Das Filmmagazin

OLIVER ALBRECHT BIRGIT SAMUEL

MASUCCI SCHUCH MINICHMAYER FINZI

BASIEREND AUF DEM KLASSIKER VON STEFAN ZWEIG

SCHACHNOVELLE

Aug–Okt 2021

Fabian oder Der Gang vor die Hunde Helden der Wahrscheinlichkeit – Riders of Justice Hinter den Schlagzeilen 
121

Der Hochzeitsschneider von Athen Je suis Karl Nahschuss Nowhere Special Nö Promising Young Woman 

Der Rosengarten von Madame Vernet Schachnovelle The Father Wir machen die Wahrheit – Curveball 
 WIR ERKLÄREN EUCH DEN KRIEG.

»DER PROVOKANTESTE
FILM DER BERLINALE.«
DIE WELT

LUNA JANNIS MILAN

WEDLER NIEWÖHNER PESCHEL

EIN FILM VON CHRISTIAN SCHWOCHOW NACH EINEM DREHBUCH VON THOMAS WENDRICH

@JeSuisKarl.Film
AB 16. SEPTEMBER IM KINO! @jesuiskarl.film
121. Vorfilm Inhalt
Filmkritiken
ab 5.8.
Fabian oder Der Gang
vor die Hunde   3

ab 12.8.
Nahschuss   4

Die Unbeugsamen „Zwar muss man im Lauf eines politischen Lebens manche Kröte ab 19.8.
­schlucken, aber man darf nicht selbst zur Kröte werden.“ Hildegard Hamm-Brücher
Promising Young Woman   5
Nach der langen Kinoschließzeit passt es zur Wiederer-
öffnung, dass sich viele der Heldinnen und Helden des ak- ab 26.8.
tuellen Programms fremdbestimmten Schicksalen nicht Die Unbeugsamen   6
beugen wollen – mit mehr und weniger Erfolg. The Father The Father   9
Anthony Hopkins will sich nicht der fortschreitenden De- Der Hochzeitsschneider
menz ergeben, aber das Vergessen ist unerbittlich. Carey von Athen   10
Mulligan begehrt als Promising Young Woman gewaltig
gegen das gesellschaftliche Ignorieren sexuellen Miss- ab 9.9.
brauchs auf. Höchste Zeit wurde es, die Unbeugsamen Poli- Der Rosengarten von
tikerinnen der Bonner Republik, die sich herablassenden Madame Vernet   13
Männerhorden im Parlament entgegenstellten, filmisch Wir machen die
zu würdigen. In der Neuverfilmung von Stefan Zweigs Wahrheit – Curveball   14
Schachnovelle widersetzt sich der Jurist Josef Bartok der Hinter den Schlagzeilen   15
Gestapo und verschafft sich mit Hilfe eines Schachbuchs
einen psychischen Anker in der Isolationshaft, der ihn ab 16.9.
nicht mehr freigibt. Je suis Karl   16
Helden der
„Je suis Karl“ entpuppt sich als Wahrscheinlichkeit
Ausdruck einer gefährlichen – Riders of Justice   19
Identitätsstörung
ab 23.9.
Dem Zufall haben Die Helden der Wahrscheinlichkeit den Schachnovelle   20
Kampf angesagt, dergestalt dass auch brutale Schicksals-
schläge nur unter der Prämisse vernünftiger Ursachen- ab 30.9.
forschung verhandelbar sind. Obwohl es doch um Trauer Nö   22
und Vergebung geht – oder um Rache. Nicht unterkriegen
lässt sich Der Hochzeitsschneider von Athen, der zwar fast ab 7.10.
pleite ist und von Frauenkleidern keine Ahnung, dafür Nowhere Special   23
aber eine kluge Nachbarin hat. Ihrer Angst will Maxi et-
was entgegensetzen, nachdem ihre halbe Familie einem
Bombenattentat zum Opfer gefallen ist. Je suis Karl ent- Kinoadressen 24
puppt sich dabei jedoch als Ausruf einer gefährlichen Veranstaltungen 24
Identitätsstörung. Schließlich begleiten wir noch Mi- Mongay 26
chelle Pfeiffer durch den French Exit aus misslicher Lage Was uns sonst noch gefällt 32
– wohin auch immer! Laufendes Programm 38
Aber sehen Sie selbst! Ihre CineCity Demnächst 39
 SEBASTIAN DAR VIRGINIA THORSTEN MICHAEL
BLOMBERG SALIM KULL MERTEN WITTENBORN

AB 9.9.
IM KINO

EINE WAHRE GESCHICHTE. LEIDER.

EIN FILM VON JOHANNES NABER

/CURVEBALL.FILM
WWW.CURVEBALL-DERFILM.DE

„GELUNGENE SITUATIONSKOMIK,
EXZELLENTE DIALOGE“ Programmkino.de
 →  ab

5.8.
Regie
Dominik Graf
Filmographie
2014 Die Geliebten
Schwestern
2001 Der Felsen
1994 Die Sieger
1988 Die Katze
Drehbuch
Constantin Lieb,
Dominik Graf nach
dem Roman von Erich
Kästner
Darsteller
Tom Schilling
Albrecht Schuch
Saskia Rosendahl

Fabian oder Der Gang vor die Hunde

Kamera
Hanno Lentz
Musik
D 2021  Sven Rossenbach
Florian Van Volxem
Dominik Graf verfilmt Erich Kästners 1931 erschienenen Länge
176 min.
Berlin-Roman als alle Sinne ansprechendes Kino und heute
relevante Parabel des Umbruchs.

Heidelberger Platz, U-Bahnsteig. Menschen stei-
gen ein und aus, die Kamera mittendrin und atem-
los den Treppenaufgang hinauf, das Bild verengt
sich zum klassischen 4:3-Format. Dort steht ein
Mann am Geländer, ringt nach Luft. Gleich in den
ersten Minuten in Dominik Grafs Erich-Kästner-
Verfilmung „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“
verbinden sich Gegenwart und Weimarer Repub-
lik, deutet die Kamerafahrt an, was das Jahr 1931
mit uns heute zu tun haben könnte. Der da steht,
ist Jakob Fabian (Tom Schilling), ein junger Wer-
betexter, der den Tanz auf dem Vulkan vor Hitlers
Machtergreifung lange kommentierend aus der
Distanz beobachtet. Viel mehr interessieren ihn
die Frauen, vor allem Cornelia (Saskia Rosen-
dahl), die ihm nicht nur den Kopf verdreht. Eine
Weile streifen sie durch die berauschenden Berli-
ner Nächte, der drohende Abgrund lässt sich noch
ausblenden. Sie genießen das Leben, oft zusam-
men mit Fabians bestem Freund, dem idealisti-
schen Salonlinken Labude (Albrecht Schuch). Al-
les scheint möglich, bis nichts mehr geht: Erst
verliert Fabian seinen Job in der Agentur, dann
entscheidet sich Cornelia für den großen Traum
der Filmkarriere und damit gegen ihn. Eines Ta-
ges ist dann auch Labude verschwunden und
Fabian beginnt, seine distanzierte Haltung infra-
ge zu stellen.
Eine Wucht und ein sinnlich-
intellektuelles Vergnügen!
Furios und formvollendet inszeniert Graf den
1931 entstandenen, erst 2013 unzensiert unter
dem ursprünglichen Titel „Der Gang vor die Hun-
de“ veröffentlichten Roman von Erich Kästner,
der darin den moralischen Verfall der Gesellschaft
beschrieb. Der Film bleibt nah an der Vorlage, bis
zu ganzen Dialogen und kommentierenden Passa-
gen aus dem Off, vor allem aber findet er eine ad-
äquate Ästhetik für Kästners Sprache, die das
Publikum mit einer präzise komponierten Kako-
phonie aus Bild- und Tonebenen hineinbugsiert in
das brodelnde, aufreibende Leben im Berlin der
Weimarer Ära, das so gar nichts Verstaubtes hat,
auch dank eines sehr lässig agierenden Tom Schil-
ling in der Titelrolle. Graf interessiert sich dabei
nicht für den Mythos der Goldenen Zwanziger,
sondern zeigt die Hinterhöfe des Kleinbürger-
tums, den Dreck und das Durchlavieren. Eine
Wucht und ein sinnlich-intellektuelles
Vergnügen! jg

3
→  ab

12.8.
Regie
Franziska Stünkel
Filmographie
Filmdebüt
Drehbuch
Franziska Stünkel
Darsteller
Lars Eidinger
Luise Heyer
Devid Striesow
Kamera
Nikolai von Graevenitz
Musik
Karim Sebastian Elias
Länge
116 min.

Nahschuss
D 2020 

Regisseurin und Drehbuchautorin Franziska Stünkel wirft

mit Hilfe eines bis in die Nebenrollen stark besetzten
Ensembles einen Blick in einen der dunkelsten Abgründe
der DDR-Geschichte.

Franz Walter versteht sich als Mann der Wissen-
schaft. Umso mehr ist er für das Angebot empfäng-
lich, das ihm mit Abschluss seiner Promotion un-
terbreitet wird. In Aussicht steht eine Professur an
der Humboldt-Uni mit nur einer zuvor abzuleisten-
den patriotischen Verpflichtung: Er soll für den
Auslandsnachrichtendienst der DDR Republik-
flüchtlinge, speziell aus dem Bereich Fußball, dem
Walter selbst zugetan ist, bespitzeln und zur Um-
kehr bewegen – mit allen Mitteln. Zunächst ge-
nießt er mit Freundin Corina die daraus erwach-
senden Privilegien, arbeitet vertrauensvoll mit dem
geschmeidigen Führungsoffizier Dirk Hartmann
zusammen. Doch nach und nach verfängt er sich in
den Prozessen, die den Geheimdienst eines Un-
rechtssystems eben ausmachen – im Namen und
zur Erhaltung des Staates wird intrigiert, manipu-
liert, erpresst und in den Selbstmord getrieben.
... ein tiefer Einblick in
die Machtstrukturen eines
autoritären Staates
Geschockt findet Walter seine Prinzipien wie-
der, will aussteigen und endlich ans Professoren-
pult. Doch längst hat er das Misstrauen der
Kollegen geweckt, gerät ins Fadenkreuz der Über-
wachung und wegen Spionage und Fahnenflucht
vor Gericht. Obwohl die nachweisbaren Vergehen
gering sind, geht es plötzlich um Leben und Tod.
Lars Eidinger steht ganz im Zentrum von Fran-
ziska Stünkels Regiedebüt, das ein in der Öffent-
lichkeit vernachlässigtes Thema aufgreift. Bis in
die Achtzigerjahre wurde die Todesstrafe (durch
den unerwarteten Nahschuss) in der DDR vollzo-
gen, Stasi-Hauptmann Werner Teske, dessen Ge-
schichte hier als Vorbild dient, war 1981 der letzte,
an dem die Leipziger Justizvollzugsanstalt den
Tötungsbefehl vollstreckte. Während Eidinger
das Dilemma des Betroffenen von der anfängli-
chen Euphorie bis zur abschließenden Todesangst
mit großer Mimik und Sprache spiegelt, sind es in
der Geschichte die kleinen Momente, die beson-
ders tief greifen. Wenn Franz’ regimekritischer
Vater knapp feststellt, dass es an ein Wunder
grenze, in diesem Alter das Angebot einer Profes-
sur zu erhalten. Wenn wir der Abkanzelung seines
akademischen Berufswunsches durch den Vorge-
setzten Wagner folgen oder der resignativen Ver-
teidigung seines Anwalts vor Gericht, dann ge-
lingt ein tiefer Einblick in die Machtstrukturen
eines autoritären Staates. ll

4
 →  ab

19.8.
Regie
Emerald Fennell
Filmographie
Debüt
Drehbuch
Emerald Fennell
Darsteller
Carey Mulligan
Bo Burnham
Alison Brie
Adam Brody
Laverne Cox
Kamera
Benjamin Kracun
Musik
Anthony Willis

Promising Young Woman

Länge
114 min.

GB 2020 

Eine fiese Rachekomödie in Pink: Eine junge Frau zahlt es

übergriffigen Aufreißertypen heim.

Cassandra (Carey Mulligan), die alle nur Cassie
nennen, hat ihr Leben nicht im Griff. Sturzbe-
trunken hängt sie im Club auf einer Sitzbank,
sucht verzweifelt ihr Handy, eine Gruppe Yuppie-
Typen beobachtet sie von der Bar, es fallen sexis-
tische Kommentare. Einer von ihnen, Jerry (Adam
Brody), erbarmt sich schließlich und bietet ihr
an, sie im Taxi nach Hause zu bringen. Im Wagen
fragt er dann, ob sie nicht noch auf ein Bier zu ihm
kommen wolle, sie landet kaum bei Bewusstsein
in seinem Bett, wo er die Gelegenheit nutzt, ihr
an die Wäsche zu gehen, ignoriert ihre lauter wer-
denden „Nein“. Plötzlich ist sie hellwach und fragt
ihn völlig nüchtern, was er da macht. Sie hat den
Typen in eine Falle gelockt, alles nur vorgespielt.
Cassie hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf-
dringliche Macker bloßzustellen. Jedes Wochen-
ende zieht sie los und wird immer wieder in ihrem
Männerbild bestätigt. Mit jedem Fall wächst ihre
Strichliste. Bis sie ihren alten Schulfreund Ryan
(Bo Burnham) wiedertrifft und ihre Haltung ins
Wanken gerät.
Der Titel von Emerald Fennells Film ist doppel-
deutig, „vielversprechend“ sind junge Frauen zwar
auch, was ihre persönliche und berufliche Ent-
wicklung angeht, vor allem aber als verfügbare
Objekte männlicher Begierde. Das war Cassie
offensichtlich auch mal, sie hatte an einer Elite­
uni studiert, die Welt stand ihr offen. Dann warf
sie ein traumatisches Ereignis aus der Bahn, nun
lebt sie mit 30 wieder bei den Eltern und jobbt als
Kellnerin, ist zynisch und verschlossen.
Mit jedem Fall wächst ihre
Strichliste
In ihrem Regiedebüt, bekannt wurde Fennell
zuvor als Schauspielerin, etwa in der Netflixse-
rie „The Crown“ über das britische Königshaus,
gelingt ihr eine Gratwanderung zwischen bit-
terböser Rachesatire, kämpferischer weiblicher
Selbstbehauptung und einer ernsthaften Ausei-
nandersetzung über Sexismus und #MeToo. Fen-
nell inszeniert das als poppig-ätzenden Filmbon-
bon mit einer brillant-furiosen Carey Mulligan
in der Hauptrolle und einer hakenschlagenden
Handlung, bei der sich wirklich niemand sicher
sein kann, wohin es sich entwickelt. PROMISING
YOUNG WOMAN und die Macherinnen werden
völlig zu Recht gefeiert und mit Preisen ausge-
zeichnet, gekrönt von einem Oscar für das beste
Drehbuch. jg

5
→  ab

26.8.
Regie
Torsten Körner
Filmographie
2021 Schwarze Adler
2020 Die Unbeugsamen
2019 Palast der
Gespenster
2017 Drei Tage
2016 Angela Merkel
– Die Unerwartete im
September
Drehbuch
Torsten Körner
Darsteller
Politikerinnen der
Bonner Republik
Kamera

Die Unbeugsamen
Johannes Imdahl
Claire Jahn
Musik
Stefan Döring D 2020 
Länge
99 min. „Männer haben Angst, dass Frauen sie auslachen. Frauen
haben Angst, dass Männer sie umbringen.“ Eine
Beobachtung der kanadischen Autorin Margret Atwood

Dies zur Einstimmung auf Torsten Körners Doku-
mentarfilm, gedreht in Bonn, wohin er westdeut-
sche Politikerinnen einlud, die in der “Bonner
Republik“ in wichtigen Parteiämtern arbeiteten
und größtenteils auch Mitglieder des Bundestags
waren. Sie waren jung, gehörten unterschiedli-
chen Parteien an, hatten unterschiedliche politi-
sche Ziele und kämpften deutlich denselben poli-
tischen Kampf gegen Hochmut, Diskriminierung
und offenen Hass in einem herablassenden Her-
renclub namens Parlament der Bundesrepublik
Deutschland. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um
die DDR. Der Dokumentarfilm kommt vielleicht
noch. Ihre Erinnerungen und die Archivaufnah-
men ergeben eine Chronik der westdeutschen
Politik der 50er-Jahre bis 1997 – bis zur parlamen-
tarischen Debatte über die Wehrmachtsausstel-
lung, in der Schily (SPD) die Stimme versagte und
Christa Nickels (Grüne) über ihren SS-Vater
sprach und die Bleidecke über der Vergangenheit
anprangerte. Die Einteilung in verschiedene Ka-
pitel – u. a. Rebellinnen, Leviten, Krieg und Frie-
den oder Lovely Rita – macht neugierig, struktu-
riert. Petra Kelly, die ermordet wurde, und
Hannelore Kohl, die sich umbrachte, ist ein ge-
meinsames Kapitel gewidmet. Bereits der
Vorspann zeigt ein historisches Dokument erster
Güte: Die explizite Frauenrechtlerin Marie Elisa-
beth Lüders (FDP), die 1912 als erste Frau in
Deutschland zur Dr. rer. pol. promovierte und ab
1933 Berufsverbot hatte, wurde 1958, an ihrem 80.
Geburtstag, zur Gleichberechtigung befragt:
„Wenn die Leute nicht weiterkämpfen, dann wer-
den sie das, was sie haben, wieder verlieren.“
... einem herablassenden
Herrenclub namens Parlament
der Bundesrepublik Deutschland
Herzzerreißend sind die Erinnerungen der
Frauen, doch wildes Herzstück des Films ist die
inzwischen legendäre Rede von Waltraud Schop-
pe (Grüne) am 5. Mai 1983. Sie forderte u. a. ein
Gesetz gegen Vergewaltigung in der Ehe und
stand einem tobenden Bundestag gegenüber.
Staunen, was damals möglich war. Die Vereidi-
gung der jungen Angela Merkel als Bundeskanz-
lerin (22. November 2005) war selbstverständlich
mehr als der Anbruch der Morgenröte. Aber reicht
das? „Oder leben wir morgen bald wieder wie vor-
gestern?“ (Annemirl Bauer, 1988). Hingehen, an-
sehen, nachdenken. Diskutieren. Oder? ges

6
 D I E P R E I S G E K R Ö N T E V E R F I L M U N G V O N P H I L I P P S TÖ L Z L ( „ D E R M E D I C U S “ )

AB 23. SEPTEMBER IM KINO

 →  ab

26.8.
Regie
Florian Zeller
Filmographie
Filmdebüt
Drehbuch
Florian Zeller
Christopher Hampton
Darsteller
Anthony Hopkins
Olivia Colman
Mark Gatiss
Imogen Poots
Rufus Sewell
Olivia Williams
Kamera
Ben Smithard

The Father
Musik
Ludovico Einaudi
Länge
97 min.
GB 2020 The Father

Regisseur Florian Zeller führt uns mit Hilfe des grandiosen

Anthony Hopkins so ungewöhnlich wie einfühlsam in den
abgründigen Irrgarten eines an die Demenz verloren
gehenden Verstandes.

Für einen 83-Jährigen ist Anthony doch bestens in
Form. Körperlich auf der Höhe, kulturell interes-
siert, eloquent, stolz und selbstbewusst, wie man
es von einem gestandenen, lebenserfahrenen
Mann dieses Alters nur erhoffen kann. Ein biss-
chen vergesslich halt. Umso irritierender für ihn,
dass Tochter Anne immer wieder mit Pflegekräf-
ten ankommt, die er früher oder später aus seiner
Wohnung zu jagen pflegt. Aus seiner Wohnung?
War er nicht vorübergehend bei Anne eingezogen,
obwohl sie doch ihr Liebes- und Lebensglück in
Paris suchen wollte? Und wieso sitzt ihr Ehemann
Paul im Wohnzimmer und behauptet, ebenfalls in
seiner oder ihrer Wohnung zu leben – die beiden
sind doch schon lange geschieden. Irgendetwas
gerät für Anthony völlig aus den Fugen. Was eben
noch klar erschien, grenzt im nächsten Moment
an Absurdität, nichts ist, wie es scheint. Oder an-
dersherum! Vielleicht sollte er der neuen Pflege-
kraft Laura, die ihn an seine Lieblingstochter
Lucy erinnert, doch eine Chance geben. Doch die
Frau, die dann auftaucht, ist gar nicht Laura. Auf
Anthonys radikale Ablehnung aller überflüssigen
Hilfsangebote folgen erste Zweifel, er versucht,
die sich ändernden Umstände seines Lebens zu
begreifen und zu ordnen, aber die Dinge wollen
einfach nicht mehr zusammenpassen und entzie-
hen sich seinem Zugriff.
... nichts ist, wie es scheint.
Oder andersherum!
Was Anthony Hopkins in dem auf dessen The-
aterstück basierenden Kinodebüt Florian Zellers
leistet, ist nichts weniger als die Binnenansicht
eines Denkens, eines Verstandes in Auflösung.
Wir erleben die Stadien seiner unaufhaltsam fort-
schreitenden Demenz ausschließlich durch seine
Augen, seine Verwunderung und seine Selbstent-
fremdung. Gemeinsam mit der ebenfalls heraus-
ragend aufspielenden Olivia Colman als aufopfe-
rungsvoller Tochter Anne begleiten wir den völlig
zu Recht erneut mit einem Oscar® ausgezeichne-
ten Anthony Hopkins an den beängstigenden
Abgrund des vollständigen Identitätsverlustes, an
dem die entscheidende Frage nur noch stotternd
hervorgebracht werden kann: „And who ... hmm ...
who actually am I?“ Großes Kino als – brillant ge-
filmtes – Kammerspiel eines Verschwindenden,
das einen verstörenden Einblick in das Unbegreif-
liche der Demenz gibt.
ll

9
→  ab

26.8.
Regie
Sonia Liza Kenterman
Filmographie
Kinodebüt
Drehbuch
Sonia Liza Kenterman
Tracy Sunderland
Darsteller
Dimitris Imellos
Tamila Koulieva
Thanasis Papageorgiou
Stathis Stamoulakatos
Dafni Michopoulou
Kamera

Der Hochzeitsschneider
George Michelis
Musik

von Athen
Nikos Kypourgos
Länge
100 min.
D/B/GR 2020 Raftis

Eine männliche Selbstfindung als liebenswerte Komödie mit

Stil und Pfiff – und mit einem kleinen Touch von surrealem
Humor, der zugleich an Buster Keaton und Mr. Bean erinnert.

Nikos geht auf in seinem Beruf als Herrenschnei-
der, den er mit akribischer Leidenschaft betreibt,
obwohl ihm inzwischen die Kunden ausgegangen
sind. Die Wirtschaftskrise hat ihn hart getroffen.
Jetzt sitzt er auf einem Berg von Schulden, sein
Vater muss ins Krankenhaus, und Nikos braucht
dringend einen neuen Plan. Er baut sich ein Wä-
gelchen, mit dem er über die Märkte zieht, um
Maßanzüge zu verkaufen. Vergeblich – kein Mann
scheint sich noch einen Anzug leisten zu können,
stattdessen sind preiswerte Hochzeitskleider ge-
fragt. Nikos hat weder von Frauen noch von ihrer
Kleidung irgendeine Ahnung, doch mit Unterstüt-
zung seiner patenten Nachbarin Olga beginnt
Nikos damit, Brautkleider zu entwerfen und zu
nähen. Das neue Business wird ein großer Erfolg,
Nikos und Olga kommen sich näher, aber da ist
auch noch Olgas Ehemann …
Nikos hat weder von Frauen
noch von ihrer Kleidung
irgendeine Ahnung
Die Geschichte vom Einzelgänger, der sein Le-
ben neu sortieren muss, ist auf den ersten Blick
unspektakulär, doch sie entwickelt von Minute zu
Minute mehr Charme. Nikos, der ein bisschen so
aussieht wie der Enkel von Buster Keaton und sich
benimmt wie der griechische Cousin von Mr. Bean,
ist ein vollkommener Gentleman, aber extrem
schüchtern. Erst sein neues Betätigungsfeld bringt
Farbe und Leben in den grau-blauen Maßkonfekti-
onsalltag, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes,
denn mit dem Einstieg in die Damenkonfektion
wird es um Nikos herum bunt, lustig und lebendig.
Dimitris Imellos spielt ebenso komisch wie sensibel
den sympathischen Außenseiter, der selbstver-
ständlich im frisch gebügelten Arbeitskittel auf
den Schrottplatz geht. Tamila Koulieva ist die
Olga: eine intelligente, herzliche Frau mit vielen
Fähigkeiten, deren feenhafte Eleganz im Wider-
spruch zur plumpen Grobschlächtigkeit ihres Man-
nes steht. Nikos’ Sehnsüchte und Gefühle werden
von Sonia Liza Kenterman zu kleinen, surrealisti-
schen Details verpackt, die über den Film verstreut
sind wie die Spitzenblümchen über Nikos’ Hoch-
zeitskleidern, manchmal als visuelle Irritationen,
manchmal als hübsche Mini-Gags. Sie sind das i-
Tüpfelchen in dieser einfallsreichen, beschwingten
Romanze über einen Mann, der sich nicht unter-
kriegen lassen will.
sic!

10
 MADS NIKOLAJ ANDREA HEICK LARS NICOLAS
MIKKELSEN LIE KAAS GADEBERG BRYGMANN BRO

HELDEN DER
WAHRSCHEINLICHKEIT
RIDERS OF JUSTICE
Kriegsveteran arbe itslos er
187 Mathematiker
Hacker und
Therapie stunden Opfer ei ne s Hornbläser
A ns chla g s

DER NR.1-KINOH
IT AUS DÄNEMARK
VON ANDERS THOM
AS JENSEN
(„ADAMS ÄPFEL“)

★★★★★
„Voller verdrehter Logik und köstlichem schwarzen Humor!“ VARIETY

„Ein Meisterwerk!“ SOUNDVENUE

ZENTROPA ENTERTAINMENTS3 PRESENTS “RIDERS OF JUSTICE” A FILM BY ANDERS THOMAS JENSEN STARRING MADS MIKKELSEN, NIKOLAJ LIE KAAS, ANDREA HEICK GADEBERG, LARS BRYGMANN, NICOLAS BRO, GUSTAV LINDH AND ROLAND MØLLER SCREENPLAY DIRECTOR ANDERS THOMAS JENSEN PRODUCERS SISSE GRAUM JØRGENSEN SIDSEL HYBSCHMANN
& &

DIRECTOR OF PHOTOGRAPHY KASPER TUXEN DFF EDITORS NICOLAJ MONBERG ANDERS ALBJERG KRISTIANSEN PRODUCTION DESIGNER NIKOLAJ DANIELSEN COMPOSER JEPPE KAAS SOUND DESIGNER EDDIE SIMONSEN KEY MAKE-UP DESIGNER LOUISE HAUBERG LOHMANN COSTUME DESIGNER VIBE KNOBLAUCH HEDEDAM LINE PRODUCER KAREN BENTZON PRODUCED BY ZENTROPA ENTERTAINMENTS3
&

IN CO-PRODUCTION WITH FILM I VÄST ZENTROPA SWEDEN WITH SUPPORT FROM DANISH FILM INSTITUTE, FILMFYN, NORDISK FILM TV FOND, THE SWEDISH FILM INSTITUTE IN CO-OPERATION WITH NORDISK FILM DISTRIBUTION A/S, YOUSEE, TV 2 DANMARK, SVT, YLE MEDIA PROGRAMME OF THE EUROPEAN UNION INTERNATIONAL SALES BY TRUSTNORDISK
& & &

© 2020 ZENTROPA ENTERTAINMENTS3 APS & ZENTROPA SWEDEN AB.

AB 23.09.2021 IM KINO
 EIN LEIDENSCHAFTLICHER FILM ÜBER DEN MUT ZUR VERÄNDERUNG

EINE KOMÖDIE VON

SONIA LIZA KENTERMAN

AB 26.08.2021 IM KINO
DIMITRIS TAMILA THANASIS STATHIS DAPHNE
IMELLOS KOULIEVA PAPAGEORGIOU STAMOULAKATOS MICHOPOULOU
PLUTO FILM DISTRIBUTION PRÄSENTIERT EINE PRODUKTION VON ARGONAUTS PRODUCTIONS S.A. ELEMAG PICTURES MADE IN GERMANY IOTA PRODUCTION IN KOPRODUKTION MIT ERT S.A. MAGELLAN FILMS ATALANTE PRODUCTIONS MIT DER FINANZIELLEN UNTERSTÜTZUNG VON EURIMAGES GREEK FILM CENTRE
EKOME S.A. MITTELDEUTSCHE MEDIENFÖRDERUNG FILM- UND MEDIENSTIFTUNG NRW CENTRE DU CINÉMA ET DE L’AUDIOVISUEL DE LA FÉDÉRATION WALLONIE-BRUXELLES TAX SHELTER OF THE BELGIAN FEDERAL GOVERNMENT MEDIA CREATIVE EUROPE
MAKE-UP ARTIST CLAUDIA GOETZ KOSTÜMDESIGN JULIE LEBRUN KÜNSTLERISCHE LEITUNG PINELOPI VALTI DAPHNE KOUTRA SOUND DESIGN PERSEFONI MILIOU TONMISCHUNG PHILIPPE CHARBONNEL TON DINOS KITTOU ORIGINALMUSIK NIKOS KYPOURGOS SCHNITT DIMITRIS PEPONIS KAMERA GEORGE MICHELIS GSC
AUSFÜHRENDE PRODUZENTEN FENIA COSSOVITSA KNUT LOSEN GEORGE KOLOVOS GERRY RANGLAS CAROL VASSILIADIS PAUL & ALEXIA ANAS MARY PAPPAS ANGIE SAVVAS FAYE MELLOS & PHILLIP C PETER KOPRODUZENTEN SAMUEL FELLER SONIA LIZA KENTERMAN
AUSFÜHRENDE PRODUZENTEN PANOS PAPAHADZIS PRODUZENTEN IOANNA BOLOMYTI TANJA GEORGIEVA-WALDHAUER MELANIE ANDERNACH ISABELLE TRUC DREHBUCH SONIA LIZA KENTERMAN TRACY SUNDERLAND REGIE SONIA LIZA KENTERMAN IM VERLEIH VON NEUE VISIONEN FILMVERLEIH

MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG VON

 →  ab

9.9.
Regie
Pierre Pinaud
Filmographie
2012 Sag, dass du
mich liebst
Drehbuch
Pierre Pinaud
Fadette Drouard
Darsteller
Catherine Frot
Melan Omerta
Fatsah Bouyahmed
Olivia Côte
Marie Petiot

Der Rosengarten von

Vincent Dedienne
Kamera
Guillaume Deffontaines

Madame Vernet Musik

Mathieu Lamboley
Länge
F 2020 La fine fleur 95 min.

Berauschend schöne Bilder, toll gezeichnete Charaktere

und dazu Dialoge mit Charme und Witz. Und wer jetzt auf
eine französische Komödie tippt, hat schon gewonnen!

Die Handlung beginnt auf einem Rosenfestival in
Paris: Madame Vernet ist wieder dabei, denn es
geht um den begehrtesten Preis für Rosenzüchter
weltweit: die Goldene Rose. Doch schon wieder
bleibt Eve Vernet glücklos, die Auszeichnung geht
an Constantin Lamarzelle, einen Konkurrenten,
der es gar nicht abwarten kann, dass Madame
pleitegeht. Dazu fehlt nicht mehr viel, demnächst
droht die Insolvenz. Nur ihre Assistentin Vera ist
geblieben, und die engagiert kurzerhand drei ar-
beitsamtsgeförderte Ex-Knackis, die bei Madame
Vernet mitarbeiten sollen. Die Einzelkämpferin
Eve ist skeptisch. Obdachlos und kriminell ist ja
schon schlimm genug, aber dass die drei so gar
nichts über Gartenarbeit wissen, macht ihr echte
Probleme. Als sie jedoch erfährt, dass ihr neues
Team über fundierte Kenntnisse in Sachen Ein-
bruch und Diebstahl verfügt, wird sie hellhörig …
... eine verschworene
Gemeinschaft, die trickreich
ums Überleben kämpft
Ha, reingefallen! Denn wer jetzt auf eine Kri-
mihandlung tippt, hat verloren, auch wenn auf
dem Gelände der Konkurrenz eindeutig eine
Straftat stattfinden wird. Darum geht es aber
nicht. Viel wichtiger ist Eve Vernets Kampf um
das Erbe ihres Vaters gegen den Rosen-Schnösel
Lamarzelle, dessen Unternehmen so etwas wie
Amazon für Blumen darstellt. Aus Vera, Eve und
den drei Neuen wird nach und nach eine ver-
schworene Gemeinschaft, die trickreich ums
Überleben kämpft. Catherine Frot bezaubert als
Pfeifchen schmauchende Rosenzüchterin, die ihr
Herz für Menschen entdeckt. Ihre wackere Assis-
tentin Vera spielt Olivia Côte als treu ergebenes
Faktotum. Melan Omerta spielt hinreißend gut
den rotzigen Junggangster Fred – und vielleicht
sehen wir hier einen künftigen Star. Fatsah Bou-
yahmed will als Samir kein Loser mehr sein, und
Marie Petiot als scheue, ängstliche Nadège entwi-
ckelt immer mehr Mut. Pierre Pinaud inszeniert
seinen Gute-Laune-Film mit leichter Hand und
erzählt mit schöner Beiläufigkeit, unterstützt von
einem heiter sanften Soundtrack. Zusätzlich bie-
tet er eine Menge Infos über die Rosenzucht inklu-
sive rauschhafter Bilder von Rosen in allen Nuan-
cen. Am Ende gibt es noch ein bisschen was fürs
Gemüt, aber so gehört sich das auch in der roman-
tischen Welt der Blumen.
sic!

13
→  ab

9.9.
Regie
Johannes Naber
Filmographie
2016 Das kalte Herz
2014 Zeit der Kannibalen
2010 Der Albaner
Drehbuch
Oliver Keidel
Johannes Naber
Darsteller
Sebastian Blomberg
Dar Salim
Virginia Kull
Thorsten Merten

Wir machen die Wahrheit

Michael Wittenborn
Kamera
Sten Mende
Musik
Johannes Naber
Länge
– Curveball
109 min.
D 2020 

„Aber was wären wir ohne das Ringen um Wahrheit?“,

fragt Johannes Naber zu Beginn seiner unwahrscheinlichen
Geschichtsstunde. Und dann ringt er – erhellend und
unterhaltsam gleichermaßen.

Jahrelang war Arndt Wolf als Biowaffenexperte
für den BND im Irak, und nicht nur wegen seiner
Affäre mit der CIA-Agentin Leslie wäre er dort
gern geblieben. Doch beide Abenteuer enden. Bis
Wolf in der Heimat von seinem kanzleramtsaffi-
nen Vorgesetzten Schatz zu einem ungewöhnli-
chen Fall hinzugezogen wird. Er soll Führungsof-
fizier des irakischen Asylbewerbers Rafid Alwan
werden. Alwan outete sich nämlich als Ingenieur
in Saddam Husseins dringend gesuchter Biowaf-
fenfabrik, will jedoch weitere Informationen nur
bei anständigen Gegenleistungen offenbaren.
Das Nachrichtengeschäft kommt in Gang, Alwan
alias Curveball enthüllt alles, was Wolf und ande-
re Experten schon längst öffentlich vermutet
hatten. Der Irak produziere Anthrax auf mobilen
Fabrikeinheiten – auf Lastwagen. Die Beweise
bleiben freilich dünn, denn nach gründlicher Re-
cherche stellt sich die Geschichte als Humbug
heraus. Doch da hat der BND den sensationellen
Geheimdiensterfolg bereits weitergegeben, den
seltenen Vorsprung vor der CIA groß gefeiert und
beschämt darauf verzichtet, eine Burn Notice
herauszugeben. Da die Amerikaner solche „Fak-
ten“ 2003 als Rechtfertigung für den Einmarsch
in den Irak brauchen, bleibt die inzwischen allen
bekannte Lüge Wahrheit und verändert Wolf und
Welt.
… die inzwischen allen bekannte
Lüge bleibt Wahrheit
Johannes Nabers satirisch verkleidete Geheim-
dienstkritik lässt einem das Lachen im Halse ste-
ckenbleiben, wenn man sich an die peinliche Rede
des US-Außenministers Colin Powell vor dem Si-
cherheitsrat der Vereinten Nationen im Jahr 2003
erinnert, in der unscharfe Bilder von Lkws den
Kriegsbeginn rechtfertigten. Was hier wie eine
groteske Verschwörungstheorie erscheint, folgt
der wahren Geschichte um den Informanten Rafid
Ahmed Alwan Dschanabi, dessen Aussagen erst
dem BND zur Selbstdarstellung, dann der Bush-
Regierung für ihre Zwecke dienten, nachdem sie
als Unwahrheiten identifiziert worden waren. Na-
ber aber ringt um eine Wahrheit, die ganz nebenbei
auch das heroische I am not convinced des mutigen
Außenministers Joschka Fischer relativiert. Was
wäre, hätte er Herrn Rumsfeld damals auch noch
diesen Kausalzusammenhang entgegengeschleu-
dert: Weil wir an der Erfindung dieses Unfugs
maßgeblich beteiligt waren. ll

14
 →  ab

16.9.
Regie
Daniel Sager
Filmographie
2015 The long distance
2013 Licht und Schatten
Drehbuch
Marc Bauder
Daniel Sager
Darsteller
Bastian Obermayer
Frederik Obermaier
Edward Snowden
Kamera
Börres Weiffenbach
Daniel Sager
Anne Misselwitz
Frank Marten Pfeiffer

Hinter den Schlagzeilen Musik

Hannah von Hübbenet
John Gürtler
D 2021 Behind the headlines Länge
90 min.
Die Dokumentation begleitet Journalisten der
Süddeutschen Zeitung bei spannenden Recherchen zu
Panama Papers, geheimen Waffen-Deals und der Ibiza-
Affäre, die Österreichs Regierung stürzte.

Das Leben von Journalisten ist aufregend, ab-
wechslungsreich, aber auch hin und wieder sehr
gefährlich. Bastian Obermayer, Ressortleiter In-
vestigative Recherche der Süddeutschen Zeitung,
und sein Stellvertreter Frederik Obermaier neh-
men uns mit hinein in den Alltag der professionel-
len Aufklärer. Beim geheimen Treffen mit Whist-
leblower Edward Snowden wird die erfolgreiche
Veröffentlichung zu den Panama Papers bezüglich
weltweiter Steuerdelikte besprochen. Wenig spä-
ter reisen Obermayer und Obermaier nach Malta,
wo Star-Journalistin Daphne Caruana Galizia
wohl wegen ihrer Beteiligung an den Recherchen
ermordet wurde. Am Tatort wird den SZ-Journa-
listen die Gefahr ihrer Arbeit bewusst.
Eine spannende und akribische
Spurensuche macht diesen Fall
zum realen Polit-Thriller
Ein Treffen mit einem Informanten anlässlich
geheimer Waffendeals entpuppt sich als wenig
aufschlussreich. Doch dann gelangen die Aufklä-
rer an ein Video mit belastendem Material zu
Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Stra-
che. Die Aufnahmen belegen dessen Bereitschaft
zu Korruption, unerlaubter Einflussnahme auf
Medienorgane und die Umgehung des Gesetzes
zur Parteienfinanzierung. Über die sogenannte
Ibiza-Affäre wird der Politiker im Mai 2019 sein
Amt verlieren und Österreichs Regierung zerbre-
chen. Eine spannende und akribische Spurensu-
che macht diesen Fall zum realen Polit-Thriller.
Regisseur Daniel Sager und seinem Mitautor Marc
Bauder ist eine höchst interessante Dokumentation
über die enorme Wichtigkeit des Journalisten-Berufs
gelungen. Das Team der SZ-Detektive begegnet mit
strenger Faktenprüfung und juristischer Detailarbeit
sehr anschaulich potentiellen Fake-News-Anschuldi-
gungen. Dass die Süddeutsche Zeitung erstmals
Einblicke in die Arbeit der Investigativ-Rechercheure
erlaubt, ist für die Zuschauer ein großer Gewinn. Bei
geheimen Verabredungen in Hotelzimmern und Kri-
senstäben des Redaktionsteams entsteht holly-
woodreife Dramatik. Trotzdem behält der Film einen
ruhigen Ton und verliert die Nüchternheit der Re-
cherche-Arbeit nicht aus dem Blick. Mit unerschüt-
terlicher Gelassenheit und gutem Gespür für große
Geschichten geben Obermayer und Obermaier dem
Investigativ-Journalismus ein sympathisches Ge-
sicht. Sie werben in schwierigen Zeiten für einen
unersetzlichen Beruf. sb

15
→  ab

16.9.
Regie
Christian Schwochow
Filmographie
2019 Deutschstunde
2016 Paula
2016 Die Täter – Heute
ist nicht alle Tage
2013 Westen
2011 Die Unsichtbare
Drehbuch
Thomas Wendrich
Darsteller
Luna Wedler
Jannis Niewöhner
Milan Peschel
Kamera
Frank Lamm
Musik
Tom Hodge & Floex
Max Rieger
Je suis Karl
Länge
D/CS 2021 
126 min.
Regisseur Christian Schwochow und Autor Thomas Wendrich
entwerfen das Szenario einer rechten europaweiten Revolution,
das vor allem eines ist – gar nicht so weit hergeholt.

Eben noch haben Alex Baier und seine Frau Inès
den geflüchteten Yusuf über die Grenze ins Land
geholt, da fliegt ihr eigenes Leben in die Luft. Ein
vermeintlich von Islamisten verübtes Bombenat-
tentat tötet Inès und ihre beiden kleinen Kinder,
während Alex und die erwachsene Tochter Maxi
durch Zufall überleben. Der Verlust wirft beide
aus der Bahn und stellt alle bisherigen Gewisshei-
ten in Frage. Da taucht der smarte, einfühlsame
Nationaleuropäer Karl auf und hält für alle Fra-
gen und ungewohnten Ängste Maxis verführeri-
sche Antworten bereit. Schnell lässt sie sich über-
zeugen, an einer internationalen Tagung dieser
jungen Bewegung in Prag teilzunehmen, die sich
als hip verkleidetes, straff organisiertes Netzwerk
rechter Revolutionäre entpuppt.
… ein hip verkleidetes, straff
organisiertes Netzwerk rechter
Revolutionäre
Karl erkennt die Möglichkeit, Maxis Opferstatus
emotional aufrührerisch für die große Sache aus-
zubeuten, holt sie auf die Bühne und zündet dazu
im Hintergrund den Funken, der das liberale, alte
Europa in Flammen stecken soll. Von ihrer
Zuneigung zu Karl geblendet, entdeckt Maxi zu
spät die Menschenverachtung hinter den Masken
ihrer neuen Freunde, die eben noch flott plaudern-
de Influencer oder Polit-Popstars zu sein schienen.
Regisseur Christian Schwochow und Drehbuchau-
tor Thomas Wendrich erzählen eine sehr aktuelle
Geschichte über die neue Rechte – medial geschult,
ideologiefest gebildet, mehrsprachig radikal, ad-
rett und europaweit vernetzt. Gleichzeitig erzählen
sie von Manipulation und Verführbarkeit als Ge-
genspieler demokratischer (Selbst-)Verständi-
gungsprozesse, nicht nur im Augenblick des per-
sönlichen Verlustschmerzes, der Maxis politischen
Orientierungssinn beeinträchtigt hat, sondern in
Zeiten wachsender Desorientierung und Überfor-
derung. JE SUIS KARL will die rechtspopulisti-
schen Auswüchse in Europa als Einfallstor zur
denkbaren Machtergreifung enttarnen und ver-
steckt seine Absichten dabei nicht hinter allzu
subtiler Herangehensweise. Aber warum auch?
Nicht zuletzt wegen der beiden überzeugenden
Hauptdarsteller Luna Wedler und Jannis Niewöh-
ner sowie einem herausragenden, cleveren Sound-
track bleibt nach den gut zwei Filmstunden ein
beunruhigendes Unbehagen, das vielleicht hier und
da ein wenig die Sinne schärft. ll

16
 OSCAR® PREISTRÄGER OSCAR® PREISTRÄGERIN

ANTHONY HOPKINS O L I V I A CO L M A N

★★★★★
Th e Ti m e s

„HERAUSRAGEND.
SICHERLICH EINE DER BESTEN
SCHAUSPIELERISCHEN LEISTUNGEN
VON ANTHONY HOPKINS!“
Th e H o l l ywo o d Re po r te r

★★★★
„ATEMBERAUBEND!“
Th e Gu a rdi a n

„HERZ-
ZERREISSEND“
Th e Ti m e s

„GRANDIOS …
OLIVIA COLMAN
IST EINE
WUCHT!“
S c re e n D a i l y

2
AUSGEZEICHNET MIT

OSCARS
®
A.M.P.A.S.®

BESTER HAUPTDARSTELLER
BESTES ADAPTIERTES DREHBUCH

MARK GATISS IMOGEN POOTS RUFUS SEWELL OLIVIA WILLIAMS

EIN FILM VON FLORIAN ZELLER

NACH SEINEM PREISGEKRÖNTEN T H E AT E R ST Ü C K

www.TheFather.de
COPYRIGHT © NEW ZEALAND TRUST CORPORATION AS TRUSTEE FOR ELAROF CHANNEL FOUR TELEVISION CORPORATION TRADEMARK FATHER LIMITED F COMME FILM CINÉ-@ ORANGE STUDIO 2020

AB 26. AUGUST IM KINO

 S T É PH A N I E C A RRE R AS UND PH I LI PPE PUJ O PR ÄS E N T I E RE N

CATHERINE FROT

GÄRTNERN
IST NICHTS
FÜR FEIGLINGE.

EIN FIL M VON

PIERRE PINAUD

AB 09. SEPTEMBER IM KINO

MELAN OMERTA FATSAH BOUYAHMED OLIVIA CÔTE
MARIE PETIOT UND VINCENT DEDIENNE

Helden der Wahrscheinlichkeit
– Riders of Justice
DNK 2020 Riders of Justice
Jensens Helden sind aufrechte Streiter gegen den Zufall
und für den kausalen Sinnzusammenhang. Oder es sind
verkorkste Typen mit riesen Problemen, die gemeinsam
einfach weniger allein sind.
Hätte das Mädchen in Estland doch nur das rote
Fahrrad ausgewählt und nicht ein blaues ge-
wünscht. Dann wäre womöglich Mathildes blaues
Rad nicht gestohlen worden, sie wäre nicht mit der
Mutter in den Zug gestiegen, die wiederum nicht
Ottos Platz übernommen und dadurch bei einer
Karambolage mit einem Güterzug ihr Leben verlo-
ren hätte. So aber kommt Offiziersvater Markus
vom soldatischen Auslandseinsatz nach Hause,
um Mathilde emotional unbewaffnet zur Seite zu
stehen und dabei den direkten Weg in die Verdrän-
gung zu suchen. Otto hingegen, gerade entlasse-
ner Mathematiker mit dem Schwerpunkt auf rech-
nerischen Wahrscheinlichkeiten, sucht – geplagt
vom schlechten Gewissen – nach Kausalitäten, die
der Willkür des Unfalls einen Sinn geben.
Hätte das Mädchen in Estland
doch nur das rote Fahrrad
ausgewählt
Er beginnt zu rechnen und findet Zahlen, die
bekanntermaßen nicht lügen – und sicher kein
Zufall sein können. Mit seinen hochbegabten,
ebenfalls nicht ganz rund laufenden Kollegen Len-
nart und Emmenthaler deckt Otto ein Komplott
19
→  ab
23.9.
Regie
Anders Thomas Jensen
Filmographie
2015 Men & Chicken
2005 Adams Äpfel
2003 Dänische
Delikatessen
2000 Blinkende Lichter
Drehbuch
Anders Thomas Jensen
Darsteller
Mads Mikkelsen
Nikolaj Lie Kaas
Lars Brygmann
Nicolas Bro
Andrea Heick Gadeberg
Kamera
Kasper Tuxen
Musik
Jeppe Kaas
Länge
116 min.
auf, das sie schließlich zu Markus führt. Für den
ergibt sich ein idealer Ausweg aus der überfordern-
den Trauerarbeit – ein Rachefeldzug.
Als schwarze Komödie wird Anders Thomas
Jensens neuester Film angekündigt und natürlich
sind die grotesken Situationen, in die diese wilde
Gruppe psychisch angeknackster Racheengel ein
ums andere Mal gerät, zum Schreien komisch.
Doch Jensens Anliegen geht weit darüber hinaus.
Hier wird feinfühlig über Trauer und Traumatisie-
rung verhandelt, über emotionale Abkapselung
und vernunftgesteuerte Ursachenforschung, über
Gott und den Zufall. Für derlei beunruhigende
Fragen nach dem Sinn des Lebens und dem Unsinn
des Sterbens braucht es natürlich eine ordentliche
Portion Humor, die der Regisseur und Drehbuch-
autor schlau in die Rollen seines vertrauten Casts
schreibt. Den drei Mathematik-Nerds Nikolaj Lie
Kaas, Lars Brygmann und Nicolas Bro gelingt es
dabei brillant, ihre Seltsamlinge mit einer abgrün-
digen Tiefe auszustatten, die einem das Lachen im
Halse steckenbleiben lässt, während Mads Mikkel-
sen Markus’ Sinnsuche mit militärischer Rohheit
schlagfertig ins absolute Nichts führt. Ein berüh-
rendes Drama, das den absurden Humor für die
etwas tiefere Bohrung nutzt. ll
→  ab

23.9.
Regie
Philipp Stölzl
Filmographie
2019 Ich war noch
niemals in New York
2013 Der Medicus
2010 Goethe!
2008 Nordwand
Drehbuch
Eldar Grigorian nach
der Erzählung von
Stefan Zweig
Darsteller
Oliver Masucci
Albrecht Schuch
Birgit Minichmayr
Samuel Finzi

Schachnovelle
Rolf Lassgård
Andreas Lust
Kamera
Thomas W. Kiennast A/D 2020 
Musik
Ingo Ludwig Frenzel
Philipp Stölzl hat sich selbst übertroffen. Mit einem
Länge
107 min. packenden, toll besetzten Drama, das die bekannte
Geschichte neu erzählt – intelligent, elegant und sehr
ergreifend.

1938 in Wien, kurz vor dem deutschen Einmarsch:
Der Notar Dr. Josef Bartok und seine Frau Anna
wollen per Schiff nach New York reisen, um dem
drohenden „Anschluss“ zu entkommen. Anna
fährt voraus, Josef wird in seinem Büro von der
Gestapo verhaftet. Er soll die Konten seiner Man-
danten preisgeben. Bartok lehnt das ab und
kommt in Isolationshaft, die seine Persönlichkeit
brechen soll. Durch Zufall gelangt er an ein
Schachbuch mit klassischen Partien und beginnt,
Schach gegen sich selbst zu spielen. Als ihm das
Buch und seine aus Brot geformten Schachfiguren
weggenommen werden, spielt er weiter. Er flüch-
tet in den Wahnsinn, wird deshalb freigelassen
und reist auf einem Ozeandampfer nach Amerika,
auf dem sich auch der amtierende Schachwelt-
meister befindet. Eine Begegnung am Schachbrett
wird unausweichlich.
Atmosphäre, die sich steigert
und tatsächlich wie ein
Schachspiel funktioniert
Wer die SCHACHNOVELLE und vielleicht den
gleichnamigen Film von 1960 kennt – mit Curd
Jürgens in einer seiner besten Rollen –, erkennt
sofort: Die literarische Vorlage wurde nochmals
umgestaltet. Besonders auffällig ist der dramatur-
gische und strukturelle Umbau der Geschichte. Im
Vordergrund steht Bartoks Haftzeit, nicht die
Schiffsüberfahrt. Mit Hilfe weiterer elegant ge-
löster Veränderungen entwickelt Philipp Stölzl
eine beklemmende Atmosphäre, die sich steigert
und dabei tatsächlich wie ein Schachspiel funkti-
oniert, mit Finten und unerwarteten Wendungen,
die manchmal wie ein Schlag in die Magengrube
kommen. Dr. Bartok, außergewöhnlich präsent
gespielt von Oliver Masucci, wird zu Beginn als
liebenswerter Intellektueller vorgestellt, der mit
seiner Frau Anna (wieder unglaublich gut: Birgit
Minichmayr) glücklich ist. Innerhalb weniger Mi-
nuten bricht seine Welt zusammen. Albrecht
Schuch spielt mit süffisanter Freundlichkeit den
Gestapo-Chef. Wie Bartok versucht, gegen ihn
nicht dem Irrsinn zu verfallen, ist ebenso ein-
drucksvoll wie die weitere Entwicklung, die mit
seiner Freilassung noch lange nicht abgeschlos-
sen ist. Stefan Zweig, so scheint es, hat an den
Sieg des Guten gegen Barbarei und Gewalt ge-
glaubt. Philipp Stölzl verweigert sich einfachen
Lösungen und macht daraus intelligente, ergrei-
fende Filmkunst. Zug um Zug. sic!

20
oder der Gang vor die Hunde
→  ab

30.9.
Regie
Dietrich Brüggemann
Filmographie
2015 Heil
2014 Kreuzweg
2012 3 Zimmer/Küche/
Bad
Drehbuch
Anna Brüggemann
Dietrich Brüggemann
Darsteller
Anna Brüggemann
Alexander Khuon
Isolde Barth
Kamera
Alexander Sass

Nö
Musik

Länge
120 min.
D 2021 

Als ein Paar sein erstes Kind bekommt, gerät das Leben der
jungen Eltern aus den Fugen. Familie und Bekanntenkreis
sind keine große Hilfe beim Taumel durch immer absurdere
Situationen.

Dina und Michael liegen im Bett. Vielleicht soll-
ten wir uns trennen, schlägt er vor. Wir passen
doch so gut zueinander, uns sind dieselben Sachen
egal, entgegnet sie. Also bleibt das Paar zusam-
men und bekommt ein Kind. Doch mit der neuen
Elternrolle werden vorherige familiäre Probleme
nur noch deutlicher. Michaels Vater ist ein hart-
herziger Besserwisser, der selbst auf dem Sterbe-
bett nichts als Verachtung für sein Umfeld übrig
hat. Auch Dinas Mutter, einer erfolgreichen
Künstlerin, ist das eigene Werk wichtiger als die
Beziehung zur Tochter. In seinem Job als Arzt ist
Michael als junger Vater außerdem zunehmend
überfordert. Und auch Dina fasst in ihrem Schau-
spielberuf nicht mehr richtig Fuß. Also kehrt die
Frage vom Anfang zurück, ob eine Trennung nicht
besser wäre. In 15 kurzen Episoden erzählt Regis-
seur Dietrich Brüggemann mit wunderbar bissi-
gem Humor vom Scheitern des modernen Groß-
stadt-Bürgertums. Denn von Beginn an sind die
Konventionen der Selbstvergewisserung (mein
Haus, mein Auto, meine Familie, … ) von Rissen
durchzogen und dem Verfall preisgegeben. Der
bittere Ernst der Situation wird dabei von Brüg-
gemann mit einer Flut an absurden Szenen kon-
terkariert, die sich im Kopf der Protagonisten
abzuspielen scheinen. Da bricht etwa kurz nach
der Entbindung ein Krieg im Krankenhaus aus.
Ein Patient wacht während der Operation auf und
sinniert rauchend über die große Liebe. Der Säug-
ling von Dina und Michael beschwert sich übers
Baby-Fon wortreich über das eigene Aufwachsen.
Ein Gynäkologe beschimpft die alternativen Le-
bensentwürfe werdender Mütter.
Ein Patient wacht während
der Operation auf und sinniert
rauchend über die große Liebe
Der durchweg famose Cast um Anna Brügge-
mann, Alexander Khuon, Hanns Zischler, Isolde
Barth und Mark Waschke spielt mit genau der
übertriebenen Seriosität, die gelungene Komödien
auszeichnet. Brüggemanns gewohnt statischer
Bildaufbau wird mit den anarchischen Einfällen
mehr als wettgemacht. Die Ängste von Dina und
Michael lassen sich vom Publikum so ausgezeich-
net nachvollziehen. Am Ende stellt sich die durch-
aus berechtigte Frage, welche der großen Erzäh-
lungen über erfolgreiche Lebensplanung eigentlich
stimmen. Oder ob Sekt und Selters nicht vielleicht
beide geschmacklose Gesöffe sind. sb

22
 →  ab

7.10.
Regie
Uberto Pasolini
Filmographie
2013 Mr. May und das
Flüstern der Ewigkeit
2012 Bel Ami
1997 Ganz oder gar
nicht
1992 A Dangerous Man
Drehbuch
Uberto Pasolini
Darsteller
James Norton
Daniel Lamont
Bernadette Brown
Chris Corrigan,Valene
Kane

Nowhere Special
Kamera
Marius Panduru
Musik
GB/I 2020 Nowhere special Andrew Simon
McAllister
Genau. Nowhere Special. Familie, Kindheit, Liebe und Tod. Länge
96 min.
Das klassische Thema des Kinos – eine Geschichte, die
überall passieren könnte, hier aber ist es Belfast,
Nordirland.

Unerwartet: Ein Road Movie. Cool (kühl!) die Far-
ben, viel Blau, viel Grün, graues Wasser der Bay,
in der Belfast liegt, männlich der Blick, den wir
uns aneignen, neugierig, zärtlich, konzentriert.
Es ist der Blick des Fensterputzers John, der die
Sicht freimacht mit dem seifigen Wischer und
klarem Wasser. Einblicke in Esszimmer, Kinder-
zimmer, Kneipen.
John ist bald 34. Michael, der Sohn, fast vier.
Die beiden leben allein, das Kind geht in den Kin-
dergarten, die Mutter, schmerzlich vermisst, hat
die Familie verlassen. John widmet sich seitdem
dem geliebten Sohn, weiß aber, dass er bald ster-
ben wird, er ist krank.
Die Suche nach einer neuen Familie für den Sohn
beginnt. Vater und Sohn, Hand in Hand, über die
Brücken, die Weite des Sunds, grüne Felder, reiche
Häuser, beklemmend enge Familien, Pflegefamili-
en. Gegenbilder: das gemeinsame Leben von Vater
und Sohn im eigenen Zuhause. Die Kamera (Marius
Panduru, aktuell: Bad Luck Banging or Loony
Porn) bleibt nah und doch auf Abstand. Lässt Luft
zum Atmen. Was will das Kind? Was wollen die
Familien mit seinem Kind? Sie besuchen adopti-
onswillige Familien. In Begleitung des Jugendamts,
bei dem sich adoptionswillige Familien melden.
Klar wird: Alle diese Familien – bis auf eine, die
keine ist – sind gierig auf das Kind.
Was vom Leben bleibt? Liebe,
die man schreibt (Kurt Messow)
Es geht um Aneignung und Selbstsucht. Eine
Lösung muss gefunden werden, John weigert sich,
mit dem Kind über den Tod zu reden. Noch nicht,
sagt er. Ein toter Käfer im Park, von dem nur noch
die Hülle übrig ist, zwingt ihn, die Fragen des
Kindes zu beantworten.
Was vom Leben bleibt? Liebe, die man schreibt,
sagte einst der Dichter Kurt Messow. Hier wird
Liebe in eine Box gelegt: John schreibt Briefe an
den Sohn, steckt sie in rote Umschläge. Legt das
Foto der Mutter dazu, in einen von ihr vergesse-
nen Handschuh, einen Photomatonstreifen von
sich und Michael, den kleinen Fensterwischer für
Butzenscheiben.
Noch einmal gehen sie Hand in Hand durch die
Stadt, über die Brücken, es ist, als führte das Kind
den Vater. Wir ahnen, wohin es geht, und das ist
schön.
Ein kleiner konzentrierter Film über die Liebe
und den Tod. Ohne Schmalz und Schnörkel. ges

23
Kinoadressen
Atelier Filmwirtschaft
Sonnenstraße 12 Sonnenstraße 12
80331 München 80331 München
Tel: 59 19 18 Tel: 749 92 10
Karlsplatz (Stachus) Karlsplatz (Stachus)
Sendlinger Tor Sendlinger Tor

City Kino Kino Solln

Sonnenstraße 12 Sollner Straße 43 a
80331 München 81479 München
Tel: 59 19 83 Tel: 749 92 10
Karlsplatz (Stachus) Solln
Sendlinger Tor

Mein Vietnam DOK.fest Special

15.8. 11 Uhr
Der Vietnamese Tam sehnt sich nach seiner Hei-
mat und möchte gerne zurück. Wie seine Frau Bay
ist er spätabends oder frühmorgens als Reini-
gungskraft tätig und bleibt isoliert von anderen
Menschen außerhalb seiner Familie. Ein ruhiger,
nachdenklicher Dokumentarfilm über die Frage,
wo „Zuhause“ ist und wie sich Heimat definiert.
The Father Preview
18.8. 21:15 Uhr
Regisseur Florian Zeller führt uns mit Hilfe des
grandiosen Anthony Hopkins so ungewöhnlich
wie einfühlsam in den abgründigen Irrgarten eines
an die Demenz verloren gehenden Verstandes.

Doch das Böse gibt es nicht

mit Filmgespräch

19.8. 19 Uhr

DOCH DAS BÖSE GIBT ES NICHT erzählt vier

Geschichten über Menschen, deren Leben vor
existenziellen Herausforderungen stehen. Sie wer-
fen die Fragen auf, wie integer ein Mensch in ei-
nem absoluten Regime bleiben, welche moralische
Schuld er ertragen kann, ohne zu zerbrechen, und
zu welchem Preis es gelingt, die individuelle Frei-
heit zu bewahren. Im Anschluss Filmgespräch mit der
Journalistin Natalie Amiri.

24
 Veranstaltungen
Graf von Haufen: Böse Genitalien
Late Night Film Lecture

19.8. 22:30 Uhr

Jeder hat sie, die meisten wissen, wie man sie ge-
braucht. Doch in dieser Film Lecture soll es um
fiese, dysfunktionale, eigenwillige und mörderi-
sche Genitalien gehen: teuflische Brüste, Killer-
Penisse und Freuds Liebling, die Vagina Dentata.
Das bunte Sammelsurium der gemeinen Genitali-
en aus dem filmischen Universum nicht-pornogra-
fischer Filme stellt Graf Haufen alias Karsten
Rodemann (Videodrome Berlin) vor.

Wem gehört mein Dorf?

DOK.fest Special

22.8. 11 Uhr

Im Heimatdorf des Filmemachers, dem Ostseebad

Göhren auf Rügen, streiten die Einwohner*innen
über die Zukunft des beliebten Urlaubsortes: Den
Gemeinderat dominiert seit Jahren eine Gruppe von
vier Männern, die für Wachstum und Investitionen
steht. Im Dorf nennt man sie die “Vier von der Stan-
ge”, weil sie stets die Projekte von Großinvestor W.
Horst unterstützen. Der Multimillionär aus Nord-
rhein-Westfalen hat seit der Wende so viele Hotels
und Ferienhäuser gebaut wie kein anderer.

Herr Bachmann und seine Klasse

Preview

12.9. 11 Uhr

Herr Bachmann und seine Klasse porträtiert die

Beziehung zwischen einem Lehrer und den
Schüler*innen der 6. Jahrgangsstufe. In einneh-
mender Offenheit begegnet Herr Bachmann den
Kindern mit ihren unterschiedlichen sozialen und
kulturellen Erfahrungen und schafft damit einen
Raum des Vertrauens. In Zusammenarbeit mit dem
Bayrischen Kulturministerium.

25
 „ES IST DIESER FREIGEIST,
DER DEM AKTUELLEN DEUTSCHEN KINO
MonGay
SO NOT- WIE WOHLTUT.“ Montag

DER TAGESSPIEGEL 16.8.

21.15

ANna
BRÜgGE
MANn AlEX
ANDER
khUon
Zuhurs Töchter mit Gästen
D 2021, 89 min.

Die Teenager Lohan und Samar sind Geschwister

– und beide trans. Mit ihrer Familie sind sie aus
Syrien nach Deutschland geflohen, wo sie im Span-
nungsfeld der Kulturen ihre eigene Identität finden
müssen, auch gegen Widerstand der traditionellen
Eltern. Sehenswerter Dokumentarfilm über zwei
umwerfende Frauen, die ihren Weg gehen.

Montag

23.8.
21.15

EIn FIlm VON Firebird Queer Filmfest 2021 Kick off

DIETRICH OmU EST/GB 2020, 107 min.

BRÜGgEmanN
ISOLDE BARTH HANNS ZISCHLER ANDREAS DÖHLER
NINA PETRI PETRA SCHMIDT-SCHALLER MARK WASCHKE
Sowjetunion während des Kalten Krieges. Sergey
(Tom Prior) dient als Rekrut in der Luftwaffe, auf
dem Stützpunkt in Estland arbeitet auch seine
Freundin Lisa als Sekretärin für den Basiskom-
mandanten. Als der junge Pilot Roman (Oleg
­Zagorodnii) auftaucht, erliegen beide seinem
Charme. Ihr anbahnendes Liebesdreieck wird bald

AB 30. sEPTEMBER IM KINO

für alle gefährlich …

26
 Präsentiert von:

Montag Look me over – Liberace

30.8. OmU D 2021, 90 min.
21.15

So hat man Liberace noch nie gesehen. Als über-

kandidelter Showstar begeisterte er mit flamboy-
anten Auftritten am Klavier ein Millionenpubli-
kum, stritt seine Homosexualität aber bis zum Tod
1987 ab. Regisseur Jeremy J. P. Fekete zeichnet sein
Doppelleben zwischen Glitzer und Selbstverleug-
nung nach.

Montag Boy meets boy

6.9. D 2021, 75 min.
21:30

Harry hat 48 Stunden in Berlin durchgefeiert,

als er auf der Tanzfläche Johannes begegnet. Sie
verbringen die nächsten 15 Stunden bis zu Harrys
Rückflug zusammen, lassen sich durch die Stadt
treiben und sind dabei so offen und ehrlich wie
möglich. Eine schön beiläufige Lovestory über
die Chance des Augenblicks im sommerlichen
Berlin.

„Großes politisches Kino,

„Eine mitreißende
wie es hellsichtiger und
Zeitreise über den
aktueller nicht sein könnte –
Kampf der Frauen.“
Brigitte WOMAN
unbedingt sehenswert!“
Programmkino.de

Politik ist eine viel zu ernste Sache,

um sie allein den Männern zu überlassen.
CAROLA VON BRAUN · HERTA DÄUBLER-GMELIN
RENATE FAERBER-HUSEMANN · ELISABETH HAINES
RENATE HELLWIG · MARIE-ELISABETH KLEE
www.dieunbeugsamen-film.de /dieunbeugsamen.film /dieunbeugsamen.film /unbeugsamenfilm URSULA MÄNNLE · INGRID MATTHÄUS-MAIER
CHRISTA NICKELS · SABINE VON NAYHAUSS ·
RENATE SCHMIDT · HELGA SCHUCHARDT
RITA SÜSSMUTH · ROSWITHA VERHÜLSDONK
AB 26. AUGUST IM KINO EIN FILM VON TORSTEN KÖRNER
 MonGay
Montag Making Montgomery Clift
13.9. OmU USA 2018, 88 min.
21:30

Monty Clift (Ich beichte) galt vielen als talentier-

tester Schauspieler seiner Generation, der mit
seiner Homosexualität haderte, bis zum frühen
Drogentod mit 45. Nun zeigt ihn sein Neffe Ro-
bert Clift als selbstbewussten schwulen Mann, der
Hollywoods Versteckspiel nicht mitmachen woll-
te. Die längst überfällige Revision einer Legende
zum 100. Geburtstag.

Montag Trans – I got life Preview

20.9. D 2021, 97 min.
21:30

Die beiden Dokumentarfilmerinnen Imogen Kim-

mel und Doris Metz begleiten sieben trans Men-
schen auf ihrem Weg zu sich selbst, die offen über
ihre sehr persönlichen, höchst unterschiedlichen
Erfahrungen sprechen. Ein sensibler, vielschich-
tiger und empathischer Film, der genau zur rich-
tigen Zeit kommt.
BAYERN 2 & SZ
PUBLIKUMSPREIS

Montag
27.9.
EIN FILM VON

Imogen Kimmel & Doris Metz

21:30
BER
AB 23. SEPTEM
IM KI NO

Young Hunter
ARG 2020, 108 min.

i got life
„rüttelt auf und ist dabei vital, tief und humorvoll.
TRANS – I GOT LIFE feiert wunderbare Menschen.“
BR Kinokino
MINDJAZZ-PICTURES.DE/TRANS
Marco Berger gehört seit „Plan B“ und zuletzt „Der
Blonde“ mit seinen sexuell aufgeladenen Männer-
freundschaften zu den interessantesten Queerfil-
mern Südamerikas. Sein neuestes Werk vermischt
einen Sommerflirt des 15-jährigen Ezequiel, der
einen Monat sturmfrei hat und den mysteriösen
Skaterboy Mono zum Chillen am Pool einlädt, mit
einem düsteren Thriller.
28
 Präsentiert von:

Montag

4.10.
21:30

Hochwald Preview
A/B 2020, 108 min.

Nach einem Attentat in einem Queerclub in Rom,

bei dem Mario seinen besten Freund Lenz verloren
und selbst nur knapp überlebt hat, kehrt er allein
in ihr Heimatdorf in Südtirol zurück. Dort begeg-
net er dem jungen Nadim, der für den Koran wirbt
und von dem er sich merkwürdig angezogen fühlt
… Absolut sehenswert!

Montag

11.10.
21:30

Supernova Preview
OmU GB 2020, 95 min.

Sam (Colin Firth) und Tusker (Stanley Tucci) sind

seit 20 Jahren ein Paar und glücklich, eigentlich.
Bei Tusker wurde eine beginnende Demenz dia­
gnostiziert, ihnen bleibt nicht mehr viel gemein-
same Zeit. Bei einem Roadtrip durch England
treffen sie Freunde und Familie. Tief bewegendes
und toll gespieltes Liebsdrama.

29
 QUEERFILMFESTIVAL
Zum dritten Mal präsentiert das queerfilmfestival die tollsten
nicht-heterosexuellen Filme auf der großen Leinwand! Von Mittwoch,
1. September, bis Sonntag, 5. September, könnt Ihr in den City Kinos
wieder 15 herausragende Filme sehen.

любовь – п раво каждого – Jede*r hat das Recht
auf Liebe! Unser diesjähriges Festivalmotto
stammt aus dem bildstarken Kurzfilm WE WILL
BECOME BETTER des lettischen Regisseurs
Andzej Gavriss. Die Liebesgeschichte um zwei
junge Männer, die getrennt voneinander tanzen
müssen, setzt sich kritisch mit der homopho-
ben Gesetzgebung und dem queerfeindlichen
Klima im heutigen Russland auseinander und
läuft vor unserem Eröffnungsfilm FIREBIRD.
Peeter Rebanes packender historischer Liebes-
thriller spielt auf einem sowjetischen Luftwaf-
fenstützpunkt zu Zeiten des Kalten Kriegs und
erzählt von der verbotenen Liebe zwischen ei-
nem jungen Soldaten und einem Kampfpiloten.
Gespenstisch amourös wird es in der australi-
schen Teen ager-Rom-Com ELLIE & ABBIE von
Monica Zanetti, wenn die 17-jährige Ellie end-
lich den Mut aufbringt, ihre Mitschülerin Abbie
um ein Date zu bitten und dabei überraschende
Unterstützung aus dem Jenseits bekommt. Der
queere französische Arthouse-Star Nicholas
Maury spielt sich in seinem hinreißenden Re-
giedebüt DIE ROLLE MEINES LEBENS vermut-
lich ein wenig selbst und glänzt als übersensib-
ler Schauspieler mit einem blühenden Strauß
aus Neurosen. Der schwedische Regisseur Johan
von Sydow porträtiert in TINY TIM eine der selt-
samsten Figuren der US-amerikanischen Pop-
kultur, die mit Ukulele und Falsetto-Gesang ihr
Publikum in einen queeren Bann zog, der weit
über exzentrische Bühnenauftritte hinausragte.
In BOY MEETS BOY von Daniel Sánchez López
hat Harry nur noch 15 Stunden Zeit, um seinem
Club-Schwarm Johannes näher zu kommen,
bevor er nach Großbritannien zurückfliegen
muss – ein intensiver und authentischer Lie-
besfilm aus Berlin. Aleksandr M. Vinogradov ist
in seinem körperlich-expliziten Dokumentar-
film BARE elf nackten Tänzern auf den Fersen,
die zusammen das neue Stück des belgischen
Star-Choreografen Thierry Smits auf die Bühne
bringen. In YOUNG HUNTER , dem neuen Film
des argentinischen Teddy-Preisträgers Marco
Berger, nutzt ein Teenager die sturmfreie Bude,
um endlich zum ersten Mal Sex zu haben, und
tappt dabei in eine gefährliche Falle.
Die italienische Regisseurin Anna Alfieri er-
zählt in BORDERLINE die persönliche Ge-
schichte ihrer ersten Liebe entlang von größten
Glücksgefühlen und tiefen Schmerzen. In Evi
Romens bildgewaltigem Berg- und Außensei-
terdrama HOCHWALD kehrt ein junger Tän-
zer widerwillig in sein Heimatdorf zurück und
muss sich dort von alten Dämonen befreien.
Der Dokumentarfilm KINK von Alberto Fuguet
zeichnet die Erfolgsgeschichte des gleichnami-
gen homoerotischen Fanzines aus Barcelona
anhand eines Porträts seiner beiden Macher
Paco und Manolo nach.

Im mitreißenden Biopic TOVE erzählt Zaida

Bergroth vom aufregenden Leben der Autorin
und Zeichnerin Tove Jansson, die mit ihren
„Mumin“-Büchern und -Comics weltweit be-
rühmt wurde und ganz selbstverständlich
mit den Geschlechterrollen ihrer Zeit brach.
Monika Treut sucht in GENDERATION über
zwei Jahrzehnte nach ihrem queeren Filmklas-
siker „Gendernauts“ (1999) die einstigen Pio-
nier*innen der Transbewegung in Kalifornien
auf und fragt sie, wie sich ihr Leben verändert
hat. Ein ehemaliger Turmspringer gabelt in
Stelios Kammitsis’ sommerlichem Roadmovie
SPRUNG INS KALTE WASSER auf seinem Trip
durch Europa einen wagemutigen Deutschen
auf. Und in CICADA von Matthew Fifer und Kie-
ran Mulcare driften wir mit zwei frisch Verlieb-
ten durch New York City.

Lasst uns gemeinsam die besten queeren Filme

des Jahres feiern – wir freuen uns auf Euch!
Falling → ab
CDN/DK/GB 2020, 112 min. 12.8.

Seit der Kindheit hadert John mit der Wut und

Aggressivität seines Vaters. Später kommt die gar
nicht unterschwellige Homophobie dazu, die sich
auch mit zunehmendem Alter und fortschreiten-
der Demenz nicht zügeln lässt. Ausnahmeschau-
spieler Viggo Mortensen widmet sich in seinem
Regiedebüt einer schwierigen Vater-Sohn-Bezie-
hung – eine intime, sehr persönliche Familienge-
schichte voller Mitgefühl.

Doch das Böse gibt es nicht → ab

D/CS/IRN 2020, 150 min. 19.8.

Bei der 70. Berlinale gewann der iranische Regis-

seur Mohammad Rasoulof den Goldenen Bären
für den besten Film, in dem er seine Protagonis-
tinnen und Protagonisten in vier verschiedenen
Geschichten ihre Zweifel und Widerstände gegen-
über der Todesstrafe und dabei die Grenzen ihrer
Moralität und Integrität ausloten lässt. Das alles
unter den erschwerten Bedingungen eines unfehl-
baren Gottesstaats.

32
 Was uns sonst noch gefällt
Parfum des Lebens → ab Martin Eden → ab
F 2019, 100 min. 19.8. I/D/F 2019, 129 min. 26.8.

Unterschiedlicher könnten Anne und Guillaume
nicht sein. Sie, die Nase, ist als ehemalige Star-
Parfumeurin nach temporärem Verlust ihres Ge-
ruchssinns nun Geruchsberaterin. Er ist Chauf-
feur, kämpft um das Sorgerecht für seine Tochter
und wird immer wieder von ihr angefordert, ob-
wohl sie stets schroff und distanziert bleibt. Die
Geschichte einer Annäherung mit dem Duft von
frisch gemähtem Gras.
Vor über 100 Jahren schrieb Jack London seinen
Roman über einen Seemann, der die Scheinhei-
ligkeit der High Society erkennt und verachtet.
Regisseur Pietro Marcello hält sich an die Vorlage,
inszeniert aber zeitlos. Der Schauplatz ist Nea-
pel, die Zeit weniger klar, denn Marcello springt
durch das 20. Jahrhundert und reflektiert dabei
die Schwierigkeit, den eigenen Moralvorstellun-
gen treu zu bleiben.

O
KIN
. IM
7.10
AB

/FilmweltVerleihagentur www.tagebucheinerbiene-derfilm.de

Ein beflügelndes Erlebnis für die ganze Familie!

 Was uns sonst noch gefällt
A Symphony of Noise → ab Aware – Reise in das → ab
D 2021, 96 min. 2.9. Bewusstsein 2.9.
D/USA 2020, 106 min.

Der Mann will Unruhe stiften. Matthew Herbert
ist Künstler, Komponist und macht so Dinge. Seit
er sich mit 20 Jahren einen Sampler zulegte, ent-
deckt und interpretiert er die Geheimnisse der
Welt durch Geräusche. Das Ziehen eines (seines)
Zahns kann dazu so viel beitragen wie eine frit-
tierte Trompete. Film und Mann können dabei
gleichermaßen mit Humor wie akustischen Er-
leuchtungen aufwarten.
Ein Hirnforscher, ein buddhistischer Mönch, ein
Psychedelika-Forscher, eine Biologin, ein Philo-
soph und eine Maya-Heilerin sind die sechs Prot-
agonisten dieses vielfach ausgezeichneten Doku-
mentarfilms von Frauke Sandig und Erik Black,
die aus erkennbar unterschiedlichen Perspektiven
die Tiefen und Untiefen des Bewusstseins auslo-
ten. Mit wunderbaren Bildern und Erkenntnissen
darf gerechnet werden.

„Traumhaft gefilmte Wildnis: EIN FILM VON

Eine berührende Zukunftsvision für
VA L E N T I N T H U R N
Mensch und Natur.“
BUND Naturschutz in Bayern
( TA S T E T H E WA S T E )

T R ÄU M W E I T E R !
S E H N S U C H T N AC H V E R Ä N D E R U N G

NATUR NATUR SEIN LASSEN

Ab
7. Oktober
im Kino
Ein Film von Lisa Eder
mindjazz-pictures.de/der-wilde-wald
derwildewaldfilm AB 30.9. IM KINO!
 Bekenntnisse des → ab
Hochstaplers Felix Krull 2.9.
D 2020, 114 min.
Für die Neuverfilmung des Romans von Thomas
Mann hat sich Regisseur Detlev Buck literarisch
großkalibrige Hilfe geholt. Das Drehbuch schrieb
er gemeinsam mit Daniel Kehlmann, und offenbar
hatten beide große Freude an der Raffinesse und
den Verwandlungskünsten, die den schlüpfrigen
Mann aus unglücklichen Verhältnissen gesell-
schaftlich nach oben, in Fragen der Liebe hinge-
gen etwas abtreiben lassen.
Mitgefühl → ab
D/DK 2021, 96 min. 16.9.
Das dänische Pflegeheim Dagmarsminde unter der
Gründerin May Bjerre Eiby hat sich dem Kampf
gegen Alzheimer und Demenz verschrieben. Nicht
mit Medikamenten, die auf das Nötigste reduziert
werden können, sondern mit liebevollem Umgang,
Berührung, Naturerleben und Mitgefühl. Ein Kon-
zept, das keine Wunder verspricht, den im Film
Porträtierten aber sichtlich Lebensmut und -freu-
de zurückgibt.
35
French Exit → ab
CDN/GB 2020, 118 min. 2.9.
In der Verfilmung des Romans von Patrick deWitt
verschlägt es die insolvente New Yorker High-So-
ciety-Witwe Frances, ihren Sohn Malcolm und den
als Kater Small Frank reinkarnierten Ehemann in
das Pariser Appartement einer Freundin, wo sie
ihre spezielle Mutter-Sohn-, aber auch andere Be-
ziehungen pflegen. Schwarzhumorige Komödie, in
der Michelle Pfeiffer tut, was sie am besten kann:
grandios sein.
Dune → ab
USA 2020, 155 min. 16.9.
Nach dem zwiespältigen Versuch David Lynchs
(1984) wagt sich nun also Regisseur Denis Ville-
neuve an eine Neuverfilmung des Science-Fiction-
Klassikers von Frank Herbert. Mit herausragen-
der Besetzung um Timothée Chalamet, Oscar
Isaac oder Josh Brolin, der Filmmusik von Hans
Zimmer, bombastischen Special Effects und sogar
einer Prise Humor steht einem bildgewaltigen Ki-
nospektakel nichts im Wege.
Was uns sonst noch gefällt
Paolo Conte, Via Con Me → ab
I 2020, 100 min. 16.9.
Dokumentarfilmer Giorgio Verdelli wandelt auf
den Spuren des wohl erfolgreichsten Musikers
und Liedermachers der italienischen Gegenwart –
Paolo Conte, dessen bildhafte Texte auf einer Mi-
schung aus Jazz, Chanson und Tango Menschen
weltweit berühren. Neben Konzert-Archivmate-
rial und Interviews kommen auch Weggefährten
wie Roberto Benigni, Isabella Rossellini oder Jane
Birkin zu Wort.
Träum weiter! Sehnsucht nach → ab
Veränderung 30.9.
D 2020, 101 min.
Dokumentarfilmer Valentin Thurn porträtiert
fünf Menschen, die nicht nur weiter träumen,
sondern nach ihren Träumen handeln wollen. Die
eine möchte ihre Kinder ohne strenge Denkmus-
ter einer Schule aufwachsen sehen, der andere zu
den Pionieren der Marsbesiedlung gehören, kei-
ner dem Alltagstrott erliegen. Einfühlsam erzählt
Thurn von Menschen, für die Veränderung und
Lebensfreude zusammengehören.
Trans – I Got Life → ab
D 2020, 96 min. 23.9.
Sieben Menschen stehen im Zentrum dieser
Dokumentation von Imogen Kimmel und Doris
Metz, die mit großer Offenheit Einblicke in das
Lebensgefühl ihrer Transidentität geben. Von den
psychischen bis zu den chirurgischen Aspekten
greifen die Filmemacherinnen vieles von dem auf,
was einerseits die Zerrissenheit außerhalb der
Geschlechternorm ausmacht, andererseits einen
individuellen Weg eröffnet.
Keine Zeit zu sterben → ab
GB 2019, 157 min. 30.9.
Endlich ist es so weit, der neue Bond ist im Kino
angekommen. Dabei war der doch eigentlich
schon im Ruhestand auf Jamaica und benötigte
gar keine Lizenz zum Töten mehr. Als aber CIA-
Spezi Felix Leiter um Hilfe bei einer Rettungs-
mission zugunsten eines bedeutenden Wissen-
schaftlers bittet, sagt 007 nicht Nein und stellt
sich einer der bedrohlichsten Herausforderungen
seiner langen Agentenkarriere.
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 „Ein eindrücklicher Film über das Recht
auf Leben für alle Lebewesen“ FILMDIENST

Tagebuch einer Biene → ab

D 2020, 90 min. 7.10.

Das Leben einer Biene erscheint den meisten

Menschen wenig bedeutsam. Aus den Augen einer
Biene sieht das anders aus. Mit fantastischer Mak-
rokameratechnik lädt Regisseur Dennis Wells zum
Perspektivwechsel ein, fast lässt sich die Mimik
in den Insektengesichtern erkennen, und verhilft
zu erstaunlichen Einsichten: Ein Bienenleben ist
vielschichtiger als gedacht und dabei fast so sim-
pel wie unseres.

Der Wilde Wald – Natur Natur → ab

sein lassen 7.10.
D 2021, 89 min. „GUNDA ist Kino pur“
PAUL THOMAS ANDERSON

Ein Film von

VICTOR KOSSAKOVSKY

Seit 1970 wird der Nationalpark Bayrischer Wald

sich selbst überlassen, der Mensch greift nicht
„helfend“ ein und staunt: der Wald braucht uns
gar nicht! Aus angeblichem Totholz wächst neu-
es Leben, eine Art Urwald ist entstanden. Ein
Executive Producer
JOAQUIN PHOENIX
FILMWELT VERLEIHAGENTUR präsentiert GUNDA eine SANT & USANT PRODUKTION in Ko-Produktion mit LOUVERTURE FILMS
in Zusammenarbeit mit STORYLINE STUDIOS HAILSTONE FILMS Kamera EGIL HÅSKJOLD LARSEN VICTOR KOSSAKOVSKY

einzigartiges Ökosystem, das Forscher aus aller Co-Autorin/Co-Schnitt AINARA VERA Sound Designer/Sound Editor/Re-Recording Mixer ALEXANDR DUDAREV Co-Executive Producer REGINA K. SCULLY
Executive Producer JOAQUIN PHOENIX Executive Producer TONE GRØTTJORD-GLENNE Ko-Produzenten JOSLYN BARNES SUSAN ROCKEFELLER
Produzentin ANITA REHOFF LARSEN Buch/Schnitt/Regie VICTOR KOSSAKOVSKY

Welt anzieht, die von den Selbstheilungskräften

des Waldes lernen und sehen wollen, wie wilde
Natur die Dinge regelt.

37
AB 19. AUGUST IM KINO
 Laufendes Programm
Nomadland Der Rausch
USA 2020, 108 min. Regie Chloe Zhao DK 2020, 117 min. Regie Thomas Vinterberg

Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch einer
Stadt im ländlichen Nevada, durch den sie selbst
alles verloren hat, packt die 60-jährige Fern ihr
Hab und Gut in ihren weißen Van und macht sich
auf den Weg, um als moderne Nomadin im Westen
der USA ein Leben außerhalb der konventionellen
Gesellschaft zu erkunden.
OSCAR® – bester Film, beste Regie, beste
Hauptdarstellerin (Frances McDormand)
Früher war Martin Lehrer aus Leidenschaft – heute
sind die Schüler von seinem fehlenden Enthusias-
mus gelangweilt, auch in Martins Ehe ist die Luft
raus. Seinen drei Freunden, die am selben Gym-
nasium unterrichten, geht es nicht viel besser. Bei
einer angeheiterten Geburtstagsrunde diskutieren
sie die Theorie eines norwegischen Philosophen:
Nach dieser ist ein Mensch nur mit einem erhöhten
Alkoholgehalt im Blut zu Bestleistungen fähig.

Nebenan
D 2021 Regie Daniel Brühl

Die CineCITY ist das kostenlose Filmmagazin der Kinos der

YORCK Gruppe.

Herausgeber & Geschäftsführer:

Heinrich-Georg Kloster
Dr. Christian Bräuer
Yorck-Kino GmbH
Rankestraße 31, 10789 Berlin
Telefon: 030. 212 980 – 0 | fax: 030. 212 980 – 99
E-Mail: yorck@yorck.de
Redaktion: Claudia Dostal
Grafik: Friedemann Albert
Anzeigen: 030.212 980 – 72 Daniel ist ein Filmstar. Er hat Erfolg, Geld und
Autoren: Judy Garland (jg), Gaby Sikorski (sic!), Gesine eine traumhafte Wohnung in Berlin. Auch der
Strempel (ges), Lars Lucke (ll), Sebastian Bauer (sb) Durchbruch in Hollywood scheint nicht mehr
Schriften: GT Alpina, Messina Sans
fern: Daniel soll in London für einen amerikani-
Druck: Brandenburgische Universitätsdruckerei GmbH
Auflage: 12.000 schen Superheldenfilm vorsprechen. Auf dem Weg
zum Flughafen macht er in seiner Stammkneipe
Vertrieb: Dinamix (030.613949 – 0) & Eigenvertrieb Halt. Dort ist es vormittags ruhig, doch an der
Alle Rechte vorbehalten. Für unverlangt eingesandtes Bild-
Theke sitzt ein fremder Mann: Bruno verwickelt
und T ­ extmaterial wird keine Haftung übernommen. Verviel-
fältigung, Speicherung und Nachdruck nur mit schriftlicher
Daniel in einen Smalltalk. Mit jeder Minute dieses
­Genehmigung des Herausgebers. Es gilt die Anzeigenpreisliste seltsamen Gesprächs wächst Daniels Verwunde-
Nr. 7 vom 17. März 2017. rung. Und seine Angst.

38
Demnächst
Auf alles, was uns glücklich → ab
macht 14.10.
I 2020, 129 min.

Als Kinder in den 1980er-Jahren waren Giulio,

Gemma, Paolo und Riccardo die engsten Freunde.
Unterschiedliche Lebenswege, Schicksalsschläge
und materielle Voraussetzungen trennen die Ban-
de vorübergehend, aber immer wieder finden sie
zusammen und spiegeln dabei weit mehr als 40
Jahre andauernde Freundschaft.

The French Dispatch → ab

USA 2020, 103 min. 21.10.
In einer fiktiven französischen Stadt arbeitet
Chefredakteur Arthur Horwitzer Jr. an einem Ma-
gazin, für das die besten Exil-Journalisten seiner
Zeit ihre höchst eigenen Geschichten erzählen. In
Wes Andersons skurril episodenhafter Hommage
an den New Yorker brilliert unter Bill Murray alles,
was Rang und Namen hat.

»Ein wunderschöner, JAMES DANIEL

herzzerreißender Film.« NORTON LAMONT

NOWHERE
IL FATTO QUOTIDIANO

»Grandios, einfühlsam

SPECIAL
und unglaublich bewegend.«
THE UPCOMING

EIN FILM VON

UBERTO PASOLINI

AB 7. OKTOBER
IM KINO
Demnächst
Lieber Thomas → ab
D 2021, 157 min. 4.11.
Thomas Brasch war Literat, Lyriker und Filme-
macher, vor allem aber war er unangepasst. In der
DDR gab er den Zensoren reichlich Lesestoff, spä-
ter in der BRD bekam er mehr Anerkennung, aber
auch genug Gründe, kritisch zu bleiben. Regisseur
Andreas Kleinert geht dieser deutsch-deutschen
Biographie auf den Grund.

Ammonite → ab
GB/AUS/USA 2020, 117 min. 4.11.
Nicht anerkannt, aber erfolgreich arbeitet Mary
Anning im 19. Jahrhundert als Paläontologin an
der Südküste Englands. Als ein wohlhabender
Kunde mit guter Bezahlung darum bittet, seine
melancholische Frau mit auf Fossiliensuche zu
nehmen, brechen Kate Winslet und Saoirse Ronan
aus der Versteinerung.

Große Freiheit → ab
A/D 2020, 117 min. 18.11.
Bis 1994 war der unsägliche § 175 des Strafgesetz-
buchs in Kraft, der sexuelle Handlungen zwischen
Männern unter Strafe stellte. Im homophoben
Nachkriegsdeutschland landet Hans deswegen im
Knast, wo er auf den verurteilten Mörder Viktor
trifft. Franz Rogowski und Georg Friedrich mit
starken Auftritten.

House of Gucci → ab
USA 2021 25.11.
Am 27.März 1995 heuerte Patrizia Reggiani bekannt
als „Lady Gucci“ einen Profikiller an, um ihren Mann
Maurizio Gucci ermorden zulassen. Eine geheime
Affäre, Gier nach Geld und Rache sorgten damals
für Schlagzeilen. 1997 wurde sie verhaftet und
zu 26 Jahren Haft verurteilt. Bis heute beteuert
sie ihre Unschuld. Ridley Scott verfilmt einen der
spektakulärsten Mordfälle der Modeszene.

Der Nächste Cine City ­

erscheint am 14. Oktober
AB 30. SEPTEMBER
IM KINO
 Das Filmmagazin

„DER BESTE FILM DES JAHRES“ STERN

Aug–Okt 2021

AB 19. AUGUST IM KINO SOUNDTRACK BEI

CAPITOL RECORDS

city-kinos.de
121

City Atelier Kino Solln