit einem gekrönten, heral-
dischen Doppel-Adler abschließen, sind ebenfalls unterschiedlich platziert: Im Dom
St. Petri zu Lübeck hängen sie axialsymmetrisch – seitlich des Chors (Abb. 102) in
der Evangelischen Kirche St. Johannis in Hamburg-Neuengamme vor der Orgelempo-
232 Siehe u.a. HSTA 148 St. Marien, Stralsund, „Todten-Register“. – Schaftkronleuchter der
Evangeli-schen Kirche in Hamburg-Ochsenwerder, s. HHStA Archiv Ochsenwerder I A ) a 1, Auszug
aus dem Kirchenbuch 1619. – Vgl. Munkbrarup/Schleswig-Holstein, J. Stüdtje, Die Chronik des
Kirchspiels Munkbrarup, Bd. 1, Schleswig 1975, S. 45. – Die Befestigungstechnik und -vorrichtung
zur Hängung der Kronleuchter ist sehr unterschiedlich, s. Die Bau und Kunstdenkmäler der Freien
und Hansestadt Lübeck, Bd. III, T. 2, 1920, S. 281. – Vgl. Bildband der vorliegenden
Kronleuchterstudie, Abb. 39, 48.
233 Siehe Kapitel 3 der vorliegenden Kronleuchterstudie sowie Bildband, Abb. 68-79 und
Verbreitungs-karte und/oder digitalisierte Übersichtskarte.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 69
234
re (Abb. 75). Eine Fotografie von 1897 zeigt ein entsprechendes Exemplar (um
1594), das im Chorraum der Kirche des Adeligen Klosters Preetz/Schleswig-Holstein
nahe zum Altar hängt. 1845 heißt es im „Verzeichnis der Pflichten und Einnahmen
des Organisten Präcentors und Küsters am Kloster zu Preetz“ unter anderem
„Bei Sterbefällen mit feierlichem Leichenbegängnissen (…) wird der, zunächst bey der
großen Gitterthür hängende kleinste Kronleuchter herunter genommen (damit er
235
nicht mit dem Sarg berührt werde).“
Und im Rechnungsbuch ist eingetragen: „1756, den 20. Seb. (September) ist das
236
Begräbnis auffem Kohr under der Crohn auff und zu gemacht.“
Der besagte „kleinste Kronleuchter“ oder die „Crohn“ sind dort nicht weiter beschrie-
ben. Es dürfte der frühneuzeitliche Winkelarmkronleuchter (um 1595) mit Doppel-
Adler und Löwenkopfmaske gemeint sein. Denn dieser Leuchter hat im Gegensatz zu
den drei übrigen (Abb. 98, 120, 121, 139) Kugelkronleuchtern (17./18. Jahrhundert)
nur einen Durchmesser von ca. 60 cm.
Einem Akteneintrag zufolge hat 1711 „Frau Ide Schakken von (…)orghoff der Kloster
Kirchen eine Messingue Leuchter Krone verehrt. Undt Fräulein Anna Margareta Se-
hestedten sich erboten, die darauf nöthigen lichter jederzeit anzuschaffen, so ist be-
237
liebet, daß gedachte Krone hinter dem Saugstuhl gehanget werden soll.“
Von einem dritten Schaftkronleuchter aus Messing in der Klosterkirche zu Preetz ist
1845 zu lesen:
„Zu den gewöhnlichen Sonntagen. Gegen 3 Uhr im Sommer und gegen 2 Uhr im
Winter (…) werden die Examen- und große Norder-Kirchenthür geöffnet; (…) das in
dem sogenannten Durchgange (= alter Beicht-Stuhl) stehende Pult, zum Gebrauch
für den Prediger bey den Examen; in das Schiff der Kirche, und unter dem, der Exa-
238
mensthür gegenüber hängenden Kronleuchter gesetzt.“
Es gibt keinerlei Hinweise, auf welchen der zwei verbleibenden Kronleuchter dieser
Akteneintrag bezogen sein könnte (Abb. 98, 120, 121, 139). 43 Jahre vergehen als
der Landeskonservator Richard Haupt Anfang des 20. Jahrhunderts inventarisiert: „4
schöne Kronleuchter, der im Chore mit einem Adler (Abb. 98). Der westlichste, von
1738 (Abb. 139), ist besonders gut und schwunghaft, mit 2 mal 6 Armen. Auf der
239
unteren stehen kleine Gestalten der Tugenden, oben steht die Justitia.“
Die Platzierung eines Hängeleuchters im Chorraum der Klosterkirche zu Preetz und
die der weiteren in je einem Gewölbejoch des in diese Stützbasilika eingebauten
234 Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein in Kiel, Fotothek, vgl. LDSH IV B (1897),
LDSH S 832 (1905) und LDSH L 839 (1917).
235 KAP V B a 1 und b 1-9. – Gitterthür bezeichnet die schmiedeeiserne Chorschranke (1738 von
M. Dahl) in der besagten Kirche des Adeligen Klosters Preetz.
236 KAP Kloster-Kirchen-Rechnungen, 1. März 1756, Ostern 1757.
237 KAP Akte 1705/1711 „Allerhand interessante Nachrichten und Urkunden des Klosters Preetz“,
S. 25 f.
238 KAP V B a 1 und b 1-9 (1845).
239 R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein, Bd. II, Kiel 1888, S.
171.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 70
Nonnenchores bleibt maßgebend für die Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts
vollzogenen – und en passant dokumentierten – Umhängungen. Diese erfolgen von West
nach Ost, so dass der oben genannte „Tugendleuchter“ (Abb. 13) (das heißt der
Kronleuchter der Anna Hedwig von Offenburg und Dorothea Catrina Pogrell, 1738) im
240
zweiten westlichen Gewölbejoch des Nonnenchores hängt. Infolgedessen erhält der
große Kugelkronleuchter mit dem aufgelegten Wappen derer von Qualen und der
Bekrönung „Jupiter auf Adler“ (Abb. 121) seinen Platz vor dem Chorgitter und hinter
diesem im Chorraum der kleinere mit einer entsprechenden Figurengrup-pe (Abb. 120).
Dies führt zu Umhängungen des von Anna Brocktroff gestifteten Kronleuchters (um 1594)
aus dem Chorraum in das westlichste Joch des Nonnencho-res – mithin unmittelbar vor
241
den ehemaligen Priorinnensitz. Die Stiftung und Nut-zung dieses Hängeleuchters ist an
242
den Fortbestand der Klosterkirche gebunden.
Desgleichen weist die Inschrift des nächsten, das heißt des „Tugendkronleuchters“ (1738)
mit einem gravierten Allianzwappen der Familien von Offenberg und Pogrell auf die
Zweckbindung der Stiftung an den Bestimmungsort hin:
„Diese Crone
Welche des Herren Tempel gewidmet
von der Wohlehrwürdigen und Hochwohl geborenen
Fräulein Anna Hedwig von Offenberg Conventualien dieses Hochadlichen Stifts ist
nach Dero Seel. Absterben Anno MCCCXXXVIII den 24. Dec. Zum Andenken
überliefert von
einer Freundin dieses Closters Preetz“
Indem innerhalb der ersten drei Jahre des 21. Jahrhunderts die Reihenfolge dieses
zweiten und des dritten Schaftkronleuchters (von Westen) im Nonnenchor wechselt,
befindet sich nunmehr der großen Kronleuchter „Jupiter auf Adler“ mit dem aufgeleg-
ten Wappen des Adelsgeschlechts von Qualen in jener räumlichen Querachse wie die
Grabplatte (1779) dieser Familie im nördlichen Seitenschiff der besagten Klosterkir-
243
che zu Preetz.
Weitere Beispiele dafür, dass die kleineren, ihrer Datierung und/oder Formensprache
nach älteren Kronleuchter im Chor bzw. in unmittelbarer Nähe zum Altar und die
größeren Schaftkronleuchter des Barock im Mittelschiff der Kirchen aufgereiht hin-
gen, können unter anderem für die evangelischen Kirchen Lübecks und Kiel/Schles-
240 Vgl. J. Siebmachers Wappen-Buch (1701/1772). Faksimile-Nachdruck, München 1975, Nr. 50,
139, Inschrift s.u.
241 Die Motivation, die zur Umhängung führte, ist bisher unbekannt. Im 19. und bis Mitte des 20.
Jahr-hunderts ist die Stelle des Priorinnensitzes Standort des spätgotischen Schreinaltars „Hl. Sippe“.
Nach dessen Neuplatzierung ist dort die gotische Darstellung des Gnadenstuhls sichtbar, vgl. R.
Paczkowski, Die Altäre der Preetzer Klosterkirche, in: Jb. für Heimatkunde im Kreis Plön, 17. Jg.,
1987, S. 37-53.
242 A. Jessien, Diplomatarium des Klosters Preetz, 1838, S. 187 f.
243 Siehe Johann Siebmachers Wappen-Buch (1701/1772), Faksimile-Nachdruck 1975, Nr. 3, 154.
– H. H. Qualen, Die von Qualen, Geschichte einer schleswig-holsteinischen Adelsfamilie, Kiel 1987. –
Es sind keinerlei Hinweise bekannt, die diese angenommenen Zusammenhänge bestätigen.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 71
244 F. Volbehr, Beiträge zur Topographie der Stadt Kiel in den letzten drei Jahrhunderten, T. 1:
Schloss
und Altstadt, in: Mitteilungen d. Gesell. für Kieler Stadtgesch., H. 3, Kiel 1881, S. 109. Die Restau-
rierung der Schaftkronleuchter von 1638 und 1661 der Evangelischen St. Nikolai-Kirche Kiel erfolgte
Mitte des 20. Jahrhunderts und zur Jahrtausendwende. – Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des
Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, 1900, S. 6. Gegen Ende der 1990er Jahre prästentierte die
evangelische Kirchengemeinde Hagenow im Rahmen einer Fotodokumentation zu erfolgten Baumaß-
nahmen und neuen Nutzungskonzepten des Gotteshauses mit abgetrennten Wohneinheiten histori-
sche Aufnahmen des Ende 19./Anfang 20. Jahrhunderts neogotisch gestalteten Innenraums unter
Verwendung der älteren Schaftkronleuchter. Der Verbleib der jeweils ältesten Exemplare (in Kiel von
1577, in Hagenow von 1684) ist unbekannt. – Zur Hängung weiterer Schaftkronleuchter siehe u.a.
H. Ewe, Das alte Stralsund, 2. Aufl., 1995, S. 47 (Abb. 47), 49 (Abb. 49), 75 (Abb. 75).
245 Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III (1920), S. 275.
246 Ebd., Bd. II, T. 2 (1906), S. 404. – Die Bau- und Kunstdenkmäler, Regierungsbezirk Stettin,
Bd. 1, Stettin 1900, S. 129 (Anklam, Marienkirche). – Die Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen
Os-tens, R. A., Bd. 5, Stadt Danzig, Stuttgart 1972, S. 60 (St. Trinitatiskirche).
247 Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II (1906), S. 420
(Umguss). – St.A Kiel Nr. 789, sog. Braunes Kirchenbuch, S. 173 (1748 betreff Kronleuchter der
Klosterkirche in Kiel). – KKrs. A. H.-B., 232, Akte 1605-1852, St. Marien Husum, „Notification von
der niedergefalle-nen Krone.“
248 Inschriftlich zum Beispiel auf Schaftkronleuchtern mit Bekrönung „Engel“ oder weiblichen
Figuren: 1646 Rotenburg bei Stade und 1650 Buttforde/Niedersachsen, 1650 Tondern/Dänemark,
Kristkirche, 1653 Helsingør/Dänemark, St. Olaf, 1660 Zeven/Niedersachsen, 1667 und 1672
Heide/Schleswig-Holstein, 1678 Bielefeld/Nordrein-Westfalen, St. Nikolai, 1709 Reetz/Brandenburg.
249 Kronleuchterbestände wären auf tatsächliche Stiftungen zu prüfen. – Zum Verkauf von frühen
Mes-sing- oder Kupferkronleuchtern s. u.a. A. Hagedorn, Ein Bild des Heiligen Olaf, o.A., S. 152
(Kron-leuchter aus Bergenfahrer-Schütting um 1472). – Die Bau- und Kunstdenkmäler des
Deutschen Os-tens, R. A, Bd. 5, Stadt Danzig, Stuttgart 1972, S. 60 (Kronleuchter, 1580).
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 72
im Detail resp. Bekrönungen und Unterhänge – wie auch deren räumliche Ausrich-
tung – in Schriftdokumenten keine Erwähnung – gegebenenfalls als Akteneintrag
angesichts größerer Reparaturen. Ob der für die Bergenfahrerkapelle der St. Marien-
kirche zu Lübeck genannte Hängeleuchter (1581-1766) aus Messing in Anbetracht
der ungeraden Anzahl, das heißt fünf Leuchterarme und mit der Statuette des Heili-
gen Olaf einen unvollständigen Schaftkronleuchter oder eine Sonderform der Be-
leuchtungsgeräte – wie zum Beispiel die so genannte Müllerkrone im Dom zu Lübeck
250
darstellt, kann hier nicht beantwortet werden. Hinsichtlich der Hängung von
Schaftkronleuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts spielen ideelle Werte
251
gegenüber materiellen offenbar nur in Einzelfällen eine Rolle.
Insofern erscheinen Zweifel berechtigt, dass die im folgenden Kapitel als For-
schungsgegenstand vorgestellten Bekrönungsfiguren und Unterhänge (früh-)neuzeit-
licher Schaftkronleuchter aus Messing über ihren dekorativen Anteil am ikonographi-
schen Programm dieser Beleuchtungsgeräte hinaus als Bedeutungsträger differen-
ziert werden. Zumal das Gros dieser Statuetten einfach konturiert und in seiner
gruppenspezifischen Gestaltung mehrfach verbreitet ist. Der große Bestand an
Schaftkronleuchtern aus Messing in Norddeutschland und im benachbarten Ausland,
die Handelsverbindungen und Messingverarbeitung sowie die Wiederholung von Mo-
tiven und Formen lassen eine serielle Produktion vermuten.
250 KKrs. A. H.-B., 232, Akte 1605-1852, St. Marien Husum, „Notification von der niedergefallenen
Kro-ne“. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II, T. 2 (1906), S.
405, 423. – Ebd., Bd. III (1920), S. 273.
251 Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansenstadt Lübeck, Bd. III (1920), S. 236 f.;
Bd. IV (1928), S. 421, 554, 596. – KiA Barth, Kirchen-Rechnungen 1602. – Vgl. HSTA Rep. 16, Nr.
312. – E. Meyer, Der gotische Leuchter in Stans, in: FS Hans R. Hahnloser (1961), S. 151-184.
252 KAP VB a 1 und b 1-9 (1845), Verzeichnis der Pflichten und Einnahmen des Organisten und
Küsters am Kloster zu Preetz.“ Dort heißt es, dass jährlich einmal, etwa zu Pfingsten die „Kronen-
und Schild-Leuchter und mit ihnen zugleich die Kirche totaliter mit der großen Stockeule gereinigt
(wer-den)“ – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Leitern und Treppenstühlen die Leuchter
stückweise auseinanderzuschrauben und jeder besonders in die Küsterwohnung zu tragen sei.
„Hierbei darf es aber der Küster an seiner Gegenwart und Aufsicht nicht fehlen lassen, um das
nachlässige Behan-deln und Zerbrechen dieses Kircheneigenthums möglichst zu verhindern und sich
und die Kirche vor Schaden zu sichern. Auch darf das Reinigen der Leuchter weder durch Säuren
noch (…) Sieden be-schafft werden, sondern man nimmt dazu sehr fein geriebenen Rothstein, Oele
und einen weichen
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 73
Bei der Auswahl der folgenden Beispiele handelt es sich um Stiftungen von Privatper-
sonen an eine Kirche/Kirchengemeinde: 1634 in Bad Oldesloe, Evangelische Kirche
St. Peter und Paul, Kronleuchterinschrift:
„Die Schuhmacher Crone (…) bestehet aus 12 Armleuchter, und ist auch 1623 aus ih-ren
Mitteln in der Kirche angeschaffet, wird in dem Weihnachten auf Kosten des Ge-werckes
mit Wachs Lichtern bestecket, geben daher in der Kirche von angenommene Meister und
Lehr Jungen kein Wachs Geld, wie andere Gewercke Probanden sind, wie-get etwa ¾
Centner schwer. Es hat dieses Gewerck, nach Alter gerechtfertigt, vor ihre
wollenen Lappen.“ (Wahlweise Kreide oder Englische Erde, Hühnerfutter und Polierbürste). – KiA
Plön, Rechnungsbuch 1696/97. – Siehe ferner Kronleuchterinschriften vor Ort.
253 Die Baudenkmäler des Regierungsbezirks Stralsund, H. V, Der Stadtkreis Stralsund, Stettin
1902, S. 451.
254 KiA Preetz, KR 1636-1740/83.
255 S. Seeler, Die Maria Magdalenen Kirche Lauenburg (Elbe), a.a.O. und J. S. 29.
256 Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III, T. 1 (1919), S. 281.
– Vgl. ebd., Bd. II, T. 2 (1906), S. 405.
257 F. Vollbehr, Beiträge zur Topographie der Stadt Kiel in den letzten drei Jahrhunderten, T. 1:
Schloss
und Altstadt, in: Mitteilungen der Gesell. f. Kieler Stadtgesch., H. 3 (1881), S. 109. – Krs. Eberswal-
de-Barnim, Historisches Stadtarchiv Nr. 5733, „Kurtz historische Nachricht der in der Chus- und Mit-
tel-Mittel-Marck Brandenburg belegenen imediat Stadt Neustadt-Eberswalde … Verfasset von Johann
Albrecht Beling, Küster bey der evangelisch Lutherischen Kirche (…)“, 1769, § 7 (S. 87).
258 Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen/Bezirk Rostock, Bd. 1, Leipzig 1963, S. 85 ff. – Vgl. S.
Seeler, a.a.O.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 74
Gesellen, nahe an der Orgel, ein eigenes Chor, davon aber die Sitze in der 1sten
259
Reihe von den Meistern baar an die Kirche bezahlet werden müssen (…).“
Weitere Beispiele bieten die so genannte Schneiderkrone („Doppel-Adler“), 1641,
260
Preetz/Schleswig-Holstein, Stadtkirche ; 1652 bis 1655 die Schaftkronleuchter der
Vereinigten Bruderschaft (mit „Salvator mundi“, 1655) und einem vergleichbaren
Exemplar (1652) des Handwerkeramtes sowie der Kronleuchter (1652, gegenständli-
261
che Bekrönung) der Isländischen Kompanie in der Stadkirche zu Glückstadt ; 1691
262
der Kronleuchter „Römischer Soldat“ der Garnweber in Bergen/Rügen oder die so
genannte Schusterkrone von 1696 in Preetz mit bekrönender Engel-Statuette und
263
angehängter Miniatur eines Schaftstiefels.
Seltener sind Schaftkronleuchter als Gemeinschaftsprojekt wie im folgenden doku-
mentiert:
„Verzeichniß des Messings was an Kronen, Armen und Leuchtern ist in der Kirche
(Heilig-Geist-Kirche, Stralsund).
Zum ersten eine große Krone mitten in der Kirche die bey Zeiten des Hr. Predigers
Matthäus Kalander ist gemacht worden, und von dem Gelde so err von der Gemeinde und
264
den Bürgern, so zu der Kirche alda sichhalten, hat colligieren lassen bezahlet.“
Ein wesentliches Moment für die Hängung von Schaftkronleuchter aus Messing des
16. bis 18. Jahrhunderts in evangelischen Kirchen Norddeutschlands ist – Urkunden
und Kronleuchterinschriften zufolge – die Tatsache der Stiftung. Diese bedeutet
grundsätzlich, Vermögen einem dauernden Zweck zu widmen und mittels daraus er-
265
zielter Erträge den Willen des Stifters zu erfüllen.
Die Dotation der besagten Beleuchtungsgeräte ist ein sichtbarer Beitrag zur Fabrica
ecclesia und fernerhin, dass Kommunikation geschaffen oder bestehende Gemein-
266
schaften geprägt werden.
259 Krs. A. Eberswalde-Barnim, Historisches Stadtarchiv Nr. 5733, „Kurtz historische Nachricht der
in der Chur- und Mittel-Mittel-Marck Brandenburg belegenen imediat Stadt Neustadt Eberswalde (…)
Ver-fasset von Johan Albrecht Beling, Küster bey der evangelisch Lutherischen Kirche (…)“, 1769, §
8 (S. 87).
260 J. und H. Engling, Altes Handwerk im Kreis Plön, Von der ersten schriftlichen Überlieferung bis
zum Jahr 1867, Neumünster 1990, S. 24 ff.
261 F. Michaelsen, Die Glückstädter Lichterkronen, in: Steinburger Jb., 9. Jg. (1965), S. 91-99. –
Vgl. Abb. LDSH PK III 1594. – Vlg. Schaftkronleuchter (1654) des „Stekenitzfahreramtes“ mit
Darstellung der Schutzpatronin Maria Magdalena als Kronleuchterbekrönung im Dom zu Lübeck, s.
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III, T. 2 (1920), S. 279.
262 Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen/Bezirk Rostock, Bd. 1 (1963), S. 85 ff.
263 M. Berwing, Preetzer Schuhmacher und ihre Gesellen 1750-1900, Aufschlüsse aus Archivalien
(1982), Abb. 3 bis 5.
264 HSTA Rep. 9 Nr. 186 (1644) „Acta Coenobie Spirit Scti. bt. die Kirchengeräthe beim Heil. Geist,“
XVII Verzeichnis, vgl. Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Stralsund, H. V, Stadt-kreis
Stralsund, Stettin 1902, S. 382 f. – Vgl. H. Ewe, Das alten Stralsund, 2. Aufl. 1995, S. 79 f.
265 M. Borgolte, Stiftungen des Mittelalters im Spannungsfeld von Herrschaft und Genossenschaft,
Hg. D. Geuenich, O. G. Oexle, Göttingen 1994 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Ge-
schichte Göttingen), S. 268 ff., insbes. S. 270, 276, 280.
266 KiA Lauenburg, 5133 Beleuchtung Nr. 959/768, Urkunde btr. Schenkung Kronleuchter
Dochtermann 1651. – S. A. Möller/Lbg. – H. Ewe, Das alte Stralsund, 2. Aufl. 1995, S. 42.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 75
Bezweckt ihre Ausstattung mit einem Stiftungsgut einerseits die Unabhängigkeit von
fremder Herrschaft, verpflichtet sie andererseits ihre Nutznießer durch Stiftungsauf-
lagen – wie die Memoria an den Donator und die oben genannte Pflegschaft.
Dies beschreibt ein soziales System, das zwar den Tod überdauert, aber angesichts der
Folge von Geschichte schreibenden Ereignissen eine Verankerung in der Umwelt und
267
Regelungen der Außenbeziehungen erfordert. Nimmt die Stiftung und Nutzung von
268
Lichtvermögen auch im 16. bis 18. Jahrhundert einen festen Platz ein , vermit-teln
(früh-)neuzeitliche Schaftkronleuchter aus Messing samt des ikonographischen
Programms, dass die auf Leuchter und Wachs übertragene Lichtsymbolik nicht hinfäl-lig,
269
aber infolge von Umstrukturierungen auf eine andere Ebene gestellt ist.
Eine Lichtsymbolik von Beleuchtungsgeräten im kultischen Gebrauch wird für Hänge-
leuchter – nach Öllampe und/oder zusätzlich zum Ewig Licht – ausdrücklich auf die
270
monumentalen Lichtkronen der Romanik bezogen. Denn hier sitzen die Wachslich-
ter in dichter Abfolge auf oder an der Außenseite dieser architektonisch sowie teils
filigran gestalteten Metallreifen. Und dieser Komposition kann so oder in Verbindung
mit figürlichen Darstellungen eine Zahlensymbolik zu Grunde liegen. (Abb. O, 4) Als
Sinnbild des Himmlischen Jerusalems mit seinen Stadttoren und als glänzende, neue
Stadt prägt dies eine gewisse Vorstellung von der Gottesstadt, von der darin herr-
schenden Ordnung und von der Ewigkeit. Und dieser Anspruch lässt eine Platzierung
dieser Lichtkronen in der Vierung, im Hohen Chor oder Sanctuarium - also in deutli-
chem Bezug zum Hauptaltar und dessen Stellenwert vermuten.
271
Mit der Verteilung dieser Radleuchter aus Metall (Bronze, Messing oder Eisen) auf
Zentren, die Ansprüche geistlicher und weltlicher Macht assoziieren - wie zum Bei-
spiel Hildesheim (Dom, Lichtkrone, 1044/79 gestiftet von Bischof Hezilo), Comburg
(Komburg, Benediktinerabtei/Schloss, Lichtkrone, 1120), Aachen (Münster, Lichtkro-
ne, 1168, Geschenk Kaiser Friedrich I.) oder Reims scheint diese Symbolik zugleich
einen direkten Realitätsbezug zum mittelalterlichen Kirchenstaat und dieser eine un-
bestrittene Gültigkeit zu erhalten. Motiv und Material stehen hier ganz im Zeichen,
aus dieser Korrelation den irdischen Anspruch und ewigen Fortbestand einer als aus
Gottes Gnaden legitimierten Herrschaft zu dokumentieren. Deutlich repräsentieren
diese Lichtkronen, die aus der Summe von Teilräumen einer angedeuteten Stadt-
mauer gebildet sind, eine Zusammenfassung und Bekräftigung des additiven Prinzips
der sie umgebenden romanischen Architektur und vermitteln zugleich die oben ge-
nannten Visionen. Es ist jedoch unbekannt, ob diese Deutung nachträglich unterlegt
oder ursprünglich ist und insofern als entfernter Hinweis auf den Dualismus von Kir-
che und Reich in Frage käme. Hier aber fällt auf, dass diese Lichtkronen in einer Zeit
entstehen, die vom Investiturstreit geprägt ist und vornehmlich durch die Unter-
scheidung zwischen geistlichem und weltlichem Amt seitens des Theologen Ivo von
Chartres (1040-1116) neue Perspektiven erhält.
Insofern sind die religions-politischen Parallelen jener Zeit gegenüber der frühen
Neuzeit sowie ihre jeweiligen potenziellen Verbindungen zur Entstehung bestimmter
Kronleuchtertypen aus heutiger Sicht bemerkenswert. Denn schließlich erfahren ins-
besondere die messingnen Schaftkronleuchter der Renaissance mit ihren spezifischen
Motiven in jener Zeit die größte Ausbreitung, die sowohl unter dem Eindruck der
Zweireichelehre des Martin Luther (1483-1546) steht als auch von dessen Auffas-
sung eines „Priestertums der Gläubigen“ (1. Petrus 2; 2. Mose 19,5) geprägt ist.
Gleichwohl weisen diese Kronleuchter der Renaissance keine architektonische Mor-
phologie und somit keine eindeutige räumliche Zweckbestimmung auf. Dennoch führt
die Quantität dieser Beleuchtungsgeräte in evangelischen Kirchen dazu, auch diese
heutzutage als Kirchenkronen zu bezeichnen.
Ein deutlicher Bezug zur Architektur als Bedeutungsträger ist nach den Lichtkronen
der Romanik häufiger an den Sonderformen gotischer Hängeleuchter ablesbar. Frei-
lich kaum in der Form, dass der kühnen und diaphanen Bauweise gotischer Sakral-
271 Erhaltene Lichtkronen, in: Hildesheim, 11. Jh., Aachen 1165. – Siebe B. Erenz, Alles Gold, was
glänzt. Das alte, das neue, das ewige Aachen. Eine Entdeckungsreise durch die Schatzhäuser der
Kaiserstadt, die dieses Jahr Karl den Großen feiert, in: Wochenzeitung DIE ZEIT Nr. 25 vom 15. Juni
2000, S. 83 (Reisen). Rolf Dieter Düppe vom Institut für Photogrammetrie und Kartographie der TU-
Darmstadt hat aus 25 Fisheye-Aufnahmen eine Fotografie des Oktogons samt Lichtkrone des Aache-
ner Doms als neue Perspektive zusammengerechnet. Die so erzielte konzentrische Abfolge architek-
tonischer Gliederungselemente, die durch die Rosette der Lichtkrone zusätzlich gebündelt erschei-
nen, lenken den Blick auf die Ausmalung der Kuppel mit dem Christusbild „Miestas Domini“; Kom-
burg, 12. Jh.; Einbeck. 1420; Halberstadt, 15. Jh.; Reepsholt, 15. Jh. – nicht mehr erhalten in Spey-
er, 1038; Köln, 12. Jh. – Vgl. zu „Sinnbild Himmelsstadt/Himmlisches Jerusalem“: G. Bandmann, 8.
Aufl. 1985, S. 62. – LCI. Bd. 2. Sonderausgabe 1994, Sp. 394 ff.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 77
bauten Rechnung getragen werden kann. Doch insoweit, dass die Omnipräsenz
272
kirchlicher Hierarchie und Einflussnahme sichtbar ist.
Unter diesen Sonderformen gotischer Hängeleuchter haben etliche Muttergottes-
Leuchter ihren Ursprung in Kalandsbruderschaften und -häusern und ihren Platz zum
Teil in der intimeren Atmosphäre eines Andachtraumes, doch zum Teil auch inmitten
273
der Kirche.
272 J. Sauer, 1924. – L. C. Morsak, 1984, S. 63. – G. Bandmann, 8. Aufl. 1985, S. 247. – Vgl.
ebd.,
S. 61 und J. Sauer, 1924, S. 80 und 290. – W. Schöller, Die rechtliche Organisation des Kirchenbau-
es im Mittelalter – vornehmlich des Kathedralbaues: Baulast - Bauherrenschaft - Baufinanzierung,
1989, S. 124 ff. insbes. – Zu religions-politischen/verfassungsrechtlichen Verhältnissen; s. u.a.
U. Lange, Landtag und Ausschuss. Zum Problem der Handlungsfähigkeit landständischer Versamm-
lungen im Zeitalter der Entstehung des frühmodernen Staates. Die welfischen Territorien als Beispiel
(1500-1629), Hildesheim 1986. – Ders., Deutschland im Zeitalter der Reichsreform, der kirchlichen
Erneuerung und der Glaubenskämpfe (1495-1648), in: P. Rassow, Deutsche Geschichte, Hg.
M. Vogt, Stuttgart 1987, S. 144-217 und ebd., S. 218-297: H. Schmidt, Zerfall und Untergang des
alten Reiches 1648-1806. – A. Molnar, Die Waldenser. Geschichte und Ausmaß einer europäischen
Ketzerbewegung, Freiburg/Br. 1993, S. 5 ff.
273 Neben Kalandsbruderschaften besitzen auch Handelsgesellschaften bereits im 15. Jh.
Kronleuchter als Inventar ihrer Kontore. Wie die Leuchter dieser Kompanien in jener Zeit aussehen,
ist im Gegen-satz zum jüngeren Kronleuchter in Glückstadt als Stiftung der Island-Kompanie, nicht
bekannt, s.
F. Michaelsen, Die Glückstädter Lichterkronen, in: Steinburger Jb. 1965, S. 91-99, insbes. S. 92 f.–
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw.
und veränd. Aufl. 1994, S. 293. – Im Folgenden wird eine Auswahl an Standorten für Marienleuchter
genannt. Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III, Kirche zu Alt-
Lübeck, Dom, Jakobikirche, Ägidienkirche, 1920, S. 275. - S. Seeler, 1938. - Marien-Leuchter zum
Beispiel in Doberan, 1290/1425; s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklen-
burg, 2. Aufl. 1980, S. 68. – Dortmund, s. Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Dort-
mund-Stadt, 1894, Taf. 38, Eutin, 1322/1760; s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmä-
ler. Hamburg, Schleswig-Holstein. 2., stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 232. – Gettorf; s. W.
Vollertsen, 1989, S. 43-49. – Heiligenstedten, A. 16. Jh./1913-19; s. G. Dehio, Handbuch der deut-
schen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein. 2., stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 327,
s. ebd., S. 414 (Landkirchen/Fehmarn, Marienleuchter, 15. Jh.), S. 420 (Lauenburg/E., Marien-
Leuchter der Schiffergilde, E. 15. Jh. und Marien-Leuchter des Schusteramtes, A. 16. Jh.), S. 632
(Mölln, 1506). Des Weiteren in Lüneburg, um 1490; s. Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, T.
III, Regierungsbezirk Lüneburg, Bd. 2 und 3: Stadt Lüneburg, 1906, S. 117 ff. – G. Dehio, Handbuch
der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen. Neubearb., stark erw. Aufl. 1992, S. 877. –
Kalkar, 1510; s. H. P. Hilger, 1990; s. dort auch Abb. 139 (Vreden), s. ferner Die Bau- und Kunst-
denkmäler des Regierungsbezirkes Wiesbaden, I. Bd.: Der Rheingau, 1902, Abb. 198. – Kiel; s.
Denkelbok der St. Nicolai-Kirche zu Kiel von 1487-1601 (1881), S. 226. - s. u.a. Die Baudenkmäler
der Provinz Pommern, T. 3: Der Regierungs-Bezirk Köslin, 1892, S. 37 (sog. Schlieffenkrone im Dom
zu Colberg). Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, 41. Bd., T. 6.: Die Stadt Münster, 1941, S.
353, Abb. 524, 364 (Kronleuchter mit Muttergottes 1577/1636, Schmiedeisen im Rathaus zu Müns-
ter und Gegenüberstellung zum Radleuchter im Rathaus von Osnabrück). – F. Bruns, Die Lübecker
Bergenfahrer und ihre Chronistik, 1900, S. 136, Nr. 209: „Gosschalk Stynt, borger to Lubeke. ... I-
tem in Unser Leven Frouwen kerken to Bergen geve ik ... up Unser Leven Frouwen bome eyn halff
lispunt wasses, ..“ Demgegenüber ist einem Aufsatz zum „Schonenfahrergelag in Rostock“ folgendes
zu entnehmen: „Die Aufzeichnung über den Besitz der Kompagnie an kirchlichen Geräten in Falster-
bo und über das Inventar im Schütting von 1440-46 (Wehrmann, Lüb. UB 8, Nr. 95, 192,394) deu-
ten nicht auf großen Reichtum. Doch hatte die Kompagnie ein eigenes Haus. Für seinen Schmuck
wurde durch ein Gemälde und einen Kronleuchter gesorgt, ...“ s. W. Stieda, Das Schonenfahrergelag
in Rostock, in: Hansische Geschichtsblätter, Bd. 7, 1892, S. 115-144, insbes. S. 139. Die Gestaltung
dieses Hängeleuchters ist nicht weiter bekannt. Und auch aus den Beschreibungen zu Beleuchtungs-
geräten in anderen Verwendungszusammenhängen geht nicht hervor, ob es Lichterbäume, Stand-
oder Hängeleuchter sind – wie zum Beispiel aus der Schlosskirche Allerheiligen in Wittenberg zu:
„..1517 ein grosser Leuchter ‚im Khor darauf unser lieben Frawn bild ist“ ; s. Die Denkmale im Bezirk
Halle. Die Denkmale der Lutherstadt Halle, 1979, S. 253. – Allg. Lit. zur Marienverehrung; s. R.
Schimmelpfennig, Die Geschichte der Marienverehrung im deutschen Protestantismus. 1952. – R. W.
Scribner, Religion und Kultur in Deutschland 1400-1800, Göttingen 2002 (Veröffentlichungen des
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 78
Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 175), S. 82 f. Zu Hinweisen, dass die Kalande häufig für die
Ausstattung von Kirchen zuständig waren; s. u.a. Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Freistaates
Mecklenburg-Strelitz, Bd. I: Das Land Stargard, T. II: Der Blumenhäger Silberfund, die Amtsge-
richtsbezirke Fürstenberg, Feldberg, Woldegk und Friedland, 1925, S 327. – V. Plagemann, Kunstge-
schichte der Stadt Hamburg, 1995, S. 55, 100 f.
274 H. d’Allemagne, 1891, S. 124. – H. P. Hilger, 1990, S. 283. – Einen Zusammenhang zwischen
Leuch-tern und Bruderschaften benennt S. Seeler, Die Maria-Magdalenen-Kirche Lauenburg (Elbe).
o.J., S. 29. – An anderer Stelle wird die Ausstattung von Kirchen allgemein als Aufgabe der
Bruderschaf-ten, Gilden und Zünfte erwähnt, s. H. Bergner, Handbuch der kirchlichen
Kunstaltertümer in Deutschland, 1905, S. 27. – K. Hüseler, 1922, S. 12. – Bau- und Kunstdenkmäler
von Westfalen, 49. Bd./T. I: Stadt Lemgo, 1983, S. 57: „Die Kramer hatten ihre geistliche Heimat in
der Nikolaikirche, für die sie noch 1606 einen neuen Kronleuchter stifteten.“ – Ähnliches ist von
anderen Orten be-kannt; vgl. zum Beispiel Bergen/Rügen: Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen,
Bezirk Rostock, Bd. 1, 1963, S. 85 ff. oder Evangelische Stadtkirche St. Lotharii in Preetz, sog.
Schneiderkrone (1641) und sog. Schusterkrone (1696); aussagekräftige Abb. in M. Berwing,
Preetzer Schuhmacher und ihre Gesellen 1750-1900. Aufschlüsse aus Archivalien, 1983, Abb. 3 bis
5. – I. und H. Engling, Altes Handwerk im Kreis Plön. Von den ersten schriftlichen Überlieferungen
bis zum Jahr 1867, 1990, S. 25 f. – s. auch E. Hoffmann, Lübeck im Hoch- und Spätmittelalter: Die
große Zeit Lübecks, in: Lü-beckische Geschichte, 1988, S. 293 ff. – Siehe ferner: F. Bruns, Die
Lübecker Bergenfahrer und ihre Chronistik. Hansische Geschichtsquellen, N.F., Bd. II, 1900, S.
CXXII, CXXXV. Ob die dort beschrie-bene „mit dem Bildnis König Olafs gezierte messingne Lampe“
noch der gotischen oder schon der neuzeitlichen Tradition entsprach, geht daraus nicht hervor. – Die
Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II: Petrikirche. Marienkirche.
Heilig-Geist-Hospital, Lübeck 1906, S. 143, 406. – W. Jensen/H. Kochendörffer, Das alte Ratsbuch
der Stadt Wilster, Wilster 1925, S. 51.
275 Korbkronleuchter kommen unter anderem vor in Colberg, Holkenkrone von 1424, s. Die
Baudenkmä-ler der Provinz Pommern, T. 3: Der Regierungs-Bezirk Köslin, 1892, S. 39 mit Abb., s.
auch K. Jar-muth (1967), S. 86. – Braunsberg (Kopie in Marienburg), s. Die Bau- und
Kunstdenkmäler der Pro-vinz Ostpreußen, H. IV: Das Ermland, 1894, S. 54. - Danzig, St. Marien,
von Meister Andreas um 1490, s. K. Gruber/E. Keyser, Die Marienkirche in Danzig, 1929, S. 47 f. –
Bau- und Kunstdenkmale des deutschen Ostens, Reihe A: Kunstdenkmäler der Stadt Danzig, Bd. 4:
Die Marienkirche in Danzig und ihre Kunstschätze, 1963, Abb. 157. – Siehe zu „hortus conclusus“:
LCI, Bd. 2, Sonderausgabe 1994, Sp. 77 ff. – LCI, Bd. 3, Sonderausgabe 1994, Sp. 375 ff.
276
Ausführliche Geschichte der Lübeckischen Kirchen-Reformation in den Jahren 1529-1531, Hg. F.
Petersen, Lübeck 1830, S. 133. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lü-beck,
Bd. III: Kirche zu Alt-Lübeck, Dom, Jakobikirche, Ägidienkirche, 1920, S. 273 ff. – W. Grus-
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 79
Diese Frage der Platzierung und Hängung von Kronleuchtern als Ausstattungsstück
im Sinne eines Bildprogramms innerhalb eines gesamten Interieurs spielte in den
bisherigen Untersuchungen zu Beleuchtungsgeräten kaum eine Rolle. Denn die Iko-
nographie der allansichtigen monumentalen Lichtkronen der Romanik sowie die viel-
nick/F. Zimmermann, 1989, S. 25. – Schloss Gottorf und seine Sammlungen. Mittelalter, 1994 (Son-
derband der Reihe „Kunst in Schleswig-Holstein“), S. 74 f.
277 E. Lutze, 1968.
278 W. Grusnick/F. Zimmermann, 1989, S. 25. – Auch für jüngere Kronleuchter – wie zum Beispiel
im Dom zu Verden – sind vergleichbare Zusammenhänge bekannt, s. amtliche
Kunstdenkmälerinventa-re Niedersachsens, Neudruck des gesamten Werkes 1889-1976, Bd. 42. Die
Kunstdenkmale der Kreise Verden, Rotenburg und Zeven, 1980, S. 40: „Im Schiff sorgte man für
Sitzplätze und Be-leuchtung; 1663 z.B. wurden ‚kupferne Kronen’ neu beschafft durch den Bürger
und Kaufmann Ste-phan Ganz in der Norderstadt. Die anderen Teile der Kirche, besonders der
Chorumgang wurden immer wieder als Begräbnisplatz verkauft ...“ – Vgl. E. Sehling (Hg.),
Evangelische Kirchenordnung des 16. Jahrhunderts, 1. Abteilung: Sachsen und Thüringen nebst
angrenzenden Gebieten, 1904, S.
488: „Item, das er achtung in der kirchen gebe, das niemands nach seinem gefallen ein gestuele
baue oder einen stuel, der gebauet ist, einnehme ..., und gebe der Kirchen ihre gebuhr, als zwei o-
der drei pfund wachs. Darnach die personen vermuegens sein und von solchem wachse die lichte uf
den altar, und die sonst nötig seind, darvon machen lassen.“
279 Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III: Kirche zu Alt-
Lübeck, Dom, Jakobikirche, Ägidienkirche, 1920, S. 283, 424 m. Abb. und vgl. S. 274 m. Abb. –
Ebd., Bd. II, T. 2: Die Marienkirche (1906), S. 420. – Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR.
Mecklenburgische Küstenregion. Mit den Städten Rostock und Wismar, 1990, S. 218. – Zur
Einschätzung der sog. Mül-lerkrone/Lübeck, s. Schloss Gottorf und seine Sammlungen. Mittelalter.
Mus.-Kat. Schloss Gottorf Schleswig (1994), S. 149, Kat.-Nr. 83-85.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 80
280 Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Westpreußen, 2. Bd., Kulmerland und Löbau, 1887-
95,
S. 265 und Beilage 18. – Vgl. Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen, H. IV: Das
Ermland, 1894, S. 54. – Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Dortmund-Stadt, 1894,
Taf. 30 und S. 39. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Bd. IV: Regierungsbezirk Osna-
brück, T. 4.: Die Kreise Lingen und Grafschaft Bentheim, 1919 (H. 14 des Gesamtwerkes), S. 76. –
Die Denkmäler des Rheinlandes, Kreis Kleve, H. 2: Kalkar (1967), Abb. 179.
281 Die Bau- und Kunstdenkmäler in der Provinz Brandenburg, 1885, S. 96 f. – Die Bau- und
Kunst-denkmäler der Provinz Ostpreußen, H. III: Das Oberland, 1893, S. 105. – Die Bau- und
Kunstdenk-mäler der Provinz Westpreußen, H. X: Kreis Löbau, 1895, Beilage 1a (Grabau). Die
Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, T. I, Bd. 5: Düsseldorf, 1900, S. 21 (Gimborn, Kreis
Gummersbach, Geweihleuch-ter, A. 16. Jh. aus der Antoniuskapelle bei Waldbruch „ist in seiner
künstlerischen Durchbildung und Erhaltung ein Stück ersten Ranges“). – Die Kunstdenkmäler der
Provinz Hannover, T. III, Regie-rungsbezirk Lüneburg, Bd. 2 und 3: Stadt Lüneburg, 1906 (Bd. 5 und
6 des Gesamtwerkes), S. 255 f. – Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel, Bd. III,
Kreis Grafschaft Schaum-burg, 1907, S. 88 m. Bildtaf. Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen,
Kreis Herford, 1908,
S. 48. – Unbekannt ist die Gestaltung eines Geweihleuchters in der Stadtkirche in Preetz/Holstein.
Dort heißt es im Rechnungsbuch (Bd. 49): „1731, Einnahmen Kirchgelder. Das Hirschhorn so in der
Kirchen zu Lichter Krone ist gebraucht worden, verkaufft von ... Meyer ... 1 M(ark) 6 ß(Schilling).“ –
Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig, 3. Bd. Kreis Wolfenbüttel, 1906,
S. 195 f. – Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, 84. Jahresbericht (1938), S. 4. – Die Kunst-
denkmäler der Provinz Mark Brandenburg. Kreis Niederbarnim, 1939, S. 35, Abb. 17 (Bernau) und
S. 251, Abb. 208 (Basdorf) – R. Kahsnitz, Albrecht Dürer, 1521-22 Entwurf für einen Drachenleuch-
ter, in: Nürnberg 1300-1550. Kunst der Gotik und der Renaissance. Ausst.-Kat. Germanisches Natio-
nalmuseum Nürnberg (1986), S. 352. – L. Telsnig, Zu Lüchten ein Hirtzhorn. Mittelalterliche Geweih-
kronen als Hängeleuchter, in: Weltkunst 66, H. 14, (1996), S. 1614 f.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 81
sen Mittelpunkt. Und das mit einigen Lichtern besetzte Gestänge mutet dabei wie
eine Mandorla an, die noch eine gewisse räumliche Vision und einen Abglanz des
Himmels anzudeuten scheint (Abb. 8-11). Inwieweit der konsolartig anmutende Tier-
schädel für die Gestaltung der Unterhänge an den Schaftkronleuchtern aus Metall der
Renaissance als Vorbild gedient haben könnte, ist bisher unerforscht. Daneben sind
auch horizontal ausgerichtete Geweihleuchter, die so genannten Leuchterweibchen
bekannt.
Gegenüber diesen Leuchtern beschreibt die Komposition des kleineren der beiden
Geweihleuchter (1480/90) im Rathaus zu Goslar – über eine Illumination seines Bild-
werkes hinaus – anhand der Korrelation einer geschnitzten, polychrom gefassten Sitzfigur
des Kaisers mit den Reichsinsignien und zusammen mit der Inschrift einen profanen
lokalhistorischen Bezug. Und sowohl diese Verbindung als auch das Neben-einander der
unterschiedlichen Kronleuchtertypen im Rathaus zu Goslar veranlasst zu einer neuen
Wahrnehmung neuzeitlicher Schaftkronleuchter und ihrer profanen Motive. Dass ihre
Verbreitung nicht ausschließlich dekorativ begründet ist, darauf scheint auch der gotische
Tabernakelkronleuchter von Herzogenbusch (s’-Her-togenbosch/Niederlande) mit
zentraler Heiligenstatuette und kriegerischen Subfigu-ren hinzudeuten. Denn dessen
282
Entstehung wird anhand der Ortsgeschichte erklärt.
282 Der Leuchter aus dem Geweih eines Zwölfenders gilt als Vorbild für entsprechende Leuchter in
Ma-rienburg/Westpreußen sowie in Stockholm (Museum), s. Die Kunstdenkmäler der Provinz
Hannover, T. II: Regierungsbezirk Hildesheim, Bd. 1 und 2: Stadt Goslar, 1901, S. 301f. – Goslar.
Ein Führer durch die tausendjährige Stadt, 1949, S. 61. – Das Rathaus zu Goslar, Hg. Stadt Goslar,
1959. – K. Jarmuth. (1967), S. 88f und 92. – Zum Kronleuchter von s'-Hertogenbosch
(Herzogenbusch), süd-westlich von Nimwegen/Niederlande, s.: A. Brüning, Der Kronleuchter, in:
Kunstgewerbeblatt, N.F. 8, 1897, S. 58. – O. v. Falke, Das spätgotische Kunstgewerbe im 15.
Jahrhundert, in: Illustrierte Ge-schichte des Kunstgewerbes, Bd. 1, Hg. W. Behncke, O. v. Falke, G.
Lehnert u.a., Berlin, o.J., S. 410. Dieser Tabernakelkronleuchter (1424) in s’-Hertogenbosch, der
typologisch spätgotischen Kronleuchtern zugeordnet wird, besitzt bereits auf den Leuchterarmen
Subfiguren. Vgl. dazu ein an-deres Beispiel: O. ter Kuile, Onderdelen van een kerkkroon en van twee
kandelaars uit de St. Ja-cobskerk te Den Haag, in: Bulletin van het Rijksmuseum, 28. Jg., Nr. 3,
1980, S. 125-133, insbes. S. 128, Abb. 6. – Subfiguren als unterschiedliche Typen insbesondere auf
den Leuchterarmen von Schaftkronleuchtern des 17./18. Jahrhunderts und dort ggf. thematisch in
Verbindung zur jeweiligen Bekrönungsfigur kommen unter anderem vor in: Aachen, Michaelskirche,
Karls-Kronleuchter 1630: Salvator mundi/Apostel/ Zentralfigur/Kugel; s. R. A. Peltzer, Geschichte
der Messingindustrie, 1909, Taf. 8. – Kiel, Evangelische St. Nikolaikirche, Kronleuchter 1638:
Pelikan/Apostel/Kugel; s. Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg,
Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., 1994, S. 378. – Erfurt, Evangelische
Predigerkirche, so genannte Gustav-Adolf-Leuchter 1647, Messing „mit acht Apostelstatuetten,
einem Tabernakel mit Reiterstatuette und Wid-mungsinschrift zu Ehren des schwedischen Königs
Gustav Adolf.“ ; s. G. Dehio, Handbuch der deut-schen Kunstdenkmäler, Thüringen, Berlin 1998, S.
340, Abb. und betreff. Informationen zur Restau-rierung dazu s. Bautätigkeit in der Kirchenprovinz
Sachsen, Bd. 2, Hg. Gehrig Verlagsgesellschaft mbH Merseburg. (2000/2001), S. 55 und vgl.
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 33, H.:
Bautzen (Stadt), 1909, S. 43 f. Der mit Abb. 51 inventarisierte Kronleuchter im Dom St. Peter zu
Bautzen weist zum Gustav-Adolf-Kronleuchter in Erfurt eine vergleichbare pyramidale Morphologie
mit einem bekrönenden Gehäuse auf sowie in wechselnden C-Formen ausschwingende
Leuchterarme. Diese sind jedoch nicht mit Subfiguren, son-dern mit Obelisken besetzt. – Schleswig,
Dom, Kronleuchter 1661: Salvator mundi/Apostel/Kugel; s.: G. Dehio, Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., 1994, S. 783. –
Keitum/Sylt, Rendsburg und Werdum/Ostfriesland, Evangelische Kirchen, Kronleuchter 17.
Jahrhundert: Caritas/Putti/Kugel; s. Handbuch der deutschen Kunstdenk-mäler. Hamburg,
Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., 1994, S. 372,742 und G. De-hio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen, Neubearb., stark erw. Aufl. 1992, S. 1344. Dort
ist die Bekrönung des Kronleuchters (1692) als „Maria mit Kind und Johannes-
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 82
Hinsichtlich des besagten Leuchters in Goslar wird sie häufig in dieser verkürzten
Fassung zitiert:
„O Goslar, du bist togeda / dem hillege romeske rike / suder middel un wae / nicht
macstu darvan wike.“ (O Goslar, du gehörst zum Heiligen Römischen Reiche, unmit-
283
telbar, nicht magst du davon weichen.)
Vergleichbare Bezugspunkte sind für die jüngeren Schaftkronleuchter nicht heraus-
gearbeitet, infolgedessen unbekannt.
knaben“ beschrieben. Die formale Gestaltung der Statuette entspricht nahezu jener der Caritas-
Figuren auf besagten Kronleuchtern in Schleswig-Holstein, vgl. Motiv Cesare Ripa, Ikonologia, Rom
1593, Reprint. – LCI, Bd. 1, Sonderausgabe 1994, Sp. 349 ff. – E. Wind, Charity. (Journal of the
Warburg Inst. 1, 1937/38), S. 322-340. – Preetz, Adeliges Kloster (Evangelischer Damenstift, ehem.
Benediktinerinnenkloster „Campus Beatae Mariae“), Stiftskirche, Kronleuchter, inschr. 1738, Justi-
tia/Tugenden/Kugel; s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Hamburg, Schleswig-
Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., 1994, S. 699. – Ringelheim/Salzgitter, Evangelische St.
Johannes-Kirche, Kronleuchter, wohl 1768, Jupiter auf Adler/ vier „kleine nackte Figur(en) mit einem
Geldbeutel in der rechten Hand/Kugel“; s. Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Bd. II: Regie-
rungsbezirk Hildesheim, T. 7: Landkreis Goslar, 1937 (Bd. 22 des Gesamtwerkes), S. 202. G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen, Neubearb,, stark erw. Aufl.
1992, S. 1132. – Gegenüber diesen barocken Kronleuchtern mit Subfiguren auf den Leuchterarmen
kommen auf den Schaftkronleuchtern aus Metall der Renaissance diese zusätzlichen Statuetten zur
Bekrönung überwiegend auf der unteren Nutenscheibe und als Krieger vor oder bilden einen Teil der
Leuchterarme wie am Kronleuchter (1557) „Salvator mundi“ in der Evangelischen St. Marienkirche in
Stralsund; s. Die Baudenkmäler des Regierungsbezirks Stralsund, H. V: Der Stadtkreis Stralsund,
1902, S. 449 f.
283 Siehe Anfang der vorstehenden Anm. sowie ferner: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover,
Bd.
II: Regierungsbezirk Hildesheim, T. 1 und 2: Stadt Goslar, 1901 (Bd. 2 und 3 des Gesamtwerkes),
S. 269. - Diese Inschrift wird häufig zitiert, ohne dass weiterreichende Interpretationsansätze the-
matisiert werden.
284 Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, T. VI: Regierungsbezirk Aurich, Bd. 1 und 2: Stadt
Em-
den, 1927 (Bd. 15 und 16 des Gesamtwerkes), S. 124: „Im Magistratszimmer befindet sich ein aus der
Erbauungszeit des (neuen) Rathauses (1576) stammender Kronleuchter mit zweimal acht s-förmigen
Armen und Zierstücken in Form von Seepferden und Wappen haltenden Kriegsknechten; an der Spindel
oben ein doppelköpfiger Adler, unten ein Löwenkopf mit Ring im Maul ...“ – Die Kunst-denkmäler der
Provinz Hannover, T. II: Regierungsbezirk Hildesheim, Bd. 2 und 3: Stadt Goslar, 1901, S. 302: „Der vierte
zunächst dem Eingange hängende bronzene Kronleuchter zeigt die häufig wiederkehrenden Formen der
Kirchenkronen aus dem Ende des XVII. Jahrhunderts, hat zweimal sechs volutenförmige Arme und als
Krönung des gedrehten Mittelkörpers die Figur eines geharnisch-
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 83
Anfang des 20. Jahrhunderts beschreibt P. Graff in seiner Darstellung zur Auflösung
der alten gottesdienstlichen Formen, dass zur Christmette jeder sein eigenes Licht
mitbrachte und die Beleuchtung recht mangelhaft gewesen sei, da unter anderem in
Lübeck über das schwache Licht bei Abendmusiken geklagt und daher die Anzahl der
285
Lichter vermehrt wurde. Ähnliches ist aus Karsta/Schweden bekannt. Dort wurden
im Jahre 1799 beim Gelbgießer Lindström zwei neue Kronleuchter bestellt, denn es
286
hatten sich etliche über die Finsternis in der Kirche beschwert. In anderen Fällen
ist die Nutzung des gestifteten Kronleuchters zum Beispiel an den Bestand der Kirche
287
oder an die Hohen Festtage im Kirchenjahr gebunden.
ten Mannes mit aufgehobenem Beil in der rechten Hand. Unten endigt der Leuchter in einem abwärts
gerichteten Löwenkopf mit Griff.“ Entgegen dieser Beschreibung befindet sich dieser Leuchter gegen
Ende der 1990er Jahre nicht (mehr) in der Diele des Rathauses, sondern in einem nordwestlich da-
von angrenzenden Raum. Diese Schaftkronleuchter mit kriegerischen Motiven werden im weiteren
Verlauf des hier vorliegenden Kapitels näher beschrieben. – Ein inventarisierter, kaum weiter als
„aus Messing“ und „beachtenswerth“ beschriebener Kronleuchter „mit einer langen Reihe von Stif-
ternamen aus dem Jahre 1597“ der Evangelischen Kirche zu Kühlungsborn (Brunshaupten)/Mecklen-
burg-Vorpommern lässt Fragen zur Gestaltung und Provenienz offen. Vgl. Die Kunst- und Ge-
schichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, III. Bd.: Die Amtsgerichtsbezirke
Hagenow, Wittenburg, Boizenburg, Lübtheen, Dömitz, Grabow, Ludwigslust, Neustadt, Crivitz, Brüel,
Warin, Neubukow, Kröpelin und Doberan, 2. Aufl. 1900, S. 533. – Unbekannt ist bisher auch das
Aussehen eines Schaftkronleuchters mit Löwenkopf-Maske der Evangelischen Kirche zu Wote-
nik/Grimmen, s. Die Baudenkmäler des Regierungs-Bezirks Stralsund, H. III: Der Kreis Grimmen,
1888, S. 260. – Auch die Auflistung von Schaftkronleuchtern (um 1600) mit 6 Leuchterarmen in den
evangelischen Kirchen zu Braunschweig (St. Martini) sowie Hörste wäre um Etliches zu präzisieren,
dass daraus Erkenntnisse für weitere Forschungen gewonnen werden könnten; s. Die Bau- und
Kunstdenkmäler der Stadt Braunschweig, 1926, S. 23. – Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfa-
len. Kreis Halle, 1908, S. 23.
285 P. Graff, Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen
Kirche Deutschlands bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus, 1921, S. 140. – Vgl.
demge-genüber Beschreibungen zur Illumination porfaner Anwesen: J. B. v. Rohr, Einleitung zur
Ceremo-niel-Wissenschaft der Privat-Personen (...), Berlin 1728, S. 838 ff.
286 Sveriges Kyrkor. Uppland, Bd. III, 1921-53, S. 209.
287 E. Sehling (Hg.), Evangelische Kirchenordnung des 16. Jahrhunderts, Bd. 3: Mark
Brandenburg,
Markgrafenthümer Oberlausitz, Niederlausitz, Schlesien, 1909, S. 32: „Neumärkische Kastenordnung
1540. Nachdem auch gross und klein gewercke zuvoren alle sontage und feiertage auf den kerzen
lichte gebrandt, sollen die rähte gleichfalls mit den gewercken auf einige anzahl wachses jehrlich zu
geben, handelen, damit des winters wenn der tag kurz ist, lichte zur notturft der kirchen gehabt und
gebraucht werde.“ – Ebd., S. 71: „Kirchenordnung Joachim’s II., 1540: Auch sollen die gewöhnlichen
lichter zu den horis, messen und anderen emptern, auch sonst des winters zur notturft gebrand wer-
den; was aber darüber sonst sonderliche lichter der bruderschaften, gülden oder enzeler personen
vorhanden, sollen abgethan und was etwan darauf gewand, sol nach befelch der visitatoren zu bes-
serm brauch gekart werden.“ - KKrs. A. H.-B., Hattstedt 245 „Register der Kercken Renthe tho
Hatsted angefangen nar der grothen Waterflod Anno 1634“, S. 99: „Anno 1644 ... Gott tho Ehre und
der Kerken thom Zierath eine Krone in der Kerken vorehret, und darby verordnet, Dat deme Krone
mit 16 Waßlichtern .. underholden werde, und de Lichter Jahrliches de 3 hoge festdags alß Pasches,
Pinxten und Christdach under des Vormiddags Predige brennen, bith der Gottesdienst verrichtet is.“
Ähnlich heißt es betreff „Frühpredigt“ im Kirchenrechnungsbuch (1709) der Ev. St. Nikolai-Kirche zu
Eckernförde und 1749 hinsichtlich der hohen Feiertage im KAP V B c.d. – A. Jessien, Diplomatarium
des Klosters Preetz (1838), S. 187 f.
Bekrönungsfiguren Seite 84
Gut zwei Drittel der amtlich inventarisierten Schaftkronleuchter aus Messing des 16.
bis 18. Jahrhunderts gehört zum kirchlichen Kunstgut – überwiegend evangelischer
Kirchen.
Im Gegensatz dazu gehören die aktiven Kampfszenen der mit Stichwaffen ausgerüs-
teten und Ungeheuer bezwingenden Leuchterfiguren des Erzengel Michael (1665)
(Abb. 140) oder des Heiligen Georg (Ende des 16. Jahrhundert) (Abb. 64) zu den
289
traditionellen Sujets christlicher Ikonographie.
Als profane, kriegerische Motive gelten in der bisherigen kunstwissenschaftlichen
Fachliteratur jene (männlichen) Topfiguren auf Schaftkronleuchtern der Renaissance
– insbesondere auf Winkelarmkronleuchtern – die durch das Tragen von Wappen-
schilden und Waffen hervortreten und aufgrund ihres charakteristischen Äußeren
entweder bestimmten Gesellschaftsschichten bzw. Berufsgruppen zugeordnet werden
können - wie zum Beispiel „Römischer Soldat“, „Büttel“ und „Landsknecht“ - oder die
aufgrund ihrer übermäßigen Behaarung (gegebenenfalls Nacktheit) eine Außen-
seiterposition einzunehmen scheinen – wie zum Beispiel „Wilde Leute“. In Ponderati-
on und mittels Waffe und Schild signalisieren die ersten drei Figurentypen sowohl
Kampfbereitschaft als auch Abwehr, Schutz, Standfestigkeit und Entschlossenheit. In
Kontrapost vermittelt das Motiv „Wilder Mann“ der vierten Figurengruppe Flexibilität
und Handlungsbereitschaft, sofern sie nicht per Kniefall Demut und Ehrerbietung er-
weisen.
Die eindeutig christlichen Themen unter den Kronleuchterfiguren jener Zeit bilden die
proportional zu den inventarisierten Kriegerfiguren offensichtlich weniger verbreite-
290
ten Darstellungen des Gnadenstuhls sowie des Salvator mundi oder Engel. Und die
wenigen Schaftkronleuchter mit der Statuette der Muttergottes zeigen mittels dieser
Bekrönung noch Anklänge an die Spätgotik, während die Leuchter selbst Mischfor-
men (s. Thorn/Polen, St. Johann, Kronleuchter 1580) oder als Schaftkronleuchter
291
schon neuzeitliche Formen aufweisen können. Diese vier kriegerischen Figuren-
gruppen (Abb. 55-86) bilden neben heraldischen Tierdarstellungen (Abb. 93, 102)
und eindeutig christlichen Motiven (Abb. 88, 89) die charakteristischen Bekrönungen
hauptsächlich frühneuzeitlicher Schaftkronleuchter resp. Winkelarmkronleuchter aus
Messing.
Die genannten Spezifizierungen, das heißt die Zuordnung von Kronleuchter- und Fi-
gurentypen werden mitunter beschrieben, mögliche Gemeinsamkeiten oder Unter-
schiede dieser Gestalten auch hinsichtlich ihrer Präsenz auf verschiedenen Kron-
292
leuchtern wurden bisher nicht analysiert.
So kommen unter anderem auf einem der vier Schaftkronleuchter (inschriftlich da-
tiert 1604, südliches Querhaus) der Evangelischen Kirche St. Severi in Hamburg-
Kirchwerder nur schwach ausgearbeitete Subfiguren „Römischer Soldat“ vor, wäh-
rend ein vergleichbarer Leuchter (inschriftlich datiert 1607) mit heraldischem – un-
gekröntem – Doppel-Adler als Bekrönung und Löwenkopf-Maske als Unterhang im
neidersächsischen Uelzen, Evangelische Kirche St. Marien Landsknechte auf der Nu-
tenscheibe trägt. Desgleichen sind auf Kugelkronleuchtern mit heraldischem Doppel-
Adler (inschriftlich bezeichnet 1630) in der Evangelischen Kirche in Zirkow/Rügen
296
sowie 1620/25 in Hittfeld/Lüneburg und Valløby/Dänemark zu finden.
Interdisziplinäre Forschungen sind heranzuziehen, um die Entstehung der Schaftkron-
leuchter aus Metall des 16. bis 18. Jahrhunderts in die historische Entwicklung und die
neuzeitliche Sichtweise auf ein sich änderndes Weltbild einordnen zu können.
297 H. Ewe, Das alte Stralsund, Kulturgeschichte einer Ostseestadt, Weimar 1995, S. 61.
298 W. Petke, Oblationen, Stolgebühren und Pfarreinkünfte vom Mittelalter bis ins Zeitalter der
Reformia-tion, in: Kirche und Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich des 15. und 16.
Jahrhunderts, Hg. H. Boockmann, Göttingen 1994, S. 26 ff., insbes. S. 39.
299 A. Brüning, 1897, S. 49 ff. – Zum Gebrauch der Wachslichter an sich, s. P. Graff, Geschichte
der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutschlands bis zum
Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus, 1921, S. 101: Sinngemäß schreibt er, dass Lichter
größtenteils beibehalten, teils aber auch als „freie Mitteldinge aus Kostengründen abgeschafft“ wur-
den. „Sie (die Lichter) erinnerten uns daran, daß Christus das Licht der Welt sei und wir unser Licht
leuchten lassen und wie die klugen Jungfrauen stets im Glauben bereit sein sollten.“ – J. Sauer,
1924, S. 182. – M. Lurker, Symbol, Mythos und Legende in der Kunst. Die symbolische Aussage in
Malerei, Plastik und Architektur, 1958 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 314), S. 11. –
Zur Rolle des Wachs; s. J. Grimm/W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 13, Leipzig 1922, Reprint,
Sp. 63 f., 134. – Zur rechtlichen Bedeutung des Feuers; s. J. Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer,
Bd. I, 4., vermehrte Aufl., Leipzig 1922, Reprint, S. 268 f.
Bekrönungsfiguren Seite 88
oben genannten Freiheit Worte wie „freiwillig“ (Schleswig) oder „ohn Ketzerey“ (E-
sens).
Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist um so mehr von Interesse, als diese
kriegerischen Typen in Zeitläufen eine unterschiedliche gesellschaftliche Akzeptanz
erfahren und dennoch als verbreitete Motive neuzeitliche Schaftkronleuchter bekrö-
nen. Historische Darstellungen zur vorreformatorischen Bewegung in Schleswig-
Holstein wie auch jüngere drastische Beschreibungen des Klosterlebens in Archivalien
erwecken den Eindruck, dass die Organisation und Umgangsformen menschlicher
Gemeinschaften im Zuge der Individualisierung stärker auf den Prüfstand zu stellen
waren als das eigentliche, theologische Anliegen der neuen Glaubenslehre. Gleich-
wohl zielt diese auf die Verkündigung des reinen Wortes Gottes und damit auf das
allgemeine Priestertum, das heißt auf ein in diesem Sinne gottgläubiges Leben ab.
Stellen der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) einen tiefen Einschnitt in die europäi-
sche Geschichte und schließlich der Westfälische Friede (1648) einen religions-politi-
schen Wendepunkt dar, erscheint für die Beurteilung der vielfältigen Bekrönungsfigu-
ren der besagten Beleuchtungsgeräte weniger diese Zäsur zur Eingrenzung des
Themas in Betracht zu kommen. Vielmehr ist es der über diese Zeit hinausreichende
Spannungsbogen aus bestehenden unterschiedlichen Auffassungen über das Sacer-
dotium sowie der Stellenwert der Glaubens-, Gewissens und Bekenntnisfreiheit, der
zusammen mit anderen Faktoren – wie zum Beispiel die Herausbildung der Territori-
alstaaten und die Verwaltung durch weltliche Ämter – die Verteilung und den Motiv-
300
schatz dieser Schaftkronleuchter aus Messing begünstigt haben dürfte.
Denn es kommen zu dieser Zeit auch Schaftkronleuchter o h n e Figurenschmuck und
diese allem Anschein nach hauptsächlich in calvinistisch geprägten Gebieten vor.
300 Auch diese zuletzt genannte geographische Eingrenzung wäre im einzelnen zu untersuchen,
vgl. dazu u. a. Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, 49. Bd., T. 1: Stadt Lemgo, Münster
1983, S. 71. – Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Bochum-Stadt, 1906, S. 14. – Die
Aus-wirkungen von Verwaltungs- und Gebietsreformen der jüngeren Vergangenheit sind unter
anderem an den Titeln der amtlichen Länderinventare der Bau- und Kunstdenkmäler und deren
Fortschreibung seit dem 19. Jahrhundert ablesbar. Das heißt, dass die ursprüngliche Lokalisierung
der Kronleuchter heute mitunter nicht direkt anhand der genannten Gebiete und Orte nachvollzogen
werden kann, sondern Eingemeindungen zu berücksichtigen sind – wie auch die Tatsache, dass
Kronleuchterbe-stände Veränderungen unterliegen. Es wurde daher bewusst auf die generelle
Abkürzung KDinv. ver-zichtet.
Bekrönungsfiguren Seite 89
nen Bekrönungsfiguren – auf das Wesentliche komprimiert – Typen aus der Bevölke-
rung darstellen, die so das Allgemeine, aber auch das Charakteristische einer Ge-
meinschaft und insofern Strukturen ihrer Organisation im Sinne der Zweireichelehre
des Martin Luther repräsentieren können.
„Römischer Soldat“, „Büttel“, „Landsknecht“, und „Wilder Mann“, in der Regel als
Wappenhalter beschrieben, fallen in ihrem kultischen Verwendungszusammenhang
301
als weltliche, noch dazu kriegerische Darstellungen verschiedentlich auf. Dabei
sind in Sakralgebäuden weder profane Themen noch die Wiedergabe lebensbedrohli-
cher Instrumentarien fremd - offensichtlich aber in der Verbindung zu Kronleuch-
302
tern.
Ein neuer Forschungsansatz, der alle unterschiedlichen Bekrönungen auf Schaftkron-
leuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts zunächst auf eine gemeinsame
Basis stellt, ist die im Rahmen der vorliegenden Studie erstellte Verbreitungskarte.
301 Im Gegensatz zu etlichen Bekrönungsfiguren neuzeitlicher Schaftkronleuchter, die in der Regel grob
charakterisiert sind, ist die Beschreibung der Subfiguren als Krieger- oder Ritterfiguren sehr vage. Nicht
nur die Figuren, sondern auch die beiden Kronleuchter der Ev. Kirche zu Langenhessen/Nieder-Planitz
wären insgesamt und im Hinblick auf die Datierung „1592“ des einen Exemplars genauer zu erforschen; s.
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 12. H.:
Amtshauptmannschaft Zwickau, 1889, S. 48. – Auch die Topfigur des Kronleuchters in Oldisleben ist mit
„Krieger“ oder „Ritter“ zu ungenau beschrieben und kann aufgrund fehlender In-formationen nicht weiter
berücksichtigt werden. Denn geographisch liegen diese Orte in Gebieten, die zu den für das 16. und 17.
Jahrhundert „nicht darstellbaren kleineren Territorien“ gehören – am Rande sowie innerhalb des damaligen
Kursachsens – heute in den Bundesländern Thüringen und Sachsen, s. W. Putzger, 1970, S. 82 f. Dass
Kurzcharakteristiken zu wenig sind, zeigt sich auch in Luckau/Brandenburg, Stadtkirche St. Maria und St.
Nikolai. Im Inventar der Bau- und Kunst-denkmäler in der Provinz Brandenburg von 1885, S. 504 als
„Kronleuchter aus Messing, Renais-sance, sehr reich“ beschrieben, gibt eine Fotografie des Innenraumes
nach Westen nur im Rahmen dessen den Eindruck eines barocken Kugelkronleuchters wieder; s. Deutsche
Kunstdenkmäler. Ein Bildhandbuch. Bezirke Cottbus, Frankfurt/Oder, Potsdam und Berlin, Leipzig 1971, S.
132. Eine fern-mündliche Nachfrage (09/1999) im Büro der Kirchengemeinde St. Nikolai, Luckau ergibt,
dass zwei Kronleuchter vorhanden seien. Vgl. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler.
Branden-burg, 2000, S. 606 bzw. 610 ff. - Auch für die Pfarrkirche St. Marien in Angermünde ist bisher
unbe-kannt, ob bzw. womit die drei Kronleuchter aus Messing der Renaissance bekrönt waren. Die Abbil-
dung und Beschreibung, in: Die Bau- und Kunstdenkmäler der DDR. Bezirk Frankfurt/Oder, 1980, S. 18
bezieht sich auf drei Kronleuchter des 19. Jahrhunderts, vgl. G. Dehio, Handbuch der deut-schen
Kunstdenkmäler, Brandenburg 2000, S. 22. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und
Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 1889, S. 48. – Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens, 1. Abt.:
Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, Bd. 2: Verwaltungsbezirk Apolda, H. 2: Amtsge-richtsbezirk
Allstedt, 1891 (H. 13 des Gesamtwerkes), S. 295, H. Ende, 1984. S. 45.
302 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg, Unveränd. Nachdruck des
Ban-des: Die Bezirke Neubrandenburg, Rostock, Schwerin, 1980, S. 384. – Die Bau- und
Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion. Mit Stralsund,
Greifswald, Rügen und Usedom, 1995, S. 136. – V. Friedrich, Stralsund – Rats- und Pfarrkirche St.
Nikolai, 1999 (Kunstfüh-rer), S. 26 mit Abb. S. 33. – G. Dehio, Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt, Bd. II: Bezirk Halle, Unveränd. Nachdruck 1976, S. 328: „An der
Kanzeltreppe reliefierte Darstellung eines lokalen Ereignisses, des sog. Schlüssel- und
Klöppelkrieges.“ - s. im Allg.: LCI, Bd. 1, Sonder-ausgabe 1994, Sp. 150 ff. – Die Beschwörung des
Kosmos. Europäische Bronzen der Renaissance. Ausst.-Kat. Wilhelm Lehmbruck, Duisburg
(1994/95), S. 10. – W. Paatz hatte darauf hingewiesen, dass sich das revolutionäre Weltbild am
treffendsten in kleinformatigen Bronzewerken ablesen lasse.
– Es stellt sich die Frage, ob dieser Gedanke auf bestimmte Figurentypen als Motive neuzeitlicher
Schaftkronleuchter aus Metall übertragbar wäre.
Bekrönungsfiguren Seite 90
Dies betrifft auch die hier vorgestellten Kronleuchter, die im Rahmen der Studie zwecks
genauerer Analyse nicht in Einzelteile zerlegt werden konnten. Doch sind De-tails ihrer
Morphologie und Konstruktion unter der Fragestellung berücksichtigt, ob die
Eintragungen zur potenziellen Entstehungszeit und Ikonographie dieser (früh-)neu-
zeitlichen Schaftkronleuchter im Gegenüber mit geschichtswissenschaftlichen Karten-
werken für Mitteleuropa neben einer Übersicht zu Kronleuchterbeständen auch eine
303
kunstgeografische Entwicklungslinie sichtbar wird.
Gleichwohl historische Untersuchungen zum Kupferhandel überregionale bis interna-
tionale Geschäftsbeziehungen herausarbeiten konnten, erklärt die Tatsache, dass
Kupfer Bestandteil der besagten Schaftkronleuchter ist, noch nicht die spezifische
Verteilung bestimmter Figurendarstellungen auf Kronleuchtern.
Anhand der Quellen, die im Rahmen dieser Studie untersucht wurden, sind die zu-
letzt genannten Aspekte nicht auszuschließen, bedürfen aber weiterer Recherchen,
um zu allgemeingültigen Aussagen zu führen.
Das 16. und 18. Jahrhundert gelten insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen des
Dreißigjährigen Krieges im 17. Jahrhundert als Zeiten des wirtschaftlichen, aber auch
des demographischen Wachstums und sind neben machtpolitischen durch soziale
304
Konflikte geprägt.
303 F. W. Putzger, Historischer Weltatlas, 92. Aufl. 1970, S. 78 f., 82 f., S. 90 f. – Großer Atlas zur
Welt-geschichte, 1997, S. 90 f., 96 f., 102 f., 104, 106 f. – Siehe auch Handbuch der
Kirchengeschichte, Bd. IV, 1985 und Bd. V, 1986.
304 W. Stieda, Hansische Vereinbarung über Städtisches Gewerbe, in: Hansische Geschichtsbl., Jg.
1886 (1888), S. 101 ff. – R. A. Peltzer, 1909. – E. George, Die wirtschaftlichen und kulturellen
Beziehun-gen der Westküste Schleswig-Holsteins zu den Niederlanden, in: Nordelbingen 1 (1923), S.
220-289.
– Schwerpunkte der Kupferproduktion in Europa: 1500-1650, Hg. H. Kellenbenz, 1977. – O. Brandt,
Bekrönungsfiguren Seite 91
Geschichte Schleswig-Holsteins, 8. Aufl., Kiel 1981, S. 154, 175. – U. Lange, Deutschland im Zeital-
ter der Reichsreform, der kirchlichen Erneuerung und der Glaubenskämpfe (1495-1648), in: P. Ras-
sow, Deutsche Geschichte, 1987, S. 144-217. – Siehe ebd. S. 218-197. H. Schmidt, Zerfall und Un-
tergang des alten Reiches 1648-1806 – G. Mann, Wallenstein, 1997, insbes. S. 355 ff. – L. Jardine,
Der Glanz der Renaissance, 1999, I. Origo, „Im Namen Gottes und des Geschäfts“. Lebensbild eines
toskanischen Kaufmanns der Frührenaissance, 3. Aufl. 2000.
305 Neue Formen der „Verwaltung/Administration“ entstehen seit dem 15. und 16. Jh. zum
Beispiel in Holstein und Schleswig unterschiedlich. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg.
Kreis An-germünde, Bd. III, T. 3, 1934, S. XXXIX ff. – U. Lange, Die politischen Privilegien der
schleswig-holsteinischen Stände 1588-1675, 1980. – Frieden durch Recht. Das Reichskammergericht
von 1495-1806. Ausst.-Kat. Wissenschaftszentrum Bonn sowie Historisches Museum Frankfurt/M.
1994/1995. – B. Distelkamp, Rechtsfälle aus dem Alten Reich. Denkwürdige Prozesse vor dem
Reichskammergericht, 1995, insbes. S. 39-56 und S. 62-75.
306 Siehe u.a.: HHStA. 612-1/45, Extrajudical-Sachen der Rot-, Stück- und Glockengießer gegen
die
Eisenkrämer. – HSTA Rep. 16, Nr. 312: Amt der Gürtler/Klage J. G. Wosaeck 1740/53 gegen das
Amt der Gürtler wegen Eindrangs: „Ich muß mich hier auf das Exempel anderer Städte beziehen,
Lübeck gehört hier wohl am nächsten, weil aber daselbst Gelbgießer sind, so muß man auf eine sol-
che Stadt recurieren, wo sich keine Gelbgießer aufhalten: man wird deren weniger finden - mir ist
aber doch Nürnberg bekandt daselbst dürften die Gürtler nicht das geringste, ja nicht einmahl ein
Loth schwer gießen ... und müssen alles gegossene, was sie zu ihrer Arbeit benöthiget, sind bey de-
ren Rothgießern gießen lassen. Dieses weiß ich weil ich selbst in Nürnberg gewesen bin, ...“ - HSTA
Rep. 16 Nr. 316: „Da heute in termino so weit der roth und glocken Gießer Woseck nebst seinem
beystand dem Adv(ocatus) Köppen, als die Gürtler Hopp und Weylen erschienen haben H(erren)
Camerarii der wegen unter Ihnen streitig seyenden puncten Vereinigung zu treffen sich bemüht,
worauf denn endlich gürtler sich erkläret, daß Sie nunmehro folgender Arbeit sich gänzlich begeben,
und dem Roth- und Glockengießer als zu seiner profession gehörig privative einräumen wolten - 1)
alle gegossene … Crohnen und Tischarme (des Weiteren Mörser, Glocken etc.) ... dahingegen läßet
Ihm den Roth und Glockengießer Woseck gefallen, daß die hiesige gürtler nebst Ihm folgende ange-
bot zu jeder Zeit mögen machen und verfertigen können als 1) die Anklopfer und Schilde an denThü-
ren, 2) Messingste Schaufeln und Zangen groß und kleine ..., 4) wie auch tafel leuchter ... Saturn
den 3. jun. 1747“ – LAS Abt. 210, Nr. 2353: Stück- und Glockengießer. Privileg für Anthon Wiese zu
Lübeck für den Bereich Lauenburg 1649. – LAS Abt. 210, Nr. 2369: Acta betreff die dem Hans Hütt-
mann zu Ratzeburg ertheilten Privilegien des Kupfer- und Messing-Handels und die wider die regie-
renden Kupferträger und Kesselflicker erlassenen Verordnungen (1665) 1680/81. – LAS Abt. 65.1,
Nr. 1769: Akten der Deutschen Kanzlei betreff zu Bad Oldesloe spec. die Kupfermühle und Handel
mit Kupfer- und Messingwaren (1515) 1632/1668.
Bekrönungsfiguren Seite 92
personelle Strukturen auf der Grundlage des rezipierten Römischen Rechts im Heili-
gen Römischen Reich de jure geordnet, aber nicht de facto zwischen geistlichen und
weltlichen Fürstentümern. Denn die Bischöfe besitzen in Teilen ihres geistlichen
Sprengels fürstliche Macht und somit eine Doppelherrschaft. Und diese ist unter an-
derem Auslöser, dass Einfluss und Interessen der weltlichen Landesfürsten und
Stadträte mittels der Zweireichelehre Martin Luthers, das heißt durch die konsequen-
307
te Trennung von Religion und Politik eine neue Dimension erhalten.
Das Bestreben, hier ordnend einzugreifen durch eine Neustrukturierung von Gesell-
schaft und kirchlicher Gemeinschaft sowie Maßstäbe zu setzen, könnte die Auswahl
der Kronleuchterfiguren „Römischer Soldat“, „Büttel“, „Landsknecht“ und „Wilder
Mann“ begünstigt haben. Assoziiert doch der römische Soldat Gesetz und Ordnung
durch Römisches Recht. Zudem ist die Präsenz dieses Motivs um die Darstellung des
Gerichtsdieners bzw. Büttels erweitert.
Da dieser mitunter auch als Landsknecht angeworben wurde, nimmt der Büttel inso-
fern unter den als potenzielle Landesdefensoren wiedergegebenen Kronleuchterfigu-
ren eine Zwischenstellung ein.
Landsknechte waren anfangs ritterlichen Orden vergleichbar und lebten nach be-
stimmten Ordnungen, so dass ihre Verbindung zum Christentum nicht abwegig ist,
aber im Zeitalter der Konfessionalisierung zur Aufsplitterung sowie zu Antagonismen
führt.
307 P. Graff, Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen
Kirche Deutschlands bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus, 1921. – Weltanschauung
und Analyse des Menschen seit Renaissance und Reformation. Abhandlungen zur Geschichte der
Philoso-phie und Religion, 3. unveränd. Aufl. 1923, S. 46 ff. – L. Fendt, Der lutherische Gottesdienst
des 16. Jahrhunderts, sein Werden und Wachsen, 1923. – H. H. Schrey, Reich Gottes und Welt. Die
Leh-re Luthers von den zwei Reichen, 1969 (Wege der Forschung, Bd. CVII), S. 48 ff. – Handbuch
der deutschen Bildungsgeschichte, 6 Bde., Bd. 1: 15. bis 17. Jahrhundert. Von der Renaissance und
der Reformation bis zum Ende der Glaubenskämpfe, o.J., S. 57 ff. – O. Brandt, Geschichte
Schleswig-Holsteins, 8. Aufl. Kiel 1981, S. 152,154 f., 158, 160, 203. – H. Diwald, Luther. Eine
Biographie, 1982. – Martin Luther 1483-1546. Ausst.-Kat. Lutherhalle Wittenberg (2., verbess. und
erw. Aufl. 1993), S. 92, 176, 206. – R. Friedenthal, Luther. Sein Leben und seine Zeit, 9. Aufl. 1997.
– Martin Luther und der Bergbau: aus Tischreden, Briefen und Predigten. Stiftung
Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, H. 6, 2000. - „..von daher bin ich“ Martin Luther und der
Bergbau im Mansfelder Land. Aufsätze zur Ausstellung Martin Luthers Sterbehaus Eisleben
(2000/Stiftung Luthergedenkstät-ten in Sachsen-Anhalt. H. 7). – H. Lilje, Martin Luther, 22. Aufl.
2000.
308 H. Schnitter, Volk- und Landesdefension. Volksaufgebote, Defensionswerke, Landmilizen in den
deut-schen Territorien vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, Berlin-Ost 1977, S. 36. – R. Baumann,
Lands-knechte. Von Helden und Schwartenhälsen, 1991, S. 195 insbes. – B. R. Kroener/R. Pröve
(Hg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, 1996. – Brage bei der
Wieden, Niederdeutsche Söldner vor dem 30jährigen Krieg. Geistige und mentale Grenzen eines
sozialen Raums, in: R. Kroener/R. Pröve (Hg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der
Frühen Neu-zeit, 1996. – K. Hagemann/R. Pröve, Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger.
Militär, Krieg und Gesellschaftsordnung im historischen Wandel, 1998. – S. Kroll/K. Krüger (Hg.),
Militär und ländliche Gesellschaft in der frühen Neuzeit. Herrschaft und soziale Systeme in der frühen
Neuzeit, Bd. 1, 2000.
Bekrönungsfiguren Seite 93
309 J. Bumke, Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, 2 Bde., 3. Aufl.
1986, Bd. 1, S. 64 ff.
310 Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, III. Reg.bez.: Hannover, 2. und 3.: Stadt
Lüneburg, Hannover 1906, S. 130, 241, 255. – Sog. Karlskronleuchter (17. Jh.) in Aachen; s. R. A.
Peltzer. 1909, S. 128. – Spätgotischer Kapellenkronleuchter; s. Die Kunstdenkmäler der Provinz
Hannover, T. II: Regierungsbezirk Hildesheim, Bd. 1 und 2: Stadt Goslar, 1901, S. 301. – H. G.
Griep, 1961 (Goslar). – Die Baudenkmäler des Regierungs-Bezirks Stralsund, H. IV: Der Kreis
Rügen, 1897, S. 361. – Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen. Bezirk Rostock, Bd. 1, 1963, S. 617
und Taf. 129 (Waase/Ummanz).
311 Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 12.
H.: Amtshauptmannschaft Zwickau, 1889, S. 48.
Bekrönungsfiguren Seite 94
Als Beispiele früherer Darstellungen des Salvator mundi sind die Bekrönungen der
Schaftkronleuchter mit abschließender Löwenkopf-Maske in Stralsund, Evangelische
Kirche St. Marien (1557) und in Stade/Niedersachsen, Evangelische Kirche St. Wil-
hadi bekannt (Abb. 88, 153).
Dass die Statuette „Salvator mundi“ zwischen 1655 und 1661 auf Schaftkronleuch-tern in
Schleswig-Holstein häufiger vorkommt, ist auf Stiftungen bzw. Doppelstiftun-gen sowie
313
möglicherweise auf Werkstatttraditionen zurückzuführen (Abb. 103, 114, 115). Und
vor diesem Hintergrund erhebt sich die Frage, ob die besagten kriegeri-
312 R. Bernheimer, 1952. – L. Möller, 1961. – Der Mensch um 1500. Werke aus Kirchen und
Kunstkam-mern, Ausst.-Kat. Skulpturengalerie Berlin SMPK (1977), S. 164 f. – T. Husband/G.
Gilmore House, The Wild Man. Medieval Myth and Symbolism, Ausst.-Kat. Metropolitan Museum of
Art New York (1980), LCI., Bd. 4, Sonderausgabe 1994, Sp. 531. – M. Elias, Über den Prozess der
Zivilisation. So-ziogenetische Untersuchungen, 2 Bde., Frankfurt/M. 1976, 2. Bd., S. 316
313 Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Dortmund – Stadt Münster, 1894, S. 39
und Taf. 30. – Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR. Bezirk Frankfurt/Oder, Berlin, München
1980, S. 49. – Die Kunstdenkmale der Provinz Sachsen, 3. Bd.: Kreis Stendal Land, Burg 1933, Taf.
78. –
Bekrönungsfiguren Seite 95
schen Figuren unmittelbarer Ausdruck dieser Grundrechtsidee sein können und dar-
über hinaus, ob sie die verschiedenen Auffassungen zum „Priestertum der Gläubi-
gen“, das heißt die Ordnungs- und Dienstfunktionen gegenüber kirchlichen Leitungs-
ämtern widerspiegeln. Denn jedes der besagten profanen Motive assoziiert unter an-
derem entsprechende Charakteristika und Verbindlichkeiten innerhalb einer Gemein-
schaft.
Verkörpern diese Figurentypen, die in der frühen Neuzeit vermehrt zu sehen sind, die
Antithese „Gesetz und Evangelium“, die für Luther eine zentrale Frage ist und Kon-
troversen im Zeitalter der Konfessionalisierung nährt? Und erlaubt die stereotype
Gestaltung der jeweiligen Figurengruppen nicht allein Rückschlüsse auf die Ferti-
gungstechnik, sondern auch auf das Wesen reformatorischer Kunst?
Dort interessiert mit der Konzentration auf das ikonographisch Wesentliche, die
Rechtfertigung aus Glauben: die Gnade. Diese scheint im Medium Metallguss künst-
lerisch kaum eindringlicher vor Augen geführt werden zu können als in Gestalt der
besagten vier Figurentypen.
Vielfach sind die innerhalb ihrer Gruppe gleichermaßen stereotypen Bekrönungen der
neuzeitlichen Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts bisher
deskriptiv in Wappenhalter sowie normativ als Tugenddarstellungen eingeteilt. Und
letztere werden dabei zum Teil anhand der Inschriften von Kronleuchtern mit einer
gewissen Vorbildfunktion der auf diese Weise Gewürdigten für die Zeitgenossen und
314
die Nachwelt in Verbindung gebracht. Diese Korrelation einer illuminierten figürli-
chen Darstellung und eines (posthum) verbalisierten Leistungsdenkens als Totenge-
Danmarks Kirker, Frederiksborg Amt, 4. Bd., Kopenhangen 1975, S. 2210. – Die Kunst- und Ge-
schichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, IV. Bd., 2. Aufl. Schwerin 1901, S.
595 f. – Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Reg.bez. Stade. Kreis Land Hadeln und Stadt
Cuxhaven, Textbd. 1956, S. 283. – Ebd., Landkreis Stade, Textbd. 1965, S. 84. – Die Bau-und
Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III, 1920, S. 430. – S. Beissel, Ge-schichte
der Verehrung Marias im 16. und 17. Jahrhundert, 1910. – M. Hasse, Maria und die Heili-gen im
protestantischen Lübeck, in: Nordelbingen 34 (1965), S. 72-81. – E. Hoffmann, Lübeck im Hoch- und
Spätmittelalter. Die große Zeit Lübecks, in: Lübeckische Geschichte, 1988, S. 295 (Volks-
frömmigkeit und kulturelle Verhältnisse). – Schleswig-Holsteinische Regesten und Urkunden, Bd. 15,
Urkundenbuch des Bistums Lübeck, Bd. 4, Urkunden 1510-1530 und andere Texte, 1996, S. 194, Nr.
2359: Verzeichnis der Kleinodien des Bildes Marien Mitleid im Dom zu Lübeck, 14. August 1528.
– R. W. Scribner, Religion und Kultur in Deutschland 1400-1800, 2002 (Veröffentlichungen des Max-
Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 175), S. 82 f. – Sveriges Kyrkor. Uppland, Bd. IV, Seminghundra
Härad, 1919, S. 244. – Sveriges Kyrkor, Uppland, Bd. V, T. 1, 1953-58, Sjuhundra Härad, 1956, S.
280 f. (Rimbo Kyrka). – Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen, Bd. V, T. 1, Regierungs-
bezirk Stade, 1956, S. 283. – Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklen-
burg-Schwerin, II. Bd., 2. Aufl. Schwerin 1899, S. 66. – Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfa-
len. Kreis Lippstadt, Münster 1912, S. 105. – Die Baudenkmäler des Reg.bez. Stralsund, H. V, Stadt-
kreis Stralsund, Stettin 1902, S. 450. – Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Reg.bez.
Stade. Stadt Stade, Textbd. 1960, S. 66. – R. Slawski, St. Andreas - Neustadt - Braunschweig, Hg.
Kirchenvorstand der St. Andreasgemeinde zu Braunschweig, 1996, S. 41, vgl. Die Bau- und Kunst-
denkmäler der Stadt Braunschweig, 1926, S. 23 und 25! – Ende 2004 informierte H. von Poser,
Kunst-referent der Evangelischen Landeskirche Hannovers über die Wiederauffindung eines
Schaftkronleuch-ters aus Messing mit der doppelseitigen Bekrönung des Salvator mundi und des
Apostel Andreas in Hildesheim, evangelische Kirche St. Andreas. – Die Kunst- und Geschichts-
Denkmäler des Großher-zogtums Mecklenburg-Schwerin, II. Bd., 2. Aufl. Schwerin 1899, S. 117. –
F. Michaelsen, Die Glück-städter Lichterkronen, in: Steinburger Jb. 1965, S. 91-99.
314 K. Jarmuth (1967), S. 228 f.
Bekrönungsfiguren Seite 96
denken, scheint auf den ersten Blick an die Tradition von Beleuchtungsgerät und Hei-
ligenfigur im Sinne der alten Lehre aus katholischer Zeit anzuknüpfen. Etlicher Zier-
rat von Schaftkronleuchtern in Gestalt von Masken und Fabelwesen weist auf Paralle-
len zu mittelalterlichen Wandmalereien und illuminierten Handschriften hin (Abb.
315
146).
Buchholz spricht in seinen Studien „Protestantismus und Kunst im 16. Jahrhundert“
unter anderem davon, dass die Reformation nichts gänzlich Neues brachte, sondern
316
alles auf eine andere Ebene stellte.
Ähnlich heißt es schon in der Vorrede zur Schleswig-Holsteinischen Kirchenordnung
von 1542, wo eindeutig von der Gnade Gottes als Grundlage gesprochen wird, wobei
die Entstehung der evangelischen Landeskirchen im Zusammenhang mit machtpoliti-
schen Interessen weltlicher Herrscher zu sehen ist.
„WIR CHRISTIAN, VON GOTTES Gnaden König zu Dänemark und Norwegen, König
der Wenden und Goten, Herzog zu Schleswig, Holstein, Stormarn und Dithmarschen,
Graf zu Oldenburg und Delmenhorst. Wir preisen Gott und danken seiner Gnade in
Ewigkeit, dass wir zur Erkenntnis seines lieben Sohnes, unseres Herrn Jesus Chris-
tus, gekommen sind ... Damit wir für diese unaussprechliche Gnade Gottes nicht
undankbar sind und sich auch unsere Erblande in der Sache der christlichen Religion
nicht weiterhin so beklagenswert in unheilvoller Zerrüttung befinden mögen, haben
wir aus Gottes Gnaden in Zusammenarbeit mit unseren Räten und unserer Land-
schaft vorgenommen, eine christliche Kirchenordnung gemäß Gottes Wort und Christi
Befehl ergehen zu lassen, nicht um etwas Neues zu stiften (davon behüte uns Gott),
sondern um öffentlich mit unseren Erblanden das anzunehmen, was uns Gott, unser
lieber Herr durch seine Propheten und Apostel befohlen hat, bevor es unter soviel
Irrlehre begraben wurde, dass dadurch das Evangelium Christi seiner Helligkeit be-
317
raubt und unterdrückt worden ist ...“
Dass dieses Besinnen auf Gottes Gnade auch im Kernland der Reformation keine
gängige Praxis ist, geht unter anderem aus den Schreiben Martin Luthers (Witten-
berg, 24. Mai 1540) an seinen Landesherrn Graf Albrecht von Mansfeld hervor.
„Gnade und Friede in Christo! Gnädiger Herr! Ich habe lange nicht um etwas gebe-
ten, ich muss auch einmal kommen, das die Straße der Fürbitte nicht zu gar mit Gra-
se verwachse, … , ward unter anderem gesagt, wie Euer Gnaden mit den Hütten-
meistern der Schärfe handelten ... Ich bitte nicht um Recht …, sondern um Gnade
und Gunst, denn Euer Gnaden werden Gottes Gnaden und Gunst auch bedürfen, ... Denn
suchen wir unser Recht zu gestrenge an unserem Nächsten und lassen nicht Gnade
scheinen, so wird wahrlich Gott sein Recht gegen uns auch suchen und die Gnade finster
werden lassen. Ich hoffe, Euer Gnaden werden hieraus nichts anderes verstehen, denn
318
dass ich Euer Gnaden als meinen lieben Landesherrn lieb habe ...“
Buchholz hebt zeitig die besondere Wahrnehmung des Reformators Martin Luther
(1483-1546) für die kirchliche Kunst als pädagogisches Mittel hervor. Die jüngere
Kunstwissenschaft hat diesen Ansatz anhand systematisch untersuchter Kunstwerke
319
stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt.
So führen anhand der Schriften Martin Luthers und auch Philipp Melanchthons (1497-
1560) interdisziplinäre Forschungen zur bewahrenden Kraft des Luthertums für mit-
telalterliche Kunst in evangelischen Kirchen vor Augen, dass die Reformation infolge
eines anderen Verständnisses des Evangeliums eine Erneuerung des Glaubens in
Form eines Umdenkungsprozesses der (gläubigen) Bevölkerung sowie der Obrigkeit
und nicht ein tabula rasa – die Ausräumung von Kunst aus Kirchen – zum Ziele hat-
te.
Schon im Jahre 1921 führt P. Graff aus: „Die Reformatoren selbst standen allen Ze-
remonien ziemlich frei gegenüber. Sie hatten in Norddeutschland viele behalten, da
die Gemeinden oft darauf hielten, auch um der Schwachen willen, in Süddeutschland
dagegen nur wenig, weil die Gemeinden unter schweizerischem Einfluss stehend,
320
Anstoß nahmen.“
Sofern also die vorhandenen Kunstwerke und die Schaffung neuer nicht der Vereh-
rung von Heiligen und der Abgötterei dienten, sondern der Erinnerung an Zeugen des
frühen Christentums und an (lokale) Vorbilder des Glaubens, so hatte Martin Luther
– nach einer im Umkreis Kursachsens entstandenen Ordnung – schließlich jene Aus-
stattung nicht abgelehnt, welche „... ein eusserlich Zierde und wolstand sei, dodurch
321
das volg zu mehrer andacht bewogen werde.“ Ähnlich heißt es in der auf Johannes
Bugenhagen (1485-1585) zurückgehenden Kirchenordnung (1528/29), die auch in
318 Martin-Luther-Briefe 9, Nr. 3481, in: Martin Luther und der Bergbau. Aus Tischreden, Briefen
und Predigten, Gesammelt von C. Reizig und G. Müller, Hg. Stiftung Luthergedenkstätten in
Sachsen-Anhalt, Wittenberg 2000, S. 32 ff.
319 F. Buchholz, 1928, S. 79. – Siehe u.a.: Geschichte des protestantischen Kirchenbaues.
Festschrift für Peter Poscharsky zum 60. Geburtstag, Hg. K. Raschzok/R. Sörries, 1994. – G.
Kießling, Der Herr-schaftsstand. Aspekte repräsentativer Gestaltung im evangelischen Kirchenbau,
1995 (Beiträge zur Kunstwissenschaft. Bd. 58). – U. Mathies, 1998, S. 78. – R. Zeller, Prediger des
Evangeliums. Erben der Reformation im Spiegel der Kunst, 1998. – Vgl. demgegenüber: C. Göttler,
Die Kunst des Fege-feuers nach der Reformation. Kirchliche Schenkungen, Ablaß, Almosen in
Antwerpen und Bologna um 1600, 1996 (Berliner Schriften zur Kunst, Bd. 7).
320 P. Graff, 1921, S. 17; s. dort auch Einführung und Auswirkungen des Interims. – V.
Plagemann, Kunstgeschichte der Stadt Hamburg, 1995, S. 119 ff. – J. M. Fritz (Hg.), Die
bewahrende Kraft des Luthertums. Mittelalterliche Kunstwerke in evangelischen Kirchen, 1997. –
Goldschmiedekunst des Mittelalters im Gebrauch der Gemeinden über Jahrhunderte bewahrt, Ausst.-
Kat. der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Kirchlichen Stiftung Kunst und
Kulturgut in der Kirchen-provinz Sachsen Magdeburg (2001).
321 G. Wartenberg, Bilder in den Kirchen der Wittenberger Reformation, In: Die bewahrende Kraft
des Luthertums. Mittelalterliche Kunstwerke in evangelischen Kirchen. Hg. J. M. Fritz. 1997. S. 19-
33, insbes. S. 21.
Bekrönungsfiguren Seite 98
322
Lübeck Anwendung findet. In diesem Sinne „ad instructionem“ und „ad memoriam
sanctorum/pro memoria“ werden seit der Reformation – der Schleswig-Holsteini-
schen Kirchenordnung (1542) zufolge und laut herzoglicher Anweisung in Mecklen-
burgischen Kirchenordnung (1552/54), die damals auch in Holstein-Pinneberg gilt –
zum Beispiel Heiligenlegenden nur als Zeugnis und zur Stärkung des Glaubens einge-
323
setzt.
„Am Tage Allerheiligen soll man über den Glauben und die Nachfolge der Heiligen
predigen, damit der gemeine Mann begreife, wie man die Heiligen in der richtigen
Weise verehren könne, nicht dass man sie anrufe oder ihnen wie früher eine falsche
oder heuchlerische Verehrung entgegenbringe.“ Denn auf der Grundlage des reinen
Wortes Gottes von der Erlösung der Menschheit durch Christi Opfertod und Auferste-
hung verkündigen die Reformatoren die Rechtfertigung allein aus Glauben. Und be-
zeichnenderweise greift Luther zudem aus den sieben Sakramenten der alten Kir-
chenlehre die Taufe, die Buße und das Abendmahl als wesentlich heraus.
Erfährt hier die weltliche Macht expressis verbis deutliche Unterstützung, fällt auf
frühneuzeitlichen Schaftkronleuchtern die zeitlich nahe Präsenz der beiden Landesde-
fensoren unterschiedlicher Epochen, das heißt „Römischer Soldat“ und „Landsknecht“
und die Ergänzung dieser Figurentypen um jene des „Büttels“ als Bekrönungen auf.
Und es ist ferner auffallend, dass diese kriegerischen Motive zwar unterschiedlich
verbreitet und doch auf religionspolitisch vergleichbare Standorte verteilt sind. Hier
kommt in der Regel jeweils nur eine dieser vier Darstellungen innerhalb eines Sakral-
oder Profangebäudes vor.
Vereinzelt erstaunt die Lokalisierung des Motivs „Wilde Leute“. Denn diese bekrönen
nicht allein Leuchter in evangelischen Gotteshäusern, sondern auch in katholischen
Kirchen.
Karikaturen reformatorischer Flugblätter aber zeigen den Papst als Oberhaupt der
327
römisch-katholischen Kirche in diesem Habitus eines Ungezähmten. So dass die
Verbreitung des Motivs „Wilder Mann“ offensichtlich beliebig ist, aber dem Ursprung
nach tatsächlich im Sinne der älteren Forschungsmeinung an bestimmte Landschaf-
ten, das heißt an waldreiche Gebiete gebunden schiene, gäbe es diese Darstellungen
des Schrats nicht auch in der Küstenregion. Aufgrund dessen bedarf die Lokalisation,
das heißt unwegbares/unzugängliches Gelände, wodurch die Wilden Leute auch cha-
rakterisiert und definiert werden, einer Präzisierung. Wesentlich sind dabei die
Grenzbereiche in jeder Hinsicht. Denn auch die nackten weiblichen Kronleuchterfigu-
ren werden trotz Hut und Halsschmuck der Gruppe „Wilde Leute“ zugeordnet.
Die Dominanz des Maskulinen – so möglicherweise auch die der Figurentypen „Römi-
scher Soldat“, „Büttel“, „Landsknecht“ im Motivschatz frühneuzeitlicher Schaftkron-
leuchter – entspricht der humanistisch geprägten Auffassung der Reformatoren. Dar-
nach ist der Glaube etwas in hohem Maße Heroisches. Schließlich zeigen die frühen
Landsknecht-Darstellungen bekannter Künstler seinerzeit – wie zum Beispiel Albrecht
Altdorfer (1480-1538) oder Albrecht Dürer (1471-1528) Bewunderung für diese Sol-
328
daten.
Auf Kronleuchtern aus Metall bilden die zuvor genannten vier Figurentypen innerhalb
ihrer Gruppe klar konturierte Stereotype. Die jeweils charakteristische Gestik lenkt
dann das Augenmerk auf die Attribute und die Kostümierung der Statuetten. So er-
füllen sie als eingängige, leicht verständlich Motive einen Wiedererkennungseffekt,
327 Der Mensch um 1500. Werke aus Kirchen und Kunstkammern, Ausst.-Kat. Skulpturengalerie
SMPK Berlin (1977), S. 164 f.: Die Karikatur „Papst als Wilder Mann“ von Melchior Lorch zeigt nicht
nur den Spruch „HEBT EUCH GODT UNDT MENSCHEN FERREN ICH UNDT TEUFEL SINDT DIE HERN.“
Dia-metral dazu – links in der oberen Ecke der Radierung, heißt es: „AL ANDER HERSCHAFT IST VON
GOT // ZUR HULF DEM MENSCHEN IN DER NOT // OH SATAN UNDT SEIN BEPSTLICH ROT // SEINDT
HERN ZU STIFTEN SUNDT UNDT TODT // DER BABST HEIST RECHT DER WILDE MAN // DER DURCH
SEIN FALSCHES SCHALCKES BAN // AL UNGLUCK HAT GERICHTET AN // DAS GOT UNDT MENSCHEN
NICHT LEIDEN KAN. 1545 MART. LUTHER. D.“
328 Meisterwerke europäischer Graphik 15.-18. Jh. aus dem Besitz des Kupferstichkabinetts
Coburg, Ausst.-Kat. Kunstsammlungen der Veste Coburg (1975), Kat.-Nr. 76. – H. Mielke, Albrecht
Altdorfer
– Zeichnungen, Deckfarbenmalerei, Druckgraphik, Ausst.-Kat. Kupferstichkabinett Berlin SMPK
(1988), Kat.-Nr. 89b, 90 a.
Bekrönungsfiguren Seite 100
Dass zum Beispiel die Brüder Beham mit ihren Graphiken eines römischen Soldaten
332
Jupiter meinen, erläutert die Bildunterschrift.
In Zeiten, wo sich gesellschaftliche Umstrukturierungen ereignen, wo Philosophie und
Geistesgeschichte auch dem Universum Unendlichkeit zuerkennen, die bis dahin al-
lein Gott charakterisierte und die Öffnung des Weltbildes zugleich eine für andere
Religionen beinhaltet, erscheint während der Renaissance die Darstellung des Jupiter
als höchste Gottheit der Römer sowie als höchster Garant und Erhalter der kosmi-
schen und sittlich-sozialen Ordnung nahe liegend. Ob eine entsprechende Korrelation
329 In Anbetracht des erhobenen Schwertes als Attribut der Kronleuchterfigur „Römischer Soldat“
stellt sich die Frage, inwieweit dies mit den so genannten Sendschwertern als Zeichen der Freiheit
assozi-iert wurde. s. Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, 41. Bd., 2. T.: Die Stadt Münster,
1933,
S. 364, Abb. 536 und S. 374 f. und vgl. Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR. Mecklenburgische
Küstenregion. Mit den Städten Rostock und Wismar, Berlin 1990, S. 217. Dort wird der hölzerne
Wandarm unterhalb eines Tafelbildes mit Kriegsschiff und Silhouette Wismars, 17. Jh. im Nordosten
der Heiligen-Geist-Kirche zu Wismar allerdings als vermutlich dazugehöriger Kerzenhalter interpre-
tiert. – Zu Kunst als pädagogisches Mittel; s. U. Mathies, 1998, S. 39.
330 K. Löcher, Barthel Beham. Ein Maler aus dem Dürerkreis, 1999 (Kunstwissenschaftliche
Studien, Bd. 81).
331 M. H. Bethink; s. Saur, Bd. 10, 1995, S. 236. – J. Binck; s. Thieme-Becker, Bd. 4, 1910, S. 36.
–
H. Brosamer; s. Thieme-Becker, Bd. 5, 1911, S. 66. – H. Guldenmund; s. Thieme-Becker, Bd. 15,
1922, S. 329. – J. Ladenspelder; s. Thieme-Becker, Bd. 22, 1928, S. 189. – M. Lorichs; s. Thieme-
Becker, Bd. 23, 1929, S. 395. – N. Wilborn; s. Thieme-Becker, Bd. 35, 1942, S. 554. – Zur Religiosi-
tät der Landsknechte; s. R. Baumann, 1994, S. 35, 195.
332 K. Löcher, 1999, S. 29 ff.
Bekrönungsfiguren Seite 101
333 Die Schleswig-Holsteinische Kirchenordnung von 1542, 1986, S. 9, 23. – R. Baumann, 1994,
S. 104.
334 Nach dem Verständnis M. Luthers und J. Calvins von der Rechtfertigung aus Glauben und
Erlösung bleibt der sündige Mensch ein solcher auch unter der Gnade Gottes.
335 LCI, Bd. 4, Sonderausgabe 1994, Sp. 531.
Bekrönungsfiguren Seite 102
Und es sind zum anderen die teils als oder wie Schaftkronleuchter gestalteten Tauf-
kronen, die von der Trinität in Gestalt des „Gnadenstuhls“ bekrönt werden. Ange-
sichts dessen erhebt sich die Frage, ob die Abdeckungen protestantischer Taufbecken
– über die praktische Schutzfunktion hinaus – generell tatsächlich nur „der Auswei-
tung des ikonographischen Programms“ und der würdigenden „Hervorhebung des
Taufbeckenstandortes im Kirchenraum“ dienten oder ob nicht auch diese frühen
Kompositionen gerade vor dem Hintergrund der zeitlich versetzt durchgeführten Re-
formation und der Herausforderung der Rekatholisierung ein präzises Bekenntnis
zum Glauben an Gottes Wort und die Rechtfertigung allein aus Glauben darstellen.
(Statuette, Kronleuchter als Taufkrone zu den Fünten, Bronze, von 1547 in Hildes-
heim, Evangelischen St. Andreas-Kirche, 1590 von Mante Pelkinck (gest. zwischen
1597 und 1600) gegossen für Helmstedt, Evangelischen St. Stephanie-Kirche und
Hessisch-Oldendorf, Evangelischen St. Marien-Kirche, 1592 von Mante Pelkinck ge-
gossen für Hildesheim, Katholische Heilig-Kreuz-Kirche; 1618 von Dietrich Mente
336
(um 1583 - nach 1632) gegossen für Hildesheim, Evangelische St. Michael-Kirche).
Ein weiteres Exemplar eines Kronleuchters als Taufkrone ist mit der Bron-
336 Siehe Zu Kronleuchtern in Stralsund und Wismar: Die Baudenkmäler des Regierungs-Bezirks
Stral-
sund, H. II: Der Kreis Greifswald, 1885, S. 449 f. Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großher-
zogtums Mecklenburg-Schwerin, II. Bd.: Die Amtsgerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna,
Bekrönungsfiguren Seite 103
zetaufe (1609) des M. Hans Bethinck (1585-1609 genannt) in der Evangelischen St.
337
Simeonis-Kirche sowie in der Evangelischen St. Martin-Kirche in Minden erhalten.
Ein anderes Beispiel, das inschriftlich in das Jahr 1575 datiert ist, wird sinngemäß wie
folgt beschrieben und nachträglich so interpretiert. Es befindet sich unter den
Ausstattungsstücken der Abteikirche Marienfeld zu Freckenhorst/Nordrhein-Westfalen
im Hochchor „ein vierzehnarmiger Kronleuchter“ (!) aus Gelbguss (1575). Eine Lö-
wenkopf-Maske bildet den Unterhang und eine Engelstatuette die Bekrönung dieses
Winkelarmkronleuchters. Diese hält die Wappenschilde des Ordens und des Abtes
338
Hermannus Fromme (1564-1597).
„Der Kronleuchter ... beinhaltet viele symbolische Aussagen. Der obere Kranz mit
sechs Lichtern (!) stellt das Sechstagewerk dar. Die untere Lichtkrone mit zehn Lich-
tern (!) ist Sinnbild der Vollkommenheit, der Ordnung des Universums. Kronleuchter
339
stellen den Lichtglanz des himmlischen Jerusalems dar.“
Das Bindeglied dieser eindeutigen Beispiele für eine christliche Kunst ist ihre Entste-
hungszeit vom ausgehenden Jahrhundert der Reformation bis weit über die Zeit des
Dreißigjährigen Krieges. Entscheidend ist dabei das Selbstverständnis der aus der
Reformation hervorgegangenen Kirche, diese Umgestaltung nicht als Ereignis, son-
ders als eigenes Wesensmerkmal sowie als andauernden Prozess – und doch nicht
losgelöst von (Kirchen-)Ordnungen zu betrachten.
In Anbetracht der für die frühe Neuzeit genannten Relationen christlicher und weltli-
cher Themen mutet die Zuordnung der Topfigur eines anderen Renaissancekron-
leuchters ungewöhnlich bis fragwürdig an. Denn ein adäquates Objekt ist in den an-
deren amtlichen Länderinventaren nicht dokumentiert, wohingegen es zu den zuvor
genannten Motiven wenigstens zwei oder mehrere Pendants gibt. So heißt es zum
Inventar der Katharinenkirche in Brandenburg/Havel: „Drei Kronleuchter aus Mes-
sing, die außer Gebrauch sind, ... Der zweite ist von einem Apostelfigürchen bekrönt
und endigt unten in einem Löwenkopf, der einen aus einem Drachen gebildeten Ring
340
hält“. Apostel als Bekrönung oder Subfiguren kommen vornehmlich auf
Gadebusch und Schwerin, 2. Aufl. 1899, S. 117. – Vgl. Die St. Georgen-Kirche zu Wismar. Kirchen-
führer. Hg. Förderkreis St. Georgen in Wismar e.V. Wismar 1996, S. 7 mit Abb. von 1924. – Stade;
s. Die Kunstdenkmäler des Landes Niedersachsen. Stadt Stade, 1960, Abb. 78 und 82. – U. Mathies,
1998, S. 15 und vgl. S. 14, siehe S. 111 ff.: Katalog und S. 163: Abbildungen.
337
Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Minden, 1902, S. 89, Taf. 52.
338 Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Kreises Warendorf, 1886, S. 151 und Fig. 83. – Vgl.
die noch in spätgotischer Formensprache gestalteten Schaftkronleuchter in Dortmund, Kath.
Propsteikir-che sowie ein in das Jahr 1480 datiertes Exemplar im Victoria & Albert Museum in
London; s. Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Dortmund-Stadt, 1894, Taf. 38 und
S. 44. – K. Jar-muth, Lichter, Leuchter im Abendland. Zweitausend Jahre Beleuchtungskörper im
Abendland. (1967), S. 101.
339 Abteikirche Marienfeld 1185-1985, Hg. Katholische Pfarrgemeinde Marienfeld/Freckenhorst,
1985, S. 15.
340 Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Der Landkreis Stade, Bildband 1961, Abb. 42.
– Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Der Landkreis Stade, Textband 1965, S. 84. – Die
Bau-und Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion, mit Stralsund,
Greifswald, Rügen und Usedom, 1995, S. 137. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd.
II, T. 3: Stadt und Dom Brandenburg, 1912, S. 70 f. Welchen Typus die „kleine Figur“ des drit-ten
Kronleuchters der Ev. Stadtkirche verkörperte, ist bisher unbekannt und ebenso, ob die „Hand-
Bekrönungsfiguren Seite 104
Die Mehrzahl dieser Statuetten vermittelt aus der Ponderation Standfestigkeit und
Entschlossenheit. Während der linke Arm der Figur aufgrund seiner nach vorn ausge-
streckten und in Taillenhöhe angewinkelten Haltung zum Beispiel die Handhabung
einen Schildes ermöglicht oder Abwehr vermuten lässt, spiegeln der schwach ge-
drehte Oberkörper, die erhobene Rechte sowie der – bei diesen Bekrönungsfiguren –
häufig aus der imaginären Symmetrieachse nach rechts wehende Vollbart eine ge-
wisse Dynamik wider. Die Attribute dieser Statuetten weichen – soweit vorhanden
oder nachträglich ergänzt – teils voneinander ab. Überwiegend aber halten die so
habe von 1649“ auf einen Schaftkronleuchter in Renaissanceformen oder des Barock schließen lässt.
– Vgl. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Brandenburg, Neubearb. 2000, S. 126 ff.
341
Zum Beispiel in Bledeln/Hildesheim, Eutin/Ostholstein, Holle/Hildesheim, Goslar, Menkin/Prenzlau,
Sterup/Angeln, Helsingør/Dänemark, Ogy/Belgien, Ovansjö Kyrka/Gästrikland.
342 H. Kühnel, Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung. Vom Alten Orient bis zum ausgehenden
Mittel-alter, 1992, S. 158 ff.
Bekrönungsfiguren Seite 105
gezeigten Soldaten ein Schwert in ihrer erhobenen Rechten. Dabei variiert trotz glei-
cher Handhaltung, wo das Umgreifen des Gegenstandes vor dem Handteller frontal
sichtbar wird, die Ausrichtung der Waffe. Anhand etlicher Beispiele ist das Schwert
horizontal zur Standfigur und oberhalb des Hinterkopfes verhalten kampfbereit posi-
tioniert (Holle/Hildesheim, um 1650; Sterup/Angeln, datiert 1760). Vereinzelt ist das
Schwert senkrecht nach oben oder als Stichwaffe auf ein gedachtes Gegenüber ge-
richtet (Bergen/Rügen, Anfang 17. Jahrhundert; Hameln/Pyrmont, 1679). Einige die-
ser Krieger halten anstelle von Schwert und Schild eine Axt, eine Lanze, einen Speer
oder eine Handglocke in der erhobenen Rechten; das Gegenstück dazu bildet ein
Feuerlöscheimer (Eutin/Ostholstein).
falls als angedeutete Volute mit Blütenmotiv. Letztere kennzeichnet auch den,
343
inschriftlich in das Jahr 1760 datierten, Kronleuchter in Sterup/Angeln.
Demgegenüber weisen die zu dieser Gruppe der Bekrönungsfiguren gehörenden Ex-
emplare in Mecklenburg-Vorpommern kleine Masken an den Enden der Leuchterarme
auf. Letztere sind auch stärker aufgebogen, wie auch der Leuchterarm an sich kräfti-
ger gestaltet und stärker geschwungen ist als jene Winkelarmkronleuchter, die in
westlicher Richtung verbreitet sind (Barth, Evangelische St. Marien-Kirche, Kron-
leuchter 1589 (Abb. 55); Bergen/Rügen (Abb. 62), Kronleuchter wohl Anfang des 17.
Jahrhunderts).
Einen gegenteiligen Eindruck erwecken der Aufbau und die Proportion des Kronleuch-
ters in Dinslaken. Die Bekrönung „Römischer Soldat“ und die unvollständige, kleine
Löwenkopf-Maske am unteren Scheitelpunkt der großen Schaftkugel dürften hier ei-
ne spätere Zutat eines älteren Leuchters sein. Demgegenüber erscheinen die übrigen
Teile des Leuchters zusammen homogen durch den kontrastreichen Wechsel starker
Plastizität und deutlicher Einschnürungen des Leuchterschaftes. Die U-förmig aus-
schwingenden Leuchterarme betonen außerdem die Dynamik dieses barocken Kron-
345
leuchters.
343 Zum Kronleuchter von Ogy/Belgien, s. K. Jarmuth, Lichter, Leuchten im Abendland (1967), S.
168: Abb. 147. – Zu den genannten Kronleuchtern im Norddeutschen Tiefland, s. Die
Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Landkreis Flensburg, 1952. – Die Kunstdenkmäler
des Landes Schles-wig-Holstein. Kunst-Topographie, 1979, S. 317.
344 Sveriges Kyrkor. Gästriklands Landskyrkor, o.J., S. 363.
345 Die Denkmäler des Rheinlandes. Kreis Dinslaken, 1968, S. 26 und Abb. 50. – Vgl. Sveriges
Kyrkor. Gotland, Bd. IV, Halbbd. 1, Stockholm 1959-64, S. 317, Abb. 346. Häufiger können
Löwenkopf-Masken den unteren Knauf eines barocken Kugelkronleuchters bilden wie in Dinslaken,
als dass diese Maske als typischer Unterhang eines Renaissance-Kronleuchters zu zwei Dritteln in
eine Kronleuch-terkugel geschoben ist.
Bekrönungsfiguren Seite 107
Weitere Ausnahmen dieser Gruppe „Römischer Soldat“ zeigt vor allem die Morpholo-
gie der Schaftkronleuchter in Hameln/Pyrmont, eines der beiden Exemplare in Ble-
deln/Hildesheim sowie ferner in Jever/Ostfriesland und in Stadthagen/Schaumburg
346
sowie in Tangermünde/Stendal. Gerade an diesem zuletzt genannten Exemplar
fällt auf, dass die Inschrift keinen Widmungstext im eigentlichen Sinne formuliert.
Viel-mehr scheint sie zugleich das Vorkommen der Topfigur dieses Kronleuchters zu
er-läutern.
Im Wesentlichen an der Lorica als solcher zu erkennen, tragen sowohl der Federhelm
als auch der deutliche Kontrapost und die Lanze als Stütze für die erhobene Rechte
samt barockem Schutzschildes in der Linken zu einem anderen Erscheinungsbild die-
ser Bekrönung bei.
Die Entstehung des Kronleuchters „Römischer Soldat“ in der Evangelischen St. Mi-
chaelis-Kirche in Eutin/Ostholstein wird zum Beispiel anhand lokalhistorischer Ereig-
347
nisse erklärt. Da diese – wie in Bergen/Rügen mit einem vergleichbaren Kron-
leuchter oder wie vielerorts – unter anderem von Feuersbrünsten (1569,1689) ge-
prägt ist, liegt nicht nur die Annahme einer Stiftung des Kronleuchters durch die ört-
liche Brandgilde oder gefährdeter Einwohner des besagten Ortes, sondern zugleich
auch die Erwartung nahe, dass als dessen Bekrönungsfigur der Heilige Florian als
Schutzpatron dargestellt sein könnte.
Da viele Orte das gleiche Schicksal teilen, wäre nicht nur eine größere Verteilung des
Motivs „heiliger Florian“ an sich, sondern auch eine entsprechende auf Kronleuchtern
zu erwarten. Letzteres ist nicht der Fall. Eine annähernd vergleichbarer Figurentypus
mit Attributen des Feuerlöschwesens ist bisher nur aus Ogy/Belgien bekannt.
Das besagte Beleuchtungsgerät in Eutin vereint Merkmale, die dieser Zuordnung wi-
dersprechen. Der heilige Florian wird antikisierend gewandet – in Gestalt eines römi-
schen Soldaten – häufiger erst im 18. Jahrhundert und dann mit Schwert und Schild
346 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen, 1992, S. 589 f. –
H. Saebens/C. Matthias Schröder, Die Kirchen des Jeverlandes, 1956. Die Denkmale des Kreises
Greifswald, 1973, S. 190 und Taf. 110. Die Topfigur des Kronleuchters (in Ludwigsburg) ist dort als
„...Figur eines Landsknechtes mit Schild und Lanze.“ beschrieben. Obschon diese Bewaffnung für ei-
ne Darstellung jenes Söldners sprechen könnte, erfüllt dessen Kostümierung diesen Anspruch nicht.
Der dort gezeigte Halbharnisch mit Lederlaschen charakterisiert die Kronleuchterfigur „Römischer
Soldat.“ Die Kunstdenkmale der Provinz Sachsen, 3. Bd.: Kreis Stendal Land, 1933, S. 227.
347 J. v. Schröder/H. Biernatzki, Topographie der Herzogtümer Holstein und Lauenburg, des
Fürsten-tums Lübeck und des Gebiets der freien und Hansestädte Hamburg und Lübeck, Bd. 1:
Oldenburg i. H., 1855, S. 370 f.
Bekrönungsfiguren Seite 108
348
als christlicher Soldat widergegeben. Wäre dieser besagte Kronleuchter in Eutin
tatsächlich in dieser Zeit entstanden, hätte die Topfigur anstelle der derzeitigen Att-
ribute die genannten Waffen zu tragen – wie etliche adäquate Objekte in Skandina-
vien und in Norddeutschland, die typologisch jedoch zu den Renaissancekronleuch-
tern gehören. Die Tatsache, dass dieser Kronleuchter im Eutinischen Kirchenbuch des
17. Jahrhunderts nicht auch wie die beiden anderen Hängeleuchter (17. Jahrhundert)
in der Kirche gesondert erwähnt wird, könnte seine Datierung in das 18. Jahrhundert
349
stützen. Denn das inschriftliche Datum eines nahezu adäquaten Kronleuchters in
350
Sterup/Angeln weist ebenfalls in jenes Jahrhundert. Andererseits könnte der Kron-
leuchter „Römischer Soldat“ in der Evangelischen St. Michaelis-Kirche in Eutin auch
unter der allgemeinen Auflistung „Kronleuchter“ in diesem Kirchenbuch bereits er-
fasst sein.
Aus mehreren Gründen ist die Aufmerksamkeit auf den inschriftlich als ältestes Pen-
dant, ansonsten weniger bekannten Kronleuchter (1589/90) in der Evangelischen St.
351
Marien-Kirche in Barth zu richten, der weiter unten beschrieben wird.
Im Folgenden sollen zunächst die Verteilung sowie geographische und religions-
politische Besonderheiten als mögliche Voraussetzungen für die Entstehung der
Kronleuchter „Römischer Soldat“ erläutert werden.
Eingangs wurde das Bestreben von Individuen wie von Gemeinschaften nach geisti-
ger Selbständigkeit angesprochen, das als Zeiterscheinung die Entstehung bestimm-
ter Kronleuchter-Figuren begünstigt haben könnte. Zusammen mit der Verbreitung
und Verteilung der Kronleuchter dieser Art wirft sie ein neues Licht auf die Bedeu-
tung dieser Beleuchtungsgeräte.
352
Mit Ausnahme des Schaftkronleuchters im Rathaus zu Goslar , der das Motiv „Rö-
mischer Soldat“ als Bekrönung aufweist und eines weiteren Exemplars (Jeremias Hel-
353
lichsen, Belgien zugeschrieben) in Emden , wo dieser Typus Krieger als mehrfache
Subfigur zum heraldischen Doppel-Adler auftritt, hängen alle weiteren dieser Art, die
348
LCI, Bd. 6, Sonderausgabe 1994, Sp. 250 ff.
349
LAS, Abt. 260, Nr. 4162, Eutinisches Kirchenbuch 1638-1716, 1773.
350
Die Kunstdenkmale des Landes Schleswig-Holstein. Landkreis Flensburg, 1952.
351 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg. Die Bezirke
Neubrandenburg, Rostock, Schwerin, 2. Aufl. 1980, S. 19. – N. Buske, Kirchen in Barth, 1997, S. 34
mit Abb. S. 37.
352 Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, T. II: Regierungsbezirk Hildesheim, Bd. 1 und 2:
Stadt Goslar, 1901 (H. 2 und 3 des Gesamtwerkes), S. 302.
353 Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, T. VI: Regierungsbezirk Aurich, Bd. 1 und 2: Stadt
Em-den, 1927 (H. 15 und 16 des Gesamtwerkes), S. 124. – Nähre Angaben zum Metallgießer
Hellichsen sind in den Künstlerlexika nicht enthalten.
Bekrönungsfiguren Seite 109
So ist auch Dänemark durch eine administrative Struktur des Landes, das heißt
durch die Einteilung in Ämter charakterisiert, wo (früh-)neuzeitliche Schaftkronleuch-
ter mit profanen Bekrönungsfiguren (Römischer Soldat) auf einzelne Verwaltungsbe-
354
zirke verteilt sind.
In Norddeutschland scheinen diese spezifischen Kronleuchterfiguren die historischen
Enklaven zu kennzeichnen, die im Interesse der Mediatisierung stehen:
Neben Eutin in Ostholstein als Enklave des Fürstentums Lübeck vom Hause Olden-
burg bildet das Herzogtum Kleve (seit 1609, endgültig 1666) zur brandenburgische
Linie der Hohenzollernschen Lande ebenfalls ein fremdstaatliches Gebiet an der
Grenze zwischen den Bistümern Münster sowie Köln. In diese Enklave ist Dinslaken
und in die dortige evangelische Kirche ein Schaftkronleuchter mit der Bekrönung
„Römischer Soldat“ zu lokalisieren.
Teils sind die besagten antikisierenden Söldner als Statuetten auf Schaftkronleuch-
tern auch dort deutlich erkennbar, wo die Verbreitungsgebiete dieser neuzeitlichen
Beleuchtungsgeräte dem Status einer Enklave de jure nur annähernd entsprechen,
de facto aber zu Zweidrittel von anderen Herrschaften umgeben sind. Dies trifft zum
Beispiel auf die Altmark, die Uckermark und bedingt auf die Neumark als Teile des
Kurfürstentums Brandenburg zu.
Im Falle der Uckermark sind es im Westen das Herzogtum Mecklenburg und nach
Osten zunächst das von 1532 bis 1625 in die Herzogtümer Wolgast und Stettin ge-
355
teilte Pommern. Vorpommern ist nach 1648 schwedisch. Tatsächlich aber ver-
zeichnet das Kurfürstentum Brandenburg von 1640-1688 sowohl an dieser östlichen
als auch an der westlichen Grenze in der Altmark Gebietsgewinne. So dass zum Bei-
spiel Tangermünde (Kronleuchter „Römischer Soldat“) im heutigen Sachsen-Anhalt,
wo die Stephanskirche im 12. Jahrhundert als Dom für ein geplantes Bistum begon-
354 Siehe u.a.: Danmarks Kirker. Frederiksborg Amt, 1. Bd., 1964, S. 532 mit Abb. S. 531. – O.
Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins. Ein Grundriss, 1981, S. 152 ff.
355 Inventar der Bau- und Kunstdenkmäler in der Provinz Brandenburg, 1885, S. 28 ff.
Bekrönungsfiguren Seite 110
nen und dem Domstift zu Stendal unterstellt worden war, nicht mehr grenznah zum
356
Erzbistum Magdeburg liegt.
Teils sind es wichtige Reichsstädte, wo die Domimmunität und weltliche Interessen,
das heißt unterschiedliche Ordnungsstrukturen, topographisch auf engstem Raum
aufeinander treffen – wie in Goslar, Halberstadt, Lübeck.
Wie die Landsknechte oder die als Landsknechte angeworbenen Büttel, repräsentie-
ren römische Soldaten Fußvolk und Nichtsteuerzahler. Als solche sind sie wehrpflich-
tig und können – wie die Landsknechte als kleine militärische Einheiten organisato-
risch einen Haufen darstellen oder wie römische Legionäre eine Kohorte in den römi-
schen Provinzen bilden – im Zeichen einer politischen Wende stehen. Provinzen
zeichnen sich unter anderem durch eine andere Verwaltungsstruktur und Besteue-
rung (als das übrige Reichsgebiet) aus. Bietet ein Kriegsherr Söldner zum Kauf an,
werden diese zu Außenseitern wie die so genannten Wilden Leute.
Werden die Kronleuchter „Römischer Soldat“ unter diesen Voraussetzungen als Zei-
chen territorial-politischer Auseinandersetzungen betrachtet, können sie nur dort
vorkommen, wo die Konfession sowie die Unterwerfung unter eine andere Landesho-
heit eine entscheidende Rolle spielt bzw. bestimmte Rechte und Freiheiten zu doku-
mentieren sind. Dies scheinen die folgenden Beispiele zu bestätigen. Gleichwohl gibt
es mehrere Kriterien – wie zum Beispiel ästhetische oder temporäre, die wider-
sprüchlich dazu erscheinen. So weist der besagte Kronleuchter (Ende 17. Jahrhun-
dert) in Tangermünde barocke Formen in Verbindung mit einem antikisierenden Mo-
tiv und einer alttestamentarischen Inschrift auf, während ein inschriftlich in das 18.
Jahrhundert datierter Schaftkronleuchter in Sterup/Angeln mit einer vergleichbaren
Bekrönungsfigur vollkommen im Geiste der Renaissance gestaltet ist.
Weitere Fragen ergeben sich aus der quasi doppelten, wohl ursprünglichen Präsenz
zweier kriegerischer Kronleuchterfiguren in der Evangelischen St. Martinikirche in
357
Halberstadt , während überwiegend jeweils nur ein Exemplar dieser Art in (evan-
gelischen) Kirchen in Norddeutschland dokumentiert ist.
356 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt, Bd. 1: Der Bezirk
Magdeburg, 2. Aufl. 1990, S. 410 f.
357 Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, Bd. 28.
Die Kreise Halberstadt Land und Stadt, 1902, S. 407. Aus der Kurzcharakteristik „männliche Figur“
der Bekrönung des Kronleuchters von 1689 der Evangelischen St. Martinikirche in Halberstadt geht
nicht hervor, dass es sich um einen römischen Soldaten handelt. Dies ist der Abbildung dort (S. 400)
und aus der Gegenüberstellung mit adäquaten Kronleuchtern zu entnehmen. Ob der zweite
Kronleuchter (1683) tatsächlich die Topfigur „Minerva“ als Herrin des Handwerks trug oder die
Kriegs- und Frie-densgöttin Athene, ist mangels aussagekräftiger Dokumentationen nicht zu
überprüfen. Die Kron-leuchter sind vor Ort nicht erhalten. – Die systematische Durchsicht der
Länderinventare der Bau-und Kunstdenkmäler ergibt, dass unter jenen detailliert inventarisierten
Schaftkronleuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts mit kriegerischen Topfiguren von
diesen in der Regel nicht mehr als ein Exemplar in einer Kirche vorkommt. Es wären daher die
beiden Kronleuchter „Römi-scher Soldat“ der Evangelischen Kirchengemeinde Bledeln/Hildesheim
näher zu untersuchen. Gleich-wohl weist der Renaissancekronleuchter dort vergleichbare
Leuchterarmenden zu jenen des Kron-leuchter „Büttel“ in der Evangelischen St. Severi-Kirche in
Otterndorf/Cuxhaven und eine relativ kur-ze Spindel mit einem kugelartigen Modul oberhalb der
Löwenkopf-Maske auf – ähnlich wie der Kron-leuchter „Römischer Soldat“ (1590) in Barth/Stralsund.
Die als Muscheln gestalteten Wachsschalen
Bekrönungsfiguren Seite 111
Und schließlich sind es das Vorkommen und die unterschiedliche Darstellung kriege-
rischer Motive auf frühneuzeitlichen Schaftkronleuchtern im ehemaligen Bistum Lü-
beck, die nach der geistigen Urheberschaft bzw. nach Anteilen an dieser Differenzie-
rung fragen lassen. Wirken sich hier vorrangig doch wirtschaftliche und technische
Aspekte aus, sind es Werkstatttraditionen oder ist es möglicherweise gerade die Iko-
nographie der Topfiguren auf Schaftkronleuchtern in der Korrelation zur religionspoli-
tischen Situation ihres jeweiligen Verbreitungsgebietes?
Die relativ konzentrierte Verbreitung der Statuette „Römischer Soldat“ auf entspre-
chenden Kronleuchtern zwischen Hannover und Goslar legt zuerst die Betrachtung
dieses Gebietes nahe:
358
Rivalisierende Herrschaften bestimmen die Welfischen Lande. Diese setzen sich
infolge der Erbteilung aus den Fürstentümern Lüneburg und Braunschweig-Wolfen-
büttel (Ende des 15. Jahrhunderts) zusammen, das gegen Ende des 16. Jahrhunderts
das Fürstentum Calenberg-Göttingen erbt. Zusammen mit dem Erzbistum Bremen
sowie den Herzogtümern Holstein und Mecklenburg bilden sie (seit 1512) den Nie-
dersächsischen Reichskreis.
Während das Fürstentum Lüneburg bereits die lutherische Lehre (1527) anerkennt
und Stadträte sowie Adelige evangelische Pfarrer berufen, ohne die Zustimmung der
Fürsten abzuwarten, operieren die Erben im Braunschweigischen noch mit den
Reichsständen alten Glaubens. Inmitten dieser Territorien liegt das Bistum Hildes-
heim und südöstlich von diesem die Freie Reichsstadt Goslar. Dort führt 1528 Nico-
laus von Amsdorf aus Magdeburg die Reformation ein, wo auf Drängen des Stadtra-
tes und der Gilden infolge ihres steigenden Ansehens und vermehrten Einflusses pa-
pistische Gebräuche abgeschafft werden. Doch die Zeit zwischen 1530 und 1555
steht als ein Ringen um Recht und Ordnung, um Geistesfreiheit und Anerkennung
des lauteren Gotteswortes und wo die Stadt Goslar sich noch im ersten Viertel des
17. Jahrhunderts gegen Belagerungen und Besitzergreifungen seitens Herzog Chris-
tian von Braunschweig-Wolfenbüttel (d.J., 1599-1626) sowie vor Wallensteins Trup-
pen zu wehren hat.
Zwischen Hildesheim und Goslar befinden sich auf einer imaginären Diagonale der
Ort Ringelheim/Salzgitter, dann das nach einem Ministerialgeschlecht benannte Holle
und nördlich von Hildesheim bzw. südöstlich von Hannover der Ort Bledeln.
Damit ist im Zeitalter der Reformation (um 1547) im Wesentlichen das Herzogtum
Braunschweig-Wolfenbüttel und nach dem Dreißigjährigen Krieg ein stärker katho-
lisch (Bistum Hildesheim nordwestlich, Bistum Halberstadt-südwestlich) durchsetztes
Herzogtum Wolfenbüttel repräsentiert.
in Bledeln gehören eindeutig nicht an diesen frühneuzeitlichen Kronleuchtertyp. Dass Replikate von
den frühneuzeitlichen Schaftkronleuchtern „Büttel“ der Evangelischen St. Severi-Kirche in Ottern-
dorf/Cuxhaven und „Landsknecht“ in Bad Bevensen angefertigt wurden, konnte im Rahmen der vor-
liegenden Studie festgestellt werden.
358 W. Putzger, 1970, S. 65, 66 f., 82 f.
Bekrönungsfiguren Seite 112
Die geographische Nähe und auffällig dichte Abfolge teils vergleichbarer Kronleuch-
tertypen, in jedem Falle aber stereotyper Statuetten legt die Annahme einer funktio-
nal-dekorativ motivierten, wechselseitigen Inspiration oder eine gezielte Einfluss-
nahme auf die Auswahl eines bestimmten Kronleuchtertyps nahe.
359 Vgl. Schaftkronleuchter aus Messing in Hannover, Kreuzkirche und Buxtehude, Evangelische
Kirche St. Petri.
Bekrönungsfiguren Seite 113
Herzog Heinrich von Braunschweig (d.J., 1489-1568) als Gegner der Reformation
charakterisiert, nimmt dort für den südwestlichen Bereich von Salzgitter, das heißt
für das Amt Wohldenberg mit Baddeckenstedt, die Patronatsrechte in Anspruch und
lässt das Kirchengut von weltlichen Beamten verwalten. Indem dieser zuletzt ge-
nannte Bezirk 1643 unter die Regierungsgewalt der Hildesheimer Fürstbischöfe fällt
und für die Evangelische Kirche von Baddeckenstedt zudem einen Kronleuchter „Wil-
der Mann“ (inschriftlich datiert 1771) dokumentiert ist, ergibt die Untersuchung des
Kronleuchters in Ringelheim. Und diese ergibt, dass diesen das Motiv „Wilder Mann“
360
bekrönt.
Weiter nördlich, in den Evangelischen Kirchen von Adendorf/Lüneburg (inschriftlich
1760), Hittfeld/Harburg (inschriftlich 1620), Uelzen, Evangelische Kirche St. Marien
(inschriftlich 1607) und Hamburg-Kirchwerder (inschriftlich 1604) zieren als „Römi-
scher Soldat“ oder „Büttel“ deutbare Figürchen zu mehreren (in Adendorf ein ge-
mischtes Doppel weiblicher und männlicher antikisierender Krieger) eine der Nuten-
scheiben des jeweiligen Kronleuchters und stellen insofern Subfiguren zu dessen Be-
krönung eines ungekrönten oder gekrönten Doppel-Adlers dar.
Aufgrund dieser Quantität und untergeordneten Platzierung werden sie in der mögli-
chen Aussagekraft nicht den entsprechenden Bekrönungsfiguren gleichzusetzen, aber
gewiss eine Reminiszenz an die Lokalgeschichte sein. Denn das historisch Bemer-
kenswerte zum Beispiel an Kirchwerder als „südlichste Landschaft der Vierlande an
der Elbe …“, südöstlich von Hamburg ist die administrative Aufteilung, da es „in dem
den Städten Hamburg und Lübeck gehörigen Amte Bergedorf liegt. Und dass neben
dieser Zugehörigkeit ein kleiner Teil auch der Herrschaft des damaligen Königreiches
361
Hannover unterstand.“
360 Holle: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, T. II: Regierungsbezirk Hildesheim, Bd. 3:
Der
Kreis Marienburg, 1910 (H. 10 des Gesamtwerkes), S. 91. – Ringelheim: Die Kunstdenkmäler der
Provinz Hannover, T. II: Regierungsbezirk Hildesheim, Bd. 7: Landkreis Goslar, 1937 (H. 22 des Ge-
samtwerkes), S. 202. Als eine weitere Gruppe männlicher Bekrönungen, die bärtig und gepanzert
sind, kämen nur die Landsknechtfiguren auf Schaftkronleuchtern im nördlichen Niedersachsen in
Frage. Diese aber tragen einen Schlapphut mit Federn. Und die unter anderem mit einem Wams be-
kleideten Soldaten dieser Zeit können zwar eine Fetz ähnliche Kopfbedeckung tragen, kommen in
der Regel nur als Subfiguren auf Schaftkronleuchtern vor, und auch die angedeutete stoffliche Quali-
tät ihrer Kostümierung lässt eine deutliche Unterscheidung vom Brustpanzer erkennen. Herr Pfarrer
Rüthke, Alt Wallmoden und Ringelheim beschreibt als Kennzeichen der Topfigur des gegen 1600 da-
tierten Schaftkronleuchters: Gewundenes Band in den Haaren, gegürteten Fell-Overall und säbelarti-
ge Waffe. – Bledeln: Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover, T. II: Regierungsbezirk Hildesheim,
Bd. 9: Landkreis Hildesheim, 1938 (Bd. 24 des Gesamtwerkes), S. 27.
361 J. v. Schröder/H. Biernatzki, Topographie der Herzogtümer Holstein und Lauenburg, des
Fürsten-tums Lübeck und des Gebiets der freien und Hansestädte Hamburg u. Lübeck, 1. Bd., 1855,
S. 34.
Bekrönungsfiguren Seite 114
Hinsichtlich der genannten Kombination von Top- und Subfigur auf diesen
Schaftkron-leuchtern und deren Verteilung fällt auf, dass die genannten Orte nahezu
die äußers-ten Berührungspunkte der aneinander grenzenden Herzogtümer
Lüneburg, Lauen-burg und Bremen markieren.
Parallelen dazu finden sich sowohl im Nordosten als auch im Nordwesten des ehema-
ligen Heiligen Römischen Reiches und nicht nur für das Motiv „Römischer Soldat“ ,
sondern auch für die Kronleuchterfiguren „Landsknechte“.
362 Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd. VI, T. 6: Der Kreis Crossen, 1921, S. 254. –
Die
Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Bd. VI: Regierungsbezirk Aurich, T. 1 und 2: Stadt Emden,
Hannover 1927 (Bd. 15 und 16 des Gesamtwerkes), S. 124. – Die Bau- und Kunstdenkmale der Frei-
en und Hansestadt Hamburg. Bergedorf, Vierlande, Marschlande, Hamburg 1953, S. 112. Gleichwohl
große Distanzen zwischen diesen drei Orten liegen und „dazwischen“ kongruente Kronleuchter offen-
bar nicht verbreitet sind, zeigt die annähernd adäquate Gestaltung und das Vorkommen dieser drei
Kronleuchtern (Anfang des 17. Jahrhunderts, zum Beispiel Kirchwerder Evangelische St. Severin-Kir-
che, Kronleuchter (südlich) von 1605) als Inventar von Gottes- sowie Rathäusern eine gewisse Paral-
lele zur Ausgestaltung sakraler und profaner Bauwerke in Rinteln/Weser; s. H. v. Poser und Groß
Naedlitz, Kirchenführer Stadtpfarrkirche St. Nikolai Rinteln, Rinteln o.J., S. 2. – H. v. Poser spricht
angesichts der zeitlichen Korrelation der „Kirchenneuausgestaltung“ (1581/82) infolge der Reforma-
tion (1552) und gegenüber der Gestaltung des Rathauses (1583) auf den Anteil des Adels und des
Bürgertums an der Ausstattung lutherischer Gotteshäuser als Resultat der Annäherung von Kirche
und Volk durch die Reformation an.
363 Aus der Petrikirche in Lübeck; s. Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Kunst-
Topo-graphie Schleswig-Holstein, 1979, S. 53. - G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler.
Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 450.
Bekrönungsfiguren Seite 115
gen, das heißt obeliskenartige Kolonnaden oder Urnen und Palmetten auf und erfor-
dern gezielte akribische Untersuchungen technischer und stilistischer Merkmale, um
364
weiterzuführen. Ohne diese bisher realisierbaren Forschungswege sind die gegen-
wärtigen Studien zur Verteilung und Ikonographie von Kronleuchtern zunächst nach
den historischen Rahmenbedingungen zu strukturieren.
Diametral zum Ort Czetowiče (Zettitz)/Polen ist ein vergleichbares Objekt für das
Rathaus in Emden inventarisiert. Dass dieser Kronleuchter, der in das 16. Jahrhun-
dert datiert wird, in einem Profangebäude hängt, könnte auf die starke Ausbreitung
des Kalvinismus in Emden seit 1536 und die ablehnende Haltung dieser Glaubens-
richtung zur kirchlichen Kunst zurückzuführen sein. Die formalen Parallelen zum
Kronleuchter der Kirche in Czetowiče im früheren Kreis Crossen als Teil Kurbranden-
burgs lassen im Hinblick auf die Aspekte Kronleuchterstiftung und Stiftungswirklich-
keit mögliche Zusammenhänge mit der Verlagerung (1683) des Sitzes der Admirali-
tät Kurbrandenburgs nach Emden nicht gänzlich abwegig erscheinen.
Nicht als Sub-, sondern als Topfigur kommt das Motiv „Römischer Soldat“ ferner auf
diesen Kronleuchtern vor, die typologisch der Renaissance zugeordnet werden kön-
nen – wie zum Beispiel in der Evangelischen Kirche zu Jever. Hier fällt am entspre-
chenden Kronleuchter der als Kugelkolonnade gestaltete Schaft auf, der proportional
zur Morphologie dieses Beleuchtungsgerätes ähnlich kräftig ausgebildet ist wie es die
Balusterschäfte der frühneuzeitlichen Schaftkronleuchter in und um Stade sind.
Damals ist die Herrschaft Jever ein fremdstaatliches Gebiet inmitten der Grafschaften
Ostfriesland sowie Oldenburg, nachdem es zunächst als Lehen des Herzogs von Bra-
bant im 16. Jahrhundert an die Grafschaft Oldenburg und schließlich in Erbfolge an
das Haus Anhalt-Zerbst kommt.
Als Bekrönung von Kronleuchtern ist das Motiv „Römischer Soldat“ ferner nahe der
deutschen Ostseeküste vorhanden, wo die fürstliche Teilungspolitik (königlicher An-
teil und herzoglicher/gottorfscher Anteil) sowie der Einfluss der Stände insbesondere
in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts die Geschicke Schleswigs und Holsteins bestim-
men.
Dort, in Ostholstein, bildet Eutin als Hauptstadt des zum Großherzogtum Oldenburg
gehörigen Fürstentums Lübeck – seit 1163 fürstbischhöfliche Residenz des Bistums
Lübeck – eine Enklave, wo nur beschränkt territoriale, aber keine landesherrlichen
Rechte geltend gemacht werden können. Denn Bischof Eberhard von Holle (1561-
1586) beanspruchte, nachdem er 1561 die Reformation zum Abschluss gebracht hat-
te, für sämtliche Besitzungen, welche bis dahin unter holsteinischer Landeshoheit
365
gestanden hatten, die Reichsunmittelbarkeit.
Für die Hansestadt Lübeck ist ebenfalls ein Schaftkronleuchter der Frührenaissance
mit einer kriegerischen Bekrönungsfigur inventarisiert ist. Doch spricht die formale
Gestaltung der Topfigur mit dem gegürteten, ausschwingenden Leibrock eher für die
Darstellung eines Büttels als für die eines antikisierenden römischen Soldaten. Ur-
sprünglich gehört der besagte Schaftkronleuchter in das Siechenhaus St. Jürgen in
366
Lübeck.
Weiter in östlicher Richtung spiegeln die Uckermark und mit ihr der Ort Menkin an
der nord-östlichen Grenze des damaligen Kur-Brandenburgs das Schicksal einer En-
klave wider. Es handelt sich hierbei nicht im eigentlichen Sinne um einen Teilstaat
inmitten eines fremden Territoriums. Doch an zwei Seiten von anderen Herrschaften
umgeben und Streitfall in Erbauseinandersetzungen zwischen Kurfürst und Herzog
wird die besagte Region schließlich Gegenstand eines Tauschvertrages – ein Mittel,
dass häufig bei der Auflösung von Enklaven Anwendung findet. Zudem ist dieser
Landstrich ein konfessionelles Mischgebiet, wo Kalvinismus und Luthertum aufeinan-
367
der treffen. Hervorzuheben ist ferner, dass dort wie in der Priegnitz die Gerichts-
obrigkeiten in den Besitz des Rechts gelangt waren, die Zünfte in den Mediatstädten
mit Privilegien zu versehen. Und dies bedeutete eine Umwandlung der Gewohnheits-
368
rechte in Partikularrechte. Damit ist ein grundlegender Aspekt für die politische
Entwicklung in Teilen des alten Reiches angesprochen.
Fürstentum Lübeck, Enklaven der freien und Hansestadt Lübeck, Enklaven der freien und Hansestadt
Hamburg, 2. Bd., Kiel 1908, S. 28 ff. und XVI, S. 3 ff. – O. Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins,
8. Aufl. Kiel 1981, S. 334.
366 A. Graßmann, Lübeck im 17. Jahrhundert: Wahrung des Erreichten. Europäische Konflikte und
lübe-
ckische Unruhen, in: Lübeckische Geschichte, Hg. A. Graßmann, 2. überarb. Aufl. Lübeck 1989, S.
445.
367 Inventar der Bau- und Kunstdenkmäler in der Provinz Brandenburg, Berlin 1885, S. 28 ff. –
Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd. III, T. 1: Prenzlau, Berlin 1921, S. XXIX ff. – Die
Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd. III, T. 3: Kreis Angermünde, Berlin 1934, S. XL ff.
368 O. Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, 8. Aufl. 1981, S. 138 ff., 152, 158. – Lübeckische
Ge-schichte, 2. überarb. Aufl. 1989, S. 388 ff. – 30 Jahre Staatskirchenvertrag – 10 Jahre
Evangelisch-Lutherische Nordelbische Kirche. Eine Dokumentation, 1992 (Schriften des Vereins für
Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, Reihe I, Bd. 38), S. 86.
Bekrönungsfiguren Seite 117
Hätte die Kongruenz beider Kronleuchter – mit Ausnahme der Widmungen – durch
die identische Bekrönung des Wappentieres einer deutlichen Repräsentanz dieses
Adelsgeschlechtes in Barth und Pommern entgegengewirkt? Oder finden hier kunst-
handwerkliche Traditionen und ästhetisches Empfinden des ausführenden Kunst-
handwerkers Dominicus Slodt ihren Niederschlag?
Die Darstellung eines römischen Soldaten in Gebäuden und an Plätzen, die der Öf-
fentlichkeit zugänglich sind – so auch die entsprechende Bekrönung des Kronleuch-
ters der Evangelischen Kirche St. Marien in Barth dürften kaum ausschließlich deko-
rativ begründet sein. Die Komposition zweier Bedeutungsträger, das heißt Statue und
Versammlungs- und Rechtsraum oder Kronleuchter mit Bekrönungsfigur in Kir-chen
ergibt in der Regel ein Bildprogramm und hat ästhetische Erwartungen (der
374
Auftraggeber, der Künstler und/oder der Betrachter) zu erfüllen.
373 Für Schmiedeberg/Dippoldiswalde ist ein „Kronleuchter, Messing, mit von Greifen getragenem
Wap-penschilde; bez. 1590“ inventarisiert, aber weder ausführlich beschrieben noch abgebildet; s.
Be-schreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 2. H.:
Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, 1883, S. 77. Demgegenüber ist heute in der Evangelischen
Dreifaltigkeits-Kirche von Schmiedeberg ein barocker Kugelkronleuchter bekannt, den ein sitzender
Bär bekrönt. Die Höhe des Wappenschildes zum Abstand der Beine sind nicht passgenau. – Die Bau-
und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Hörde, 1895, Taf. 12 und S. 20.
374 Zu Bildprogrammen in Sakralgebäuden; s. u.a. O. F. A. Meinardus, Zur Ersten Lutherischen
Iko-nographie in St. Johannis, Eppendorf, in: Schr. d. Vereins f. Schleswig-Holsteinische Kirchenge-
schichte, II. Reihe (Beiträge und Mitteilungen), 43. Bd., 1987, S. 163-166 und ebd., S. 167-174.:
Die „Erschaffung Evas“ in der Ikonographie Schleswig-Holsteins. – C. Göttler, Die Kunst des Fege-
feuers nach der Reformation. Kirchliche Schenkungen, Ablaß und Almosen in Antwerpen und Bologna
um 1600, Mainz 1996 (Berliner Schriften zur Kunst, Bd. 7) und R. W. Scribner, Religion und Kultur in
Deutschland 1400-1800, Göttingen 2002 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschich-
te, Bd. 175). – Zu Kunst in Rechtsräumen; s. zum Beispiel Stadtrechtszeichen „Rolande“; vgl. u.a.:
D. Kremers, Der „Rasende Roland“ des Ludovico Ariosto, Habil. 1973 (Studien zur Poetik und Ge-
schichte der Literatur, Bd. 26), S. 12, 18 f., 28, 32 ff., 40, 66 ff. – H. Rempel, Die Rolandstatuen,
1989, S. 105. – Siehe ferner: Recht und Gerechtigkeit im Spiegel der europäischen Kunst, W.
Pleister/W. Schild, Köln 1988.
Bekrönungsfiguren Seite 119
375
sind.
Nur der Kronleuchter „Greif“ (1589/90) in der Evangelischen St. Marien-Kirche in Barth lässt in der Akzentuierung der Leuchterarmmitte sowie in den Voluten und Ro-setten der Leuchterarmenden Anklänge an die Winkelarmkronleuchter erkennen. Die
Leuchterarme des Kronleuchters „Römischer Soldat“ dort zeigen bei annähernd glei-cher Grundform zum vorstehenden Exemplar hingegen die am inneren Ende aufge-bogenen und mit Maskarons besetzten Leuchterarme, die in der frühen Neuzeit häu-figer in den östlichen Gebieten des alten
Reiches (Heiliges Römisches Reich Deut-scher Nation), so auch an dem wesentlich zierlicheren Kronleuchter mit der Bekrö-nung einer Muttergottes in der Evangelischen Stadtkirche in Plau am See oder einem vergleichbaren Exemplar in der Evangelischen St. Jakobikirche in Lübeck anzutreffen Zum
Teil vermitteln insbesondere die Konturen des Schafts der besagten
Auf dem Kronleuchter (1760) der Kirche zu Sterup/Angeln lautet der Text:: „Zur
Zierde unsers Gottes Hauses verehret / Von den Participanten des adeligen Hofes
Kleingrünholtz: NJCOLAI HENNINGSEN, könig(licher) Rechensmann, PETER PAUL-
378
SEN, PETER CLAUSSEN und FRIEDRICH NJSSEN Anno 1760“. Es handelt sich hier
375 Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, IV. Bd.: Die
Amtsgerichtsbezirke Schwaan, Bützow, Sternberg, Güstrow, Krakow, Goldberg, Parchim, Lübz, Plau,
2. Aufl. 1901, S. 518 ff. mit Abb. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck,
Bd. III: Kirche zu Alt-Lübeck, Dom, Jakobikirche, Ägidienkirche, 1920, S. 430 f.
376 Brage bei der Wieden, Niederdeutsche Söldner vor dem 30jährigen Krieg. Geistige und
mentale Grenzen eines sozialen Raums, in: B. R. Kroener/R. Pröve, Krieg und Frieden. Militär und
Gesell-schaft in der frühen Neuzeit, 1996, S. 85-107, insbes. S. 93.
377 H. Langer, Kulturgeschichte des 30jährigen Krieges, Leipzig 1978, S. 61 f.
378 Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Kreis Flensburg, 1952. – Die
Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein, Kunst-Topographie, 1979, S. 317. – G. Dehio,
Handbuch der deut-schen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und veränd.
Aufl. 1994, S. 850.
Bekrönungsfiguren Seite 120
vermutlich um die „… vier Interessenten mit gleichen Rechten und Freiheiten …“;
379
zwischen ihnen wird das adelige Gut im Jahre 1738 geteilt.
Die zuvor erwähnte Inschrift eines anderen Kronleuchters mit einer vergleichbaren
Bekrönung in Tangermünde besteht aus der Quellenangabe eines Bibelverses im
380
5. Buch Mose im Alten Testament. Sie ist in dieser Verbindung – nach bisheriger
Kenntnis – singulär und angesichts der topographischen und historischen Vorausset-
zungen Tangermündes interessant. Diese Hansestadt an der Elbe in der Altmark
Brandenburg ist von der Wiedervereinigung der märkischen Länder sowie von der
Einbeziehung der Bistümer Havelbergs und Lebus während der Herrschaft des Kur-
fürsten Johann Georg (1571-1586, Sohn von Joachim II, reg. 1505-1571) betroffen,
381
ferner von der grenznahen Lage zum Bistum Magdeburg. So zwingt nicht nur die
wirtschaftliche Situation Kurfürst Joachim II. dazu, die Steuererhebung den Ständen
zu überlassen. Er operiert auch – trotz seiner Konversion zum Protestantismus – ge-
gen diese im Schmalkaldischen Bund.
Die Inschrift (datiert 1630) des besagten Kronleuchters in Tangermünde bezieht sich
gemäß der dort angegebenen Ziffernfolge auf das Deuteronomium, 23. Kapitel, Vers
21 und hinsichtlich des Geldes – offensichtlich zugleich auf (aktuelle) Verhal-
tensregeln. In diesem Buch Mose, das Wiederholungen von Gesetzesverordnungen
enthält, sind die im Rahmen der sozialen und kultischen Gesetze bestehenden Unter-
382
schiede der Zinsnahme gegenüber Fremden und christlichen Brüdern thematisiert.
Hier wie dort scheint somit das zentrale Anliegen verbalisiert und fixiert, die Grund-
sätze (des Bundes) und die Pflichten des Volkes (Gottes) im Hinblick auf die entstan-
dene geistliche Gemeinschaft in ihren Lebenssituationen und Zielen darzustellen und
383
auf ihre übertragbare Gültigkeit hinzuweisen.
379 J. v. Schröder, Topographie Schleswig, 2. neu bearb. Aufl. 1854, S. 509 f. und vgl. S. 191 f.
380 Die Kunstdenkmale der Provinz Sachsen, 3. Bd.: Kreis Stendal Land, 1933, S. 227. Und zum
inschriftlichen Bibeltext des Kronleuchters (1670); s. Neue Jerusalemer Bibel. Einheitsübersetzung
mit dem Kommentar der Jerusalemer Bibel, Neu bearb. und erw. Ausg. 1985, S. 244, 5. Buch Mose,
23. Kapitel, Vers 21 ff. (Soziale und kultische Gesetze).
381 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt, Bd. I.: Bezirk
Magdeburg, 2. Aufl. 1990, S. 410 f. – Zur Politik der Kurfürsten Joachim I. und Joachim II. von
Brandenburg; s. u.a.: Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd. II., T. 1: Kreis
Westhavelland, 1913, S. IX ff.
382 Neue Jerusalemer Bibel. Einheitsübersetzung mit dem Kommentar der Jerusalemer Bibel, Neu
bearb. und erw. Ausg. 1985, S. 244.
383 Die Verwendung von Klammern im Zitat aus dem 5. Buch Mose, 23. Kapitel, Vers 21 ff. dient
hier der Unterscheidung des Volk Gottes. Diese Textstelle im Alten Testament bezieht sich
ursprünglich auf Israel bzw. die Israelstämme als Volk Gottes. Indem Jesus den Neuen Bund stiftet,
gilt die Be-zeichnung „Volk Gottes“ all jenen, die an Jesus als Heilbringer glauben und so Gottes
Reich unter den Völkern vermitteln; s. Das große Bibellexikon, Bd. 3, Hg. H. Burkhardt/F.
Grünzweig/F. Lau-bach/G. Maier, Wuppertal 1989, S. 1647.
Bekrönungsfiguren Seite 121
Gleichwohl Martin Luther von der Gnade Gottes spricht und das reine Evangelium
gegen eine Vergesetzlichung des Glaubens fordert, hat dennoch das göttliche Urteil
eine bleibende Bedeutung. Denn Jesus Christus hat durch seinen vollkommenen Ge-
horsam gegenüber Gottvater das alttestamentarische Gesetz erfüllt und selbst Gebo-
te gegeben, die ein Christ auch in der Kraft der Gnade Gottes zu beachten hat. Diese
Verbindung ermöglicht eine Loslösung vom Gesetz, aber keinen grundsätzlichen Ver-
zicht darauf. Das heißt, die Kirche ist berufen, dieses zu verkündigen, rechtsgestal-
tende Akte hingegen darf sie – M. Luther zufolge – nur im Bereich der menschlichen
Kirchenordnung auf der Grundlage des „consensus fratrum“ schaffen und verwal-
384
ten. Das heißt, dass mit der Herausbildung des Landeskirchentums eigene Ord-
nungen in Korrelation zum Staatswesen entwickelt werden. Diese aber haben ihren
Ursprung im Glauben, damit die Menschen darin weiter wachsen.
Schließlich gesteht die politische Anerkennung des Protestantismus als eigene Kon-
fession im Augsburger Religionsfrieden (1555) den Landesherren das „Jus reforman-
di“ zu. Es wird im Westfälischen Frieden von 1648 bekräftigt und1660 im Religions-
bann zum Zwecke der territorialen Glaubenseinheit prägnant beschrieben: „Cuius
385
regio, eius religio“.
Die Einführung des landesherrlichen Kirchenregiments, das nicht nur in lutherisch
gewordenen Gebieten vorkommt, sondern auch dort zu finden ist, wo die weltliche
386
Obrigkeit fest zum alten Glauben steht bringt durch die zunehmende Säkularisie-
rung des Kirchengutes nicht nur materiellen Gewinn, sondern auch erheblichen
Machtzuwachs ein. Dazu gehören im Zuge der Säkularisierung die mögliche Besteue-
rung des Kirchengutes sowie eine Reihe anderer Maßnahmen: Die Durchsetzung der
Aufsichtsrechte gegenüber Bischöfen, die Ein- und Durchführung von Kirchenvisitati-
onen in der Herausbildung evangelischer Landeskirchen sind an sich zur Verbesse-
rung der weltlichen Macht und ihres Fiskus gedacht. Zugleich entstehen mit der Ein-
ziehung der Klöster die Ämter als landesherrliche Verwaltung. Tatsächlich führt die-
ses Vorgehen den Ständen, deren Hauptmacht im Steuerbewilligungsrecht und in der
Freiheit von Steuern und Zöllen liegt, einen wachsenden Anteil an der Landesregie-
rung zu. So kann zum Beispiel die Ritterschaft in Schleswig-Holstein als weiterhin
„wichtigste politisch-soziale Macht“ ihr eigenes Reich in den „gemeinsam regierten“
384 Die Schleswig-Holsteinische Kirchenordnung von 1542, Hg. W. Göbell, 1986, Einleitung. – Vgl.
sämt-liche Beiträge „Orthodoxie und Pietismus“, in: Schr. d. Vereins f. Schleswig-Holsteinische
Kirchenge-schichte, Reihe I, Bd. 29, 1984. – J. Beyer, Bischof Palladius und das Selbstverständnis
Lutherischer Pastoren um die Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Schr. d. Vereins f. Schleswig-
Holsteinische Kirchen-geschichte, II. Reihe (Beiträge und Mitteilungen), 45. Bd, 1992, S. 25-41. – S.
Pettke, Des Lübecker Superintendenten Hermann Bonnus Behelfskirchenordnung für Rostock (1533),
in: Schr. d. Vereins f. Schleswig-Holsteinische Kirchenordnung, II. Reihe (Beiträge und Mitteilungen),
43. Bd., 1987, S. 13-43. – Vgl. E. Sehling, Evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts,
Bde. 1-5, 1904/09.
385 F. Seibt, Karl V. Der Kaiser und die Reformation, 2. Aufl. 1998, S. 203 ff., insbes. S. 210 ff. –
A. Kohler, Karl V. 1500-1558. Eine Biographie, 1999, S. 347 ff. – M. Salewski, Geschichte Europas,
Staaten und Nationen von der Antike bis zur Gegenwart (1999), S. 644.
386 U. Lange, Landtag und Ausschuss. Zum Problem der Handlungsfähigkeit landständischer
Versamm-lungen im Zeitalter der Entstehung des frühmodernen Staates. Die welfischen Territorien
als Beispiel (1500-1629), Hildesheim 1986, S. 169, 181.
Bekrönungsfiguren Seite 122
387
Teilen des Landes aufbauen. Die Landesherren sind infolgedessen bestrebt, diese
schwindenden Machtanteile wieder an sich zu ziehen und zu festigen, indem sie die
388
Privilegien der Ritterschaft bestätigen. Der ständische Beamte wird zum königli-
chen Beamten. Er rekrutiert sich noch immer aus dem kreissässigen Adel und ist
nach wie vor Organ der ritterlichen Selbstverwaltung, aber nun auch für die Medi-
atstädte zuständig. Etliche Landesherren haben somit eine gewisse Anzahl von – ei-
gentlich dem Kaiser vorbehaltenen – Rechten an sich gebracht und sind von ur-
sprünglichen Reichsämtern zu einer nahezu mit allen Attributen der Staatsgewalt
ausgestatteten Herrschaft und Besitzungen gelangt. So stehen diese Herrschaftsge-
biete der Landesherren und Städte als Territorien im Gegensatz zum Heiligen Römi-
schen Reich und zur Macht des Kaisers als Träger der staatsrechtlichen Souveränität.
In Helsingør kommen zum Beispiel beide Ufer des Sundes und damit Dänemark die
Zolleinnahmen dieser Wasserstraße zu, bis die östlichen Provinzen 1658 infolge krie-
gerischer Auseinandersetzungen an Schweden fallen.
Der oben genannte Ort Hoestrup erscheint anschaulich, da dieser bis 1576 an die
Grenze der Bistümer Ribe und Schleswig zu lokalisieren und mit der Stiftung des
Kronleuchters (1713) dort in die Zeit des 3. bzw. Großen Nordischen Krieges (1700-
1721) einzuordnen ist.
391 Sveriges Kyrkor. Gästrikland. Gästriklands Landskyrkor, o.J., S. 361 und 363 mit Abb. 367.
Die Be-krönungsfigur des Kronleuchters in der Kirche von Ovansjö/Schweden ist nicht weiter
beschrieben. Die Konturen der Figur und Morphologie des Leuchters erlauben eine Eingrenzung.
Letzterer weist sowohl mit der dominierenden Balusterform im Aufbau der Kronleuchterspindel als
auch anhand der tendenziell winkeligen Leuchterarme Parallelen zum Schaftkronleuchter „Büttel“
(1572) des Peter van Minden in der Evangelischen St. Severi-Kirche in Otterndorf/Cuxhaven auf. Die
Gestaltung der Bekrönung wirft in der „Ferndiagnose“ Fragen auf. Während der kurze Leibrock mit
den seitlich aus-gestellten Rockschößen auf einen Gerichtsdiener als adäquates Motiv hindeuten
könnte, widerspricht der aus der Mittelachachse, ins Dreiviertelprofil gedrehte Kopf mit Spitzbart der
bekannten Modellie-rung eines Büttels und scheint zusammen mit den Merkmalen der Gewandung
eine Verbindung zu den neuzeitlichen Schaftkronleuchtern „Römischer Soldat“ in Vorpommern
anzudeuten.
392 Renaissance im Weserraum, Bd. I, Ausst.-Kat. Schloss Brake/Lemgo, 1989, S. 114 f. Kat.-Nr.
154 mit Abb.
Bekrönungsfiguren Seite 124
Evangelische Pfarr- und Marktkirche St. Martini ein Kronleuchter mit der Topfigur
„Römischer Soldat“ (1689) als auch in die Kirche des dortigen St. Johannis-Klosters
im Jahre 1692 zwei Kronleuchter aus Messing gestiftet werden, davon einer durch
einen berittenen römischen Krieger bekrönt wird. Und dass seit 1521 die Ausbreitung
393
der Reformation durch dieses Kloster erfolgte.
3.2.2 Exkurs
Insofern erhebt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob eben dort, in Hal-
berstadt, der als römischer Soldat gekleidete und mit Löwenkopf-Epauletten (Abb.
104) ausstaffierte Kanzelträger des Predigtstuhles (1595) in der Evangelischen St.
Martini-Kirche allein die zwei Eigenschaften des alttestamentarischen Helden Simson
repräsentiert. Oder ob er neben seiner Symbolik zur Auferstehung Christi und der
übernatürlichen Stärke mittels der antikisierenden Gewandung eines Feld-herrn nicht
auch seine ursprüngliche Funktion als Richter im Alten Testament der Bibel und
zugleich die des Führers einer Gemeinschaft darstellt. Wo andernorts Mo-ses als
bedeutendste Gestalt des Alten Testaments, als Anführer und Gesetzesgeber,
394
widergegeben ist. Wie bei den zuvor genannten Beispielen sind wiederum
Standor-te und Zuständigkeiten von Belang.
Die St. Martini-Kirche ist als Pfarrkirche der Marktsiedlung Halberstadt und mit der
Rolandssäule außerhalb des Immunitätsbezirkes der dortigen Domburg gelegen. Und
die St. Martini-Kirche besaß einen weiteren Kronleuchter (datiert 1686), der mit ei-
395
ner als „Minerva“ beschriebenen Bekrönung dem Handwerk gewidmet war.
Der Typ „Römischer Soldat“ kommt ferner in Gestalt erneuerter Rolands-Standbilder
– wie 1643 in (Bad) Bramstedt – als gebräuchliches und bekanntes Sinnbild für Markt-
396
gerechtigkeit und Gerichtsbarkeit vor. Und er ist häufig Bestandteil des Willkomm
397
der Ämter/Zünfte, die ihre eigenen Statuten haben sowie unter dem Motto „Valore
398
De Prencipe“ als Statue in Adelshäusern zu finden.
393
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, XXXIII. H.:
Die Kreise Halberstadt Land und Stadt, 1902, S. 201 ff.
394
Zu Moses; s. LCI, Bd. 3, Sonderausgabe 1994, Sp. 282 ff. – Zu Samson (Simson); s. LCI, Bd. 4,
Sonderausgabe 1994, Sp. 30ff.
395
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler, XXIII. H.: Der Kreis Halberstadt
Land und Stadt, 1902, S. 407.
396 H. Rempel, Die Rolandstatuen: Herkunft und geschichtliche Wandlung, 1989. – Zum Roland
(als römischer Krieger) von Bad Bramstedt/Segeberg; s. G. Dehio, Handbuch der deutschen
Kunstdenk-mäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2. stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 153.
397 Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, 48. Bd., T. I: Stadt Detmold, 1968, S. 424. Ein
figürliches Schild an der Schützenkette, A. 17. Jh. zeigt in der Mitte einen römischen Krieger, „der
einen Schild mit lippischer Rose hält und auf einem Löwenkopf steht.“ – Museum für Kunst und
Gewerbe Ham-burg, Handbuch, 1980, S. 97, Nr. 190 (Deckelpokal, 1602). – I. und H. Engling, Altes
Handwerk im Kreis Plön. Von der ersten schriftlichen Überlieferung bis zum Jahr 1867, 1990, S. 110
f.
398 Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Kreis Flensburg, 1952. – Die
Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein, Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S.
290. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2. stark
erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 282; s. u.a. H. v. Rumohr/C. A. v. Rumohr, Schlösser und
Herrenhäuser in Schleswig.
Bekrönungsfiguren Seite 125
Fokussiert die Gestalt des antikisierenden römischen Soldaten die Historie als Samm-
lung nachahmenswerter Exempel auf der Grundlage des römischen Rechts und als
ein „Idealbild römischer Tugend aus heroischer Zeit“, wo das Wohl des Staates resp.
399
der Allgemeinheit und Gemeinschaft über persönliche Interessen gestellt wird?
Insofern würde dieser Blickwinkel die Interpretationsansätze früherer Forschungen zu
Schaftkronleuchtern aus Messing bestätigen, die vereinzelt Bekrönungsfiguren als
Vorbild für tugendhaftes Verhalten vorstellen. Wäre allein das Ideal des Einzelkämp-
fers, die Trennung in Gut oder Böse und eine Erfolgsethik das eigentliche Anliegen,
hätten im Wesentlichen die bekannten Motive des bewaffneten und die Seelen wä-
genden Erzengels Michael oder das tatkräftige Vorgehen des heiligen Georgs ihre
Funktion weiterhin erfüllt. Die Mehrdeutigkeit der Darstellung „Römischer Soldat“,
dass dieser als ein Beispiel der so genannten Wappenhalter über die dienende Funk-
tion hinaus als Krieger Gegenstand eines Bildprogramms sein kann, das auf Ord-
nungsstrukturen hinweist. Zugleich repräsentiert sie die Gesinnung derer, dessen
Zeichen oder Namen sie im Schilde führen.
Es erscheint nahe liegend, dass die bewaffneten profanen Topfiguren – hier: Römi-
scher Soldat bzw. Jupiter als Garant für Ordnung im Sinne der oben genannten Gra-
fik deutscher Kleinmeister – auf (früh-)neuzeitlichen Schaftkronleuchtern unter-
schiedliche Phasen und lokale Stationen auf dem Weg zur Glaubens-, Bekenntnis-und
Religionsfreiheit verkörpern. Zunächst begünstigt durch das landesherrliche Kir-
chenregiment führte dessen ausschließlich säkulare, obrigkeitsstaatliche Form zu-
sammen mit dem Absolutismus zu weit reichenden Einflüssen staatlicher Macht.
Frappierend sind hier die Parallelen zur dritten Epoche der römischen Religion in der
Antike, wo unter dem Einfluss der griechischen Aufklärung die alte Religion zerfällt
und der Vergöttlichung der Herrscher den Weg bahnt. Diese charakterisiert auch den
Absolutismus, der nach Phasen des Früh-Absolutismus in Westeuropa und infolge des
Dreißigjährigen Krieges entsteht. Insofern stellt sich auch die Frage, ob die auf ei-
nem Adler reitende, nackte Bekrönungsfigur von „ausgeprägten männlichen Formen
und als Blitzeschwinger“ barocker Kugelkronleuchter Jupiter oder auch Apollon dar-
400
stellt. Dessen mögliche Deutung als Sonnengott beinhaltet staats-allegorischen
Charakter und entspricht darin der Barockzeit.
Als Alternative zur Bekrönung „Römischer Soldat der Infanterie“ auf Kronleuchtern
401
aus Metall des 16. bis 18. Jahrhunderts gibt es – nach bisheriger Kenntnis – we-
nigstens fünf Exemplare der Cavallerie. Davon haben zwei Kronleuchter eine Löwen-
kopf-Maske als Unterhang. Die antikisierende Kleidung der Reiterfiguren entspricht
derjenigen der zuvor genannten Soldaten – mit Ausnahme des Helmes, der unüber-
sehbar mit Straußenfedern dekoriert ist.
Dass diese Reiter den heiligen Georg darstellen, kann nur anhand eines Beispieles
bestätigt werden. Denn nur auf einem der Kronleuchter (Ende 16. Jahrhundert) in
Stadthagen (Abb. 64) kämpft der Krieger zu Pferde gegen einen Drachen.
Im Schutze seines über dem Ungeheuer sich aufbäumenden Pferdes sticht der Uni-
formierte mittels einer Lanze und durch die rechtsseitige Drehung von Oberkörper
und Armen auf den Lindwurm ein. Die Lanze ist senkrecht zur Haltung des Rosses
und parallel zu dessen agierender Vorderhand ausgerichtet. Die ganze Kraft des (To-
des-)Stoßes entwickelt sich aus der Achse, die aus der Gewichtsverlagerung des
Pferdes auf dessen Hinterhand und aus der Position des Reiters aufgebaut ist (Abb.
65).
Beim besagten Kronleuchter in Estebrügge baut sich aus der leicht diagonalen Kar-
riere des Pferdes und der oberhalb des Kammes erhobenen, bewaffneten Rechten
des Reiters eine Spannung auf, die eine besondere Dynamik vermittelt – vermutlich
den Moment der Attacke. Auf welches Ziel diese gerichtet sein könnte, ist aus der
Gestaltung dieses Kronleuchters nicht zu beantworten. Möglicherweise bestehen Ver-
bindungen zur Topfigur „Springendes Pferd“ eines Kronleuchters (1655) in der Dom-
402
kirche zu Hadersleben/Dänemark.
401 Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirk Stettin. Der Kreis Usedom-Wollin, 1900,
S. 380. Als Schaftkronleuchter mit 16 Kerzen, bekrönendem Ritter zu Pferde (St. Georg) und
abschließender Löwenkopf-Maske beschrieben, lässt die inschriftlich datierte Widmung (1653)
dennoch Fragen zur Gestaltung dieses Kronleuchters offen. – Die Kunst- und Kulturdenkmäler der
Provinz Pommern. Kreis Kammin Land, 1939, S. 139 und S. 170 mit Abb. 10610. – G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen, Neubearb., stark erw. Aufl.
1992, S. 459 (Estebrügge, Kronleuchter 1681), S. 1232 (Stadthagen, Kronleuchter, wohl E. 16. Jh.).
– Im Zusammenhang mit diesen Reiterfiguren auf Schaftkronleuchtern der Renaissance wäre u.a.
ein Exemplar (2. H. 16. Jh.) in der Heiliggeistkirche in Tallinn zu untersuchen. – Vgl. demgegenüber:
Danmarks Kirker. Arhus Amt, 3. Bd., 1976, S. 1177 und Abb. 124 -126 auf S. 1178, 1180
(Frauenkirche, Kronleuchter „St. Jürgen“). – Zu überprüfen wäre auch im Folgenden, ob der Ritter
gerüstet und ein Reiter ist; s. Bau-und Kunstdenkmäler Thüringens. Herzogtum Sachsen-Altenburg.
Amtsgerichtsbezirke Altenburg, Ronneburg und Schmölln, 1895, S. 148.
402 Danmarks Kirker. Sønderjylland. Haderslev Amt, 1954, S. 156, Nr. 3 und S. 44 f.
Bekrönungsfiguren Seite 127
Der Kronleuchter in Estebrügge baut sich pyramidal über einem ausladenden Licht-
kranz und der darüber ansetzenden Zierkranz zur expressiven Figurengruppe hin auf.
Für eine Zuordnung zum Figurentyp „Römischer Soldat“ spräche über die antiki-
sierende Gewandung hinaus die Tatsache, dass Estebrügge ursprünglich im Erzbis-
tum Bremen gelegen ist und erst unter schwedischer Herrschaft seit 1648 endgültig
lutherisch wird.
Ebenfalls von außen gefördert und ähnlich langwierig vollzieht sich dieser Prozess im
Bistum Halberstadt, wo ein vergleichbares Motiv auf einem Schaftkronleuchter (da-
tiert 1692) vorkommt.
Und auch das oben erwähnte Beispiel aus Hadersieben/Dänemark könnte im Zu-
sammenhang mit der administrativen Neuordnung der Bistümer Ribe sowie Schles-
403
wig infolge der Reformation stehen.
403 Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Regierungsbezirk Stade. Stadt Stade,
Textband, 1960, S. 4 ff. (zur Historie), S. 112 (zu Kronleuchter Nr. 174). – Die Kunstdenkmale des
Landes Nie-dersachsen. Regierungsbezirk Stade. Landkreis Stade, Textband, 1965, S. 292 f. – M.
Schütz, Die Landesherrschaft der Bremer Erzbischöfe und die Rolle Stades als Landstand, in: Stade.
Von den Siedlungsanfängen bis zur Gegenwart, 1994, S. 153-169. – Ebd., S. 171-204: 13. C.
Fiedler, Der Wandel Stades in der Schwedenzeit 1645-1715.
Bekrönungsfiguren Seite 128
Annähernd die gleiche Statur und Körperhaltung wie die Bekrönungsfigur „Römischer
Soldat, Infanterie“ der in Kapitel 3.2 genannten Schaftkronleuchter weisen die männ-
lichen Topfiguren „Büttel“ (Gerichtsdienster, Fronbote) auf frühneuzeitlichen Schaft-
kronleuchtern aus Messing auf.
Dazu dürfte jenes Exemplar mit hoch geschlossenem Leibrock sowie mit Schwert und
Renaissance-Rundschild (Rondache) gehören, das für das Siechenhaus St. Jürgen in
406
Lübeck inventarisiert ist. Und es sind insbesondere die Winkelarmkronleuchter in
407
der Evangelischen St. Severi-Kirche in Otterndorf (Abb. 66, 67) zu nennen. Davon
trägt der eine Leuchter an der Nutenscheibe die Inschrift „PETER VAN MINDEN ANNO
1572“ und darüber auf dem Baluster der Spindel eine Hausmarke. Die Bekrö-
nungsfigur – bekleidet mit einem schlichten, gegürteten Rock – hält als Attribut eine
Art Hirtenstab in der Linken. Dieser dürfte nicht ursprünglich sein. Bildzeugnisse zur
Rechtsgeschichte lassen etliche Parallelen in der Kostümierung der Gerichtsdiener
dort zu den besagten Kronleuchterfiguren erkennen. Der Stab des Büttels besitzt
tendenziell das Format eines Stadtrichtstabes, gegebenenfalls das einer Lanze und
endet hier wie dort nicht als Krümme. Der Stab weist den Gerichtsdiener als Amts-
person aus. Das entsprechende Pendant des anderen Leuchters hält keinerlei Zei-
408
chen.
404 Vgl. heiliger Michael als Drachenkämpfer und Sinnbild des Kampfes zwischen Gut und Böse; s.
Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Regierungsbezirk Stade. Stadt Stade. Textband
1960, S. 112 f. – Vgl. H. W. Hegemann, Der Engel in der deutschen Kunst, 1950. – LCI, Bd. 1, Son-
derausgabe 1994, Sp. 674-681. – LCI, Bd. 3, Sonderausgabe 1994, Sp. 255-265. – LCI, Bd. 6, Son-
derausgabe 1994, Sp. 365-390.
405 S. Braunfels-Esche, St. Georg. Legende, Verehrung, Symbol, 1976, S. 100, 119 f., 197, 200,
213.
406 Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, II. Bd., 2. T.: Die
Marienkirche, 1906, S. 404 mit Abb.
407 Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen, Bd. V, T. 1: Regierungsbezirk Stade, 1956, S.
283.
408 Inventare und Rechnungsbücher in Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde in
Otterndorf/Cuxha-ven geben keinen Aufschluss über die Kronleuchter der Evangelischen St. Severi-
Kirche.
Bekrönungsfiguren Seite 129
An der Topfigur „Büttel“ dieses besagten Pendants zum Beispiel zeigen sie sich dar-
an, wie die Saumkanten graviert sind oder darin, dass der Leibriemen eine Kordel
und kein glatter Gurt ist. Der Duktus der Gravuren führt zu der Annahme, dass diese
Topfigur wohl auf jenen Kronleuchter gehören dürfte, der die Inschrift (s.o.) trägt
und dessen Löwenkopf-Maske stärker ziseliert ist. Demgegenüber weist der unbe-
zeichnete Winkelarmkronleuchter an den Nutenscheiben weder Gussnähte noch Un-
regelmäßigkeiten in der Kennzeichnung der Nuten mittels Punzierung auf und unter-
scheidet sich darin von den vergleichbaren Schaftkronleuchtern „Muttergottes“ und
„Büttel“ (1572) in jener Kirche. Und die Gegenüberstellung zeigt ferner, dass die
winkeligen Leuchterarme auch angesichts unterschiedlicher Endungen nicht entspre-
chend zugeordnet sein dürften. Es ist anzunehmen, dass der obere Lichtkranz des
einen Kronleuchters „Büttel“, dessen Leuchterarme in Rosetten münden, zum Kron-
leuchter „Muttergottes“ gehört. Denn dort besitzt der untere Lichtkranz adäquate
Blütenformen. Dass diese in Kombination mit den spitzen Blütenknospen vorkom-
men, erscheint angesichts anderer zeitlich und geographisch naher Schaftkronleuch-
ter eher untypisch. Das Vorkommen dieses lanzettförmigen Pflanzenmotivs an na-
hen, vergleichbaren Schaftkronleuchtern mit bekrönendem Landsknecht oder heral-
dischem Doppel-Adler könnte den Rückschluss erlauben, dass auch der beschriebene
Kronleuchter „Büttel“ ursprünglich damit ausgestattet war.
Hinsichtlich der Ikonographie können allein die Kopfbedeckung und Gewandung der
409
Figuren ihrer Deutung und Zuordnung als „Büttel“ dienlich sein die unter den Be-
krönungen frühneuzeitlicher Schaftkronleuchter aus Metall optisch dem Motiv „Römi-
scher Soldat“ ähnelt. Insgesamt aber wirken erstere weder dynamisch noch athle-
tisch und weisen auf unterschiedlichen Darstellungen zur Rechtsgeschichte keine uni-
forme Kleidung auf. Denn letztere sowie auch die soziale Stellung richten sich nach
dem Tätigkeitsbereich.
Da diese Statuetten „Büttel“ auffallend schlicht modelliert sind, unterscheidet sie auf den
ersten Blick nur der gegürtete und etwas ausgestellte Rock mit seinen verbräm-ten
Saumrändern. Wobei diese mittels vertikaler Gravuren verziert sind und so an die
410
Schulzenarmbinde erinnern. Ansonsten entspricht das oberschenkellange Ober-
gewand mit seinen kurzen Ärmeln annähernd jenen, die städtische Amtsträger, teils
Wachtmeister und Botenläufer bekleiden, und wie sie als Beispiel einer Handschrift aus
Stuttgart (1467) im Zusammenhang einer volkskundlichen Darstellung „Bauern,
409 G. Kocher, Zeichen und Symbole des Rechts. Eine historische Ikonographie, 1992, S. 143 und
vgl. S. 161 mit Abb. 249 f.
410 Vgl. Schulzenarmbinde und Schulzenstock in Stresow, in: Die Kunst- und Kulturdenkmäler der
Pro-vinz Pommern. Kreis Kammin Land, 1939, Taf. 6 Abb. 5615.
Bekrönungsfiguren Seite 130
411 Wie Anm. 409, S. 131 und vgl. Martin Luther, 1483-1546, Ausst.-Kat., Lutherhalle Wittenberg,
2. verb. und erw. Aufl. 1993, S. 162, Nr. 4 mit Abb. 142. – K.-S. Kramer, 1995 (Abb.), S. 46, 110,
119; (Text) S. 107 ff.
412
H. W. Singer, Die Kleinmeister, 1908.
413
G. Kocher, 1992, S. 140 ff.
414 Siehe folgende Seiten
Bekrönungsfiguren Seite 131
Dieser Interpretationsansatz behält auch für das genannte Beispiel des Siechenhau-
ses St. Jürgen in Lübeck seine Gültigkeit. Denn Hospitäler werden nach der Reforma-
tion und mit dem Wachstum der Städte vielfach weiterhin im kirchlichen Sinne be-
trieben – wie dies aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang mit Klöstern und Stif-
tern bekannt ist. Doch tritt als neues Element hinzu, dass sie vermögensrechtlich und
415
administrativ als weltliches Bürgerspital geleitet werden.
416
Basierend auf der erforschten Typologie für Kronleuchter aus Metall repräsentieren die
so genannten Landsknecht-Kronleuchter in Norddeutschland als Winkelarmkron-leuchter
selbst angesichts der Gruppen ihrer unterschiedlich gestalteten Bekrönungs-figuren
sowohl regional als auch überregional für zwei dieser vier Gruppen (Abb. 68-79) einen
417
einheitlichen, frühneuzeitlichen Typ der Schaftkronleuchter.
Für die Leuchter der Gruppen I bis III ist die geringe Höhe der Spindel, die zwischen
0,70 und 1,10 Meter liegen kann sowie die gleichmäßige Abfolge ihrer Gliederungs-
elemente charakteristisch. Diese bestehen am unteren Ende aus einer konisch profi-
lierten, konsolartig auslaufenden, kräftigen Nutenscheibe mit einer doppelten Löwen-
kopf-Maske als Unterhang. Darüber erhebt sich zwischen den rhythmisch wechseln-
den Wülsten und Kehlen ein Baluster der den Schaftaufbau wesentlich bestimmt. Und
während sowohl die Morphologie dieser Leuchter als auch die Topfiguren einer
Gruppe weitestgehend identisch sind, können sowohl die inneren Enden der als lie-
gende S-Form gebildeten Leuchterarme in unterschiedliche Blütenmotive münden als
auch die Unterhänge dieser Kronleuchter stilistisch divergieren.
Die Exemplare der Gruppe IV sind barocke Kugelkronleuchter, die neben ihrer plasti-
schen und verschleifenden Morphologie eine Höhe aufweisen, die in der Regel deut-
lich über einem Meter liegt.
415 A. Graßmann, Lübeck im 17. Jahrhundert: Wahrung des Erreichten. Europäische Konflikte und
lübe-
ckische Unruhen, in: Lübeckische Geschichte, 2. überarb. Aufl. 1989, S. 434-488, insbes. S. 445. –
Zum Vorkommen von Schaftkronleuchtern „Büttel“: Ein weiteres Exemplar wird im Zusammenhang
mit der Anfertigung von Kronleuchter-Replikaten im Katalog (1996) der Firma Paul Oehlmann &
Sohn, Bielefeld für die Ev. Kirche zu Müden/Aller genannt. Der Bestimmungsort eines adäquaten
Stückes, das Ende der 1990er Jahre u.a. in Bielefeld entstand, blieb unbekannt. Seit E. 20. Jh./A.
21. Jh. besteht dieser Betrieb nicht mehr.
416 Im Wesentlichen S. Erixon, 1943 und K. Jarmuth (1967); hinsichtlich der
Landsknechtkronleuchter: W. Stengel, Nürnberger Messinggerät, in: Kunst und Handwerk, 21. Jg.
1918.
417 K. Jarmuth (1967), S. 160 ff., bezeichnet die Winkelarmkrone unter Vorbehalt „Lübecker
Krone“ (s. S. 164). Die Varianten, die er dort vorstellt beziehen sich in erster Linie auf Exemplare mit
heral-dischen Doppel-Adler, antikisierendem Soldat und Wilder Mann. Das Vorkommen weiterer
Winkel-armkronleuchter mit den Figuren „Büttel“ und „Landsknecht“ könnte die diesbezüglichen
Ausführun-gen Jarmuths stützen, bedarf aber noch weiterer Untersuchungen. s. auch: K. Jarmuth,
Lübecker Leuchten van Meeresgrund, in: Lichttechnik, Jge. 21-23, 1969-71, Nr. 3, S. 72 ff.; Nr. 5, S.
250 ff.; Nr. 10, S. 342 f.
Bekrönungsfiguren Seite 132
Die Verteilung der Landsknecht-Kronleuchter südlich der Nieder- und Unterelbe sowie
zwischen Oberweser und Ostseeküste Vorpommerns deutet stark auf religionspoliti-
418 Die Wahrnehmung von Bekrönungen auf Schaftkronleuchtern aus Metall des 16. bis 18.
Jahrhun-derts als potenzielles ikonographisches Programm wäre weiterhin systematisch zu
erforschen, um diese Methode gegebenenfalls zum Prinzip erheben zu können. Die relativ homogene
Verteilung der unterschiedlichen Darstellungen von Landsknechten auf Schaftkronleuchtern sowie die
Datierung ih-rer Kostüme legen eine derartige Einordnung nahe.
419 Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein, Bd. 7: Stadt Flensburg, 1955, S. 188
(Kron-
leuchter 1588/1629). – Siehe u.a.: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig, 4.
Bd.: Kreis Holzminden, 1907, S. 57. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd. VI, T. 1:
Kreis Lebus, 1909, S. 71. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd. III, T. 1: Prenzlau,
1921, S. XXXIII, 147. – Kunstdenkmale Bezirk Magdeburg. Kreis Haldensleben, 1961, S. 60 ff. – A.
Graßmann, Lübeck im 17. Jahrhundert: Wahrung des Erreichten. Europäische Konflikte und lübecki-
sche Unruhen, in: Lübeckische Geschichte. 2. überarb. Aufl. 1989, S. 435-490, insbes. S. 446-453. –
J. Bohmbach, Stade als selbstständige Stadt, in: Stade. Von den Siedlungsanfängen bis zur Gegen-
wart, 1994, S. 109-143, insbes. S. 141. – Königin Christina von Schweden, Gesammelte Werke, Au-
tobiographie, Aphorismen, Historische Schriften, 1995 (Reprint), S. 19, 29 f. – G. Mann, Wallenstein,
1997, S. 321, 333, 384 f., 485, 509, 514 ff.
420 O. Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, 8. Aufl. 1981, S. 154 ff., 190 ff.
421 Großer Atlas zur Weltgeschichte, 1997, S. 104, Karte 2
Bekrönungsfiguren Seite 133
Ob und welcher dieser Gruppen Landsknechte die als „männliche Gestalt in Zeitkos-
tüm“ beschriebene Bekrönung eines Kronleuchters (16. Jahrhundert) aus der Evan-
gelischen Kirche zu Danstedt/Halberstadt zuzuordnen ist, kann hier nicht beantwor-
tet werden. Denn dieser Kronleuchter ist vor Ort nicht mehr erhalten und kaum do-
kumentiert. Die potentielle Korrelation zwischen der Umschreibung „Zeitkostüm“ und
der Datierung lassen die Darstellung einer Landsknechtfigur annehmen. (s. Folling-
bø/Lummelunda in Schweden, Kronleuchter 1766 gestiftet mit „Krieger in Kostüm
423
des 16. Jahrhunderts“). Ursprünglich gehörte das besagte Beleuchtungsgerät der
424
Evangelischen Kirche in Danstedt in die St. Servatii-Kirche in Quedlinburg. „Im
Jahre 1539 wurde die traditionsreiche Stiftung auf dem Burgberg in ein Evangeli-
sches „Freies weltliches Stift“ umgewandelt. „… von 1617 bis 1645 …, litt die Stadt
(Quedlinburg) sehr viel durch den Dreißigjährigen Krieg“. Und mit der Regierungszeit
(1684-1704) der Äbtissin Anna-Dorothea, Herzogin zu Sachsen-Weimar geht die
Schutzgerechtigkeit des Stifts von Sachsen an Brandenburg über.
Die erste imaginäre Verbindungslinie, die sich aus der Verteilung gleichartiger Lands-
knecht-Kronleuchter ergibt, verläuft südlich der Unter- und Niederelbe und könnte
422 Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel, Bd. III: Grafschaft Schaumburg,
1907,
S. 94. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen. Neubearb.,
stark erw. Aufl. 1992, S. 693 und vgl. S. 754 (das heißt Holzminden, Evangelische Lutherkirche, Epi-
taph für Wulbrand von Gulich Johansen, gest. 1604).
423 Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, XXIII.
H., Kreis Halberstadt Land und Stadt, 1902, S. 27. – Sveriges Kyrkor. Gotland I. Lummelunda Ting,
o.J.,
S. 529.
424 Der Harz mit seinen Merkwürdigkeiten, Volkssagen und Legenden (…). Auswahl aus „Thüringen
und der Harz“, 8 Bde., Hg. F. v. Sydow, 1839-1844 (1999 Reprint, Hg. R. Schulze). – Beschreibende
Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, 33.‚ 1. T.: Kreis Stadt Qued-
linburg, 1922, S. 9. – Der Quedlinburger Domschatz, Ausst.-Kat. Kunstgewerbemuseum Berlin
SMPK, Hg. D. Kötzsche, 1993, S. 16.
Bekrönungsfiguren Seite 134
Eine ähnlich geschlitzte und ausgepolsterte Kostümierung weisen zwei weitere Topfi-
guren auf Winkelarmkronleuchtern nördlich der Elbe, das heißt in Kosel/Eckernförde
(Ende 16./Anfang 17. Jahrhundert) und 1550/1600 in Hadersleben/Dänemark, Alte
428
Kirche auf. In Anbetracht der Tatsache, dass Unterschiede im Detail – wie zum
Beispiel der ballonartigen, kurzen Hosen sowie der fehlenden Kopfbedeckung – sowie
in der Art der Modellierung und Ziselierung bestehen, bilden diese Figuren eine eige-
425 U. Lange, Stände, Landesheer und große Politik – Vom Konsens des 16. zu den Konflikten des
17. Jahrhunderts. Konflikte und Kriege im 17. Jahrhundert, in: Geschichte Schleswig-Holsteins. Von
den Anfängen bis zur Gegenwart, Hg. U. Lange, 1996, insbes. S. 231-240
426 E. F. Bange, Peter Flötner, Meister der Graphik, Bd. XIV, 1926, S.15. – R. Baumann, 1994, S.
74 (Holzschnitt, 1540 von Hans S. Beham), S. 100 (Holzschnitt, 1540 von Hans Döring). – B. R.
Kroe-ner/R. Pröve (Hg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, 1996, S.
160.
– K. Hagemann/R. Pröve (Hg.), Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und
Geschlechtsordnung im historischen Wandel, 1998, S. 57, 59.
427 G. Kocher, Zeichen und Symbole des Rechts, 1992, S. 108, Abb. 162.
428 Danmarks Kirker. Sønderjylland. Haderslev Amt, 4. T., 1954, S. 229. – Kunst-Topographie
Schles-wig-Holstein, 1979, S. 203. – Vgl. R. Baumann, 1994, S. 96 (Holzschnitt, 1513 von Hans
Schäufe-lein, Augsburg).
Bekrönungsfiguren Seite 135
ne Gruppe (III). Insgesamt wirken die Gravuren des Leuchters in Kosel gröber; dazu
tragen nicht zuletzt die verbliebenen Putzmittelreste bei (Abb. 74).
Das Charakteristische der Topfigur hier ist die fehlende Kopfbedeckung. Es sei denn,
dass die Barhäuptigkeit im Sinne älterer Graphiken als eng anliegende Lederkappe zu
interpretieren ist. Und es fällt ferner die Halskrause auf. Dieser waagerecht abste-
hende, im Nacken etwas ansteigende Kragen über dem Bruststück oder Wams ist bis
zum Jahre 1630 in Mode. Dieser kennzeichnet auch die Landsknechte als Subfiguren
der Kugelkronleuchter der Evangelischen Kirchen in Valløby/Dänemark (1620/1625),
Arhus/Dänemark sowie in Zirkow/Rügen (1630) (Abb. 77). Jedoch tragen diese un-
tergeordneten Figürchen eine ähnlich hohe Kopfbedeckung wie die Bekrönungen der
zweiten Gruppe und weisen auch eine entsprechende Gestik auf. Aber sie unter-
scheiden sich von dieser zweiten Gruppe darin, dass ihre Beinkleider nicht als wa-
denlange Schlumperhosen modelliert sind. Die Kleidung dieser Subfiguren ist weitaus
gemäßigter als jene der Landsknechte auf den Schaftkronleuchtern von Gruppe I und
II und lässt vielmehr deutliche Parallelen zum Erscheinungsbild von Amtleuten und
Landräten um 1588 in Norddeutschland erkennen. Aus dieser Perspektive könnte den
besagten Subfiguren gerade in der Verbindung zur Bekrönung „gekrönter heraldi-
scher Doppel-Adler“ auf Schaftkronleuchtern eine andere, im weitesten Sinne politi-
429
sche, Dimension zukommen.
Die Kronleuchter-Bekrönungen der zweiten und vierten Gruppe sind zwar ähnlich
bewaffnet wie die andere Einheit, doch ist die Körperhaltung anders.
Die Linke dieser Landsknechte ist leger auf der Hüfte abgestützt. Eine Pose, die so-
wohl Darstellungen geharnischter Doppelsöldner als auch dem Fähnrich der Bürger-
schützen zu eigen sein kann. Charakteristisch sind vor allem die ausmodellierten
Schlumperhosen. Diese werden etwa in der Zeit von 1550 bis circa 1630 „… als Mit-
telding zwischen Spanischer Hose und Pluderhose getragen …“ und an das Wams
genestelt. (s. auch Helsingør/Dänemark, Evangelische St. Marien-Kirche, Wandleuch-
ter). Diese textil üppigen Beinkleider sind nicht minder phallusbetont wie die körper-
430
nahen Oberschenkelhosen der ersten Gruppe.
Des Weiteren bildet eine Art Birnhelm die typische Kopfbedeckung dieser Soldaten
431
mit ihrem rauschenden Zwirbelbart. So erscheint in der ersten Hälfte des 16.
Jahr-hunderts dieser Typ Landsknecht auf einem Holzschnitt von Hans Guldenmund
429 Danmarks Kirker. Praesto Amt, 1. T., 1933-1935, S. 309. – Danmarks Kirker. Arhus Amt, 3.
Bd., 1976, S. 1181, Abb. 127. – Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen, Bd. 1, 1963, S. 652. – Vgl.
Lan-desausstellung Niedersachsen 1985. Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in
Nord-deutschland 1150-1650, Bd. 1, Ausst.-Kat. Braunschweigisches Landesmuseum, 1985, Bd. 1,
S. 296 ff. – U. Lange (Hg.), Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfangen bis zur Gegenwart,
1996, S. 181 (Abb.).
430 M. Hasse, Zunft und Gewerbe in Lübeck, Lübecker Museumshefte Nr. 10, S. 91. – Danmakrs
Kirker. Frederiksborg Amt, 1. Bd., 1964, S. 532
431 Danmarks Kirker. Frederiksborg Amt, 1. Bd., 1964, S. 162, Nr. 1. – Sveriges Kyrkor. Uppland,
Bd. IV: Kyrkor 1: Erlinghundra Härad (1912), S. 156.
Bekrönungsfiguren Seite 136
(1490-1560) und auf einem anonymen Flugblatt, das der Formschneider Wolffgang
432
Serauch in Nürnberg gedruckt hat.
Die Verteilung dieser zweiten Gruppe markiert die südöstliche und die südwestliche
Grenze des Niedersächsischen Reichskreises, sofern die Bekrönung des ursprünglich
nach Quedlinburg zu lokalisierenden, potenziellen Landsknecht-Kronleuchters jenem
in Holzminden ähnelte. Bei letzterem nimmt heute eine Kreuzesfahne den Platz ein,
433
der „… einst mit einer Lanze in der Rechten …“ des Landsknechts besetzt war
(Abb. 73 f.).
432 R. Kroenen/R. Pröve (Hg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit,
1996,
S. 59, Abb. 4. – K. Hagemann/R. Pröve (Hg.), Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger.
Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel, 1998.
433 Die Bau- und Kunstdenkmale des Herzogtums Braunschweig, 4. Bd.: Kreis Holzminden, 1907,
S. 68.
434 Zu den Kronleuchtern; s. vorst. Anm., ferner: E. Meyer, Mittelalterliche Bronzen, 1960, Kat.-
Nr. 39
(Text und Abb.). – Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. II: Regierungsbezirk Hildesheim, 6:
Kreis Alfeld, 1929, S. 150. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg. Kreis Templin, 1937,
S. 48 und Abb. 37. – Stralsund, ehem. Dominikanerkloster St. Katharinen, Klausurgebäude (Kultur-
historisches Museum, vgl. Landsknecht-Kronleuchter (16. Jh.) der Ratskirche auf Bornholm; s. C.
Waagepetersen, Lysekroner i Skandinavien fra Gotik tu Klunketig, 1969, Fig. 9. – Zur politi-schen
Situation; s. U. Lange (Hg.), Geschichte Schleswig-Holsteins, 1996, S. 231 f.
435 Danmarks Kirker. Sønderjylland. Tønder Amt, 1957, S. 984, Nr. 4. – F. J. Falk, Lysekroner i
Rømøs Sct. Clemens kirke (1989), Abb. 12 f. – Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover. 1:
Regierungsbe-zirk Hannover. 3: Kreis Springe, 1941 (Bd. 29 des Denkmalwerkes), S. 200.
436 H. F. v. Fleming, Der Vollkommene Teutsche Soldat, welcher die gantze Kriegs-Wissenschaft
(…), 2 Bde., Leipzig 1726. – G. Kocher, Zeichen des Rechts, 1992, S. 161, Abb. 249.
Bekrönungsfiguren Seite 137
1620) und einer breiten, flachen Krempe komplettiert das strenge Erscheinungsbild.
Die gesamte Ausstaffierung entspricht den um 1630 üblichen Reitkostümen, die Bo-
437
ten auf zeitgenössischen Darstellungen tragen.
So können anhand frühneuzeitlicher Schaftkronleuchter resp. ihrer Topfiguren nicht
allein über thematisch bereits bekannte Graphiken hinaus kostümkundliche Details
und Waffen vor Augen geführt und unterschieden werden. Vielmehr scheinen daran
sowie an der Verteilung dieser Landsknecht-Kronleuchter Aussagen zum soldatischen
438
Selbstverständnis ablesbar und implizierte politische Bildaussagen verstärkt.
Es wird wohl kaum zu klären sein, ob der oben beschriebene kahlköpfige Lands-
knecht als Topfigur des Kronleuchters in Kosel/Eckernförde eine eng anliegende Le-
derkappe trägt wie es der „Heimkehrende Landsknecht“ (1519) von Urs Graf de-
439
monstriert. Zweifelsohne erfüllen die Landsknecht-Kronleuchter über die kostüm-
geschichtlich interessanten Extremformen ihrer Kleidung hinaus den Anspruch des
ikonographischen Bildprogramms des frühen 16. Jahrhunderts.
So ließe sich nicht allein nach Art und Ausrichtung der Feder an der Kopfbedeckung
der Reisläufer vom Landsknecht unterscheiden (siehe Gruppe I). Auch ihre Bewaff-
nung kann zu differenzierten Ergebnissen führen. Dann aber ist häufig infolge verlo-
rener Attribute die Differenzierung weniger deutlich als es die extraordinäre Kostü-
mierung gegenüber bestehender Kleiderordnungen vermittelt.
437 Ebd.
438 M. Rogg, „Zerhauen und Zerschnitten nach adelichen Sitten.“ Herkunft, Entwicklung und
Funktion soldatischer Tracht des 16. Jahrhunderts im Spiegel zeitgenössischer Kunst, in: B. R.
Kroener/R. Prö-ve (Hg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, 1996, S.
109-135.
439 R. Baumann, 1994. – B. R. Kroener/R. Pröve, 1996. – K. Hagemann/R. Pröve, 1998. – S.
Kroll/K. Krüger, 2000.
440 R. Baumann, 1994, S. 98 ff.
441 Ders., a.a.O., S. 101.
Bekrönungsfiguren Seite 138
Mit der Polarisierung zwischen Schaftkronleuchtern als Basis und Bekrönungsfigur als
bedingt variablem Bildprogramm spiegelt dieses Kompositionsschema die je nach
Zeitgeist unterschiedlich interpretierte Formensprache und Lichtsymbolik des Leuch-
ters, das heißt die religiöse Lebenswelt und im entsprechend wechselnden Motiv-
schatz die Schwerpunkte der alltäglichen Lebensbewältigung wider.
Unter dem Einfluss des humanistischen Gedankenguts gründet sich die Freiheit auf
die Rechtfertigung aus Glauben an das reine Wort Gottes, wo die Gnade Gottes das
Leben und Sterben gestaltet.
Der Ursprung des Motivs „Wilder Mann“ gilt als vornehmlich literarische Metapher für
waldreiche Regionen, das heißt Hügel- und Gebirgslandschaften, nicht aber für Nord-
deutschland. Dennoch sind für dieses Gebiet bis zu 10 Exemplare der Schaftkron-
leuchter „Wilder Mann“ inventarisiert und zum Teil erhalten.
445 Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 12.
H.: Amtshauptmannschaft Zwickau, 1889, S. 69. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg.
Kreis Sorau, 1939, S. 328 mit Abb. – Exemplarisch wären für Norddeutschland die Statuetten
„Wilder Mann“ der Kronleuchter zu nennen in: Grube/Oldenburg i. H.; 5.: Eine Ausstellung kirchlicher
Geräte im Thaulow-Museum, Ausst.-Kat., Kiel, 1902, S. 43, Nr. 175 und vgl. LDSH b 479 und b 480
(Aufn. 1905). – Eine adäquate Bekrönungsfigur (Wappenschild inschr. datiert 1643) ist auf einen
Schaftkronleuchter mit abschließender Löwenkopf-Maske in der Evangelischen St. Michaeliskirche in
Lütjenburg/Kreis Plön erhalten; 5.: G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg.
Schleswig-Holstein. 2. stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 614. – Und eine vergleichbare Topfigur
auf einen Winkelarmkronleuchter mit Löwenkopf-Maske ist für die Dominikanerkirche in Prenzlau do-
kumentiert; 5.: Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd. III, T. 1, Prenzlau, 1921, S. 232
mit Zeichnung und vgl. Fotodokumentation des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege,
Wünsdorf/Berlin. Weitere Recherchen wären u.a. auch erforderlich zu diesen Kronleuchtern in: Im-
sen/Kreis Alfeld; s. Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. II. Regierungsbezirk Hildesheim. 6.
Kreis Alfeld, 1929, S. 173 oder zum Beispiel zum Kronleuchter in Salzgitter-Ringelheim; 5.: Die
Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. II. Regierungsbezirk Hildesheim. Landkreis Hildesheim,
1937, S. 202.
Bekrönungsfiguren Seite 140
Weiterhin fällt auf, dass es zum Motiv „Wilder Mann“ möglicherweise ein weibliches
Pendant als Statuette, allerdings von beiden keine Subfiguren gibt. Als solche können
die zuvor beschriebenen Darstellungen „Römischer Soldat“ und „Landsknecht“ eine
der anderen Kronleuchter-Bekrönungen, das heißt den gekrönten heraldischen Dop-
pel-Adler ergänzen.
Unter den Bekrönungen „Wilde Leute“ auf Schaftkronleuchtern aus Messing können
die Darstellungen „Wilder Mann“ formal bisher in zwei Gruppen eingeteilt werden – in
stehende und kniende Gestalten. Diese können ihrerseits stilistisch anhand der End-
bearbeitung in Form der nahezu den ganzen Körper überziehenden, ziselierten Be-
haarung beziehungsweise deren Aussparung (kreisförmig) an Brust und Gesäß sowie
nahe der Gelenke, sowie nach Art des Leibriemens und Stirnbandes unterschieden,
aber infolge häufig unzureichender Dokumentationen vorläufig kaum zu mehreren
zusammengefasst oder gegenwärtig Werkstätten zugeordnet werden. Gegenüber
anderen (früh-)neuzeitlichen Bekrönungen erreicht der Bestand dieser Kronleuchter-
Figuren – nach bisherigen Kenntnissen – kaum mehr als zehn Stück in Norddeutsch-
446
land und ist ausschließlich auf die Grenzregionen verteilt. Das Motiv „Wilder Mann“
kommt dort hauptsächlich, aber nicht nur auf Winkelarmkronleuchtern mit ausge-
prägt horizontalen Leuchterarmen vor, sondern auch auf jenem mit den aufgeboge-
nen S-förmigen Leuchterarmen, der als Renaissance-Kronleuchter stärker im Osten
Norddeutschlands verbreitet ist. Als Bekrönung auf barocken Kugelkronleuchtern
erscheinen „Wilde Leute“ proportional und ikonographisch deplatziert, sind aber in
dieser Kombination kein Einzelfall – wie Beispiele aus Norddeutschland (Bip-
pen/Osnabrück) und zumindest die eindeutig zugeordneten Kronleuchter in Schwe-
447
den belegen.
Am Bestand dieser Schaftkronleuchter in Schweden fällt gegenüber vergleichbaren
Kronleuchtern aus Messing in Dänemark sowie in Norddeutschland auf, dass mit elf
Bekrönungen „Wilder Mann“ für (gut 770) Schaftkronleuchter in Schweden dieses
Bildthema qualitativ das Motiv „Soldaten“ überwiegt.
Gleichwohl bedarf eine große Anzahl der in den amtlichen Länderinventaren schlicht
als weiblich oder männlich bezeichneten Bekrönungsfiguren noch einer eindeutigen
446 Siehe vorliegende Kronleuchterstudie „Lux ad illuminandas gentes“, Bildband mit digitalisierter
Über-sichts- oder gedruckt mit Verbreitungskarte der Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18.
Jahr-hunderts in Norddeutschland.
447 Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. IV. Regierungsbezirk Osnabrück. 3. Die Kreise
Wittlage und Bersenbrück, 1915, S. 92. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler.
Bremen. Nie-dersachsen, Neubearb., stark erw. Aufl. 1992, S. 224. Die Angaben in beiden amtlichen
Länderin-ventaren der Bau- und Kunstdenkmäler zu den Kronleuchtern führen kaum weiter. Hilfreich
ist die Dokumentation kirchlichen Kunstgutes, die Herr Dr. H. v. Poser, Referat für Bau- und
Kunstpflege im Auftrag des Kirchenamtes der Ev. Landeskirche Hannovers durchführt.
Bekrönungsfiguren Seite 141
Charakterisierung, so dass die bisherige Zählung nur einen ersten Anhaltspunkt bie-
448
ten kann.
Die folgenden Beispiele aus Schweden sind zugeordnet und im Wesentlichen in das
17. Jahrhundert datiert: Hosjø/Dalarne, Vaddö/Uppland, Vaddö/Akers Skeppslag,
Östra/Danderyd, Karlskrona/Blekinge (Königliche Admiralitätskirche, Kronleuchter
449
1686) sowie Elleholm/Blekinge, 17./18. Jahrhundert.
Wenige Exemplare des 16. Jahrhunderts mit einer Löwenkopf-Maske als Unterhang
sind auf die Orte Avaskärs/Kristianopel und Alskog/Gotland verteilt. Wobei der Kron-
leuchter in Ramdala aufgrund dieser Datierung und Morphologie eines Kugelkron-
leuchters ebenso zu untersuchen wäre wie jener Kronleuchter in Vassunda/Uppland.
Datiert in das Jahr 1638 könnte dessen Löwenkopf-Maske als Unterhang auch für das
16. Jahrhundert sprechen.
In ihrer Verteilung auf Orte an Küsten und Landesgrenzen entsprechen sie jenen Ex-
emplaren in Norddeutschland.
448 Diese Statistik basiert auf Erfassungen der amtlichen Länderinventare der Bau- und
Kunstdenkmäler seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart und bezieht sich auf
Schaftkronleuchter aus Mes-sing des 16. bis 18. Jahrhunderts.
449 Sveriges Kyrkor. Västergötland, Bd. 1, 0.3, S. 324; Uppland, Bd. II, T. 1, 1918-1945, S. 91 f.
mit Abb.; Uppland, Bd. IV (1920), S. 180; Dalarna, Βd. 1 (1913-1914), S. 228; Akers Skeppslag,
1950,
S. 92; Blekinge, Bd. 1, Östra Härad, o. J., S. 30; Gästrikland, o. J., S. 136, 361; Håbo Härad, 1962,
S. 257.
450 Danmarks Kirker. Sorø Amt, 2. T., 1938, S. 1256 f. mit Abb.
451 Neue Jerusalemer Bibel, Einheitsübersetzung mit dem Kommentar der Jerusalemer Bibel,
1985,
S. 19.
Bekrönungsfiguren Seite 142
zontalen (Kronleuchter, Anfang 17. Jahrhundert, Jüri/bei Tallinn, Estland) oder als
diffuse Strichelungen die Behaarung andeuten (Kronleuchter, Rühle/Solling oder
452
Mönchehof/Harz). Diese endet häufig in Höhe der Ellenbogen und Knie oder Unter-
schenkel dieser Ungezähmten. Und indem sie mit den bisweilen nackten Füßen und
Unterarmen kontrastiert, vermittelt die so begrenzte Behaarung den Eindruck einer
Gewandung. Dagegen wird bei jenen Figuren von einem Fell auszugehen sein, wo
Brust und Gesäß freiliegen: Kronleuchter-Figuren in Lütjenburg/Plön (Evangelische
St. Michaelis-Kirche), Kronleuchter, inschriftlich 1645 datiert, Grube/Oldenburg in
Holstein oder Prenzlau/Brandenburg (Abb. 80 ff.).
In gleicher Weise sind die Gestaltung der Haar- und Barttracht sowie in der Links-
oder Rechtsdrehung des Stirnbandes und der Bauchbinde zu differenzieren. Demzu-
folge können die Figuren „Wilder Mann“ von Kronleuchtern wie sie aus Antwerpen,
Mehr/Rees, Bramsche am Mittellandkanal, Esens/Ostfriesland, Lütjenburg, Grube,
Prenzlau/Brandenburg und Jüri/Estland bekannt sind, qualitativ – jedoch noch nicht
stilistisch – jenem Figurentyp zugeordnet werden, den E. Meyer als Dinanderie aus
der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts vorstellt. Die Übereinstimmungen der Bekrö-
nungsfiguren „Wilder Mann“ der Schaftkronleuchter in Grube und Lütjenburg lassen
453
ein- und dieselbe Provenienz annehmen.
Ihre Bewaffnung besteht – sofern noch erhalten – in der Regel aus einer Keule. Die
Ausrüstung mit einem Schwert oder einer Kettenkugel, die zum Beispiel den unter-
schiedlichen militärtechnischen Entwicklungsstand von Nahkampf- oder Fernwaffen,
von Hieb- oder Stichwaffen anzeigen, entsprechen nicht dem Image des Waldmen-
454
schen oder Wildemann und dürften später ergänzt sein.
Davon wird auch im Folgenden auszugehen sein.
452
Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig, 4. Bd. Kreis Holzminden, 1907, S. 99.
453
E. Meyer, Mittelalterliche Bronzen, 1960, Abb. 38.
454 Siehe u.a. Landesausstellung Niedersachsen 1985. Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des
Bürger-tums in Norddeutschland 1150-1650, Bd. 2, Ausst.-Kat. Braunschweigisches Landesmuseum,
1985,
S. 757 ff.
455 Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. II. Regierungsbezirk Hildesheim. 6. Kreis Alfeld,
1929,
S. 173.
456 Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. II. Regierungsbezirk Hildesheim. 3. Kreis
Marienburg, 1910, S. 60.
Bekrönungsfiguren Seite 143
bole orientierte sich vermutlich die Ergänzung von Attributen bei einer vergleichba-
457
ren Kronleuchter-Bekrönung in der Kirche zu Eldagsen, südlich von Springe. Hier
hält der „Wildemann“ ein Hufeisen in seiner erhobenen Rechten und einen Schlüssel
in der angewinkelten Linken. Beide Gegenstände dort in Eldagsen entsprechen nicht
der Proportion ihrer Trägerfigur und letztere als Bekrönung ästhetisch nicht der Ges-
taltung eines barocken Kugelkronleuchters.
Es erhebt sich daher die Frage, ob Habitus, Gestik oder Attribute jeweils allein aus-
reichen, um die Ikonographie der Topfiguren auf Schaftkronleuchtern zu bestimmen.
In das Jahr 1582 wird der Schild-Inschrift zufolge ein Kronleuchter in der Evange-
lisch-lutherischen Stadtkirche zu Gadebusch/Mecklenburg-Vorpommern (Abb. 85)
datiert, dessen Bekrönungsfigur aufgrund der Attribute als Schmied beschrieben
458
wird. Diese Statuette ist mit der gleichen Gestik und Schrittstellung, der gleichen
sorgfältig frisierten Haar- und Barttracht sowie mit einem vergleichbaren Stirnband
und Leibriemen dargestellt wie die zuvor erwähnten Beispiele. Doch deuten auf dem
Corpus dieser Figur keine Gravuren eine Körperbehaarung entsprechend der bekann-
ten Darstellung „Wilder Mann“ an. Hier wie dort findet sich ein ringartig abgesetzter
Übergang zwischen Fußrücken und Unterschenkel, was eine Saumkante von Hosen-
beinen vermuten lässt. Und es kommt der lendenschurzartig endende Gurt in Tail-
lenhöhe vor. Dieser ist nicht als Halterung diverser Werkzeuge kenntlich - wie die
Darstellungen von Handwerkern des ausgehenden 15. und im Laufe des 16. Jahr-
459
hunderts die andere Nutzung eines derartigen Leibriemens zeigen. Ein seitliches
Futteral erscheint ziemlich unvermittelt am Oberschenkel der Figur platziert. Der
Hammer in der erhobenen Rechten dieser Bekrönungsfigur entspricht dem aktiven
Werkzeug eines Kupferschmieds zur Bearbeitung von kaltem Metall - zum Beispiel für
Treibarbeiten. Mit seiner Linken stützt die Statuette einen Schild. Die dreieckige
Grundform erscheint mittels Einschnitt an den Eckpunkten und Rollwerk an der O-
berkante in Auflösung. Inschriftlich sind 10 Personennamen und die Jahreszahl 1582
verzeichnet. Der nachstehenden Jahreszahl (1582) zufolge, fällt die Entstehung die-
ses Kronleuchters in Gadebusch in die Regierungszeit des Herzogs Christoph von
Mecklenburg († 1592). Ihm wird ein besonderes Interesse an der Gewinnung von
Erzen sowie ein bedeutender Anteil an der glänzendsten Zeit Gadebuschs zuge-
460
schrieben.
Die Attribute der besagten Kronleuchterfigur sowie die inschriftliche Datierung des
Leuchters in einer Zeit der gesellschaftlichen Umstrukturierungen könnten für eine
Darstellung und Würdigung des Handwerkerstandes resp. der Metallverarbeitung und
damit für die Beschreibung „Schmied“ im amtlichen Länderinventar der Kunstdenk-
457 Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover. 1. Regierungsbezirk Hannover. 3. Kreis Springe.
1941, S. 52 f.
458 Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, II. Bd: Die
Amts-gerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und Schwerin, 2. Aufl. 1899, S.
479.
459 K.-S. Kramer, 1995, Abb. S. 18 ff.
460 Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, II. Bd.: Die
Amts-gerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und Schwerin, 2. Aufl. 1899, S.
461.
Bekrönungsfiguren Seite 144
mäler sprechen. Es fällt auf, dass das Motiv „Wilder Mann“ im Verhältnis häufiger
verbreitet und dementsprechend inventarisiert ist, als zum Beispiel das der Kupfer-
schmiede. Denn dafür hätten zum Beispiel das Erzgebirge, das Mansfelder Land,
Stolberg/Aachen oder der Harz und die dort vorkommenden Kronleuchter etliche Be-
zugspunkte geboten.
Diese Beispiele des Motivs „Wilder Mann“ und annähernd vergleichbarer maskuliner
Statuetten auf Kronleuchtern werfen die Frage auf: Wurde das Angebot eines
scheinbar universellen Figurentyps nach kunsthandwerklich-ökonomischen Gesichts-
punkten und dessen jeweilige Endfassung entsprechend der Nachfrage ziseliert? O-
der spiegeln sich darin unterschiedliche Auffassungen zur künstlerischen Gestaltung e
i n e s Bedeutungsgehaltes und einer potentiellen Mehrdeutigkeit mit der Zielset-
zung eines Bildprogramms wider? Denn die Bekrönungen der erwähnten Schaftkron-
leuchter in Eldagsen und Immsen stellen formal Wilde Männer dar, werden deskriptiv
aufgrund ihrer Attribute auf das Schmiedehandwerk bezogen.
Schewe beschreibt die Wilden Leute als „Kampf der niederen Welt gegen die höhe-
461
re“. Und er begründet ihre Knechtschaft anhand ihrer Verwendung als Lichthalter
und Misericordien, wo die Wilden Leute „in Rankenwerk verstrickt“ das Harren auf
Erlösung versinnbildlichen. Denn gemäß des Apostel Paulus in seinem Brief an die
Römer (Kapitel 8, Verse 20ff) „Vom Heilsplan ausgeschlossen stehen sie außerhalb
der übernatürlichen Ordnung als Wesen der Schöpfung, die der Nichtigkeit nicht mit
462
freiem Willen unterworfen ist, ...“
Der Kontext der ersten Verse dieser Epistel, wo als Grundlage der weiteren Verse ein
Leben in der Gewissheit um die Gnade Gottes beschrieben wird, bietet einen ande-
ren Blickwinkel: Gottes Gnade befähigt zu einer inneren Freiheit. Nicht die erfüllte
Erwartung oder Sehnsucht nach Erlösung, vielmehr ein bedingungsloses Angenom-
mensein im Sinne der biblischen Gerechtigkeit, wo vor Gott alle Menschen gleich
sind, erhöht einen Menschen. Und diese scheinen Wilde Leute in ihrer erhabenen Po-
sition als Bekrönung (gegebenenfalls als Zentralfigur) neuzeitlicher Kronleuchter zu
dokumentieren.
Dies trifft auch auf jene Winkelarmkronleuchter des 16. Jahrhunderts zu – wie zum
Beispiel in Niedersachsen: Holtrop bei Aurich, Groß Heere/Hildesheim (Abb. 87) oder
Brandenburg: Schönerlinde/Berlin (letztere Kronleuchter werden aufgrund der Fah-
nen-Inschrift ins 18. Jahrhundert datiert) oder Håbo Härad, Håtuna Kyrka in Schwe-
465
den (1676), die von einer nackten weiblichen Figur bekrönt werden. In Anbetracht
ihrer Blöße werden diese Figuren dem Motiv „Wilde Leute“ zugeordnet, obschon Hals-
schmuck und modische Kopfbedeckung im Widerspruch dazu stehen. Die Schmuck-
kette kontrastiert zum nackten Körper der Figur, in Groß Heere trägt die Statuette
überdies einen Schlapphut mit Straußenfedern.
Das Thema „Nacktheit“ spielt dann bei Darstellungen der römischen Gottheiten „Jupi-
ter auf Adler“ und Fortuna als Bekrönungen barocker Schaftkronleuchter wieder eine
Rolle und bietet andere Interpretationsansätze als die figurbetonte Bekleidung und
467
spezielle Kostümierung anderer Kronleuchterfiguren.
Es bleibt festzuhalten, dass seit der Renaissance und der Reformation unter dem Ein-
fluss des Humanismus die Morphologie der Kronleuchter nicht mehr als Rahmen für
das Gestalten der kultischen Verehrung dient.
465 Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. II. Regierungsbezirk Hildesheim. 3. Kreis
Marienburg, 1910, S. 60 (Groß Heere). – Die Kunstdenkmäler der Provinz Mark Brandenburg. Kreis
Niederbar-nim, 1939, S. 387, Abb. 604 (Schönerlinde). – Die Kunstdenkmäler der Provinz Mark
Brandenburg. Kreis Teltow, 1941, S. 126 (Königs Wusterhausen). – Vgl. u.a. Die Bau- und
Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Lippstadt, 1912, S. 105. – Sveriges Kyrkor, Bd. 1, Habo
Härad, 1962, S. 266.
466 H. Mielke, Albrecht Altdorfer – Zeichnungen, Deckfarbenmalerei, Druckgraphik. Eine
Ausstellung zum 450. Todestag von Albrecht Altdorfer, Ausst.-Kat. Kupferstichkabinett Berlin SMPK
und der Museen der Stadt Regensburg (1988), Abb. 193.
467 Um 1939 fehlt das Attribut in der linken Hand der Kronleuchterfigur „Wilde Frau“ in Schönerlin-
de/Berlin. – Siehe Die Kunstdenkmäler der Provinz Mark Brandenburg. Kreis Niederbarnim, 1939, S.
387, Abb. 604. – H. Gagel, Venus, in: Der Mensch um 1500. Werke aus Kirchen und Kunstkam-
mern, Ausst.-Kat. Skulpturengalerie Berlin, SMPK 1977, S. 127-134.
Bekrönungsfiguren Seite 147
oder -gruppen als auch die Voraussetzungen für Gemeinschaft und Gemeinde reprä-
sentieren kann. Zweifelsohne wird somit die für die Renaissance typische Entfaltung
einer freien, unabhängigen Persönlichkeit dokumentiert, die das theozentrische Welt-
bild des Mittelalters verlassen hat und die Subjektivität des Menschen in den Mittel-
punkt stellt. Dieses erlaubt, individuelle Erfahrungen mit Gott zu sammeln, die wie-
derum nicht Selbstzweck sind, sondern im Interesse des Gemeinwohls der jeweiligen
Selbstreflexion dienen. Wo beginnt und wo endet die Freiheit des Einzelnen?
468
In „Protestantismus und Kunst im 16. Jahrhundert“ beschreibt Buchholz den Zu-
sammenschluss von Menschen zu einer Gemeinschaft in jener Zeit als etwas, das
äußerlich rechtlich nicht greifbar sei, aber in den Herzen der Menschen. Demgegen-
über greifbar scheinen die Bekrönungen der Schaftkronleuchter des 16. und begin-
nenden 17. Jahrhunderts bis ins 18. Jahrhundert hinein gerade als Einzelfigur und
ikonographisch nicht nur einen Denkanstoß zum Aspekt „Gemeinschaftssinn“ geben,
sondern vor allem ein wesentliches Moment der reformatorischen und nachreforma-
torischen Kunst als pädagogisches Mittel ansprechen zu können: Es sind dies religi-
ons-politisch die Konfessionalisierung, theologisch die Gnade Gottes, rechtshistorisch
469
das Stiftungswesen und kunsthistorisch die Popularisierung von Kunsthandwerk.
Eingriffe in die Morphologie der Schaftkronleuchter aus Messing, Veränderungen oder
die Herauslösung von Details aus ihrem eigentlichen Kontext bewirken eine entschei-
dende Minderung ihrer Bedeutung. Denn diese liegt in der Beziehung zum humanisti-
470
schen Gedankengut.
Sowohl während der Renaissance als auch im Barock erscheint der Bestand an unge-
krönten oder gekrönten heraldischen Doppel-Adlern und anderen Wappentieren als
Bekrönungen von Schaftkronleuchtern aus Messing gegenüber anderen Statuetten
(Abb. 120 ff.) relativ gleich bleibend. Sowohl die künstlerische Gestaltung als auch
die Ikonographie dieses Motivs wird als Reichsadler im Einzelnen an anderer Stelle
noch zu untersuchen sein. Unter diesen mehreren hundert Darstellungen sind bisher
vier bekannt, die ein Wappen auf dem Corpus tragen. Bei älteren Interpretationsan-
sätzen bleibt die Tatsache unberücksichtigt, dass das Motiv sowohl in einer gekrön-
ten als auch in einer ungekrönten Version zeitgleich und zugleich innerhalb eines
Raumes vorkommen kann. Es wird dort ebenfalls nicht in Betracht gezogen, dass
über diesen wesentlichen Unterschied im Detail hinaus die formale Gestalt insgesamt
(insbesondere Schnabel sowie Corpus und Schwanzfedern) und die stilistische End-
bearbeitung dieses Vogels, das heißt des Federkleides, voneinander abweichen kön-
nen. Damit ist zwar nicht der Wiedererkennungseffekt des Motivs, aber dieses im
Sinne eines Markenzeichens verfremdet und erscheint aus heutiger Sicht als solches
hinfällig – gerade gegenüber der vielfachen Verwendung und stereotypen Gestaltung
dieses Motivs wie zum Beispiel für die Erzeugnisse der Beckenschläger.
Zweifelhaft mutet die religiös gedeutete und nicht weiter belegte Symbolik des he-
471
raldischen Doppel-Adlers auf Kronleuchtern als zwiefältiger Geist Gottes an.
Gleichwohl der Adler an sich mit der Lichtsymbolik und über diese mit der christli-
472
chen Ikonographie in Verbindung gebracht werden kann. Die Frage nach der Be-
deutung des heraldischen Doppel-Adlers stellt sich um so mehr, als dessen Mehrdeu-
tigkeit im Zusammenhang mit Schaftkronleuchtern bisher nicht explizit nachgewie-
sen und Stilmerkmale nicht beschreiben werden (Abb. 127, 129).
Deutliche Unterschiede zeigen die Flügel. Hier variieren die Form und Breite des
Armteils sowie jene der Handschwingen. Die Flügelpaare, die mittels Führungsschie-
ne seitlich am Corpus des Doppel-Adlers eingehängt oder genietet sein können, sind
überwiegend aus Messingblech ausgestanzt und stilisiert. So fällt an einigen bekrö-
nenden Doppel-Adlern auf Metallkronleuchtern in Mecklenburg-Vorpommern (Plau
am See, Evangelische Stadtkirche, Kronleuchter, 1728) und in Brandenburg
(Falkenha-gen, Evangelische Kirche, Kronleuchter 1734) die für das 18. Jahrhundert
charakte-ristische, aber für das Motiv seltene, Gestaltung in Durchbrucharbeit auf.
Diese ist ein Gestaltungsmittel, das an Messingkronleuchtern nur noch an der
abschließenden Kugel des Schaftes begegnet – wie zum Beispiel wie zum Beispiel an
einem Kron-leuchter (1704) auf Rømø/Jütland und in Skandinavien häufiger
verbreitet ist als in Deutschland.
471 K. Grunsky-Peper, Sakrale Kunst in Nordfriesland, Hg. Stiftung Nordfriesland, Schloss vor
Husum, 1982, S. 127. – Vgl. J. E. Korn, Adler und Doppel-Adler. Dissertation Göttingen 1969.
472 R. Wittkower, Allegorie und der Wandel der Symbole in Antike und Renaissance, 1983, S. 45
f., 51 f., 56 ff. – LCI, Bd. 1, Sonderausgabe 1994, Sp. 70 ff.
473 Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, IV. Bd.: Die
Amtsgerichtsbezirke Schwaan, Bützow, Güstrow, Krakow, Goldberg, Parchim, Lübz und Plau, 2. Aufl.
1901, S. 594 (Abb.), 596. – Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des
Königreichs Sachsen, 33. H. Bautzen (Stadt), 1909, S. 43 f. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Bran-
Bekrönungsfiguren Seite 149
Auch der Corpus und das Federkleid des heraldischen Doppel-Adlers bilden regional
und überregional über die technische Ausführung hinaus weitere Unterscheidungskri-
terien, so dass weitere Forschungen möglicherweise Aufschluss geben, wo die cha-
rakteristisch eingezogene Körperform und das extrem stilisierte Federkleid des Dop-
pel-Adlers auf dem frühneuzeitlichen Kronleuchter (um 1600) im Dom zu Lübeck
weitere Verbreitung fanden. Oder ob die einzelne Feder auf dem Corpus nur die Dop-
pel-Adler der Kronleuchter in Preetz (Evangelische Stadtkirche, Kronleuchter 1649,
474
gestiftet von Dorothea Wensin), in Mölln (1689) oder in Lütjenburg (1674) ziert.
Und welche weiteren Doppel-Adler auf Schaftkronleuchtern stilistisch vergleichbare
Federn zur Gestaltung des Deckelpokals „Eule“ (2. Drittel 16. Jahrhundert) des Amb-
475
rosius Worms aufweisen.
Andere, potenzielle Wappentiere mit nicht immer passgenauen Schilden kommen in
dieser Gestalt vor: Bär (Kronleuchter des 17. Jahrhunderts der Evangelischen Kir-
chen in Lungby/Dänemark 1664 und Dessau/Sachsen-Anhalt oder Schmiedeberg/
Sachsen, Evangelische Dreifaltigkeitskirche, Kronleuchter, datiert 1590) oder Greif
(Dortmund-Hörde, Ende 15. Jahrhundert; Barth/Mecklenburg-Vorpommern, 1590;
und ursprünglich wohl Schmiedeberg/Sachsen, Evangelische Dreifaltigkeitskirche,
1590) oder Löwe (unter anderem in Lüneburg, Rathaus, Fürstensaal; Rössing, Evan-
476
gelische Kirche; Waase, Evangelische Kirche).
Demgegenüber stellt der ursprünglich in den Hirschsaal von Schloss Gottorf gehö-
rende Kronleuchter mit der auffallend großen Bekrönung eines springenden Hirschen
477
ein Stück der Innenraumdekoration und somit ein Teil des Bildprogramms dar.
denburg, Bd. III, T. 1: Prenzlau, 1921, S. 51. – F. J. Falk (1989), Nr. 4 ff. – Vgl. S. Erixon, Mässing,
1943, S. 89 (Abb. 63, Kronleuchter von 1677). – Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-
Holstein, Stadt Flensburg, 1955, S. 228. – Die Kunstdenkmäler des Landes Niedersachsen. Regie-
rungsbezirk Stade. Landkreis Stade, Bildband, 1961, Abb. 404 f. – G. Dehio, Handbuch der deut-
schen Kunstdenkmäler. Mecklenburg. Die Bezirke Neubrandenburg, Rostock, Schwerin, 2. Aufl.
1980, S. 311. – Ostsee-Zeitung und Stralsunder-Zeitung (Richtenberg/Vorpommern) vom 29. De-
zember 2004, S. 17 und vom 29. April 2005, S. 17. – W. Fiedler, Die Rinderpest in Schwedisch-
Pommern – ein Anlass zur Stiftung barocken Kircheninventars in Richtenberg bei Stralsund und in
Trent auf Rügen, in: Tierärztliche Umschau, 60. Jg., Nr. 3, Hg. E. Heizmann, Konstanz 2005, S. 150-
156. – Die Fotodokumentation (Ende der 1990er Jahre) der Verfasserin in Vorbereitung auf die vor-
liegende Kronleuchterstudie veranlasste die Evangelische Kirchengemeinde Richtenberg zur Restau-
rierung des Kronleuchters (1747) und zu weiteren Forschungen s. Die Pommersche Zeitung, F. 20,
21. Mai 2005.
474
Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 53, 361, 584, 594.
475 Landesausstellung Niedersachsen 1985. Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in
Nord-deutschland 1150-1650, Ausst.-Kat. Braunschweigisches Landesmuseum, 1985, Bd. 1, S. 277
f., Nr. 217.
476 Danmarks Kirker. Københavns Amt. 1. Bd. 1944. S. 426. - Die Kunstdenkmale des Landes
Anhalt. Die Stadt Dessau. o.J. S. 28. - Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und
Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 2. H.: Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde. 1883. S. 77.
- Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Hörde. 1895. S. 20. - Die Bau- und
Kunstdenkmale in der DDR. Mecklenburgische Küstenregion. 1990. S. 449. - Die Bau- und
Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion. 1995. S. 624. - Die
Kunstdenkmäler der Provinz Han-nover. III. Regierungsbezirk Lüneburg. 2. und 3.: Stadt Lüneburg.
1906. S. 255. - Die Kunstdenk-male der Provinz Hannover. 1. Regierungsbezirk Hannover. 3.: Kreis
Springe. 1941. S. 177.
477 Die Tierskulptur ist aus beschnitztem Holz und ursprünglich mit Blattkupfer überzogen. – E.
Schlee, Der Bildhauer Hans Ochs, in: Nordelbingen 46, 1977, S. 36-48. – U. Kuhl, Bildhauer und
Bildschnit-zer im Dienst der Gottorfer Herzöge, in: Gottorf im Glanz des Barock. Kunst und Kultur am
Schleswi-
Bekrönungsfiguren Seite 150
Des Weiteren kommen vollplastische Vögel auf Schaftkronleuchtern aus Messing vor.
Jene, die nicht den sich atzenden Pelikan oder den Adler des Jupiter darstellen, wer-
478
den mitunter als Schwan oder Taube beschrieben (Abb. 91, 116-119, 120-124).
Diese Gefiederten halten allesamt kein Wappenschild. Es besteht hinsichtlich der Au-
thentizität dieser Bekrönungen noch Forschungsbedarf. Denn es lässt sich gegen-
wärtig nicht sagen, ob der vollplastische Vogel als Kronleuchterbekrönung einen Ad-
ler, das heißt üblicherweise Licht und Macht oder eine Taube, das heißt den Heiligen
Geist symbolisieren soll. Unbekannt ist es, ob der massiv gegossene Vogel mit aus-
gebreiteten Flügeln als Adler ursprünglich eine Darstellung des Jupiter trug oder
hielt. Der Habitus des Tiers spricht für die erste Version, doch kommt auch die ande-
re Variante vor. Weist der Reitsitz des Jupiter auf dem Kronleuchter (1671) in Ne-
bel/Schleswig-Holstein auf das Fehlen des Adlers hin wie eben jene Haltung des Jupi-
ters auf dem Kronleuchter (1724) in Gelting an eine Umkehrung der Ende der 1990er
Jahre bestehenden Konstellation nahe legt, ist die Authentizität der Doppelbesetzun-
gen bei den folgenden Kronleuchterbekrönungen nicht nachgewiesen. Es sind dies die
Kronleuchter der Evangelischen St. Ägidienkirche in Hannover: „Engel auf Adler“
(1688) und „Adler über Bischof“ (1753) von Meister Hinrich Meier. sowie in Nie-
büll/Schleswig-Holstein die Statuetten „Gekrönter heraldischer Doppel-Adler über
479
(Sitz-)Löwen“ (1750).
Konnte im Rahmen dieser Studie anhand der oben vorgestellten bewaffneten, profa-
nen Topfiguren auf Schaftkronleuchtern der Renaissance festgestellt werden, dass
diese aufgrund der Positionierung ihrer Waffen eine verhaltene Kampfbereitschaft,
das heißt einen – im Bedarfsfall – zielorientierten Willen der Konfrontation und Aus-
einandersetzung vermutlich in Fragen der Konfessionalisierung erkennen lassen –
nicht jedoch im Sinne eines tödlichen Angriffes – so stellen die in jener Zeit er- und
umkämpften Errungenschaften: die Glaubens-, Bekenntnis- und Religionsfreiheit auf
der Basis der Zweireichelehre des Martin Luther in gewisser Weise die Voraussetzun-
gen des Figurenkanons und der Inschriften barocker Kugelkronleuchter dar. Die Be-
krönungen der Schaftkronleuchter beider Epochen kennzeichnen indes kaum eine
Darstellung narrativer Momente oder die Wiedergabe verschiedener Charaktere. Viel-
mehr sind es Motive, die als Fokus typischer Merkmale, das heißt für die Existenz
ger Hof 1544-1713, Bd. 1: Die Herzöge und ihre Sammlungen, Ausst.-Kat. zum 50-jährigen Beste-
hen des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums auf Schloss Gottorf und zum 400. Geburtstag
Herzog Friedrich III., 1997, S. 192-209.
478 Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 289 (Gelting, Kronleuchter, 1724), 931
(Niebüll, Kronleuchter, 1750), 919, 921 (Abb. 2507; Nebel, Kronleuchter, 1671). – Die
Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. 1. Regierungsbezirk Hannover. Stadt Hannover, 1932, S. 122
f. (H. 19. des Ge-samtwerkes). – Allgemein zur Darstellung des Jupiter; s. H. Hunger, Lexikon der
griechischen und römischen Mythologie, 1984, S. 203 f. und vgl. S. 48 ff., 140 f. – E. Simon, Die
Götter der Römer, 1990, S. 27 ff., 107 ff.
479 Siehe u.a. Danmarks Kirker. Arhus Amt, 3. Bd. 1976, S. 1178, 1180 (Detailaufn.), 1307, Nr. 2.
– K. Jarmuth, Lichter, Leuchten im Abendland (1967), S. 179, Abs. 167 (Kronleuchter des
Hamburger Schiffbaueramtes, 17. Jh., Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg. – R. Slawski, St.
Andreas - Neustadt - Braunschweig, 1996, S. 41. Heute trägt der gleiche Kronleuchtertyp (inschr..
1584) einen tauben- oder wachtelartigen Vogel und über der Löwenkopf-Maske eine Kugel.
Bekrönungsfiguren Seite 151
und Formen eines Gemeinwesens (und seine Verbindung zur bzw. als Kirche) wichti-
gen Gestalt, geeignet erscheinen.
Hierzu gehört die Gruppe der Engel (Abb. 130-142). Sie sind in Erz- und Friedensen-
480
gel zu unterteilen.
Im Gegensatz zu den Friedensengeln wirken die Erzengel in ihrer Tunika – gegebe-
nenfalls Peplos – und mit ihren hohen Kronen (im Stile nordeuropäischer oder nord-
deutscher Adelskronen) stattlich. Wie die oben vorgestellten profanen Bewaffneten
können sie in ihrer Rechten ein Schwert führen. Und in der Verbindung mit einer
Waage in der Linken sind dies die Attribute des Erzengels Michael in der ihm zuge-
schriebenen Funktion des Seelenwägers. Dort – wie auch als Darstellung des Dra-
chenkämpfers mit der Lanze – tritt er mit einer Art Loros oder gekreuzten Brustrie-
men auf.
Die potenziellen Attribute, das heißt Schwert und Waage, des Erzengel Michael kenn-
zeichnen auch Justitia, die auf Schaftkronleuchtern in Norddeutschland ohne die cha-
rakteristische Augenbinde und stattdessen als geflügelte, betont feminine Gestalt in
482
Kontrapost die himmlische bzw. göttliche Gerechtigkeit personifiziert.
Fragen zur künstlerischen Freiheit sowie zur Ikonographie der Figuren und mögli-
cherweise später durchgeführten Veränderungen stellem sich unter anderem ange-
sichts der annähernd adäquater Bekrönungen der Schaftkronleuchter in Borstel/Nie-
dersachsen (1656) und Hemme/Schleswig-Holstein (1668) aufgrund des einerseits
vorhandenen, andererseits fehlenden Rangzeichens. Und gegenüber diesem mäd-
chenhaften Figurentyp wären des Weiteren die im Sinne des Barock üppiger propor-
480 H. W. Hegemann, Der Engel in der deutschen Kunst, Brünn, München, Wien 1943. – A.
Rosenberg, Engel und Dämonen, 1967. – LCI, Bd. 1, Sonderausgabe 1994, Sp. 626 ff., 674 ff.
481 A. Straten, Das Judith-Thema in Deutschland im 16. Jahrhundert. Studien zur Ikonographie,
1983. – LCI, Bd. 2, Sonderausgabe 1994, Sp. 454 ff. – Vgl. Altes Testament, Buch Judit, in: Neue
Jerusale-mer Bibel, 1985, S. 593 ff. und 609 ff.
482 E. v. Moeller, Die Augenbinde der Justitia, in: Ztschr. f. christl. Kunst, 8. Jg. 1905, Nr. 4, Sp.
107-
122 und Nr. 5, Sp. 141-152. – Ders., Die Wage der, in: Ztschr. f. christl. Kunst, 20. Jg. 1907. Nr. 9,
Sp. 269-280; Nr. 10, Sp. 292-304 und Nr. 11, Sp. 345-350. – LCI, Bd. 2, Sonderausgabe 1994, Sp.
466 ff. - Im Allgemeinen s. Recht und Gerechtigkeit im Spiegel der europäischen Kunst, 1988.
Bekrönungsfiguren Seite 152
483 Zu den genannten Orten: Fotografie des Kronleuchters in Brevörde von der Firma Paul
Oehlmann, Bielefeld. – Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Regierungsbezirk Stade.
Landkreis Stade. Textband 1965, S. 115. – Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 465. –
Die Kunstdenkma-le des Landes Niedersachsen, Bd. 42. Die Kreise Rotenburg, Verden und Zeven.
Neudruck des ge-samten Werkes 1889-1976, S. 227. – Kunst-Topographie Schleswig-Holstein,
1979, S. 600. – Weite-re Schaftkronleuchter u.a. in Bielefeld/Nordrhein-Westfalen, Evangelische St.
Nikolai-Kirche, 1637; Hamburg-Harburg, 1645; Rotenburg, 1646 und Norden 1650 und
Haseldorf/Schleswig-Holstein, Bar-dowick/Niedersachsen, 1664; Oberndorf und Hessisch-
Oldendorf/Niedersachsen, 17. Jh.; Höx-ter/Nordrhein-Westfalen, 1699; Zellerfeld, 1705 in
Niedersachsen; Itzehoe/Schleswig-Holstein, 1716.
484 Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Hamburg. Bergedorf. Vierlande.
Marschlan-de, 1953, S. 112. – Vgl. Lauenburg, Evangelische St. Maria-Magdalenen-Kirche,
Kronleuchter von 1644; s. Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 350. – Zum Kronleuchter
„Engel“ in der Evangelischen St. Maria-Magdalenen-Kirche variieren die Datierungen zwischen 1700,
1732 und 1750; s. Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 540 und vgl. G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg. Schleswig-Holstein, 2. stark erw. und veränd.
Aufl. 1994,
S. 152.
485 Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Regierungsbezirk Stade. Stadt Stade,
Textband, 1960, S. 67, Nr. 60 und S. 112, Nr. 74.
486 Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Bielefeld-Stadt. 1906. S. 13, 18 und Taf.
13. –
A. G. Kamm, Bielefeld erforscht neuzeitliche Schaftkronleuchter aus Metall in Nordrhein-Westfalen. –
Die Kunstdenkmale Hannovers. III. Regierungsbezirk Lüneburg. 2 und 3: Stadt Lüneburg, 1906, S.
116 (Kronleuchter 1662/67). – Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 260, 594. Die Be-
schreibung der Kronleuchterfigur (1684) in der Evangelischen St. Michaeliskirche trifft auf den Be-
stand dieses Inventarstückes zu. Doch die Haltung und Gestik der Statuette widersprechen einer Be-
waffnung wie der gegenwärtigen. – Vgl. u.a. Friedensengel in Preetz, wie vorstehend S. 594, ferner:
Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, IV. Bd.: Die
Amtsgerichtsbezirke Schwaan, Bützow, Sternberg, Güstrow, Krakow, Goldberg, Parchim, Lübz und
Plau, 2. Aufl. 1901, S. 247, 249.
Bekrönungsfiguren Seite 153
Der Friedensengel als ikonographische Lichtgestalt kann zusammen mit der Inschrift
eines Kronleuchters (s. Jork/Stade, Evangelische Kirche St. Matthias, Kronleuchter,
inschriftlich datiert 1667) deutlich auf die Gnade Gottes Bezug nehmen, die über die
Erwartung eines tugendhaften Lebens gestellt und zur Grundlage allen Seins und
Handelns deklariert ist. So erläutert die Inschrift gemäß 2. Petrus, Kapitel 1 im Neu-
en Testament der Bibel:
„Gottes Freigebigkeit: Alles, was für unser Leben und Frömmigkeit gut ist, hat seine
göttliche Macht uns geschenkt; … Darum setzt allen Eifer daran, mit eurem Glauben
die Tugend zu verbinden …“ Und weiter heißt es: „Das prophetische Wort: Dadurch
ist das Wort des Propheten für uns noch sicherer geworden, und ihr tut gut daran, es
487
zu beachten, denn es ist ein Licht, das an einem finsteren Ort scheint“.
Auf einem anderen Kronleuchter bekennt dessen Stifter: „Christi Blut und Gerechtig-
keit dat is mein smught (Schmuck) und Ehrenkleit. Darmit will ich vor Govt (Gott)
488
Besten (bestehen) wen ich will in den Hemmel (Himmel) gehn“.
Hinsichtlich weiterer Bekrönungen auf Schaftkronleuchtern aus Messing des 17. und
18. Jahrhunderts (Glückstadt, Evangelische Stadtkirche, 1652-1655; Minden, Evan-
gelische St. Martini-Kirche, 1652; Schleswig, Dom, 1661) ist auf das oben Gesagte
zu verweisen, dass diese kaum mehr aus einem zeitlichen (nicht räumlichen!) Ne-
beneinander der Motive „Muttergottes“, „Gnadenstuhl“ und „Salvator mundi“ wie in
der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts bestehen, das zum Teil die frühneuzeitlichen
Schaftkronleuchter prägt.
Außer der nun stärker verbreiteten Statuette des Heilandes – realitätsnah und ohne
Strahlenkranz (Abb. 113, 114) – kommen des Weiteren die – auf anderen kunst-
handwerklichen Medien lange gebräuchliche – symbolische Figur des Pelikans als Be-
krönung von Schaftkronleuchtern vor (Kiel, Evangelische St. Nikolaikirche, Kron-
leuchter 1638; Stralsund, Evangelische St. Marienkirche, Kronleuchter von Jochim
Ebe(r)ling ausgeführt, 1649; Reepsholt, Evangelische Kirche St. Mauritius, Kron-
leuchter 1665; Leck, Evangelische Kirche St. Willehard, Kronleuchter 1678: Keitum
(1683); Norden (1689); Buttforde, Evangelische Kirche St. Marien, Kronleuchter
1693; Kopenhagen, Heiliggeistkirche sowie Karlum, Evangelische Kirche, Kronleuch-
487 750 Jahre Jork-Borstel 1221-1971, Bd. 1. Hg. C. Röper, 1971, S. 70, 164. – Laut
Bestandsaufnahme 1986 durch H. v. Poser, Referat für kirchliche Kunst, Landeskirchenamt der
Evangelischen Landeskir-che Hannovers. – Zur Inschrift; s. Neue Jerusalemer Bibel.
Einheitsübersetzung, 1985, S. 1768 f.
488 Inschrift des Kronleuchters (gekrönter heraldischer Doppel-Adler/Kugel, 1666 mit Wappen von
Sa-lomo Wissels und Christian Buske in der Evangelischen St. Johannes-Kirche Lüneburg. – Die Wid-
mung des zwei Jahre jüngeren Kugelkronleuchters „Engel“ in Hemme/Schleswig-Holstein beginnt mit
einem Zitat aus Philipper 3, 8; s. Neue Jerusalemer Bibel, Einheitsübersetzung, 1985, S. 1707.
Bekrönungsfiguren Seite 154
ter 17. Jahrhundert; Morsum/Sylt, Evangelische Kirche St. Martin, Kronleuchter 1713
489
Hamburg-Ottensen/1738) (Abb. 116-119).
Der sich atzende Pelikan, der mit seinem Blut seine Jungtiere nährt, symbolisiert in
dieser Zuwendung die Liebe Gottes zu den Menschen. Diese zeigt sich in der Erlö-
sung durch den Opfertod und die Auferstehung Christi.
Sowohl zur Topfigur „Salvator mundi“ (Mitte des 17. Jahrhunderts in Aachen sowie in
Schleswig) als auch zu jener des Pelikans (Kiel, Evangelische St. Nikolai, Kronleuch-
ter 1638) können die Apostel als modellierte Subfiguren hinzutreten.
489 Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Regierungsbezirk Stade. Landkreis Stade, Textband,
1965, S. 84, Nr. 9 (Balje, Kronleuchter mit Muttergottes, 1562, nicht mehr erhalten). – G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen, Neubearb., stark erw. Aufl. 1992, S.
678 f. (Helmstedt „Ev. Kirche St. Stephani, Taufkrone mit Trinitätsgruppe zum Taufbecken, Messingguss,
1590 von Mante Pelkinck, Hildesheim und Verbindungen nach Peine). – Siehe auch U. Mathies, 1998. – Die
Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Regierungsbezirk Stade. Stadt Stade, Textband 1960, S. 66,
Nr. 58 und ebd., Bildband 1961, Nr. 78, 81. – Die Baudenkmäler des Regierungsbezirks Stralsund. H. IV:
Der Kreis Rügen, 1897, S. 449 f. – Die Kunst- und Geschichts-denkmäler des Großherzogtums
Mecklenburg-Schwerin. II. Bd.: Die Amtsgerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und
Schwerin, 2. Aufl. 1899, S. 117, Nr. 17. – G. Dehio, Hand-buch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg.
Schleswig-Holstein. 2. stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 293, 369, 378, 425, 637, 783. – G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Bre-men. Niedersachsen. Neubearb., stark erw. Aufl. 1992, S.
1110. – R. A. Peltzer‚ Geschichte der Mes-singindustrie, 1909, S. 128 ff. und Taf. 8. – RDK, Bd. IV, 1958,
Sp. 4. – Berichte des Landesamtes für Denkmalpflege Schleswig-Holstein, in: Nordelbingen 28/29, 1960,
S. 297 f., Abb. 8. – Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 32 und Abb. 81. – Vgl. Die Bau- und
Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Hamburg, Bd. II: Altona. Elbvororte, 1959, S. 71 und Abb. 43. –
Die Bau-denkmäler des Regierungsbezirks Stralsund, H. V: Stadtkreis Stralsund, 1902. S. 450 f. – G.
Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg. Neubrandenburg. Rostock. Schwerin,
1980, S. 392. – Die Bau- und Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion,
1995, S. 144. – In keinen dieser amtlichen Länderinventare und auch nicht bei N. Zaske, Die goti-schen
Kirchen Stralsunds und ihre Kunstwerke, 1964, S. 202, und aktuellen Kunstführer zur Evange-lischen St.
Marien-Kirche Stralsund wird die Inschrift auf der unteren Rosette des Pelikan-Kronleuchters (1649) ME
FECIT JOCHIM EBERLING erwähnt. – Danmarks Kirker. København, 1. Bd.: 1945-1958, S. 693 ff. – Siehe
zu Pelikan-Kronleuchtern ferner: S. Erixon, 1943. S. 85 (Kronleuchter, 1690) und s. Danmarks Kirker.
Frederiksborg Amt, 4. Bd., 1975, S. 2273 (Kronleuchter 1682). – Kunst-Topographie Schleswig-Holstein,
1979, S. 403 (Kronleuchter 1780), 909. – C. Waagepetersen, a.a.O. – Zur Tierssymbolik s. u.a. S. Beissel,
Zur Geschichte der Tiersymbolik in der Kunst des Abend-landes, in: Ztschr. f. christl. Kunst, 14. und 15.
Jg., 1901/03, Sp. 275-286, 51-62. – LCI, Bd. 3, Son-derausgabe 1994, Sp. 390 ff. – Ebd., Bd. 4, Sp. 315
ff. – Zu Gottesbildern; s. u.a. A. Krücke, Der Protestantismus und die bildliche Darstellung Gottes, in:
Ztschr. f. Kunstwiss. 13, 1959, S. 59-90.
Bekrönungsfiguren Seite 155
Diese Komposition aus bekrönender Christusfigur oder Pelikan als christliches Sym-
bol mit biblischen Gestalten erscheint in der Einzelbetrachtung plausibel, wirft aber in
der Gegenüberstellung der vergleichbaren Kronleuchter Fragen auf. Angesichts der
zuvor genannten Exemplare (insbesondere Schleswig, Dom, Kronleuchter 1661 von
Johann Adolf Kielmann von Kielmannsegg gestiftet) sowie des anderen Kronleuchters
(1661) in der Evangelischen St. Nikolai-Kirche in Kiel mit der als Heiliger Nikolaus
gedeuteten Topfigur handelt es sich auch hier um einen universellen Figurentyp.
Denn die so gedeutete Statuette trägt keine Bischofsmütze, so dass sie den Darstel-
lungen des Salvator mundi der besagten Kronleuchter vergleichbar erscheint. Über
490
die im Kunstdenkmälerinventar angedeuteten Parallelen hinaus weist in der Evan-
gelischen Stadtkirche Glückstadt ein weiterer Schaftkronleuchter (1655) mit der Be-
krönung des „Salvator mundi“ vergleichbare stilistische Merkmale auf und zeitigt
zugleich Qualitätsunterschiede.
In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf das Beispiel aus der Heiliggeistkirche
in Kopenhagen/Dänemark hingewiesen, dass mit der Bekrönung des sich atzenden
Pelikans gegenüber anderen Metallkronleuchtern thematisch vergleichbar und doch in
mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich erscheint (Abb. 116-119). Zum einen ist es die
Kombination des Pelikans mit den untergeordneten, musizierenden Satyrn, obschon
auch diese im christlichen Sinne eine moralisierende Anspielung erfüllen können.
Zum anderen ist es die säulenartig gestreckte Morphologie des zum Teil aus Edelme-
tall gefertigten Schaftkronleuchters und eingebauter Uhr mit Räderwerk. Dass dieses
bei Metallkronleuchtern des 17. Jahrhunderts kein Einzelfall, indes eine Besonderheit
gewesen sein dürfte, lassen die Reisebeschreibungen des Adam Olearius als Angehö-
riger der holsteinischen Gesandtschaft von Schloss Gottorf in Schleswig an der Auf-
491
listung der nach Moskau und Persien mitgeführten Gastgeschenke erkennen. Die
Messbarkeit und Vergänglichkeit der Zeit stehen dabei außer Frage – im Gegensatz
zur „propagatio fidei per scientias“.
Neben Pelikan und Salvator mundi befinden sich unter den potenziellen Motiven auf
Schaftkronleuchtern aus Messing des 17. und 18. Jahrhunderts in Norddeutschland
vier Darstellungen der Caritas als Inbegriff der Tugend. Drei dieser vier Leuchter, das
heißt jene in Werdum (1692 bezeichnet), Keitum/Sylt und Rendsburg-Neuwerk (17.
Jahrhundert) – mithin auf die Nordseeküste Niedersachsens und Schleswig-Holsteins
490 Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Stadt Schleswig, 2. Bd., 1966, S. 494 ff.,
ins-bes. S. 495 f.
491 A. Olearius, Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Gesandtschaft beim Schah,
1633-1639, Hg. D. Haberland, 1986, S. 251. – Siehe auch Kap. 1.3.1 der vorliegenden Studie „Lux
ad il-luminandas gentes“. – Schlanke, hohe Schaftkronleuchter mit drei Lichtkränzen aus Messing
des 17. Jahrhunderts, aber jeweils anderen Bekrönungen sind erhalten in: Bielefeld, Evangelische
Nikolaikir-che/Nordrhein-Westfalen; Rostock, Evangelische Kirche St. Marien/Mecklenburg-
Vorpommern.
Bekrönungsfiguren Seite 156
verteilt – sind nahezu identisch und unterscheiden sich von dem vierten Exemplar
(18. Jahrhundert) in Nordhorn/Niedersachsen (Abb. 149-151).
Die zuerst genannten Beispiele zeigen Caritas als jugendliche Frau mit lieblichem
Gesicht, wallenden Haarlängen und zwei bis drei Kindern auf den Armen und zur Sei-
te. Es sind darin Parallelen zu Darstellungen der Muttergottes und den spielenden
Knaben Jesus und Johannes (der Täufer) erkennbar.
Diese Personifikation der Liebe, der Liebe zu Gott und zum Nächsten ist der deutliche
Gegenpol zur Lasterhaftigkeit und lässt sich insofern im Sinne der einleitend erwähn-
ten Lichtsymbolik interpretieren. Wie die Kronleuchter „Salvator mundi“ und „Peli-
kan“ weisen auch die Caritas-Leuchter Subfiguren auf den Leuchterarmen auf. Dabei
vermitteln die Putti mit ihren Sinnsprüchen am Kronleuchter in Rendsburg (Christkir-
che) das vollständigste Bild(programm) unter diesen vier Exemplaren.
Prozentual zum Gesamtbestand an Kronleuchtern aus Messing des 17. und 18. Jahr-
hunderts in Norddeutschland ist die ikonographisch eindeutig zu identifizierende Sta-
tuette der Caritas selten vertreten. Und erst die Zusammenschau mit den beiden
zuvor beschriebenen Bekrönungen erlaubt eine andere Gewichtung und Aussage zum
492
ikonographischen Programm von Kronleuchtern.
Als weitere Einzelfiguren christlicher Ikonographie auf Kugelkronleuchtern des Barock
können die Apostel Paulus (Breklum/1694) und Johannes (Steinkirchen/Elbe, Kron-
492 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen, Neubearb., stark
erw. Aufl. 1992, S. 995, 1344. – Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 642, 909. Die
Quellen-studien zu Kronleuchtern in den Archiven der evangelischen Kirchengemeinden in Rendsburg
und Werdum führten zu keinen neuen Erkenntnissen. – Vgl. I. Kaiser, Die Tugend- und
Lasterdarstellun-gen im 16. Jahrhundert, Dissertation Salzburg, 1974 S. 2. – LCI, Bd. 1,
Sonderausgabe 1994, Sp. 349 ff.
Bekrönungsfiguren Seite 157
Die Gestalt des Jupiter, der auf einem Adler reitet, ist als Kronleuchterfigur weit und
häufig verbreitet (Abb. 120-124). Mit jeweils circa 20 Exemplaren in den norddeut-
schen Bundesländern: Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Hol-
stein sind dort – nach bisheriger Kenntnis – mehr als das Doppelte an Schaftkron-
leuchtern mit Jupiter auf Adler erhalten als in den übrigen Bundesländern insgesamt.
Demgegenüber ist der Bestand an heraldischen Doppel-Adlern als Kronleuchterbe-
krönung hier wie dort mit circa 200 Exemplaren etwa gleich groß. Geringfügige Un-
terschiede in der Darstellung des Jupiter sind anhand der Haartracht, der Armhaltung
sowie an der Draperie des Tuches festzustellen (unter anderem in Bad Oldesloe, E-
vangelische St. Peter-und-Paul-Kirche, Kronleuchter 1634 und vgl. Kronleuchter von
1644 der Evangelischen St. Maria-Magdalena-Kirche in Lauenburg gegenüber Fried-
richstadt, Evangelisch-lutherische Kirche, Kronleuchter 1698 und Hamburg-
495 Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Hamburg. Bergedorf, Vierlande,
Marschlan-de, 1953, S. 112. – Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 844, 668, 224, 350,
600, 642, 831, 823, 443, 502, 289. – Die Bau- und Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern.
Vorpommer-sche Küstenregion. Mit Stralsund, Greifswald, Rügen und Usedom, 1995, S. 44. – Die
Bau- und Kunstdenkmale in der DDR. Mecklenburgische Küstenregion. Mit den Städten Rostock und
Wismar, 1990, S. 392 (Die Jahreszahl 1686 ist Teil der Inschrift des Kronleuchters Jupiter auf Adler
im Chor der Evangelischen St. Marienkirche in Rostock).
496 Die Baudenkmäler des Regierungsbezirks Stralsund, H. IV: Kreis Rügen, 1897, S. 403. – N.
Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds und ihre Kunstwerke, 1964, S. 231. – F. Michaelsen, Die
Glück-städter Lichterkronen, in: Steinburger Jb., 1965, S. 91-99, insbes. S. 95. – G. Köhn, Zur
Geschichte der Glückstädter Handwerksämter, in: Glückstadt im Wandel der Zeiten, 1966 S. 118 –
Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 785 und Abb. 2123, 2125. – G. Dehio, Handbuch
der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg. Schleswig-Holstein. 2. stark erw. und veränd. Aufl. 1994,
S. 293 und s. Kap. 6 der vorliegenden Studie „Lux ad illuminandas gentes“.
497 Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Stadt Flensburg, 1955, S. 228. – Vgl. S.
Erixon, Mässing, 1943, S. 89, Abb. 64 (Kronleuchter 1688). – Der Mensch um 1500. Werke aus
Kirchen und Kunstkammern, Ausst.-Kat. Skulpturengalerie Berlin, SMPK 1977 (Zum 17. Deutschen
Evangelischen Kirchentag), S. 115-122, insbes. S. 118, Abb. 86.
Bekrönungsfiguren Seite 159
wird die Topfigur eines nicht mehr erhaltenen Kronleuchters (1686) der Evangeli-
498
schen St. Martini-Kirche in Halberstadt beschrieben.
Häufig als nackte Frauenfigur in Kontrapost mit sinnlicher Wirkung wiedergegeben,
stellt die römische Göttin Fortuna (griechisch: Tyche) das Schicksal dar, das heißt
das, was Menschen trifft. Aufgrund der Nacktheit weicht sie – wie die Motive „Wilde
Leute“ und „Jupiter auf Adler“ von anderen Kronleuchterbekrönungen ab – nicht je-
doch von verbreiteten Zierspangen, das heißt von entblößten Mädchenleibern der
499
Sirenen an Schaftkronleuchtern oder allgemeinen Themen der Renaissancezeit.
Die bekrönende Statuette des Kronleuchters in Flensburg steht in einem Tempietto.
Sie hält zwischen den seitlich des Körpers diametral ausgestreckten Armen ein (vom
Wind) aufgeblähtes Ra-Segel. Dieses weist wie das Steuerrad (der Tyche) und ange-
sichts des Kontrapost sowohl auf Unbeständigkeit als auch auf die Lenkerin des
Schicksals hin. Die Morphologie und Proportionen des Schaftkronleuchters „Fortuna“
vermitteln diesen Bezug zwischen Topfigur und Kugel. Es bestehen Parallelen zum
Plakettenmodell (1530/40) Joachim Forsters. Morphologische Details (muschelförmi-
500
ge Wachsschalen) sind jünger.
Der christlichen Glaubenslehre zufolge erscheint das Motiv „Fortuna“ im kirchlichen
Verwendungszusammenhang, das heißt angesichts der Lichtsymbolik von Leuchtern
501
ungewöhnlich und nur als Antithese zur göttlichen Gerechtigkeit verständlich.
502
Ethymologisch von ferre, das heißt: Tragen, Bringen, Schutz für Transporte und
geographisch betrachtet, das heißt: Flensburg – Hafen und Handel, Neustadt – E-
503
vangelische Kirche St. Johannis dokumentiert dieser Schaftkronleuchter eine be-
sondere Verbindung zum Bestimmungsort; hinsichtlich untergeordneter, plastischer
Details: Vögel (vgl. Kronleuchter, 1666 der Evangelischen Kirche in Rehna/Mecklen-
burg-Vorpommern) oder Masken (vgl. Kronleuchter, 17. Jahrhundert, Evangelische
Kirche in Oberndorf bei Cuxhaven) wäre dieser Kronleuchter einer unter vielen. Die
ziselierte Kugel als Auflager ist ein weiteres, kunsthandwerkliches Qualitätsmerkmal.
498 Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, XXIII.
H., Kreis Halberstadt Land und Stadt, 1902.
499 Vgl. vasa sacra des 17. Jahrhunderts – unter anderem die Henkel der Humpen (1631 datiert)
in Lütjenburg, Evangelische St. Michaeliskirche und (1688 datiert) in Petersdorf/Fehmarn,
Evangelische Kirche. – Siehe Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 5. Aufl. 1982, S. 533, 583. – H.
Hunger, 1958, S. 377 f.
500 Ebd., S. 415. – Deutsche Kleinplastik der Renaissance und des Barock. Bearb. von J.
Rasmussen. Mus.-Kat., Hamburg 1975, S. 86 f.; Abb. 8 (Bilderhefte des Museums für Kunst und
Gewerbe Ham-burg, 12).
501
LCI, Sonderausgabe 1994, Sp. 53 f.
502
E. Simon, Die Götter der Römer, 1990, S. 65.
503 J. v. Schröder, Topographie des Herzogtums Schleswig, 2. Aufl. 1854, S. 142 ff.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 160
504 Siehe u.a. Kultbecken mit Reliefdarstellungen von Kriegern und Löwenköpfen aus Ebla, 2. Jt. v.
Chr., Damaskus Museum. – Darstellungen des Löwen von Uruk (Palast Sargons II, 722-704 in Dur
Schar-rukin, jetzt im Louvre in Paris), zum Gilgamesch-Epos, 28.127. Jh. – Löwenkopf-Maske, E, 7.
Jh. v. Chr., Korfu Museum. – Sarkophag mit Gutem Hirten und Löwenköpfen, 4. Jh. (römisch), Paris,
Louv-re. – Pompeji, wiederentdeckter Ausst.-Kat., Hg. L. Franchi dell’Orto/A. Varone, 5. Aufl. 1993,
S. 173, Nr. 58.
505 S. Beissel, Zur Geschichte der Tiersymbolik in der Kunst des Abendlandes, in: Ztschr. f. christl.
Kunst, Jg. 24 und 25, 1901/03, Sp. 275-286, 51-62. – M. Lurker, Symbol, Mythos und Legende in
der Kunst. Die symbolische Aussage in Malerei, Plastik und Architektur, 1958. – LCI, Bd. 3, Sonder-
ausgabe 1994, Sp. 112 ff.
506 U. Mende, Die Türzieher des Mittelalters, 1981, S. 161 ff.
507 G. Kocher, Zeichen und Symbole des Rechts, 1992, S. 62, Abb. 87.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 161
Sind es ästhetische Kriterien oder jene der barocken Inszenierung von Feiern, die
dazu führen, dass kaum noch ein Ring als vielmehr ein Knauf in Gestalt eines Bie-
nenkorbes, Zapfens oder einer Traube an der großen abschließenden Kugel barocker
Kronleuchter vorkommen?
Gegen die bisher ausschließlich funktional begründete Zweckbestimmung des Ringes zur
manuellen Bedienung und Höhenregulierung der Kronleuchter sprechen die feh-lenden
Gebrauchsspuren daran sowie eine Hängung am eisernen Gestänge (Abb. 53, 55).
Gleichwohl sind nicht alle Unterhänge komplett erhalten oder sind nachträglich ergänzt.
Zudem erscheint die Löwenkopf-Maske mit Ring im Fang auch an vielen an-deren
Kunstgegenständen und Stellen, wo der Ring kaum aus praktischem Nutzen zu
begründen ist – wie zum Beispiel an Dalmatiken (wo dieses Detail offensichtlich kei-nen
Verschluss darstellt; 2. Hälfte 15. Jahrhundert, Brandenburg), an Predigtstühlen (1591,
Ribe/Dänemark, St. Katharinen -Kirche), ferner am Sockel von Gestühlskäs-ten
(Køge/Dänemark, St. Nikolai-Kirche), an Postamenten von Portalumrahmungen
(Wolfenbüttel, Evangelische Hauptkirche Beatae Mariae Virginis, Nordportal, datiert 1613;
Hann.-Münden, Rathaus, datiert 1603-1605/09; Lübeck, Zeughaus, datiert 1594; Fulda,
ehemalige Abtsburg, Ainbau 1607/12 sowie an Herrensitzen des 16./17. Jahrhunderts
wie zum Beispiel in Ampfurth/Sachsen-Anhalt oder Waldenburg-Glau-chau/Thüringen),
des Weiteren an Brunnenbecken, an Konsolen und Gesimsen von Altären (Süderstapel
1609; Dassow, 1632; Boel 1649) sowie an (Prunk-)Epitaphien (Schwerin, Dom, 1552;
509
Arnstadt, Liebfrauenkirche, 1590) (Abb. 105-110).
508 Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd. II, T. 3: Stadt und Dom Brandenburg,
Berlin 1912, S. 71.
509 Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR. Bezirk Potsdam, 1979, S. 74 f. – Danmarks Kirker.
Ribe Amt, 2. Bd., 1974, S. 75 ff. und Abb. 63. – Danmarks Kirker. København Amt, Bd. 1, 1945-58,
S. 214 ff. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen‚ stark er-
weiterte Aufl. 1992, S. 1387 f., 643. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der Hansestadt Lübeck, Bd. 1,
2. T.: Rathaus und öffentliche Gebäude der Stadt, 1974, S. 311 f. – G. Dehio, Handbuch der deut-
schen Kunstdenkmäler. Hessen, 2. bearb. Aufl., 1982, S. 303. – G. Dehio, Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt. 1. Bezirk Magdeburg, 1990 (Nachdruck der Ausg. 1974), S. 9. –
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 13. H.:
Amtshauptmannschaft Glauchau, 1890, S. 34 ff. und T. 1. – Die Tatsache, dass Löwenkopf-Masken
überwiegend an Portalen der Renaissance vorkommen und dort nicht nur im Zusammenhang mit öf-
Kronleuchter-Unterhänge Seite 162
Insbesondere an den Predigtstühlen und Gestühlskästen des 16. und 17. Jahrhun-
derts erscheint die Deutung des Löwen als domestizierte Bestie offensichtlich. Dies
lässt sich an Kanzeln in der Landschaft Angeln exemplifizieren, wo die Reihung von
510
Fratzen in Metamorphose bis hin zum Löwenkopf mit Ring im Fang gegeben ist.
511
Sie gelten als Werk des Heinrich Ringeringk/Ringeling (= 1629) aus Flensburg. Der
Name dieses Bildschnitzers ist dort auch in Zusammenhang mit einem Leuchter ak-
tenkundlich und weist in dieser Hinsicht Parallelen zu Kooperationen verschiedener
512
Gewerke in Hamburg auf (Hamburg, St. Katharinen-Kirche).
Wo aber im Einzelnen die Urheberschaft und die Vorbilder dieses Tiermotivs für
Kronleuchter tatsächlich begründet sind, ist bisher noch unbekannt.
fentlichen Gebäuden oder herrschaftlichen Anwesen, sondern auch an Bürgerhäusern spräche für ein
reines Gestaltungsmittel, vgl. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg.
Schleswig-Holstein, 2. stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 21 (Hamburg, Evangelisches St. Katha-
rinen-Portal, 1642). – Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein, Bd. 1, 1887, S.
574. – U. Mende hebt im Zusammenhang mit Löwenkopf-Türziehern des Mittelalters 1981 die viel-
schichtige Bedeutung des Löwen als Motiv hervor. – Eine Auswahl anderer Beispiele: G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg. Schleswig-Holstein. 2. stark erw. und veränd.
Aufl. 1994, S. 867 (Tönning, Marktbrunnen, 1613), 855. – G. Dehio, Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler. Mecklenburg. Neubrandenburg. Rostock. Schwerin, 1980, S. 359, 55. – G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Thüringen, 1998, S. 51. – Zum Ring an Unterhängen von
Kronleuchtern; s. u.a. Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd. II, T. 3: Stadt und Dom
Brandenburg, 1912, S. 71. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. II. Regierungsbezirk Hildes-
heim. 3. Der Kreis Marienburg, 1910, S. 192. – Das folgende Beispiel wird kaum in unmittelbaren
Bezug zur Gestaltung von Schaftkronleuchtern aus Messing in Norddeutschland zu betrachten sein,
doch scheint der programmatische Anspruch an Aussagen zur Herrschaftsauffassung – wie A. Kohler
es in der Biographie zu Karl V. formuliert – bedingt auch auf das Bildprogramm frühneuzeitlicher
Schaftkronleuchter mit heraldischem Doppel-Adler und Löwenkopf-Maske zuzutreffen. Das zwei-
felsohne repräsentative Beispiel für Löwendarstellungen mit Ring im Fang und für Adlermotive ist der
Palast (1533 begonnen) Kaiser Karls V. auf der Alhambra in Granada. – R. Wohlfeil weist auf 53 der-
artiger Tier-Ring-Kompositionen seit 1542 hin, s. E. Rosenthal, The Palace of Charles V., 1985. – R.
Wohlfeil, Kriegsheld oder Friedensfürst (…)‚ in: FS für Horst Rabe, 1996, S. 57-96, insbes. S. 74. –
A. Kohler, Karl V., 1500-1558. Eine Biographie, 1999, S. 109 f. – Im Zusammenhang mit
Schaftkronleuchtern wäre die Bezeichnung des Ringes als Zugvorrichtung sowohl anhand der Auf-
hängung im Kirchenraum als auch oberhalb der Gewölbekappen bzw. auf dem Kirchendachboden zu
exemplifizieren.
510 Zum Ringeringk-Umkreis werden die Kanzeln der Evangelischen Kirchen zugeordnet in:
Översee (A. 17. Jh.), Fahrenstedt (Böklund; 1604), Grundhof (1606), Satrup (1607), Munkbrarup
(1600/10), Groß Solt (1614), Boel (1649), Toik (17. Jh.), Quern (1762). – Weitere Predigtstühle mit
Lö-wenköpfen in Schleswig-Holstein, die wie die zuvor genannten Exemplare oftmals Stiftungen der
Kirchgeschworenen oder Kirchspielvögte sind, kommen vor in: Mildstedt (1568 von Johann von Gro-
ningen), Gettorf (1598 von H. Gudewerdt d. Ä.), Bodelum (1633), Jörl (1634), Erfde (1635 von J.
Heidtmann d. Ä.), Kahleby (1637); s. dazu G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler.
Hamburg. Schleswig-Holstein, 2. stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 172 f., 228, 283, 307, 309,
363, 626, 638, 671, 706, 760 f., 864 f.
511 C. Meier, Heinrich Ringerink und sein Kreis, Dissertation Kiel 1983, S. 165, Nr. 18.
512 Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Hamburg, Bd. III: Hauptkirche St.
Petri. St. Katharinen. St. Jacobi, 1968, S. 132. – Hans von Damme 1589 eine neue Krone (Heilige
Katharina für Evangelische St. Katharinen-Kirche in Hamburg) und Jost Rogge, Bildschnitzer. Für die
Ev. St. Ja-kobi-Kirche in Hamburg erscheinen im Rechnungsbuch 1549-51 zeitgleich die Namen der
Gießer Poppe und Gardingk sowie die der Bildschnitzer Markus, Hans Sner und Claus Hannemann für
ver-schiedene Arbeiten.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 163
renziert, wo der König den Prediger ernennt oder die Kirchgeschworenen und Vögte
513
ihn präsentieren und die Gemeinde wählt.
Mehrdeutig dürfte auch die Ikonographie der Löwenkopf-Masken als Unterhang früh-
neuzeitlicher Schaftkronleuchter sein. Sind sie sowohl konstruktiv als auch ideell das
Auflager der Kronleuchter-Komposition oder bilden sie als solches sowohl technisch
als auch proportional einen Gegenpol zur Bekrönung des Kronleuchters?
Insofern ist die Löwenkopf-Maske nicht nur der Renaissance zuzuordnen, sondern im
Rückgriff auf die Antike natürlich dort und doch auch weit bis in die Barockzeit als
Maskaron an Schaftkronleuchtern zu finden.
Das Motiv an sich bleibt erhalten. Der Wechsel von plastischem Formguss mit seinen
unterschiedlichen Ansprüchen an die Modellierung und Ziselierung bis hin zum relief-
artigen Maskaron – wie auch die Umplatzierung des Motivs vom Unterhang an den
Hals der Aufhängeöse bei neuzeitlichen Schaftkronleuchtern – weisen auf Umstruktu-
rierungen infolge von Neubewertungen hin (Abb. 41 f., 53 ff.). Der axiale Bezug zum
Leuchterstamm bleibt allerdings bestehen. Wurde in Kapitel 2 der vorliegenden Stu-
die die Gestaltung der hier thematisierten Beleuchtungsgeräte in ihrer Verbindung
zur Architektur wahrgenommen, so ist diese sowohl auf die Rezeption bestimmter
Details als auch auf die Berücksichtigung entsprechender Gesetzmäßigkeiten in der
Gestaltung zurückzuführen – wie aus der Korrelation von Architektur und Möbeln
514
bekannt.
Unter diesen Gesichtspunkten erweist sich die auf den ersten Blick beliebige und be-
liebte Verwendung von Löwenkopf-Masken nicht allein als praktisch, vielmehr auch
ikonographisch begründet.
Unstrittig sind die Löwenkopf-Masken mit Ring im Fang bevorzugt dort zu finden, wo
konstruktive Kraft und Stärke anzuzeigen sind – wie zum Beispiel an Kohlebecken
oder an Schubkästen repräsentativer Verwahrmöbel. Inwieweit die Lokalisierung der
ausdrucksstarken Löwenkopf-Masken bedeutender Bauwerke und die folgende Sys-
tematisierung aufrechtzuerhalten sind, bedarf der weiteren Untersuchung:
513 J. v. Schröder, Topographie des Herzogtums Schleswig, 2. neu bearb. Aufl. 1854 (Neudruck
1984), S. 446, 540 (exemplarisch für die zuvor genannten Orte, wo der König den Prediger ernennt).
514 J. Morley, Möbel Europas. Von der Antike bis zur Moderne. 2001. S. 123ff.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 164
In den westlichen Gebieten kennzeichnen eine konische Kopfform über einer gerade
abschließenden Grundfläche, eine subtile Modellierung sowie eine entsprechende sti-
lisierte Ziselierung die besagten Löwenkopf-Masken. Der Schwerpunkt der Gestal-
tung ist auf die obere Gesichtshälfte konzentriert, wo leicht diagonal ausgerichtete
Details – wie zum Beispiel die Augenform – zur konischen Grundform der Maske kor-
respondieren. Der Form und Größe nach entsprechen die Masken damit den zierli-
chen Winkelarmkronleuchtern mit dem balusterartigen Schaft. In den östlichen Lan-
desteilen fallen die tendenziell kastige Kopfform, die ausgeprägte Plastizität der Lef-
zen und Backentaschen sowie die auf einen Kranz oder stirnbandartig flachen Reifen
begrenzte Mähne auf. Der Schwerpunkt dieser horizontal ausgerichteten und orna-
mental aufgefassten Gestaltung konzentriert sich auf die Vorpommersche Küstenre-
gion. Um so mehr fallen dort die in malerischer Plastizität naturalistisch gehaltenen
Löwenkopf-Masken an den Kronleuchtern (1589/90) des Dominicus Slodt (aus Stral-
517
sund) in Barth auf.
Im Binnenland zwischen Nord- und Ostsee entstehen komposite Formen, wo aus der
Verbindung dieser west- und östlichen Gestaltungsmerkmale der Löwenkopf-Masken
eine doppelkonische Maske wird. In der teils länglichen Form erinnert diese an den
Braunschweiger Burglöwen (um 1166), doch ist der Fang der Löwenkopf-Masken dort
tendenziell nicht stumpf abschließend, sondern leicht plastisch wie auch jener der
518
mittelalterlichen Aquamanile lüneburgischer Provenienz.
Die Endbearbeitung der vollplastischen oder doppelseitigen Löwenkopf-Masken der
Renaissance-Kronleuchter wirkt im Duktus individuell und ist doch von Gussqualitä-
ten und vorgegebenen Grundformen beeinflusst. Neben der konischen, länglichen
oder breiten Kopfform, die subtil modelliert oder sehr plastisch sein kann, bilden die
modellierten und/oder ziselierten physiognomischen Details weitere stilistische Un-
terscheidungskriterien: Die Stellung der Augen und der Grad ihrer stilisierten bis na-
turalistischen Gestaltung je nach Art der Lidfalten, der Wimpern sowie der mehr oder
517
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg. Neubrandenburg. Rostock.
Schwerin. 1980, S. 19.
518 Allgemein s. O. v. Falke/E. Meyer, Romanische Leuchter und Gefäße. Gießgefäße der Gotik
(1983), S. 38 ff. – U. Mende, Produkte aus Metall, in: Landesausstellung Niedersachsen 1985, Stadt
im Wan-del. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150-1650, Bd. 2, Ausst.-Kat.,
Braun-schweigisches Landesmuseum, 1985, S. 852-861. – J. Barfod, Kirchliche Kunst in Schleswig-
Holstein. Kat. d. Slg. des Städtischen Museums Flensburg, 1986, S. 119 f., Nr. 190.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 166
Dazu einige Beispiele, die die Vielfalt der Masken und die Tendenzen ihrer Verbrei-
tung verdeutlichen, um auf dieser Grundlage zeit- und regionalspezifische bzw. stilis-
tische Charakteristika einzugrenzen.
519 Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Dortmund Stadt, 1894, S. 39 und Taf. 30.
–
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Brandenburg, 2000, S. 1134. – Vgl. die jünge-
ren Kronleuchter in Lübeck, Evangelische St. Jakobikirche oder zum Beispiel in Plau am See; s. Die
Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III: Kirchen zu Alt-Lübeck. Dom.
Jakobikirche. Ägidienkirche, 1920, S. 430 f. mit Abb. – Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des
Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, IV. Bd.: Schwaan, Bützow, Sternberg, Güstrow, Krakow,
Goldberg, Parchim, Lübz und Plau, 2. Aufl. 1901, S. 595 (Abb.), 596. – S. Bock/T. Helms, Mecklen-
burg-Vorpommern: Kirchen in Städten, o.J., S. 50 f. (Abb.).
520 H.-G. Griep, Ein Goslarer Kronleuchter in Münnerstadt, in: Harz-Ztschr., Jg. 13, 1961, S. 103-
117, Taf. XXII-XXV. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen,
Neu-bearb., stark erw. Aufl. 1992, S. 547. – Vgl. diesen Kapellenkronleuchter und den unteren
Abschluss der Korbkronleuchter – wie zum Beispiel in der Pfarrkirche zu Braunsberg; s. Die Bau- und
Kunst-denkmäler der Provinz Ostpreußen. H. IV: Das Ermland, 1894, S. 54, Abb. 48. – Zum
Größenunter-schied der Löwenköpfe an spätgotischen und frühneuzeitlichen Schaftkronleuchtern vgl.
mit dem an-gegebenen Exemplar in London einen Leuchter der Coll. Dressmann, Amsterdam, sowie
ferner die bei K. Jarmuth abgebildeten Objekte unter Nr. 91 f.; s. K. Jarmuth, Lichter, Leuchten im
Abendland (1967), S. 101 (Abb. 87), 102 (Abb. 88), 107 (Abb. 91), 108 (Abb. 92). Der zuletzt
genannte Schaftkronleuchter mit einer bekrönenden Muttergottes-Statuette im Strahlenkranz in
Aachen, St. Jakob-Kirche, weist wie der Kapellenkronleuchter in Goslar einen vollplastischen
Löwenkopf auf. – Siehe auch Danmarks Kirker. Frederiksborg Amt, 4. Bd., 1975, S. 2210 f. (Abb.). –
Zu Unterschei-dungskriterien von Löwenköpfen im Metallguss; s. U. Mende, Die Türzieher des
Mittelalters, 1981,
S. 104 f.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 167
Während die Löwenkopf-Maske in Minden stilistisch jener in Goslar ähnelt, bilden die
teils horizontalen und teils vertikalen Gravuren am Unterhang des Kronleuchters in
Rühle eine Mischung östlicher und westlicher Gestaltungselemente. Doch hier sind
die Lefzen nicht plastisch abgerundet. Eine dichte Strichelung betont den vorgeform-
521
ten Mähnenkragen. In Spenge wird dieser durch Blattmotive angedeutet.
Eine weitere einseitige Löwenkopf-Maske kommt in der Frauenkirche in Oden-
se/Dänemark vor. Dieses Exempar ist breiter als die zuvor genannten Beispiele. Die
ornamentalen Gravuren konzentrieren sich auf die fast segelartig ausschwingenden
Augenbrauen und die fontänenartig gestaltete Stirnwulst. Am Kronleuchter sprechen
zwar die kurze Spindel, die winkeligen Leuchterarme und die Figurenkombination von
bekrönendem ungekröntem heraldischen Doppel-Adler und der Löwenkopf-Maske als
Unterhang für einen Kronleuchter der Renaissance. Ungewöhnlich im Verhältnis zu
jenen datierten Kronleuchtern erscheint der wie ein Kandelaber reich ornamentierte
und in Kegel und in Baluster unterteilte, stark gegliederte Schaft des Hängeleuchters
in Odense, der zwischen der untersten Nutenscheibe und der Löwenkopf-Maske nicht
522
gestuft, sondern kelchförmig endet.
Deutliche Unterschiede bestehen in Deutschland überregional zwischen den Tierkopf-
Unterhängen der Schaftkronleuchter verschiedener Jahrzehnte: „Salvator mundi“
523
(1557) in der Evangelischen St. Marien-Kirche in Stralsund (Abb. 88 a-h) , „Mut-
tergottes“ (Abb. 89) und „Büttel“ von 1572 (Abb. 66, 67 f.) in der Evangeli-schen St.
524
Severi-Kirche in Otterndorf, ferner ein Messingkronleuchter mit einer männlichen
525
Topfigur (Abb. 85 f.) in der Evangelischen Stadtkirche in Gadebusch/ Schwerin,
als ein weiteres Beispiel ist ein Kronleuchter in der Evangeli-schen St. Martini-Kirche
in Braunschweig zu nennen. Dieser wird innerhalb des nie-dersächsischen Inventars
der Bau- und Kunstdenkmäler nicht beschrieben, jedoch in
521 Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig. 4. Bd.: Kreis Holzminden, 1907,
S. 99. – Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Herford, 1908, S. 83 und Taf. 72. –
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen, Neubearb., stark erw.
Aufl. 1992, S. 589 f.
522 Danmarks Kirker. Odense Amt, 1938-84.
523 Die Bau- und Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion. Mit
Stral-sund, Greifswald, Rügen und Usedom, 1995, S. 144.
524 Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Regierungsbezirk Stade. Land Hadeln und
Stadt Cux-haven, Textband, 1965, S. 283.
525 Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin. II. Bd.: Die
Amts-gerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und Schwerin, 2. Aufl. 1899, S.
479. –
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg. Neubrandenburg. Rostock.
Schwerin, 1980, S. 92.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 168
526
das Jahr 1584 datiert. Dieser Kronleuchter ist inschriftlich dem „Borgemester Kale
alher“ gewidmet. Eine Grabplatte in der Evangelischen St. Martini-Kirche in Braun-
schweig erlaubt den Rückschluss, dass es sich hierbei um den Bürgermeister Jobst
527
Kale handeln dürfte, der im Jahre 1584 verstarb (Abb. 91); denn etliche Kron-
leuchter aus Metall sind Memorial-Stiftungen.
526 Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Braunschweig, 2. erw. und mit 158 Abb. versehene
Aufl., 1926, S. 23, 30. (Neben Kunze Behme werden ferner Arend Greten und Hans Meißner im
Zusam-menhang mit Leuchtern erwähnt. Gegenüber diesem älteren amtlichen Kunstdenkmäler-
Inventar ist in G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen. 2. stark
erw. Aufl. 1992, S. 277 nur für die Evangelische St. Martinikirche in Braunschweig ein Kronleuchter
mit der Da-tierung 1584 verzeichnet. Offensichtlich handelt es sich hier um jenen Kronleuchter der
im älteren amtlichen Länderinventar der Bau- und Kunstdenkmäler (1926, S. 23) „um 1600“
bezeichnet ist. Ei-ner historischen Fotografie des Innenraumes von St. Andreas in Braunschweig
zufolge bildet der dort wiedergegebene Kronleuchter, der in das Jahr 1584 datiert und Kunze Behme
zugeschrieben wird (s. Inv. 1926, S. 30), annähernd ein Pendant zu jenem Exemplar in der
Evangelischen St. Mar-tinikirche, das dann wohl gleichfalls aus der Werkstatt Behmes stammen
dürfte; s. R. Slawski, St. Andreas - Neustadt - Braunschweig, 1996, S. 41. – Unter Berufung auf die
27 Jahre zurückliegende Restaurierung des besagten Leuchters in St. Martini (mit Erneuerung der
Aufhängung, Ergänzung der Leuchterarme und Elektrifizierung) und die Aufzeichnungen
„Mittelalterliche Kirchen in Braun-schweig“ seines Amtsvorgängers Dorn beschreibt Herr Koch,
Dezernat für Bauwesen der Landeskir-che Braunschweig dieses Beleuchtungsgerät als Flämischen
Kronleuchter mit Doppel-Adler als Zei-chen der Reichsfreiheit.
527 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen. Neubearb., stark
erw. Aufl. 1992, S. 277.
528 Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg. Neubrandenburg. Rostock. Schwerin,
1980,
S. 459.
529 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg. Schleswig-Holstein, 2. stark
erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 450, 476, 604. Vgl. zu S. 604: Die Bau- und Kunstdenkmäler der
Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. IV, 1928, S. 554.
530 Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Regierungsbezirk Stade. Landkreis Stade,
1965,
S. 198 f.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 169
Wohl um 1594 entstand einer der insgesamt vier Kronleuchter in der Kirche des Ade-
531
ligen Klosters Preetz/Schleswig-Holstein. Diesen sechsarmigen Kronleuchter mit
der doppelten Löwenkopf-Maske ziert ein gekrönter heraldischer Doppel-Adler, der
als Motiv auch den zwei Jahre jüngeren, zehnarmigen Leuchter der Evangeli-schen
St. Johannis-Kirche in Hamburg-Neuengamme bekrönt.
Der Unterhang des Kronleuchters „Salvator mundi“ (1557) in der Evangeli-schen St.
532
Marien-Kirche Stralsund wirkt nahezu quadratisch. Dabei ist – insbeson-dere in
den östlichen Gebieten des alten Reiches – die stirnbandartig begrenzte Mäh-ne
typisch. Am besagten Leuchter in Stralsund wird diese aus einem Kranz stilisierter
Locken aufgebaut. Die Enden der gleichmäßig breiten, gravierten Haarstränge liegen
über Kreuz und bilden paarweise gegenläufige Schlaufen. Nach bisheriger Kenntnis
kommt diese Form an den bedeutend jüngeren Löwenkopf-Masken der Kronleuchter
533
in Flensburg, Evangelische St. Nikolaikirche , Hohenaspe, Evangelische Kirche und
534
in Sterup, Evangelische St. Laurentius-Kirche wieder vor , obschon letztere ihrer
länglichen Grundform nach und mit kaum ausgeprägten Lefzen der westlichen Tradi-
535
tion entsprechen. Am zuvor genannten Leuchter in Stralsund steht die enorme
Plastizität der Schnauze im Zeichen des breiten Grundformats der Maske. Ferner un-
terstreicht die horizontale Stellung der mandelförmigen Augen, die mittels gestrichel-
ter Wimpernbogen akzentuiert sind und mittig weite Pupillen aufweisen, diesen Ein-
druck. Vergleichbare Löwenkopf-Masken, die in der oberen Gesichtshälfte den teils
starren Blick und maskenhafte Züge aufweisen, aber aufgrund der Ausformung des
Fanges naturalistisch wirken, kommen an Kronleuchtern in der Heilig-Geist-Kirche
sowie im Museum in Wismar vor. Demgegenüber stellen die Löwenkopf-Masken der
Kronleuchter (1589/90) im nahe der Hansestadt Stralsund gelegenen Barth (Evange-
lische St. Marien-Kirche) den absoluten Höhepunkt der malerischen Modellierung
536
dar. Hier ist die naturalistische Plastizität soweit vorangetrieben, dass der Fang
nicht mehr aus der Untersicht, sondern frontal sichtbar ist. Die Augenform erscheint
als Mischung östlich und westlich geprägter Stilmittel. Während das Oberlid sowohl
horizontal ausgerichtet als auch durch Wimpern und auffällig lange, geschwungene
Augenbrauen bzw. Tasthaare begrenzt ist, entsprechen der diagonale Verlauf des
unteren Lidrandes und die dezentrale Position der Pupillen der westlichen Tradition,
Löwenkopf-Masken zu gestalten. Es entspricht diese Form zum Beispiel auch der na-
531
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg. Neubrandenburg. Rostock.
Schwerin, 1980, S. 19. – Ders., Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg. Schleswig-
Holstein. 2. stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 699, 90.
532 Die Bau- und Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion. Mit
Stral-sund, Greifswald, Rügen und Usedom, 1995, S. 144.
533
Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein, Stadt Flensburg, 1955, S. 188.
534
Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 797.
535
Ebd., S. 317.
536 N. Buske, Kirchen in Barth, 1997, S. 34, 37 (Abb.)
Kronleuchter-Unterhänge Seite 170
537
turnahen Darstellung eines Löwen (1521) von Albrecht Dürer (1471-1528). Beid-
seitig des Gesichts deuten symmetrische Wellenlinien die Mähne an. Das in Haar-
stränge und -locken geteilte Haupthaar weicht von der seitlich ornamentalen Rhyth-
misierung ab. Eine vergleichbare Löwenkopf-Maske (1591) kommt als Konsole (Abb.
108) am Kanzelkorb in der Evangelischen St. Katharinen-Kirche in Ribe/Dänemark
538
vor.
Jüngere Kronleuchter respektive Löwenkopf-Masken dieser Region – wie ein Beispiel
539
im Westeingang der Evangelischen St. Marien-Kirche in Bergen/Rügen – scheinen
dagegen formal am älteren Kronleuchter-Bestand in Mecklenburg-Vorpommern, das
heißt am Kronleuchter „Salvator mundi“ (1557) in Stralsund, orientiert. Letzterer ist
allerdings bedeutend aufwändiger gestaltet. In Bergen deutet nur ein Reif aus schab-
lonenartigen S-Formen die Mähne des Löwenkopfes an. Auch Feinheiten in Gestalt
von Wimpern oder die differenzierte Bearbeitung des Ringes im Fang fehlen dort
(Abb. 62, 63).
In Richtung Nordwesten kommt unter den Schaftkronleuchtern aus Messing des aus-
gehenden 16. Jahrhunderts die breitformatige Löwenkopf-Maske (Abb. 153) wohl nur
540
in Bremen und in der Evangelischen St. Wilhadi-Kirche in Stade vor. Dort, in Sta-
de, fällt eine subtile Modellierung der Maske auf, die für westlich geprägte Unterhän-
ge an Schaftkronleuchtern typisch sind – weniger dagegen die grobe Skizzierung der
Physiognomie. Denn etliche sind teils reich, teils phantasievoll ziseliert. Die kompak-
te Morphologie des Kronleuchters „Herrscherfigur“ in Stade (Ende 16. Jahrhundert)
dagegen entspricht dem nicht mehr erhaltenen Schaftkronleuchter mit einer Mutter-
541
gottes in der Mandorla (1562) im nahe gelegenen Balje. Dieser wiederum besaß
die S-förmigen Leuchterarme, die mit ihren aufgebogenen inneren Enden verstärkt in
Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg verbreitet sind und in dieser Gestaltung
an einem Kronleuchter „Muttergottes“ in Plau am See vorkommen (Abb. 90). Stilisti-
sche Parallelen ergeben sich für den Kronleuchter „Herrscherfigur“ in Stade zu den
ältesten Kronleuchtern (inschriftlich datiert 1572) der Evangelischen St. Severi-
542
Kirche im nahen Otterndorf. Über den Typus des Winkelarmkronleuchters hinaus
bestehen diese insbesondere im Habitus der Statuetten und in der Modellierung der
Gewänder. In Otterndorf entspricht die auffallend konische, aber fein modellierte Lö-
wenkopf-Maske der Kronleuchter „Muttergottes“ (Abb. 89) und „Büttel“ der Komposi-
tion dieser Beleuchtungsgeräte insgesamt.
537
C. Dodgson, Albrecht Dürer. Engravings and Etchings, 1967, S. 41, Nr. 31.
538
Danmarks Kirker. Ribe Amt, 2. Bd., 1984, S. 752 f.
539 Die Bau- und Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion. Mit
Stral-sund, Greifswald, Rügen und Usedom, 1995, S. 470.
540 R. Stein, Romanische, Gotische und Renaissance-Baukunst in Bremen, 1962, Abb. 36. – Die
Kunst-denkmale des Landes Niedersachsen. Regierungsbezirk Stade. Stadt Stade, Textband, 1960,
S. 66, Nr. 58 und s. ebd., Bildband, 1965, Abb. 78, 82.
541 Ebd. (Textband), S. 84, (Bildband) Nr. 49.
542 S. Bock/T. Helms, Mecklenburg-Vorpommern. Kirchen in Städten. o.J., S. 50 f. – Die
Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Regierungsbezirk Stade. Land Hadeln und Stadt
Cuxhaven, Textband, 1956, S. 283.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 171
Der Unterhang des Leuchters mit der Bekrönung eines Gerichtsdieners sieht folgen-
dermaßen aus: Die schmale Schnauze geht in den annähernd parabelförmigen Stirn-
wulst über, die als polierte Fläche mit den Details Augen und Mähne kontrastiert.
Dadurch sind die schrägen Katzenaugen noch markanter, die durch das axial-sym-
metrische Lineament der schwach segmentbogenförmig modellierten Mähne zusätz-
lich betont wird. Darin sind Anklänge an die Löwenkopf-Türzieher des Mittelalters
543
rheinischer Provenienz erkennbar.
Anders als bei den im Binnenland und nach Osten Norddeutschlands verbreiteten
Löwenkopf-Masken an Kronleuchtern aus Metall sind die Ohren nicht in die – teils
ornamentalen – Gravuren und Gestaltung der Mähne integriert, sondern sitzen trop-
fenförmig oberhalb der Kandare. Davon weicht die Löwenkopf-Maske des Kronleuch-
ters „Muttergottes“ in Otterndorf ab. Die schwach plastischen Lefzen und die
Schnauze des Tierkopfes weisen auf die doppelkonischen Masken an Kronleuchtern
im norddeutschen Binnenland hin. Wie die Unterhänge der Kronleuchter in der Evan-
gelischen St. Johannis-Kirche in Hamburg-Neuengamme (1596, „Gekrönter, heraldi-
scher Doppel-Adler“) (Abb. 75) und der Landsknechtkronleuchter in der Evangeli-
schen St. Laurentius-Kirche in Kosel/Eckernförde bieten vermehrte Gravuren das Bild
eines Horror vacui, was aufgrund eingetrockneter, weißlicher Putzmittelreste in den
544
Vertiefungen noch auffälliger ist. Auf die Löwenkopf-Maske in Otterndorf, Evan-
gelische Kirche St. Severi, sind lanzettliche Blätter graviert, in Hamburg-Neuengam-
me sind es dichte Wimpern und in Kosel überziehen dicht aneinander gereihte
Schrägstriche als Augenbrauen die Stirnwulst. Und in allen drei Fällen sind auf den
Lefzen durch gedoppelte Wellenlinien die Schnurrhaare angedeutet.
Eine derartige Betonung der Lefzen zeigen auch die Löwenkopf-Türzieher rheinischen
Einflusses. Am Kronleuchter „Muttergottes“ in Otterndorf ist der Fang der Löwenkopf-
Maske zusätzlich durch Punzierungen betont (Abb. 89). Diese Bearbeitung der Ober-
fläche kommt auch gegen Ende des 16. Jahrhunderts und Anfang des 17. Jahrhun-derts
an den breiteren und plastischen Löwenköpfen der Kronleuchter in Lübeck-Schlutup
(inschriftlich datiert 1587), Tondern/Dänemark (inschriftlich datiert 1594/95), Adeliges
Kloster Preetz (Kronleuchter, wohl um 1594), Hamburg-Kirch-werder (inschriftlich datiert
1602), Welt/Eiderstedt (17. Jahrhundert) sowie in Nordha-stedt/Heide in Schleswig-
545
Holstein und Aurich/Ostfriesland (18. Jahrhundert) vor (Abb. 93, 98, 101, 125). Ein
weiteres Merkmal ist die Gestaltung der Zahnfront. An der Maske in Hamburg-
Neuengamme sind diese durch eine Zickzacklinie bzw. mittels Dreiecke dargestellt (Abb.
75). Diese Unterscheidungskriterien, die schon die Löwen-Aquamanile niedersächsischer
Provenienz in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts kenn-zeichnen, gelten demnach auch
noch für die Löwenkopf-Masken an Kronleuchtern
des ausgehenden 16. Jahrhunderts und der Folgejahre. Auf welche Werkstätten der
Duktus der Gravuren schließen lässt, der an den Löwenkopf-Masken mit Ring im
Fang offensichtlicher voneinander abweicht als an den anderen Details der Kron-
leuchter, wäre eingehender zu untersuchen. Zweifelsohne beinhaltet die manuelle
Bearbeitung schon an ein und demselben Objekt gewisse Schwankungen. Der ästhe-
tische Anspruch an eine kongruente Ausführung gleicher Motive ist von der techni-
schen Handhabung der Werkzeuge zu trennen.
Als jüngeres Beispiel, das in der Nachfolge der anderen subtil modellierten Löwen-
kopf-Maske des Kronleuchters „Büttel“ (inschriftlich datiert 1572) in Otterndorf ste-
hen könnte, ist ein Kronleuchter in der Evangelischen Kirche in Munkbrarup/Angeln
zu nennen. Diese Stiftung von 1677 des Hans Friedrich August von Worgwitz, Hof-
meister, Geheimrat und Amtmann des Herzogs Christian (reg. 1663-1698) von
Glücksburg weist Merkmale der so genannten frühneuzeitlichen Winkelarmkrone
546
auf. Wie die in Kapitel 3 beschriebenen Leuchter zwischen Nieder- und Unterelbe
im nördlichen Niedersachsen – mit Ausnahme des Kronleuchters (1596) in Hamburg-
Neuengamme – zieren auch am Kronleuchter in Munkbrarup flache, getrenntblättrige
Blüten die inneren Leuchterarmenden.
Die Schaftkolonne des Leuchters folgt im Wesentlichen dem Aufbau der Kronleuchter in
nordöstlicher Richtung des alten Reiches und weist mit der gestauchten Kugel ober-halb
des Löwenkopfes auf die Formen des Barock hin. Die nahezu identischen Bekrö-nungen
des gekrönten, heraldischen Doppel-Adlers und die gleiche Aufhängevorrich-tung
verbinden andererseits diesen Kronleuchter mit dem zuvor erwähnten in Ham-burg-
Neuengamme (1596); ein zwei Jahre älterer Kronleuchter im Adeligen Kloster
Preetz/Schleswig-Holstein trägt eine derartige Topfigur weicht aber in Details der
Leuchterarme und der Löwenkopf-Maske von den anderen Beispielen ab.
547
sind (Abb. 55, 88, 91). Sowohl morphologische als auch dekorative Details – wie
die Gliederung der Spindel und die Form der Leuchterarme mit ihrer großen Innenvo-
lute, die in Tierköpfen münden – lassen Parallelen der Kronleuchter (1584) in Braun-
schweig, Evangelische St. Martini und Hannover, Kreuzkirche, östlicher Kronleuchter
mit Löwenkopf-Maske andererseits eine gewisse Vorbildfunktion für den mittleren
548
Kronleuchter in der Evangelischen St. Petri-Kirche in Buxtehude erkennen.
Obschon die schwach doppelkonische Löwenkopf-Maske des zuvor erwähnten Re-
naissance-Kronleuchters im Adeligen Kloster Preetz eine Verbindung östlicher und
westlicher Stilelemente in der Messingverarbeitung erkennen lässt, weist die Morpho-
logie des Leuchters insgesamt Richtung Osten. Dafür sprechen sowohl die Schaftko-
lonne als auch die dort zur Spindel hin aufgebogenen Leuchterarme, die in männli-
chen Masken enden (Abb. 19). Sowohl die S-förmigen Zierbänder als auch die for-
male Gestaltung des gekrönten Doppel-Adlers erscheinen an einem messingnen
Kronleuchter in Danzig, der in das beginnende 17. Jahrhundert datiert wird. Und an
diesen beiden Kronleuchtern fallen zudem die Flügel des heraldischen Vogels auf;
denn sie scheinen in dieser Ausprägung eher selten, wo der Armteil mittels eines
schmalen Wellenbandes angedeutet ist und die Armschwingen aus angedeuteten ein-
zelnen, langen Federn bestehen, die zur Handschwinge hin nur wenig verkürzt sind.
547 Ebd. S. 831. – Zu dieser Gestaltung des Ringes im Fang der Löwenkopf-Masken an
Schaftkronleuchtern des 16. Jh.; s. u.a. Barth/Vorpommern, Evangelische St. Marien-Kirche, Kronleuchter
(1589/90). – Vgl. mittelalterliche Aquamanile und Türzieher, dort sind die Menschenköpfe direkt im Fang
der Tiere dargestellt; s. u.a. U. Mende, Die Türzieher des Mittelalters, 1981, Abb. 114, 146 f., 150.
548 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen. Neubearb., stark
erw. Aufl. 1992, S. 277, 334.
549 Zu den Flügeln des Doppel-Adlers; s. u.a. Bau- und Kunstdenkmäler des deutschen Ostens.
Stadt Danzig, Reihe A, Bd. 3, Sankt Nikolai, St. Joseph, Königliche Kapelle Heiliger Leichnam, St.
Salvator. 1959, S. 259 f. mit Abb. 191. – Zu den Leuchterarmen; s. u.a. Verzeichnis der
Kunstdenkmäler der Provinz Posen. III.: Landkreise des Regierungsbezirks Posen, 1896, S. 184
(Abb. 125), 185. – Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Regierungsbezirk Stade.
Landkreis Stade, Textband, 1965, S. 198 f.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 174
So, wie die Kronleuchter respektive Unterhänge verschiedener Jahrzehnte diese zu-
vor erwähnten Orte und teils Hansestädte überregionale Unterschiede erkennen las-
sen, treten spezifische Stilmerkmale auch an den kleineren Messingkronleuchtern
eines Jahrzehnts auf.
In Gadebusch besteht die besagte Maske aus der länglichen, konischen Form wie sie
im Westen des Niedersächsischen Reichskreises (Anfang 16. Jahrhundert) überwie-
gend gebräuchlich ist. Zudem weist sie die subtile, kaum dekorierte Modellierung auf,
die anhand des acht Jahre älteren Kronleuchters „Büttel“ in Otterndorf zuerst
vorgestellt wurde. Proportional zur geringen Höhe der Leuchter finden sich vergleich-
bar komprimierte Masken an den Messingkronleuchtern der Evangelischen Kirchen in
550
Flegessen/Bad Münder am Deister und in Minden. Am Kronleuchter in Gadebusch
sind an der Löwenkopf-Maske die Gravuren auf den wulstigen Haarkranz und – in
Bogen- und Blattform – auf die Augenbrauen beschränkt. Ähnlich vegetabile Orna-
mente am Stirnwulst der Löwenkopf-Masken kommen an den oben erwähnten Kron-
leuchtern der Evangelischen Kirchen in Braunschweig (1584, Evangeli-sche St.
Martini-Kirche), Meldorf (1600, Dom), Hamburg-Kirchwerder (1602, Evan-gelische
St. Severin-Kirche), Uelzen (1607, Evangelische St. Marien-Kirche), Bad Oldesloe
(1616, Evangelische St. Peter-und-Paul-Kirche), Drelsdorf (1685) sowie in
Tondern/Dänemark (1594, Kristkirche), Flensburg (Evangelische St. Johannis-Kirche
sowie Evangelische St. Nikolai-Kirche), in Schleswig (seit 1848 im Dom, vormals in
Schloss Reinbek) sowie in den Evangelischen Kirchen in Hohenaspe, Wilster und Rin-
teln (Abb. 91, 96, 97, 125, 155) vor. Inwieweit die dort erhaltenen Masken in weite-
ren Details kongruent sind oder divergieren, wäre im Zusammenhang mit der unter-
schiedlichen Gestaltung der gekrönten und ungekrönten heraldischen Doppel-Adler
als hauptsächliche Bekrönung dieser Kronleuchter näher zu untersuchen. Nicht alle
dieser Masken tragen zum Beispiel eine kranzartige Mähne wie in Tondern 1594, Ga-
debusch 1582 oder Hameln 16. Jahrhundert (Evangelische St. Bonifatius-Kirche)
(Abb. 156, 157). Formal und stilistisch vergleichbare Löwenkopf-Masken zu jener in
Gadebusch sind erhalten an einem Kronleuchter in der Evangelischen St. Michaelis-
Kirche in Lütjenburg/Ostholstein (inschriftlich 1645), der auch mit seiner Bekrönung
„Wilder Mann“ formal an die männliche Topfigur des besagten Schaftkronleuchters in
Gadebusch anknüpft (Abb. 84), ferner in der Evangelischen St. Jacobi-Kirche in
550 Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover. 1. Regierungsbezirk Hannover. 3. Kreis Springe,
1941 S. 63. – Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Minden, 1902, S. 92.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 175
551 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen, Neubearb., stark
erw. Aufl. 1992, S. 277. – Ders., Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg. Schleswig-
Holstein. 2. stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 625, 84, 154, 213, 254, 783, 337, 90 ff., 614. –
Ders., Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen, Neubearb., stark erw.
Aufl. 1992, S. 1280, 1135, 589 f. – Ders., Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg.
Neubrandenburg. Rostock. Schwerin, 1980, S. 92. – Die Bau- und Kunstdenkmale in Mecklenburg-
Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion mit Stralsund, Greifswald, Rügen und Usedom, 1995, S.
149, 624. – Danmarks Kirker. Sønderjylland. Tønder Amt, 1957, S. 58.
552 Danmarks Kirker. Maribo Amt. 1. T., 1968. S. 118.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 176
beck (2. Hälfte 16. Jahrhundert) und Schwerin (1641) sind in den Evangelischen Kir-
chen in Welt (Ende 16./Anfang 17. Jahrhundert), Norderbrarup (1721) und Hameln
553
(Evangelische St. Bonifatius-Kirche) zu finden (Abb. 156).
Demgegenüber besitzt die Löwenkopf-Maske des inschriftlich in das Jahr 1586 datier-
ten Kronleuchters (Abb. 92) zu Wittenburg/Schwerin und südöstlich von Gadebusch
neben der eindeutig geraden Grundfläche des Fanges und der mittels Wellenlinien
angedeuteten Schnurrhaare – wie der oben beschriebene Unterhang des Kronleuch-
ters „Muttergottes“ in Otterndorf (Abb. 89) – auch die flächige Gestaltung der Mäh-
ne. Diese ist an der Maske in Wittenburg nicht segmentbogenartig, gescheitelt dar-
gestellt. Vergleichbare Masken zieren sowohl die Messingkronleuchter in Richtung
Nord-Nordwest (Bad Bevensen, Ende 16./Anfang 17. Jahrhundert, Hamburg-
Kirchwerder, 1607 (Abb. 101), Nordstrand, Anfang 17. Jahrhundert, Schleswig (vor-
mals Reinbek), 17. Jahrhundert, Cleverens/Ostfriesland, 17. Jahrhundert, Bredstedt,
1670, Hürup, Anfang 18. Jahrhundert, Neugalmsbüll, 1706) als auch im Nordosten
554
Norddeutschlands (Volksdorf/Nossendorf, 17. Jahrhundert).
Im Gegensatz zu den Kronleuchtern in Gadebusch (1582) und Lübeck-Schlutup
(1587), deren Schaftkolonnen morphologisch jenen Exemplaren entsprechen, die
vornehmlich im Ostseeküstengebiet verbreitet sind, weist der Kronleuchter in Wit-
tenburg – wie auch jene in Bad Bevensen oder Cleverens – die Balusterform als
Schaftmittelstück auf, welches insbesondere die (Landsknecht-)Kronleuchter südlich
555
der Elbe im nördlichen Niedersachsen kennzeichnet (Abb. 68, 71, 72). Dagegen
553 Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 686 und Abb. 1867, S. 243 (Abb. 566), 244.
554 Zum Kronleuchter (Mitte/2. Hälfte 16. Jahrhundert) in der Evangelischen Kirche Bad Bevensen
heißt es 1982 in der Kurzbeschreibung der Firma Paul Oehlmann – Leuchten, Kunsthandwerk,
Bielefeld zum Erhaltungszustand des Leuchters: „Rotguss, 12-armiger Kerzenkronleuchter, oberer
Armkranz: 4 Leuchterarme und 4 Ziervoluten, unterer Lichtkranz: 8 Arme. Abschlussknopf:
Doppelkopf mit Ring. Bekrönung: männliche Figur mit Hellebarde; H 108 cm, Dm 105 cm.“ Auf dem
Schaft des Kronleuchters – soweit erkennbar – ein nach oben gerichteter Pfeil und „heraldisch
rechts“, seitlich der unteren Hälfte ein „G“ (Werkstattzeichen/Hausmarke?). 1 Ziervolute fehlt,
Ziermotiv an einem Arm unvollständig, stark verschmutzt und oxidiert, Kerzentüllen an den Armen
vernietet. Fehlende Ziermotive durch Nachguss ergänzt, Leuchter gereinigt, poliert und zaponiert.
Nietung der Kerzentül-len durch Gewinde ersetzt. Anhand des Replikats (Messing-Guss, 19./20. Jh.)
des vorhandenen Kronleuchters wird ein geringfügiger Größenunterschied festgestellt (H 100 cm,
Dm 104 cm) und es heißt „Säulenteile haben eine ca. 3-5 % geringere Größe als der
Originalleuchter, bedingt durch Schwund beim Guss und durch Nachbearbeitung.“ – Zur Metall-
Restaurierung; s. u.a. P. Heinrich (Hg.), Metall-Restaurierung. Beiträge zur Analyse, Konzeption und
Technologie. 1994, S. 194, 212 (zu Acrylharzlösungen (Paraloid B 72), mikrokristallinen Wachsen
und Acrylharzen). – Siehe Restau-rierungsberichte von Herrn Wolfgang Hofmann – Werkstatt für
Metallgestaltung und Restaurierung, Wolgast sowie von Frau Dipl.-Designerin Betina Roß – Betina
Roß GmbH Restaurierungen, Hamburg.
– Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 450 mit Abb. 1197 (Süden/Insel Nordstrand), 405
mit Abb. 1045 (Bredstedt/Husum), 299 (Hürup/ Kreis Flensburg), 922 (Neugalmsbüll/ Kreis Südtøn-
dern). – Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR. Bezirk Neubrandenburg, 1982. Dieser Kronleuch-
ter in Nossendorf/Ortsteil Volksdorf weist im unteren Lichtkranz an den inneren Leuchterarmenden
die lang gezogenen und in Rosetten mündenden Voluten auf wie sie aus Holle/Niedersachsen oder
zum Beispiel am Kronleuchter (1760) in Sterup/Schleswig-Holstein in Verbindung mit der Bekrönung
des antikisierenden Soldaten vorkommen. Die offenen Leuchterarme im oberen Lichtkranz mit den
kleinen Maskarons entsprechen der Gestaltung wie sie zwischen Wismar und der Insel Rügen an
Schaftkronleuchtern aus Metall zu finden ist. Die Zierelemente korrespondieren zu jenen am
Schaftkronleuchter in Menkin, südlich zwischen Pasewalk und Stettin, vgl. Die Bau- und Kunst-
denkmale in der DDR. Bezirk Neubrandenburg, 1982.
555 Fotodokumentation (2. Hälfte 20. Jh.) der Firma Paul Oehlmann, Bielefeld.
Kronleuchter-Unterhänge Seite 177
verbindet das Motiv des gekrönten heraldischen Doppel-Adlers die Kronleuchter von
Wittenburg und Lübeck-Schlutup miteinander.
Die Inschrift dieses dritten Beispiels eines in das ausgehende 16. Jahrhundert datier-
ten Kronleuchters zwischen den Bistümern Schwerin, Ratzeburg und Lübeck lautet:
556 Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. IV, 1928, S. 554. Der
Name Johann Spangenberg erscheint auch 1576 im Zusammenhang mit einer Stiftung in die St.
Jakobikir-che in Lübeck; s. Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Lübeck. Bd. III:
Kirche zu Alt-Lübeck. Dom. Jakobikirche. Ägidienkirche, 1920, S. 394, Lt. StA HL, Familienkartei 309
war Jo-hann Spangenbergk seit 1573 Ratmann und verstarb am 11. Januar 1597. 1585 wird er als
einer der verordneten Weddeherren beim Erwerb des Hauses Breitestraße 941 (durch Prozess)
genannt.
557 Danmarks Kirker. Sønderjylland. Tønder Amt, 1957, S. 58, Nr. 1. – L. Wehrhahn-Stauch. –
Christli-che Fischsymbolik von den Anfängen bis zum hohen Mittelalter, 1958, S. 1-51, LCI, Bd. 1,
Sonder-ausgabe 1994, Sp. 503 f. – U. Mende, Die Türzieher des Mittelalters, 1981, S. 282, Nr. 1693
und
Kronleuchter-Unterhänge Seite 178
Über die kunstgeographische Verbreitung hinaus beschäftigt die Frage nach der Iko-
nographie der Löwenkopf-Masken mit dem Delphin-Ring im Fang an Schaftkron-
leuchtern aus Messing insbesondere in Gotteshäusern.
Abb. 270. Füllhörner stellen ein weiteres und verbreitetes Gestaltungsmittel für den Ring im Fang
des Löwen dar; s. Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Kreis Eckernförde, 1950, S.
221 f.
558 LCI, Bd. 1, Sonderausgabe 1994, Sp. 503 f.
559 Siehe u.a. Landesausstellung Niedersachsen 1985. Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des
Bürger-tums in Norddeutschland 1150-1650, R1, 2. Ausst.-Kat. des Braunschweigischen
Landesmuseums (1985), S. 762, Nr. 674 (Löwenkopf-Masken).
Kronleuchter-Unterhänge Seite 179
Die wenigen Veränderungen an der für Delphin und Füllhorn gleichermaßen koni-
schen, stromlinienförmigen Kontur sind möglich, indem das geöffnete, breite Ende zu
einer asymmetrischen Lippe umgebördelt wird und so das Füllhorn darstellt. Oder es
wird schnauzenartig lang gezogen und weist aufgrund der gegossenen oder ziselier-
ten Flossen auf den Delphin hin.
Symbolisiert das Füllhorn Reichtum, so wird im Delphinmotiv der ideelle Ansatz deut-
lich. Die Menschenfreundlichkeit ist eine der häufig zugeschriebenen Eigenschaften.
Und wird die Löwenkopf-Maske, die den Ring hält, nicht in der möglichen Version des
Diabolischen wahrgenommen, sondern als Zeichen der Todesüberwindung und Auf-
erstehungshoffnung, so entspricht dies der neuen Glaubenslehre.
Auch barocke Kugelkronleuchter weisen zum Teil noch den Löwenkopf als Motiv, das
heißt als Maskaron auf: Typ I oder II. Die Tendenzen, die daran ablesbar sind, er-
scheinen hilfreich, um die größere Vielfalt und Verbreitung der Löwenkopf-Masken an
Schaftkronleuchtern der Renaissance zu ermessen (Abb. 41, 42) sowie den großen
Bestand der Schaftkronleuchter aus Messing des 17. und 18. Jahrhunderts zu struk-
turieren.
sche Marktkirche St. Nikolai, Kronleuchter inschriftlich datiert 1655, beide Typ I), des
Apostel Johannes (Meldorf/Dithmarschen, Dom, Kronleuchter inschriftlich datiert
1694, Typ I) oder die vergleichbaren Kronleuchter mit der Figur des Jupiter auf dem
Adler (Preetz, Adeliges Kloster, Kronleuchter von Qualen, Mitte 17. Jahrhundert (Abb.
121) und Rostock, Evangelische St. Marienkirche, Kronleuchter 1686 sowie St.
Annen/Kreis Norderdithmarschen, Evangelische Kirche und Wilster/Kreis Steinburg,
Evangelische St. Bartholomäus-Kirche, 17. Jahrhundert (Abb. 123), alle Typ I).
Diese Maskarons sind als Relief am unteren Scheitelpunkt bei zwei Arten (Typ I und
Typ II) der Aufhängeösen an Kronleuchtern der Jahre 1638 bis 1745 eher versteckt
platziert. Und doch scheinen sie angesichts ihrer axialen Platzierung am Kugelkron-
leuchter an das Motiv des plastischen Unterhangs der Renaissance-Kronleuchter an-
zuknüpfen. Diese Masken an Kronleuchtern beider Epochen werden im folgenden
charakterisiert – zunächst die Maskarons der Kugelkronleuchter:
Typ I:
Unter den vielfältigen Formen der Aufhängeösen von Schaftkronleuchtern aus Mes-
sing des 16. bis 18. Jahrhunderts in Norddeutschland ist die eine Art dieser Ösen
dreipassförmig. Ihr links- und rechtsseitiges Kreissegment wird aus je einer Sirene
gebildet. Dazwischen sitzt beidseitig ein kreisrunder, plastisch modellierter Löwen-
kopf. Diese Gestaltung ist stärker an barocken Kronleuchtern im westlichen Nord-
deutschland verbreitet (Abb. 41).
Typ II:
Die zweite Sorte dieser Aufhängeringe mit einer Löwenkopf-Maske ist annähernd
hufeisenförmig, wo die Enden als Pferdeköpfe gestaltet sind und das Mittelstück aus
gegenständigen Delphinen gebildet sein kann. Letzteres Motiv ist von den Unterhän-
gen der Renaissance-Kronleuchter bekannt.
Die Masken dieser Aufhängung sind flächiger gearbeitet. Es ist nicht immer ganz ein-
deutig erkennbar, ob sie tatsächlich immer Löwenköpfe mit Ring im Fang (Flensburg,
Evangelische St. Nikolai-Kirche) oder mit ihren behaarten, menschlichen Gesichtszü-
560
gen nicht doch Dämonen darstellen (Stralsund, Evangelische St. Nikolai-Kirche).
560 Vom Kronleuchter im Dom zu Bremen vermittelt die Fotodokumentation der Firma Paul
Oehlmann – Leuchten, Kunsthandwerk, Bielefeld einen ersten Eindruck. – Kunst-Topographie
Schleswig-Holstein, 1979. S. 639 (Rendsburg, St. Marien-Kirche). – G. Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg. Schleswig-Holstein. 2. stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S.
378. – Ders., Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen. Neubearb., stark
erw. Aufl. 1992, S. 1110. – Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Hamburg. Bd.
II. Altona. Elbvororte, 1959, S. 71 und Abb. 42 f. – G. Dehio, Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler. Hamburg. Schleswig-Holstein. 2. stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 420. – Der
Messingkronleuchter im Treppenauf-gang des Rathauses trägt auf der Kugel die Inschrift * H *
NICOLAVS RICHERS BVRGM * F * GERDRVT BEHREN ANNO 1645 und hat einen Durchmesser von
circa 160 cm bei einer Höhe von cir-ca 220 cm. – G. Dehio, Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler. Hamburg. Schleswig-Holstein, 2. stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 293. –
Ders., Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bre-men. Niedersachsen. Neubearb., stark erw.
Aufl. 1992, S. 1135. – Vgl. H. v. Poser und Gross-
Kronleuchter-Unterhänge Seite 181
Naedlitz, Die Stadtpfarrkirche St. Nikolais zu Rinteln (Kunst-/Kirchenführer), o. J., S. 21. Die Datie-
rung in der Bildunterschrift wäre entsprechend der inschriftlich genannten Jahreszahl 1655 und ob
des Kronleuchtertyps zu korrigieren – wie ebd. auf S. 23. – Kunst-Topographie Schleswig-Holstein,
1979, S. 880 (Meldorf), 599 (Preetz), 475 (St. Annen), 831 (Wilster), 844 (Bad Oldesloe), 8 (Flens-
burg, Evangelische St. Nikolai-Kirche). – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Meck-
lenburg. Neubrandenburg. Rostock. Schwerin, 1980, S. 386.
561 Die Mehrzahl der Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts ist selten so
detailliert dokumentiert, dass aus den amtlichen Länderinventaren der Bau- und Kunstdenkmäler
entsprechend Aufschluss zu gewinnen wäre.
Kronleuchter als Stiftungen Seite 182
562 J. Kinder, Plön. Beiträge zur Stadtgeschichte, Plön 1904, S. 36. – Stiftungen neuzeitlicher
Kronleuch-ter aus Messing sind unterschiedlich motiviert. Eine der wenigen Inschriften, die den
Eindruck einer Opfer- oder Votivgabe vermittelt, bedeckt die Kugel des Kronleuchters mit gekrönten
heraldischen Doppel-Adler in Richtenberg/Vorpommern. „BIN GESCHENCKT: GOTT ZU EHREN DER
KIRCHEN ZUR ZIERDE WIE DER ALLMÄCHTIGE GOTT FAST DIE GANTZE WELT MIT EINER
SCHWEREN RIND:VIEH-SEUCHE GESTRAFFT: MAGDALENA CHRISTINA HOPPENRATHEN
VERWITTWETE MENICKEN U: DES-SEN SOHN HENIG DIEDE: RICH MENICKE PENSIONARIUS … ZU
BÄRENHAGEN UND DÜRSCHAW: M(e) F(ecit) JOHANN GOTTFR. WOSAECK STRALSUND 1747. – Zum
Glockengießer Wosaeck; s. Die Bau- und Kunstdenkmäler in der DDR. Bezirk Neubrandenburg, 1982.
(Klein Plasten/Landkreis Wa-ren). – W. Fiedler, Die Rinderpest in Schwedisch-Pommern – ein Anlass
zur Stiftung barocken Kir-cheninventars in Richtenberg bei Stralsund und in Trent auf Rügen, in:
Tierärztliche Umschau, 60. Jg., H. 3, 2005, S. 150-156. – KiA Lauenburg/Elbe 5133 Beleuchtung Nr.
959/768 Urkunde btr. Schenkung Kronleuchter Dochtermann (1651). – Bemerkenswert sind
Stiftungen von Kronleuchtern während des Dreißigjährigen Krieges – wie zum Beispiel 1623 in
Wittenburg/Schwerin, 1646 in Pe-tersdorf/Minden, 1647 in Rendsburg, Evangelische St. Marien-
Kirche. – Siehe u.a. Die Kunstdenkmä-ler der Provinz Brandenburg, Kreis Sorau und Stadt Forst,
Berlin 1939, S. 145.
563 Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. IV, 1928, S. 554. – Lt.
In-schrift des Kronleuchters (1647) in der Evangelischen St. Marien-Kirche in Rendsburg: WICHT 343
PVNDT. – Siehe Schaftkronleuchter (1587) der evangelischen Kirche in Lübeck-Schlutup: 9
Li(e)sp(f)und. 1 Liespfund = 14 Pfund im Seehandel, 16 Pfund als Landfracht
564 Siehe dazu insbesondere die frühen amtlichen Länderinventare und dort in der Regel
Kronleuchter-Inschriften des 18. Jh. – wie z.B. Backemoor/Ostfriesland, Kronleuchter, 1790: „ICH
BIN EIN TOD-
TES ERZ. DOCH DIEN ICH WIE ICH KANN MIT EINER WEIHNACHTSKERTZ IM TEMPEL IEDERMANN. 0
CHRIST LASS AUCH DEIN LICHT IN CHRISTO AUFGEGANGEN IN DIR UND DANN NACH PFLICHT ZUM
BEYSPIEL ANDERN PRANGEN. GEMACHT IN EMDEN BEY G. FRANKEN. 1790.“ Bei einem älteren
Kronleuchter (1786) in Hatshausen/ Ostfriesland bildet dieser zuvor zitierte Vers den zweiten Teil der
Inschrift, die so beginnt: ANNO 1786 HABEN DIE INTERESSENTEN VND EINWOHNER ZV HATTETS-
HAUSEN DIESEN KRONLEVCHTER ZVM SCHMVCK DES HAVSES GOTTES VND AVS LIEBE ZV SEINEM
WORT VEREHRET … 1. B. HAGIVS PAST HATTETSH. – Diese Informationen sind ein Teil der Inventa-
risierung, die Herr Dr. H. v. Poser, Referat für kirchliche Kunst, Kirchenamt der evangelisch-
lutherischen Landeskirche Hannovers durchführt(e).
Kronleuchter als Stiftungen Seite 183
Etliche frühneuzeitliche, aber zum Teil auch barocke Schaftkronleuchter tragen keine
und wenige dieser Exemplare nur kurze Inschriften, die einen (Personen-)Namen
und/oder eine Hausmarke, ein Wappen sowie ein Datum enthalten können. Mitunter
sind attributiv platzierte Wappenschilde als Inschriftenträger nicht mehr erhalten.
Aus einer derartig kurzen Inschrift ist die Zweckbestimmung des Leuchters heutzu-
tage kaum mehr eindeutig ersichtlich. Diese wird überwiegend aus der Funktion im
(kultischen) Verwendungszusammenhang des Beleuchtungsgerätes abgeleitet, ohne
die tatsächlichen Entstehungshintergründe zu benennen.
In einer Urkunde aus dem Jahre 1594 im Adeligen Kloster Preetz heißt es zu einer
Stiftung, die auf die Unterhaltung des dortigen zierlichen Renaissance-Kronleuchters
bezogen ist:
„DE FUNDATION DER DORTEIN RIKESDALER; WELCHER JUNFER ELLSEBE SESTE-
DENN (Sehestedt), YWANUS DOCHTER, IN DE KERKEN THO PRE(E)TZE GEGEVEN
UND VORORDNET; VON DER RENTE JARLICHES LICHTE THO MAKEN UP SELIG ANNA
BROCKTORPEN KRONE. MARTINI 1594.“
565 Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Regierungsbezirk Stade. Landkreis Stade.
Textband. 1965. S. 8 f., 591. – B.-C. Fiedler, Der Wandel Stades in der Schwedenzeit 1645-1715.
Stade als Provinzhauptstadt unter schwedischer und dänischer Herrschaft 1645-1715. Allgemeine
politische Entwicklung, in: Stade (1994), S. 171-204, insbesondere S. 171 f.
566 A. Jessien, Diplomatarium des Klosters Preetz (1838), S. 187 f., CLXXI.
Kronleuchter als Stiftungen Seite 184
„…, dath wy itzu nomeden und gesettede Kerckswaren der Kaspell-Kerckenn tho
Pretze (Kirchgeschworenen der Kirchspiel-Kirche zu Preetz), …, vann … Ellsebe
Sestedenn, … empfangen unnd inn ganckbarem Gelde bekamenn hebbenn dorteinn
Stuckede gude Rikesdaler, jeder Daler tho dre unnd druttich Schilling Lüb(sch), de se
uth Christlicher Lewe (Liebe) unnd allße eine milde Gave in de Kaspell-Kerckenn tho
Pretze friwillich gegevenn unnd vorordnet, dat men jarliches Renthe so vell Wasses
(Wachs) kopen schall, alls sych de Renthe streckett, unnd dar Lichte vonn maken,
welche schallenn gesettet werdenn in Gottes Ehr tho vorberurden selige Junnfer An-
na Brocktorpenn Krone, de de hierbevorenn inn de Kerckenn tho Pretze gegevenn
unnd vorehrett hefft, unnd schall ock sulcher gedachter Hovettstoll unnd jarliche
Renthe tho keinem anderen Dinge gewendett oder angelechtt werdenn, dhenn allene
tho denn Lichtenn up der gemellten Kronenn, vann nu ahn beth so lannge de Kercke
steidt. Sulches is ehr ernstlicher Bevell unnd Wille, unnd wy haven genomedenn
Kerckswarenn samptt unsem havenn gemellthenn Pastorenn lavenn unnd redenn vor
unns, Alles wath minschlich unnd mogelich is, hieby tho dhon, alls wy willenn vor
Godt unnd unser gelefften Overicheitt, ock unnsen Caspelluden vorantwerdenn. Bid-
denn unnd begeren derwegen vann unnsenn Nakamelingen (Nachkommen) sullches
im gelichen Fall getreulich zu bestellenn unnd der Mathenn richtich tho holdenn. Da-
rinne geschudt der gedachten Junnfernn eyn besunderinger Wolgefallenn unnd ahn-
genemer Dennst, unnd unnser Her Godt wertt idt ock hir tidtlich unnd ewich tho be-
lonenn wethenn (…)“.
Aber auch zu barocken Kugelkronleuchtern, die morphologisch mehr Raum für unter-
schiedlich lange Inschriften bieten, kann es aktenkundliche Verfügungen geben:
„Register der Kerckenn Renthe tho Hatsted (Hattstett) angefangen nar der grothen
Waterflodt Anno 1634.
Anno 1644 den 19. Arilis (Aprilis) is der Ehrbar .. Harre Paings in der Marsch Wanhaf-
tig tho Lindtbargum sehl(ig) im H(errn) entschlapen, und heftt vor seinen .. Gott tho
Ehre und der Kerken thom Zierath eine Krone in de Kerken vorehret, und darby ver-
ordnet, Dat ß deme Krone mit 16 Waßlichte alletage underholden werde, und de
Lichter Jarliches de 3 hoge festdage alß Pasches (Ostern), Pinxten (Pfingsten) und
Christdach (Weihnachten) under des Vormiddags Predige brennen, bith der Gottes-
567
dienst verrichtet is. ...“
Etliche Stiftungen barocker Kugelkronleuchter weisen ausführlich formulierte Wid-
mungen oder Zweckbindungen auf. Der häufig wiederkehrende, standardisierte
Wortlaut: „GOTT ZUR EHRE UND DER KIRCHE ZUR ZIERDE HABEN DIESE KRONE
GEGEBEN (und/oder) ZUM ANDENKEN AN (DIE/DEN SELIG ENTSCHLAFENE(N)/(Na-
men und Datum)) kann sprachlich aufgrund regionaler Dialekte variieren. Die zweite
Satzhälfte erscheint aufgrund persönlicher Daten aufschlussreich. Genannt werden
Angehörige unterschiedlicher Adelshäuser und ebenso der beruflich nicht näher be-
zeichnete Geselle. Weitaus häufiger treten die zur See fahrenden Kompanien oder die
unterschiedlichen Handwerksämter sowie Eheleute als Stifter von Kronleuchtern auf.
Einzelne Bezeichnungen der Donatoren kommen vor: Der fürstliche Amtmann,
Konventualinnen adeliger Klöster, Bürgermeister, „Ratsverwandte“, der Notarius des
Landgerichts, Vögte, königliche „Bestalte“ und Bedienstete – der Rechensmann, der
Kornschreiber, der Pastetenbäcker, ferner Pastoren, ein evangelischer Provisor sowie
Reepschläger, Witwen, Gelbgießer oder Kupferschmiede oder die Ämter unterschied-
568
licher Gewerke. Dieser zweite Teil der Inschrift dokumentiert mitunter Kosenamen der
Genannten – wie zum Beispiel „Eheliebste(r)“ oder „Ehephlentzelein“ – und mu-tet damit
nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes blumig an wie die ehrerbietenden zeittypischen
Anreden „hochwohlgeboren“, „vieltugendsam“, „wohledel“, sondern benennt die
569
individuellen Positionen innerhalb der Gemeinschaft.
Einige Kronleuchter haben einen Bezug zum Funeralwesen und zur Sepulkralkultur.
Die Inschrift eines Schaftkronleuchters (1637) der Evangelischen St. Nikolai-Kirche
zu Bielefeld lautet:
„Anno 1637 den 23 octobris ist der Ehrenfest und wohlgelahrte Jobst Christian Wet-
ter, Osnab.(rück) Medicinae Candidatus in Godt dem Herrn Sahl. (selig) Entschlaffen
und auf dessen Verord.(nung) hat sein nachgelassene Wittib Anna Brünger diesen
570
Leuchter i.d. Kirch auf der alten Stadt Bielef.(eld) zu S.(ankt) Nicol.(ai) verehret.“
Das Vorkommen von Inschriften auf Kronleuchtern bedeutet nicht unweigerlich eine
authentische Korrelation dieser Dotation zum ursprünglichen Bestimmungsort – e-
benso wenig belegt ihr Fehlen wie auch die Tatsache profaner Bekrönungsfiguren auf
571
Schaftkronleuchtern die angenommene Provenienz aus Privatbesitz. Über die Bei-
spiele hinaus, die diese Kronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts in
572
Norddeutschland als Gegenstand des Totengedenkens oder der Fabrica und Orna-
menta ecclesiae vorstellen, gibt es andere, die sowohl auf die erforderliche Spezifi-
zierung der Entstehung als auf jene der Verbreitung und Verteilung von Kronleuch-
tern hinweisen können. Dazu gehören das Brauchtum – wie zum Beispiel der Hand-
werksämter – im Wechsel vom Alltags-/Geschäftsleben und an Feiertagen wie auch
die politisch, wirtschaftlich und rechtlich begründbare Tatsache an sich, dass das
Wachs als Zahlungsmittel – wie zum Beispiel für Lohn, Gebühren, Bußgelder - diente.
Die Einnahmen und Ausgaben an bzw. für Wachs werden in den Kirchenrechnungs-
568
Siehe u.a. Kronleuchter-Inschriften in Schleswig, Dom (1661); Bredstedt, Evangelische Kirche
(1670).
569
„Eheliebste“ ist laut Inschrift des Kronleuchters der Evangelischen Kirche St. Servatius in Se-
lent/Schleswig-Holstein: Anna Margaretha Rantzow, verheiratet mit Christian Hanns Rantzow. Und
auch das Widmungsdaturn (Mai) 1660 geht aus der Inschrift auf der oberen Kugelkalotte hervor. Vgl.
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg. Schleswig-Holstein. 2. stark erw. und
veränd. Aufl. 1994, S. 839. – Zu „Ehephlentzelein“; s. Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regie-
rungsbezirks Stettin, H. IV: Der Kreis Usedom-Wollin, 1900, S. 380 (Kronleuchter, 1653).
570 Der Toten und Erinnerungskult ist seit der römischen Antike ein treibendes Motiv für die
Herausbil-dung des Stiftungswesens, der Begriff „Stiftung“ ist erst seit dem 19. Jahrhundert
gebräuchlich, s. M. Borgolte, Die Stiftungen des Mittelalters in rechts- und sozialgeschichtlicher
Sicht, in: ZRG Kann Abt. 74, 1988, S. 71-94-1. – Ders., Stiftungen des Mittelalters im
Spannungsfeld von Herr-schaft und Genossenschaft, in: Manoria in der Gesellschaft des Mittelalters,
1994, S. 267-285. – Fo-todokumentation (2. Hälfte 20. Jahrhundert) der Firma Paul Oehlmann &
Sohn, Bielefeld. Zur Kron-leuchterbekrönung „Justitia“, s. Die Bau- und Kunstdenkmäler von
Westfalen. Kreis Bielefeld – Stadt, 1906, S. 18. – Zu Kronleuchter und Begräbnis s. u.a. Danmarks
Kirker Maribo Amt, 1. Halbbd., 1948, S. 168. – Ebd., Ribe Amt, 2. Bd. 1984, S. 924 f.
571 F. Michaelsen, Die Glückstädter Lichterkronen, in: Steinburger Jb., 9. Jg. 1965, S. 91-99 mit
Abb., insbes. S. 94 f. – Danmarks Kirker. Praestø Amt, 2. Halbbd., 1933-35, S. 1098.
572 Hennstedt/Norderdithmarschen, Kronleuchter 1705 mit ausführlicher Inschrift; s. Kunst-
Topographie Schleswig-Holstein, 1979, S. 466 (Kurzbeschreibung!) mit Abb. 1247. – H. Ewe, Das
alte Stralsund, 1995, S. 61.
Kronleuchter als Stiftungen Seite 186
büchern sehr detailliert notiert, teils sind auch die Kommentare zu Bezugsquellen und
573
Verbrauch des Wachses aktenkundlich.
Nicht zuletzt ist neben jenen sozialkreativen Aspekten, die in Kapitel 2 verhandelt
werden, die rechtliche Komponente der Stiftung zu berücksichtigen. Indem das Kapi-
tal für einen Kronleuchter oder dieses Objekt selbst in Form einer gemeinnützigen
Stiftung als eine besonders zu verwaltende Masse von jeder persönlichen Inhaber-
schaft abgesondert ist, kann der Verwalter dieses Gutes zum Beispiel Eigentum oder
Forderungsrechte daran erwerben und darüber ausüben – solange wie auch der Stif-
tungszweck besteht. Es sei denn, dass der Donator die dauerhafte Ausführung einer
unantastbaren Zweckbestimmung der Stiftung verfügte. Die Frage nach dem Vollzug
der Stiftung zeigt, dass das Stiftungsrecht den Machtbereich des individuellen Willens
weit über seine natürlichen Grenzen hinaus erweitert, indem es dem letzten Willen
der Verstorbenen die Herrschaft über den Willen der Lebenden sichert. In diesem
Zusammenhang ist es interessant, dass aus dem 17. und 18. Jahrhundert Schreiben
zu Kronleuchtern in Kirchen erhalten sind, wo zum Beispiel die wirtschaftliche Situa-
tion des Vermächtnisnehmers berücksichtigt wird oder in anderen Fällen die Witwen
der Stifter gegenüber der lokalen evangelischen Kirchengemeinde – in persona der
Kirchgeschworenen – eine Rechtspositionen ansprechen und vertreten, die aus der
vollzogenen Stiftung ihrer Ehegatten abgeleitet ist. So ist eine Witwe in ihrem Brief
zunächst weniger um die Erinnerung an das Ableben ihres Ehemannes als Stifterper-
son bemüht als um die Vergegenwärtigung seines Wesens und Willens, um so die
postum zu deklarierende Zweckbestimmung des gestifteten Geldbetrages zu beein-
flussen.
„Hoch und WohlEdle, Veste, .., Hoch und Wohlgelahrte, Hoch und Wohlweise Hoch-
geehrte Herren,
Es ist denenselben vielleicht annoch erinnerlich, waß gestalt mein Seel(ig). Ehe-
l(iebster) in Seinem letzten Willen an hießiege St. Nicolai Kirche 100 R(eichstaler)
vermachet:
Wann ich dann nun Bedenke, daß mein Seel(ig) Ehel(iebster) zum öfftern bey seinem
Leben sowohl gegen mier als andern beglaubte Leute auch zu einigen H(erren) Provi-
sorum (Provisoren) selbst erwahnet, daß Er, falß Er ohne Kinder sterben solte, wohl
gesonnen wäre eine dergleichen schöne Krohne, wie Er sie in denen Hamburgischen
Kirchen gesehen, an die Kirche zu vermachen, dahero aber glaublich ist, daß Er diese
der Kirchen vermachte 100 R dazu emploiret wissen wollen, so habe A:V hidurch sol-
ches gehorsahmst eröffnen, und vernehmen wollen, ob Ich diese 100 R wohl dazu
emploiren könne, … ich versichere auch was mittelst quitungen hiernechst H. Provito-
ribus zu belegen verspreche, daß ich ohn mehr oder weniger hievonn verwandt habe,
versehe mir hierinnen geneigter declaration und verharre mit aller Ergebenheit
Strahls(und)
d(en) 8. Febr(uar) 1714 EE und hW Rahts
gantz
verbundenste
574
Seel. C. S. Thoma Nachgelaßne Wittwe“
573 KAP V A XI 18 (1793). – Urkundenbuch zur Chronik der Stadt Plön. Urkunden und Akten
gesammelt und mit Erläuterungen versehen von Bürgermeister Kinder, Plön 1890. – J. Kinder, Plön.
Beiträge zur Stadtgeschichte, Plön 1904, S. 36. – M. Berwing, Preetzer Schuhmacher und ihre
Gesellen 1750-1900. Aufschlüsse aus Archivalien, Kiel, Dissertation 1981, S. 67 f.
Kronleuchter als Stiftungen Seite 187
In der Evangelischen St. Nikolai-Kirche zu Stralsund tragen mit Ausnahme des mitt-
leren Kronleuchters „Muttergottes in Mandorla auf Kogge“ die übrigen Kronleuchter
einen heraldischen Doppel-Adler als Bekrönung. Wie im 18. Jahrhundert die Kron-
leuchter in den Kirchen Hamburgs aussahen, die gemäß Bezugnahme dieser Korres-
pondenz möglicherweise als Vorbild dienten, kann aufgrund der Auswirkungen des
Ersten und Zweiten Weltkrieges sowie bisher fehlender oder unbekannter Bilddoku-
mentationen gegenwärtig nicht konkretisiert werden.
Das zweite Beispiel der oben erwähnten Schreiben bezieht sich auf einen Kronleuch-
ter mit der Topfigur „Jupiter auf Adler“ in der Evangelischen Kirche St. Pankratius in
Hamburg-Ochsenwerder. Dort begründet die Witwe Catharina Stange unter Bezug-
nahme auf die erfolgte Stiftung eines Kronleuchters ihres verstorbenen Ehemannes
den fortbestehenden Anspruch an das Erb-Begräbnis „… deswegen sie beyderseits
575
die Crone dafür verehret, dass sie herunter wollen ruhen …“.
Und zum zweiten Kronleuchter von Osten in der Evangelischen St. Michaeliskirche in
Eutin heißt es:
„Anno 1684 … vor Ostern hat der wohlehrenfeste H(er)r Henning Meier, alter und
wohlverdienter fürstlicher Haußvoigt hieselbst aus freywilligem christlichen Hertzen
zu Gottes ehren und kirchlicher Zierde eine schöne Messingskrone in hiesiger Haus-
kirchen lassen aufrichten. Und hat dabey fünffzig Reichsthaler legieret und vermacht,
auch selbige den ietzigen Structurario und vornehmste Kirchenjuraten … (von den
Zinsen sollen vier Wachslichter auf der Krone gehalten und ihre Reinigung durch den
Küster bezahlt werden). Als haben auch wohlgedachte Herren Testamentary solches
den 28. Septr. ao 1687 werckstellig gemacht und so … obligation … unterschrieben in
Gegenwart aller mit Interessenten … samt allen dazu gehörigen pertinentien ein-
gehändiget …, daß die obigen 800 Rthl. (Reichstaler) solten folgendermaßen genos-
sen werden. Namlich die 500 Rthl. so der Kirchen in perpetuum legieret, die sollten
so lange Zinsbar bleiben und nicht in Capitali angewiesen werden, so lange wie die
Kirche nicht aufs höchste zu der Structur selbiger benöthiget wäre, alsdan solte die
Kirche macht haben, solches Capital zu bedienen. Die übrigen 300 Rthl. aber möch-
ten zwar die Legatary nach bleiben aufkündigen … – Zu wissen, welcher gestalt der
weyland Edle großachtbarr und wohlfürnehme H. Henning Meier, hieselbst zu Eutin
viel Jahr hochfürstl. bischöfl. Haußvoigt, und der anno 1687 den 10. Juli seelig ver-
storben längst bey gesunden Tagen ein Testament seiner recht Gott selbst erworbe-
nen freyen güter gemacht, und in den selben unteranderem aus christl. Herzen ein
rühmliches Legatum von 800 Rthl.“
Deutlich vermittelt die prägnante Formulierung der „freiwilligen Stiftung“ den Prozess
576
der Individuation. Das Individuum entfaltet sich mit den Errungenschaften seiner
geistigen Befreiung und Selbständigkeit sowie mit Wissen um die Gnade Gottes nur
innerhalb der Gemeinschaft.
Ein abschließendes Beispiel mag verdeutlichen, dass mit der Reformation das Stif-
tungswesen kaum zum Einsturz gebracht, vielmehr in anderen Dimensionen und un-
577
ter neuem Vorzeichen noch eine Rolle spielte.
„Zur Bestreitung der Kosten der Erleuchtung der großen Kirchenkrone legierte der
Oldesloer Johann Daniel Fischer 1736 der Oldesloer Kirche eine jährliche Rente von
11 Mk (Mark) 12 ß (Schilling), welche in einer, jetzt dem Bürger Johann Friedrich
Schultz gehörigen, Koppel radiciert ist. - Für die Erleuchtung der kleinen Kirchenkro-
ne findet sich ein Legat des Jahres 1697, dessen Stifter unbekannt ist. Die jährliche
Rente beträgt 3 Mk, und ist in einem Garten vor dem Hamburger Thore radiciert, der
578
jetzt den Postmeister und Rathsverwandten wandten Schyte gehört.“
Diese Auswahl an Inschriften ließe sich um jene Beispiele erweitern, die Bibelverse
und Sinnsprüche zum Inhalt haben. Bei aller Individualität, die auch schon im For-
menrepertoire und Motivschatz der Schaftkronleuchter zum Ausdruck kommt, zeich-
579
nen sich neue Vorstellungen von Ordnung, Gerechtigkeit und Gnade ab. Aus
dieser Perspektive, Teil eines Ganzen zu sein, ist die Kronleuchterstiftung mittels
unter-schiedlicher Zeichen mit in der Umgebung verankert.
577 A. Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, 1997, S. 716. – C. Göttler, Die Kunst
des Fegefeuers nach der Reformation. Kirchliche Schenkungen, Ablass und Almosen in Antwerpen
und Bologna um 1600 (1996), s. 24, Anm. 6. – H. Liermann, Handbuch des Stiftungsrechts, 1.
Geschich-te des Stiftungsrechts (1963), S. 134, 141, 159, 160 f.
578 F. Seestern-Pauly, Aktenmäßiger Bericht über die in dem Herzogtume Holstein vorhandenen
milden Stiftungen, 2. T., 1.-6. H., 1831, S. 280. – H. v. Poschinger, Das Eigentum am
Kirchenvermögen mit Einschluss der heiligen und geweihten Sachen dargestellt auf Grund der
Geschichte des Kirchenguts und des katholischen und protestantischen Kirchenrechts, 1871, S. 235,
305. – M. Borgolte, a.a.O., 1988. – Ders., a.a.O., 1994. – Kleinplastiken jeglicher Art gehören seit
dem 16. Jahrhundert erneut zu den favorisierten Kunstgegenständen. – Die Beschwörung des
Kosmos. Europäische Bronzen der Renaissance, Ausst.-Kat. Wilhelm Lehmbruck, Duisburg
(1994/95), S. 10. – W. Paatz hatte darauf hingewiesen, dass sich das revolutionäre Weltbild am
treffendsten in kleinformatigen Bronzewerken ablesen lasse. – Es stellt sich die Frage, ob dieser
Gedanke auf bestimmte Figurentypen als Motive neuzeitlicher Schaftkronleuchter aus Metall
übertragbar wäre.
579 Danmarks Kirker. Søro Amt, 1. Halbbd., 1936, S. 210.
Metallgießer und Werkstätten Seite 189
Dies ergibt eine Eingrenzung auf die in Glückstadt ansässigen und über die Stadt-
grenzen hinaus tätigen Bürger Berthold Eckhorst aus Rostock (Bürgereid Glück-stadt
1661), Levin Lindemann (gest. 1678) und seinen Nachfolger Johann Lehmeyer aus
580
Stralsund (Bürgereid und Hochzeit mit Witwe Lindemann, 1678).
Eines der besagten Objekte ist der Diana-Kronleuchter (2. Hälfte 17. Jahrhundert) in
der Evangelischen Stadtkirche zu Glückstadt (Abb. 112).
Die ausschließlich lokale Orientierung hinsichtlich der Provenienz des Leuchters und
Annahme, dass das Fehlen einer Inschrift und die „ungewöhnliche“ Topfigur auf eine
Stiftung aus einem Privathaushalt hinweisen könnte, ist nur so lange aufrechtzuer-
581
halten, wie keine anderen Beispiele einbezogen werden (können).
Doch es gibt ein Pendant dazu in der Evangelischen Kirche St. Jakobi in Stralsund,
das inschriftlich in das Jahr 1671 datiert ist (Abb. 111).
Die nähere Betrachtung beider Exemplare zeigt eine annähernd adäquate Morpholo-
gie. Geringfügige Abweichungen bestehen in der Höhe des Kronleuchterschaftes –
deutliche Unterschiede in der Anzahl an Lichtkränzen, in der Gestaltung von Aufhän-
geöse und abschließendem Zapfen, sowie in der Platzierung der Urnen.
Letztere wechselt mit den Leuchterarmen der zwei Lichtkränze am besagten Kron-
leuchter in Stralsund und verdeckt so – in der Untersicht – einen Teil der Topfigur.
Zugleich stellt sich die Frage, welche Zierelemente zum mittleren Nutenmodul des
Kronleuchterschaftes gehörten.
Neben zahlreichen Zuordnungen der Diana – unter anderem als Göttin des Lichts –
ist sie durch Tintorettos „Diana und die Horen“ (um 1580) erneut Bildthema. Als eine
unter mehreren möglichen Bekrönungen und Teil des ikonographischen Bildpro-
gramms neuzeitlicher Schaftkronleuchter aus Messing in Norddeutschland, die im
Zeichen religionspolitischer Entwicklung betrachtet wurden, liegt die Deutung dieser
582
römischen Göttin als Göttin der Ordnung und des Rechts nahe.
Und auch das Motiv der Diana, die stärker als mythologische Göttin der Jagd, denn
als Schwester Appolos und Göttin des Lichts bekannt ist, widerspricht der Anferti-
gung und Stiftung des Kronleuchters in einen sakralen Verwendungszusammenhang
nicht!
Gleichwohl ist ihr Name nicht mit der biblischen Göttin von Ephesus (Apostelge-
schichte 19, 24) zu verwechseln.
Die annähernd adäquate Morphologie der Leuchter, die inschriftliche Datierung 1671
des Kronleuchters in Stralsund und die persönlichen Daten des Johann Lehmeyer aus
Stralsund könnten dafür sprechen, dass er die Leuchter anfertigte oder möglicher-
weise im Zusammenhang mit Adam Lehmeyer in Stralsund zu sehen sind. Er ist dort
583
für das Jahr 1663 aktenkundlich (Abb. 158).
Sowohl hinsichtlich dieser beiden, nahezu identischen Exemplare als auch für die
drei vergleichbaren Caritas-Kronleuchter in Keitum/Sylt und Rendsburg/Schles-
wig-Holstein sowie Werdum/Niedersachsen stellt sich die Frage, ob die jeweils
geringe Stückzahl auf eine Verbindung zur Ausbildung und Bewerbung als Meis-
ter zurückzuführen ist. Denn die Herstellung eines Kronleuchters bildete im Rah-
men der Meisterprüfung der Metallgießer eine der ersten Aufgaben. Die Zusam-
menhänge, die Hüseler anhand von Tätigkeitsbereichen, Bestimmungsorten der
Objekte und Schaffenszeit der Metallgießer vorstellt, sind häufig infolge kriegs-
bedingter Verluste von Kronleuchtern und fehlender Dokumentationen, kaum
584
formal noch stilistisch zu definieren.
Die Gegenüberstellung der Abbildungen von Schaftkronleuchtern und/oder Be-
krönungen und Unterhänge im Bildband der vorliegenden Kronleuchterstudie
zeigt, dass es weiterer kunstwissenschaftlicher Forschungen bedarf, um die Pro-
582 E. Simon, Die Götter der Römer, 1990, S. 51-58. – H. Hunger, Lexikon der griechischen und
römi-schen Mythologie, 6. erw. u. erg. Aufl. 1974, S. 106 f. – K. Hoenn, Artemis, Gestaltwandel
einer Göt-tin, Zürich 1946, S. 133, 134, 155 ff., 168 f.
583 Die Bau- und Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion. Mit
Stral-sund, Greifswald, Rügen und Usedom, Hg. Landesamt für Denkmalpflege Mecklenburg-
Vorpommern, Berlin 1995, S. 149. – HSTA Rep 3 Nr. 5920 (1663); HSTA L 10 (1725). – LAS Abt.
133, Nr. 138.
584 K. Hüseler, a.a.O., 1922. S. 8, 50.
Metallgießer und Werkstätten Seite 191
Die Daten weiterer Recherchen legen nahe, dass es sich hierbei, das heißt zuerst für
den Kieler Kronleuchter (1638), vermutlich um Werke des Rotgießers Fried-rich
Schreck handeln könnte.
585 Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Stadt Schleswig, 2. Bd.: Der Dom und der
ehe-malige Dombezirk, Bearb. D. Ellger, Hg. H. Beseler, München 1966, S. 494 f.
586 Kieler Schloßrechnungen des 17. Jahrhunderts, II. Das Inventar des Fürstlichen Hauses zu
Kiel, 1654. Hg. J. Biernatzki, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, 22. H., Kiel
1906, S. 93, 97, 102. – F. Schreck wird die Anfertigung eines Hirschen (wohl um 1654) aus Messing
zugeschrieben. Potenzielle Zusammenhänge zum Hirschkronleuchter (1623, ursprünglich auf Schloss
Gottorf in Schleswig) des Rotgießers Lorenz Carstensen in Kooperation mit dem Bildhauer Hans Ochs
wären weiter zu untersuchen; s. u.a. E. Schlee, Der Bildhauer Hans Ochs, in: Nordelbingen (46),
Heide/H. 1977, S. 36-48.
587 Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Hamburg. Bd. II: Altona. Elbvororte.
Bearb.
R. Klee-Gobert. Hg. G. Grundmann, Hamburg 1959, S. 71 und Abb. 42, 43.
588 Danmarks Kirker. Københavns Amt, 4. Bd., 1951, S. 2288. – Ebd., Maribo Amt, 1. Halbbd.,
1948,
S. 228. – Ebd., Sønderjylland. Konsthistorisk oversigt og registre, o. J., S. 316. – KiA Berdum KR I a
3 1762 ff. – Die im Rahmen der vorliegenden Kronleuchterstudie begonnenen Listen mit ortsalpha-
betisch und chronologisch verzeichneten Personennamen von Metallgießern waren zurückzustellen.
Resümee Seite 192
7. Resümee
Wiederkehrende Formen schließen Varietät nicht aus! Und es gibt sowohl materialäs-
thetische als auch handwerklich-stilistische, das heißt qualitative Unterschiede!
Grundlagenforschungen fehlen in Norddeutschland dazu bisher.
Die überkommenen Bestände an Schaftkronleuchtern aus Messing des 16. bis 18.
Jahrhunderts – unter Berücksichtigung von Kompositen und Replikaten – legen eine
besondere Zuordnung zum Materiellen nahe wie die Tradition der Beleuchtungsgerä-
te in Sakralgebäuden resp. die große Verbreitung der Schaftkronleuchter in evangeli-
schen Kirchen Gedanken an eine immaterielle Welt.
Die einfachen, stereotypen Formen dieser Leuchter samt des ikonographischen Pro-
gramms spielen angesichts der Erfahrungen in der Metallverarbeitung weniger den
produktionstechnischen Leistungsstand wider. Bedeutsam erscheint vielmehr die
Nutzung zur Popularisierung von Kunst(handwerk) sowie als Medium der Kommuni-
kation.
Vermittelt eine Botschaft der Bibel, dass der Mensch als Ebenbild des Sohnes Gottes
(Römer, Kap. 8 Vers 29) geschaffen und zugleich Teil eines Ganzen – zum Beispiel
einer (Glaubens-)Gemeinschaft – ist, fordert dies an sich schon eine Positionierung
Resümee Seite 193
Die Tatsache der vermehrten Stiftung von Schaftkronleuchtern aus Messing seit der
Reformation und die überkommene Proportionalität des ikonographischen Pro-
gramms dieser Leuchter legt unter Berücksichtigung verschiedener Kronleuchterin-
schriften und interdisziplinärer Forschungsergebnisse die Deutung der Kronleuchter-
bekrönungen resp. augenscheinlich profane Bewaffnete in evangelischen Kirchen als
Mittel der Verankerung in der Stiftungswirklichkeit nahe.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Kapazitäten der Druckgrafik resp. Kommunikati-
onsmedium deutscher Kleinmeister als auch die Mobilität und Inspiration der Auf-
traggeber/Kunden sowie der Kunsthandwerker diese Entwicklung auf dem Weg zur
frühmodernen Staat im reformfähigen Deutschland beschleunigt haben.
Bedeutsam für das Phänomen Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahr-
hunderts erscheint der Erkenntnisprozess, Naturgesetze analysieren und Entwicklun-
gen künstlicher Ordnungsstrukturen differenzieren zu können.
Resümee Seite 194
Der für diese Leuchter bevorzugte Werkstoff Messing könnte über produktionstechni-
sche und ökonomische Aspekte hinaus etymologisch begründet sein:
Kronleuchter, die – inschriftlich überwiegend – „Gott zur Ehre und der Kirche zur
Zierde“ gestiftet wurden, repräsentieren den Anspruch: strahlend, glänzend, präch-
tig, herrlich.
Zugleich deutet „Zier“ neben Ruhm und Ehre die Hinwendung des Menschen zu einer
– irdischen Geschöpfen übergeordneten – Gottheit, das heißt: Himmel, Tag, Him-
melsgott, Himmlischer – die Freiheit aller Gläubigen, direkt göttliches Recht zu for-
dern, an.
Die aktuelle Bedeutung dieser Beleuchtungsgeräte zeigt sich in Fragen zur verstärkt
wahrnehmbaren Profanisierung der Lebensbereiche, zur allgemeinen und individuel-
len Standortbestimmung in einer multikulturellen Gesellschaft und hinsichtlich der
Verantwortung zur Bewahrung kulturellen Erbes.
„Lux ad illuminandas gentes“, Licht zur Be- und Erleuchtung der Menschheit.
Abkürzungsverzeichnis Seite 195
Abkürzungsverzeichnis
M. Mitte
No./Nr. Nummer
o.J. ohne Jahr
P Preetz
RD Rendsburg
RDK Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte
RGG Die Religion in Geschichte und Gegenwart
Rep. Repertorium
rev. revidiert
Rth. Reichstaler (Reichst(h)aler)
s. siehe
S. Seite
S.A. Stadt Archiv
Slg. Sammlung
St. Sankt
St A HL Stadtarchiv Hansestadt Lübeck
ß Schilling
T. Teil
Taf. Tafel
U Urkunde
UB Urkundenbuch
u.a. unter anderem
V. Vers
veränd. verändert
vgl. vergleiche
Ztschr. Zeitschrift
Literaturverzeichnis Seite 197
Literaturverzeichnis (Auswahl)
Archivalien
HH St A 612 - 1/45
HH St A Kirchwerder KR 1575
HH St A Kirchwerder Inventare 1576, 1654, 1793 HH
St A Archiv Ochsenwerder I A 9a1 (1619/1785)
KAP VB c und d
KAP VE 6 KR 1887-1900
KAP II D a No. 11
KAP VBa1 und b1-9
KAP VA, XI 18
KAP KR 1. März 1756-Ostern 1757
KAP Akte Allerhand interessante Nachrichten und Urkunden des Closters Preetz
(1711)
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Lebenslauf
Persönliche Daten
Name Erdmute Beate Mascher
Jahrgang 1962
Ausbildung
1983 Abitur
Berufliche Schulen des Kreises Plön
Fachgymnasium, sozialwirtschaftlicher Zweig
Berufspraxis
1992 Praktika in
Berlin – Kunstgewerbemuseum SMPK
Hamburg – Museum für Kunst und Gewerbe
-X-
2001 - 2004 Dissertation Kronleuchter
„Lux ad illuminandas gentes“,
Studien zu Schaftkronleuchtern aus Messing des 16. bis
18. Jahrhunderts in Norddeutschland
2004 Doktorprüfung
in Form der Disputation
Hauptfach Kunstgeschichte, Philosophische Fakultät der
Christian-Albrechts-Universität Kiel
- XI -
Kronleuchter
Bildband
Inauguraldissertation
an der
Philosophischen Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel
vorgelegt von
Preetz / Holstein
2005
INGRID (= 2000) und FRIEDRICH MASCHER; Preetz
in Dankbarkeit und Liebe gewidmet
Erstgutachter: Prof. Dr. U. Albrecht
Zweitgutachter: Prof. Dr. A. von Buttler
Tag der mündlichen Prüfung 07.07.2004
Zum Druck genehmigt am 23.07.2004
Dekan Prof. Dr. S. Oechsle