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Muettersproch-Gsellschaft Heft 1/ 2021

Alemannisch
dunkt üs guet

Wettbewerb 2021

© Peter Gaymann, www.gaymann.de


Nejigkeitebriefli
Scho lang git s vu de Muettesproch-Gsellschaft us hin un
wieder e Nejigkeitebriäfli, wo per Mail verschickt wird.
Do demit mache mr uf aktuelli Theme ufmerksam, wiise
uf (großi) Veanstaltunge hii, stelle neui Produkt in unse-
rem Lädeli vor oder teile sunscht wichtigi Sache mit, wu
eifach nit warte könne, bis s nächscht Heftli wieder er-
scheint.

Vieli hen des abbonniert un kriege s schu. Vo de andre wundert sich wahrschiints
e mänke, worum er oder sie keins kriegt.

Des isch wegenem Dateschutz. Mr dürfe s nur an Lüt schicke, wo sich uf de Website defür
amelde. Des heißt, wenn Sie sich bi uns im Verein als Mitglied agmeldet hen, kriege Sie
nit automatisch au s Nejigkeitebriäfle. Da mr jo nit wisse, ob Sie s überhaupt wän, müen
Sie sich extra amelde.

Also: Wer s Briäfli kriege wott, goht uf unser Websitte www.alemannisch.de.


Ganz rechts unte klickt mr uf „Nejigkeitebriäfli“ un meldet sich a, demit mr in Zuekunft
genauso viel weiß, wie die andre!

MINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT, FORSCHUNG UND KUNST


Ausgabe 1/2021 I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

Liebi Muetterspröchler*inne, Was dinne stoht


Wettbewerb 2021 2
jetz isch es doch no Summer wore, wemmer im
Neus vum Vorstand 33
Mai au no so gfrore hen. Aber mir sin jo froh, dass
es endlich emol rächt gregnet het. De Wald un d Neui Mitglieder 34
Matte hen s bruche könne. Au unser Heftli het Us em Verein 36
reichlich Zuefluss kriägt diesmol. Us alle Landes- Liebi Gsellschaft 42
teile sin d Bächli gflosse. Drum hoffe mr, dass au Us de Gruppe 44
diesmol wieder fir alli ebbis debii isch. Do fahre mir emol hi 54
Mache mit 56
Znächscht emol fiire mr mit dem Heftli noch
emol de Mundart-Wettbewerb, wu am 4. Juni 21 Des un sell 57
si Abschluss gfunde het. Do sin binere Veanstal- Mir gratuliere 76
tung im SWR-Studio Friburg d Priisträgerinne un Nachruf 82
Priisträger vorgstellt wore, wu mr im Livestream Büecher un CD 88
debii sii un au später noch aluege het könne.
Mitglied werden 94
Insgesamt isch unser Video iber 800 mol aklickt
wore, letschtlich hens also meh gsähne, wie im Impressum 96
Schlossbergsaal im SWR Platz gha hätte. In unse-
rem Heftli könne Sie jetz die einzelne Bejträg in
Rueih nachläse un nebebej studiere, was d Jury Un zum Schluss möcht ich noch
dezue gsait het. Mir bedanke uns noch emol ganz drum bitte, unseri Vereinsinforma-
herzlich bi alle, wu mitgmacht hen un do demit e tione z läse. Mir wen öfter emol e
Wettbewerb erscht möglich gmacht hen. Nejigkeitebriäfli veschicke un bit-
te wege dem alli, wu s bis jetz nit
Denoo derf ich uf unseri viele Beiträg unter „Des kriäge un gern immer informiert
un sell“ hiwiise. Obs vu de sensationelle Entde- sin, sich als Abonnent uf unsere
ckung vum Uli Führe handlet oder vu de Aktione Websitte iiztrage (s. Umschlagsei-
in Radolfzell oder Markdorf, wu dert zum Thema te hinten). Wichtig isch au, dass
Dialekt uf d Bai gstellt wore sin, ob mr e Blick uf vieli mitmache un zum nächschte
d Forschung werfe bi de Uni Konstanz ins Baby- Heftli-Thema „Chindersprüch“
sprachlabor oder de Uni Friburg, wo historischi Material iisende (s. S. 40).
Unterlage fir e breiti interessierti Öffentlichkeit
zur Verfügung gstellt wore sin oder ob es s Fra- Mir winsche alle unsere Mitglie-
gebuech zum medizinische Wortschatz vum An­ der e gueti Zitt un e scheene Sum-
dreas Scheibe un Ewald Hall isch (s. S. 73) – es mer.
isch e bunte Strüss, wu vielfältigi Theme behand-
let un wu zum Mitmache iiladet.  Friedel Scheer-Nahor

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Glücklichi Gsichter bi de Priisverleihung


Es het sich iber e Johr hiizoge, aber schließlich hets e Ergebnis gää:
Bim Mundart-Wettbewerb 2020/21 sin siebe Gwinnerinne un Gwinner uszeichnet wore.
Bekannti un unbekannti sin debii gsi: D Catharina Müller het als Juniorin zwei Priise kriegt,
Andrée Steinmetz-Meichel, Beate Reiner un Rainer Fribolin in Lyrik, Lotta Christiansen,
Raymond Weissenburger un Heidi Zöllner in Prosa.

D Marion Eiche vum SWR un de Jürgen Hack hen durch s Programm gführt. Foto: Ari Nahor

zens akzeptiert hen. Es isch ernschthaft unter de 12 Iisendunge vun Unter-Dris-


diskutiert un abgwoge wore. Immerhin het sigjährige sin zwei usem Elsiis debii gsi.
mr d Wahl gha üs 98 Lyrik- un 59 Prosa- De jüngscht Iisender isch mit 10 Johr de
Text. Beteiligt hen sich 141 Iisender, man- Arthur Blenkle us Briilinge (Bräunlingen)
chi hen ebe in beide Sparte mitgmacht. 29 gsi mit eme herzige Briäf un ere nette
Iisendunge sin usem Elsiss kumme. Au Gschicht.

Alli zsämme im Gruppefoto im Garte. Foto: Gérard Steinmetz

Im Mai 2020 hemmer de Wettbewerb ge abhalte. Bis zum Juni hemmer denkt,
zsämme mit de Badische Zitung un em gohts deno. Aber do hemmer is vekalku-
SWR usgschriebe un schu bal druf sin die liert. Bereits im April het deswege de Stu-
erschte Beiträg kumme. Sie sin brav un dioleiter vum SWR in Friburg, de Chris-
sorgfältig gsammlet un regischtriert wore toph Ebner, entschiede, dass e Livestream
un wenn sie nit vun vorne rii anonym gsi plant were mueß.
sin (wie s in de Usschriibung gforderet
wore isch), sin sie anonym gmacht wore. D Jury, wo us de Autorin Ulrike Derndin-
Im Dezember 20 hemmer uns deno zue ger, de Autore Johannes Kaiser un Edgar
nere Verlängerung bis Ende Jänner 21 ent- Zeidler, sowie de Vetreter vu de Badische
schlosse, wil d Corona-Situation immer no Zitung, Franz Schmider, un em SWR, Mat-
nit so gsi isch, dass mr bal het könne d thias Zeller, bstande het, het sich au nur
2 Priisverleihung unter normale Bedingun- online treffe könne, was alli schweren Her- D Laudationes, uf em Bild de Franz Schmider, sin iigspielt wore. Foto: Ari Nahor 3
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zue gspielt un nach un nach D Priise sin ibergää wore. Jeder het e Holz-
s Gheimnis glüftet. Die zwei herz mit Rose kriegt (us de Werkstatt vum
hen sich usgiebig mit de Tex- Günther Becker) un natirlich e Urkunde un
te un mit de Persone dehin- e Umschlag mit em Priisgeld. D Zitt isch
ter beschäftigt, damit sie au wie im Flug vergange un im Nu isch alles
e kleine Plausch halte hen rum gsi. Coronabedingt het au nimmi gfiirt
könne, nachdem die einzel- were derfe. Wege dem het mr sich verab-
ne Vorträg fertig gsi sin.

Wege Corona het gar kei


Publikum debii sii derfe. Im
Natirlich sin alli in d Maske kumme, uf em Bild d Andrée Saal sin nur noch d Techni-
Steinmetz-Meichel. Foto: Gérard Steinmetz kerInne un Kameralitt gsi, d
Priisträger hen zsämme mit
Schließlich het mr sich uf folgendi Priis- ere Begleitperson usse am Bildschirm alles
verteilung g‘einigt: mitverfolgt bis sie selber dro kumme sin.

Lyrik Jeder Beitrag isch vome Jury-Mitglied


1. Platz: Andrée mit ere Laudatio vorgstellt wore. D Ulrike De erschte Platz in Prosa isch an Lotta Chris-
Steinmetz-Meichel Derndinger, de Franz Schmider un de Mat- tiansen gange. Fotos: Ari Nahor
2. Platz: Beate Reiner thias Zeller sin dodezue zwei Tag vorher
3. Platz: Rainer Fribolin ufgnumme wore, de Edgar Zeidler un de
Johannes Kaiser sin deheim gfilmt wore,
Prosa wil es terminlich nit passt het bzw. de
1. Platz: Lotta Christiansen Grenzübertritt coronabedingt schwierig gsi
2. Platz: Raymond isch. An de entsprechende Stelle isch des
Weissenburger deno iigspielt wore, genauso wie die musi-
3. Platz: Heidi Zöllner kalische Beiträg vu de Gruppe Goscheho-
bel, wo z dritt ufgspielt hen. Alles in allem
Junioren-Priis isch des schu e ziemlichi Jonglage gsi.
in Prosa und Lyrik Ei Gedicht isch gsunge wore vum Rainer
Catharina Müller Nachenander sin alli Priisträgerinne un Fribolin.
Priisträger ans Rednerpult gruefe wore. Da
d Zitt knapp berechnet gsi isch, sin die lan- schiedet un e jeder isch wieder in si Hei-
Priisverleihung ge Prosa-Beiträg vum Raymond Weissen- met gfahre, die eine nah, die andere wit,
wie im Fernseh burger, de Heidi Zöllner un de Catharina manchi sogar noch durch e heftigs Gwitter.
Müller vekürzt vortrage wore. Mr kann si
Am 4. Juni 2021 isch es deno sowit gsi. Im aber noch in voller Längi uf de Websitte Aber schön isch es gsi. Un alli sin sich ei-
Schlossbergsaal im SWR-Studio in Friburg vum SWR ahorche, e Link dezue findet mr nig gsi: Des mache mr bal emol wieder.
isch alles ufbaut gsi. D Moderatore Marion au uf unsere Websitte. De Raymond Weissenburger het d Gschicht
4 Eiche un de Jürgen Hack hen sich de Ball vum Sliman iigreicht un de 2. Platz gmacht.  Friedel Scheer-Nahor 5
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Eine Liebeserklärung an die Sprache Muettersproch


Laudatio auf Catharina Müller zum Junioren-Preis Prosa

Es ist eine Liebeserklärung. Eine Liebes- Mit einem Hauch von Wehmut und Sorge Di ha ich ghört als mir d Welt, s Läbe no Ich bi frei gsi un ha di lut usebruschtet, ohni
erklärung an die Sprache, die landläufig betrachtet Catharina diese Entwicklung, fremd gsi isch. Ganz lislig bisch zu mir Gedanke, di au mol grahgölt. Übermüetig.
Muttersprache genannt wird, weil es die aber nie mit Weinerlichkeit oder Larmo- duredrunge. Durch Wänd di cheini Wänd Hinter jedere Ecke häsch uf mi gwartet,
Sprache der Herkunft ist, der Heimat. Hei- yanz. Sie bleibt eher im Bild des Baumes, gsi sin. Di Chlang, ruch un voller Wärmi. ufgschnappt ha ich di, mit mir umetrait.
mat ist hier weniger ein Ort als Gefühl. Es der ja auch immer neue Triebe hervor- Du häsch mi beruehigt, au wenn ich di no Un immer wieder ab dir gstuunt. Mengg-
ist der Klang der Nestwärme. Und wer das bringt, sich auffächert. Und dieses Bild nüet verstande ha. Di nüet gseh ha. Di nüet mol wenn ich mit niemerem verabredet
Glück hat, sie erfahren zu haben, weiß die verbreitet Zuversicht. Vorausgesetzt der gfüehlt ha. Un doch häsch, noh un noh de gsi bi, bisch du trotzdem do gsi. Bi nüet
Bedeutung zu schätzen. Baum hat ein solides Wurzelwerk. Denn Wäg über mini Ohre zue mir gfunde, dief allei gsi. Sondern ha mit dir zämme Plän
dann gibt es keinen besseren Ort, um zur in mir Wurzle gschlage, wie ä Baum. gschmidet. Mir alles usgmolt mit de bun-
Aber wie Vögel das Nest verlassen, wie Ruhe und zu sich zu kommen. Der Ort deschte Molchaschtefarbe. Di em Dunkle
Kinder erwachsen werden und in die Welt kann auch eine Sprache sein. Solange Du bisch gwachse, ä dünne Schtamm de Nacht gwiche sin. Durchfloge worde sin
gehen, wächst auch die Sprache, die ja an junge Menschen ihrer Muttersprache so erscht, no brüchig. Die erschte Worte, die vo graue Chrabbe, die ihri Näschter uf mi-
die Menschen und die Zeit gebunden ist. intensiv verbunden sind und so eindring- bi mir Wörter gsi sin. Gsaid un nommol nem Baum baut hän. „Göhnt, verschwin-
Sie verändert sich, verästelt sich immer fei- lich formulieren können muss man sich gsaid, gstülberret, un sie wieder ufgfange. det!“, ha ich mit dir gruefe un mini Wort
ner wie die Krone eines Baumes. Auf ihre um diesen Baum jedenfalls keine Sorgen Nüet ufgeh, sondern drabliibe. Glich wie sin verlore in de Nacht. Des Läbe hät neui
Art wird auch sie erwachsen. Man könn- machen. me s über d Lüt vo do said. Über d Johr Schattirige chriegt. Zu de Lichtigkeit isch
te einwenden, das sei wenig originell, oft isch di Stamm kräfftiger gworde, durch Schweri cho. Zu de Chindheit d Jugendzit.
beschrieben. Aber nicht so. Denn immer Franz Schmider Gschichte di ihr mir verzählt händ. Durch Zum Dorf ä Stadt. Un derno isch do noh
wieder findet Catharina Müller anschauli- mi ufmerksames Zuelose. Durch Wörter un noh di anderi Sproch gsi. Sie hät sich
che Bilder, um dieses Wachsen heraus aus di ihr mir geh händ, im Vertraue, dass angschliche cha, über Johr scho. Immer
der kindlichen Welt voller Traumsand zu ich sie zu mine mach. Un ich ha agfange mol wieder mit ihrem Wind um mi Baum
beschreiben, zur Leichtigkeit gesellt sich z schwätze. Wie ä Windrad des uf eimol gweiht, mi ifange welle mit ihrem aschin-
irgendwann die Schwere, zum Tag die gnueg Wind het, um sich z dreihe. Un ich lich erwachsene Wäse. Mi vo ihrem Intel-
Nacht, dann kitzelt der Duft der Freiheit in ha Wind gha. Un Sunne. Mit mine Wör- lekt überzüge welle. Hät mit ihrer Weltof-
der Gestalt von Weltoffenheit an der Nase. ter ha ich Wortchette baschtle chönne. fenheit an minere Nase chützlet. De Wind
Wie eine siebenpfotige Katze schleicht Wie Gänseblümli zu eme Chranz zämme isch stärker gworde, grüttlet hät er. Für mi
sich in der Folge die neue Welt unmerklich pfrimmele. Ganzi Fantasiewelte ha ich mit hät sich die Sprache aber oft chalt agfüehlt,
herein ins Leben, geräuschlos wie Schnee- dir baue chönne, di derno im Sandchasch- wie ä leeri Halle. Verlore bin ich gsi, ori-
flocken rieselt die neue Zeit und verändert te zemmegriiselet sin. Finer Traumsand entierungslos. Mi Zunge wie pelzig unter
die Landschaft, der Schnee von heute legt zwüesche mine chleine Händ. Mi Baum den neuen Wörtern. Sur sin mir manche
sich auf den Schnee von gestern. Wie das aber isch immer wieder gwachse. Erschti von denen ufgstoße. Nüet vertrait ha ich
Leben wächst die Sprache in Schichten, Äscht, die mi drait hän. Gabelige, die nach die. „Was si mues, mues si“, ha ich gsaid
das Neue legt sich über das Alte, es gibt rechts un links witergange sin. Zwieg, die chriegt, mir selber gsaid un mi unusgspro-
Dinge, die auf der Strecke bleiben. Un- sich gfüllt hän mit Läbe. Trieb, die z blüeje chenes Iverständnis dezue geh. Zu was?
merklich, zwangsläufig. afange hän, nüet numme im Früehlig. S Neue hät mir Müehe gmacht. Mi volli

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Aufmerksamkeit bruucht. Wie a Chind ä Znüni im Gschäft un mi Marmlad ufm S Lebe nimmt e anderi Wendig
ha ich mi wieder gfüehlt, numme dismol Brod no immer ä Guetseli. Ihr händ zu­ Laudatio auf Catharina Müller zum Junioren-Preis Lyrik
fremd in Mitten dieser Sprache. glüegt wie ich erwachse gworde bi un
zgliich de Muettersproch entwachse, ver-
Aber am Wägrand isch do so viel mehr wachse het sich s Hochdeutsche un du, mi „Zit“ (hochdütsch: ‚Zeit‘) heißt des Ge- Wie het des chönne passiere? Im Gedicht
gsi. Do hät s Neues geh, Mensche, Ort. Un Dialekt. Un do ha ich s gmerkt. Wie wem- dicht. Es isch in ere freie Form, aber sehr heißt’s: „Sie het de Abschied verpasst /
ich ha s nüet gmerkt, nüet merke welle, ma ä Gfüehl verlore het. Me weiß wie sich dicht komponiert, mit eme komplexe Uf- Wie e wichtige Termin / […] nüet itrait im
wie langsam die Sprache mi Sproch ver- s afüehle mues, aber man spürt es im Mo- bau uf eigentlich drei Ebene, wo aber ganz Chalender“ – Do isch de Zämmehang zum
drängt het. Agschliche wie a Chatz uf ihre ment nicht. Me weiß no ganz gnau wenn organisch verbunde sin. Es het e Text-Rah- Text-Rahme: Mit em Dot vo dere Bekannte
siebe Pfode us chniehochem Gras. Sie het me s in de Fingerspitze, s Chützelet gha me mit em gliiche reflektierende Gedanke nimmt’s Lebe e anderi Wendig. Jetz wird
sich uf mi Baum glegt, sich über di glegt. het un einem äweng sunnig war vor lutter, am Afang un am Schluss; do heißt‘s: „Me klar, dass des, was mer erlebt, wichtiger
Wie Schnee. Liis durch d Luft gwirblet. So vor lutter, ja dem, ja dir. Un derno isch do said / Dag werde länger un d’Johr werde isch wie ne Kalender in mathematische
schiinbar harmlos, verzaubernd, tanzend. d Angscht. Wenn du nümmi zruckkehrsch, chürzer“. – ‚Zit‘ isch also öbbis anders wie Koordinate. „d’Zit isch zitlos gworde in
Schneeflöckle chönne doch nüet bös si. di nümmi finde losch. Unterem Schnee no des uf de Uhr oder im Kalender, wenn’s dem Moment“, heißt’s.
Doch mini Triib het s butzt, mengi Äscht der vom Johr devor, devor un devor lit. ums eigene Erlebe goht.
au gstutzt. Ich ha nümmi lüpfe gsaid, son- Wie lang wartesch du no uf mi an de Hus- Un doch frogt sich’s lyrische Ich an de Am-
dern halten, mi het s nümmi tschudered, dür, im Wiicheller, in de Chuchi vo mine Wemmer frogt, wie’s zue dem Gedanke ple: „Was blibt? Was blibt zruck?“
sondern gefroren un des Muckeseggeli war Großeltere, am Delifon mit ere Fründin vo chunnt, no muess mer in de Mittelteil vom
derno nur noch ein bisschen. Doch es war dehaim, ame Fescht im Dorf, am Trottoir Gedicht luege. Do wird e Gschicht verzellt. Un git sich gli selber e Antwort: „Erinneri-
nüet Hochdeutsch in deren Ohren und für vo de Nochbarschaft, in de Gsellschaft? Si setzt ii mit em lyrische Ich, wo mit eme ge“.
mi chei Dialekt. Aber was wars dann? Es Wie lang ha ich no Zit, um di z suche, z Fahrzüüg an ere Ample haltet. Un do göhn
war nüet ein Zuhause un au chei Dehaim. finde un di zruck z gwinne? Di z erfroge d’ Gedanke zruck zuen ere andere Person, Un wie die Erinnerige dann beschribe
Es war nüt ä Afang un kein Ende. Nüet un Spure vo dir in mir, in minem Schnee z e „sie“, wo ganz offebar mit em Fahrrad e werde, des isch de stärkschte Teil vo dem
ihrs un nüet mins. Wem hät s denn dann seh. Un wann wirsch du wieder blüeje, du, dötliche Unfall gha het. Gedicht: „Wie Seipfiblodere“ sin si, die Er-
ghört? Wem sins bisch du denn? mini Muettersproch? innerige (übrigens e wunderbares aleman-
nisches Wort), wie Seipfiblodere, wo „furt-
Ihr händ mi schwätze lo un händ au  Catharina Müller trait werde / Vom Wind“. Un am Schluss
gwüsst, dass mi Dienstag im Grund ä isch sogar no ne Hoffnig adüütet: Si ver-
Zischdig isch. Mi Frühstück bi der Arbeit schwinde nämlich im „himmelblau“.

E herzlichi Gratulation an d’Catharina


Müller zum Juniorpriis Lyrik!

 Johannes Kaiser

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Zit Ei Velo mehr oder weniger Zur Person Catharina Müller


Was isch des scho in dere Stadt
Me said Es isch nüt
Dag werde länger Aber des Nüt isch groß
un d Johr werde chürzer So unbeschriiblich groß Zum Schreiben in Mundart ist sie durch
Unbegrifflich den Gerhard-Jung-Wettbewerb gekom-
Un ich fahr no zwüsche do un dört Nüet griffbar men, bei dem sie bereits 2015 in der Sparte
Mi Chopf scho längscht deheim Lyrik den 3. Platz belegt hat, was ihr drei
Mini Füeß no uf de Bremsi Sie het de Abschied verpasst Jahre später noch einmal gelang. Im Jahr
un uf em Gas Wie e wichtige Termin 2020 wurde sie dann auch bei der Lahrer
War nüet itrait im Chalender Murre mit dem 2. Platz für ihr Gedicht
Roti Ampel Z voll isch gsi „Liebi“ belohnt. Zu ihrem Schreibprozess
Diisig rot, gelb, grüen Gsi sagt sie: „Meine Texte/Gedichte entstehen
Grüen, gelb, rot Un was blibt? in der Regel aus einem ersten Gedanken,
Rägetropfe Was blibt zruck? den ich wochenlang mit mir rumtrage. In
Rot, tot Für de Rest? meinem Kopf findet dann nach und nach
alles zusammen. Das Schreiben an sich
Sie isch eifach heimgfahre Erinnrige geht ganz rasch. Einmal hingesetzt, findet
Wie ich hüt Vorsichtig Catharina Müller ist 1994 ein Wort zum anderen. Für den Feinschliff
Isch nüet acho Sie sin so zerbrechlich geboren und in Efringen- rufe ich meinen Opa an oder sitze mit mei-
Nüet durchcho Wie Seipfiblodere nen Blättern bei ihm. Er ist es, der mir die
Durch was? Chasch sie nüet hebe
Kirchen aufgewachsen. alemannischen Wörter wieder gibt, die
Numme bestuune Sie wohnt heute ich in den vergangenen Jahren mit zu-
S het gchlöpft Wenn Sunnestrahle driinecheie in Freiburg. nehmend hochdeutsch sprechen, verloren
Sie het‘s, het‘s nüet gseh un sie leuchte habe. Da wird auch mal kurz diskutiert.
Nüet seh chönne Wenn sich d Wulke dinne verfange Ich würde sagen, alemannisch zu schrei-
Ihr Schicksal Für de Moment ben ist wie heimkommen.“
De Zuefall Wenn sie furttrait werde
Vom Wind Auch bei der Arbeit ist Sprache ein Thema
D Choordinade hen sich gchrüzt Un neuime für sie, wenn auch auf eine andere Art. Als
Am falsche Ort im blau, blau, himmelblau Sozialarbeiterin ist sie in einer Einrichtung
Zur falsche Zit verschwinde für Menschen mit Behinderung im Sozial-
Un d Zit isch zitlos therapeutischen Fachdienst in Müllheim
gworde in dem Moment Me said tätig. Nebenher widmet sie sich der Sozial-
Het sich ufglöst Dag werde länger arbeitsforschung in der Dualen Hochschu-
un verdopplet un d Johr werde chürzer le BW in Villingen-Schwenningen.
Zitgliich Un des isch wohl s Läbe
Menggmol

Catharina Müller
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Gute Texte haben Magie Summer bi dir


Laudatio auf Lotta Christiansen zum 1. Preis Prosa

„Wunderbarer Text“ steht auf dem Be- Und gerade diese Spannung zwischen ge- Nüt schmeckt so arg nooch Summer bi dir Nüt fiiehlt sich so arg nooch Summer bi dir
wertungsbogen. Es ist die erste, spontane danklichem Davonfliegen und zugleich wie Walderdbeerli, chleini, sießi, perfekti a wie chützliges Gras unter blutte Fiieß,
Reaktion nach der ersten Lektüre, bei an- am Boden bleiben zeichnet den Text aus. Walderdbeerli, die mir zwüsche de Blätter Heugumber, die vo unsre Händ abegumbe,
deren Texten stehen andere Bemerkungen. Uns läuft das Wasser im Mund zusammen, vor diem Chellerfänschter hän mieße fin- warme Wind im G’sicht bim Schaukle un
Es ist ein Eindruck, eine emotionale Be- wenn wir an die roten, süßen Walderdbee- de, bevor d Schnägge sie gfunde hän, well chiehle Schatte in unserm Wald.
wertung. ren denken, wir riechen das Heu, auf einer die sie mindeschtens so gern gha hän wie
Wiese liegend träumen wir uns beim Blick mir. Nüt schmeckt so arg nooch Summer bi
Dann kommt der zweite Schritt, in dem in den Wolkenhimmel weg in eine andere dir wie Rotkrutduft durchs offni Fänsch-
die Frage zu klären ist, was ihn so wun- Welt. Es ist eine Einladung, diese eigenen Nüt schmeckt so arg nooch Summer bi dir ter; nüt klingt so denoch wie immer wiedr
derbar macht. Bilder, die wir alle irgendwo in uns haben, wie ne Matte mit Greser, Klee un Krütter, di Rüef „À table, mes enfants“ uuse in de
noch einmal wach werden zu lassen, sich uf dere mir stundelang spiele, tobe, liege Gaarte, den mir wiedr und wiedr falsch
Was macht einen guten Text aus? Er steht zu erinnern und darin das eigene Leben hän chönne, am läse odr am Bilder in de verstande hän; nüt schmeckt so arg nooch
nicht einfach da, Wort für Wort, Satz für zu spüren. Die Wortwahl ist sehr differen- Wolke süeche. selle Summer wie Greipfruutschorle us
Satz. Ein guter Text stößt die Tür auf zu ziert, präzise und nuanciert. Aber sie ist Sänfgleeser.
einem Kopfkino. In diesem verwandeln auch sparsam, lässt dadurch Raum für die Nüt klingt so arg nooch Summer bi dir wie
sich die Worte und Sätze in Bilder, in Mu- Fantasie, sie schreibt vorweg, aber niemals ‘s Rausche vo de Birkeblätter im Wind, Nüt isch so still im Summer wie bi dir in
sik, in Imagination. Gute Texte haben Ma- vor. liicht un fiin wie Silberglöckli, un am an- de Zit vo de Middagsrüeh, kei Kinderlache,
gie, weil sie alle Sinne anrühren. Als Leser der End vom Gaarte unser Wald, e einzige kei quietschigi Hollywoodschaukl, kei lu-
riecht man mit, trauert mit, freut sich mit, Vordergründig nimmt der Text eine traurige Baum, abr so verwunsche zwüsche de ho- tes Zälle, wenn mir Versteckis im Schöpfli
bekommt Herzklopfen, fiebert, bibbert, Wendung, als wir vom Tod des Menschen che Büsch, dass dört alles möglich gsi isch. spiele, well bis drei isch Middagsrüeh. De-
versinkt in Gedanken. Das alles passiert, erfahren, bei dem sich das alles zugetra- nooch isch wiedr Summer in diem Gaarte.
wenn man Lotta Christiansens Text liest, gen hat. Aber in den intensiven Erinnerun-
es ist eine Erinnerung an einen magischen gen steckt mehr: Die erinnerte Person geht Abr weisch du… Selli Stilli klingt nooch.
Ort. Aber dieser magische Ort ist nicht ir- ja nie so ganz, sie lebt fort und wird zur Sie klingt nooch, sit du nümmi läbsch un
gendwo, durch die Verwendung des Ale- treuen und tröstenden Begleiterin. Es ist mir kei Summer in diem Gaarte meh sin.
mannischen wird er recht konkret verortet. also ein wehmütiger aber heiterer, leichter, Doch in jedem Walderdbeerli un jedere
Mehr noch, er wird in vielfacher Hinsicht sensibler und zugleich kraftvoller Text. Greipfruutschorle, jedere Birke un jedem
geerdet. verwunsche-chleine Wald, jedem Mool uf
 Franz Schmider Matte liege un Wolke aalüege, jedem Sum-
merwind un jedem Blätterrausche find
ich alli selli Summer, find ich immr wiedr
dich.

 Lotta Christiansen

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Zur Person Lotta Christiansen S Heimweh vom Sliman


Laudatio auf Raymond Weissenburger zum 2. Preis Prosa

D Kìndheitserìnnerùnge, wo der Raymond Der Sliman erìnnert si àn e Gsprach zwì-


Obwohl they nie im alemannischen Sprach- Weissenburger in sim poetische Prosatext, sche sinem Vàtter un Großvàtter: „Sùhn,
raum gewohnt hat, fühlt Lotta Christian- Sliman, verzählt, fiehre uns ìn e Klàsse- dü bìsch dinem Kìnd zwei Sàche schùldig:
sen sich bis heute mit der Region verbun- zìmmer. s Brot ùn s Wìsse!“ Wajje n em „Wìsse“
den – denn da sprechen die Menschen so ìsch d Fàmìlie ìns Frànkrich üssgwàndert.
wie they selbst eben auch. Heute ist they Wie jedes Johr vor de Ferie hät der Lehrer
Linguist*in, spricht neben Alemannisch ìn sine Schieler e Uffsàtz ùffga. Sall Johr S ergriffende Porträ vo der Yemma (d Màm-
noch sieben weitere Sprachen und steht ìsch s Thema gsì: „Ùnsri Wìnsch“. Ìn der me) verbùnde mìt der Sehnsùcht nohnem
als Poet*in unter dem Bühnennamen Valo Klàss sìtzt aui der Sliman üss Kàbylie. Großvàtter ùn der Heimet versetzt der La-
Mar mit Lyrik und Prosa bei Poetry Slams ser ìn d Làj vom Sliman. S Heimweh vom
auf Bühnen sowie aktuell bei digitalen For- D Bschriwung vom Lehrer, wo unverhoft Sliman ìsch ang mìt em Wùnsch verbùnde,
maten. Their liebste Themen sind auf und der Uffsàtz vom Sliman ìn de Schieler vor- sini Màmme wìdder glìcklig ze sah, denn
abseits der Bühne Sprache in Einzahl und lìest, ìsch e Meischterleischtùng. Der ele- sie hät „ìhr Làche ìn der wìnzig ùn kàlt
Mehrzahl, Sprachwissenschaften, psy- gànt Stil ùn der bìldrich Wortschàtz stìm- Wohnùng verschlùckt.“
Weil die Weiler Uroma nur
chische Gesundheit, und intersektionaler me e Loblied ùff d elsassisch Sproch à.
Feminismus. Lotta Christiansen setzt sich Ùn eso fliesst, àm And, s Thema Müeter-
Alemannnisch sprach, wuchs beruflich und ehrenamtlich für eine För- lieb ìn dia wùnderbàr Erzählùng ni ùn
Lotta Christiansen, gebo- derung geschlechtersensibler Sprache ein. spandiert ìm Harz vom Laser e heimeligi
Für die Teilnahme an diesem Wettbewerb Wärme.
ren in Worms in Rhein- hat they sich erstmals in their Mutterspra-
land-Pfalz, bidialektal che Alemannisch an literarische Texte ge-  Edgar Zeidler
wagt.
mit Alemannisch
und Standard-
deutsch auf. (Ein kurzer Hinweis zu dieser Vorstellung
von Lotta Christiansen selbst: Ich bin eine
nicht-binäre Person, also weder Frau noch
Mann. Daher habe ich für meine Vorstel-
lung auch Pronomen (they/them/their)
gewählt, die für viele im Gebrauch noch
etwas ungewohnt sind.)

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Mit g’schlossene Auje het er ùf d’erschte, Un so het‘s ààng’fànge, in sinem Dorf, in


Sliman giftige Bemerkùnge g’wàrt. Awwer nix vùn Kabylie. So jedefàlls het ers g’schriwwe
dem àllem isch pàssiert in dem ùng’wehnli- g’het. Siner Vàdder ùn siner Groosvàdder
D‘ Summer vùn minere Kindheit sin ge- er versüecht het sini Emotione ze verberje, che stille Klàssezimmer. Ich bin mir sicher, hàn sich ùnterhàlte. Iwwer wàs het er sich
prägt vùn ùnzählige, glickliche Erinne- sini recht Aujebröje hochgezöje ùn het, e dàss er sich g’wùnsche het, dàss einer vùn nimmi erinnert, nùmme d’Antwort vùm
rùnge, so dàss es mir schwerfàllt die eint Brùchteil vùn äre Sekùnd làng, denne Blick denne groosse, gànz hinte näwe dem impo- Groosvàdder het er nie vergesse: „Sùhn,
odder die ànder, die wie güete Frind in mi- ùfg’setzt wie mir nùmme vùn ihm gekennt sànte Bicherschrànk sitzende, mit de Hän- dü bisch dinem Kind nùmme zwei Sàche
nem Herz e Heimet g’fùnde hàn, üs dem hàn wenn er àn de Fiirdäj de Kirchechor selaie àànfànge düet. Er het àlles so schnell schùldig; ‘s Brot ùn ’s Wisse.“
frindliche G’wühl erüs ze wähle, obwohl … dirigiert het. Frei vùn jedem Weltschmerz. wie mejli hinter sich bringe welle. Nix isch
obwohl eini sich immer widder vordrängt So isch er jetz vor ùns g’stànde, de „monsi- g‘schähn. Nùmme d’Stille isch noch erdri- S Brot hätt de Vàdder au in Kabylie verdie-
ùn mich àn denne letschte Schüldàà vor de eur“, ùn mir àlli hàn ùf die Metamorphose ckender worre. Es mües ihm vorkùmme sin ne kenne, doch fer’s Wisse het er nix im
groosse Ferie erinnert, vor ùngefähr fùfzig g’wàrt wenn er sinem G’sicht, ohne Grüess wie wenn d’gànz Klàss ihre Odem àng’hebt Züfàll iwerlon welle. Sie sin ùf Frànkrich
Johr, wo ich noch àls klaaner Büe in ùnse- ùn Abschied, widder erlaubt het siner àl- hätt. Er het sich nitt tröje rihre, g’lähmt vor gezöje. De Vàdder het ùf äre Böjstell sin
ri Dorfschüel gànge bin. Es kànn sin, dàss däjlich Üsdrùck àànzenemme. Wie immer. Angscht. Sini schweissgebàdete Händ het Geld verdient, er isch in d’ Schüel gànge ùn
viel vùn dem ich jetz verzähle wùrr viel er versüecht ùnterem Disch ze verstecke ùn d’ Yemma … d’ Mama.
später àn Dittlichkeit g’fùnde het, àwwer Awwer des Johr isch nix wie immer ge- er isch in sich zàmmegànge wie e Daig in
d’erscht Erinnerùng bliebt ùn d’ Johre hàn wänn. Uf einmol het de „monsieur“ denne m’r vergesse het Hefe inzerihre. Aicha het se g’heisse ùn sie isch d’
se nitt verfälscht. üsg’sähn wie e sùnniger Dàà nochem Räje scheenscht vùn àlle Yemmas gewänn. Un
wie àlles im e scheenere Licht schiine losst. Dànn, ùf einmol, het aaner in d’ Händ G’schichte het die verzähle kenne, friejer,
Wie jed’s Johr, hàn mir àm Dàà vor de Nitt e Leuchte wie des vùn de Sùnne, naan, geklàtscht. E àndere isch ùfg’stànde wàs wo die kàlt Dämmerùng in ihre winzige
groosse Ferie e Ufsàtz schriiwe müen. Des- eh e rühiges, bedächtiges Glänze, wie des noch nie vorkùmme n’isch ohne d‘ Erlaub- Wohnùng ihr Làche noch nitt verschlùck
johr het’s g’heisse mir solle ùns‘ri Winsch vùm Mond. Üs sinem sùnscht so schlàffe, nis vùm „monsieur“, ùn aaner, vùn denne g’het hett! Friejer in Kabylie. De Sliman
ùf’s Pàpier bringe. Züem Beispiel wàs mir fàhle, üsgebleichte G’sicht isch ùf einmol gànz hinte het siner Nàme g’rüefe. D‘gànz het sich vor ihre ùf de Bodde g’sezt ùn het
gern hätte odder gern ändere mechte, wo e jùnger Maiedàà ùfg‘stànde, so sùnder- Klàss isch ùf einmol ùfg’wàcht ùn het d‘ g’wàrt bis de Himmel iwwer ihne ùfgànge
mir gern ùnseri Ferie verbringe däte. In de bàr es mir’s hit vorkùmmt. Uf einmol hàn ààng’staut Energie iwwer ihne entlààde. isch ùn wùnderbàri azùrblöje Schmetter-
Berj, àm Strànd, ùfem Lànd. E jeder het sini Auje wild ùn fraidig gedànzt ùn hàn ling befreit het wenn sini Yemma mitem
– Sliman! Sliman!
sich àns Schriiwe g’màcht. Au ùnser Frind e odemlosi Sùnne gebore wie er in ùnseri Verzähle àngfànge het. Die Schmetterling
Sliman üs Kàbylie.* Welt schiine het lon, de „monsieur“. Un er De Raum het sich mit sinem Nàme g’fillt hàn sich dànn ùf d’ Sùnnestràhle g’setzt
het ùns im Sliman siner Ufsàtz vorg’läse. wie de Bàch der näwe sinem Dorf in Kabylie wie sànft dùrich d’ Blätter vùm Zitrone-
Vor de Paus het dànn de „monsieur“ ùns‘ri sich dùrich d’ steinige Häng schlängelt ùn baum g’rùtscht sin ùn hàn d’ Werter vùn
Ufgàwe ing’sàmmelt, ùn während mir ùns Wie er fertig gewänn isch het er nùmme de sich mit Wàsser ùn Schlàm vollaufe losst de Yemma rejelrecht ùfg‘sügt. Doch es sin
ùnter de Ufsicht vùn de Màmsell Léonie im Sliman àng’lüejt. Der het nitt g’wisst ob er wenn sich iwerem Berj e heftiges G’witter ken Werter iwwer ihri Lippe kùmme, viel-
Schüelhof àmüsiert hàn, het er ùns’ri Uf- làche odder hiile soll. Isch’s e güeti Arweit entlàde düet. G’fährlich isch des gewänn, meh isch’s gewänn wie wenn ùnzählige
sätz korrigiert. gewänn odder e schlechti? Un er het nàdier- so het ers ùns immer verzählt. Des hit mües Parfum-Fläschle ùf einmol üslaufe däte. Ihri
li g’spiert, dàss àlli Auje vùn sine Mitschüe- fer ihne gewänn sin wie wenn mitte in de G’schichte hàn de Dùft vùn ùnbekànnte
Un jetz isch er vor ùns g’stànde, ùnsere ler ùf ihne g’richt gewänn sin ùn dàss es Nàcht d’Sùnne ùfgànge wärd. Früchte, Blüte, Kritter, Berje voller Aromas
„monsieur“, mitem Ricke gäje d’ Wànd nimmi làng düere wùrd bis de inhümàn, widdergän. Wàs fer himlische Aujeblicke
– Sliman! Sliman!
g’lehnt, mit einem Ufsàtz in sinere Hànd ùn gröjsàme Spott, wie d’Kinder eigens fer ihri sin des gewänn! Un wenn in ihre Auje de
het g’wàrt bis Rüej im Klàssezimmer inge- Kàmeràde im e klaane Eck vùn ihrem Herz Wie e Dùnnerschlàà isch siner Nàme ins goldig Schimmer vùn de Sùnne im Dàà de
kehrt isch. Dànn het er, wie immer wenn hege ùn pfläje, iwwer ihne üsg’schitt wùrd. Klàssezimmer geknàllt, mit sine gànze Er- Befehl gänn het sich ze veràbschiede, dànn
innerùnge wie er ùf des Blàtt Pàpier ge- het de Dàà g’horcht. Er isch dànn làngsàm
16 * Kabylie = Kabylei, eine Region in Algerien, in der die Kabylen, ein Berbervolk, leben. brocht het g’hett. üsgànge wie d’ Flàmm vùn äre Kerz ùn 17
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die ùnbekànnte Melodie die ihne begleit Pàpier geglitte n’isch wie wenn er Johrhùn- Zur Person Raymond Weissenburger
hàn, hàn sich zerùckgezöje in d’ Hehle derte schùnn ùf denne Aujeblick gewàrt
vùm Berj. Dànn sin au d’ Auje vùm Sliman hätt. Er het ihne schriiwe lon, het ihne
züg’fàlle ùn die blöje Schmetterling hàn mit nùmme g’fiehrt. S Pàpier het vor Fraid ge-
ihre Fliejel e lewendiger Deppich geknepft knischtert, stolz isch’s gewänn so scheene Zunächst arbeitete er als Techniker und
ùf denne er sini miede Glieder üsg‘streckt Sätz traje ze därfe. Ich bin mir sicher, dàss wurde später technischer Übersetzer bei
het. Un sie sin mit ihm dert ànne g’flöje wo sin Herz sini gànz Trüerigkeit ùn sin Heim- Michelin in Karlsruhe.
de Sirocco siner Ursprùng het, ùn sie sin weh mit einem Schlàà ùf’s Pàpier üslaufe
mit ihm bis in d’ Oase vùm Scheik Sheya- het lon. Un sin Herz het die ràffinierschte In der Freizeit beschäftigt er sich schon lan-
fouak g’flöje wo d’ Kinisdàttle wàchse. Bis Werter üsg’süecht, het se dànn in Grùppe ge mit der Sprache und widmete sich ins-
àn d’Küschte sin se mit ihm g’flöje ùn er ingegliedert ùn so sin die wùndervollschte besondere dem Dialekttheater. Er schrieb
het in d’ Auje vùn de Wüschteàntilop lüeje Sätz entstànde die sini Empfindùnge so Dutzende Theaterstücke, die nicht nur im
därfe ùn er het d’ scheenschte Amethyste àànmüetig widergän hàn, dàss e Poet sie Elsass, sondern auch in Deutschland und
in sine Händ hàlte därfe, àwwer ‘s Wich- nitt scheener hätt beschriiwe kenne. Es Österreich aufgeführt wurden.
tigschte, sie hàn ihm ’s Door vùn äre Welt isch wie e scheenes Bild gewänn wie ùfem
ùfg’màcht wie er nie kenne lehre hätt wenn Pàpier G’stàlt àng’nùmme het. S Bild vùn Daneben hat er auch Gedichte geschrieben
ihm d’ G’schichte vùn sinere Yemma nitt deheim. Er het nix vergesse, de Sliman. und einen Gedichtband veröffentlicht. Die
hätte traime lon. Jede Einzelheit het er g’speichert g’hett. S meisten Gedichte daraus hat er in Elsäs-
Raymond Weissenburger
àlte Ràd, d’Nähmàschinn vùn de Yemma, sisch geschrieben. Aber da er dreisprachig
– Sliman! Sliman!
de Ofe, d’ Flàsche mitem Oliveöl, de Kiche- wurde 1943 in Munchhausen ist, war es für ihn auch ein Leichtes sol-
Ich seh hit noch de Sliman wie er sini Auje disch in denne er heimlich siner Nàme in- bei Seltz im Elsass ge- che in Hochdeutsch und in Französisch zu
züg’màcht het ùm sini Träene ze ùnter- geritzt g’hett het, de Hùnd vùn Omar, des schreiben.
drùcke. Blöje vùm Himmel in des de wùnderlich boren. Er ist verheiratet
Berjgipfel sini Nààs streckt. Nix het er ver- und hat zwei erwach- 2007 wurde er mit einer „Bretzel d‘Or“ ge-
Siner Ufsàtz het er mit sinem Wùnsch ze gesse. Iwerhaupt nitt des verlorene Làche ehrt, sowie mit dem „Prix de poésie dialec-
sene Töchter.
End gebrocht. Er dät gern mit sinere Yemma vùn sinere Yemma. Noch nie het er ihre tale Conrad Winter“. Mit der bei unserem
in ihr Dorf in Kabylie zerùckkehre. Dert dät gejeniwwer sine G’fihler freie Lauf gelon, Wettbewerb eingereichten Kurzgeschichte
er siner Groossvàdder wiedersähn, villicht àwwer hit, hit wo sin Herz des àlles schrii- hat er Neuland betreten. Vielleicht kommt
au die blöje Schmetterlinge. Ja, er dät sini we het därfe, het er erkennt wie grooss sini dieses Genre in seinem Schaffen nun dazu?
Yemma mitnemme, dert ànne wo sie ihr Là- Lieb zü ihre gewänn isch. Glicklich het er
che vergesse het. Nùmme ùm des ze hole, se sähn welle. Er het ihre zerùckbringe wel-
demit in ihre Auje widder de glicklich Glànz le wàs àlli so àrig vermisst hàn bi ihre. Ihr
vùn de Vergàngeheit zerùckkehrt. Demit Làche.
die Melancholie verschwinde düet in däre
sie sich ing’hüllt het. Des het de Sliman ùf e Des isch siner Wùnsch gewänn, im Sliman
g’wehnliches Stick Pàpier g‘schriwwe. Die siner.
Quell üs däre er sini Erinnerùnge g’schöpft
het säller Dàà, het nitt versieche welle.  Raymond Weissenburger

Näwe mir isch de Sliman g’sässe ùn ich seh


18 hit noch siner Küjelschriiwer wie iwwer ‘s 19
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Erkenntnis – so logisch wie konsequent Di gueti alti Zit


Laudatio auf Heidi Zöllner zum 3. Platz Prosa

In alemannische Gschichte iwer d guet, alt Die Gschicht het uns gfalle, will si ziel- Früiher, so hört mer allewiil wieder, früi- D Vättere hän sich domols überhaupt nit
Zit z schwärme, isch wie e Stick Schwarz- strebig, ohni Länge durchverzehlt isch. E her isch alles besser gsi. Un mer truurt ihre um d Chinder kümmeret. Jedefalls nit um
wälder Kirschtort verspeise. Si schmeckt Thema einmol wie e Hemm uf lätz drillt noch, de guete alte Zit. d Maidli. D Maidli sin halt e so nebenii-
prima. Awer noch einem Stickli langt’s eim un untersuecht, was innewendig dran isch ne ufgwachse. Die sin dodezue do gsi, de
meischtens. am Läwe vun frieher. I ha scho als Chind ammig überlegt, wenn Muetter z helfe. Also go ichaufe goh un
isch si denn gsi, die gueti alti Zit. Un i ha schweri Tasche heimzschleipfe, s Gschirr
Also Obacht! Bschtimmt isch d Welt do- Der Text het Witz, d Autori het guet be- mir gwünscht, dass i dört scho uf de Welt vo de ganze Grossfamilie abwäsche, ab-
mols iwersichtlicher gsin. Awer wirklig au obachtet. Dodebi het si e authentischs gsi wär, in sellere guete alte Zit, wo alles tröchne un versorge. Däno d Huusufga-
scheener? Alemannisch, wu nooch de Regle vun de un jede so viil besser gsi isch. Will di alte be mache un nebeher uf die chlainere
Kunscht angwendet wurd. Lüt, allbott vo de guete alte Zit gschwätzt Gschwisterli ufpasse. Im Summer helfe
Im Stoßsiifzer nooch de guete alte Zit hän, wo jo leider vorbei isch, muess die de Garte ummespate un grase, Wasser
geht die nägscht Gschiicht uf de Grund. Uns het de Ton guet gfalle un d Irritation, also vor minere Geburt gsi si. Un i ha mi schleipfe un sprütze. Helfe bim Wöschuf-
Uf Südalemannisch setzt s lyrische Ich in wu d Gschicht am Anfang usgleest het. gfrogt, worum hän si si denn vorbeigo loh, hängge un bim Wöschglätte. Böde späne,
de Kindheit an, wu sich in de 1950er-Johr Erscht hesch denkt: „Bitte kei Gschicht die gueti alti Zit. iwachse un bloche. Naihe un stricke lehre
abgspiielt het. iwer d guet alt Zit!“ D Autori het zeigt, un vor allem, s Muul halte, wel d Wiiber-
dass es doch geht. Spöter, won i däno nümmi so chlai gsi völcher sowieso nüt wüsse vom wirkliche
Un, aha, sait des lyrische Ich: Schun do- bi un d Mamme mir als emol vo früiher Lebe. Wenn si us de Schuel gsi sin die
mols hän d Altvorderi gegeiwer ihm als E herzlicher Glickwunsch an d Heidi Zöll- verzellt hät, ha i gli gmerkt, dass die gueti Maidli, hän di meischte nüt lehre dürfe,
Maidli vun de guete alte Zit gschwärmt! ner! alti Zit au scho vor ihre Chindheit gsi si will si sowieso bal hürote. Un
S nimmt eim kei Wunder, dass sich des muess. hän si nit ghürote, hän si
Maidli desdrum winsche tuet, es wär do-  Ulrike Derndinger
mols schun uf de Welt gsin.

Was an Erkenntnis russpringt, isch so lo-


gisch wie konsequent und bringt e Hamp-
fel Demut in de Blick uf die Sach.

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sich dummi Sprüch alose müeße, wie alti Tennisplatz, uf em Kickballplatz oder bim Zur Person Heidi Zöllner
Jumpfere un vertröchniti Zwetschge. Si Musikloose un Lese.
hän viilmol in en andere Huushalt müeße
zum Choche lehre numme demit si vom Also cha die Zit vo de Chindheit vo minere
eigene Tisch eweg gsi sin. Un die Herr- Mamme au nit di gueti alti Zit gsi si, wel Heidi Zöllner ist den Muetterspröchlern
schafte sin zmeischt alles anderi als zimp- dört jo au de erschti Weltchrieg gsi isch, keine Unbekannte. Als Gruppenleiterin der
ferlich mit dene junge Maidli umgange. un s hinte un vorne an allem Wichtige Gruppe Wiesetal und Vorstandsmitglied
gmanglet hät, am Esse, am Holz zum Füü- im Hauptverein ist sie vielen inzwischen
D Buebe hän s, wenn i nochdenk, aber au re, an warme Sache zum Alege im Winter bekannt.
nit besser gha. Wenn de Vatter e Hand- un am Geld sowieso.
werker gsi isch, hän si recht bal in de Sie ist Mitglied bei der Trachtengruppe Zell
Werkstatt helfe müeße s Zügs länge, wo No hät mer mi Mamme vo de Chindheit vo i. W. und beim Laientheater. Bei letzterem
viili Mol für die Buebe z schwer gsi isch. ihre Mamme verzellt un hät gfunde, dass hat sie sich schon mehrfach als Übersetze-
D Werkschtatt ufrume un uswüsche. Ne- es ihre selber doch besser gange sei wie rin von Theaterstücken ins Alemannische
beniine Huusufgabe mache un de Muet- als de Großmamme un seleri ihre Mamme hervorgetan. Daneben ist sie auch bei der
ter bi de schwere Arbete helfe. In d Lehr un so witter. Fastnachtsgemeinde Mittelstadt Zell als ak-
hän si meischtens uswärts müeße un bim tive Umzugsteilnehmerin dabei und wirkt
Meischter im Huus­halt lebe. Lebe als grad Un wenn i mir überleg, dass nit emol de auch mit Beiträgen zur Schnitzelbank mit.
Heidi Zöllner wohnt im
eso glidene Mitesser am Tisch, mit Heim- Adam un d Eva z friede gsi sin, mit dem Sie schreibt schon einige Jahre Kurzge-
weh. Un wie oft isch nit bi jedere Winzig- was si in ihre Zit im Paradiis gha hän, Hebeldorf Hausen im schichten, Gedichte, auch Theaterstücke
keit im Meischter d Hand usgrutscht. sag i: „ Adje, gueti alti Zit, du großis Luft- Wiesental und ist von und natürlich Beiträge in „Alemannisch
schloss, wo all no in de Chlimse vo e paar dunkt üs guet“. Im letzten Jahr erfreute
Viili Buebe hän zu de Buure als Hüetebueb Chöpf ummegeischteret. Beruf Steuerfachwirtin, sie jeden Monat die LeserInnen mit einer
go müeße demit deheim en Esser weniger eigentlich im Ruhe- Worterklärung in der Badischen Zeitung.
am Tisch ghockt isch. Un d Chinder vo de Un dir, hütigi Zit, au wenn de gnueg Blätz Auch Preise hat sie schon erhalten. So wur-
stand, aber doch
Buure hän vor de Schuel im Stall ghulfe abhäsch, wo mer flicke sott, sag i e freudig de sie bei der Lahrer Murre ausgezeichnet
un sich in de Schuel däno aloose mües- Gottwilche! Chumm i nimm di!“ noch nicht ganz. und beim Landschreiberwettbewerb Leip-
se, dass si stinke däte. Un i cha mir nit ziger Buchmesse.
vorschtelle, dass die Chinder in de guete  Heidi Zöllner
alte Zit bim Herdöpfel un Öpfel uflese, bim
Moschte, Metzge, bim Heue un Öhmde,
bim Schitlispalte un helfe, wenn e Chueh
gchalberet hät, meh Freud gha hän, wie
di hütige Chinder in de Schwämmi, uf em

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Kraftvolle Sprache und klare Dramaturgie Do léije se …


Laudatio auf Andrée Steinmetz-Meichel zum 1. Preis Lyrik

Mit ihrem Gedicht „Do léije se“ blickt An- wunden Punkt. Dazu braucht sie keine 20 Do léije se
drée Steinmetz-Meichel in die Massengrä- Zeilen, manchmal noch nicht einmal gan- Dùrich’enànder
ber der Schlacht von Froeschwiller – mit ze Sätze. Das schafft eine kraftvolle Spra- Newwe’enànder
jedem Absatz ein Stück tiefer. Das geht un- che und eine klare Dramaturgie. Mitunter Ìwwer’enànder
ter die Haut. Sie blickt erst unter die Erde, genügen ihr schon Satzfragmente, um ein
zeigt, wie der Tod alle im Leid gleich ge- Bild zu erzeugen und eine Geschichte wei-
macht hat – deutsche Soldaten und franzö- terzuentwickeln. Do léije se
sische Soldaten, beide mit ihren Pferden. D’ Röesser ùn d’ Mensche
Am Schluss dann der versöhnliche Blick Ein zutiefst humanistisches Gedicht mit M’r het se zàmmeg’schosse
über die Erde. Wo Gras wächst über die einem Schlüsselsatz, der auf die ideologi- M’r het se ìn Màssegräwwer g’schmìsse
Wunden der Geschichte und neues Leben schen Gründe abhebt, denen die Männer Ùn jetz’ sìnn se ìn’enànder verwìckelt
blüht. beider Seite zum Opfer gefallen sind – von Mìtte ìn ihre Wàffe
dies- und jenseits des Rheins. Mìtte ìn ìhre Gàmàsche
Die Autorin ist eine Meisterin der Andeu-
tung, der kurzen und knappen Sprache,  Matthias Zeller
sie trifft gleich ins Schwarze, berührt den Do léije se
Die vùn hìwwe ùn die vùn drìwwe
Fleisch àn Fleisch
Ùffene Müeler
Vollg’stopft mìt Grùnd

Owwe drowwe…
Grüent s’grüene Gràs widdersch
Blüeht de rot’ Klàtschmohn widdersch
Ùn d’ schwàrze Gràbbe draïhje ìhri Todeskreis’ widdersch

Nùmme
De Mond bellt
Mànchmol nàchts
Ùm se ze bewàche …

(Schlàchtfald Froeschwiller/Elsasshausen 6/08/1870 – 6/08/2020)

 Andrée Steinmetz-Meichel
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Zur Person Andrée Steinmetz-Meichel Lautmalerisch wunderbar


Laudatio auf Beate Reiner zum 2. Platz Lyrik

Sie lebt seit ihrem 4. Lebensjahr in Munch- Bim nägschte Text, wu d Jury uszeichnet, S Verwebe vun Naturlyrik in ere traumhaf-
hausen, mitten in den elsässischen Rhein- mien Si ufpasse wie e Heftlimacher, liebi te Stimmung isch in de Jury uf e starki Re-
auen, in unmittelbaren Nähe des Rhein- Zueschauerinne un Zueschauer. Des Ge- sonanz gstoße. Do schriibt e Autori nit nur
ufers. Sie war Deutschlehrerin im Elsass dicht isch nämlig flüchtig wie e Traum Oberrheinisches Alemannisch wie es im
von 1973 bis 2009. Zusätzlich studierte oder wie Wolke am Himmel – oder wie Mittlere Schwarzwald in de Grenzregion
sie Philosophie und Literaturwissenschaft Wolke am Himmel im e luftige Traum. Es Richtung Schwobeland gschwätzt wurd,
an der Fakultät für Geistes- und Sozial- isch uf jede Fall viil Bewegung drin. Los- do taschtet si dem Klang nooch. Lautma-
wissenschaften in Karlsruhe, was sie 1993 se Si sich mit dem Gedicht wie ufem Tanz lerisch wunderbar. Alemannisch kreativ.
als Magistra Artium abschloss. Diese zwei iwer s Parkett wirble. S isch welleweg e Wortkreatione, liicht wie e „Wolkefliigel“.
Studiengänge haben ihr neue Wege eröff- Wolkewalzer.
net, wie zum Beispiel das Dolmetschen Des Gedicht isch klanglich sinn-voll kom-
und das Übersetzen im Rahmen von Euro- Trage vum e „Wolkefligel“ flatteret, flaude- poniert.
paprojekten für Kultur und Bildung. ret, fetzlet, flattiert mer durch d Welt.
Es isch, als dät’s eim traime, dass mer
Andrée Steinmetz-Meichel
Als Elsässerin schreibt sie auf französisch, Durch e Traum-Welt oder e reali. Beides fliegt un noochem Ufwache kriegt mer de
auf elsässisch und manchmal auch auf isch so flüchtig wie s Glick, wie de Auge- Traum nimmi z fasse. „Flatteret, flauderet,
ist im Jahr 1949 im Schloss hochdeutsch. Sie wurde mit verschiedenen blick: „un furt...“. fetzlet ... un furt.“
„Château de la Verrerie“ Preisen geehrt, wie dem „Grands concours
internationaux de poésie“ (1978), dem Un derno gehts uf de Bode vun de Tat- Furt gänn mir der Priis in de Sparte Lyrik
in Mattstall (Nordvoge- Prix de la Poésie (1994) auf Französisch. sache. Manchmol mit ere Bruchlandung, deswege gern an d Beate Reiner! Glick-
sen) geboren. manchmol geht’s guet. wunsch!
Für einen elsässischen Beitrag erhielt sie
den Prix Georges Clemenceau (2019).  Ulrike Derndinger

Einige ihrer französischen Gedichte er-


schienen 2012, (A corps et à cris), auf
Deutsch veröffentlichte sie ein Essay zum
Gesamtwerk von Claude Vigée.

Bis zum heutigen Tag übersetzt sie litera-


rische Texte, je nach Anfrage, zur Zeit für
die Theatergruppe «La Chimère» in Hague-
nau, wo sie auch aktiv als Schauspielerin
mitwirkt.

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wolkedanz Zur Person Beate Reiner

Nach ihrem Abitur wurde sie Schreiner-


welleweg en wolkewalzer: meisterin und arbeitete als selbständi-
ge Restauratorin im Schreinerhandwerk.
wirblet Ausserdem machte sie eine Ausbildung
wimmlet zur Hutblock- und Hutmacherin, ohne Ab-
wuslet schluss, nur zum Spaß.
walet
Ihre Hobbys sind Reiten und alles was
un weg … mit Pferden zu tun hat. (Witzig: In unse-
rem Wälderalemannisch gibt es das Wort
welleweg en wolkefligel: „Pferd“ nicht. Wegedem han ich ä Ress-
le.) Sie spielt Querflöte und Waldhorn und
flatteret singt im Kirchenchor. Und sie freut sich,
flauderet wenn Sprache klingt, wenn´s alemannisch
fetzlet groovt.
flattiert Beate Reiner, Jahrgang
1962, ist aufgewachsen und Ausgezeichnet wurde sie schon bei der
un furt ... Lahrer Murre 2017 (1. Platz Lyrik) und
wohnhaft in Furtwangen. 2020 (2. Platz Lyrik).
anehinderifliäge Ihre Muttersprache
nimmifürschikumme Ihre Lieblingswörter sind: welleweg, wun-
ist Alemannisch,
awikäie derfitzig, Riäwegschii, Pfägs. Es ist ihr
uffwache die erste Fremd- wichtig, die Eigenheiten des Alemanni-
sprache Deutsch, schen, wie es in ihrer Ecke gesprochen
welleweg alemannisch träimt! wird, hervorzuheben: Mir Wälder fasse
dann Englisch, iis kurz, sin eher mulful. Aber präzis! Ob
Französisch und in der Schweiz oder im Elsass, wo aleman-
Beate Reiner Italienisch. nisch g´schwätzt wird, da fühle ich mich
wohl.

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W E T T B E W E R B 2 0 21  Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 W ET T B E W E R B 2 0 21

Ein poetischer Text im besten Sinne das machsch du


Laudatio auf Rainer Fribolin zum 3. Platz Lyrik

Eines vorweg: Dass ich als Haltinger einem „Das machsch Du“ ist dabei zwei in einem: nie hett d’amsle heller gsunge
gebürtigen Haltinger die Laudatio halten Titel und Refrain. Ich weiss, dass Versmass nie hänn d’blueme heller glacht
würde, habe ich zuerst gar nicht gewusst. und Wortwahl, also die Komposition im nie hett d’sunne mir je so warm geh
Vielleicht war es ja Intuition. übertragenen Sinne des Wortes, gelungen nie hänn d’stern so glänzt in de nacht
sind. Umso gespannt bin ich jetzt aber auf
Auf jeden Fall hat mich das Liebeslied von die Melodie, den die kenne ich noch nicht! das machsch du
Rainer Fribolin gleich beim ersten Lesen
angesprochen. Es freut mich, dass auch  Matthias Zeller hütt dank ich für jede morge
die übrige Jury sich für dieses Lied von zobe für de wii uns brot
Rainer Fribolin entschieden hat: Deshalb alli wunde hän sich gschlosse
schon an dieser Stelle: Herzlichen Glück- un mi welt isch jetz im lot
wunsch.
das machsch du
Es ist ein poetischer Text im besten Sin-
ne des Wortes. Der Autor wählt kraftvolle in dim blick find ich mi friede
Bilder, dichtet schwelgerisch, wie es sich in dim arm chumm ich zur rüeh
für ein Liebeslied gehört, wird aber nie ge- nimm mi hand, mir göhn durchs läbe
schwätzig. Sein Blick geht von außen nach nämme jede tag un dann no ein dezue.
innen – vom Du zum ich zum Wir.
du un ich
ich un du

das machsch du

Rainer Fribolin

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W E T T B E W E R B 2 0 21  Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 N E U S V U M VO R S TA N D

Zur Person Rainer Fribolin Neui Mitglieder sin herzlich willkumme


D Rubrik „Neus vum Vorstand“ wird ab sofort neu iigführt un soll in Zuekunft
noch dittlicher mache, was im Vorstand lauft un was vereinsmäßig ufem Plan isch.
Nach dem Abitur studierte er Germanis-
tik und Romanistik in Freiburg und wurde Wo mir – de Günther
Lehrer, machte anschließend das Züricher Becker, de Jürgen
Gymnasiallehrerdiplom und promovierte Hack un ich – bi de
bei Prof. Peter von Matt (Hebelpreisträger) letschte Mitglieder-
an der Uni Zürich. Seit 1983 wohnte er mit versammlung ins Amt
seiner Schweizer Partnerin in Zürich und vo „gschäftsführen-
wurde Vater zweier Töchter. 2019 zog es de Vorständ“ gwählt
ihn zurück ins Markgräflerland nach Woll- wore sin, hän mr uns
bach-Egisholz, wo er mit seiner zweiten vorgnumme, in jedem
Ehefrau lebt. Heftli z verzelle, was
es Neus vo de Vor-
Sein Interesse galt seit früher Jugend der standsarbet git.
Musik. Mit 12 Jahren lernte er Gitarre zu
6,
Rainer Fribolin, Jahrgang 195
spielen und erarbeitete sich Songs von Lie- Was soll i sage? Alli
dermachern wie Bob Dylan, Leonard Co- wisse, dass wege dem
t
wuchs in Haltingen auf. Mi hen, Hannes Wader, Mani Matter u.a.m. blöde Virus keini Ver-
So siehts us, wenn alli vorem Bildschirm hocke un mitnander schwät-
seiner alemannischen Sein erstes eigenes Lied in deutscher Spra- anstaltunge gmacht
ze. Foto: Klaus Gülker
che schrieb er mit 16. Auch sein Lyrik-Bei- were könne.
Muttersprache machte trag, mit dem er den 3. Platz belegte, ist
er erst in der Grund- eigentlich ein Lied. Jetz sammle mr halt Idee un mache Plän. agehörige schribe, das ebber schwer krank
De ganz Vorstand het sich in de letschte oder sogar dement isch. Un leider sterbe
schule erste Hoch-
Weitere Interessen gelten seiner Frau und Woche e paar mol „virtuell“ troffe. Mir uns halt au vieli weg.
deutsch-Versuche. seinen Kindern, der Sprache und der Lite- hocke also neun Mann/Frau hoch vorem
ratur, besonders der aus dem 19. und 20. Computer, sehne uns als kleini Bildli ufem Wegedem sin mr am Hirne, wie mr d Muet­
Jahrhundert, Biographien und zunehmend Bildschirm un schwätze mitenander. Me tersproch-Gsellschaft in de Öffentlichkeit
auch Lyrik. Und die amerikanische Singer- ka sich dra gwöhne – aber wenn mr uns noch besser bekannt mache könne un wie
Songwriter- und Blues Szene, sowie Poli- alli wieder treffe könne, were mr trotzdem mr d Mensche überzeuge könne, dass es
tik, Geschichte und Gesellschaft, sein Gar- froh si. „sich lohnt“, mitem Bitrag unser Arbet für
ten, Spatzen und andere (schräge) Vögel de Erhalt vum Alemannische z unterstüt-
sowie der SC Freiburg zählen auch dazu. S Wichtigscht, was uns zur Zit umtribt, ze. Mr hän scho Idee, un wenn e so lauft,
isch d Werbung vo neue Mitglieder. S kum- wir mir uns des wünsche, könne mr im
me immer wieder Mensche zu uns, dene näschte Heftli au meh verzelle.
s Alemannisch am Herze liegt. Aber nit
so vieli wie mr leider verliere. S git Mit-  Mache s guet un blibe gsund,
glieder, wo z.B. ins Pflegeheim müesse un  Uschi Isele
nur noch Taschegeld hän, oder d Familie­
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N E U I M ITG LI E D E R  Ausgabe 1/2020 Ausgabe 1/2021 N E U I M ITG LI E D E R

Mir begrieße Adi Brischle


Martina Wage
Offenburg
Friesenheim
Offeburg

unseri neue Mitglieder* Klaus Huber Achern


Stand 27. Juni 2021
Kurt Köberlin Konstanz Seealemanne
Maria Braunwarth Überlingen
Michael Fruh Bad Dürrheim A Brig un Breg
Markus Kuttruff Donaueschingen Emanuel Radecki Schopfheim Wiesental
+ 1 Mitglied us Donaueschingen
Peter Clauss Bad Ditzenbach ohne Gruppe
Oliver Dahm Dachsberg-Mierbach
Felix Schubert Ehrenkirchen Belche un Rhii Anja Förster Warendorf
Wolfgang Jaworek Stuttgart
Helmut Kapferer Freiburg
Rainer Fribolin Kandern Dreiländereck Till Kotterer Heidelberg
Edith Jakobi Grenzach-Wyhlen Notburga Kübler Landsberg
Kurt Lindau Grenzach-Wyhlen Evelin Lieb Köln
Takis Mehmet Ali Badenweiler Catharina Müller Freiburg
Stephan Schwarzmüller Efringen-Kirchen Olga Schmidt Freiburg
+ 1 Mitglied us Lörrach Michael Schönstein Kirchzarten
Bernd Soffer Lenggries
Renate Waßmer Lenggries
Heidi Mayer Steißlingen Hegau + je 1 Mitglied us Schonach, Paderborn,
+ 1 Mitglied us Blumberg St. Augustin, Hamburg
+ 1 Mitglied us Mühlhausen-Ehingen
Katja Heizmann Muri/Schweiz
Otto Michael Schneider Eskilstuna/Schweden
Jonas Hofmeier Titisee-Neustadt Hochschwarzwald Raymond Weissenburger Seltz/Frankreich
Maximilian Jägler Bonndorf

Klaus Binder Ihringen Kaiserstuahl * Mir begrieße die Mitglieder namentlich, wu ihre Iiverständnis dezue gää hen. Die
andere were nur ufzellt mit Wohnort un de zueghörige Regionalgruppe. Des mache mir
Axel Mayer Endingen
so, wil des nach de Dateschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorgschriebe isch un mir
+ 1 Mitglied us Ihringen
uns selbschtverständlich do dra halte. Es isch möglich, dass e ugnanntes Mitglied demit
iiverstande gsi wär, aber leider kei Glegeheit gha het, uns des mitzteile, wil de Mitglieds-
antrag vealtet gsi isch. Der derf sich melde un wird im nächschte Heftli namentlich
Kurt Moser Haslach Kinzig-Wolf-Gutach
begrießt.

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U S E M V E R E I N Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 U S E M V E R E I N

Iiladung zue de Mitgliederversammlung 2021 S Programm


am Samschdig, 11. September 2021, nommitags um Zwei
im Bürgerhaus Seepark, Gerhart-Hauptmann-Str. 1, 79110 Freiburg De unterhaltsame Teil (ab 14 Uhr): Junioren-Preisträgerin Catharina Müller liest
aus ihrem Werk.

De offizielle Teil (ab 14.30 Uhr): 1. Eröffnung und Begrüssung  2. „Willkum-


Liebi Mitglieder vu de me“ – Uschi Isele  3. Grußworte  4. Gedenken an verstorbene Mitglieder 
Muettersproch-Gsellschaft, 5. Jahresbericht 2020  6. Kassenbericht 2020  7. Kassenprüfbericht  8. Ent-
lastung  9. Vorschau und Pläne 2021/22  10. Wünsche und Anträge  11.
mir lade Euch herzlich zu de Mitglieder- Verschiedenes
versammlung i. Mir treffe uns wieder z Fri-
burg im „Bürgerhaus“ am Seepark. Wünsche und Anträge bitte bis zum 15. August 2021 bei der Geschäftsstelle
einreichen.
S isch viel Arbet, e Mitgliederversamm-
lung z organisiere un für unseri Gruppelei-
ter*inne oft nit z schaffe, weil sie nit soviel
Helfer zsämmekriege, wie sie bruche däte.
Wegedem hen mr beschlosse, dass d Mit-
gliederversammlunge jetz immer z Friburg
si solle. Des isch praktisch, will Friburg au
guet mit öffentliche Verkehrsmittel z errei-
che isch un es au gnueg Parkplätz gitt.

Leider ka hüt no kei Mensch sage, ob am D Catharina Müller gestaltet de unterhaltsame


11. September gwirtet were derf. Vielliecht Teil ab 14 Uhr.

sin Kaffe un Kueche erlaubt, vielliecht


könne mr wieder nur e Getränk abiete.
Wer also z Mittag esse wott, ka rundrum
in de Nächi vieli Wirtschafte finde.
Wegbeschreibung zum Bürgerhaus Seepark
Mr were e paar Tag vorher uf unsre Web-
seite schribe wie s ussieht. Mit der Straßenbahn:

Fahren Sie mit der Linie 1 bis zur Haltestelle „Betzenhauser Tor-
platz“.
Nach 300 m Fußweg durch den Seepark erreichen Sie das Bürgerhaus.
Mr däte uns freue, wenn vieli kumme und
mr uns endlich wieder emol sehne könnte. Mit dem Auto: Verlassen Sie die A 5 in Freiburg Mitte und fahren Sie stadteinwärts auf
Also deno: bis zum 11. September! B 31a. (Vom Schwarzwald kommend, die Stadt durchqueren und Richtung A 5 fahren.)
Nehmen Sie die Ausfahrt Richtung Offenburg/FR-Betzenhausen und biegen auf die Pa-
De gschäftsführend Vorstand duaallee ab. Fahren Sie nun die Ausfahrt Lehen/Betzenhausen heraus und biegen Sie
Uschi Isele, Jürgen Hack und Günther Becker an der Sundgauallee rechts ab. An der nächsten Kreuzung links in die Hofackerstraße
Bürgerhaus Seepark abbiegen und nach 400 m erreichen Sie auf der rechten Seite die Parkanlage und den
36 Parkplatz des Bürgerhauses im Seepark. 37
U S E M V E R E I N Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 U S E M V E R E I N

Nachbarschaftsgespräche Dialekt derung des Dialektes auch im gerade frisch Zurück im großen Plenum wurde aus den
Unter der Leitung der Allianz für Beteiligung fanden im letzten Halbjahr verhandelten Koalitionsvertrag Aufnahme Kleingruppen berichtet und darauf aufbau-
drei Nachbarschaftsgespräche zum Thema Dialekt als Video-Konferenz statt. gefunden hat. end im großen Kreis diskutiert. Die Bedeu-
Die TeilnehmerInnen hatten viel zu schwätzen und genossen das Angebot. tung der naheliegenden Schweiz und deren
Mit Kultur wurde begonnen. Dafür sorgte völlig anderer Umgang mit Dialekt wurde
Das Thema Dialekt ist dem Ministerpräsi- konnte. Auch über die Presse wurde auf Kathrin Ruesch, die sich aus Südfrank- thematisiert, sowie die Prämisse in den
denten Winfried Kretschmann eine Her- den Fragebogen und die Möglichkeit, sich reich, wo sie zur Zeit wohnt, zugeschaltet Raum gestellt, dass es von großer Wichtig-
zensangelegenheit. Deshalb fand auch im zu beteiligen aufmerksam gemacht. hatte. Sie trug ihre Gedichte vor, als würde keit ist, dass im Dialekt auch was Geschei-
Dezember 2018 ein erster „Dialektgipfel“ sie vor dem Publikum stehen. Kurz konnte tes gesagt wird.
statt, an dem Meinungen und Standpunkte Dann wurden die Fragebogen an die AfB man so vergessen, dass zwischen den ein-
zusammengetragen wurden. (Wir berichte- zurückgeschickt und ausgewertet. Gleich- zelnen Teilnehmern große Distanzen wa- Zum Abschluss wurde noch ein Resümee
ten in unserem Heft 2019/1 davon.) zeitig konnte sich die interviewende und ren, so packend fesselte die junge Mund- gezogen. Viele Stimmen äußerten sich po-
die interviewte Person zum Nachbar- art-Autorin ihre ZuhörerInnen. sitiv über den kurzweiligen Abend und lob-
Danach folgten weitere Treffen von „Ex- schaftsgespräch anmelden. Für die Schwa- ten das Format, das die Teilnahme aus Hau-
perten“ zu Themen wie „Mundart und ben fand ein erstes Treffen Anfang März Dann wurden die Ergebnisse aus dem Fra- sen i. W., wo sich auch der Bürgermeister
Schule“ oder „Mundart und Öffentlich- statt, die Alemannen trafen sich virtuell gebogen vorgestellt, die schon zur einen zugeschaltet hatte, Murg, Titisee-Neustadt,
keitsarbeit“. Ziel war, eine weitere große Mitte Mai und den Abschluss machten die oder anderen Diskussion anregte. Man Hausach i. K. usw. bis nach Portugal und
Veranstaltung im Sommer 2020 in Rastatt Nordbadener Anfang Juni. staunte über die Vielfalt bei Wörtern wie Frankreich ermöglichte. Wesentlich Neues
vorzubereiten. Doch, wie wir alle wissen, „Feldsalat“ oder „Endstück vom Brot“. Und hat die Zusammenkunft nicht gebracht,
kam Corona dazwischen. Die Mundart-Ini- Wir von der Muettersproch-Gsellschaft wa- man diskutierte darüber, wann der Dialekt aber sie hat Menschen ins Gespräch ge-
tiative geriet ins Stocken – bis sich die Al- ren gespannt, wie „unser“ Treffen ablaufen passt und wann nicht, sowie über Dialekt bracht und vielleicht doch den einen oder
lianz für Beteiligung (AfB), ein Netzwerk, würde. Tatsächlich fanden sich sehr viele in Funk und Fernsehen und wie glücklich anderen Denkanstoß gegeben, gemäß dem
das sich für die Stärkung von Zivilgesell- TeilnehmerInnen im virtuellen Versamm- das gelöst wird, oder eben auch nicht. Motto: „Alles ist immer im Fluss“ oder
schaft und Bürgerbeteiligung einsetzt und lungsraum ein, wenngleich manche noch „Kleines kann Großes bewirken“. Und Kul-
vom Staatsministerium gefördert wird, der mit der Technik kämpften und entweder Damit jeder Einzelne auch mal richtig zum tur live zu erleben, darauf haben wir lan-
Sache annahm. Die AfB nahm Kontakt mit nicht zu sehen waren oder nicht zu hören Reden kam, wurde man dann in Kleingrup- ge verzichten müssen. Deshalb wurde der
Mundartvereinen und Aktiven in Sachen oder im schlimmsten Fall beides. Dennoch pen eingeteilt, deren Zusammensetzung Beitrag, den Kathrin Ruesch zum Schluss
Dialekt auf und bereitete sogenannte Nach- gelang es einer stattlichen Reihe von Teil- ganz willkürlich war. So konnte man sich brachte, von vielen genossen, bevor die
barschaftsgespräche vor. Dafür wurde ein nehmern, sich zu zeigen und Gehör zu kennenlernen, austauschen, Ideen schmie- Runde dann durch Knopfdruck wieder in
Fragebogen erarbeitet, anhand dessen man verschaffen, nachdem Daniel Hager-Mann den und ganz allgemein darüber auseinan- ihr Hier und Jetzt zurück geschickt wurde.
mit Nachbarn, Freunden oder bisher Un- vom Staatsministerium die Versammelten dersetzen, an was es wohl liegt, dass der
bekannten über das Thema „Dialekt“ ins im Namen des Ministerpräsidenten be- Dialekt bedroht ist und was man tun könn-  Friedel Scheer-Nahor
Gespräch kommen und sich kennenlernen grüßte und darauf hinwies, dass die För- te, um das zu verhindern.

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U S E M V E R E I N Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 U S E M V E R E I N

Chindersprüch gsuecht Freiburger Verkehrs-AG fährt auf Alemannisch ab


Seit April 2021 können die Fahrgäste der Freiburger Verkehrs-AG
Wenn s Heftli bi Ihne im Briäfkaschte lit, ihre Kenntnisse im Alemannischen überprüfen.
fangt schu wieder d Planung fir s nächscht
Heftli aa. Diesmol sogar schu e klei weng Was bedeutet das alemannische Wort „Ab- zum Beispiel „alla“? Die Fahrgäste haben
vorher. Denn mir froge Sie nach Beiträg. wiche“? Die Fahrgäste der Freiburger Ver- 5 Sekunden Zeit, die Frage zu lesen, 10 Se-
Schicke Sie uns zahlriich Beiträg zum kehrs-AG werden sich diese Frage stellen, kunden, die vorgeschlagenen Antworten
Thema „Kindermund“ oder was Ihne zu wenn sie in den Bussen und den Bahnen zu studieren, und schließlich kommt in
„Chindersprüch“ iifallt. auf die Bildschirme an der Wagendecke den letzten 5 Sekunden der Haken an die
schauen. Denn da läuft seit dem 23. Ap- richtige Lösung.
De Markus Manfred Jung het diä Idee gha gmacht were. Aber des isch kei Bedingung. ril ein alemannisches Quiz. Fragen zu
un gfrogt, ob mr nit emol e Heftli zum The- Schriibe Sie eifach uf, was Ihne iikunnt. Stadtgeschichte und Münster gibt‘s schon VAG und Muettersproch-Gsellschaft freuen
ma „Kindermund“ mache kann. Es isch ei- Au kleini Gschichtli sin willkumme. länger auf den „Multifunktionsdisplays“, sich auf viele, die daran Spaß haben und
gentlich e unerschöpfliches Thema, denn wie die Bildschirme im schönsten Nicht- mitmachen – und gern auch auf Rück-
d Kinder produziere immer wieder neu un Wenn Sie Ihre ganze Namme nit preisgää Alemannisch heißen. Nun kommen auch meldungen. Nach und nach sollen weitere
unverbrucht Ussprüch, wu uns Erwachseni wen, schriibe Sie des dezue. Dann kürze Mundart-Fragen dazu. Die VAG hat damit Quizfragen hinzu kommen. Sie laufen in
zum Stuune un manchmal au zum Lache mr en eifach ab. Ansonschte hen Sie jetz einen Vorschlag der Muettersproch-Gsell- den rund 50 Bussen und 50 Straßenbah-
bringe. Es sin Wortverwechslunge gmeint, Glägeheit, au emol zu de Autore bzw. Au- schaft umgesetzt. nen, die Tag für Tag in Freiburg auf Achse
aber au Sprüch oder Froge, uf die mr als torinne vum Heftli z zelle. sind. Waschechten Alemannen werden die
Erwachsener gar nit kunnt, wil unser Welt Zum Start sind es vier Begriffe, die im Lösungen keine Mühe machen. Allen an-
un unser Denke schu in so feschte Bahne Schicke Sie Ihri Beiträg bis zum 15. Ok- munteren Wechsel mit anderen Fragen in deren, die sich nun fragen, was „Abwiche“
velauft, dass fir so Gedankesprüng gar kei tober 2021 (gern au schu früher) an Bussen und Bahnen (uf Alemannisch: Ho- bedeutet – kleiner Tipp: Auch wenn es in
Platz meh isch. Als Beispiel het de Markus kindermund@muettersproch-gsellschaft. bel) präsentiert werden – verbunden wie Bahn und Bus zu sehen ist, es hat nichts
Manfred Jung folgendes agää: I ha mi als de. Oder per Poscht an mi Privatadress: üblich mit jeweils drei Antwortmöglich- mit „Umweg“ zu tun.
Chind mim „Läschwumpe“ (Wäschlumpe) Friedel Scheer-Nahor, Zeppelinstraße 9, keiten. Die Vorschläge kommen von der
gwäsche un „huuchhos“ (huushoch) vom 79206 Breisach. Merci vielmols! Muettersproch-Gsellschaft. Was bedeutet  Klaus Gülker
Felse abe brünzlet.
 Friedel Scheer-Nahor
Also: Krame Sie doch
emol in Ihre Erinne-
runge. Was hen Ihri
Kinder dertmols
zum Beschte gää?
Oder gits ebbis
vu Ihre Enke-
li z berichte?
Am liebschte natirlich,
wenn de Dialekt betei-
ligt isch, Missverständ-
nis oder überraschen-
40 di Querverbindunge Solche Fragen vertreiben den Fahrgästen in Freiburg die Zeit. Foto: Klaus Gülker 41
L I E B I G S E LLS C H A F T  Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 LI E B I G S E LLS C H A F T

Afroge an d Muettersproch-Gsellschaft pedengler“ degege schu. Des isch e Schimpf- ernscht nemme. Was soll do debii denn rus-
wort fir e Mann, wo nit zwäg bringt, wo kumme?
Wu wendet mr sich hi, wemmer e Frog het, nit dra. Dann lande so Afroge ebe au bi mr au nit ernscht nemme kann. Des Wort
wu mit em Dialekt z due het? Do gäb es de Muettersproch-Gsellschaft. Au diesmol setzt sich zsämme us „Schlappe“ un „deng- Mit eme herzliche Grueß
bi uns au d Möglichkeit sich ans Badische hemmer e paar Afroge usgwählt un lenn le“. „Schlappe“ sin Husschueh bzw. Schu- vu de Friedel Scheer-Nahor
Wörterbuech bi de Uni Friburg z wende. unseri LäserInne dro teil haa. S git viellicht eh, wo ziemlich lapperig sin, evtl. sogar
Aber schiints scheue sich manchi devor, au fir die erhellendi Moment, wu die Frog üstrette (ausgetreten). „dengle“ isch e Tä- P.S. Des Wort isch ursprünglich wahrschiin­
bi de Wisseschaft azklopfe oder sie denke gar nit gstellt hen. tigkeit, bi dere mr e Sägese (Sense) am lich e Schimpfwort fir e Schuehmacher
Dengelstock mit em Hammer wieder scharf gsi. Denn grad Schuehmacher, wu s frü-
macht. Wenn also einer statt ere Sägese ehjer wie Sand am Meer gää het, hen vieli
Hallo zusammen, auch für ein Mädchen. Schon das Wort sini Schlappe denglet, kammer ihn jo nit Schimpfwörter miäße ertrage.
in den Briefen meines Großvaters „Büseli“ allein ist ein Kosename für eine
findet sich folgendes Wort: Zizi- Katze. Die Erweiterung mit „Zizi“ war auch
Au bi de nächschte Afrog goht es um e Schimpfwort:
büsseli. Das war wohl ein Kosename mir bisher nicht bekannt. Ich habe aber im
für meine Großmutter. Gibt es eine Schweizerdeutschen Wörterbuch einen ent- dezue gschriebe hen, dass Sie e alte Baa-
Übersetzung für dieses Wort? Was sprechenden Eintrag gefunden, den ich im Liäbi Muettersprochler, remer sin. Denn genau dert, bzw. im Süd-
verbirgt sich dahinter? Anhang mitschicke. er oschte vu Bade, sait mr „mekse“ zum metz-
I hätt ä kleini Bitte: Min Vadder hät imm ge. Un au de „Gickel“ passt hervorragend
en Kram er
Ich freue mich über eine Antwort! Mit eme herzliche Grueß vu Nochbär s klein em Trak törli,
in selli Gegend. Ich häng Ihne emol e kleini
12 PS, etwas despektierli vu me „Gickel-
Vielen Dank und freundliche Grüße, vu de Friedel Scheer-Nahor Karte an die Mail, wu usem Alemannische
meggser“ gschwätzt. Au wänn ebber mit Wörterbuech stammt. Do kammer sehne,
A. H. , isch
ämmä altä Mopedli vorbeigfahre isch wo mr Gickel un wo mr Guller usw. sait.
des Wort gfal lä.
mer
Unser Antwort do druf: „Gickelmeggser“, ech woaß gar nit , wiä Un au de „Goißetöter“ findet mr im Ale-
des schribt. Wiss ät Ihr, wo des Wort her
mannische Wörterbuech, allerdings ohni
Liebe Frau H., kunnt? eigene Artikel, nämlich unter „Geißeschin-
bei dem Wort „Zizibüseli“ handelt es sich Und wenn en kalte Luft gange isch, no der“ mit de Bedittung „kalter, trockener
da
um den Kosename für eine Katze oder eben hätt er immer gsait: „Zienet ei warm ah, Wind“.
Goißetöter goht!“ Aber des kann ech mer
zämmereime, wo‘s herkunnt. Mit eme herzliche Grueß
Un au bi dere Afrog hemmer witerhelfe könne: vu de Friedel Scheer-Nahor
usä)
Dem Mann hemmer folgendi Antwort Liäbe Griäß vu me altä Baaremer (Kirchä-H
Hallo zsämme! gschriebe: Eier Ewald E.

Mitm schwätze ischs ifacher, als wi


Lieber Herr G., Lieber Herr E.,
mitm schriebe. Minni Froog isch, wu
des het doch schu ganz guet klappt mit em des isch jo e wunderschöne Beleg, wo Sie
kummt däs Wort Schleppedengler
Schriibe … uns do liefere. E „Gickelmeggser“ metzget
her un was isch di Bedäutung? Ih
d Gickel, „schlachtet also die Hähne“. Offe-
würd mi üba äh Antwort freue.
Aber, ich denk, Sie meine eigentlich sichtlich het Ihre Vatter „Gickel“ zu de Gul-
Beschten Dank. „Schlappedengler“ mit a? Denn e „Schlep- ler oder Gockel oder ebbe „Hähne“ gsait, un
42 Ihr M. G. us Teninge pedengler“ isch mir nit bekannt. E „Schlap- „Meggser“ zum „Metzger“. Guet, dass Sie 43
U S D E G R U P P E Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 U S D E G R U P P E

Gruppe Seealemanne

Kei Winter-Schlof am Boddesee wenns möglich isch, kurzfristig en Termin De Grund, dasses it klappt hot, kenned
mache, zum des nett Städtle bsueche. Üb- sich alle denke. S wird aber nochgholt!
rigens: De Stadtfüehrer Karl Bosch haltet
en Mundartobed ab am 20. September (19 De Artikel im letschte Alemannisch-Heftli
Uhr) im Alte Forstamt über de Wafrö und iber Inzigkofe hot em Kreiskulturamt Sig-
de Charly Sauter. maringe so guet gfalle, dass er au im ‚In-
zigkofer Bürgerblatt‘ veröffentlicht worre
Unsre Stammtisch sind ebefalls em Virus isch.
oder besser de Eischränkunge wege dem
zum Opfer gfalle. Im Summer scheint s Hoff- Ihr sehed, dass es am Boddesee kei Win-
nungsliechtle heller, dass es denn wider mög- ter-Schlof gebe hot und mir i de Startlö-
lich sei könnt. Mir sind emol zuevesichtlich. cher stond.

Gern hetted mir au s 25-jährig-Heidi Wie-  Heidi Wieland


land-Vorstand-Jubiläum gfeired. Hetted.

Gruppe Kinzig-, Wolf- un Gutachtal

Die fünf hen bim Konschtanzer Video mitgwirkt: Daniel Groß, Ingrid Schafheitle, Kilian Stadel-
hofer, Stephan Schmutz, Claudia Reimann (v.l.). Foto: Dominik Schöller Narrefohne fir Husach
Au mir Seealemanne hond it kenne, wie Denn laufed s ganz Johr d Heimetdäg z Ja, zum Brichte gitt’s jo nitt viel, d’Coro- Immer, wenn ich die scheene Fohne
mer hond welle, utätig simmer aber it gsi. Radolfzell mit ville Veanstaltunge. So gits na-Pandemie het unser Läbe im Griff. Koi o’guggt hab, habbi denkt, eigentlich wär’s
e Freiluftgalerie (über d Gass) it nu mit Bil- Kontakt zu ondere, alle Veronstaldunge au schee, wenn do jetz no unsere Fasents-
So hommer unser Faltblättle „So schwätzt der und Fotos, nei, au Dialekt-Wörter und absage! sprüchle druff wäre. D Heidi Schwarzer
me z Konschtanz“ (s. Heft 2/2020, S. -Sprüch kamer dert lese. D Muettersproch- un ich henn donn beschlosse, die Idee am
39) scho in de zweite Uflag, mit neuem Gsellschaft, d Gruppe Hegau und d Seeale- Aber ebbis hen mr doch no z’wäg brocht. Narrerat vorz’trage. Ich hab donn mit em
Gwändle, rausbrocht, so guet isch des glof- manne wend dert zamme en Stand mache. Do dezue gitt’s e kloini Gschicht. Vorem Zermoniemeischter g’schwätzt, der isch
fe. De Handzeddel wird etz au em Neu- Termin vorussichtlich 3./4. Juli. letschte Narretreffe wo in Huse stattgfunde vun unserer Idee begeischtert gsi. Er hett
bürger-Päckle vu de Stadt beiglegt. So wis- hett, isch vum Husacher Narrerat e Uffruef g’moint, durch Wind un Wetter, sin oinige
sed die glei, wie mer bei uns schwätzt. En Weil mer jo us bekannte Gründ it hond an de Narresome, unsere kloine Narrole, Fohne kaputt gonge un mießte eh erneiert
Fleier gits etz ibrigens au uf Iberlingerisch. kenne im November unsre Veanstaltung gmocht wore. Sie solle vun de Honsele, wäre. Vor e paar Dag habi vun ihm erfah-
Z Iberlinge isch etz doch no d Landesgar- in de Domschuel durchfüehre, hommer Spättle, vum Narrerat, vun de Burgfraue re, dass demnägscht e Probedruck gmocht
teschau ufgange. Mir hond dert en Stand d Ingrid Koch und de Günther Bretzel uf un von de Narrepolizei Bilder mole. Die wird. An de nägschte Fasent wäre die Foh-
am 14. August und hoffed uf rege Bsuech. de 12. November 2021 velegt und hoffed Kinder sin begeischert debie gsii. Die Bil- ne wieder unser Städtli ziere, mit de Fa-
fescht, dasses denn au klappt. der sin uff Fohne druckt wore un henn sentsprüchle.
Und uf de Muettersproch-Site gits e donn am Narretreffe unsere Hauptstroß
6-minütigs Video, wo konschtanzerisch Au de Usflug uf Stockach isch bloss uf em g’schmückt. Es isch guet bi de Husacher Hoffe mr, dass d Fasent 2022 au stattfinde
gschwätzt und erklärt wird. Wer‘s no it Babbier gstande. Weil mers zum heutige o’kumme, zitther wäre die Fohne jedes konn.
44 gsehne hot: Ubedingt agucke! Dag no it genau absähne ka, werred mir, Johr an de Fasent uffhängt.  Ursula Aberle 45
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Gruppe Wiesetal Gruppe Zwische Belche un Rhii

Plange un hoffe Lit meide – do hemmer gnue devu


ins Gspröch cho sin, hät mi s packt gha. Siter jetzt meh als eme
I ha alli mögliche Lüt gfrogt, ob si do mit- Johr isch alles lahmglegt
mache, vo ehemalige Arbetskollege un wege dem Coronavirus.
Trachtegruppemitglieder, Schuelkamerade S isch kai Zämmekunft
vo mine Söhn, Nochbere un Fründ. I ha mit Freund, Verwandt-
kei einzig „nai“ ghört. Sogar unse Bürg- schaft oder Gruppe er-
ermeischter un d Bürgermeischtere vo de laubt gsi. Kum isch die
Nochbergmeinde hän sich, trotz vollem erschti Welle vorbi gsi,
Terminkalender, Zit gnoh zum mitmache. denn isch mer scho in
Sie hen e kurzi „Hochzit“ gha, die alemanni- die nächschti grote. S hät
sche Maske. Foto: fsn D Altersspanne isch vo Afang zwanzig bis immer meh Vorschrifte
über achtzig Johr alt gange. Un überall ha un Ischränkunge gäh,
Vo Monet zu Monet hän mir plangt un i erfahre, wie wichtig für jede un jedi isch, zum Ikaufe, zum Spa-
ghofft, dass mer wieder unsi Obe mache dass s Alemannisch nit verschwindet un zieregoh un Treffe mit
chönne un mer endlich wieder Öbber ila- sich alli freue würde, wenn mer s wieder andere Lit. Schwätze mit
de cha. Aber s isch is halt gange wie alle meh höre würd, vor allem au im Radio un andere häsch fascht nu E gueti Idee, des Mitfahrerbänkli. Foto: Gerhard Jäckle
andere au. im Fernseh. Viili Mol hät mer d Sorg um de per Telifon oder Inter-
Erhalt vom Alemannische dureghört. Des net könne. Glick isch, wenn mer debi no isch es aber au grad im Moment scho ganz
Am Afang, wo no jede si Mundschutz macht Muet zum drabliibe. I denk, wenn eweng Gsellschaft hät, un wenns numme anderscht.
noch eigenem Guetdünke hät ufzieh dürfe, mir drabliibe, wird s scho wieder werde. d Katz isch.
isch es no spannend gsi was d Lüt ufhän S bescht isch, mer blibt no e Wieli vorsich-
un ob Öbber triffsch mit „Mit mir cha mer Wie hät scho de Johann Peter Hebel gsait: An e Treffe vo de Muetterspröchler häsch tig un uf Abstand au bim Wandere. War-
au Alemannisch schwätze“ oder „Trau di garnit denke bruche. Sit mit de dritte Welle te ufem Bänkli zum Mitgnowerde isch no
halt, schwätz Alemannisch“. Doch jetz Trost s Impfe agfange hät, blickt mer mit d Vor- riskant, usser mer kennt die allerneuschte
laufe alli umme mit langwiilige hellblaue schrifte no weniger durch. Mol sin numme Infos vo de Virepäbst – un natirlig d Auto-
Maske oder wisse Papageieschnäbel. Bald denki, ’s isch e bösi Zit, Treffe vo einem Hushalt mit einere Person, fahrer au, sunscht kanns lang goh. Aber e
und weger ’s End isch nümme wit; iber 2 Hushalt mit 3 Lit – oder umkehrt – scheeni Idee isch sell Bänkli in Weitenau
Un mer hät de Kontakt zu de Lüt all meh bald denki wider: loß es goh, erlaubt gsi. Jetzt könne wieder bis zu 10 im Kleine Wiesedal uf jede Fall. Un wenn
vermisst. Deno hän mir Gruppeleiter Fro- wenn ’s gnueg isch, wird‘s scho anderst cho. oder hundert Lit zämmekumme, wo un selli Frau no derthockt, denn nimm i sie au
geböge für Nochberschaftsgspröch kriegt. Doch wenni näumen ane gang wie? – Frog mi mit. mit, wenn i s nächscht Mol vorbeikumm, i
un ’s tönt mer Lied und Vogelgsang, bi jo scho gimpft.
Zerscht ha i denkt, wer soll i au froge bi so meini fast, i hör e Stimm: D Rennerei um d Impfstoff isch no dezue-
dene Nochberschaftsgspröch un wie soll „Bis z‘fride! ’s isch jo nit so schlimm.“ kumme. Alti un Kranki un mit bsundere Allene en scheene Summer un bis denn,
des goh in dere Zit, wo mer jo niemer tref- Mödeli zerscht un denn alli bis es kai Impf- wenn mer is wieder ohni Risiko treffe kön-
fe soll. Johann Peter Hebel stoff meh hät. Sogar d Dokter kenne sich ne. Halte no eweng durch – s blibt jo eh
nimmi richtig us. Vo Dag z Dag ändert sich nix anders übrig.
Doch wo i bi de erschte Person, wo i be-  Heidi Zöllner ebbis. E Planung für e Zsämmekumme
frogt ha, die Freud gspürt ha, dass mer isch so nonit gfahrlos möglich. Vielliecht  Gerhard Jäckle
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Gruppe Rund um dr Kahleberg Gruppe Offeburg un Abbewihr

Christel Mösch verlässt Ettenheim Des isch doch die Höh!


Jetz isch es also sowitt: D Christel Mösch, Ihr liebi Litt, ´s isch au 2021 noch ämol ä
wu sit 1984 als viel zitierti „Lokomotiv“ de kurioses Halbjohr wore! Als noch kämpfe
Gruppe Rund um de Kahleberg vorgstan- mir gege de unsichtbar Feind, wu uns ans
de isch, git de Vorsitz ab, wil sie zue ihre Huus fesselt un gruusig nervt. Doch meine
Tochter ins Bayrische ziägt. Sie isch bi de ihr nit au, dass alles fir ebbis guet isch? –
Gruppeleiterversammlung im Juni 2021 vu z.B.: Winiger Konsum! Meh Gmüetligkeit?
de Uschi Isele veabschiedet wore. Ihri viele Meh Rueh! Meh Zitt? Des isch au guet fir´s
Vediänschte kammer gar nit gnue würdige, Klima! Numme s Fernsehprogramm, also
geschweige denn vollständig ufzelle. Nur sell isch, in mine Auge, ä hoffnungslosi
eins: Wahrschiints isch sie die, wu als ein- Sach!
zelni Person am meischte Mitglieder gwor-
be het. Mir, us de Grupp Offeburg hän bisher kei
Christel, mir sage Dankscheen fir alles, Meeglichkeite gfunde, zum uns widder-
was du fir de Verein gmacht hesch un mol bim Stammtisch z´treffe un babble.
wünsche dir alles Guete, Gsundheit un Debii hätte mir ä so gueder Grund, zum
Frohsinn am neje Wohnort. sogar Feschtle fiiere, denn uns gitts jetz
 Friedel Scheer-Nahor Christel Mösch. Foto: fsn schu sidder 40 Johr! Ja, Jaaa!!! – Mr wurd
ganz rührselig. Ä Jubeljohr, mit aa-zogener
Brems!
Dr Geburtsdag vu dr Muetter
Bim Kruschtle in de alte Heftli kammer
Des fongd gonz harmlos oh. „Macher mer Am Dag vu däre Feier balanciert die do- guet sähne, dass mr uf de ältschde Bilder
ebbis an minem Geburtsdag?“, frogt d Mu- für ogeheuerde Freundin vu dr Muetter, am Jüngschte ussieht! Mr het sich dertze-
etter. Un ma einigt sich uff „e bissele eb- jetzt vier großi Platte mit belegte Weckle mols fein gmacht, wämmer zum Mundart- Blick vom Senatorre über d Rhiiebene zum
bis“, awer do setzt sich schu ä Maschinerie in d Stub. Käs, Wurscht, Schinke, Fisch Treffe gange isch, in Kittel un Krawättel Stroßburger Münschter im Hintergrund.
Foto: Margot Müller
in Gong. Un d Muetter schwätzt schu vu un ä großi Obstplatt. Un drei Kilo selber um de Hals; di Dame mit Dauerwelle un
dr Iladungslischde un schriebt au ä Kue- gmachter Gälruewesalat. Die Gäscht sin toupierte Hoor, un im Trachtekostümli, ä
chelischt un verdeild dozue die Ufträg ans begeischdert, winke awer ab un halde sich Ehresach! stiehn´mr do, wi mit abgsäbelte Hose un
Döchterle. die Bäuch. luege dumm: Trotz d meischti Miglieder
Un was hän si nit alles triibe oder angstellt, schu g´impft sin. Nix isch mit Feschtle
Un bi jedem Bsuech vu dr Tochter verzehlt D Tochter wettert: „Nächschdes Johr gibt’s diä Offeburger Muettersprochler! Sogar in feiere, Künschtler engagiere! – Vorerscht!
sie die neieschde Zusage zu däre Feier. nur halb so viel Kueche!“ D Muetter kon- d Luft sin si gange, hän ihri Drache stie- … Ich find: „Des isch doch di Höh!“
„Chrischtel bringt ä Rumpunsch – do wäre tert: „No mache mir halt doppelt so viel ge losse! Vorträg hän si ghalte, mitg´wirkt
si widder nie leye.“ Jetzt wu die Lischt fer- Fingerfott.“ an de Herbschtmess; Ständ hets gän an Apropos: Höh? – Do weiß i ebbs z´verzeh-
tig isch, zehlt s Töchterli noch: „Muetter – de Feschter, si hän sich zeijgt un Mundart le: Bi uns in de „Vorbergzone“ sieht mr all-
pro Gascht ä halber Kueche?“ „Hajo“ sait d Saits un bisst in ihr Schinke-Weckle. Ä biss- gschwätzt – us em Eff-Eff! daag Städter un Luftschnapper vor lutter
Muetter, „es wäre au noch herzhafdi Fin- ele ebbis muess mer am Geburtsdag doch coronabedingter Verzwiiflung un Langwiil,
gerfott g‘liefert.“ Denn do sait d Muetter: mache derfe ... gäll? Aber so ebbs wie ä Pandemie? Des hets wu scharewiis rumspaziere, wandere, jog-
48 „Ma losst d Litt nit ohni Veschper heim go.“  Dieter Tieken in all dene 40 Johr niä gänn. – Un jetz ge oder radle im wunderschiine Offeburger 49
U S D E G R U P P E Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 U S D E G R U P P E

Rebland. Wege worum? Was gits zum ent- Zypresse us de Toskana, steht er do, de Se-
decke? – Hebe euch! na-Torre! – isch des nix? Vieli meine jo, ´s
Allerbeschte dra, wär, mr sieht in de Ferni
Ä gotischer Kirchturm! Nagelneu us Beton- de echte Stroßburger Münschter-Turm! –
guss! – Vum ä Mailänder Stararchitekt ent- Also: „Des – isch doch die Höh!“
worfe! Ä Millione Ufwand! Mittelt us em
steile Rebberg wachst also jetz des neusch- Wenn´r nix bessers vorhän, kinne-nr´s jo
te, absolute „Highlight!“ vun unsrem ge- mol usprowiere, do fahre ´nr mol hi, uf OG-
liebte Dr. Hubi Burda, dem edle Spender, Fessebach! – De Win müesse-nr halt selber
zum Gedenke an siner Vadder, dem Se- mitbringe, d Ussicht isch umesunscht!
nator Dr. Franz Burda! Do kannsch mol
sähne! „Dr Weisheit letschter Schluß, guckt Also, ihr liebi Litt? – Wu isch des Problem?
oberus!“
Vieli Grüeß us Offeburg, bliebe gsund,
S wurd eime grad dirmlig! Mit neue Win-
rebe, Rose, Lavendel, Thymian, Pflanze un  Margot Müller

De Josef Baumann (li.) frait sich mit em Ehepaar Müller uf neui Veanstaltunge.
Foto: Christel Hülter-Hassler
Gruppe Kaiserstuhl-Tuniberg
Nicht allein, dass der Muettersproch-Grup- sche!“ bekennt er beispielsweise zum
Müllers Scheune pe seit der Restaurierung von „Müllers Auftakt des Abends mit dem Markgräfler
Scheune“ eine Örtlichkeit mit viel Flair kos- Urgestein Frank Dietsche. Willkommen
„So scheen isch s do, dass dr eins willsch zu den alten Werkstoffen Holz, Stein und tenfrei für sämtliche Veranstaltungen zur und rundum wohl fühlt sich jeder von der
numme: widder kumme!“ hat Stefan Lehm. Verfügung steht – inbegriffen ist auch der ersten Minute an, wenn sich Regina und
Pfaum am Abend des 28. April 2007 ins tatkräftige Einsatz zum Wohle der Gäste: Manfred Müller voller freudiger Erwartung
Gästebuch geschrieben. Und vom Endin- Inzwischen ist das Gebäudeensemble mit Die Familie Müller richtet den Raum her, unter die Gäste mischen, von denen sie die
ger Bürgermeister Hans Joachim Schwarz dem herrschaftlichen Vorderhaus und den befeuert den Holzofen, hilft beim Aufbau meisten mittlerweile persönlich kennen.
kann man lesen: „Der Himmel auf Erden dahinter liegenden ehemaligen Gehöften der kleinen Bühne und rangiert vor jedem
ist, Gast bei Müllers in der Scheune zu ein Ort, an dem die Kultur zu den Men- Auftritt die 99 Stühle ins Obergeschoss. „Ich bekomme mehr zurück als ich gebe“,
sein!“ schen kommt: Musik, Kabarett, Theater versichert Manfred Müller auf die Frage
oder Gesang – ob kaiserstühlerisch, ale- „Die Stühle sind eigentlich woanders de- nach der Motivation für diesen enormen
Von all den Lobpreisungen kann die Muet­ mannisch oder international! poniert“, flicht Manfred Müller ein. In sein Einsatz. Sie wolle keinen der vielen unver-
ter­sproch-Gruppe Kaiserstuhl-Tuniberg ei­ Auto passten aber zehn Sitzgelegenheiten. gesslichen Abend mit der Muettersproch-
ni­ge Liedstrophen singen: Seit rund 16 Jah- Die Müllers sind ein Glücksfall für En- Also fahre er eben vor jeder Veranstaltung Gsellschaft missen, ergänzt seine Frau.
ren ist sie mehr oder weniger beheimatet in dingen und ganz besonders für Mundart- ein paar Fuhren durchs Städtle. „Und hin- Wie der Elsässer Liedermacher René Eg-
besagter „Scheune“! Das Ehepaar Regina freunde. „Alli Künschtler froge: Wiä bisch terher wieder zurück!“ Der Hausherr lässt les die Herzen der Kaiserstühler im Sturm
und Manfred Müller hat aus dem verfallen- Dü zu dem Raum kumme!“ ist sich Grup- es sich auch nicht nehmen, die Künstler eroberte, wie die Gäste staunend an den
den Gebäude im Herzen des Kaiserstuhl- penvorstand Josef Baumann des Privilegs und die Gäste auf seine ihm eigene launige Lippen der jungen Mundartinterpretin Ka-
städtchens ein architektonisches Kleinod bewusst und reckt sichtlich stolz ein wenig Art in Müllers Scheune selbst zu begrüßen. thrin Ruesch gehangen sind oder auch wie
50 gestaltet – mit viel Liebe zum Detail und den Hals. „Di Allemanne sin mir di liäbschte Diet- Martin Schley die Gedichte des betagten 51
U S D E G R U P P E Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 U S D E G R U P P E

Gruppe Elztal

Endinger Mundartdichters Willy Schmidt „Me gniäßst!“, bringt es Josef Baumann Dankscheen an Bernd Fackler
mit dem Tonbandgerät aufgenommen auf den Punkt. Müllers Scheune sei im wei-
habe – das sei so berührend gewesen! ten Umkreis ein Begriff, eine Marke. Nicht D Gruppe Elztal möcht em Redakteur Er frogt sie, was sie z’esse hätt.
zu vergessen: Regina Müllers „Marktplatz- vu der Badische Zittung (Lokalredaktion Sie zellt Verschiedes her:
Dabei sind Regina und Manfred Müller vor lädele“ als Teil des historischen Ensembles Waldkirch) Herrn Bernd Fackler uf dem Knackwürscht un Serwela, Schwizerkäs,
rund zwanzig Jahren von Frankfurt nach direkt hinter dem Rathaus von Endingen, Weg griäße. Am 1. April 21 isch er in Rente un meint, was er bigehr.
Endingen gekommen wie „die Jungfrau in dem der Kunde auch „Mundart-Säche- gonge. Er war für unsiri Gruppe en gueter
Er frogt, ob sie au Hühner häb.
zum Kind“. „Wir waren mit den Kindern le“ findet. Onsprechpartner. Er hett uns immer unter-
Jo, sait sie, i hon Henne.
im Skiurlaub im Schwarzwald und weil stützt, wenn es um Sache Mundart gon-
Gucke nur dert zum Fenschter nuß,
Tauwetter eingesetzt hat, haben wir eben Drei dicke Gästebücher in Müllers Scheu- ge isch. Kei Wocheendusgab vu dr Badi-
wia sie ums Hus rum renne.
notgedrungen ein paar Touren durch die ne sind mittlerweile gefüllt mit Einträgen, sche Zittung isch erschiene, wo er nit sini
Umgebung gemacht“, erzählt Regina Mül- Bildern, Zeitungsausschnitten und vor al- Sprüch-Anekdoten un Versli zum beschte Ob’s villicht Ochseauge gitt?
ler. Beim Bummeln durch Endingen sei ih- lem mit Dankesworten. „Ob Treppe nuff, gä hett. Do guckt sie e groß a:
nen der Aushang „Altes historisches Haus ob Treppe nunter – die Räumlichkeit do Nai, der lei Zügs des koch i nitt,
zu verkaufen“ ins Auge gestochen. Damit isch e Wunder!“, hat der Freiburger Mund- Er war nitt litschie un menschenerscht des ko mr do nit ho.
habe eine abenteuerliche Zeit begonnen. artautor Frank Huttelmeier beispielsweise (= leutscheu und menschennärrisch). Er
Was doch die Stadtlütt alliwil
nach seinem Auftritt hier geschrieben. Für isch un bliebt ne echte Elzacher. Er hett in
e so e Zügs do wenn;
Den Dialekt der Einheimischen hätten sie sich spricht auch der Eintrag von Martin sine Bericht oft Spass un Ernscht zämme
do mian ihr nuff uff Elze gu,
von Anfang an nicht als Sprachbarriere Winterhalter: „Es war e wunderschöne gnumme. Mir donke ihm für sini nette Be-
villicht, dass s’Riaggers henn.
empfunden, sondern als etwas Bereichern- Owe, mr mueß de Husherr gheerig lowe! richte in all denen 20 Johr, wo mir zämme
des. „Es war unser Wunsch, das Haus für gschafft hen. Erscht letschthin hett mi einer gfrogt,
die Kultur zu öffnen“, bekräftigt Manfred Bi so viel Atmosphäre hesch doppelt ob i au Ochsemul hätt,
Müller. Die Mundart ist für die Beiden ein Luscht ebbs zhäre!“ Für ihn un alli Leser vom Heftli hänn mir un der will Ochseauge ho,
Kulturgut, in dem das Wesen des Aleman- ein Gedicht gfunde vun de Adeline Bach- nai, es isch nimmi nett.
nischen in Sprache oder Musik auf tief- Für die Muettersproch-Gruppe Kaiserstuhl- Gysler uss Elze, was mol vor 50 Johre in de
Wurum denn au die Stadtlütt nur
gründige, kraftvolle oder auch humorvolle Tuniberg ist das große Wohlwollen der Fa- Zittung gstonde isch.
so derlei Zügs wenn esse?
Weise zum Ausdruck kommt. milie Müller jedenfalls von unschätzbarem
Un grad uff d’Ochse, schint es mir,
Wert. „Sit mir do sii derfe, hemmer immer  Hans-Jürgen Wehrle
do sin sie wie versesse.
„Es ist wichtig, sich als Neubürger auf e volls Hüüs!“, schwärmt Josef Baumann.
die heimische Sprache einzulassen“, fin- Damit das von keinem vergessen wird, S’isch nimmi schi, hitt Wirti z’si,
den Regina und Manfred Müller. Das gelte ist er dieser Tage dabei, in Endingen und Im Rebstock in unserer hüttige Zitt.
auch für das Reisen in andere Länder oder Umgebung Collagen aus Ankündigungs- Sie wisse nimmi, was sie wenn;
Im Spitzebach isch e Wirtschaft gsi,
für den Urlaub. plakaten aufzuhängen. „Mir sin noch do!“ so überzwerch sin d’Lütt.
de Rebstock het sie g’haise.
sagt er und lacht. Spätestens im November
D’Wirti hett ganz allei drin g’hust, Der Herr schtoht uff und goht an d’Tür.
Seitdem die Müllers nach Endingen ge- 2021 darf die Mundart wieder zu Gast sein
allei mit ihre Gaiße. Sie rieft: Bliebe nur do,
zogen sind, ist die Kultur im Kaiserstuhl- in „Müllers Scheune“.
i hol euch e Stück Schunkespeck,
Städtle vielfältiger geworden, näher an den Sie hänn e neue Lehrer g’ho,
no hänner au ebbis g’ho.
Menschen und nichts Privilegiertes. Im  Christel Hülter-Hassler der goht halt au emol hi.
ganz besonderen Ambiente von „Müllers Er het sunscht schu e bar mol g’hört,
 Adeline Bach-Gysler
Scheune“ fühlen sich Gäste und Künstler sie häb so guete Wii.
52 gleichermaßen wohl. 53
D O FA H R E M I R E M O L H I Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 D O FA H R E M I R E M O L H I

Nach Malterdinge uf d „Augenweide“


Nai, mr mueß nit immer ganz witt nuff stiige fir e gueti Ussicht.
S duets manchmol au, wemmer nur uf halbi Höchi goht. S kunnt halt
immer druf aa, wu sich diä halb Höchi befindet.

Wenn mr vu de Vorbergzone vum Panoramaweg, mr kann en aber problem-


Schwarzwald schwätzt, bedittet des, dass los au no uf 24,5 km verlängere – oder au
mr sich vegliche mitem Rhiital schu e biz- abkürze un in zwei Etappe laufe. Möglich-
zeli erhöht fühle kann un folglich ufs Rhii- keite gits viel.
tal nabluege kann. Dert im Rhiital kammer
de Kaiserstuehl un de Tuniberg sähne un Mr startet mittle im Dorf am Rothuus
änne am Rhii, ganz witt am Horizont d un nimmt sich erscht emol de nördli-
Vogese. E Weg, wu aim diä Ussichte un che Schlenker vor. Schu glich velosst mr
noch meh biätet, isch de Panoramaweg s Dorf un stiegt e klei weng de Berg nuff
„Augenweide“ in Malterdinge (e klei wing un folgt de Wegwiiser. Diä mache aim bal
nördlich vu Emmedinge), wu 2016 anläss- uf de „Amerikanerstein“ ufmerksam, e
lich de 1000-Johr-Fiir usgwiese wore isch. Denkmal, wu ehemaligi Uswanderer us
Initiator isch d Wandergruppe vum India- Dankbarkeit gstiftet hen. Noch e klei wing „Weisch Bscheid?“ wird mr uf em Panoramaweg gfrogt. Foto: Ari Nahor
ca-Verein gsi, wu in Malterdinge e jahr- witter un de erschte Ussichtspunkt lit vor
zehntelangi Tradition het. 15 km isch der aim. S Aug schweift iber s Rhiital eweg bis zu de Vogese. Uf ere Tafle isch beschriftet, Sitte were unter de Überschrift „Weisch
welli Berg mr vor sich sieht. Jetz mueß mr Bscheid?“ 10 Wörter ufgfüehrt un wem-
nur noch gueti Sicht ha. mer d Tafle rumdrillt, wird aim d Uflösung
präsentiert. Was isch „lüdrig“, was isch
Jetz macht mr e Kehrtwendung Richtung „bludd“ oder was isch „gimberig“ wird do
Oschte un stigt noch e klei weng höcher gfrogt. Do isch e Dialektkenntnis gfrogt,
bis zu de „Hasenbank“. Dert wartet de wu schu e klei wing diäfer goht. Aber
nächscht Panorama-Blick iber s Dorf un uf wemmer de Weg in Gsellschaft goht, kann
de Kaiserstuehl. S goht witer nach Oschte, des e unterhaltsami Station sii, wu mr or-
wu mr irgendwenn d Stroß nach Bombach dentlich ins Dischgeriere kumme kann.
iberquert un parallel zue de L113 nach
Freiamt e Stick witerlauft bis mr au diä E letschtes Mol het mr e wunderbari Us-
Stroß quert. Iber freies Feld lauft mr deno sicht uf de Kaiserstuehl, aber au ufs süd-
oberhalb vu Heimbach, iberquert wieder e liche Rhiital un uf Friburg. Wemmer gue-
Stroß. Un no mueß mr ufpasse. Denn jetz ti Sicht het, sieht mr s Münschter. Un au
gits e Abkürzung zum Dorf zruck, oder mr d Schwarzwaldgipfel Kandel, Feldberg,
macht noch e Schlenker nach links, wu mr Schauinsland, Belchen un Blauen kammer
ußer witere schöne Usblick uf de südlich sähne un geniäße. Dann gohts zruck ins
Schwarzwald (ebefalls mit Panoramatafle) Dorf, wu mr iikehre kann, wenn nit grad
noch e bsundere Leckerbisse findet: Ins- Corona isch.
gesamt 6 Tafle mit Dialektbegriff sin dert
54 in bstimmte Abständ ufgstellt. Uf de eine  Friedel Scheer-Nahor 55
M A C H E M IT  Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 D E S U N S E LL

Mache mit – s git ebbis z gwinne


Diesmol teschte mr wieder Ihri Dialektkenntnis. Der Buechstabe, wo hinter Mit Alemannisch in de Morge
de richtige Antwort stoht, mueß ins jewiilig Käschtli iitrage werde. Wenn alles richtig isch, Zum Z‘Morgeässe e flotte alemannische Spruch uf de Tass?
kriegt mr s Lösungswort, was diesmol e Bezeichnung fir e bstimmte Mann isch. Kei Problem! S Keramik-Töpfle in Müllheim isch Ihne do behilflich.

1. Was ist ein „Fegge“? 5. Was ist „buschper“? sie gstaltet Rohlinge au nach individuelle
a) ein Handbesen R a) faul F Wünsch. Wemmer nit selber si Spruch, wu
b) ein Ackergerät L b) munter, lebhaft O aim bsunders guet gfallt, uf de Becher oder
c) ein Flügel T c) streitsüchtig K de Teller schriibe will, macht d Manuela
2. Was bedeute jemandem 6. Was heißt „liäche“? Allinger des. Nach ere Woch kammer s
ein „Schletterli“ anhängen? a) herauszupfen O fertige Stück deno abhole un sich an dem
a) ein Glöckchen anbringen A b) gequält lächeln S Einzelstück erfreue. Oder veschenke.
b) Schlechtes nachsagen S c) lügen N
c) etwas Gutes tun E Mit viel Elan het sie d Corona-Zitt iber­
7. Was ist ein „Seschter“? stande un hofft jetz druf, dass wieder e
3. Was versteht man unter „schleeze“ a) ein Rechthaber I D Manuela Allinger isch am Werk in ihrem
Lade. Fotos: Keramiktöpfle munters Triibe in ihrem Lade stattfinde
a) nur Bestimmtes essen C b) eine Sävorrichtung M kann. Dann könnte au emol wieder Kin-
b) einen Graben machen L c) ein Getreidemaß L E paar Munet, bevor der vu uns alle ve- dergeburtstag, Jubiläe oder Firmefescht-
c) schimpfen I hasste Virus au bi uns Iizug ghalte het, het li bi ihre gfiirt were, wo jeder si eigenes
8. Was heißt „serble“?
4. Was ist ein „Büseli“? a) Unsinn erzählen E d Manuela Allinger in Müllheim e neue Keramik-Stück gstaltet un später dann mit
a) ein kleiner Busen S b) ungeschickt schneiden T Lade eröffnet, in dem mr selber Rohlinge heim nehme derf.
b) jemand, der büßt O c) kränkeln, siechen I us Keramik bemale un gstalte kann. Devor
c) ein Kätzchen H het sie schu e paar Johr in Badewiler us- Mer findet ihre Lade in Müllheim in de
glotet, wiä des Gschäftsmodell agnumme Wilhelmstr. 4. Wer sich erscht emol uf
wird un feschtgstellt, dass es e großes In- de Websitte umluege will, kann des uf
Lösung: 1 2 3 4 5 6 7 8 teressi findet. Mr kann bi ihre us über 300 keramik-toepfle.de mache. Telefonisch er-
Bitte einsenden an die Geschäftsstelle bis 30. Oktober 2021. verschiedene Rohlinge e Lieblingsstück us- reiche kammer d Manuela Allinger unter
sueche un des deno nach eigene Wünsch 07631 / 988 04 30, per E-Mail unter info@
gstalte. Des kann e Teller oder e Tass sii, e keramik-toepfle.de.
S Rätsel vum letschte Mol Winter eneweg un dass mer jo it die kleine Becher oder e Müslischale oder au e Torte-
Merci fir diä viele Iisendunge. Alli sin rich- Bubä iiseife duesch. Sunsch gits an Löffel, so platte oder e Seifespender.  Friedel Scheer-Nahor
tig gsi. D Lösung heißt „Hurrlibue“. De dass sie so rot wie d Rahne sind. Kapiersch?
Manfred Willmann us Vöhrebach het d Un loss bloß d’Finger vo d‘ Frücht, wo du it Aber au fertigi Stücker kammer bi ihre
Lösungswörter sogar im e Text vesammlet. kennsch. Itt dass do no d‘ Lichtsageri im kaufe. Un do het sie sich uf ihri Muetter-
Läse, was er gschriebe het: Dorf rumgau muan, wegge dir. sproch bsunne un Becher un Tasse mit
Kumm Bue, jetzet isch Schluss mit um- E tolli Gschicht. Merci vielmols, Manfred alemannische Sprüch veziert. Grad in de
meschwanze. Bruchsch gar it Bihnistege Willmann. Corona-Zitt het sie Muet gmacht mit Uf-
nuff abhaue. Han d’r ä Arbet. Guck emol schrifte wie „d‘ Arschbagge zämme kniffe“
noch em Reckholder. Wett wisse, obs no wel- Gwunne hen diesmol: oder „s‘ wird scho – s‘ got vorbei“. Sie git
li gitt. Bring emol ä Hampfele mit, wen d‘ Walter Scheuble, Aasen; Irene Wolf, Frei- aber au Ratschläg wie „Numme nit hudd-
Vegl welli übrig glau hän. So schpot im Johr. burg; Karl Bosch, Stockach. E Biächli isch le“ oder losst aim abblitze mit „Rutsch So e Spruch oder e ganz andere, kammer uf s
56 Aber duan au uffbasse, steche duan sie im unterwegs. mir doch de Buggel abe“. Des tolle isch, Gschirr der Wahl schriibe. 57
D E S U N S E LL Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 D E S U N S E LL

Mit Recitativ beginnt das dritte Lied Der dass die Hälfte der Lieder im 6/8-, bzw. im
Sensationeller Fund von Kompositionen Wächterruf. Zwei wuchtige E-Dur-Akkorde 3/4-Takt verfasst sind. Der Dialekt klingt im

mit Hebeltexten fordern die Stadt-Bewohner zum Zuhören Sprachfluss immer wie ein Sechsachtel-
auf. Das Nachspiel ist fein ausgearbeitet. Es takt. Er setzte die Inhalte adäquat in sei-
Im November 2020 bekam ich eine Mail von Dr. Folckert Lüken-Isberner aus Kassel, der ist, als ob Melodieteile in verschiedenster nen Kompositionen um. Gross musste den
mir zwei PDFs mit Noten von zehn Hebelgedichten zusandte. In der mir bekannten Hebel- Lage in den leeren Gassen von den Wänden Klang eines Alemannischsprechers im Ohr
literatur konnte ich diese Kompositionen nirgends finden. Eine große Entdeckung? widerhallen, bis sie im pianissimo in tiefer gehabt haben, und er hatte die Texte auf
Lage verstummen. In frischem D-Dur ist jeden Fall verstanden. Auch die Betonun-
Der Komponist Jo- ken-Isberner aber nur fünf Lieder im Archiv Freude in Ehren gesetzt. Die fanfarenarti- gen in der Sprachmelodie, wurden optimal
hann Benjamin Gross, gefunden. Dietrich Zeh, der renommierte ge Dreiklangsmelodik des Vorspiels strotzt gesetzt. Ganz sicher ist, dass zur damali-
der mir zuvor nicht Chorpublizist und Hebelkenner aus Gren- nur so vor Vitalität. Erstaunlich ist auch das gen Zeit diese Art der Vertonung von ale-
bekannt war, hat diese zach, machte sich auf die Suche und fand Vorspiel zu Auf einem Grabe. Man könnte mannischen Texten sehr exotisch gewirkt
Hebelgedichte wahr- in der Landes- und Universitätsbibliothek bei diesem Thema mit düsterem Moll rech- haben muss. Der Dialekt wurde von gebil-
scheinlich vor 1833 Brünn, Tschechien, noch eine Ausgabe mit nen, aber nein, mit drei verheißungsvollen deten Kreisen nicht geachtet. Doch Hebels
vertont. Gross wur- allen sechs Liedern. Dem Internet sei Dank. Läufen in As-Dur schafft Gross eine heitere Verse sind auf dem Niveau von Goethe
de am 12. September Erwartung, die uns Hebel in seinem Ge- und Schiller. Großartig, dass der junge Ost-
1809 in Ostpreußen Dass sowohl eine Klavier- wie auch eine dicht am Ende tröstend erfüllt. preuße Gross das damals schon erkannte.
geboren, wurde Cellist Gitarrenbegleitung notiert sind, ist etwas
Johann Benjamin und lebte nach 1833 Besonderes für die damaligen Käufer. Die Die Zweyte Lieferung beginnt mit Gespenst Gleich als ich die PDFs von Herrn Dr. Lü-
Gross (1809 - in Tartu, Estland, und Singstimme richtet sich an eine geschulte an der Kanderner Straße, das von der ken-Isberner bekommen hatte, machte ich
1848), Komponist. ab 1835 bis zu seinem Laienstimme in höherer Mittellage. Stimmung her zuweilen an Schuberts Win- mich an die Produktion dieser Lieder und
Foto: Wikipedia
Tode in St. Petersburg. terreise erinnert. Der Käfer, der bei seiner stellte sie auf youtube. Bei der Übertra-
Die volksliedhaften Melodien sind sehr durstigen Reise auf den freundlichen Engel gung ins Hochdeutsche ging es mehr um
Wie Gross zu den Hebeltexten kam, ist eingängig. Die erste Abtheilung, wie Gross in der Lilie trifft, ist wohl das einfachs- das Sinnverständnis als um die metrische
nicht geklärt. Ein Hinweis könnte die Wid- sein Heft nennt, beginnt mit Hans und Ver- te Lied. Bei Das Hexlein übernimmt das und klangliche Angleichung an den Origi-
mung für Professor Loreye, Gymnasialdi- ene, gefolgt von dem fünfzehnstrophigen Klavier eine eigenständige Kommentar- naltext. Markus Manfred Jung war da sehr
rektor in Rastatt, sein. Loreye wird auch Gedicht Die Marktweiber in der Stadt. funktion. Nach jeder Verszeile plaudert die hilfreich. Sie finden die Filme auf youtube
in einem Hebelbrief von Mitte März 1802 Das reflektierende Beobachten des Erzäh- rechte Hand dazwischen und gestaltet die unter
erwähnt. Hebel beschreibt seinen katholi- lers wird immer wieder durch Marktrufe flirtende Atmosphäre zwischen der Frau, Vier Gross-Hebel-Lieder Teil 1
schen Kollegen als sehr geschikten Profess. wie „Chromet süeße Anke!“ unterbrochen. dem Hexlein, und dem Mann auf seinem https://www.youtube.com/
Loreye, der zwar geist- und gedankenreich, Schneidstuhl. Ähnlich gebaut ist auch Der watch?v=CPW8FN9J458
witzig, wohlgewandt im Umgang und Morgenstern. Mit knitzen, neckischen, Sechs Gross-Hebel-Lieder Teil 2
Schriftsatz, und nur auf der Cancel steif, sich dreimal wiederholenden Vorschlägen https://www.youtube.com/
trocken und unfruchtbar daherkommt. und aufmunternder Dreiklangsmelodik be- watch?v=dM0FdOAl_ic
Wie dem auch sei, Loreye hatte Hebels ginnt Der Schreinergeselle. Schon durch
Gedichte. Die Verbindung von Loreye zu das Vorspiel hören wir, mit was für einem Vielleicht hat nun die eine und der ande-
Gross wiederum ist völlig im Dunkeln. leichtfüßigen Kerl wir es zu tun haben. re Lust bekommen, in diesen gehaltvollen
Fund hineinzuhören. Ein Stück europäi-
Der Titel des ersten Heftes lautet: Sechs Lie- Gross steht in der Tradition von Zelter, scher Kulturgeschichte und eine Freude
der / Aus Hebel’s allemannischen Gedichten Kreutzer und Reichardt, die einen ähnli- für jeden Hebel-Verehrer und für jede He-
/ Mit Begleitung / Des Claviers oder der Gui- Titelblatt „1te Abtheilung“ der Vertonung der chen Stil und vergleichbare einfache Satz- bel-Bewunderin ist es allemal.
58 tarre. Entgegen dieser Angabe hatte Dr. Lü- Hebel-Gedichte. technik komponierten. Bemerkenswert ist,  Uli Führe 59
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„De Bach nab“ FSN: Hen Sie e Überblick, wie oft Ihre
S git doch immer wieder emol e Iberraschung. Do isch jetz eini vum Bodesee iitroffe, Gschicht schu gläse wore isch bzw. wie oft
gnauer gsait us Iberlinge. sie rabglade wore isch? Hen Sie au Ruck-
meldunge kriägt?
Die Iberraschung isch literarischer Art un Friedel Scheer-Nahor (FSN): Sie hen e
wil erarbeitet – sprich gläse – were. S erfor- wundersami Gschicht im e Buech vu 280 FvS: Ha-a, vum Rablade woss I nint. Des
deret also au e bizzeli Eigeleischtung. Aber Sitte im Dialekt ufgschriebe. Was isch do intressiirt mi au gar it eso. Mir läbet innere
s rentiert sich. S het agfange mitere Mail defir Ihre Beweggrund gsi? Ziit, wo alles analisiirt und mit Algoritt-
vum e gwisse Friedrich von Schilbach. Er me optimiirt wird und wo im Läbe vu em
het uns mitteilt, dass er e Buech gschrie- Friedrich von Schilbach (FvS): 280 Siite jede mit Suechmaschine umenand gnuelet
be het – un zwar in Bodeseealemannisch. isch it vill. I hon stark kirze mese, well wird. Z Kalifornie, z China und susch wo
Es handlet sich um d Läbensgschicht vum e Dialektbuech vu 600 Seite liäst mer jo wissed d Computer afange mee iber uns
Walter Denzel, wu vu 1950 bis (ufpasst!) konner. Mir sinds it gwoont, lange Text im wiä mir selber. Wers Biächle abeladet, soll
2040 spielt. Usgangspunkt vu sinem Läbe boddeseealemannische Dialekt z läse. Des sei Freid demit ho. I hon do kon Zääler
isch s „Waldhorn“, e Gaschtwirtschaft, strengt unser Oberstibble vill z vill aa. Ge- eibaut. Ruckmeldunge hon i ersch e baar
wu s in Iberlinge tatsächlich gää het. dichtle scho, oder Kurzgschichte, des goot. griägt. Die hond s ganz Spektrum abdeckt,
Leider isch des Traditions-Gaschthus im Warum muess i etz do miteme dicke Buech vu „Ha, so äbbs ka me doch it uf Dialekt
wirkliche Läbe 2017 abgrisse wore. Aber kumme? Zum eine us dem eifache Grund, mache, des goot granatemässig denäbe“,
do drum kimmeret sich de Friedrich von well es, zmindescht noch mim Wisse, bis bis zu „Etzgo! So e geniale Gschicht, do
Schilbach gar nit. Si Gschicht vum Walter etz konne so lange Mundart-Text gäe hot. läbt Iberlinge uf, do wird de Stadt e Denk-
Denzel nimmt e ganz andere Velauf. Und zum andere: unser wunderbare, ein- mol gsetzt“.
ziartige, Identität stiftende Dialekt isch
Macht Sie des wunderfitzig. Oder bruche leider in e Ecke hintere gschoppet worre, FSN: Wie sin Sie uf d Idee kumme, dass
Sie noch meh Information vum Friedrich woner it na gheert. So wiä i des erfaare anderi in Ihre Gschicht drin rum schriibe Überlinge im Johr 2021. Foto: Heidi Wieland
von Schilbach? No stelle mr ihm jetz halt hon, wird vum Publikum erwartet, dass könne? Hen Sie kei Angscht, dass sie deno
e paar Froge: Dialekttext luschtig si meset. vehunzt wird? Orientiere Sie sich do an eb- solang dreit und gwendet und durrekaut
bis, wu s schu mol gää het? bis es allene oder konnem me schmeckt. I
I denk, dass unser Dia- de Literatur ka me jo au emol so en Vusu-
lekt au andersch ka. Me FvS: Wa woss denn i? Des ka scho si, dass ech unternäe. Und wer sich die Miä macht,
ka doch au emol lange mol äbber e fertige Gschicht sine Läser inneme Text drin ume z schriibe, der isch
Gschichte schriibe, wo zum Vurupfe gäe hot, zum s besser ma- eender it am Vuhunze intressiirt.
de Alldag so mit sich che, statt bloos umenand z nörgle. Aber
bringt. Wenn onner en des isch mir it bekannt. Min Aasatz isch FSN: Hen Sie eigentlich e fertigs Konzept
Breschte hot und vor andersch. Heitzdag werred d meischte Ent- gha fir s Läbe vum Walter Denzel oder isch
Schmerze briäket und scheidunge jo au kollektiv troffe. Partizipa- Ihne do einiges erscht bim Schriibe kumme?
iber sis „Ranzepfiefe“ tion und, wiä me dehom seit „Du sottsch
jommeret, denn lacht au mol dei Fiddle lupfe und äbbs Gschiits FvS: Beides. Zum einte isch do d Idee gsi,
jo au konner bi sellem due!“, des isch wichtig. E Regiirungs-Ba­ e ganzes Läbe z beschriibe, vu de Vugan-
Wort. biir goot jo au durch ville Händ, bevors geheit i d Zuekunft, wo me s Iberlinge vu
Das Gasthaus „Waldhorn“ in Überlingen fiel 2017 dem Bagger zum denn emol vueffentlicht wird. Zmindescht friäner beschriibe ka, aber au wa kunnt,
60 Opfer. Foto: FvSchilbach innere ziitgnessiche Demokratii. Alles wird oder kumme kennt. Und des eweng iber- 61
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spitzt. So, dass me als Läser heit scho ent- Wen s intressiirt: I selber griäg e Honorar Alemannisch im Kalender
scheide ka, ob me wott, dass es so kunnt, vu fascht sibbe Euro pro Buech. Des spend S isch sicher kei Selbschverständlichkeit, ass d alemannischi Sprooch
oder it, oder andersch. Und wenn mes i ere Familie z Weschtafrika, dass au dene im Vergliich mit andre internationale Sprooche Anerkennig finde tuet.
andersch will, denn muess me halt äbbs iire Goofe s Läse lerne kennet. Wer vu de
mache. Oder me loots. Läser hiirzland spare muess, der ka au e Aber diis Johr isch in Niedersachse en
„e-Book“ kaufe, denn koschts nu no 7,99 Chalender use cho, mit zwölf lateinischi
Und jo, bim Schriibe fallt om au no vill Euro. Aber des isch denn äbbe d elektro- Sprüchle – für jede Monnet eine – wo je-
ei. I sag emol eso: D Idee vum Huus isch nisch Fassung. Wiigt zwar nint, aber ka dis Versle in ölf Sprooche übersetzt worde
do. D Hee, d Breite, s Feier im Dachstuel me it signiire lo. Und s hot au de Nochdeil, isch. S erschti Mool au – ins Alemannischi!
und d Leich im Kär. Wo etz aber welle vu- dass me it zwische de einzelne Siite Bliäm-
winkelte Stägge sind, wo d Dapete welle le trockne und presse ka. De Chalender „VARIA & DIVERSA“ er­
Farb hond, wo wer ussem Fenschter lueget schiint alli zwei Johr un wird vum In-
und uf d Stross abe krakeelet, des kunnt Und wer etz no en Untersetzer fir en Ge- ternats-Pädagogigum us Bad Sachsa im
denn no noch und noch. I bin e baar mol raniedopf bruucht, den mecht i bitte, no Niidersächsische Landkreis Göttinge ver-
driber gange, bis i denkt hon: „Wenn i etz e weng z warte. Mei nägscht Biächle isch triibe. De Heruusgäber isch de pensionierte
no äbbs vubesser, denn wirds nu minder“. grad im Entschto. I hon jo sunscht nint Internatsrektor, Gerhard Postweiler, 79, wo
zum Due. Do goots um de Freind vum gebiirtig us Pforzheim stamme tuet, aber
FSN: Kammer Ihre Buech au kaufe un was Walter Denzel, um de Hägele. Denket Se scho lang in Bad Sachsa lebt. „Ich höre das
koschtet es? aber it dra, „Dreck am Stecke“ als Wii- Alemannische richtig gerne“, sait er, „es
nachtsgschenkle z kaufe. Legget Se liäber hängen ja viele Kindheitserinnerungen da-
FvS: Wer sich des aadue wott, der ka e baar warme Händsche unter de Bom. Die ran“. Numme s z spreche hät er leider nit
sich des Biächle au kaufe. Ka me i jedere ka me besser bruuche. S Klima wird wär- glehrt. „Wie bei vielen damals wurde bei
Buech­ handlung siidlich vu de Schwäbi- mer, aber s Mitenand wird kelter. uns daheim ausschließlich Hochdeutsch
sche Alb hole und koscht 29,99 Euro. Etz, gesprochen, um vermeintliche Bildungs-
i dere schlimme Corona-Ziit, kaufet au FSN: Guet, stemme mr is degege. Dank- chancen nicht zu trüben.“ Des hät sinere De Gerhard Postweiler isch de Initiator vum
vill ufm Internet. Ka me scho so mache. scheen vielmols firs Gespräch. Liebi für s Alemannischi aber it ganz en Latein-Kalender mit Übersetzunge. Foto: privat
Aber denn machet de reichschte Maa vu Riegel vorschiebe chönne. „In meinem Re-
de Welt it no reicher. Kaufet zmindescht FvS: Dankschää Iine und de Muetter- gal steht noch immer der Hebel, den ich Eso hän 2019 s erscht Mool s Schwiizer-
direkt bim Verlag: https://www.bod.de/ sproch-Gsellschaft fir all Iire Krampfete, gern lese“, sait er. dütsch un s Bayrischi en Platz im Chalen-
buchshop/de-bach-nab-friedrich-von- zum unseren wunderbare Dialekt z erhal- der gfunde. 2021 sin denn s Alemannischi
schilbach-9783751956123. te. S giit it vill, wa wichtiger isch! Sit 25 Johr schriibt, gstaltet un bringt Ger- un s Rätoromanische us de Schwiiz däbii,
hard Postweiler jetz scho selle Latein-Cha- nebem: Englisch, Französisch, Italienisch,
lender use. „Anfangs waren die lateini- Spanisch, Rumänisch, Griechisch, Alba-
schen Verse nur in Sprachen wie Englisch, nisch, Ungarische un Russisch!
Das Buch zum online lesen bzw. Herunterladen und die oben beschriebenen Französisch, Italienisch und Spanisch
Mitmach-Optionen, sowie Kontakt zu Friedrich von Schilbach findet man auf übersetzt worden. Bis mit den Jahren im- Selli Versle, wo de ehemolige Latein-Leh-
der Seite: https://sites.google.com/view/friedrichvschilbach/startseite mer mehr und seltenere Sprachen hinzu- rer un Rektor us Pforzheim alli selber use-
gekommen sind“, erchlärt er. „Vor zwei suecht, chömmet no mim e tiefre Sinn do-
Jahren entstand dann die Idee, auch Dia- her. Do heißt s zuem Biischpil: Dummodo
lekte mit aufzunehmen.“ sit dives, barbarus ipse placet. (Ovid, ars
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amatoria 2,276) Bi de ölf Übersetzige nä- gführt wird!“ En liebschte Spruch hät si vo
bedraa heißt s denn ebe au: Wenn er nur dene zwölf nit – „Es sin alli guet“, sait si.
riich isch, no gfallt eim sogar en Barbar.
Leider isch es letschte Exemplar vo de ak-
Übersetzt ins Alemannischi hät s eusi Hei- tuell siibehundert Stuck scho vergriffe – s
di Zöllner us Huuse, vo de Regionalgruppe erschte Mool usverchauft, sit s de Chalen-
vo de Muettersproch-Gsellschaft „Wie- der git! Gerhard Postweiler cha sich aber
setal“. De Kontakt zue nere isch über d guet vorschtelle bim nögschte Chalender
Geschäftsstell vo de Muettersproch-Gsell- wiider s Alemannischi mit ufznäh: „War-
schaft gange. „Ich habs gern gmacht“, um nicht?“, sait er – Uns gfallt s! Drum
sait d Zöllner Heidi. S isch au nit s erschti verzähle mer s i sellem Sinn: Qui dedit be-
Mool, dass sie vum Schriftdütsche iis Ale- neficium, taceat. Narret, qui accepit. (Wer
mannischi übersetze tuet. „Trotzdem isch öbberem e Wohltat zuecho lo hät, sott still
es bsunderscht, wiil dörten s Alemanni- sii. De wo si kriegt hät, sott devo verzelle.)
schi gliichwertig mit de andri Sprooche uf-
 Sandhya Hasswani
De Cossu uf Instagram. Foto: Bildschirmfoto

heißt, us m Kinzigtal kunnt, Lehrer gwor- In de Zwüschezitt isch er als Schwarz-


den isch un z Stuttgart läbt. Au dass er wälder Comedian, wo sich au klar gege
De Räpper Cossu wege sinere Hutfarb scho dumm aagmacht Rassismus engaschiert, so bekannt – in de
Ufm Smartphone krieg i am e schöne d Dag e kleis Video gschickt. worden isch. Aber uf s Muul kheit isch er soziale Medie, aber au usm Fernsäh – dass
zum Glück nit. Wenn em einer sait: Gang en Kontakt zue ihm über e Agentur lauft.
Mer sieht en junge Kerli, in Amerika würd Wäm ghörsch Du? Un des isch kei Froog, zruck dört aane, wo der her ko bisch, däno Einewäg schafft er immer no als Lehrer.
mer sage „a person of colour“, also en Far- des isch en Befehl! sait er, dass er dodäzue nit wit fahre mü- Mer möcht em wünsche, dass em di Idee-
bige mit krüüslete Hoor un Kapuzepulli, eßti, nämlig numme in de Schwarzwald, je nie usgöhn. Son e kuule Verträtter vom
wo im e perfekt amerikanische Singsang Wurum kunnt eim des numme so bekannt noch Haslach. Alemannische muesch lang sueche!
aafangt z schwätze: In Germany in the vor, die Froog?
black forest we dont‘t say: Hey girl, where  Carola Horstmann
are you from? Un i denk, jo, isch jo guet, I weiß nit, wie oft i des Video scho aa­
scho wider son e Video ... S isch nämlig gluegt ha – ich find‘s eifach genial! Natür- Meh vum Cossu kammer unter folgende Links finde:
die Zitt gsi, wo Corona aagfange hät unser lig weiß de Cossu, dass bi sim Ussäh in un-
gselligs Läbe lahm z lege un mer wege sere Köpf erscht emool e Huffe Klischees E Interview mit ihm het d Anika Maldacker vo Fudder gführt: https://www.
däm allbott gueti, aber au weniger gueti ufschtöhn. Un gnau dodämit spielt er. youtube.com/watch?v=2nfCSCvnpAw
Filmli gschickt kriegt hät.
Wunderfitzig gworde, möcht mer jetz wüs- In SWR 2 isch de Cossu in de Sendung „SWR 2 tandem“ gsi:
Aber däno isches in däm Video witter gan- se, wer er isch, won er herkunnt (Wäm https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/was-menschen-bewegt-
ge. Dä jungi Kerli drüllt sich uf d Site, ins ghörsch du, Cossu?) un was er suscht eso swr2-tandem-2021-03-10-100.html
Profil, dä süeßlich-gschmeidigi Ton ände- macht. In sellem Interju, wo d Fudder- Wer e Instagram-Account het, gibt eifach „Cossu“ ii und findet alli sini Clips,
ret sich, un mer sieht en mit em Finger he- Redakzion (BZ) mit em gmacht hät, ka au sell vum „Wem ghersch du?“.
64 xemäßig winke: Maidli, kumm emool her! mer einiges erfahre: dass er Lukas Steiger 65
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So schwätzt mer dehom nur in Coronazeiten, in der die Gastrono- Es isch schä, a’zluege, wie d Liit durch d
In Radolfzell, wo diesjohr d Heimattage stattfinde, het mr sich als Begleitung men und Einzelhändler so zu kämpfen hät- Stroß gond – wie en Hans guck i d Luft
dezue ebbis ganz Bsunders usdenkt: Dialektali Sprüch un Redewendunge ziere ten, so einen Spruch gut sicht- und lesbar – stoh bliebe und bim eine oder andere
d Stroß un lade zum Schwätze über d Mundart ii. über die Straße aufhängen könne. Dies sei Spruch schmunzle. Herzig isch au, we
eine Unverschämtheit. Christine Braun hot mer mitkriegt, wie Uuswärtige versuche,
Stadtmarketing Radolfzell GmbH entschie- mit Engelsgeduld derre Frau zug’hört und laut zu lese und sich fascht d Zunge bre-
de, e weitere Galerie is Lebe z’rufe …. und versuecht, ihr des zu erkläre, was es für che. De Gründer vu de Trachtegruppe Alt
zwar Redewendunge und Uusdrück vu Sprüch sind und dass es it bös gmont isch. Radolfzell hot imme Gedicht des scho
de Bürger i de Kernstadt und Ortsteile. D Für mich war des e typisches Beispiel, wie gseht:
Stadtverwaltung hot ufgruefe doch Lieb- Mundart und Hochdeutsch so usenan-
lings-Zitate eizuschicke. der klaffet. Dass halt i de Herzenssproch Me ka die Zeller Sproch it drucke,
e ganz andere Bedeutung liegt wie imme so wenig wie mer se schriibe ka,
Walter Möll, Thomas Uhl und Romy Brom- gstochene Schriftdeutsch. Beschreibe, ka denn Zeller Sproch hot ihrne Mucke
ma durfte us 68 Zeller Uusdrück uswäh- mer’s it. und mancher bricht sich d’Zunge dra.
le, welche die schänschte oder au lusch-
tigschte Redewendunge sind und denn in Des Plakat mit ‚s wird all bleeder‘ hängt Mir freued uns, dass uf die Art und Weise
luftiger Höh‘ hänge dürfe. Am 16.3.2021 nimmi. S Schicksal hot g’fügt, dass en i Radolfzell de Dialekt unter die Bevölke-
war es denn soweit. Die Schilder sind uf Sturm kurze Ziit denoch einige vu dene rung kunnt und au Diskussionen uslöst …
Überspannunge i de Höll- und Poststroß Schilder abigfeget hot. Me hot messe alle denn nix isch schlimmer, we’mer it defu
ufghängt worre und ziered die Innestadt abhänge und e neue Ufhängung abringe. schwätzt.
u.a. mit „Hennefidle“, „s’goht degege“, Bei derre Aktion isch es denn ussortiert  Romy Bromma
„a­gmoh­lete Lefzge“, „Kinderscheese“…. worre.  (Trachtengruppe Alt Radolfzell)
44 Exponate insgesamt.

Am 18.3.2021 isch sogar de SWR kumme


und hot die ungewöhnliche Freiluftgale-
Mundart-Banner hoch über de Köpf … rie für d Landesschau ufgnumme. Zwei
Stund isch des Kammerateam und d Re-
I unsere Altstadt, i de Seestroß hommer porterin mit Walter Möll, Romy Bromma
seit Johre und etzt im dritte Johr unter sowie mit de Verantwortliche vo de Hei-
de Organisation vu de Aktionsgemein- mattage Christine Braun und Sarah Ul-
schaft Radolfzell e. V. – ä Freiluftgalerie. D rich vum Tourismus- und Stadtmarketing
Bürger vu unserer Stadt wered zum Foto- durch die Stroße gange, hond interviewt,
wettbewerb ufgruefe. Dies Johr im Rahme Regie-Anweisunge gebe und natürlich viel
der Heimattage Bade-Württemberg solled wisse welle. Wo mir so bei de Ufnahme
schäne Fotografie vu unserer Hommet – vu „Hirntribbel“ wared, hot’s eweng e
Radolfzell und Ortsteile ufghängt werre. Ufregung gä. Ä Anwohnerin, hot sich uf-
gregt und zum Fenschter usibrieled, wie
Uf die Inititative vu Händler i de Post- und mer nu e Schild ufhänge ka, wo „s wird
Höllstroß hot die Aktionsgemeinschaft Ra- all bleeder“ drufstoht. Natürlich war des
66 dolfzell e.V. zemme mit de Tourismus- und ko Eiheimische. Sie hot gmont, wie man … erfreue d Radolfzeller un ihri Gäscht. Foto: Kuhnle-Knödler 67
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„So homme´r gschwätzt“ Badische Volkskunde – Datenschatz


So hieß eine Aktion in Markdorf, die von Dietmar Bitzenhofer zusammen aus dem 19. Jahrhundert digital wiedervereint
mit Markdorf Marketing im Frühjahr 2021 ins Leben gerufen wurde.
Für unser Heftle berichtet Bitzenhofer davon wie alles anfing. Im ersten Quartal 2021 wurde in LEO-BW 1, dem landeskundlichen Informationssystem
für Baden-Württemberg, das Themenmodul „Alltagskultur im Südwesten“ bereitgestellt.
Alle, die mit der Aktion eingebunden wa- Es bietet in seinen vernetzten Beiträgen allen Interessierten und auch wissenschaftlich
ren, hatten große Freude. Vielleicht inte- Forschenden kostenlos hochwertige volkskundliche Informationen.
ressiert sich ja auch der eine oder ande-
re Muetterspröchler dafür? Besuchen Sie Im einzelnen sind dies mul-
doch mal Markdorf und machen Sie sich timediale Inhalte, Quellen
selbst ein Bild. Henne und denne vum See und Literatur zu den Themen
gibt´s scheene Städt und Städtle. Konsch- „Wohnen“, „Arbeiten“, „Frei-
tanz und Markdorf g´höret ganz gwies zeit“, „Essen“, „Mobilität“,
dezu. Früher hieß es in Markdorf, wenn „Religion“ und „Sprache“. Ein
man an einer Tür anklopfte: Brot und ganz besonderer Teil dieses
Moschd mundse òm gäe´, um de Schnaps Themenmoduls ist die digita-
Um ganz ehrlich zu sein, war der Dialekt musch bättle und´s Veschper g´hört zum le Bereitstellung der Antwort-
erst mal Mittel zum Zweck. Wir wollten Aschtand. Letzteres können wir allerdings bögen zum „Fragebogen zur
eine Marketingaktion starten, die in der nicht mehr versprechen. S ísch halt alles Sammlung der Volksüberliefe-
Zeit der Ladenschließung während des andersch worre. rungen Badens“ von 1894/95.
Lockdowns Menschen in die Innenstadt
bringt. Dabei erinnerte ich mich an ein  Dietmar Bitzenhofer Kurz zum Hintergrund: Der
von Hubert Freyas ausgearbeitetes „Wör- germanistisch und volkskund-
terbuch“ über Markdorfer Ausdrücke und Mehr Infos und ein Link zum Video: lich ausgebildete Universi-
Redewendungen. Also wurden entspre- www.markdorf.de tätsbibliothekar Fridrich Pfaff
chende Plakate gedruckt, die dann in den entwickelte im Jahr 1893 den
einzelnen Schaufenstern der Markdorfer Plan, im Rahmen einer flä-
Geschäfte ausgestellt waren. Zeitgleich chendeckenden Umfrage die
wurde ein kleiner Film gedreht (mit Frau volkskundliche Überlieferung
Freyas und mir), der auf der Webseite der Badens zu erheben. Er konn-
Stadt Markdorf angesehen werden kann. te für sein Vorhaben Fried-
Beide Aktionen kamen sehr gut an. Ge- rich Kluge, der damals gerade
rade die älteren Mitbürger konnten sich neu als Professor für deutsche Ausschnitt aus dem Fragebogen, der Ende des 19. Jahrhun-
noch an die vielen aufgeführten Begriffe Sprache und Literatur an die derts verschickt wurde.
erinnern. Zeitgleich kam der Wunsch auf, Universität Freiburg berufen
doch dieses „Kultur- und Sprachgut“ als worden war, und außerdem Elard Hugo erster Fragebogen mit einem programma-
gedruckte Version zugänglich zu machen. Meyer, Bibliothekar und außerordentlicher tischen Aufruf in der Zeitschrift „Aleman-
Gesagt, getan. Diese Sammlung unserer Professor für Germanistik und Volkskunde, nia“ veröffentlicht. In den Jahren 1894/95
Mundart wird in den nächsten Wochen gewinnen. Zunächst wurde noch 1893 ein wurde dann eine erweiterte Version an die
über „Marketing Markdorf“ bezogen wer-
68 den können. 1 https://www.leo-bw.de [Zugriff am 20.05.2021] 69
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den auf Gewerbe, Dorfsprü- Landesarchiv Baden-Württemberg, der mationen und Materialien zu Orten, Perso-
che, Rätsel, Märchen, Sagen, Universitätsbibliothek Freiburg und der nen usw. gesprungen werden.
Sitten und Gebräuche sowie Arbeitsstelle Badisches Wörterbuch die
Sprachliches. Für die Erfas- Originale aller noch erhaltenen Antwort- Bei den Antwortbögen aus dem Freibur-
sung des religiös-kirchlichen seiten professionell digitalisiert, aufbe- ger Bestand gelangt man von der Über-
Bereichs wurde ein gesonder- reitet und schließlich in LEO-BW in einer blicksseite (die innerhalb von LEO-BW bei
ter Fragebogen an die Pfarrer optisch sehr ansprechenden Form zusam- allen Bögen aus beiden Beständen – dem
versandt. Der Rücklauf betrug mengeführt. Die Erträge der hochspannen- Freiburger und dem Staufener – gleich ge-
rund 20%. Die Antworten der den volkskundlichen Materialerhebung staltet ist) beim Klick auf die jeweils an-
Fragen zu „Sitten und Gebräu- des ausgehenden 19. Jahrhunderts sind gezeigte erste Seite des Digitalisats ins
che“ wurden von Elard Hugo somit erstmals seit schätzungsweise nahe- Partnersystem der Universitätsbibliothek
Meyer ausgewertet und in zu 100 Jahren wieder vereint – zumindest Freiburg. Sie bilden nämlich hier eine ei-
seinem 1900 erschienen Werk digital – und darüber hinaus der Öffent- gene Sammlung: Freiburger historische Be-
„Badisches Volksleben“ veröf- lichkeit auf einfachem Wege frei zugäng- stände – digital: Badische Volkskunde.4 Als
fentlicht. Der Fragenkomplex lich. Benutzer/in hat man hier die sehr komfor-
„Sprachliches“ sowie sonstige table Möglichkeit, beim jeweiligen Bogen
Antworten, die den Dialekt Die Digitalisate der Fragebögen sowie der über ein Menü direkt zu den Antworten
betreffen, werden seit 1914 für Antwortbögen aus den über 500 Orten zu einem bestimmten Fragenkomplex zu
die Erstellung des Badischen sind in LEO-BW unter Themenmodule > springen. Für Muettersprochler/innen
Wörterbuchs ausgewertet.2 Alltagskultur im Südwesten > Sammlun- wird sicherlich zu allererst der Fragenkom-
gen und Quellen > Fragebögen zur Volks- plex „Sprachliches“ interessant sein .
Von den insgesamt heute überlieferung zu finden.3 Den Besucher/
noch erhaltenen 7.400 hand- innen der Seite wird zunächst ein infor-  Tobias Streck
schriftlichen (und zum Teil mativer Überblick über die Geschichte der
mit Zeichnungen versehenen) großen Volkskundeerhebung sowie eine Literaturhinweise:
Antwortseiten zu 507 Orten Einordnung des erhobenen Materials und Meyer, Elard Hugo (1900): Badisches Volks-
werden seit vielen Jahren seines Potenzials geboten. Die digitalisier- leben im 19. Jahrhundert. Straßburg: Trübner.
Nachdruck Stuttgart 1984.
Ein Ausschnitt aus der Antwort aus Hohenbodmann. rund 80% vom Badischen ten Antwortbögen selbst sowie die zum Post, Rudolf (2001): Die Erhebungen zur Samm-
Landesmuseum/Außenstelle entsprechenden Bogen vorhandenen Infor- lung der Volksüberlieferungen Badens 1894/95
1.500 Schulorte im Großherzogtum Baden Südbaden in Staufen und rund 20% von mationen können unter dem einleitenden und die Anfänge des „Badischen Wörterbuchs“.
verschickt und die Lehrer zur Bearbeitung der Universität Freiburg (überwiegend Ar- Text, sortiert nach den Anfangsbuchstaben In: Bentzinger, Rudolf / Nübling, Damaris /
aufgefordert. Folgende Themen wurden beitsstelle Badisches Wörterbuch, einige der Orte, aufgerufen werden. Getreu dem Steffens, Rudolf (Hg.): Sprachgeschichte, Dia-
lektologie, Onomastik, Volkskunde. Wolfgang
abgefragt: Ortsname, Flurnamen, Fami- wenige Ortsmappen im Nachlass Pfaff in Grundkonzept von LEO-BW als vernetz- Kleiber zum 70. Geburtstag. Stuttgart: Steiner
lien- und Taufnamen, Hausbau, Hausmar- der Universitätsbibliothek Freiburg) ver- tem Informationssystem kann auch direkt (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik.
ken oder Hofwappen, Volkstracht, Nah- wahrt. In den vergangenen Jahren wurden zu weiteren im System vorhandenen Infor- Beihefte. 115), 259–275.
rung, Gewerbe, Volkslieder, Kinderreime, (finanziert aus Landesmitteln) im Rahmen
Volksschauspiele, Sprichwörter, Schwänke einer Zusammenarbeit des Badischen Lan-
und Schnurren, Ortsneckereien, Nachre- desmuseums/Außenstelle Südbaden, dem
3 Alternativ direkt unter der Adresse https://www.leo-bw.de/themenmodul/alltagskultur-im-su-
edwesten/sammlungen-und-quellen/fragebogen-zur-volksuberlieferung [Zugriff am 20.05.2021]
2 A
 usführliche Informationen zu den Erhebungen zur Sammlung der Volksüberlieferungen Badens 4 Die Sammlung ist auch direkt aufrufbar: https://www.ub.uni-freiburg.de/recherche/digitale-bi-
70 1894/95 und deren Leistungen für die Mundartforschung sind in Post (2001) zu finden. bliothek/freiburger-historische-bestaende/badische-volkskunde/ [Zugriff am 20.05.2021] 71
D E S U N S E LL Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 D E S U N S E LL

Dialekt trifft Instagram! Mensch und Medizin uff Badisch


Die Pädagogische Hochschule Freiburg hat im Zuge Ihres neuen Instagram Accounts Es ist erstaunlich, was man in der Mundart alles erforschen kann. Die Initiatoren von
einen Thementag eingeführt. Es sollte etwas Unterhaltsames, mit regionalem Bezug und einem Mundartforschungsprojekt, das sich um Begriffe und Redewendungen rund um den
Lerneffekt für unsere Studierenden sein. Körper des Menschen dreht, haben ein Fragebuch erstellt und bitten um Ihre Mithilfe.

können hier durchweg positive Rückmel- Wer sind wir? Ein Mediziner und ein
dungen verzeichnen. Sprachwissenschaftler, die beide den ale-
mannischen Dialekt lieben. Dr. med. An-
Unsere letzte Umfrage, ob Dialekt peinlich dreas Scheibe, Facharzt für Chirurgie /
sei oder ob die Studierenden selbst Dialekt Sportmedizin war seit ca. 40 Jahren in Kli-
sprechen hat sehr überraschende Ergeb- nik und Praxis in Freiburg tätig. Dr. phil.
nisse hervorgebracht. 263 Personen haben Ewald Hall, Germanist und Linguist, hat
abgestimmt, davon haben 197 sich dafür bis zur Pensionierung als Lehrer in Karls-
ausgesprochen, Dialekt zu sprechen. ruhe gearbeitet und jahrelang die Dialekte
Generell können wir aus den letzten Wo- in Südwestdeutschland erforscht.
chen schließen, dass das Interesse an der
regionalen Sprache auch durchaus bei der Was wollen wir? Wir wollen im Rahmen
jüngeren Generation vorhanden ist und einer Feldforschung herausfinden, wo sich
Andreas Scheibe und Ewald Hall (v. l.) haben
auch hier ein Heimatgefühl durch Dialekt dieser Dialekt noch in der Alltagssprache
viele Fragen an Sie. Foto: privat
entsteht. in Baden beim Thema Mensch und Medi-
Daher haben wir uns den „Zischdig – Dia- zin findet. Welche Dialektwörter und Re-
lekt am Dienstag“ überlegt. Wir möchten Dank der tollen Unterstützung von Frau dewendungen kennt man in Baden heute lich Spaß bereiten, denn die Fragen ani-
unseren Abonnenten und Abonnentinnen Scheer-Nahor können wir auch direkte noch für den menschlichen Körper und mieren dazu, in alten Erinnerungen nach
die Sprache aus unserer Gegend vermit- Erfahrungswerte teilen und hoffen damit seine Fähigkeiten? Welche für Körper- solchen „Sprachschätzen“ zu suchen.
teln. unseren jungen Abonnenten und Abon- funktionen, Krankheiten, Verletzungen, Aber es erfordert auch Biss, die umfang-
nentinnen den alemannischen Dialekt nä- Behandlungen und Beschwerden? Wegen reiche Beantwortung der fast 700 Fragen
In den vergangenen 4 Wochen seit der her bringen zu können. der Corona-Pandemie ist eine mündliche zu bewältigen.
Gründung haben wir bereits Verschiede- Befragung derzeit nicht durchführbar, des-
nes auf unserem Account gezeigt. Jeden  Jasmin Böhm halb wollen wir zunächst mit Hilfe eines Ergebnisse? Die anonymisierten Daten
Dienstag veröffentlichen wir entweder Fragenkatalogs eine schriftliche Befragung wollen wir methodisch erfassen und ver-
Begriffe oder Videos oder Hörproben aus durchführen. gleichen, sprachwissenschaftlich auswer-
dem alemannischen Dialekt auf Instagram. Um zu schauen, was die PH Frei- ten und veröffentlichen. Vielleicht werden
Das kann zum Beispiel eine interaktive burg zum Thema „Dialekt“ macht, Wen brauchen wir? Wir brauchen Leute auch kleine Vorträge und ein kleines Büch-
Karte mit verschiedenen Sprachfärbungen muss man einen Account bei In- wie Sie, die Mitglieder der Muettersproch- lein daraus entstehen.
im alemannischen Dialekt sein, eine Um- stagram haben. Dort nach „ph_frei- Gsellschaft, die den Dialekt lieben und
frage, wer das Freiburger Bobbele kennt burg“ suchen – und schon findet pflegen. Sie sind möglichst „Ureinwohner“ Kontakt? Wer an unserem Projekt teilneh-
oder die Frage, was ein Bisangele ist. man „Zischdig – Dialekt am Diens- einer badischen Gemeinde mit reichem men möchte, wird den Fragebogen erhal-
tag“. Dialektwortschatz, die andere gern daran ten. Bitte senden Sie uns dazu Ihre Post-
Wir versuchen die Studierenden durch teilhaben lassen wollen. Mit Familie und adresse entweder per Email an MuMuB@
kleine Umfragen mit einzubinden und Freunden aus der gleichen Gemeinde kann web.de oder per Post an Dr. A. Scheibe,
72 das Ausfüllen des Fragekataloges sicher- Blindgasse 6 in 79112 Freiburg. 73
D E S U N S E LL Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 D E S U N S E LL

Alemannisch im Südkurier Das Babysprachlabor der Universität Konstanz


Die Gruppe der Seealemannen hat sich von Corona nicht abschrecken lassen. Im Babysprachlabor der Universität Konstanz wird seit 2007 der frühkindliche Sprach-
Gut, man konnte sich nicht treffen, aber mit den Presseleuten konnte man schon reden. erwerb erforscht. Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt: Wie nehmen Säuglinge
Und die haben sich von deren Dialektbegeisterung anstecken lassen. Sprache wahr und wie entwickelt sich die Sprachproduktion in den ersten Lebensjahren?

wird eine Serie machen mit „Alemannisch Die ForscherInnen wollen herausfinden,
für Anfänger“. Buchstabe für Buchstabe ob Kinder Wörter, die sie in ihrer Umge-
werden auf launige Weise Mundartwörter bung häufig hören, auch in ihnen (un-)be-
vorgestellt und ihr Gebrauch erklärt. Am kannten Dialekten bevorzugen und welche
23. November 2020 wurde der Anfang ge- Rolle ihre eigene Vorerfahrung mit diesen
macht mit dem Buchstaben „A“ und na- Sprachvarianten spielt. Dies erlaubt Rück-
türlich das Aahle vorgestellt, der zärtliche schlüsse darüber, wie genau Wörter im
Wangenstreichler, der hier nicht fehlen kindlichen Lexikon gespeichert werden,
darf. Aber auch von äschtimiere war die sowohl für Dialektformen als auch für
Rede und von adoope. Und so ging es in hochdeutsche Wortformen.
munterem Rhythmus weiter. Schon am 4.
Dezember folgte „B“ (Bodesurri, Bisi, Ba- Über Interesse und Unterstützung unserer
dengele). Bis zum Jahresende hatte man So macht Forschung Spaß. Foto: Uni Konstanz Forschung freuen wir uns sehr!
alles bis zum „G“ (Glufemichel, Göppel)
abgearbeitet. In zahlreichen Studien werden Daten zu
diesen Forschungsthemen gesammelt. Da-
Im neuen Jahr ging es weiter mit „H“ mit dies auch während Corona möglich ist,
(Hueresiech, hinterfötzig, Henneschnet- wurde eine App entwickelt, mit der Kin-
tere) weiter und man arbeitete sich ste- der bequem von zu Hause aus teilnehmen
tig über „K“ (Käpsele), „M“ (Mäschgerle, können.
muffle) und „Q“ (Quaker) vorwärts bis
man im Mai beim „W“ angelangt war. Die Die aktuelle Studie widmet sich der Frage,
Serie kam gut an und aus unserer Sicht wie sich das kindliche Lexikon entwickelt, Die Babylab-App kann kostenlos über den
kann man diese Aktion nur lobend hervor- wenn Kinder mehrere Sprachen oder Dia- App-Store heruntergeladen werden (BSL
heben. Denn wenn über lange Zeit hinweg lekte hören. Das Experiment selbst dauert Wortformerkennung). Weitere Informa-
die Mundart immer wieder Thema ist, ist nur 5 Minuten und besteht aus insgesamt tionen zur App, zum Ablauf der Studien
die Chance, dass man darüber spricht, acht Durchläufen, in denen das Kind in und den Link zum Download gibt es auf
groß. Steter Tropfen höhlt den Stein, heißt zufälliger Reihenfolge Listen mit Wörtern unserer Website: https://www.ling.uni-
Als Heidi Wieland und Claudia Reimann es. Und das ist auch hier der Fall. Weiter oder Nicht-Wörtern hört. Ob die gespro- konstanz.de/bsl/angebote-fuer-zu-hause/
sich im November mit Aurelia Scherrer so, Südkurier! chenen Wortlisten erkannt werden, wird babylab-app/.
vom Südkurier trafen und ihren Handzet- anhand der Blickdauer gemessen. Gibt es
tel zum Konstanzer Wortschatz vorstellten,  Friedel Scheer-Nahor in einer Gruppe einen Unterschied zwi- Bei Fragen können Sie gerne unsere Web-
wurde die Idee geboren: Der Südkurier schen der Aufmerksamkeit zu den Wör- site besuchen und sich per Mail (bsl@uni-
tern im Vergleich zu den Nicht-Wörtern, konstanz.de) bei uns melden.
nimmt man an, dass die Kinder die Wort-
74 formen erkannt haben.  Elena Schweizer 75
M I R G R ATU LI E R E  Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 M I R G R AT U LI E R E

Bruno Epple feierte seinen 90. Geburtstag Die Hauptperson Deines neuen Bildes sind
Nun ist er 90 Jahre alt. Am 1. Juli 2021 konnte er seinen Geburtstag feiern. wohl das Wasser und das Licht, wie oftmals
Die Muettersproch-Gsellschaft gratuliert dem Dichter und Maler Bruno Epple in Deinen Vergegenwärtigungen. Das Was-
und wünscht ihm Gesundheit und Wohlbefinden alle Tage. ser, das Fließende, finde auch ich besonders
schön, wie die meisten Seen, die strengge-
Bruno Epple, der seit vielen Jahren in Wan- dabei. Daraus wollen wir ein paar Auszü- nommen ja auch schöne Ausbuchtungen
gen auf der Höri, hoch über dem Bodensee ge zitieren. Der ganze Brief, ein Essay, in fließender Gewässer sind, ganz besonders
wohnt, hat sich in vielerlei Hinsicht einen dem Stadler auf Epples Schaffen und Wir- der Bodensee. Ist es nicht fast paradox, daß
Namen gemacht. Die einen schätzen ihn ken Bezug nimmt, ist zehn Seiten lang und uns das Wasser, das Fließende zum Bleiben-
als genau beobachtenden, akribisch arbei- kann in ganzer Länge auf unserer Websei- wollen anstiftet, und der Boden zum Gehen?
tenden Maler, der das Leben um den Bo- te unter https://www.alemannisch.de/
densee herum so festgehalten hat, dass eip/media/2014-brief-stadler-an-epple. Du hast das Glück, Dein Leben und Arbei-
man nicht anders kann, als sich in seinen pdf?fl=35930418 nachgelesen werden. ten mit dem Blick auf das Fließende und
Bann ziehen zu lassen. Die anderen sind Wir danken für das freundliche Einver- den freien Himmel über ihm zu verbringen
tief beeindruckt von seinen Gedichten und ständnis von Arnold Stadler und Bruno und zu erleben. (In unserer ersten Sprache
literarischen Werken, in denen er seiner Epple zum Abdruck. heißt das aber nicht er- sonder verleben: ver- Bruno Epple bei Videoaufnahme von Gaby
Mundart ein Denkmal gesetzt hat, hat er lebbe!) Scheewe-Pfeil. Foto: filmundso
doch wie kaum ein anderer das Kunststück  Friedel Scheer-Nahor
fertig gebracht, den Klang der Bodensee- Ich konnte noch durch den Telefonhörer ver- es konnten; auch darüber müssten wir ein-
Mundart in Poesie zu verwandeln. Wieder Auszüge aus einem Brief nehmen, wie es eine Freude ist für Dich, da mal sprechen), den trielenden Kleinen ge-
andere schätzen ihn als Gesprächspartner, von Arnold Stadler an Bruno Epple zu sein, die Welt zu einer großen Gegenwart sagt, das sei kein Trieler, sondern ein Lätz-
mit dem sich trefflich über Tiefgründiges im November 2014: zu machen, (be-)malend und (be-)schrei- chen. Was für ein hässliches Wort für mich,
reden lässt. Bruno Epple kann auf ein rei- bend, und auch diese Freude übertrug sich. ebenso wie > Frühstück <, das finde ich
ches Leben zurückschauen, in dem er viel Lieber Bruno! Dafür ist Dir der Mensch am See oder in See- besonders ekelhaft.
geschafft und geschaffen hat zur Freude nähe dankbar, gerade in der Novemberzeit.
seiner Mitwelt und in dem er vielen Per- Als Du mich vor einiger Zeit anriefst – fast Zurück zu Dir!
sonen begegnet ist, die in der Gesellschaft möchte ich: >Wo Du mir angerufen hast< Du bist ja auch so einer, der viel gesehen hat,
eine bedeutende Rolle spielen. sagen, nahm ich eine Freude wahr beim von der Trielerzeit an. Das muß ich Dir nicht Lieber Bruno, Du bist Einer, der malt und
Zu seiner Vita und seinem Werk ist 2005 Sprechen über Deine Bilder. Es handelte übersetzen, aber den meisten anderen Men- schreibt, schreibend malt, malend schreibt.
das Buch „Bruno Epple – Der Poet“, das sich genauerhin um Dein Bild und Deine schen von hier und heute vielleicht schon, Und wir können es sehen und lesen und
von Manfred Bosch in der Edition Isele Freude beim Ausmalen und Aussprechen, die nicht mehr wissen, was ein Trieler ist. leben. Dabei verwischest Du die Grenzen
herausgegeben wurde, erschienen. Dies die sich auf mich übertrug. Es ging da um Denn die Kindergärtnerinnen haben ja den nicht: Wenn Du malst, bist Du Maler. Wenn
ist immer noch ein aufschlussreiches und ein Bild, um ein größeres Format, an dem Kindern die Muttersprache ausgetrieben, Du schreibst, schreibst Du. Das ist aber kei-
informatives Buch. Die Stationen seines Du gerade warst. Das Bild selbst hatte ich dies vor allem auf den Wunsch der Mütter, ne Tautologie, sondern der Versuch, in ei-
Lebens lassen sich nachempfinden und noch gar nicht gesehen, aber durch Deine die nicht mehr wollen, daß ihre Kinder die nem Satz möglichst genau zu sagen, was Du
auch er selbst kommt darin mit verschie- auch sprachliche Vergegenwärtigungs-Virtu- Muttersprache sprechen, sondern eine Spra- machst. Als Lebender bist Du ein Mensch ...
denen Texten zu Wort. Es ist also schon osität sah ich es schon vor mir, obwohl Du che, die mehr bringt, also Hochdeutsch, und
viel zu Bruno Epple gesagt und veröffent- noch gar nicht fertig warst und ich es noch am besten gleich US-Englisch, ja wir leben Gerade der schöpferische, mit dieser und
licht worden. Aber der Brief von Büchner- gar nicht gesehen habe. Du bist nämlich in der Welt des Utilitarismus. Und da haben jener Gabe ausstaffierte Mensch läßt sich
und Hebel-Preisträger Arnold Stadler an wie Deine Bücher und Bilder es sind, anste- die Kindergärtnerinnen, die diesen Kindern nicht auf das Entweder-Oder reduzieren. Du
76 Epple aus dem Jahr 2014 war noch nicht ckend in Deiner Ja sagenden Präsenz. Hochdeutsch beigebracht haben, (so gut sie bist ein echtes Sowohl-als-auch-Phänomen. 77
M I R G R ATU LI E R E  Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 M I R G R AT U LI E R E

Und mehr. Man spricht oftmals von Dop- Lieber Bruno, das ist vielleicht das Schöns- Zu Beginn war es vielleicht eher noch ein Obwohl Du ursprünglich gar nicht wolltest,
pel- oder Mehrfachbegabung. Bei Dir ist es te, was gesagt werden kann von etwas: daß Versuch, Wörter zu retten, die sonst verloren bist Du doch zu dem geworden, der Du bist,
das Dichterische, das Dein (ich weiß wohl, es etwas ist, etwas Unvergessliches, Unver- wären, in Zeiten, da am See die Mutterspra- und für das Dein Name steht und leuchtet:
das dieses Wort schon lange verworfen ist, wechselbares und Schönes. che zu einem Idiom einer Ethnie, der Ein- Das ist nicht einfach Mundart, das ist Bruno
aber nicht von mir) Werk und Leben durch- geborenen nämlich, gemacht ist. >‘s isch Epple. Ich meine, Deine Verse sind in Deiner
webt. Aber wir wollen Dich nicht zu einem Seitdem ich sein und sehen kann, habe ich schad derfür!< wie Hebel sagte. Er meinte eigenen Sprache verfasst, sie sind ganz na-
sogenannten Mix machen, ein Wort, das immer wieder etwas sehen dürfen. Es freut aber den Untergang einer Welt. Auch hier türlich, nicht an den Haaren herbeigezogen,
wir nun jeden Tag mehrfach hören, wenn mich, Dir heute zu sagen, daß das, was Du scheint es mir: Als ginge das Leben selbst auf Teufel komm raus in einer Mutterspra-
wir das Radio anstellen. Sprache und Bild – gezeigt und geschrieben hast, für mich zu aus wie das Hornberger Schießen. Ein To- che, sondern kommen ganz anmutig und
manchmal erscheint bei Dir Beides als Eines diesem unvergesslichen Schönen gehört. desstreifen läuft nun schon mitten durch die eigenständig daher.
– sind eine Möglichkeit, daß wir über uns Felder meiner Erinnerung. Dein Werk aber
selbst klar werden und zu uns kommen. (...) wird ein Hymnus in der Mitte des Lebens Zum Sprechen bist Du ja von Rielasingen
sein, nicht dem Tod, sondern dem Leben her gekommen, zur Sprache von Radolfzell,
Wenn wir Dich von Deiner Sprache und Wenn ich auf die Bilder von Dir hinaus- zuliebe gedichtet und gesungen. Es ist die und zum Schreiben, wie ich las, über das
Deinen Bildern trennten, und Deine Spra- sehe, auf jenes Bild mit dem Schwan und Freude, die beim Lesen aufkommt. Studium des Mittelhochdeuschen im fernen
che von Deinen Bildern, dann könnten die einer seeschwarzen Welt – dann fällt mir München. Vielleicht war auch etwas Heim-
Einen den Schriftsteller hervorheben, die an- durchaus auch das Wort >heiter< ein. Es Lieber Bruno! Mein Brief an Dich soll kein weh dabei. Bald bist Du aber zum Dichter
deren den Maler. Das geht bei Bruno Epple ist aber eine vielsagende Heiterkeit, bis hin weltabgewandtes Requiem auf das uns Ver- in ihr geworden, einer der schönsten Namen
aber nicht. Denn Du bist Beides, und beides zum Neigungswinkel des Schweigens und lorene sein, denn nichts ist verloren, alles für Dich muß: Sprachretter, das heißt: Be-
ganz, nicht zeitweise, nicht teilweise. Und Verstummens. ist aufgehoben in Deinem Werk, das ja wahrer und Aufheber sein. Ja, Du bist ein
die unverwechselbare Art und Weise, wie Dir auch Dein-Leben-und-Schreiben-und-Malen Aufheber: ich denke jetzt noch einmal an
das glückt, gerade auch das Mitteilen im Ge- Man sagt ja, vielleicht doch nicht völlig un- ist. Die Vergänglichkeit, und das Heitere, Johann Peter Hebel, ein Retter und Bewah-
spräch, darf ich hier zu erwähnen nicht ver- angemessen, daß Bilder laut sein oder still das auch noch in Johann Peter Hebels Ver- rer und Zum-Vorschein-Bringer. Der Mensch
gessen. sein können; und daß Farben schreien kön- gänglichkeit durch die nachtblaue Welt hin- selbst erscheint, Ez wosches!
nen, wer weiß. Das ist ja selbst ein Bild, und durchschimmert, erscheinen auch bei Dir,
Erst kommt das Leben, dann das Sprechen, die Sprache, vor allem die Sprache der Dich- wie ein Paar. (...)
dann das Malen, dann das Lesen und ter, ist voller Bilder. Wenn dies ein Bild im
Schreiben. Dein Leben und Werk sind von- Bild ist, dann können Bilder auch singen, (...) Es ist auch das, was Du gemacht und ver-
einander so wenig zu trennen, wie Dein Ma- und der Maler schreibt seine Bilder auch, mocht hast, eine Art Summa wie Vermächt-
len und Schreiben. Oder ich möchte es so sa- und es entsteht eine Partitur, die durch un- Mit Johann Peter Hebel verbindet Dich, nis: Lieber Bruno! Du hast das Deine da-
gen (das ist immer ein Versuch): daß Beides sere Augen immer wieder zur Aufführung außer der Tatsache der Tüchtigkeit und des zugetan. Wer sonst so wie Du? Mi dunkt,
zwar voneinander zu trennen ist, aber nur kommt. Die Tonart – bitte, das ist auch dichterischen Wohnens, auch die Tatsache, Du bist der Aufheber und Illuminator, der
nach außen hin; daß aber beides zu den Le- nur ein Bild, wenn ich von Tonart spreche daß Ihr Zwei Gelehrte seid, und daß Ihr Bei- in seiner eigenen Sprache der Wörter und
bensmitteln gehört für Dich. Dein Werk läßt und von Partitur schreiben für Malen – die de auf dem Land gehen und sehen gelernt Bilder auch mir aufs Schönste gezeigt hat,
sich nur nach außenhin trennen, tatsächlich Tonart erklingt in einem Grenzbereich des habt. Poetae Universales seid Ihr – beide was ist; und mir bleibt fast nichts anderes
gehört es von innen her und von Anfang an Dur, kurz vor dem Übergang ins Moll. Sie auch Lehrer – und es läßt sich das eine vom übrig, als Vergelt‘s Gott! zu sagen.
zusammen. Aber je ganz für sich, das ist ist prinzipiell Dur, aber moll-grundiert: und anderen zwar trennen, aber jeweils ist es
wichtig. Es sind zwei Wege. Doch Einer ist das gilt auch für Deine Gedichte. doch ein Motor: das Beseelte. Als wäre es Ez wosches!
es, der auf ihnen unterwegs ist und sie geht. wie nebenbei, so legt Ihr Euer Herz frei.
Und das bist Du! Es grüßt und bewundert Dich
78 Dein Arnold Stadler 79
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De Hans Brunner isch Nünzig worde 100. Geburtstag von Marcel Wunderlin-Giudici
Im April isch de Hans Brunner nünzig Johr alt worde. Am 24. März 2021 jährte sich der Geburtstag von Marcel Wunderlin,
Wer ihn sieht un chennt, cha s chum glaube. Er isch all no fit un aktiv. der in Liestal (Basel-Landschaft) geboren wurde, zum 100. Mal.

Scho in junge Johre hät er agfange Gedicht Er war ab 1945 der Johann Peter Hebel-Gedenkplakette
un Theaterstückli schriibe, meischtens hei- gute dreißig Jahre der Gemeinde Hausen im Wiesental aus-
teri Sache, sell isch si Naturell. Er macht als selbständiger gezeichnet. Dem Dichter und Programm-
de Lüt gern e Freud un so isch er en be- Grafiker tätig. 1947 schaffenden beim Radio, Marcel Wunder-
liebte Gascht an Seniorennommittag oder heiratete er Teresa lin, ging es darum, „mit seinem Wort auf
an Muettersproch-Obe. Adelma Giudici. Werte hinzuweisen, ohne die unser Leben
Nebe Gedicht un churze Begebeheite ver- Marcel Wunderlin armselig wäre“, nämlich Werte wie Güte,
zellt er au glatti Witz, wie dä: S Müllers, war vielseitig als Freundschaft, Naturverbundenheit und
wo zuem zweitemol Nochwuchs erwarte, Grafiker, Redaktor Sorgfalt bei der Benützung der Sprache,
hän ihre Mäxli uf das bevorstehendi Er- beim Radio DRS sagte Julian Dillier damals in seiner Lau-
eignis welle vorbereite: „Möchtsch du no und feinfühliger datio auf den Geehrten.
e Schwesterli oder e Brüderli?“ frogt en s Marcel Wunderlin- Autor tätig.
Mutti. „Das mueß nit si. Mit dir un em Vati Giudici. Foto: elv Zwei Tage vor seinem Tod am 15. No-
wird i au no ällei fertig!“ Er war mit seiner vember 1987 hatte Marcel Wunderlin im
Di meischte vo sine Büechli – un sin im Arbeit beim Radio DRS so erfolgreich, dass Manuskript eine Novelle unter dem Titel
Lauf vo de Johr einigi zämme cho – hän er die Tätigkeit als Grafiker aufgab. Mit sei- „Giuvan – Eine Heimkehr ins Mendrisiot-
Poschtcharte-Format un passe in jedi ner Musiksendung «E Chratte voll Platte» to“ abgeschlossen, die 2011 postum durch
Handtäsche oder in de Tschobesack. So erreichte er mit mehr als 300 Ausstrahlun- die Herausgabe seines Sohnes Dominik
hät mer bi Betriebsfeschter oder Usflüg Hans Brunner. Foto: Die Oberbadische gen Popularität in der ganzen deutschspra- Wunderlin-Baumgartner erschien. Die Ge-
immer öbbis Glatts zur Unterhaltig debi. chigen Schweiz. schichte spielt in Marcel Wunderlins ge-
Er isch en überzügte Muetterspröchler dä wo mi ä Johr schpöter au in dä Verein liebtem Tessin, gewisse autobiographische
un scho sit fascht 40 Johr Mitglied bi der brocht häet. Für sein vielseitiges Wirken und Schaf- Züge sind erkennbar.
Muet­tersproch-Gsellschaft. Dr Brunner Hans isch mit sine 90 Johr alt fen wurde Marcel Wunderlin 1986 mit  Elmar Vogt
Mir gratuliere em Hans Brunner herzlich immer no sehr chnuschbrigg un fit uff d
zu sim Geburtstag un wünsche ihm witter- Bei. Immer no isch ä Verslischmied un
hi alles Gueti. Mundartdichter. Gebore isch dr Hans in
Brombach. Scho in dr Schuel häet er gern
Mir gratuliere zue de runde Geburtsdäg:
 Heidi Zöllner Versli dichtet un gschriebe, was Ihm viel- 70 Johr 85 Johr
mols zuem Nochsitze brocht hät. 12. Januar 18. März
Un de Hanspeter Kilchling ergänzt: D Vorstandschaft vo d Muetterspröchler- Martha Meyer Gunther Lehmann
Dreiländereck wünscht im Hans no vie-
75 Johr 90 Johr
Biim Hans Brunner handelt es sich um li gsundi Johr un alles Glück uf dr Welt.
12. Mai 19. April
unser Ehremitglied vo dä Muetterspröch- Mir hoffe, dass du uns no LANG erhalte
Otmar Schnurr Hans Brunner
ler Dreiländereck! Er isch sid em 1.1.1983 blibsch un no viili Hocks mit uns mache
1. Juli
in unserem Verein als Aktiv-Mitglied uff- chasch.
Bruno Epple
gführt. Gworbe häet ihn dr Bühler Max  Das alles vom Gruppeleiter
80 vo Lörrach (ehemals „Mercedes Benz“),  Hanspeter Kilchling 81
N A C H R U F  Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 N AC H R U F

Abschied von unserem Alt-Präsi Klaus Poppen ten Heftle „Alemannisch dunkt üs guet“
Am 10. Januar 2021 ist unser Alt-Präsi Klaus Poppen im Seniorenheim (2019/2) mehrfach in Erinnerung gerufen
in Kirchzarten, wo er die letzten acht Jahre gelebt hat, verstorben. worden. Er war unglaublich aktiv, hat
Die Muettersproch-Gsellschaft hat ihm viel zu verdanken. eine Regionalgruppe nach der anderen
aus der Taufe gehoben und mit Rat und
An der Trauerfeier am 19. Januar 2021, an d Lüt agsteckt un so die viele Mitstreiter Tat unterstützt. Über dreißig Jahre hat er
der wegen Corona nur wenige Trauergäste gfunde, wo ihm gholfe hän, wo d Arbet im das Heftle zusammengestellt und auf den
zugelassen waren, hat Uschi Isele im Na- Verein immer meh worden isch.“ Weg gebracht, eine Aufgabe, die man nicht
men des Geschäftsführenden Vorstands mit links erledigt und die Elan, Kreativität
der Muettersproch-Gsellschaft Folgendes Ja, Klaus Poppen war ein Macher. Es und Ausdauer fordert. Die Liste seiner Ver-
gesagt: „Wenn Alemanne usdrucke wän, musste immer etwas laufen bei ihm und er dienste ist lang, Vollständigkeit ist sicher
das sie de gröscht Respekt vor ebberm hat es verstanden, sich mit vielen Leuten nicht zu erreichen.
hän, wie er als Mensch gsi isch un was zu vernetzen. Ich habe ihn schon in den
er gleischet het, deno sage sie: „Er isch 80er-Jahren kennengelernt, als er in die Es hat auch Stimmen gegeben, die ihn
e rächte Ma gsi“. Un des könne mir alli, Wörterbuchkanzlei des Badischen Wörter- kritisiert haben. So hat er sich gerade zu
wo de Klaus Poppen kennt hän, mit Über- buchs gekommen ist. Mit dem damaligen Wyhl-Zeiten, als der Protest gegen das
zeugung sage. Wo er 1972 Präsident vo de Leiter, Dr. Gerhard Baur, hat er sich bera- Kernkraftwerk Wellen schlug, gegen die
Muet­tersproch-Gsellschaft wore isch, isch ten, genau so wie mit seinem Nachfolger, Vereinnahmung des Alemannischen aus-
des e kleine Verein vo alemannische Dich- Dr. Rudolf Post. Auch dass ich dann bei gesprochen und damit viele Junge vor den
ter un Dichterinne gsi un in de große Öf- der Muettersproch-Gsellschaft als Heftle- Kopf geschlagen. Das schwingt u. a. mit,
fentlichkeit nit bekannt. Er het us dem Ver- Redakteurin eingestiegen bin, ist eine Fol- wenn man hin und wieder hört, er sei ein
ein innerhalb vun e paar Johr des gmacht, ge aus dem Draht, den Klaus Poppen zum Mann mit Ecken und Kanten gewesen. Klaus Poppen im Jahr 2010. Foto: Ari Nahor
was er hüt isch. Badischen Wörterbuch hatte. Aber seither ist viel Wasser den Rhein hi-
nabgeflossen und er hätte rückblickend der Kapelle bei weitem nicht ausgereicht
D Muettersproch-Gsellschaft un ihr Prä- Und genau so hat er viele Fäden auch zu vielleicht auch das eine oder andere an- hätte. All diese hätten dann gehört, was
si Klaus Poppen sin e Begriff wore. Bim anderen Institutionen und Personen ge- ders beurteilt, wenn er es nochmal zu tun er noch zu sagen hatte. Da das nun aber
Name „Muettersproch-Gsellschaft“, hän sponnen. Beim Regierungspräsidium war gehabt hätte. nicht so sein konnte, reifte der Entschluss,
d Lüt gsait: „Gell, dene ihr Präsident isch er bestens vernetzt und maßgeblich an die Rede (eigentlich sind es sogar zwei ge-
doch de Poppen?“ Un wenn de Name Klaus vielen Plänen zum Thema Dialekt und de- Klaus Poppen hat sich schon früh mit sei- wesen) abzudrucken und somit den Muet­
Poppen gfalle isch, hän si gsait: „Der isch ren Umsetzung beteiligt. So ist es ihm eine nem Tod bzw. mit seiner Trauerfeier ausei- terspröchlern bekannt zu machen. Seine
doch de Präsident vo sellem Alemannever- große Freude gewesen, als die Parkplätze nander gesetzt. Er hat selbst viele Trauer- beiden Söhne haben sie in seinem Auftrag
ein“. Dass de Lüt durch d Arbet vo dem an der B 31 im Höllental und im Schwarz- reden halten müssen und hat deswegen vorgetragen.
Verein wieder bewusst worde isch, dass wald alemannische Namen bekommen anderen dies nicht zumuten wollen. Und
s Alemannisch e Kulturgut isch un e groß sollten und selbstverständlich war er so- sicher war es ihm auch wichtig, noch ein
Stuck vum Heimetgfüehl usmacht, isch fort mit Vorschlägen bei der Hand. paar Worte an die zu richten, die sich zu Rede, die Klaus Poppen für seine
zum gröschte Teil si Verdienscht gsi. Die seinem Abschied einfinden. Dass das ein- Trauerfeier vorbereitet hat:
erscht vo sine viele gute Idee, s Bäpperli Aber auch zu den Mitgliedern der Muet- mal in die Corona-Zeit fallen würde, in der
„Bi uns cha me au alemannisch schwät- tersproch-Gsellschaft hatte er einen gu- Trauergäste nur handverlesen zugelassen Warum – Warum, wird oft gefragt, wenn
ze“, isch zigtausendmol verkauft worde ten Draht. Seine legendäre Art, jede und sein werden, hat er nicht wissen können. ein Mensch stirbt. Und auf verschiedenen
un bal überall an Hustüre, Bürotüre, Autos jeden mit einem handgeschriebenen Brief Tatsächlich wären in normalen Zeiten si- Ebenen wird die Antwort gesucht. Natür-
82 ghängt. Mit sinere Begeischterung het er zu begrüßen, ist gerade in unserem letz- cher so viele gekommen, dass der Platz in lich zunächst im religiösen Bereich, oder 83
N A C H R U F  Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 N AC H R U F

bei der anonymeren Vorsehung, oder dem Abenteuer. Das fing schon mit dem Jung- Dann kam die Südamerikareise, andert- Aufgaben stellen, das fordert. Aber es ist
Schicksal, oder, oder, oder … Und die Ant- volk an. Auch wenn man das heute nicht halb Jahre allein mit einem Koffer und auch ein schönes Abenteuer, zumindest
worten sind oft schal. Jedenfalls empfinde mehr so gerne hört, aber Begriffe wie Mut, einem Diavortrag über Deutschland. Sieben darf ich das jetzt am Ende so sagen. Dass es
ich das so. Wenn wir Schüler damals unse- Kameradschaft, Treue, Hilfsbereitschaft, Staaten, anderthalb Jahre langt. Danach auch Rückschläge gab, „Dummes Rind, das
ren sehr verehrten Herrn Lehrer Angell nach Hingabe an eine übergeordnete Aufgabe, war mir nach einem ganz anderen Aben- muss so sein“, wie Herr Angell gerne sagte.
den diversen „Warum“ gefragt hatten, dann Bereitschaft sich einzuordnen, Bereitschaft teuer zumute. Eine Familie gründen und
antwortete er – aus heutiger Sicht natürlich aber auch aufzubegehren, nach dem belieb- in Freiburg einen Beruf suchen. Einen an- Die Entscheidung, meinen Nachruf-Lebens-
völlig unpädagogisch – mit der Gegenfra- ten Liedtext: „Und wollen die Alten auch gemessenen, aber eigentlich egal welchen. lauf nicht einen Fremden interpretieren zu
ge: „Warum wachsen die Bäumen nicht schelten, so lasst sie nur toben und schrei- So gründete ich mit Christel Alex eine Fa- lassen, habe ich schon mit 65 Jahren ge-
bis zum Himmel?“ oder noch drastischer: en, und stemmen sich gegen uns Welten, milie und freute mich an deren Wachstum fällt. In der Rhodia gehörte es einige Jah-
„Dummes Rind, das muss so sein!“ Und wir werden doch Sieger sein.“ Sogar die um zwei Söhne. (...) Ich war ein begeis- re zu meinen Aufgaben, die verstorbenen
weil es so sein muss, geht das heutige „War- Freiheit wurde besungen – Freiheit ist das terter Familienvater und wir erlebten viel Rentner und Aktiven am Grabe zu verab-
um“ in eine ganz andere Richtung: Warum Feuer, ist der helle Schein, so lang sie noch Abenteuerliches, wobei mir erst in späteren schieden. Fast jede Woche. Drum! So sage
eigentlich muss beim endgültigen Abschied lodert, ist die Welt nicht klein. Wir 10 bis Jahren bewusst wurde, was ich meiner Frau ich jetzt Adieu und danke allen, die mir
eines Menschen immer nur über ihn gespro- 14jährigen Kinder konnten noch nicht da- damals alles zumutetet, während unserer nahe waren und geholfen haben, das Leben
chen werden. Warum gibt man ihm nicht nach fragen, warum? Es war üblich und es abenteuerlichen Familien-Ferien im Aus- zu meisten.
noch ein letztes Mal die Möglichkeit, zum gefiel uns. Der Bombenkrieg, die Zeit nach land. (...)
Abschied selbst die Worte zu wählen, Wor- der Befreiung durch die Franzosen, damals (Geschrieben 1996 und in den Jahren 2009
te, die ihm selber am sinnvollsten dünken. Besetzung genannt, lehrten mich das „Es ist Un jetzt kunnt d Muettersproch Gsellschaft und 2021 immer noch für gültig befunden.)
Auf dieses „Warum“ ist die Antwort ein- üblich“ kritischer zu sehen. dra. Do het me mir e Verein ufgschwätzt,
fach. Weil das nicht üblich ist. Das Zigaret- wo sich um d Mundart kümmere sott.
tenrauchen z.B. das war so üblich, dass so- Mein Studienjahr in Frankreich erschloss Mundart isch Heimet. Un mi Heimet isch Klaus Poppen hat noch eine zweite Rede
gar Raucherzimmer für Schüler eingerichtet mir den Reichtum internationalen Den- mir lieb. Also, worum nit. Mit ere Handvoll geschrieben, die ebenfalls vorgetragen
wurden. Es war auch seinerzeit weitgehend kens, Handelns und auch Lebens. Und der guete Helfer – un mit der Idee, e Bäbberli wurde, sich in Teilen aber wiederholt. Aus
üblich, Menschen wegen ihrer anderen Na- mir eingeimpfte Nationalstolz zerschmolz „Bi uns cha me au alemannisch schwätze“, dieser Rede drucken wir nur einen Teil ab,
tionalität oder Religion zu verfolgen, wenn im Trubel der Gemeinsamkeiten mit den isch s glunge, vun eme Vereile zue ere grosse im Wesentlichen das, was er der Nachwelt
die Üblichkeit es so verlangte. Studierenden aus allen Ländern. Und dann Institution z were mit 3900 Mitglieder un noch sagen möchte:
die Pfadfinderei. Hier fand ich, was ich im 20 Regionalgruppe. 30 Johr bin i der Präsi
Jedenfalls: Ich leiste es mir, aus dem Übli- Jungvolk so geschätzt hatte – Herausforde- gsi. Mit 70 han i des Amt witergeh nach em Bsunders bin i dankbar für die gross Ufgab,
chen auszusteigen – jetzt ist die letzte Chan- rung, Kameradschaft, Abenteuer und neue Motto: Mir isch lieber, Ihr hüüle, wil i ufhör, wo-n-i ha dürfe erfülle in de Muettersproch-
ce, um selbst zu dieser Feier die Worte zu internationale Brüderschaft. Ich war ein be- as Ihr brüüle wil i witermach. Gsellschaft. Natierlig isch s nit eso, dass
wählen. Lieber zeichne ich mein Bild selbst, geisterter Pfadfinder, bis heute halten man- mini Arbet dert minem Lebe erscht en rech-
als euch freundliche Ansprachen zuzumu- che Leitlinien und Freundschaften. Wenn etwas außer meiner Familie von mir tes Ziel geh het. Mi Ziel isch immer mini
ten, nach dem schon den Römern bekann- überleben sollte, dann ist es nicht meine kleini Familie gsi. Aber d Muettersproch-
ten Motto: … de mortuis nihil nisi bene … Dass ich nur nebenher studierte, führte zum Arbeit bei der Rhodia, sondern mein Wir- Gsellschaft het mir e Möglichkeit geh, über
(über Tote redet man nur gut). Abbruch des Studiums. Und wie manch ken in diesem Verein. Das also ist mein Le- s Wirke für mich selber rus, für e grösseri
anderer Studienabbrecher, landete ich bei benslauf. Sach aktiv were. Des git e guets Gfühl.
Ich habe ein wunderschönes Leben gehabt. den Medien. Drei Jahre beim Kölner Stadt-
Auch wenn ich in die Kriegszeit hineinge- anzeiger, davon zwei als Volontär, eines als Und was ist die Erkenntnis? Eine Fami- Natierlig drängst en alte Schriiber, au no-
wachsen bin. Irgendwie war das ein großes Lokalredakteur. lie haben und verantworten ist ein großes nemol sini Erfahrig, sin Wisse un Denke
84 Abenteuer. Sich den damit verbundenen zemmefasse. E Fazit ziehe. 85
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Do isch s: selbst zu sehen. Ein allgemeines vernünfti- Abschid vum Oswald Joos
1. Me sott sich selber nit eso wichtig neh. ges höheres Ziel – es muss nicht unbedingt Leider hommer messe Abschid nemme vume liebe Muetterspröchler,
Irgendwie isch alles doch e gross Spiel, wo im Jenseits angesiedelt sein – macht das de Oswald Joos vu Nonnehorn isch am 10. Mai 2021 vu uns gange.
jede sini Rolle spielt. Als Sohn, als Liebha- Leben reicher.
ber, als Ehemann, als Vater und Opa, als
Chef, als Mitarbeiter, als Abenteurer un Das wärs. De Oswald isch scho 1985 zu de Muetter-
pflichtbewusster Bürger. Alles zu sinere sproch-Gsellschaft kumme und isch allwil
Zit. Solang d Rolle nit durcheinander grote, Nonemol sag i euch allene Danke für so zu de Treffe bei de Seealemanne kumme.
ischs guet. vieli schöne Stunde miteinander. Denke als So hot er d Idee ghett, au am bayerische
emol guet an mi. Des isch – so wie ich s be- Boddeseeufer e eigene Gruppe z gründe. D
2. Schätzt den Wert der Liebe hoch genug urteil – die einzig Form vun eme Überlebe. Tauf isch denn 1992 mit 25 Mitglider gfei-
ein. Sie ist nicht selbstverständlich. Man Un jetz gehn go fiire! ret worre und als Gotte und Götte hond
muss etwas für sie tun. Einmal anschieben drum au de Emil Mundhaas und d Rose-
reicht nicht. Es muss nachgelegt werden. Un genau des isch in de Corona-Zitt nit marie Banholzer vu Konschtanz firmiert.
möglich gsi. Jeder isch fir sich heimtrottet. Lange Johr isch er de Vorsitzende vu de
3. Habt nicht ständig Angst, übervorteilt zu Aber ich kann für mich sage, sini Worte Gruppe Nonnehorn-Obersee gsi, bis er‘s
werden. Es gibt so viele Ebenen, auf denen hen mir guet due. Ich hab en ganz dittlich wege gsundheitliche Gründ nimme hot
das Leben spielt, dass Grosszügigkeit durch- selber venumme un vestande, dass es ihm mache könne. Weil me kon Nachfolger
aus gewagt werden kann. Es ist allerdings jetz guet goht. gfunde hot, isch d Gruppe denn 2011 mit
schwer, die Grenze zu bestimmen, wo sie in de Seealemanne veschmolze worre.
Dummheit umschlägt. Trotzdem. Er isch später uf em Ruheberg in Oberried
beigsetzt wore. De Oswald Joos hot mit de Gruppe Nonne-
4. Versucht, den Sinn des Lebens – wenn horn-Obersee au johrelang Mundartwörter
ihr nach einem sucht – nicht nur in euch  Friedel Scheer-Nahor gsammlet, wie se z Nonnehorn und Um- De Oswald Joos im Johr 2007. Foto: fsn
gebung no gschwätzt worre sin und de
Wortschatz hot me 1992 i Schriftform veöf- hot: Wo isch denn de Oswald wider? Vulo-
fentlicht. Im Vorwort isch gstande, dass es re gange isch er jedefalls nie, spätschtens
en Bitrag sott dodefir sei, zum e wertvolls beim Eikehre isch er wider bei uns gsi.
Kulturerbe z erhalte. Denn hot er uns mit luschtige Gschichtle
underhalte. Und singe hot er kenne! Mit
Au später isch er allmol bi de Usflüg vu de allene Liedertext! Mir werred ihn als lie-
Seealemanne debi gsi. Iberall hot er Leit beswerte und fröhliche Mensch in Erinne-
kennt und wenn er sie it kennt hot, denn rung bhalte.
isch er glei mitene is Gspräch kumme. So
dass me bei Wanderunge immer gfroged  Heidi Wieland

86 87
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Bei uns im Süden Un wie mrs vum Hämme gwehnt isch, fahrt er
ei Witz-Fiirwerk nach em andere uf. Des kann
In Konstanz kennt man ihn wohl, im weiteren „kurz un bündig“ sii, aber au „lang un trotzdem
alemannischen Umkreis lernt man ihn dank knackig“. Des kann „Vun Stroßebahne, Opera-
seines Gedichtbandes „Bei uns im Süden“ hof- tione un ... vum Ludwig van Beethoven“ handle
fentlich noch kennen: Wolfgang Müller-Fehren- oder es könne „Gschichdli midde ussem Läwe“
bach war in seinem Berufsleben Gesamtleiter sii. Natürlich spiele d Klischees iber Mann un
des Schulverbunds Geschwister-Scholl-Schule Frau e großi Roll un s Frivole kunnt uf Garantie
in Konstanz und gehört seit 50 Jahren dem Kon- nit z kurz. Mol gohts uf d Koschte vu de Fraue,
stanzer Stadtrat an. Seit seinen Kindertagen ha- mol uf die vu de Männer, oder gar uf die vu bei-
ben ihn die Dialektverse seiner Mutter begeistert de: Vertraulich winkt Frau Löffler ihri attrakti-
und so entstanden im Laufe der Zeit viele eigene vi Nochberi an de Zaun un flüschdert: „Könnte
Werke, die er nun in einem Buch zusammenge- Sie sich viellicht hit Nochmiddag widder mol ä
fasst hat und der Öffentlichkeit vorstellt. Wolfgang Müller-Fehrenbach Stündli oben ohne an de Swimmingpool lege,
Sein Buch ist in mehrere Abschnitte geteilt. Ei- Bei uns im Süden Helmut Dold dass minner Mann endlich de Rase mäiht!“
nen Großteil nimmt das Kapitel „Heimat – Alltag Alemannische und hochdeutsche Das neue badische Witzbüchle
– Leben“ ein. Aber auch zu den Themen „Jah- Gedichte vom Bodensee Silberburg Verlag S Schöne an sine Gschichtli isch, dass er si in
reszeiten“, „Fasnacht“, „Advent und Weihnach- ISBN: 978-3-8425-2340-1 de nächschte Umgebung asiedlet, was dann de
Gmeiner-Verlag
ten“ sowie „Jahreswechsel“ hat er einiges zu Aschiin macht, dass er des alles sälber erläbt
ISBN 978-3-8392-2785-5 9,99 Euro
sagen. Nicht alle Gedichte sind in Alemannisch, oder vum e guete Kumpel vezellt kriägt het. Wie
ein paar hochdeutsche Gedichte haben sich auch 20 Euro bi sellem Gsell us Richebach, wu durch d Gsel-
darunter geschmuggelt. Aber man kann spüren, leprüfung gfloge isch. Er postet uf Facebook:
dass dem Autor die Mundart am Herzen liegt Einkaufsabenteuern lesen und erfährt „War der erste Versuch schlecht, mach‘s einfach
und dass er es genießt, seiner Muttersprache ein einiges aus dem Chor-Alltag, wozu Badischi Witz nochmal!“ Zehn Minute später ruft ihn sinner
Denkmal zu setzen. Manchmal heiter, manch- man wissen muss, dass Müller-Feh- Vadder an un sait nur: „Wäge dem hesch du ä
mal nachdenklich, manchmal auch ungehalten renbach jahrelang Geschäftsführer Was macht e Komiker, wenn er vum Schwester!“
formuliert er seine Gedanken in Versform und des Sinfonischen Chors Konstanz e Virus dezue vedammt wird, de-
auch der Humor kommt bei ihm nicht zu kurz. war. Daneben wirft er auch den einen heim z bliibe un alli Uftritt abzsage? Ganz aktuell isch de Hämme au: Ä Badner hockt
Gleich zu Beginn widmet er sich seiner „Muet­ oder anderen Blick in die Kindheit Gueti Frog. S git bestimmt einigi, wu gmietlich uffem Bänkli uffem Schauinsland, do
terschproch“: Muetterschproch, du bisch e zurück und vergleicht damals mit des iberhaupt nit witzig finde un in sitzt uff eimol de Gott näbe ihm! De Badner ver-
Gschenk, / du ghersch zu om wie d Haut, / heute: Früeh­ner simmer so bim Esse e Ecke sitze un Trübsal blose. Nit so neigt sich mit Ehrfurcht un sait: „Lieber Gott!
du losch heere, wan i denk, / klingsch heime- / gmietlich um de Disch rum gsesse. de Helmut Dold, genannt Hämme. Er Was machsch denn du bi uns im scheene Bad-
lig vetraut. // ... // Muetterschproch, fir di hau / Heit heißt des „Familiebransch – / setzt sich viellicht au in e Ecke, aber nerland?“ De Gott lacht un sait: „Homeoffice
i / bolitisch uf de Butz! / Mir grindet e Bartei Termin! Trag ei – i hoff du kannsch!“ er blost weder Trübsal noch si Trom- mein Sohn! Homeoffice!“
fir di / zwecks „Muetterschprocheschutz“. Dann Auf 160 Seiten kann man sich verwei- pete, sondern schribt e nejs Witz­
nimmt der Autor den Leser mit nach Konstanz, len, schmunzeln und nachdenklich biächli. Un so kammer fascht vu Glick sage, dass au de
zeigt ihm das „Konzil – du schtolzes Haus“, „Mei werden und sich auch an den Illust- Hämme zum Homeoffice vedammt wore isch un
Schnetztor“ und das „Baradies“, wandelt auf den rationen von Stefan Roth freuen. Für Im Silberburg-Verlag isch jetz si vier- sich an dem erfraie, was debii ruskumme isch:
Spuren von Johann Peter Hebel und beobach- alle die Mundart lieben eine Fund- tes Witzbiächli erschiene mit de be- Das neue Badische Witzbüchle.
tet frei nach dem „Schwarzwälder im Breisgau“ grube. währte Illustration vom Björn Locke.
88 „En Konschtanzer im Hegau“. Man kann von  Friedel Scheer-Nahor  Friedel Scheer-Nahor 89
B Ü E C H E R U N CD Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 B Ü E C H E R U N CD

Iiszapfe zum Schlozze zerfamilie stammt und heute als Journalist bei
der Tageszeitung „l‘Alsace“ arbeitet, in sein
Was sich die Trachtengruppe Alt-Radolfzell zu Buch aufgenommen. Wie er in seiner Vorrede
ihrem 100jährigen Jubiläum gegönnt hat, ist ein schreibt, hat er sie zuerst in Elsässisch geschrie-
Kleinod, das es zu würdigen gilt, weil es nicht ben und dann ins Französische übersetzt. So
nur die vergriffenen Gedichte des Zeller Pfarrers ist das Büchlein durchgängig zweisprachig, für
und Gründers der Trachtengruppe, Hermann manche Gedichte hat er aber auch noch eine
Sernatinger, wieder verfügbar macht. Nein, es hochdeutsche Übersetzung angefügt.
poliert seine Lyrik aufs Schönste auf, indem sie Auch die Orte, an denen die Texte geschrie-
Iiszapfe zum Schlozze
in einem geschmackvoll aufgemachten quadra- ben wurden, sind ihm wichtig. Meistens ist es
Gedichte und Geschichte[n]
tischen Büchlein dargereicht wird mit Bildern Bleschwiller (Blienschwiller) oder Rosenau, an
Hermann Sernatinger/Brigitte
von Christian Dierks, die eigens dazu entstan- ersterem Ort ist er aufgewachsen, am zweiten
Robers
den sind und die Sujets der Gedichte, die über wohnt er heute mit seiner Familie.
Illustrationen: Christian Dierks
100 Jahre alt sind, zum Ausdruck bringen. Doch Jean-Christophe Meyer Die Zyklen heißen „Granzwidd“, „Kalanderge-
Hrsg.: Trachtengruppe Alt-Radolfzell
damit nicht genug. Brigitte Roberts hat die Ge- Loem / Buée dìchtle“, „Odiliebarri“ oder „Starnegàrte“. Von
dichte auch denjenigen zugänglich gemacht, die Eigenverlag seinen Eindrücken als junger Familienvater zeu-
Édition du Tourneciel
des Radolfzeller Dialektes nicht (mehr) mächtig 19,50 Euro gen wohl die lebensfrohen Gedichte im Zyklus
ISBN 979-10-95248-29-3
sind, indem sie in Prosa erzählt, um was es da- „Kìnderjüchse“: Bubbelfratzel: / Millich- / pfa-
erhältlich bei: 192 Seiten
bei geht. Das ist eine wunderbare Idee, die nicht dellachle. // Plätzlig / glìtzere sini Äuje / wie de
www.trachtengruppe-radolfzell.de
nur die eine oder andere Erkenntnis befördert, 15 Euro Doppelstarn / vùnere nèie Walt! // Lìechtbùrne
sondern vor allem auch Jüngeren die Thema- wù / d‘ Schäpfùng / begìesst // ù schneefarbt / äu
Erhältlich in den Buchläden:
tik erschließt und somit in die Zukunft weist. ìm Trürwatter / vù dam andlose / Wìnter.
Beidek Müllheim
Denn nicht immer ist das Verständnis des Textes Besser kann man diese für Radolfzell Für den Zyklus „Wàsserspöier“ hat er sich etwas
Regio-Buchhandlung Schopfheim
durch die Übersetzung eines kaum noch übli- so wichtigen Gedichte nicht aufberei- ganz Besonderes einfallen lassen. Jedes der fünf
Neutorbuchhandlung Breisach
chen Mundartwortes allumfassend gegeben. Der ten. Gedichte ist einem Vogel gewidmet, aber auch
in seiner Zeit zu begreifende Inhalt an sich ist  Friedel Scheer-Nahor einem Vokal (sieht man von dem Reduktions-
erklärungsbedürftig. Und das leisten diese Über- vokal Schwa ab). So heißt es im Drossel-Ge-
setzungstexte sehr unterhaltsam. Sie werden Loem – dicht: Drossəl / Morjətochtər / vərodər / trotzəm
Zorn / s morschə / roschtrotə / Morjərotholz / d‘
dazu noch unterfüttert durch kursiv gedruckte
Zusatzinformation unter dem Titel „No ebbes“,
P.S. Wer die Gedichte nun gerne
auch noch hören würde, sei an die
Ein Gedichtband vərrotənə / Torftotə ... Oder in dem der Eule (Ill)
die jedem Gedicht beigestellt wird. Wer dann Muettersproch-Gsellschaft verwie- gewidmeten Gedicht: Sìndər dini / lichtsìnnigə
Mit diesem Titel präsentiert uns Jean-
immer noch einzelne Wörter nicht verstanden sen. Denn dank der Initiative des aus Christophe Meyer ein seltenes Wort, / Spìnnər- / gschwìschtərə / lidə nìmm // Ill! /
hat, findet die Erklärungen in einem am Ende Radolfzell stammenden Bruno Epple das im Badischen laut Badischem mìtəm bìttərə / Lichtìmməs / ìsch ìm Gəwìttər- /
des Buches stehenden Glossar. Nähere Informa- und der tatkräftigen Hilfe von Walter Wörterbuch nur im Hanauerland und Kittərə gli gfirt. ...
tion zur Entstehungsgeschichte dieser Lyrik und Möll, Leiter der Regionalgruppe He- in der Bühler Gegend vorkommt und Man spürt, dass Meyer in seiner Sprache den
zum Leben und Wirken von Hermann Sernatin- gau, wurden die Texte, von Epple ge- dort eher in der Lautung „Laum“ Klang zelebriert, aber auch auf Wörter zurück-
ger, sowie zum Schreiben im Dialekt an sich, lesen, auf CD aufgenommen. (Nähe- oder „Laam“. Es geht auf ein mittel- greift, die dem durchschnittlichen Sprecher
findet man in der Einführung, der ein Vorwort res dazu: Alemannisch dunkt üs guet, hochdeutsches Wort „loum“ zurück längst abhanden gekommen sind, wie das Titel-
des Pfarrers Heinz Vogel vorangestellt ist. 1/2019, S. 62.) und bedeutet „Dampf, Dunst“. wort eindrücklich beweist.
Zehn Gedichtzyklen hat Jean-Christ-
90 ophe Meyer, der aus einer alten Win-  Friedel Scheer-Nahor 91
B Ü E C H E R U N CD Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 B Ü E C H E R U N CD

Gedichte in Walserdeutsch einandersetzung mit der Gabe der Menschheit,


Sprache zu lernen, mit Wörtern zu beschreiben,
Anna Maria Bacher aus dem piemontesischen sich zu verständigen, auseinanderzusetzen, aber
Pomattertal, Val Formazza, gehört zu den ein- auch Unheil anzurichten, mit Wörtern zu verlet-
dringlichsten Stimmen gegenwärtiger deutsch- zen, ja, sogar nichts zu sagen, eben „sprochlos“
sprachiger Dialektliteratur. Das beweist sie auch zu sein.
in ihrem bibliophilen dreisprachigen Gedicht-
band Öigublêkch – Augenblicke – Colpo d‘occhio. Es beginnt mit dem „Auf-die-Welt-kommen“:
Das Walserdeutsch dieser italienischen Alpenen- D‘ Äuje kümm offe, noch hàlwer zue, / stùm-
klave sprechen nur noch ganz wenige Menschen mi Bìlder / schwarz ùn wiss, / ken Klàng, ken
im Alltag, mit ihren Gedichten aber hat sie der Stìmm? / Sprochlos! / E Gsìcht àwer wàcht / ìm
Sprache neues Leben und Selbstbewusstsein liise Liecht, / güetmütig ... Es ermuntert dazu,
eingehaucht. Man kümmert sich wieder um sie, sich auf den Weg zu machen: Vergìss nìt genue
unter anderem in der Walservereinigung Grau- Daniel Boch Wärter mìtzenemme / ùn sträu se de Waj ent-
bünden, deren langjähriger Sekretär Kurt Wan- Sprochlos! làng. / Kleini wissi Steinele / Liechtwärtle / fer
ner die Dialektgedichte behutsam ins Schrift- Anna Maria Bacher Les saisons de la parole. nie vergasse ìm Forwartsgehn / de Waj zerùck ...
deutsche übertragen hat. Öigublêkch – Augenblicke – Es regt an, die Sprachlosigkeit zu überwinden:
Éditions du Tourneciel
Colpo d‘occhio Loss din Herz bobble ùn din Müll bàbble / Blie
ISBN 979-10-95248-31-6
Unerhört ist die Einfachheit und gleichzeitige Gedichte Walserdeutsch, Deutsch nìt Sprochlos, / màch dini Sproch los, / dini Zùng
72 Seiten
Kühnheit dieser lyrischen Sprache. Und zum und Italienisch, los!
Glück bleibt sie nicht ungehört, vor allem weil 12 Euro
der bekannte Schweizer Komponist Heinz Holli- Limmat Verlag Zürich, 2017 Der Autor greift tief in seinen Wortschatz und
ISBN 978-3-85791-828-5 Erhältlich in den Buchläden:
ger zehn ihrer Gedichte zu einem Liederzyklus holt wunderschöne elsässische Wörter hervor:
Beidek Müllheim
mit Zwischenspielen vertont hat (Puneigä auf 38 Euro „E Bàblerèi kümm gebìschbert“, „Großgosche
Regio-Buchhandlung Schopfheim
der CD Induuchlen, ECM Records, 2011). Ich ùn Schwäuderi“, „Kràch ùn Kràmboll“ oder
Neutorbuchhandlung Breisach
danke heute noch meinem Vorgänger beim IDI, „Babbelwasser“ sind nur einige Beispiele, die
Hans Haid, dass er 2006 in Innsbruck, anläss- hier genannt werden können.
lich der Übergabe seines Amtes an mich, mir mit
Anna Maria Bacher eine Doppellesung ermög- (Dem Herbst// Ich mag dich,/ feuer- Sprochlos! Das 72 Seiten starke Büchlein ist dreisprachig,
lichte, wo wir auch wechselseitig in den jeweils haariger Herbst!/ In deinem durch- wenngleich es sich hier nicht um wortwörtliche
anderen Dialekt übertragene Gedichte vortru- sichtigen Blick/ verschwindet jede In der Éditions du Tourneciel in der Übersetzungen handelt. Noch nicht einmal Satz
gen. Die Poesie ihrer Sprache und die Ernsthaf- Qual,/ in deinem dunklen Schatten/ Collection d‘Fladdermüs ist auch ein für Satz übertragen wird der Inhalt. Es richtet
tigkeit ihres Dichtens haben mich nachhaltig be- verschlingst du,/ was ich fürchte;/ dünnes Büchlein von Daniel Boch sich vielmehr an LeserInnen, die in allen drei
eindruckt. von Harz/ riechst du/ im Vorüberge- herausgekommen. Es ist eine „Fuge Sprachen daheim sind, in Elsässisch, Franzö-
hen,/ und dies genügt mir,/ um mit in drei Sprachen“. Dieser Begriff aus sisch und in Deutsch. Auch hier ist wieder die
Dem Herbscht // I händi gärä, / fiirhaarigä Hoffnung/ dem bleichen Winter/ ent- der Musik steht Pate für den Aufbau Nähe zur Musik erkennbar. Wie ein mehrstim-
Herbscht! / In dir dêrsêchtig Ksêcht / fertagt alli gegen zu gehen.) des Büchleins, das sich aus „Vor- miges Musikstück erscheint diese Komposition,
Brascht, / in di têmäru Schattma / wêrkscht dü spiel“, erstem bis viertem Satz mit wo jeder Sprache ihr Part zugewiesen wird und
/ was i fêrtä; / fa Lertschäna / schmeckscht / im  Markus Manfred Jung zwischengeschobenen „Récitatifs“ erst im Zusammenklang die Vollkommenheit er-
Ferbiigaa / un dêts êschtmär gnök / fer mêt Hoff- und abschließendem „Final“ zusam- reicht wird.
92 nug / dem bleichä Wênter / ingägä z gään. mensetzt. Es ist eine poetische Aus-  Friedel Scheer-Nahor 93
M I TG L I E D W E R D E  Ausgabe 1/2021 Ausgabe 1/2021 M ITG LI E D W E R D E

Mitglieder werbe oder Mitgliedschaft veschenke Mitglied werde


S Gwicht vum e Verein mache sini Mitglieder us. Ich möchte Mitglied bei der Muettersproch-Gsellschaft werden
Nur wemmer viel sin, hemmer e Stimm, wu ghört wird.
Beitretende/r Geworben von

Wer sich unser Rubrik „Mir were will oder nit. Im Fach
begrieße unseri neue Mit- „Geworben von“ wird der- Name, Vorname Name, Vorname
glieder“ aluegt, derf sich mit jenige iitrage, wo de Astupf
uns fraie: Es kumme immer gää het. Der kriegt dann au Geburtsdatum Straße, Hausnummer
wieder neui dezue. Aber es d Tasche zuegschickt. Un-
derfte ruehig noch meh sii. terschriibe mueß natirlich s
Drum isch jeder ufgforderet: neje Mitglied. Straße, Hausnummer PLZ, Ort
Werbe Mitglieder un helfe
mit, dass mir so „gewichtig“ Wenn mer e Mitgliedschaft PLZ, Ort
 Ich bin mit der persönlichen Begrüßung im
bliibe, wie mer sin! Wer e verschenke will, mueß mr Vereinsheft einverstanden.
neu Mitglied wirbt, wird au sich jetz direkt an d Uschi  Ich bin mit der persönlichen Begrüßung im
Telefon, E-Mail Vereinsheft nicht einverstanden.
belohnt mit ere Tasche, wo Isele (Isele-Uschi@t-onli-
drufstoht „I gang go lädele“ ne. de, Tel. 07664 / 40 83 80)
(siehe Bild). wende. Mit ihr wird deno
 Ich überweise den Beitrag (21,– Euro) am Anfang des Jahres
alles Nähere besproche. E  Bitte den Jahresbeitrag von meinem Konto abbuchen.
Uf de nächschte Sitte isch e Formular ab- Gschenk-Urkunde wird deno zuegschickt,
druckt, was mer entweder kopiere oder je nachdem was usgmacht isch, an de Ort, Datum Unterschrift
usem Heftli ustrenne un deno usfille kann. Schenker oder de Beschenkte.
Es isch so ufbaut, dass mers fir veschiede- SEPA-Lastschriftmandat
ni Fäll nemme kann, z. B. In jedem Fall s usgfillte Formular an d Ich ermächtige die Muettersproch-Gsellschaft Freiburg e.V. Zahlungen von meinem Konto mittels Last-
schrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die von der Muettersproch-Gsellschaft
Gschäftsstell schicke (Hansjakobstraße
Freiburg e.V. auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. Hinweis: Ich kann innerhalb von
• Mer will eifach Mitglied werre. Do füllt 12, 79117 Freiburg) oder iiscanne und als acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen.
mr alles unter „Beitretender“ us, entschei- Anhang per Mail an info@muettersproch- Es gelten dabei die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.
det sich defir ob mer abbueche loo oder gsellschaft.de schicke.
selber überwiise will un krizt es dement-
Name, Vorname (Kontoinhaber), Straße, Hausnummer, PLZ und Ort
sprechende aa. Dezue krizt mr a, ob mr Wichtig wegen des Datenschutzes: Artikel
mit ere persönliche Begrüßung im Heftli 13 und 14 EU-DSGVO verpflichtet uns, un-
(was au ins Internet gstellt wird) iiverstan- sere Mitglieder, deren Daten wir verarbei- Kreditinstitut (Name)
de isch oder nit. Des miän mir wegenem ten, zur Datenverarbeitung im Verein zu DE
neje Dateschutzgesetz wisse. Unterschrii- informieren. Dazu erhalten Sie im Begrü-
IBAN BIC
be nit vergesse! ßungsbrief ein Informationsblatt, das auch
auf www.alemannisch.de/eip/pages/in-
• Mer het e Mitglied gworbe. Au do wird formationspflicht-dsgvo.php eingesehen Ort, Datum Unterschrift
s neje Mitglied unter „Beitretender“ iitrait, und heruntergeladen werden kann. IBAN und BIC finden Sie auf der Rückseite Ihrer ec-Karte oder auf jedem Kontoauszug, falls nicht zur
alles andere gliich gmacht, wie im vor- fsn Hand genügt auch Ihre Konto-Nr. und Bankleitzahl
herige Fall, d. h. s nej Mitglied mueß sich Muettersproch-Gsellschaft Freiburg e.V. · Gläubiger-Identifikationsnummer DE08ZZZ00000274723
94 glich entscheide, ob es im Heftli begriäßt Mandatsreferenz: Ihre Mitgliedsnummer (wird Ihnen mitgeteilt) 95
I M P R E S S U M Ausgabe 1/2020

Nai, e roschtigi Schrib­


maschin hen d Teilnehmer
Adresse vum Vorstand
vu unserem Wettbewerb
nit benutzt. Aber scheen Geschäftsführender Vorstand
ussehne duet des Gerät au Uschi Isele Telefon 07664 / 40 83 80
no in dem Zuestand.
Unterdorf 36 c Isele-Uschi@t-online.de
Drum derf es unser
Titelblatt ziere. 79112 Freiburg-Opfingen
Foto: Ari Nahor
Jürgen Hack Telefon 0170/ 585 06 65
Reblingstraße 19 hack_juergen@web.de
Impressum 79227 Schallstadt-Wolfenweiler
„Alemannisch dunkt üs guet“ Günther Becker Telefon 07681 / 47 86 66
Vereinsschrift der Muetter­sproch-
Bismarckstraße 12 becker-waldkirch@t-online.de
Gsellschaft e.V., erscheint halb­
jährlich im Juli und Dezember, 79183 Waldkirch
ist im Mitglieds­beitrag von
21,– Euro pro Jahr enthalten. Erweiterter Vorstand
Redaktion Martha Meyer Telefon 07684 / 90 84 51
Friedel Scheer-Nahor (V.i.S.d.P.) (Schatzmeisterin) mameyerglo@gmail.com
Zeppelinstraße 9, 79206 Breisach Wiggishagweg 2
Telefon 0 76 67/91 27 27
friedel@scheer-nahor.de
79286 Glottertal
Die Namensnennung der Klaus Gülker Telefon 0761/ 476 04 94
AutorInnen erfolgt im Anschluss (Schriftführer) klaus.guelker@gmx.de
an den Artikel. Ein herzliches
Dankeschön allen BeiträgerInnen Sieben Jauchert 17
für ihre Hilfe und ihr Engage­ment. 79112 Freiburg

Geschäftsstelle Sandhya Hasswani Telefon 0174 / 691 25 67


Hansjakobstraße 12 (Beisitzerin) sandhy@gmx.de
79117 Freiburg Zum Zelgle 1
info@muettersproch-gsellschaft.de
79737 Herrischried
Internet
www.alemannisch.de Ingrid Mächler Telefon 0761/ 57 08 96 39
(Beisitzerin) ingrid.maechler@web.de
Bankverbindung Schenkstraße 2
Sparkasse Hegau-Bodensee
79106 Freiburg
IBAN: DE56 6925 0035 0004 8714 22
Gläubiger-Identifikationsnummer: Walter Möll Telefon 07731 / 2 69 96
DE08ZZZ00000274723
(Beisitzer) WalterMoell@gmx.de
Satz und Druck Schienerbergstraße 34
Gutenbergdruckerei 78224 Singen
Benedikt Oberkirch
79110 Freiburg Heidi Zöllner Telefon 07622 / 16 31
(Beisitzerin) wiesetal@muettersproch.de
Auflage
3.000 Exemplare Am Kleemättle 3
96 ISSN 0722-0332 79688 Hausen i. W.

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