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AUTONOME PROVINZ BOZEN - SÜDTIROL PROVINCIA AUTONOMA DI BOLZANO - ALTO ADIGE

Landesrat für Deutsche Bildung und Kultur, Assessore all'Istruzione e Cultura tedesca, Diritto allo Studio,
Bildungsförderung, Handel und Dienstleistung, Handwerk, Commercio e Servizi, Artigianato, Industria, Lavoro e
Industrie, Arbeit und für Integration all'Integrazione

Frau Abgeordnete
Myriam Atz Tammerle
Bozen, 11.03.2020 myriam.atz@landtag-bz.org

Herrn Abgeordneten
Sven Knoll
sven.knoll@landtag-bz.org

Zur Kenntnis: Herrn Präsidenten


Josef Noggler
dokumente@landtag-bz.org

Antwort auf die Landtagsanfrage Nr. 699/20 betreffend deutsche Bildungseinrichtungen: Deutsche
Kinder häufig in der Minderheit

Sehr geehrte Abgeordnete,

ich schreibe Ihnen betreffend Ihre Landtagsanfrage vom 04.02.2020 (Nr. 699/20) und darf Ihnen als
zuständiger Landesrat wie folgt antworten:

Zu Frage 1: Welche Maßnahmen (verpflichtende Deutschkurse, mehr Personal usw.) hat der zuständige
Landesrat bislang konkret umgesetzt, um in den deutschen Kindergärten und Grundschulen, die einen
hohen Ausländeranteil aufweisen, das Sprachniveau zu verbessern?

An den deutschsprachigen Kindergärten wurden folgende Maßnahmen ergriffen:


- Beratungsgespräche mit den Familien vor der Einschreibung, um für eine bewusste Entscheidung für
den italienisch- oder deutschsprachigen Bildungsweg zu sensibilisieren; Tage der Offenen Tür
- Zentrale Einschreibungen im KSP Bozen und KSP Meran; Verteilung von Kindern mit
Migrationshintergrund innerhalb des Einzugsgebietes
- Verkleinerung der Kindergruppen auf 18-22 Kinder
- Zusatzpersonal für sprachliche Bildung und Sprachförderung in sprachlich komplexen Gebieten
- intensive Zusammenarbeit mit den Familien zur Stärkung des Bewusstseins der gemeinsamen
Verantwortung für den kindlichen Lernprozess in der Aneignung der deutschen Sprache
- regelmäßige Fort- und Weiterbildung der pädagogischen Fachkräfte zur sprach- und vorurteilbewussten
Bildung
- Arbeitsgruppen zur Planung, Organisation und Reflexion der Maßnahmen
- Zusammenarbeit mit den Sprachenzentren
- Einsatz von Mediatoren/Mediatorinnen

An den deutschsprachigen Grundschulen wurden folgende Maßnahmen ergriffen:


,

- Einsatz von Sprachförderlehrkräften (für die Grundschule ca. 30 bis 40 Stellen landesweit) für
begleitende Sprachkurse in der Unterrichtssprache für Kinder mit Migrationshintergrund, welche noch
nicht lange (in der Regel weniger als drei Jahre) im Bildungssystem des Landes eingegliedert sind.
Dabei gibt es klare Zuweisungskriterien nach Sprachkomplexität der Schulen.
- Unterstützung der Schulen durch die an den Pädagogischen Beratungszentren eingerichteten
Sprachzentren in allen größeren Orten des Landes
- Regelmäßige Fortbildungsangebote für Lehrkräfte im Bereich des sprach- und kultursensiblen
Unterrichts
- Projekte der autonomen Schulen zur sprachlichen und kulturellen Integration (z. B. Lesementoring,
Schüler/-innentutoring, Interkulturelle Feste, Informationstreffs, usw.)

Landhaus 7, Andreas-Hofer-Straße 18  39100 Bozen Palazzo 7, via Andreas Hofer 18  39100 Bolzano
Tel. 0471 41 33 33  Fax 0471 41 33 99 Tel. 0471 41 33 33  Fax 0471 41 33 99
http://www.provinz.bz.it/achammer http://www.provincia.bz.it/achammer
philipp.achammer@provinz.bz.it philipp.achammer@provincia.bz.it
Steuernr./Mwst.Nr. 00390090215 Codice fiscale/Partita Iva 00390090215
Prot. Datum | data prot. 12.03.2020 Prot. Nr. | n. prot. LTG_0001265 Prot. Typ | tipo prot. Eingang - entrata
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Zu Frage 2: Wie sehen diese Maßnahmen im Detail aus, und wie viele Kosten sind dem Land dadurch
entstanden (bezogen auf die letzten fünf Jahre)?

Im Folgenden finden Sie die Details zu den Maßnahmen der deutschsprachigen Kindergärten und
Grundschulen.

Deutschsprachiger Kindergarten:
Die Beratungsgespräche finden bei zentraler Einschreibung im jeweiligen KSP statt und werden von einem
qualifizierten Team an Pädagoginnen in Einzelgesprächen durchgeführt. Tage der Offenen Tür erfolgen im
jeweiligen Kindergarten.
Zuweisung von pädagogischem Personal: In Kindergärten mit erhöhtem Anteil von Kindern mit anderen
Erstsprache(n) als Deutsch unterstützt zusätzliches pädagogisches Personal (Kindergärtnerinnen) speziell
die sprachliche Bildung im Kindergarten. Die personellen Ressourcen ergeben sich aus den sich jährlich
verändernden Einschreibezahlen und Komplexitäten vor Ort und werden zielgenau eingesetzt.
Verkleinerung der Kindergruppen und Verteilung von Kindern mit Migrationshintergrund: In allen
Kindergärten der Städte Bozen, Meran und Leifers ist eine Verkleinerung der Kindergruppen auf 22, in
wenigen Fällen auf 23 gelungen. Unter Wahrung von Art. 19 des Autonomiestatutes, das den Eltern die freie
Wahl der Einschreibung in den Kindergarten/die Schule zusichert wurde in den Kindergärten der Städte
Bozen und Meran an allen mehrgruppigen Kindergärten auf eine möglichst gleichmäßige Verteilung der
Kinder mit Migrationshintergrund, geachtet. Die Umsetzung einer zeitgemäß gestalteten Pädagogik
ermöglicht den Kindern gruppenübergreifende Begegnungen mit Kindern/Familien verschiedener und
gleicher Herkunftssprache(n).
Bildungspartnerschaft mit den Familien: Sowohl informelle (Tür-Angelgespräche) als auch formelle Anlässe
(Einschreibung, Infoveranstaltungen) werden dafür genutzt, die Eltern für ihre Verantwortung im
(sprachlichen) Bildungs- und Lernprozess ihres Kindes zu sensibilisieren.
Im Kindergartenjahr 2018/19 wurden in den Städten Bozen, Meran und Leifers in Zusammenarbeit mit dem
Referat Migration und den Sprachenzentren für interessierte Eltern 11 Sprachkurse zum Erlernen der
deutschen Sprache angeboten.
Regelmäßige Fort- und Weiterbildungen der pädagogischen Fachkräfte zur differenzierten Stärkung der
sprachlichen Entwicklung aller Kinder auf Landes- und Sprengelebene sichern die konstante und
ganzheitliche Auseinandersetzung mit dem Bildungsfeld „Sprache“.
Unterstützung der Kindergärten über die Sprachenzentren vor Ort: Personalausgaben/Kosten werden im
Rahmen des Plansoll für den deutschsprachigen Kindergarten sowie über den Haushalt der Deutschen
Bildungsdirektion abgedeckt. Dem Land entstehen dafür keine zusätzlichen Kosten.

Deutschsprachige Grundschule:
Die Maßnahmen der deutschsprachigen Grundschule können der Antwort auf die Frage Nr. 1 entnommen
werden.

Personalausgaben/Kosten werden im Rahmen des Plansoll des Lehrpersonals über den Haushalt der
Deutschen Bildungsdirektion bzw. von den Finanzbudgets der autonomen Schulen abgedeckt. Im Sinne
einer Schwerpunktsetzung wurden Ressourcen aus dem Plansoll (sprich: Lehrerstellen) und aus den
Haushalten (sprich: Geldmittel) für verschiedene Unterstützungsmaßnahmen umgeschichtet. Insgesamt gab
es aber keine Erhöhung des Plansolls oder des Budgets der Bildungsdirektion. Mitunter fließt auch
ehrenamtliche Mitarbeit ein (z. B. bei verschiedenen Formen des Mentorings oder Tutorings).

Zu Frage 3: Wurden die Ergebnisse der getroffenen Maßnahmen im Detail evaluiert, und zu welchem
Resultat ist man gekommen?

Bezogen auf den deutschsprachigen Kindergarten darf ich Folgendes festhalten:


Die beschriebenen Maßnahmen wurden im Detail evaluiert. Die Beratungsgespräche mit den Familien, die
Zuweisung von zusätzlichem Personal, die Reduzierung der Gruppengröße, die gezielte Fortbildung der
Pädagoginnen und Pädagogen und die Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum wurden als eindeutig
positiv erachtet und werden weitergeführt. Die Evaluation der durchgeführten Sprachkurse für Eltern hat
gezeigt, dass über den Besuch des Kurses Sprachkompetenzen in Deutsch grundgelegt werden konnten,

Prot. Datum | data prot. 12.03.2020 Prot. Nr. | n. prot. LTG_0001265 Prot. Typ | tipo prot. Eingang - entrata
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Infolge haben sich einige Eltern bei Sprachkursen weiterer Anbieter angemeldet. Ein verbindlicher,
regelmäßiger Besuch stellte für die Eltern aus diversen Gründen allerdings ebenso ein Problem dar, wie der
Aufwand der Organisation und Durchführung der Sprachkurse über die KSP. Das Angebot wird in dieser
Form nicht weitergeführt.
Eine Messung des Leistungsniveaus der Kinder im Kindergarten ist nicht vorgesehen, da diese dem Prinzip
des kindlichen Lernens in den ersten sechs Jahren und seiner Entwicklung nicht gerecht werden kann.

In den deutschsprachigen Grundschulen wird das Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler vor
allem in den sprachlichen Fächern, aber auch in Mathematik regelmäßig bei landesweiten, staatlichen oder
internationalen Lernstandserhebungen gemessen. Die Resultate der deutschsprachigen (Grund-)Schulen
entsprechen in der Regel der Norm oder sind in regionalen, staatlichen oder internationalen Vergleichen
auch öfters überdurchschnittlich.

Zu Frage 4: Welche konkreten Maßnahmen will der zuständige Landesrat zukünftig ergreifen, um das
Sprachniveau in den besagten deutschen Kindergärten und Grundschulen zu garantieren und zu
verbessern?

Zu den unter Punkt 1 und 3 bereits genannten Maßnahmen sind folgende Maßnahmen in den
deutschsprachigen Kindergärten geplant:
- Professionalisierung von pädagogischen Fachkräften durch eine Kursfolge zur sprachlichen Bildung
unter dem Fokus des Erwerbs der deutschen Sprache im mehrsprachigen Kontext
- Ausarbeitung einer Flyer-Reihe für die Familien, welche Eltern/Familien bereits vor der
Ersteinschreibung in den Kindergarten für das Thema der sprachlichen Bildung sensibilisieren und sie in
ihrer Vorbildfunktion stärken soll
- Neuausrichtung der Sprachenzentren und des Kompetenzzentrums für Migration (v.a. Beratung und
Information der Familien, Übergang vom Kindergarten in die Grundschule, Netzwerkarbeit)

Der Kindergarten muss primär die Bedürfnisse der Muttersprache berücksichtigen – daran arbeiten wir.

Demnächst sind folgende Maßnahmen in den deutschsprachigen Grundschulen geplant:


- Professionalisierung und Institutionalisierung der Sprachförderlehrkräfte durch Lehrbefähigungskurse
(Abbau der bisher prekären Anstellungsverhältnisse) und dadurch Ermöglichung einer effizienteren und
kompakteren Sprachförderung von Kindern mit internationalen Biografien
- Neuausrichtung der Sprachenzentren und des Kompetenzzentrums für Migration (v. a. Stärkung der
Beratungstätigkeit bei Schuleinschreibungen, Intensivierung der Eltern- und Netzwerkarbeit)
- Verpflichtende Sprach- und Kulturkurse für Eltern mit Migrationshintergrund
- Maßnahmen gegen Schulabwesenheit

Zu Frage 5: Gedenkt die Landesregierung, bei der Datenerhebung der Kindergärten und Schulen künftig
auch zwischen den Sprachgruppen zu unterscheiden, um ein präziseres Ergebnis zu erhalten?
Zu Frage 6: Wenn nein, warum nicht?

Wie bereits in der Antwort auf die Frage Nr. 3 geschildert, ist eine Erhebung des Leistungsniveaus der
Kinder im Kindergarten nicht vorgesehen, da diese dem Prinzip des kindlichen Lernens in den ersten sechs
Jahren und seiner Entwicklung nicht gerecht werden kann.

In der Grundschule werden Lernstandserhebungen (s. Frage 3) bereits jetzt getrennt nach deutschen,
italienischen und ladinischen Schulen durchgeführt und auch getrennt ausgewertet und ggf. verglichen.
Innerhalb der deutschen, italienischen oder ladinischen Schulen sind die Kinder jedoch anonymisiert und es
werden keine getrennten Ergebnisse nach Muttersprache der Kinder ausgewiesen.
Die Lernstandserhebungen in den Grundschulen sehen das – auch aus Datenschutzgründen – nicht vor.

Mit besten Grüßen

Philipp Achammer
Landesrat
(mit digitaler Unterschrift unterzeichnet)

Prot. Datum | data prot. 12.03.2020 Prot. Nr. | n. prot. LTG_0001265 Prot. Typ | tipo prot. Eingang - entrata
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