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Rezensionen aus:

Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters


Band 69-1 (2013)
Erstellt: 2014-08-05
3. Politische und Kirchengeschichte des Mittelalters 315

diesem Werk anzustoßen versucht, keine materiellen Änderungen in der Ge-


schichtsschreibung über die Juden in Sizilien bringen werden, wie der Vf.
meint (S. IX), so bieten die 12 444 Seiten über 40 000 Dokumente der größten
jüdischen Gemeinde Italiens im MA. Als „ceterum censeo“ sei auch hier noch
einmal auf die erschwerte Benutzung dieses Werkes hingewiesen, das zwar
jeden einzelnen Band mit einem Register erschließt, ein Gesamtregister aber
schmerzlich vermissen läßt. H. Z.

Shlomo SIMONSOHN, Tra Scilla e Cariddi. Storia degli ebrei in Sicilia. [Tra-
duzione di Gilberto TOFANO. Revisione di Antonella MAZZON ] (La storia.
Saggi 3) Roma 2011, Viella, 646 S., Abb., Karten, Tab., ISBN 978-88-8334-
550-0, EUR 65. – Die italienische Ausgabe der gleichzeitig auf Englisch und
Hebräisch gedruckten Zusammenfassung der 18-bändigen Quellensammlung
des Vf. (siehe vorige Anzeige) bringt die 40 000 edierten Dokumente einem
breiteren Publikum nahe. Die jüdischen Gemeinschaften Siziliens blieben an-
fangs spärlich dokumentiert, auch wenn es u. a. Gheniza-Urkunden gab, wur-
den aber unter den Normannen, Staufern, Anjou und besonders den aragone-
sischen Königen durch viele Quellen erhellt. Im Spät-MA sind die Quellen
sogar so zahlreich, daß, wie S. selbst betont, sein Lebenswerk nur einen Teil
aller denkbaren Aspekte ansprechen kann und vieles noch zu tun bleibt. Das
Buch ist in 20 Kapitel eingeteilt, wovon die ersten sieben die Ansiedlung, die
Geschichte und die wirtschaftliche sowie kulturelle Tätigkeit bis zum Ende der
Anjou-Dynastie auf der Insel, die anderen die aragonesische Epoche bis zur
Vertreibung 1492 (Kapitel 20) darstellen. Dabei geht es um das Verhältnis zum
König, die der Gemeinde auferlegten Steuern, die demographische Entwick-
lung, die Gesetzgebung, die Beziehungen zur Kirche und zu den Christen, die
Sozial- und Familienstrukturen, die Ausbildung, die Wirtschaftstätigkeit usw.
Der Anhang bietet nützliche Listen zu den Herrschern der Insel und den Vize-
königen (seit 1392), Verzeichnisse der Münzen, Maße und Gewichte, Regesten
der Eheverträge innerhalb der jüdischen Gemeinschaft etwa 1349 bis 1492,
Listen der Löhne einiger Arbeiter 1331 bis 1492 und der Preise einiger von den
Juden verkaufter Güter 1298 bis 1492. Die mehr als tausendjährige Präsenz der
Juden in Sizilien wird insgesamt genauer und tiefer als bisher beleuchtet und
die relative Duldung klar betont. Ein solch riesiges Werk kann natürlich nur
positive Eindrücke hinterlassen; allerdings widersprechen Folgerungen und
Hypothesen oft bisheriger Geschichtsschreibung, und für die kritische Ein-
ordnung sollte man auch andere Werke weiterhin lesen, z. B. Henri Bresc, Ara-
bi per lingua, ebrei per religione. L’evoluzione dell’ebraismo siciliano in am-
biente latino dal XII al XV secolo, Messina 2001. Kristjan Toomaspoeg

Daniel KÖNIG, Zur Ausstrahlung des Papsttums in die mittelalterliche


arabisch-islamische Welt. Eine Evaluation der arabisch-islamischen Bericht-
erstattung zum Bischof von Rom, QFIAB 90 (2010) S. 1–52, untersucht das
Bild des Papsttums vorrangig in historiographischen Quellen des 9. bis 15. Jh.,
die im Raum von der Iberischen Halbinsel bis Zentralasien entstanden, wobei
ausschließlich arabische Quellen berücksichtigt werden, die von Muslimen
verfaßt wurden. Dabei untersucht K. zum einen Berichte über den Papst, seine
Stellung und Entwicklung, zum anderen fließt aber auch die direkte Korre-

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eingriffen. J.s Buch eröffnet nicht nur der Stiftskirchenforschung viele neue
Perspektiven. Enno Bünz

Barbara VISENTIN, La nuova Capua langobarda. Identità etnica e coscienza


civica nel mezzogiorno altomedievale (Europa mediterranea 13) Manduria u. a.
2012, Lacaita, 285 S., 45 Abb., 3 Taf., ISBN 978-88-6582-015-5, EUR 15. –
Innere Entwicklungen und Gliederungen der Stadt Capua, eines der wichtig-
sten Zentren des ma. Süditalien, werden hier von der Spätantike bis zum Ende
des langobardischen Fürstentums Capua Mitte des 11. Jh. beobachtet. Das
Buch besteht aus zwei Teilen, der erste zu Veränderungen des Stadtraums zwi-
schen der Spätantike und der Langobardenherrschaft, der zweite zur Stadt des
Früh-MA. Im ersten Teil werden u. a. Ausbreitung des Christentums in Capua
und langobardische Eroberung Ende des 6. Jh. vorgestellt. Der Bruch mit der
Antike fand 841 statt, als Muslime die römische Stadt eroberten und plünder-
ten, die kurz danach Graf Lando I. an neuem Ort wiederbegründete. Capua
Nova wird im zweiten Teil in drei Kapiteln untersucht: Im ersten geht es um
Stadtmauern und -tore, um Straßen, um den Fürstenpalast im Herzen der
Stadt, um die drei Kapellen (vielleicht Hofkapellen, vielleicht private Grün-
dungen) S. Salvatore, S. Giovanni und S. Michele und um die gleichzeitig er-
baute Domkirche. Im zweiten, kurzen Kapitel werden Gegebenheiten am En-
de des 9. Jh. dargestellt, als die Stadt für etwa zwanzig Jahre Opfer der Zweitei-
lung des Bistums Capua und der Angriffe von Byzantinern war, was V. als
Test für ihr Überleben betrachtet. Im dritten Kapitel werden die Besitzungen
der großen Klöster S. Vincenzo al Volturno und Montecassino in Capua aus-
führlich erforscht. All dies erlaubt einige Schlußfolgerungen zur Neugrün-
dung: Einerseits handelte es sich um eine Erinnerung an die Antike, und der
Name selbst wies auf das alte, römische Zentrum, andererseits um die Haupt-
stadt eines neuen „barbarischen“ Staats. Die Langobarden suchten die Konti-
nuität mit der Vergangenheit und nutzten die Stadt als Element der Kohäsion
mit der lokalen Bevölkerung. Im Anhang finden sich vier Karten sowie Photo-
graphien von Kunstwerken und Bauten. Der hier gebotene Blick auf Capua ist
interessant, auch weil V. die Stadt in einen breiten ideologischen und politi-
schen Kontext stellt, so daß man viele neue Anregungen zur Langobardenherr-
schaft in Süditalien erhält; gleichzeitig ist das Buch aber auch detailliert. Die
schriftlichen, meist erzählenden Quellen werden überzeugend mit Ergebnissen
archäologischer Ausgrabungen korreliert. Kristjan Toomaspoeg

David ENGELS / Lioba GEIS / Michael KLEU (Hg.), Zwischen Ideal und
Wirklichkeit. Herrschaft auf Sizilien von der Antike bis zum Spätmittelalter,
Stuttgart 2010, Steiner, 363 S., ISBN 978-3-515-09641-6, EUR 54. – Der Band
versammelt 18 Beiträge einer Tagung von jüngeren Vertretern der Geschichte
des Altertums und des MA vom 13.–15. Februar 2008 in Aachen. Die Einlei-
tung der drei Hg. (S. 7–12) erläutert das Ziel des Projekts, das von den
Lehrstühlen für Alte sowie Mittlere Geschichte der RWTH Aachen und für
Römische Geschichte der Univ. Libre de Bruxelles koordiniert wurde: die
Analyse der Wechselwirkung von idealer (d. h. im Allgemeinen theoretischer)
Herrschaftskonzeption und der situationsbedingten Realität auf der Insel Sizi-
lien von der griechischen Kolonisation bis zur Sizilianischen Vesper. Die er-

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noch König Peter von Aragon genehm war noch – anders als die italienischen
Guelfenstädte – stark und gefestigt genug, sich gegen diese Gewalten zu be-
haupten. – David ENGELS / Lioba GEIS / Michael KLEU, Herrschaft auf Sizi-
lien zwischen Ideal und Wirklichkeit. Bilanz und Perspektiven (S. 351–360),
fassen konzentriert und durchdacht die Resultate der wohltuend straff thema-
konzentrierten und entsprechend sehr ergiebigen Tagung zusammen. Ein Ver-
zeichnis der Vf. mit Angaben zur Person beschließt den reichhaltigen, auch
methodisch anregenden Band. Walter Koller

Francesco Paolo TOCCO, Ruggero II. Il drago d’Occidente (Siciliani 5)


Palermo 2011, Flaccovio, 186 S., 3 Karten, 5 Abb., ISBN 978-88-7804-496-8,
EUR 14,50. – Nach seiner 2008 veröffentlichten Analyse sozialer und institu-
tioneller Merkmale Süditaliens und Siziliens unter angiovinischer und aragone-
sischer Herrschaft (vgl. DA 67, 892 f.) fokussiert T. diesmal den Begründer des
Regnum, den in Mileto geborenen Roger II. Aus dem einführenden Kapitel
(S. 7–18) erfährt man die Entwicklungslinien und Thesen der Studie. Begonnen
wird mit einer kritischen Abrechnung zu der historiographischen Tradition
von den De rebus Siculis decades duae (1558) des Dominikaners Tommaso
Fazello bis zur „Storia dei Musulmani di Sicilia“ (1854–1872) des kirchen-
feindlichen und positivistischen Michele Amari einerseits und den als „partei-
isch und lückenhaft“ erachteten chronikalischen Quellen aus dem 12. Jh. ande-
rerseits, z. B. dem Chronicon Beneventanum und De rebus gestis Rogerii. Da-
gegen lehnt der Vf. jede Kontinuität zwischen dem Regnum Siciliae und den
folgenden Entwicklungen ab, die zur Entstehung des „Mezzogiorno“ geführt
haben. In den folgenden sechs Kapiteln (S. 19–165) bietet er ein facettenreiches
Bild des normannischen Königs, der die Insel Sizilien und insbesondere Paler-
mo als Zentrum einer zentralistischen Machtstruktur wählte und sein Handeln
mehr auf den mittelmeerischen Raum als auf das kontinentale Europa richtete.
Zweifelhaft bleibt, ob der Band die Bedürfnisse gebildeter Leser mit dem
Wunsch der Wissenschaft nach einer einführenden Studie zu Roger II. verein-
baren kann. Es wundert z. B., daß ein Quellen- und Literaturverzeichnis fehlt.
Eine chronologische Übersicht über die Normannen im südlichen Italien 1000
bis 1154 (S. 167–173), Karten und Abbildungen beschließen das Werk.
Marco Leonardi

Charles D. STANTON, Norman Naval Operations in the Mediterranean


(Warfare in history) Woodbridge u. a. 2011, The Boydell Press, X u. 323 S.,
14 Abb., 14 Karten, ISBN 978-1-84383-624-7, GBP 55. – Die normannisch-
sizilianische Kriegsflotte und ihre Aktionen im Mittelmeer wurden erstmals
von Willy Cohn 1910–1926 systematisch erforscht, und auch aus späterer Zeit
besitzt man einige Spezialuntersuchungen, doch S. bietet jetzt eine ausführ-
liche Monographie. Der Vf., ein Fachmann für Kriegsgeschichte und ehema-
liger Offizier der amerikanischen Marine, hat bei David Abulafia promoviert.
Das Buch gliedert sich in vier Kapitel: „Die Eroberung (827–1101)“, „Der
Höhepunkt (1101–1154)“, „Die Finsternis (1154–1194)“ und ein letztes über
Auswirkungen der normannischen Operationen auf dem Meer. Im Anhang
findet man wertvolle Details zu Kriegsschiffen, Werften, Seeleuten, Kriegsstra-
tegien usw. (Anhang A) sowie eine Beschreibung der benutzten Quellen (An-

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6. Landesgeschichte 393

hang B). Der Hauptteil des Buches schildert den Seekrieg besonders aufgrund
erzählender Quellen. Erst im Anhang werden die konkreten technischen
Aspekte der Kriegsführung gebracht. Nach Meinung des Rezensenten ist die-
ses Material sogar interessanter als die allgemeinen Folgerungen über den See-
krieg, die wenig Neues bieten, sondern nur die Gesamtproblematik kurz und
knapp darstellen. Laut S. hätten die normannischen Kriegsoperationen ein
durchaus positives Ergebnis gezeitigt, indem sie vorher von Byzantinern und
Muslimen dominierte zentrale Regionen des Mittelmeers für westliche Kauf-
leute „öffneten“; und Friedrich II. hätte dies fortgesetzt. Dazu kommt die Rol-
le der Flotte bei der Unterwerfung Nordafrikas zur Zeit Rogers II. und, allge-
mein, im Rahmen der Politik der Normannenkönige. Die bisherige Ge-
schichtsschreibung hat dies gleichfalls betont, doch herrschte die Meinung, die
normannische Kriegsflotte sei relativ klein geblieben und habe keine feste und
dauerhafte Kontrolle auf dem Meer ausgeübt. Auffällig bleibt, daß die Nor-
mannen im Rahmen der Kreuzzüge keine eigenen Seetransporte nach Osten
durchführten; sie hatten offenbar nur wenig Interesse für den Kampf im Heili-
gen Land. S. bietet uns so eine Zusammenfassung zu den Seeoperationen der
Normannen und eine tiefere Studie einiger technischer Aspekte dieser Proble-
matik. Kristjan Toomaspoeg

Francesco PANARELLI, S. Maria di Picciano (Mt) e gli ultimi sovrani della


dinastia Altavilla, QFIAB 90 (2010) S. 53–72, arbeitet heraus, daß der nach den
Gesta Innocentii an der Jahreswende 1198/99 gestorbene Wilhelm III., der
Sohn Tankreds von Lecce und damit der letzte Hauteville, das entgegen bishe-
riger Meinung bereits im 12. Jh. existierende Kloster als seine Grablege vor-
gesehen hatte, was auch in zahlreichen Privilegierungen zum Ausdruck kam.
Jochen Johrendt

Jaime VIZCAÍNO SÁNCHEZ, La presencia bizantina en Hispania (siglos VI–


VII). La documentación arqueológica (Antigüedad y cristanismo 24) Murcia
2009, Universidad de Murcia, 940 S., zahlreiche Abb., Karten, ISBN 978-84-
8371-912-1, EUR 80. – Die Hispania Byzantina wird von der Geschichte der
Spätantike, den frühma. Disziplinen und auch der Byzantinistik im allgemei-
nen recht marginal behandelt. In einer 2007 eingereichten Diss. der Univ. Mur-
cia liegt nun eine erschöpfende Darstellung des byzantinischen Spanien von
Justinian bis zum Ende des Westgotischen Reiches vor, die in einem ausführ-
lichen ersten Kapitel (S. 33–124) den aktuellen Stand der Forschung zur histo-
rischen und administrativen Entwicklung abhandelt, der in den folgenden
Kapiteln mit topographischen und archäologischen Forschungsergebnissen
ausgefüllt und ergänzt wird. Aus Platzgründen können hier nur die Haupt-
überschriften der Kapitel präsentiert werden, um dem Interessenten eine erste
Orientierungshilfe über den reichhaltigen Inhalt zu geben: (1) Der territoriale
Rahmen der byzantinischen Präsenz (S. 125–277), auf einer Kombination von
Grabungsergebnissen und schriftlichen Hinweisen beruhend (mit klarer Fest-
stellung der relativ bescheidenen Umfänge dieses Territoriums), (2) Straßen-
system (S. 279–288), (3) Spanien und die mediterrane Welt. Privater und staat-
licher Handel (S. 289–328), (4) Die Stadtentwicklung während der byzanti-

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