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"Trinitit" fa~t das Spezifische des christlichen Gottesbildes in einem Begriff

zusarnmen. Im Bemühen um eine Klarung des eigentlich Christlichen in der


Cottcsvorstellung der kirchlichen Glaubensüberlieferung befassen sich die
Autoren dieses Bandes mit den wichtigsten neueren trinitatstheologischen
Ansatzen (Werner Loser, Frankfurt a. M.); mit einem historischen Rück­
Trinitat
blick auf die noch uneingelosten Elemente der Trinitatslehre (Leo Scheff­
czyk, München); mit der heilsgeschichtlichen Begründung des Sprechens Aktuelle Perspektiven
von der Trinitat aus protestantischer Sicht (jiirgen Moltmann, Tübingen);
mit dem trinitarischen Verstandnis der Orthodoxie (Grigorios Larentzakis, der Theologie
Graz); mit religionsgeschichtlichen und tiefenpsychologischen Aspekten
der Trinitatslehre (Eugen Drewermann, Paderborn) sowie mit der Refle­
xion von seiten der Philosophie über eine trinitarische Ontologie und Meta­ Eugen Drewermann
physik der Person (Ludger Oeing-Hanhoff, Tübingen). Damit wird das tri­
nitarische Gottesverhaltnis nicht nur innertheologisch ergründet, sondern
Grigorios Larentzakis
der Blick interdisziplinar über die Grenzen der Theologie hinaus gelenkt. Werner Lóser
Jürgen Moltmann
Ludger Oeing - Hanhoff
Leo Scheffczyk
Herausgegeben von
Wilhelm Breuning
••
QUAESTIONES DISPUTATAE
Herausgegeben von
TRINITAT
KARL RAHNER UNO HEINRICH SCHLIER t AKTUELLE PERSPEKTIVEN
Theologische Redaktion DER THEOLOGIE
HERBERT VORGRIMLER

I
InternationaJe Verlagsschriftleitung
ROBERT SCHERER EUGEN DREWERMANN
GRIGORIOS LARENTZAKIS
WERNER LOSER
l' JÜRGEN MOLTMANN
101

TRINITÁT
I LUDGER OEING-HANHOFF
LEO SCHEFFCZYK
AKTUELLE PERSPEKTIVEN DER THEOLOGIE

HERAUSGEGEBEN VON
WILHELM BREUNING

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lnternationaler Marken- und Titelschutz: Editiones Herder, Basel
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Einführung des Herausgebers 7

Werner Láser
Trinitátstheologie heute. Ansatze und Entwürfe 19

JI
Leo SchejJczyk
Uneingeloste Traditionen der Trinitatslehre 47

IIJ
Grigorios Larentzakis
Trinitarisches Kirchenverstandnis 73

IV
Jürgen Moltmann
Die Einheit des dreieinigen Gottes, Bemerkungen zur heilsge­
schichtlichen Begründung und zur Begrifflichkeit der Trinitats-
lehre " 97

V
Eugen Drewermann
Religionsgeschichtliche und tiefenpsychologische Bemerkungen
zur Trinitatslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 115

Alle Rechte vorheha1ten Printed in Germany


© Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1984 VI
Herstellung: Freiburger Graphische Betriebe 1984 Ludger Oeing-Hanhoff
ISBN 3-451-02101-3 Trinitarische Ontologie und Metaphysik der Person 143

5
Zur Einführung

Die TrinitiHstheologie findet eine wachsende Aufmerksamkeit.


Langzeitwirkungen und aktuelle Einzelimpulse verbinden sich bei
diesem Vorgang miteinander. Ahnlich wie bei anderen Schwerpunk­
ten in der neueren theologischen Entwicklung geht auch das Inter­
esse an diesem der Entwicklung der systematischen Theologie nach
gesehen regionalen Teil der Gesamtdogmatik zusammen mit der
(Wieder-)Entdeckung eines Strukturprinzips, das die gesamte syste­
matische Theologie in all ihren Einzelthemen durchformen soll. AIs
grol3er Anreger in dieser Hinsicht mul3 Karl Barth mit seiner um­
fangreichen Dogmatik genannt werden, bei dem die gesamte Ausle­
gung der Offenbarung in Vollzug und Inhalt trinitarisch strukturiert
ist. Diese Wende gegenüber einer Richtung in der Dogmatik vom
19. Jahrhundert her, die der Trinitátslehre wenig Bedeutung abge­
winnen konnte, blieb, soweit man es zur Zeit schon beurteilen kann,
auch dort vorherrschend, wo Barths Durchführung als Theologie
des Wortes Gottes kritisch beurteilt wurde. Lehrreiches Beispiel da­
für ist Wolfhart Pannenbergs Christologie', die in ihrer Schwer­
punktsetzung auf das Geschehen von Ostern das trinitarische
Strukturprinzip mit aufnimmt. Rückblickend wird man überhaupt
urteilen dürfen, daf in dem starken Interesse an der Christologie,
das mit Pannenberg im Bereich der systematischen Theologie seine
Eroffnung fand, die Trinitatstheologie (implizit und explizit) schon
mit eingeschlossen war. Das gilt im evangelischen deutschsprachi­
gen Raum für Jürgen Moltrnann- und Eberhard Jüngel '. In der

I Grundzüge der Christologie, Gütersloh 1964 u. o.


2 Der gekreuzigte Gott. Das Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher Theolo­
gie. München 1972; ders., Trinitiit und Reich Gottes. München 1980.
.1 Vor allem: Gott als Geheimnis der Welt, Tübingen 1976.

7
deutschsprachigen katholischen Theologie bietet Walter Kaspers logische Aspekt der Mitteilung Gottes, wie er selbst ist, führte bei
Christologie ein instruktives Beispiel. Rahner zu dem für die heutige Trinitatslehre so bedeutsamen Axiom
Die christologische lntensivphase, die parallel zur Wende in der der vollkommenen Entsprechung von okonornischer und imrnanen­
Exegese vom einseitig kerygmatisch bestimmten Christuszeugnis ter TriniUiP.
zur neu gestellten Frage nach dem Jesus der Geschichte verlief, Die Beitrage dieses Bandes gehen auf die Referate zurück, die auf
wurde allerdings auch zunehmend starker von der Gottesfrage in der Arbeitstagung der deutschsprachigen katholischen Dogmatiker
Anspruch genommen. Die sehr kurzlebige "Gott-ist-tot- Theologie" und Fundamentaltheologen vom 27.-30. Dezember 1982 in Luzern
signalisierte zumindest wieder neu das neuzeitliche theologische gehalten wurden. Wie dies normalerweise - leider - geschehen mufs,
Langfristtherna, das durch die unterschiedlichen Atheismen seinen waren sie ohne direkten Kontakt der Autoren zueinander entstan­
genuinen Ausdruck findet: Die Frage nach der Existenz Gottes ist den. Es kommt dann aber gewi13 nicht von ungefahr, da13 in den ver­
zuletzt die Frage, werGott ist. Dieses Interesse hat auch die Gott-ist­ schiedenen Beitragen das Rahnersche Axiom immer wieder als
tot-Theologie bald wieder auf den Kernpunkt zurückgeführt. An Kristallisationspunkt auftaucht. Freilich hat die Formulierung:
dieser Stelle wird die Wechselbeziehung der Fragen nach Jesus von "Die okonornische Trinitat istdie immanente und umgekehrt", auch
Nazaret und nach Gott greifbar. Jesus wird nur von Gott her "ver­ die "Disputation" angeregt, weil das Identifizierungswort "ist"
standlich", aber wer Gott ist, rnuf von Jesus her beantwortet wer­ einerseits streng zu nehmen ist, andererseits den theodramatischen
den, nachdem in Jesus Christus für alle etwas geschehen ist. Das Charakter des Geschehens der mit Gott wirklich identischen Selbst­
Verhaltnis von Gott und Jesus Christus ist für die theologische Re­ mitteilung für sich allein noch nicht zum Ausdruck bringen kann, ja
flexion zugleich Quellgrund der Trinitatstheologie. Wie sehr diese direkt Miñverstandnisse provozieren konnte. Ehe man über das
christologisch geste lite Gottesfrage auch die Pneumatologie schon Axiom disputiert, sollte man sich aber bewu13t sein, da13 die Diffe­
miteinschlieñt, hat z. B. Walter Kaspers Christologie deutlich ge­ renzierungen in Thesen und Antithesen erst auf der Basis der Zu­
machr'. stimmung der - gnadentheologisch betrachtet .wirktíchen"
Wenn die "Wenden" in der evangelischen Theologie phánorneno­ Identitat von Gottes Leben für sich selbst und dessen, was er als sich
logisch gesehen spürbarer als Umbrüche erfahren wurden und wenn selbst mitteilt, erfolgen konnen. Die Identifizierung im Sinn einer
die Herausforderung durch den Atheismus evangelische und katho­ Gültigkeit des "ist" hat einen prazisen, unaufgebbaren gnadentheo­
lische Theologie in eine gemeinsam zu bestehende Situation logischen Sinn. Zugleich weckt jedoch das "ist" durch seine nicht
hineinbanden, so ist ein Ansatzpunkt für die Wiederbelebung der vollige Eindeutigkeit - je nachdem, in welchem Kontext man es hort
Trinitatslehre, der aus dem Bereich der katholischen Theologie - eine fruchtbare Diskussion. Es geht dabei um das Gott-Geschópf­
kommt, weithin vielleicht gar nicht so recht ins Bewu13tsein gedrun­ Verhaltnis. Da13 Gott sich mitteilen kann, gründet in seinem Wesen,
gen, obwohl er in mancherlei Hinsicht epochal bestimmend wurde. daís er es tut "ist" seine Liebe, die zwar ganz und gar nicht au13erhalb
Es handelt sich um die Anstoñe, die aus einer - ich denke das Wort seines Wesens liegt, aber doch im Blick auf unser Problem das Neue
ist hier nicht zu hoch gegriffen - Erneuerung der Gnadentheologie ist, dessen er nicht bedarf. Dem Geschopf schenkt diese Liebe je­
kamen. Der Vorgang hat viele Komponenten. Vielleicht hat Karl doch den ganzen Gott mit seiner ganzen Gottlichkeit, also auch ge­
Rahner mit der Konzentration der Gnadentheologie auf das Ver­ rade mit seinem in jeder Mitteilung unendlichen "Gro13er" gegen-
standnis der "ungeschaffenen Gnade" das Stichwort genannt, das
als Wende zur Mitte zugleich die Traditionskontinuitát der .neue­ , Das Axiom, das leitendes Srruktu rpr inzip für die syvtcmauschc I nnitütslehre in My­
Sal l l (1967) ist, crschcint bcrcits in dcr l-cstschr ift Iür Bischof Stohr, 1960: K. Rahner,
ren' katholischen Theologie signalisiert. Gerade dieser gnadentheo-
Kleinc Bcmerkungen zum dogmatischcn Traktat "Oc Trinitutc", in: Universitas (hrsg.
von L. Lenhart) Bd 1, Mainz 1960. 130-150 (= Schriften IV 103-133). So Iorrnuliert.
4 Jesus der Christus, Mainz 1974 u.ó. Iindet sich das Axiom bereits bci H. de Lavalette. Art Drcifaltigkcit in' 'L Th K 3. 544

8 9
über allem Geschaffenen, das bei aller bleibenden gr613eren von Balthasar vorgelegt hat. Wenn "Entsprechung" nicht platte
Unahnlichkeit (IV. Lateranense) doch im Geschenk nicht ausge­ ldentitat, sondern ein Verháltnis aussagt, zeigt sich in beglückender
spart wird. Zeigt sich so die immanente Trinitát als die unausschopf­ Weise, da3 das Gnadengeschehen im Raum der Schopfung nicht le­
bare Quelle gegenüber der ókonornischen Trinitat, so eignet der diglich eine Technik der Übersetzung der immanenten Trinitat bein­
6konomischen Trinitat durch das Neue der wahrhaft gottlichen haltet, sondern das Geschehen und Sich-Übereignen der Liebe
Freiheit eine Liebe, die nicht nur wie die Sonne scheint oder derart, Gottes selbst "ist". Der Konsens umfal3t auch noch die Einsicht, daf
wie wir das Gute als Verstrornen seiner selbst verstehen, sondern die es Gottes trinitarische Offenheit ist, die ein solches Geschehen der
eben als Gnade im biblisch-theologischen Sinn für Gott und Welt Liebe überhaupt "m6glich" macht. Man darf wohl auch urteilen,
ein Mehr bezeichnet. Dieser Komparativ gehort jedoch nicht zu ei­ daf in der Entsprechung von immanenter und okonomischer Trini­
nem evolutiven Steigerungssystem, dem Gott selbst verpf1ichtet tat auch der Schwerpunkt liegt, in dem sich im übrigen unterschied­
ware, weil dies letztlich doch unabanderliches Wachstumsgesetz der liche Beitrage, wie sie auf der Tagung vorgetragen wurden,
Welt sein müñte und weil es eben das Schicksal oder die Pf1icht oder konvergierend treffen. Die Sto3richtung liegt dann gerade nicht in
die Notwendigkeit des Guten ist, immer weiter zu str6men. Das der zu kurz tretenden Aussage, die okonomische Trinitát sei doch
Rahnersche Axiom der Kongruenz von immanenter und ókonorni­ "weniger" als die immanente, sondern es geht um den Gnadencha­
scher Trinitát drückt in dieser Problementwicklung seinerseits eine rakter der Selbstmitteilung Gottes, die gerade in ihrer Freiheit der
Grundlage aus, die als gemeinsamer Nenner empfunden wird. inneren Eigentümlichkeit der Liebe Gottes entspricht und darin al­
Der fundamentale Konsens geht über die Einsicht hinaus, die lerdings den Deus semper maior um seiner Liebe willen von Gottes
okonornische Trinitat sei auf jeden Fall der Erkenntnisgrund der tri­ Gnaden (und nicht erst vom Drama unserer Welt) her Gott sein las­
nitarischen Eigenart Gottes. Er bejaht darüber hinaus, daf die Ge­ sen kann. Freilich umschlielst diese Konvergenz in der gegenwarti­
meinschaft, die Gott mit sich schenkt, das trinitarische Geheimnis gen Trinitatstheologie auch ein Feld damit noch nicht geloster
mitleben lal3t in der Weise, wie Gott selbst es in der Geschichte Jesu Fragen über die Zugange, die Gott in uns selbst aktiviert, um auf un­
Christi und seines Geistes zugleich unser gnádiges Schicksal und sere Weise (per modum recipientis) bei uns in seiner Wirklichkeit
sein eigenes Leben hat werden lassen. Aber in je grofserer Einheit anzukommen. In der vorliegenden Quaestio konzentriert sich dieser
die Theologie die Entsprechung von immanenter und ókonomischer Gegenstand der Untersuchung vor allem auf die Frage nach Inhalt
Trinitat zu sehen vermag, wird auch die Differenzierung jeweils und Tauglichkeit des Personbegriffs.
wichtig, die E. Przywara schon im voraus zur Diskussion der letzten Ehe wir darauf zurückkommen, sei jedoch noch ein Kontext ge­
Jahre formuliert hatte, wenn er feststellte, "dal3 in einem Noch-so­ nannt, der ebenfalls das Interesse auf die Trinitatstheologie über die
Gr03 der Ahnlichkeit der .Trinitat in uns' ... das Je-immer-Groñer schon erwahnten Gesichtspunkte hinaus gelenkt hat. Wenn wir die
der Unahnlichkeit der .Trinitat in sich' ... über-über-steige'". moderne Gottesproblematik, die Christologie, die Gnadentheologie
Wie tief und reich eine Theologie entfaltet werden kann, die den als Faktoren genannt haben, die von sich aus folgerichtig in die Tri­
Entsprechungen zwischen trinitarischem Leben Gottes und der gna­ nitátstheologie geführt haben, so hat sich die Ekklesiologie in den
denhaften Einbeziehung der Menschen in dieses Geschehen nach­ letzten Jahren mit einem deutlichen Crescendo dazugesellt'. Einmal
geht, haben die beiden grol3en theologischen Zyklen "Herrlichkeit" stellt sich nachtraglich heraus, wie gut das 11. Vatikanische Konzil
und "Theodramatik" eindrucksvoll gezeigt, wie sie uns Hans Urs beraten war, wenn es die Ekklesiologie aus dem trinitarisch ausge-

6 Alter und neuer Bund. Theologie der Stunde, Wien 1956,540. Zur weitercn Entwick­ 7 Vgl. G. Alberigo. y. Cangar u. H. J. POllmeyer(Hrsg.), Kirche im Wandel. Eine kriti­
lung der Wirkungsgeschichte des Axioms vgl. die Beitriige von Lóser und Scheffczyk in sche Zwischenbilanz nach dem Zweiten Vat ikanurn, Düsseldorf 1982, in mehreren Bei­
dicsern Band und W. Kasper, Der Gott Jesu Christi 333-337. triigen.

10 11
legten Heilsgeschehen zu entwickeln versuchte. Hier setzte dann schiedlichen Ansatze der Trinitatstheologie, die im Bereich deutsch­
auch ein Brückenschlag zur Kirche der Orthodoxie an, der ausge­ sprachiger Theologie vorliegen, diesem groñraumigen Problembe­
baut werden konnte. Das Gesprach mit einem orthodoxen Theolo­ reich zu, indem es die Stellung zur .matürlichen Theologie" und die
gen auf der Tagung sollte diese Aufgabe mit aufnehmen. Die Frage Art ihrer Durchführung sozusagen als Unterscheidungskriterium
bewegt sich nicht nur in einer Richtung von der Trinitatslehre zum herausarbeitet. Freilich wurde auch deutlich, dañ eine exklusive Ge­
besseren Verstandnis der Ekklesiologie hin, sondern - für die Ta­ genüberstellung von "metaphysisch" bestimmter Theologie und
gung zunachst noch unmittelbarer: Wie weit kónnen die Zeugnisse heilsgeschichtlich orientierter Theologie zu kurz griffe. Wie tief
der alten Trinitatslehre, die im Bereich der immanenten Trinitats­ reicht jedoch die Differenz, wenn der Ansatz bei der Oikonomia
lehre von der westlichen Tradition doch eher in einer formal-ab­ zwar für alle unbestritten ist, die Einstellung zur theologia naturalis
strakten Weise bedacht wurden, neu verstanden werden, wenn man jedoch deutlich in gegensatzliche Richtungen weist? Der theologie­
ihren Sitz im Leben einer Kirche, die ihrem tiefsten Wesen nach geschichtliche Beitrag konnte auf heilsgeschichtliche Durchführun­
Cornmunio Spiritus Sancti ist, besser begreift? Gehórt nicht zum gen hinweisen, deren Gehalt erst wieder ins Bewul3tsein gehoben
Verstandnis der ohne solchen Bezug abstrakt-formal anmutenden werden muJ3 - wieder eine Aufgabenstellung, die noch Vertiefungen
Formeln die Einsicht in den heilsókonomischen Zusammenhang der durch Wiederentdeckung verspricht. Irn orthodoxen Beitrag kehrte
alten Dogmengeschichte? Es war den Beteiligten allerdings auch das Problem auf kirchentypische Weise wieder: lst der Communio­
klar, dafs diese Fragen eher erst angestol3en sind, als dañ sie schon Charakter von Kirche nicht letztlich trinitarisch-ontologisch be­
vollkommen integriert werden konnten. Vorausgesetzt konnte wer­ stimmt, ist umgekehrt nicht die Kirche als Raum der okonornisch
den, was in der dogmengeschichtlichen Diskussion im Blick auf das geschenkten Communio der Raurn, in dem erst die reflex-i.abstrak­
Nizanurn in den letzten Jahren erarbeitet war, wenn es auch viel­ ten" Trinitáts-i.forrneln" verstehbar werden? Überraschend ergab
leicht noch lange nicht rezipiert ist: die Erkenntnis, daJ3 in der nizá­ sich aus dem Beitrag des evangelischen Theologen, dal3 auch bei ei­
nischen Artikulation der Sohn-Gottes-Christologie das hellenisti­ nem entschiedenen Ansatz der Trinitatstheologie bei der theologia
sche Denken die biblische Botschaft nicht verfremdete, sondern im crucis das Problem der Einheit Gottes sich in ganz ahnlicher Weise
entscheidenden Punkt das Einzigartige und Neue des Christusereig­ als Problem personaler Communio-Einheit stellt. Deutlich zeigte
nisses gerade durch eine Umkehr griechisch-philosophischer Denk­ sich die Aufgabe, die Fassung der Einheit Gottes nicht in ein Den­
weise zum Ausdruck gebracht wurde". Theologische Untersuchun­ ken des gottlichen Wesens zu verlegen, das moglichst von den
gen zum Jubilaumsjahr des Konzils von Konstantinopel (381) haben Personbeziehungen absieht, sondern Einheit in der Richtung von
diese Einsicht auch hinsichtlich der Pneumatologie bekraftigt". Daf Eins-Sein im Eins- Werden zu verstehen. Man muf bedauern, daf an
damit im letzten eine neue Ontologie grundgelegt wurde, ist eine Er­ dieser Stelle der umfassenderen Problematik kein Platz mehr für
kenntnis, die in dieser Weise erst in der gegenwartigen Diskusion eine ausdrückliche biblische Reflexion blieb. Denn die "werdende"
zum Gegenstand ausdrücklicher Reflexion gemacht wurde. Einheit des trinitarischen Gottes (die natürlich nie zeitlich vorge­
l m Rahmen der Tagung ordnete das Einleitungsreferat die unter- stellt werden kann, als sei sie "irgendwann" einmal noch nicht da)
ernpfangt gegenüber allen tritheistischen Miílverstandnissen, seien
8 Vgl. H. Rick en, Das Homousios von Nikaia als Krisis des altchristlichen Platonis­ sie personalistischer oder dialektischer Art, gerade durch das bibli­
mus, in: B. We/te(Hrsg.), Zur Frühgeschichte der Christologie (QD, Bd. 51), Freiburg­
sche Els ~k:ós im Sinn Jahwes und des Vaters unseres Herrn Jesus
Basel - Wien 1970,74-99; A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche,
Bd. 1, Freiburg - Basel- Wien 1979,406-412. Christus ihren christlichen Sinn. Man mag von daher bedauern, daJ3
9 Vgl. W. D. Hauschild. Das trinitarische Dogma von 381 als Ergebnis verbindlichcr ein Akzent, der in der Tradition der Trinitatslehre durch das neute­
Konsensusbildung, in: K. Lehrnann u. W. Pannenberg (Hrsg.), Glaubensbekenntnis
stamentliche ó .sEÓS als Eigenname des Vaters, durch die griechische
und Kirchengemeinschaft. Das Modell des Konzils von Konstantinopel (381) (Dialog
der Kirchen, Bd. 1) Freiburg u. Gottingen 1982. 13-48. Betonung des Vaters als der Quelle, durch den Gedanken Bonaven-

12 13
turas von der "primitas" des Vaters vorhanden ist, nicht eigens auf­ tionale Verfestigung zu starr und unlebendig geworden sei, werden
gegriffen werden konnte'", Dogmatiker ernsthaft darüber nachzudenken versuchen. Die Gefahr
Die Frage nach einer trinitarischen Ontologie erstreckt sich aber der Lebensferne der Trinitatslehre taucht hier ja nicht zum ersten­
auch auf den Empfanger der Offenbarung, d. h. den Menschen, der mal auf. Freilich zeichnet sich zunachst vermutlich auch nicht vi el
berufen ist, mit dem Gott, der sein Schópfer ist, gernaf der Eigenart mehr als Gesprachs- und Nachdenkbereitschaft ab. So anregend re­
Gottes selbst zu leben, al so mit dem Gott, der als Vater, Sohn und ligionsgeschichtliche Tiefendimensionen zweifelsohne wirken, stellt
Geist Liebe ist. Wenn diese Offenbarung, die den Menschen nicht sich doch angesichts der Eigenart der Communio mit Jesus von Na­
nur intellektuell, sondern als Person ganz betrifft, einerseits in ein zaret, dem Sohn Gottes, die Frage auñerhalb apologetischer
Mysterium führt, das der Mensch so nicht einmal ahnen konnte, so Angefochtenheit, die Hans Urs von Balthasar so formulierte: "Bei
muf er andererseits doch gerade als er selbst in grundlegender Heranziehung au13erchristlicher Analogien zur Trinitat ist gróíste
Weise "fahig" sein, die Trinitat nicht als interessanten Wissensge­ Vorsicht geboten: ihnen fehlt die okonomische Basis, weswegen sie
genstand bezüglich Gottes zur Kenntnis zu nehmen, sondern sich leicht als blofse Additionen kosmologischer Prinzipien auftreten ...
vom Geist als dem "interior intimo meo" zu Christus ziehen zu las­ und dann über einen Tritheismus nicht herauskommen, oder als drei
sen und so dem Vater zu gehóren. Dieser Seite des Problems wollte Aspekte des Einen ... und dann in Modalismus verharren"!'. Den­
die Tagung nach zwei Richtungen hin nachgehen. noch sollte man sich auch nicht zu schnell entmutigen lassen mit
In der Zeit der Vorherrschaft evolutiver Geschichtsmodelle auch dem Gedanken, zwischen den beiden Welten dogmatischer Theolo­
in der Religionsgeschichte und der gleichzeitigen Tendenz, gerade gie und religionsgeschichtlicher Strukturanalysen fehle es noch an
auch das Christentum aus solchen Schemata heraus zu erklaren, war Kriterien, beidem genuin gerecht zu werden. Ein auch vom Dogma­
ein apologetischer Ehrgeiz unausweichlich, das Trinitatsgeheimnis tiker nicht zu bestreitender Ausgangspunkt bleibt schon der Satz:
als analogielos zu erweisen. Wenn aber Gott schon qua Deus trinus "Nur in diesen im Menschen selbst angelegten Bildern konnte Gott
die Welt geschaffen hat und sich ihr gegenüber auch immer so .,ver­ sich offenbaren"!", wenn sie als von Gott mitgeschaffene Bedingun­
halt", ist dan n die strukturelle Lebendigkeit dessen, was der Mensch gen begriffen werden.
als Einheit in vielfaltiger Weise erfahrt, nicht doch auch ein "Hin­ Die Diskussiom um den Personbegriff darf sicher nicht als der
weis" auf die Eigenart Gottes selbst, wie immer das naher zu entfal­ schlechthinnige Kernpunkt der gegenwartigen Trinitatstheologie
ten ist? Spiegeln Mythen und Archetypen nicht etwas wider, was hochstilisiert werden. Eindrucksvolles Beispiel ist Karl Rahners Tri­
auch - wie immer - doch zur Ansprechbarkeit des Menschen auf nitatstheologie, die in ihrer ausführlichsten Durchführung in .,My­
den lebendigen (= trinitarischen) Gott gehort? Und sind sol che Er­ sterium Salutis" inhaltlich bereits in ihrer ganzen Fülle ausgebreitet
fahrungen des lebendigen Gottes nicht in irgendeiner Weise auch ist, wenn Rahner sich kritisch mit dem Personbegriff auseinander­
Voraussetzung für das Ergriffen-werden-Kónnen in das Mysterium setzt. Ahnliche Beobachtungen gelten schon für Karl Barth. Den­
des Deus trinus? Es ist gewifs ein Fortschritt, wenn Daten der Reli­ noch hat es auch wieder seinen Sinn, wenn die Diskussion um den
gionsgeschichte nicht mehr automatisch eine apologetische Abwehr­ Personbegriff als exemplarischer Ort erscheint, an dem um eine heu­
haltung hervorrufen. Wenn dann innerhalb der Dogmatik selbst tige Fassung der Gotteslehre gerungen wird. Alle Beitráge dieses
Fragen gestellt werden, ob die theologische Spekulation gerade in Bandes - aul3er dem religionsgeschichtlichen, für den diese Thema­
ihrer Ausgestaltung der Trinitatslehre nicht zu sehr den Wurzel­ tik auch nicht unbedingt ansteht gehen auf diese Problematik ein.
grund religios-mythischen Reichtums verloren habe und durch ra-
11 /l. U. 1'. Bahhasar, Theodramatik 11/2: Die Personen in Christus, Einsicdeln 1978,

Vgl. K. Rahner, Theos im Neuen Testamcnt, in: ders., Schriften 1 (1954 u. 6.) 91-167;
10 466.
W Kasper, Der Gott Jesu Christi 184-187. 12 In diescm Band, S.140 (E. Drcwcrrnunn).

14 15
Für den abschlief3enden Beitrag bildete die Frage nach dem Person­ mehrere Implikationen: Auch die neuzeitliche, in mancher Hinsicht
verstandnis das ausdrücklich leitende Thema. gegenüber dem dogmengeschichtlichen Ursprung sperrige Person­
Eine wichtige Einsicht trinitarischer Grundproblematik, die rela­ auffassung hangt mit dem in der christlichen Theologie gebildeten
tiv schnell Konsens finden konnte, scheint mir die zu sein, daf3 die Personbegriff innerlich zusammen. Freilich kann das anthropologi­
trinitarische Ontologie nicht primar nach "Spiegelungen" der trini­ sche Personverstandnis dann auch nicht so neutralisiert und sakula­
tarischen Eigenart Gottes im Sein des Geschópfes "für sich" fragt, risiert werden, daf3 es ohne seine (trinitats-jtheologische Kompo­
sondern ursprünglich von der Okonomie ausgeht, von der Einbezie­ nente noch verstándlich bzw. moglich bliebe. Das Personverstand­
hung des Menschen in das Leben Gottes, das er "für sich" lebt und nis ware auch nicht einseitig "anthropologisch" abzuleiten und
in das er gerade den Menschen als dessen vollendeter Erfüllung hin­ dann erst auf seine Anwendbarkeit auf Gott hin zu überprüfen, son­
ein lieben will. Darin bleiben zwar auch Fragen nach trinitarischen dern es ist - gerade auch seiner Geschichte nach - ein Begriff, der als
"Analogien" interessant, aber die primare Frage ist die unmittelbar wirklich .verstandlicher'' lnhalt aus der Begegnung des Deus trinus
trinitarische Bezogenheit in Schopfung und Heilsordnung selbst. mit seinem zur Gnade und Seligkeit berufenen Geschopf erkannt
Von daher ware das daraus resultierende Personverstandnis selbst wurde oder erkannt werden kann. Die im Rahmen der augustini­
als .Ergebnis'' einer von Gott her auf den Menschen zulaufenden schen Geistexplikation auftretenden Schwierigkeiten, daf3 aus der
Bewegung zu sehen, die in ihrer Bewegungsrichtung von ihrem Ur­ Geistdynamik des Menschen allein kein Weg zum personalen Ver­
sprung her im Menschen angenommen werden und beantwortet stándnis der Trinitát führt, waren bestatigt. Aber andererseits ist
werden muf3. Das unmittelbare Einbezogensein in die okonomische ebenfalls klargestellt, daf3 auch vom menschlichen Du- und Wir­
Trinitat würde es erlauben, einen prazisen Personbegriff zu bilden, Verhaltnis kein unmittelbarer Weg zum trinitarischen Personbegriff
der der bisherigen Vermittlung von einer Geistmetaphysik her nicht führen kann. Wáren nicht damit auch die Schranken beseitigt, die
vüllig entraten muñ, im Gegenteil: die rationalis essentia bleibt der aus der - sicher nicht unbegründeten - Furcht herrühren, ein nur
Raum, in dem sinnvollerweise überhaupt nur von Person gespro­ von unten ansetzendes personales Kommunikationsmodell habe
che n werden kann. Aber es ist nicht der Selbstvollzug des Geistes als doch massiv tritheistische Vorstellungen zum Paten?
auf sein eigenes selbstbewuf3tes Wesen bezogener Vorgang, sondern Die zum kritischen Nachdenken reizende Formel, erst durch die
die Subjekthaftigkeit Gottes als Liebe, die den Personcharakter Gnade werde der Mensch Person, kann freilich nicht besagen und
letztlich bestimmt: "persona est modus existendi rationalis essentiae will es auch in der vorgelegten Form nicht, daf3 das Personsein etwas
ad alium et in alio"!'. Die Mitteilbarkeit "konstituiert" den Zusarn­ zur Natur des Menschen "Hinzugefügtes" sei. Die Berufung zur
menhang von Person und Wesen im Versuch, das Mysterium so aus­ Communio mit Gott und untereinander umgreift die Schopfungs­
zusprechen, daf alle darauf verwandte Logik das Mysterium als wirklichkeit des Menschen so, daf3 diese von ihrem Ursprung her
Liebe erscheinen lañt, die selbst alles Begreifen übersteigt. auf die Communio im Reich Gottes angelegt und entworfen ist.
Die These zur Metaphysik der menschlichen Person mag zunachst Auch dieses Angelegtsein würde schon die Gottebenbildlichkeit der
überraschen: personales Leben gebe es nur in der Gnadenord­ Menschen als Grund haben und seine Personwürde innerhalb der
nung!". Das wird freilich noch einmal prazisiert: Erst durch die Menschengemeinschaft begründen, auch schon vorgangig zur Ver­
Gnade werden geschopfliche Geistwesen "als Personen im trinitari­ wirklichung dieser Gottebenbildlichkeit nicht nur in einer Spiege­
schen und neuzeitlichen Sin n des Wortes konstituiert"!'. Das enthált lung oder Reprasentanz Gottes, sondern dadurch, daf wir bestimmt
wurden, "an Wesen und Gestalt des Sohnes (Gottes) teilzuhaben,
damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei" (Rorn 8,29).
In dicsem Bando S. 162 (L Oeing-Hanhoff).
1.\
Die Tagung endete so mit einer Fülle von Anstófsen, die vielleicht
14 Ebd.147.
15 Ebd.I64. geeignet sind, die Diskussion um das Personverstandnis nicht nur

16 17
weiter-, sondern auch die Richtungen, die in der Tagung als im Au­
1
genblick sich eher alternativ gegenüberstehende Positionen wahrge­
nommen wurden, zusammenzuführen. Das kan n freilich nicht TriniUitstheologie heute
bedeuten, den Personbegriffzugleich als geeignet und ungeeignet zu
bezeichnen, sondern es sind die Fragen, wo man die augustinische Ansatze und Entwürfe
Engführung durchbrechen und wie man tritheistische Befürchtun­
Von Werner Loser SJ, Frankfurt
gen ausraurnen kann. Wenn dazu Anregungen gegeben waren, war
die Mühe nicht vergebens.
Eine Anregung sei noch gegeben. [m Einführungsbeitrag der Ta­
gung ist auf die Beziehung der Gestalt der Trinitatstheologie jeweils l. Wenn von "trinitatstheologischen Entwürfen" die Rede ist, geht
zur Christologie hingewiesen. Es wurde vermutet, daf3 unterschiedli­ es um Darlegungen, die das Wesen und Handeln Gottes als dreiei­
che Ausrichtungen mit einer streng chalkedonischen oder auch neu­ nes ausdrücklich zur Sprache bringen. Von derartiger expliziter Tri­
chalkedonischen Auslegung der Christologie zusamrnenhangen"', nitatstheologie ist die implizite zu unterscheiden. Sie ist gegeben, wo
Der Gedanke wurde im weiteren Verla uf nicht verfolgt. Aber es immer ein theologisches Aussagengefüge trinitarisch gepragt ist. In
scheint, daf die Christologie gerade in die Überlegungen zu einer diesem Sinne bietet beispielsweise die Dogmatische Konstitution
trinitarischen Ontologie starker einbezogen werden müñte, wie ja "Lumen gentium" des II. Vatikanischen Konzils eine trinitarische
der Personbegriff selbst von der Trinitatslehre und Christologie her Lehre von der Kirche", das Dekret "Ad gentes" ein trinitarisches
zugleich entwickelt wurde. Auch hier liegt eine systematisch entfal­ Missionsverstandnis-, die "Allgemeine Einführung in das Stunden­
tete Gestalt im Werk von Hans Urs von Balthasar vor. Konnte eine gebet" ein trinitarisches Gebetsverstandnis-. Solch ein trinitarisches
weitergeführte Person-Metaphysik auch hier zwei unterschiedliche Denken, das sich in den verschiedenen Themenbereichen der Theo­
Gestalten füreinander aufschlief3en? logie zur Geltung bringt, indem es die jeweiligen Begründungsgange
mitbestimmt, hat im Neuen Testament eine tragfahige Grundlage _
Bonn, im April 1984 Wilhelm Breuning wie beispielsweise die thematischen Schriftauslegungen Heinrich
Schliers zeigerr'. Aber nicht nur in derartigen Schriftauslegungen,
auch nicht nur in lehramtlichen Dokumenten, sondern auch in ein­
" In diesem Band, S.26-29 (W. Li:iser). zelnen Neuentwürfen dogmatischer Traktate ist trinitarisches Den­
ken bisweilen greifbar. Man denke hier etwa an Gisbert Greshakes
Buch zur Theologie des geistlichen Amtes in der Kirche .Priester­
sein''>,
Den Spuren solcher impliziter Trinitatstheologie nachzugehen ist
indes hier nicht unsere Absicht. Wir wollen unsere Aufmerksamkeit
vielmehr auf einige heutige Entwürfe expliziter Trinitatstheologie

I Lumen gentium, Nr. 2-4.


2 Ad gentes. Nr. 2-4 .
.1 Stundenhuch, Bd. 1, Freiburg - Einsicdeln 197X. 25*-106*. hes. Nr. 3-10.

4 Vgl. z. B. Über das Prinzip der k irchlichcn hinhcit im Ncucn Testament. in: Der
Geist und die Kirchc (hrsg. von V. Kubina u. K. Lchmann), Freihurg 1980. 179-200,
hes. 181-184.
I Freiburg 1982.

18
19
richten. Es ist bemerkenswert, dañ derartige Entwürfe in den letzten nitat, meinten. Über den Logos, der in Jesus Menschengestalt ange­
Jahren von nicht wenigen Theologen vorgelegt worden sind. In den nommen hat, wurde gesagt, er sei dem Vater óuooúotoc, Über den
60er Jahren - angestoísen durch das 11. Vatikanische Konzil - wid­ Heiligen Geist wurde in das Bekenntnis eingefügt, er werde "mit
meten sich die Theologen der Neubearbeitung vor aJlem ekklesiolo­ dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und verherrlicht".
gischer Fragen. Dann folgte eine Zeit, in der die Christologie im Fortan war nicht mehr nur das dreieine Handeln Gottes in und an
Mittelpunkt der theologischen Bemühungen stand. Und jetzt - so der Welt, sondern auch Gottes dreieines ewiges Wesen und Leben
scheint es - stehen wir in einer Phase, in der die Trinitatstheologie Gegenstand des christlichen Bekennens und des theologischen
ein vorrangig bearbeitetes Gebiet ist. In der Aufeinanderfolge der Nachdenkens. Eine verfeinerte Begrifflichkeit wurde ausgebildet.
genannten Themenfelder kommen im übrigen sachlogische Zusam­ Ganze Gebaude trinitatstheologischer Spekulation wurden im
menhange zum Ausdruck. Die Ekklesiologie weist über sich hinaus Laufe der Zeit errichtet.
auf die Christologie, und diese ruft bald nach einer sie tragenden 1st der Schritt, den die Kirche und ihre Theologie im 4. Jahrhun­
Trinitatslehre. dert setzte, indem sie nicht mehr nur nach Gottes dreieinem Wesen
und Leben, also nach der immanenten Trinitat fragte, christlich zu
2. Eine Neubesinnung auf die Trinitatstheologie war fallig, denn im rechtfertigen? Diese Frage wird nicht erst heute gesteJlt, aber sie ist
Laufe der Jahrhunderte hatte die Trinitatslehre eine Entwicklung auch heute noch nicht einheitlich beantwortet.
genommen, die nun Korrekturen als notwendig erscheinen lieü. Wir Hans Küng", Edward Schillebeeckx" sowie Piet Schoonenberg? -
werfen einen Blick in die Geschichte, um das Gemeinte zu erfassen. um nur einige bekannte Vertreter dieser Richtung zu nennen - hal­
In vielfaltiger Weise spricht das Neue Testament von Gott, dem ten die Entscheidungen des 4. Jahrhunderts je auf ihre Weise für
Schopfer der Welt und dem Vater Jesu Christi, von Jesus, dem Chri­ eine Abkehr von den biblischen Vorgaben und bringen so noch ein­
stus, dem Sohne Gottes, dem Kyrios, und vom Heiligen Geist", Es mal die Auffassungen der liberalen Dogmengeschichtler des frühen
bezeugt also den sich dreieinig mitteilenden Gott, die ókonomische 20. Jahrhunderts zur Geltung. Schoonenberg beispielsweise meint:
Trinitat. Vom 2. Jahrhundert an bildeten die Christen einerseits die "Die Frage, ob Gott abgesehen von seiner heilsgeschichtlichen
regula fidei, andererseits das Taufsymbol aus, in denen dem Ge­ Selbstoffenbarung trinitarisch ist ... , bleibt unbeantwortbar und
heimnis des sich dreieinig mitteilenden Gottes eine gedrangte scheidet damit als sinnlos aus der Theologie aus."!? Diese Auffas­
sprachliche Fixierung zuteil wurde. Das Eindringen mittel- und neu­ sung, der sich nicht wenige Christen - wie es scheint - angeschlossen
platonischer Philosophumena in das christliche Denken und haben, wird zumal unter den Fachtheologen, die sich zu den ein­
Sprechen über Gott, die Ausbreitung der arianischen und makedo­ schlagigen Fragen geauñert haben, nicht allgemein geteilt. 1m Ge­
nianischen Gruppen, die Gottes Einheit im Zeichen der platoni­ genteil: die meisten Autoren neuerer trinitátstheologischer Entwürfe
schen Einheitsspekulation meinten denken zu müssen, führte zu halten es nicht nur für zulassig, sondern für geboten, Aussagen über
einer schweren Identitatskrise der christlichen Kirche und ihrer Gott und sein ewiges dreieines Wesen zu machen. Freilich fügen sie
Theologie. Die Kirche überwand sie, indem sie die arianischen Ten­ sogleich hinzu, dieses müsse, wenn es geschehe, in sachlich besser
denzen auf dem Konzil von Nikaia (325) und die makedonianischen begründeter Weise geschehen, als das früher in der Regel der Fall
Tendenzen auf dem Konzil von Konstantinopel (381) abwies und in war.
ein vorliegendes Taufsymbol Aussagen einfügte, die nicht mehr nur
die Selbstmitteilung des dreieinen Gottes, also die okonomische Tri-
, Christ sein, München 1974,466 f.
8 Jesus - die Geschichte von einem Lebenden, Freiburg 1978, 579-594, bes. 586 .
• Vgl. dazu Franz Josef Schierse, Die neutestamentliche Trinitiitsoffenbarung, in: My­ • Trinitát - der voIlendete Bund, in: Orientierung 37 (1973) 115-1 17.
Sal II (1967) 85-131. 10 Ebd. 115.

20 21
Doch worin besteht der Mangel vieler überlieferter trinitatstheo­ Wesen und Leben entwickeln, die nicht in einem lebendigen Rück­
logischer Entwürfe? Vor allem wohl darin, daf sie sich als ein relativ bezug.zur Lehre von der dreieinen Oikonomia stand.
geschlossenes, in sich stehendes, sich von der trinitarischen Ausle­
gung der Jesusgeschichte gelost habendes theologisches Aussagen­ 3. Die meisten der heutigen trinitatstheologischen Entwürfe ordnen
gefüge darstellten. Diese überlieferten Traktate "De Deo trino" sind die Lehre von Gottes ewigem dreieinem Wesen einerseits und die
unter dem Einfluf der Axiome von Gottes Unveranderlichkeit und Lehre von Gottes gnadiger Selbstmitteilung in Jesus Christus ande­
Unsagbarkeit, die im Kontext der griechischen Metaphysik entwik­ rerseits viel starker einander zu, als dies früher üblich war. Darin
kelt worden waren, gestaltet worden. Zwischen diesen Traktaten kommen sie weitgehend überein, selbst wenn die genauere Bestim­
und den Traktaten "De verbo incarnato", in denen die Christologie mung des Verhaltnisses beider Aussagekomplexe zueinander dann
dargelegt wurde, blieben die Beziehungen auf ein Minimum be­ noch umstritten ist.
schriinkt. Bei zwei Aussagen wird das besonders greitbar. Die eine Ein neueres trinitatstheologisches Werk fügt sich allerdings die­
hangt mit der Auffassung des Thomas von Aquin (vgl. STh III q 3 a sem Rahmen nicht ohne weiteres ein: das Buch von Heinz Wipj1er
5) und der spater auf ihn sich beziehenden Theologen zusammen, "Grundfragen der Trinitatsspekulation. Die Analogiefrage in der
"an sich" hatte jede der drei 'Personen der gottlichen Trinitat Trinitatslehre"!'. Es nimmt sich in der heutigen theologischen Land­
Mensch werden konnen. Lediglich "angemessenerweise" sei es die schaft wie ein Fremdkorper aus. Dies deshalb, weil es die Trinitats­
zweite Person in Gott gewesen, die die menschliche Natur angenom­ spekulation des überlieferten Traktats "de Deo trino" erheblich
men habe. Dies impliziert aber, dañ die zweite Person im dreieinen ausweitet und vertieft, ohne dabei die Basis aller uns zuganglichen
Gott in ihrer Eigenart umschrieben werden kann, ohne daf dabei Aussagen über Gottes ewiges dreieines Leben, also die Oikonomia,
auf die Geschichte Jesu Christi zurückgegriffen werden muñ. So stets mit zur Sprache zu bringen. Wipflers Buch entstammt einer ru­
bleiben das Leben, Werk und Geschick Jesu Christi dem ewigen Le­ higen, eindringlichen Kontemplation und einer starken, auch
ben des dreieinen Gottes weitgehend áuílerlich. Die Oikonomia der sprachschópferischen Spekulation über das Mysterium der gottli­
Offenbarung und Erlósung tritt nur akzidentell zum ewigen Wesen chen Trinitat, Es verdient Respekt. Gleichwohl: es kann für die ge­
Gottes hinzu. Die andere Aussage betrifft den Punkt, wo sich die genwartige Arbeit auf dem trinitatstheologischen Feld kaum als
Lehre von der immanenten Trinitat und die Lehre von der okonorni­ charakteristisch gelten und ist darum wohl auch nicht leicht in sol­
schen Trinitat nun doch unausweichlicherweise berühren: die che Bemühungen integrierbar.
Menschwerdung des ewigen Logos Gottes. Der "Zweck" der Kennzeichnend für die neueren Entwürfe der Trinitatstheologie
Menschwerdung entstammt einem ewigen "RatschluG" Gottes. Die­ ist vielmehr, dañ sie die Lehre von der immanenten Trinitat und die
ser "Zweck" kann aber nicht Gottes ewiges dreieines Sein betreffen Lehre von der ókonomischen Trinitat zueinander ausdrücklich in
und wird darum ganz auf die Seite der Schopfung bezogen. Er wird Beziehung setzen. Das gilt beispielsweise auch für die trinitatstheo­
primar - thomistisch - in der Erlósung des Menschen und sekundar logischen Partien des neuesten Werkes von Yves Congar "Der Hei­
- skotistisch - in der Verherrlichung Gottes gesehen. Diese Verherr­ lige Geist"12.
lichung ist hier aber nicht - johanneisch - als Offenbarung und Er­ Unter den Autoren der neueren trinitatstheologischen Werke sind
weis der Herrlichkeit Gottes durch Gott selbst verstanden; das zwei Fragen in entscheidender Weise strittig. Die eine Frage ergibt
verherrlichende Subjekt ist vielmehr der Mensch Jesus, des sen Gott sich aus dem bisher bereits Gesagten und kann so gefañt werden:
verherrlichendes Sein und Tun der hüchste und letzte Zweck aller wie ist die Zusamrnengehórigkeit zwischen dem ewigen dreieinen
Werke Gottes ist.
Auf der Basis solcher theologischer Optionen konnte sich eine in 11 Regensburg 1977.
sich weitgehend geschlossene Lehre von Gottes ewigem dreieinem 12 Freiburg 1982.

22 23
Wesen und Leben Gottes einerseits und dem dreieinen Handeln ein dem Menschen gnadig sich selbst mitteilender Gott ist. Dabei
Gottes in der Geschichte naherhin zu bestimmen? Oder anders ge­ liegt der Ton darauf, dal3 es Gott selbst ist, der sich mitteilt, und dal3
sagt: wie sind die ükonomische und die immanente Trinitat aufein­ es also nicht etwas von ihm Verschiedenes ist, das er dem nach ihm
ander bezogen? Die andere Frage betrifft die Art und Weise, wie Ausschau haltenden Menschen gewahrt. Der den Menschen sich
sich die Lehre von Gottes Dreieinigkeit zur "natürlichen Gottes­ mitteilende und so die Menschen wirklich erreichende Gott legt sich
lehre" bzw. zur Metaphysik verhalt. Daf die Antworten auf beide in die drei Subsistenzweisen aus, die die christliche Überlieferung
Fragen sachlich und innerlich zusammengehoren, wird sich bei der "Heiliger Geist", Jesus - Gottes Sohn - und Vater nennt: die okono­
naheren Vorstellung von drei neueren Entwürfen zeigen. Sie stam­ mische Trinitat. Rahner formuliert:
men von Karl Rahner, Eberhard Jüngel und Hans Urs von Baltha­ "Insofern Gott als das uns vergottlichende Heil in der innersten
sar. Sie wurden ausgewahlt, weil sie ausgearbeitete und zugleich Mitte des Daseins eines einzelnen Menschen angekommen ist, nen­
einfluísreiche Entfaltungen von unterschiedlichen trinitatstheologi­ nen wir ihn wirklich und in Wahrheit ,Heiliges Pneuma', ,Heiliger
schen Ansatzen sind. Sie markieren in etwa das Feld der derzeitigen Geist'. Insofern eben dieser eine und selbe Gott in der konkreten
Denkmoglichkeiten und stehen somit gleichzeitig stellvertretend für Geschichtlichkeit unseres Daseins streng als er selbst für uns in Jesus
mehrere Entwürfe, die nicht erwahnt werden, obwohl auch sie der Christus da ist - er selber und nicht eine Vertretung - nennen wir ihn
Beachtung wert waren, Einen kurzen Blick werfen wir zwischen­ ,Logos' oder den Sohn schlechthin. Insofern eben dieser Gott, der
durch auf ein neues Buch von Walter Kasper. als Geist und Logos so bei uns ankommt, immer der Unsagbare, das
heilige Geheimnis, der unumfaísbare Grund und Ursprung seines
4. "Die ókonomische Trinitat ist die immanente und umgekehrt", so Ankommens in Sohn und Geist ist und sich als solcher behalt, nen­
hat Karl Rahner 1967 programmatisch formuliert. Was verbirgt sich nen wir ihn den einen Gott, den Vater"!'.
hin ter diesem prágnanten, einen grol3en Schritt über die bisherige Dieser ókonomisch-trinitarische Gott ist - so Rahner - Gott
Trinitatstheologien hinaus wagenden Satz? Karl Rahner geht davon selbst, also nicht ein vom wahren, ewigen, einzigen Gott zu unter­
aus, dal3 die Aussage, in Gott gebe es "drei Personen" und darum scheidender Gott. Rahner formuliert: "Insofern es sich bei Geist,
werde er als dreieiner Gott bezeichnet, heute fast notwendig im Logos-Sohn und Vater in strengstem Sinne darum handelt, dal3 Gott
Sinne eines christlich iIlegitimen Tritheismus miñverstanden wird; sich selbst und nicht ein anderes, von ihm Unterschiedenes gibt, ist
denn "Person" besage heute: Zentrum von Bewuístheit und Freiheit. im strengsten Sinne von Geist, Logos-Sohn und Vater in gleicher
Er schlagt vor, statt von "drei Personen" von "drei distinkten Sub si­ Weise zu sagen, daf sie der eine und selbe Gott in der unbegrenzten
stenzweisen" zu sprechen. Diese Begrifflichkeit lasse sich besser mit Fülle der einen Gottheit im Besitz des einen und selben gottlichen
der christlich verbindlichen Lehre von dem einen einzigen Wesen Wesens sind. ,Für uns' sind Vater, Sohn-Logos, Geist zunachst nicht
Gottes in Einklang bringen. Denn: "Die Einzigkeit des Wesens be­ dieselben. Insofern aber diese Gegebenheitsweisen des einen und
sagt und schlieñt ein die Einzigkeit eines einen Bewufstseins und ei­ selben Gottes für uns die wirkliche Selbstmitteilung Gottes als des
ner einzigen Freiheit"!'. Nach Rahner hat die christliche Theologie einen, alleinigen und selben Gottes nicht aufheben dürfen, müssen
aber nicht nur die Einzigkeit und innere Geeintheit von Gottes We­ die drei Gegebenheitsweisen des einen und selben Gottes ihm, dem
sen, sondern auch die Dreiheit seiner "Subsistenzweisen" zur Spra­ einen und selben, an ihm selbst und für ihn selbst zukommen."!' So
che zu bringen. Das hangt damit und nur damit zusammen, daís Gott ist die okonomische Trinitat die immanente, und die immanente ist
die okonornische. Karl Rahner denkt Gottes Dreieinheit innerhalb
IJ Grundkurs des Glaubens, Freiburg 121982,140; der entscheidende trinitatstheologi­
sche Text K. Rahners ist .Der dreifaltige Gott als transzendenter Urgrund der Heilsge­ 14 Grundkurs des Glaubens 141.
schichte", in: MySal II (1967) 317-401. IS Ebd. 141 f.

24 25
des Rahmens, den ihm zwei Grundoptionen seiner Theologie eroff­ mus"? Theologiegeschichtlich bedeutet "Neuchalkedonismus" eine
nen: dañ - erstens - Gott strikt als der eine Gott zu denken ist - das nach dem Konzil von Chalkedon aufgetretene Strórnung, die die
ist eine biblische und dogmatische Vorgabe, die eine starke Stütze Anliegen der Theologen, die auf dem Konzil von Ephesus (431) den
im Denken der abendlandischen Metaphysik hat - und dañ - zwei­ Sieg davongetragen hatten, noch einmal zur Geltung zu bringen
tens - dieser eine Gott sich als der gnadig den Menschen sich mittei­ trachtete!". Sachlich besagt "Neuchalkedonismus" ein Verstandnis
lende Gott zu erfahren gegeben hat. der hypostatischen Union in Jesus von Nazaret, das die Idiomen­
Rahners Entwurf ist von einer beeindruckenden Geschlossenheit. kommunikation tendenziell als Idiomenidentitat deutet. Das heiñt:
Seine These ist von vielen dankbar und zustimmend angenommen was Jesus seiner Menschheit nach tut oder leidet, das tut oder leidet
worden. Selten hat ein Satz eines Theologen soviel Aufmerksamkeit ebendarin und damit unterschiedslos auch der mit Jesus geeinte Lo­
auf sich gezogen wie Rahners Grundaxiom von der Einheit der im­ gos Gottes, so dañ in Jesu menschlichem Leben und Sterben Gott
manenten und der ókonomischen Trinitat, selbst lebt und stirbt. In diese m Sinne ist der trinitats-theologische
Rahner hat einen Weg gewiesen, wie die unterscheidbaren Mo­ und christologische Satz "Unus ex sanctissima Trinitate passus est"
mente der otxovout« nicht mehr nur durch bloñe Appropriation den eine exakte Zusammenfassung des neuchalkedonischen Konzepts'".
gottlichen Hypostasen zugeordnet werden, sondern in einem inne­ Diese Formel impliziert eine "Personen"-Mehrzahl im dreieinen
ren Zusammenhang mit ihnen gesehen werden konnen. Nach Rah­ Gott.
ner ist nicht jede Subsistenzweise des sich mitteilenden Gottes ihrem Gegenüber dieser "neuchalkedonischen" Christologie und Sote­
Wesen nach geeignet, sich mit einer menschlichen Natur zu einen, riologie, die in der gegenwartigen Theologie eine neue Aktualitat ge­
sondern genau nur die zweite, die in der christlichen Tradition der wonnen hat (z, B. bei H. U. von Balthasar und bei einigen bekannten
Logos oder der Sohn genannt wird. So erschlieñt Rahner die Eigen­ evangelischen Theologen), besteht K. Rahner auf einem "rein chal­
art der gottlichen Subsistenzweisen aus dem dreigestaltigen Gesche­ kedonischen" Verstandnis der hypostatischen Union von Gottheit
hen der güttlichen Selbstmitteilung. Freilich hat die Tatsache, dañ und Menschheit in Jesus von Nazaret. Das bedeutet: das Leben und
K. Rahner die okonomische und die immanente Trinitat durch das Sterben des Menschen Jesus von Nazaret ist nicht unterschiedslos
"ist" und durch das "und umgekehrt" streng und eng aneinander ge­
bunden hat, nicht nur Zustimmung hervorgerufen. Drei Fragen
17 Zum Begriff "Neuchalkedonismus" vgl. A. Grillmeier, Der Neu-Chalkedonismus,
seien hier genannt:
in: ders., Mit ihm und in ihm. Christologische Forschungen und Perspektiven, Frei­
burg 21978, 371-385 (Lit.).
a) Mit dem trinitatstheologischen Konzept, wie K. Rahner es vorge­ 18 Einer der bedeutendsten Neuchalkedonier, Johannes von Skythopolis, formuliert
legt hat, ist eine bestimmte Sicht der hypostatischen Union von beispielsweise: "E~ Ti)c; ayíac; Tpl6.S0C; Tiv BV 1:i¡'l o1:aupi¡'l" (PG 4, 136 CD). - K. Rahner,
a. a. O. 210 f., charakterisiert den "Neuchalkedonismus" so: "Manche Theologen verste­
Gottheit und Menschheit in Jesus von Nazaret und damit auch eine hen die Einheit von Gottheit und Menschheit als Grund der Erliisung so sehr als Ein­
bestimmte Sicht der Weise, wie Jesus von Nazaret für uns heilsbe­ heit, daf3 sie - bei Aufrechterhaltung des chalkedonensischen Dogmas von dem
deutsam ist, innerlich verbunden. Rahner selbst nennt neuerdings Unvermischtsein der Gottheit und Menschheit in Jesus - doch das Geschick Jesu als
ein Geschick von Gott an sich selbst ansehen. Sie deuten also das chalkedonensische
dieses christologische und soteriologische Konzept ein "rein chalke­ Dogma aus der Theologie Kyrills von Alexandrien heraus: "Gott habe gelitten, der
donisches" und stellt es dem von anderen Theologen vertretenen ewige Logos Gottes selbst habe unser Geschick erfahren und unseren Tod, und da­
"neuchalkedonischen" gegenüber" durch seien dieses unser Geschick und unser Tod gerettet und erliist; der Logos des Va­
ters selbst habe unser Geschick mit der Hypothek von Sünde und Tod auf sich
Was meint der (von K. Rahner nicht bejahte) "Neuchalkedonis- genommen und dadurch erlost ...
Die .neuchalkedonensische' Auslegung rnochte die Erliisung (bei aller Aufrechter­
haltung des Mysteriums) daraus verstehen, daf3 Gott gelitten habe, Gott gestorben sei
16 Vgl. zum folgenden K. Rahner, Jesus Christus - Sinn des Lebens, in: Schriften XV und dadurch uns erlost habe; auch wenn sie weif3, daf3 dies ein Mysterium bleibt, ver­
(1983), 206-216. steht sie diese Aussage des ,gehorsamen Todes Jesu' auch von der Gottheit selbst."

26 27
auch das Leben und Sterben des mit ihm eine hypostatische Union Angesichts der Position, die K. Rahner vertritt, darf gefragt wer­
eingegangenen Logos Gottes; den n zwischen Gottheit und Mensch­ den, ob seine "rein-chalkedonische" Christologie und Soteriologie
heit bleibt - gemáíí der Formel von Chalkedon - die Differenz des nicht zu einer Sicht des Kreuzes Jesu führe, die die biblische Bot­
"unvermischt". Wenn Jesus in seiner Menschheit lebt und stirbt, lebt schaft vom Kreuz nicht ganz einholt. Nicht ohne beachtenswerte
und stirbt er wie alle Menschen und ist gleichzeitig vom sich mittei­ Gründe ist die Vermutung geauísert worden, diese Christologie sei
lenden und so erlosenden Gott in einzigartiger Weise angenommen, primar eine .Jnkamationschristologie'' und nicht auch im Sinne der
so daB daraufhin gesagt werden muB: mit ihm hat sich der Logos biblischen Mañgaben in genügendem Maüe eine Kreuzestheologie.
Gottes geeint. Die "rein-chalkedonische" Christologie und Soterio­
logie sagt nicht: Gott selbst lebt und stirbt im Leben und Sterben des b) K. Rahner halt es - mit Recht - für theologisch geboten, Gottes
Menschen Jesus von Nazaret, sondern: der gnadige, sich mitteilende Dreieinigkeit in einer nicht-tritheistischen Weise zu verstehen.
und erlüsende Gott nimmt den lebenden und sterbenden Jesus, der Darum hebt er gerade da, wo es gilt, Gottes Dreieinigkeit zu denken
als solcher an der Seite aller den gleichen Weg gehenden Menschen und zu sagen, Gottes Einheit hervor. Dagegen kann nichts einge­
steht, ano Gott nimmt Jesus freilich in besonderer Weise an, so daB wendet werden; den n daíl der christliche Gott der "eine Gott" ist,
in ihm Gottes gnadige Selbstmitteilung an die Welt irreversibel ge­ gehórt zum Grundbestand der biblischen Botschaft, und das nizano­
schichtlich greifbar wird!", konstantinopolitanische Glaubenssymbol setzt mit dem Bekenntnis
zum "einen Gott" ein. Und doch laBt sich angesichts der konkreten
Art und Weise, wie K. Rahner Gottes Einheit zur Sprache bringt,
19 K. Rahner, a. a. O. 211 f, legt das Konzept des "reinen Chalkedonismus" wie folgt eine Frage nicht unterdrücken. Sie lautet: Stellt sich bei seinen Aus­
dar: "Der Vertreter des reinen Chalkedonismus aber wird an diesem Punkt darauf be­
stehen, daB - bei aller Aufrechterhaltung der hypostatischen Union von Gottheit und sagen über Gottes Einheit nicht die Erinnerung an das Einheitsver­
Menschheit in Jesus - in der Einheit von Gottheit und Menschheit zugleich deren Un­ standnis der abendlandischen Seins- und Geistphilosophie ein, die
vermischtsein bewahrt werden muB; Tod und Endlichkeit gehóren nur zur kreatürli­ die Einheit als Identitat, als Bewuñtsein, als Abwesenheit von Viel­
che n Wirklichkeit Jesu, stehen diesseits des unendlichen Abstandes zwischen Gott und
Kreatur auf der kreatürlichen Seite des einen Gottmenschen; der ewige Logos in seiner heit denkt? Diese Frage unterstellt nicht, K. Rahner gebe die Glau­
Gouheit zoet kónne als solcher keine Geschichtlichkeit, keinen gehorsamen Tod erlei­ bensaussage von Gottes Einheit an die metaphysische Spekulation
den. Der reine Chalkedonismus hat die andere Soteriologie irnrner im Verdacht, insge­ preis. Das ist nicht der Fall. K. Rahner denkt und spricht als christli­
heirn werde in ihr aus einer Idiomenkommunikation (der zwei Naturen) eben doch
eine Idiornenidentitat (von beiden); man lasse den ewigen, über aller Geschichte ste­ cher Theologe. Die Metaphysik vermag von ihren Voraussetzungen
henden, leidlosen Gott als solchen (gnostisch oder schellingisch oder wie imrner) sel­ her die gnadige Selbstmitteilung des heiligen und ewigen Gottes
ber in sich leiden; man meine, unser Geschick dadurch zu erlosen, daB man es in die nicht zu denken. Gerade sie aber ist das Herz der Rahnerschen
Innerlichkeit Gottes selbst hineinverlege. Der reine Chalkedonisrnus wird - bei aller
Anerkennung der hypostatischen Union und der damit móglichen, aber eben auch Theologie. Diese Tatsache wird durch die oben formulierte Frage in
chalkedonisch zu verstehenden Idiomenkornmunikation - betonen, daB Endlichkeit keiner Weise in Zweifel gezogen. Diese zielt auf das Seins- und Ein­
und Tod zunáchst einmal unser zu erlósendes Geschick seien. Es sei dadurch erlóst, heitsverstandnis, das in K. Rahners Theologie gleichwohl insgesamt
daB es auch das Geschick Jesu war; und in ihm kónne und müsse es zwar wegen der
hypostatischen Union mit allem Recht auch vom Logos ausgesagt werden, aber eben und also auch dort, wo es um die Besinnung auf Gottes gnadige
doch nicht so, daJ3 diese Aussage Subjekt und Prádikat, die Ewigkeit der Gottheit und (und dreieinige) Selbstmitteilung geht, wirksam ist. Wird die Bot-
das Leiden der Menschheit in Identitat setzt. Die hypostatische Union sagtjene einrna­
lige, sonst nicht vorkomrnende, uns sonst unbekannte Einheit aus, die in sich selbst die
Unterschiedenheit, die Unvermischtheit einschlieJ3t, die auf Chalkedon als Dogma rührt; denn die Wirklichkeit Gottes und die Kreatürlichkeit Jesu bleiben unverrnischt.
verkündet wurde ... Der ,reine Chalkedoniker' wird immer sagen, Gottes leidlose, heilige Seligkeit habe
Es bleibt zu fragen, wieso wir erlost sind, wenn Gott der menschlichen Wirklichkeit uns ,forrnaliter' erlost und nicht ein in das Innere Gottes - als solchen selbst - hinein­
Jesu unser von Schuld und Tod bestimmtes Dasein zurnutet. Jesu Schicksal ist in einem spekuliertes Irdisches und Endliches; der Tod Jesu, wie immer das weiter erklárt wer­
wahren Sinn Gottes eigenes Schicksal; aber dieses Geschick liiJ3t Gottes eigenes Leben den muJ3, kónne nur die Ursache sein, warum und wie uns Gott seine leidlose Seligkeit
mit seiner Übergeschichtlichkeit und Leidensfreiheit und schuldlosen Seligkeit unbe- zu eigen gibt, sei aber nicht in sich selbst schon (also ,formaliter') diese Erlosung."

28 29
schaft von dem sich gnadig mitteilenden .Gott im Licht eines an der Gottes miteinander identifizieren? Wie die gegen den Arianismus
klassischen Metaphysik orientierten Seins- und Einheitsverstandnis­ auftretenden Vater gesagt haben, konnten die Geschópfe auch nicht
ses ausgelegt und Gottes Dreieinigkeit von daher erschlossen, so dasein, und doch ware Gott trotzdem Trinitat - Vater, Sohn und
bleibt eine Spannung zu der Weise übrig, wie das Neue Testament Geist -, denn die Schopfung ist ein freier Willensakt, wahrend der
das (dialogische) Miteinander von Vater und Sohn (Jesus Christus) Hervorgang der Personen kraft der Natur, kata physin, erfolgt.'?'
und Heiligem Geist bezeugt. Geht es demgegenüber im Zeugnis der
Heiligen Schrift und der kirchlichen Bekenntnistradition nicht um 5. Intentionen vor a11em Karl Barths aufnehmend und weiterfüh­
ein andersgerichtetes Verstandnis der Einheit Gottes, mit dem dann rend und áhnliche Akzente setzend wie Jürgen Moltmann= hat
die Dreieinigkeit Gottes "problemloser" vereinbar gedacht werden Eberhard Jüngel in den letzten Jahren einen hochst beachtlichen
kann? 1m Alten Testament lautet das erste Gebot des Dekalogs: "Du Gesamtentwurf der Trinitatstheologie ins Gesprach gebracht. Er
sol1st neben mir keine anderen Gótter haben" (Ex 20,3; Dtn 5,7). In liegt vor a11em in "Gott als Geheimnis der Welt"23 vor, kommt aber
Ex 34,14 heiíst es: .Du darfst dich nicht vor einem anderen Gott ni e­ auch andernorts zum Tragen. In dem Aufsatz "Das Verhaltnis von
derwerfen. Denn Jahwe tragt den Namen der ,Eifersüchtige'; ein ei­ .ókonomischer' und ,immanenter' Trinitat"> konfrontiert er ihn aus­
fersüchtiger Gott ist er" (vgl. auch Ex 23,13). 1m Neuen Testament drücklich mit K. Rahners Konzeption. Dabei kommt bei a11er be­
findet sich dieser Gedanke in konkretisierter und prazisierter Ge­ achtlichen Nahe der Ansatze eine Differenz zum Vorschein, die - im
stalt. Paulus schreibt an die Korinther: .Was nun das Essen von vorliegenden Zusammenhang - Jüngels Entwurf geradezu als eine
Gótzenopferfleisch angeht, so wissen wir, da13 es keine Gotzen gibt Antithese zu K. Rahners Entwurf erweist.
in der Welt und keinen Gott au13er dem einen. Und selbst wenn es im Jüngel erkennt in Rahners Grundsatz von der Einheit der okono­
Himmel oder auf der Erde sogenannte Gotter gibt - und solche Got­ mischen und der immanenten Trinitat eine Anregung für die fallige
ter und Herren gibt es viele -, so haben wir doch nur einen Gott, den Neubegründung der Trinitatslehre im Rahmen der evangelischen
Vater. Von ihm stammt a11es, und wir leben auf ihn hin. Und einer ist Dogmatik. Inwiefern bedarf die Trinitatstheologie im evangelischen
der Herr: Jesus Christus. Durch ihn ist a11es, und wir sind durch ihn" Raum einer Neubegründung und inwiefern vermag Rahners trini­
(1 Kor 8,4-6)20. tatstheologisches Grundaxiom den Weg dazu zu weisen? Mit Rah­
ner beklagt Jüngel die Funktionslosigkeit des Trinitatstraktates im
e) Vermag Rahner von seinen theologischen Grundoptionen her Ganzen der christlichen Dogmatik und für den christlichen Glau­
wirklich die Freiheit des dreieinen Gottes zu denken? Insofern Got­ bens- und Lebensvollzug. Jüngel lehnt Schleiermachers Meinung,
tes gnadige Selbstmitteilung seitens des Menschen weder erwartet die Hauptpunkte der christlichen Lehre seien von der Trinitatslehre
noch gefordert werden kann, begegnet dem Menschen, wenn Gott unabhangig, ausdrücklich ab. Er fordert stattdessen eine Trinitats­
sich ihm tatsáchlich mitteilt, ein ihm gegenüber freier Gott. Aber ist lehre, die die ganze Theologie durchgehend zu pragen vermag.
Gott in sich als frei sich selbst bestimmender Gott denkbar, wenn tri­ Wie konnte es zu der Funktionslosigkeit der gelaufigen Trinitats­
nitatstheologisch sein ewiges Wesen und seine gnadige Offenbarung lehre kommen? Jüngel antwortet: das altkirchliche Dogma, des sen
so entschieden aneinander gebunden werden? Y. Congar hat in sei­ Erorterung sich die klassische Trinitatslehre angelegen sein lie13,
nem schon erwahnten Werk über den Heiligen Geist dieselbe Frage wurde faktisch in einem unitarischen Sinn ausgelegt, wahrend die
an K. Rahner so gefa13t: "Kann man das freie Mysterium der Oko­
nomie und das innerlich notwendige Mysterium der Drei-Einheit
21 A. a. O. 334.
22 Vgl. vor allem Trinitat und Reich Gottes, München 1980.
20Vgl. dazu H. Schlier, Grundzüge einer paulinischen Theologie, Freiburg 1978, 23 Tübingen 1976.
29-32. 24 In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 72 (1975) 353-364.

30 31
spezifisch trinitarischen Aussagen zu "obsoleten Schulformeln" ver­ eigen ist. Rahner formuliert: "Die Trinitat ist ein Heilsmysterium'?";
blañten, DaB es zu dieser Entwicklung kam, geht auf den Einfluñ zu­ Jüngel nimmt die Aussage aufund formuliert: "Das mysterium trini­
rück, den die metaphysische Gottesauffassung im Innern der tatis ist mysterium salutis'?",
christlichen Theologie ausübte. Sie drangte dazu, über Gott unter Sosehr Jüngel Rahners Grundsatz von der Einheit der ükonomi­
dem Vorzeichen des Apathie- und Unveranderlichkeitsaxiorns zu schen und der immanenten Trinitat im Versuch, die Trinitatslehre in
sprechen, und führte zu der Auffassung, Gottes Wirken nach auísen der evangelischen Dogmatik neu zu begründen, übernehmen kann,
sei durch ungeteilte Einheit gekennzeichnet: opera trinitatis ad extra er stimmt Rahner im Verstandnis dieses Grundsatzes nicht in allen
sunt indivisa. Die Zuordnung der unterscheidbaren Werke Gottes, Stücken zu. Der entscheidende Punkt, den Jüngel herausstellt, ist die
von denen in den Symbola die Rede ist, wurde im Sinne bloñer "Ap­ unterschiedliche Ansetzung des "Grundereignisses" der Identitat
.propriation" verstanden. So hat die faktische Selbstüberlassung der von ókonomischer und immanenter Trinitat. Bei Rahner ist das
christlichen Theologie an die Metaphysik im Bereich der Gottes­ Grundereignis die unio hypostatica der gottlichen Hypostase des
lehre nicht nur dazu geführt, dañ die Trinitatslehre für das Ganze Logos mit dem Menschen Jesus. Bei Jüngel ist das Grundereignis
der Theologie und die christliche Lebenspraxis funktionslos gewor­ die Identifikation Gottes in der Person des Sohnes mit dem Gekreu­
den ist, sondern auch dazu, daís Gott nicht mehr als das Leben und zigten.
die Liebe ausgesagt werden kann. Schon Schleiermacher hat geahnt, Bei Rahner und Jüngel ist die Trinitatslehre an die Christologie
wie der Ausweg aus dieser Situation aussehen muü: Jüngel zitiert rückgebunden. Aber bei dem einen tragt sie primar inkarnations­
seinen Satz: "wir haben ... keine Formel für das Sein Gottes an sich theologische, bei dem anderen primar kreuzestheologische Züge.
unterschieden von dem Sein Gottes in der Welt">. Die Kluft zwi­ Hier zeigt sich, da13 Jüngel bei seinem Vorschlag einer neubegründe­
schen der Lehre von Gottes Wesen und der Lehre von Gottes Wir­ ten Trinitatslehre von Karl Barths Entwurfher denkt. Jüngel vermag
ken ist zu überwinden. So kann es zu einer am Neuen Testament und bei seinem kreuzestheologischen Neuentwurf der Trinitatslehre in
seinem Sprechen über Gott ausgerichteten Neubegründung der Tri­ Anspruch zu nehmen, den Intentionen des Neuen Testaments mehr
nitatslehre kommen. Jüngel sieht in Rahners Axiom von der Einheit zu entsprechen, als dies die klassische Trinitatslehre, die das trinita­
der ókonomischen und der immanenten Trinitát eine wegweisende rische Dogma im Horizont metaphysischer Denkwege interpretierte,
Konkretisierung und Prazisierung des Schleiermacherschen Pro­ zu tun in der Lage war. Der sachliche Gewinn ist der, dañ Gott als
gramms. Leben und Liebe gedacht und gesagt werden kann. Der Grund für
Christologie und Trinitatslehre dürfen im Sinne dieser theologi­ die Denkbarkeit und Sagbarkeit Gottes als Liebe ist der Tod Jesu am
schen Grundeinsicht nicht voneinander getrennt werden. Nur so Kreuz. Jüngel formuliertr , ... Liebeist strukturell zu beschreiben als
wird dem dogmatischen Sachverhalt entsprochen, "daB der christli­ eine inmitten noch so grofler und mit Recht noch so grofler Selbstbezo­
che Glaube, der extra Christum nulla salus kennt, weder zu sagen genheit immer noch grofiere Selbstlosigkeit, bzw. als ein in Freiheit
vermag, wer Jesus Christus ist, ohne ihn als Gott zu verstehen, noch über sich selbst hinausgehendes, sich verstriimendes und verschenken­
zu verstehen vermag, wer Gott ist, ohne seine Identitat mit Jesus aus­ des Selbstverhiiltnis. Als so verstandene Liebe hat sich Gott in dem
zusagen'?". Das Jesusgeschehen zielt auf das Heil des Menschen. singularen Ereignis der Dahingabe Jesu Christi in den Tod erwiesen.
Sofern in Jesus Gott offenbar wird, ist Gottes Trinitat ein "Heilsmy­ Als so verstandene Liebe hat Gott sich selbst in der Person des Soh­
sterium'?", dem die Tendenz, den Menschen mitgeteilt zu werden, nes mit dem Gekreuzigten identifiziert und in der Auferweckung
Jesu Christi von den Toten als Einheit von Leben und Tod zugunsten
25 Der christliche Glaube nach den Grundsatzen der evangelischen Kirche im Zusam­
menhang dargestellt, hrsg. von M. Redeker, 470 (= § 172,1). 28 K. Rahner, Der dreifaltige Gott ... (Anm. 13) 327.
26 Jüngel, a. a. O. 357. 27 Ebd, 2. Jüngel, a. a. O. 358.

32 33
des Lebens offenbart. AIs so verstandene Liebe wurde Gott von den men." Er vermag als Aussage über ein Offenbarungsereignis nur un­
Glaubenden in der solchen Glauben wirkenden Gabe des Geistes er­ ter der Bedingung zu Ende gedacht werden, daf3 die Theologie eine
fahren. Gott ist Liebe also sowohl in seinem Selbstverhaltnis (trinita­ "distinctio rationis" zwischen .okonomischer' und ,immanenter' Tri­
risch geredet: in der Unterschiedenheit und im Aufeinanderbezo­ nitát festhalt, Die Trinitatstheologie ist nach Jüngel die begriffliche
.gensein als Vater, Sohn und Heiliger Geist) als auch im Verhaltnis zu Explikation des geglaubten Sachverhaltes, daf3 nur der gekreuzigte
dem ihm gegenüber schlechthin anderen, dem Menschen. Das inner­ Gott lebt und liebt. Der Preis für eine so radikal ansetzende Trini­
góttliche Selbstverhaltnis ereignet sich als Liebe in derjenigen tatstheologie ist hoch: jede ihr vorausgehende theologia naturalis
Selbstbezogenheit Gottes, die bereits eine noch groñere Selbstlosig­ gilt als unmüglich. Die christliche Rede von der Dreieinigkeit Gottes
keit einschlieñt. Aber eben diese immer noch groñere Selbstlosigkeit -ist die radikale Altemative zu jeder sonstigen Theologie, die Men-
laf3t den sich zu sich selbst verhaltenden Gott in Freiheit .nach au­ schen sich entwerfen mogen,
flen'treten: der Gott, der Liebe ist, schafft sich - ex nihilo - sein an­ Blicken wir auf die beiden skizzierten Entwürfe zurück, so neh­
deres, so daf3 sich die in Jesus Christus offenbar werdende und men wir wahr, daf3 sich beide durch die klassische Metaphysik her­
durch den Geist erfahrbar werdende Liebe schon als innerer Grund ausfordem lassen. Der eine - K. Rahner - gewinnt durch transzen­
der Erschaffung des Menschen erweist. "30 dentale Reflexion einen neuen Zugang zu ihr - schon in "Geist in
Jüngel entwirft die Trinitatslehre im ersten Ansatz soteriologisch Welt" und in "Rorer des Wortes", Die dort entdeckte Zusammenge­
und formuliert von daher ihre ontologischen Implikationen. Gottes horigkeit von Sein und Geist und Einheit übt auch im Bereich des
Wesen und ewiges Sein wird vom Ereignis der Identifikation mit Sprechens über Gott und seine Gnade einen starken Einfluf3 aus.
dem Gekreuzigten her erschlossen, nicht umgekehrt. All dies ist Der trinitáts-theologische Entwurf, in dem die gnadige Selbstmittei­
nach Jüngel bei Rahner zu wenig berücksichtigt, so daf3 Rahner kon­ lung Gottes an die Welt denkend nachvollzogen wird, empfangt von
sequenterweise die Rede vom Tode Gottes, die ja einen auch christ­ daher seine spezifische Pragung. Der andere - E. Jüngel - beachtet
lich legitimen Sinn hat, in seinen Entwurf nicht einzubergen vermag. die Metaphysik auch nur in ihrer letztlich von der griechischen Phi­
Ja, Jüngel stellt sogar die Frage, ob Rahner die Rechtfertigung des losophie herkommenden, dann freilich in immer neuen Abwandlun­
Sünders im paulinischen Sinne zu denken imstande sei. "Kann die gen vorgetragenen Form. Und gerade sie, so erkennt und behauptet
Einheit von ,immanenter' und .ókonomischer' Trinitat christolo­ er, laf3t ein aus dem .Wort vom Kreuz" sich erhebendes trinitari­
gisch ohne die Dialektik von Gesetz und Evangelium gedacht wer­ sches Gottesverstandnis nicht zu. Jüngel hat in "Gott als Geheimnis
den? Entsteht ohne die Berücksichtigung dessen, dañ Christus unter der Welt" über viele Seiten hin dargelegt, daf3 das metaphysische
dem Gesetze lebte und durch das Gesetz als Verfluchter zugunsten Gottesverstandnis zwangsláufig in die Aussage "Gott ist tot" hinein­
der Sünder starb, nicht trotz aller ,heilsgeschichtlichen' Orientierung mündet. Soll Gott dagegen als lebendiger und liebender geglaubt
eine die Geschichte Jesu Christi um ihr Argernis bringende und in­ und bekannt werden konnen, ist von dem mit dem gekreuzigten
sofern dann doch nur formale Identifizierung von .okonomischer' Christus identifizierten und im Wort offenbaren und darum dreifal­
und ,immanenter' Trinitat?"!' tigen Gott auszugehen. Um des Bekenntnisses zum lebendigen Gott
Jüngels Vorschlag eines Neuentwurfs der Trinitatslehre, der Rah­ willen entfaltet Jüngel seinen Neuentwurf der Trinitatslehre aus der
ners Grundaxiom von der Einheit der okonomischen und der imma­ Kreuzestheologie allein und also als Altemative zu jeder Form des
nenten Trinitat zur Geltung bringen will, findet eine knappe, aber metaphysischen Gottesverstandnisses. Gottes Sein ist vorgangig
prazise Zusammenfassung in dem Satz: "Gottes Sein ist im Kom- zum Ereignis seiner Identifikation mit dem Gekreuzigten nicht aus­
sagbar. Angesichts einer solchen Konzeption erhebt sich freilich
ro Ebd. 358f. nicht nur die Frage, wie es um den Wahrheitsgehalt menschlichen
)1 Ebd.360. Redens über Gott vor und neben der kreuzes- und trinitatstheologi-

34 35
schen Rede über Gott beste11t ist, sondern auch die andere Frage, ob 6. Walter Kasper hat in seinem neuesten Werk "Der Gott Jesu Chri­
eine jedes metaphysische Gottesverstandnis ausschlieBende Theolo­ sti"34 ahnliche Fragen an Jüngel (und andere evangelische Theolo­
gie nicht den Bezugspunkt aufgelüst hat, auf den sich ihre Aussagen gen) geste11t. Ohne Zweifel versteht er seinen Entwurf als eine
beziehen, so daB diese nun darin aufgehen, in sich selbst zu schwin­ Alternative zu deren Werken. So legt sich hier ein kurzer Blick auf
genv. Kaspers Buch, das über weite Strecken hin Trinitátstheologie bietet,
Sowohl K. Rahner als auch E. Jüngel gestalten ihre Theologie im nahe.
Blick auf das Gottesverstandnis der abendlandischen Metaphysik, Kasper entfaltet seine Gotteslehre auf die Fragen hin, die in der
der es trotz der unterschiedlichen Formen, in der sie sich im Laufe Neuzeit aufgebrochen sind. Der neuzeitliche Mensch, so weisen be­
der Jahrhunderte darste11te, im tiefsten stets darum ging, das Sein als deutende Gestalten der neueren Philosophiegeschichte aus, meint
Geist und Identitát auszulegen. Freilich tun sie es in verschiedener Gott um der menschlichen Freiheit willen leugnen zu müssen. Er
Weise - der eine, indem er sich durch sie in nicht unwesentlichen vo11zieht sein Leben im Zeichen des Atheismus. Sol1 der Glaube an
Punkten bestimmen laBt, der andere, indem er eine Alternative zu Gott in solch einer Situation als tragfahige Lebens- und Denkmog­
ihr darbietet. Konnten die Fragen, die sich angesichts beider Ent­ lichkeit erschlossen werden, so muB gezeigt werden: die Selbstver­
~ürfe ste11ten, nicht dadurch einer Losung nahergebracht werden, wirklichung des Menschen in Freiheit (Autonomie) wird durch den
daB von einer anderen Voraussetzung ausgegangen würde? Gemeint Glauben an Gott nicht nur nicht behindert, sondern in ihrer Tiefe
ist dies: kann es nicht sein, daB das, was Vernunft und Metaphysik erst eroffnet. In dieser Überzeugung weiB sich Kasper mit vielen an­
bedeuten, selbst eine wesentliche Geschichte hat? Kann es nicht deren christlichen Theologen unserer Zeit einig. Freilich versteht
eine Gestalt von Metaphysik geben, die ihrerseits eine Alternative zu und begründet er den Glauben an Gott anders als nicht wenige von
einer Metaphysik des Geistes und der Identitat ist und als Metaphy­ ihnen, wobei nicht zuletzt an die schon genannten evangelischen
sik der Liebe bezeichnet werden konnte? Angesichts einer solchen Theologen zu denken ist. Sie sehen im modernen Atheismus den an­
Metaphysik brauchte nicht geleugnet zu werden, daB si e, wenn es sie gemessenen Kontext für den Glauben an Gott, der als der gekreu­
tatsachlich gibt, wohl nur da ihre faktische Entfaltung und Beach­ zigte und also der mit der Gottverlassenheit der Welt sich
tung findet, wo Menschen aufgrund ihres Glaubens an das Evange­ identifiziert habende Gott a11ein glaubhaft ist. Von ihnen, die Martin
lium bekennen dürfen: Gott ist Liebe (1 Joh 4). Diese alternative Luthers und Karl Barths Intentionen weiterführen, setzt sich Kasper
Gestalt von Metaphysik dürfte - ihrer Zeit weit voraus - in etwa in ab, indem er die bekannten kritischen Argumente Wolfhart Pannen­
Richard von St. Viktors "De trinitate" (Buch IlI) gemeint sein. In bergs" aufnimmt und ihnen entgegenhalt, Das bedeutet: er entwirft
jüngster Zeit hat K1aus Hemmerle die Konturen einer trinitarischen seine Gotteslehre so, daB sie sich eine "natürliche Theologie" um ih­
Ontologie beleuchtet in seinem gleichnamigen Büchlein "Thesen zu rer eigenen Durchführbarkeit willen voraussetzt.
einer trinitarischen Ontologie"!'. Diese .matürliche Theologie" ist so anzusetzen, daB sie den Anfra­
Welche Moglichkeiten für eine Trinitatstheologie in einer "dialo­ gen des modernen Atheismus standhalt. Der überlieferte Theismus
gischen" Metaphysik der Liebe beschlossen liegen, ist aus den bei­ vermochte dies nicht, weil er zu wenig auf das Freiheitsproblem ein­
den im Folgenden dargelegten Entwürfen erkennbar, vor a11em aus ging. Gerade dies zu tun ist für eine heutige "natürliche Theologie"
dem zweiten. unabdingbar. Eine auf das neuzeitliche Freiheitsproblem aufmerk­
same "natürliche Theologie" - Kasper nennt sie auch "Monotheis­
32 An dieser Stelle sei G. Ebelings dreibandige, trinitarisch strukturierte Dogmatik des
mus" (im Unterschied zum "Theismus") - laBt sich auf die
christlichen Glaubens, Tübingen 1979-1980, wenigstens erwáhnt, An sie kónnen áhn­
liche Fragen wie an Jüngels Entwurf gerichtet werden, obwohl sie sich in Gehalt und
Gestalt in vielem von Jüngels Werk unterscheidet. 34 Mainz 1982.
33 Einsiedeln 1976. 3S Zum Beispiel in: Gottesgedanke und menschliche Freiheit, Góttingen 1972.

36 37
christliche Trinitatslehre hin vereindeutigen und vertiefen. Der Theologie" und die christliche Trinitatslehre verweisen in vielfacher
Glaube an den dreieinen Gott ist die Antwort auf den modernen Weise wechselseitig aufeinander. In der "natürlichen Theologie"
Atheismus. Wo Kaspers Entwurf im theologischen Gesprachszu­ kommen in offen-unbestimmter Form Elemente zur Sprache, die in
sammenhang zu situieren ist und welches seine entscheidende in­ der Trinitatslehre ihre konkrete Prágung erfahren - z. B. die Begriffe
haltliche Perspektive ist, hat er selbst zusammenfassend so formu­ "Glaube", "Geheimnis", "Offenbarung". Die christliche Trinitats­
liert: "Der Weg jenseits von Theismus und Atheismus, wie ihn lehre ist die Gestalt des Monotheismus, die den Intentionen des für
gegenwartig viele mañgebende Vertreter der evangelischen Theolo­ religióse Erfahrung aufgeschlossenen neuzeitlichen Menschen ent­
gie versuchen, ist freilich vor den dem Theismus drohenden Gefah­ spricht.
ren nur dann gefeit, wenn er ... die Fragen des Atheismus nicht Kasper hat mit seinem Buch, dessen viele Vorzüge hier nicht er­
unter Umgehung der Probleme der natürlichen Theologie durch ei­ wahnt werden konnen, die Frage nach dem religiüsen Umfeld des
nen unmittelbaren Sprung in einen vermeintlich radikalen Glauben christlichen Glaubens und nach der Kontinuitat zwischen dem Got­
beantwortet und wenn er die Theismuskritik nicht vorschnell zu ei­ tesbild der "natürlichen Theologie" (und damit auch der Metaphy­
ner Monotheismuskritik ausweitet. Denn der Monotheismus ist die sik) und dem trinitarischen Gottesverstandnis neu gestellt und
Antwort auf die natürliche Frage nach Einheit und Sinn aller Wirk­ beantwortet.
lichkeit. Eben diese unbestimmte offene Frage wird durch die trini­
tarische Selbstoffenbarung Gottes konkret bestimmt, so dañ das 7. Der letzte Autor, des sen Entwurf ausführlicher dargestellt wird,
Trinitátsbekenntnis konkreter Monotheismus und als solcher die ist Hans Urs von Balthasar. Sein gesamtes theologisches Werk hat
christliche Antwort auf die Gottesfrage des Menschen ist."36 trinitarische Konturen. Das beweist besonders deutlich und ein­
Die theologischen Grundoptionen reflektieren sich in der Struk­ drucksvoll sein jüngst erschienenes Werk .Theodrarnatik IV - Das
tur des Buches. Der 1. Teil, "Die Frage nach Gott heute", bietet den Endspiel'?", das als eine Zusammenfassung aller trinitatstheologi­
Entwurf der "natürlichen Theologie", die auf die Anfragen des neu­ schen Überlegungen des Verfassers gelten kann.
zeitlichen Atheismus antworten will. Der 11. Teil, "Die Botschaft Auch von Balthasar hat zu Rahners Grundsatz von der Einheit
vom Gott Jesu Christi", spricht nacheinander über "Gott, den all­ der ókonomischen und der immanenten Trinitat ausdrücklich Stel­
machtigen Vater", über "Jesus Christus, Gottes Sohn" und über den lung genommen. In der Art, wie er dies tut, wird erkennbar, dañ
"Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender". Hier kommt die auch er seine Konzeption im Gesprach mit der Metaphysik entwik­
trinitarische Struktur der altkirchlichen Glaubenssymbole zur Gel­ kelt. Sofern er auf die klassische Gestalt der Metaphysik zu sprechen
tung. Der Sache nach handelt es sich um die Lehre von der "okono­ kommt, würdigt er sie in ihrer relativen Bedeutung. Im übrigen setzt
mischen Trinitat". Der 111. Teil, "Das trinitarische Geheimnis er sich innerhalb seines Werkes eine Metaphysik der Liebe als philo­
Gottes", enthalt die Lehre von der "immanenten Trinitat". Der Weg sophischen Partner seiner trinitarischen Theologie voraus. Beson­
vom 1. zum 111. Teil erscheint als ein Weg wachsender Vereindeuti­ ders deutlich ist das in der Studie "Pneuma und Institution'?".
gung und Vertiefung, der freilich nur darum móglich ist, weil die im Anregungen der sogenannten Dialogphilosophie, wie sie von Buber,
Zeichen des Freiheitsgedankens entworfene "natürliche Theologie" Rosenzweig und anderen entwickelt wurde, sind dabei aufgenom­
(1. Teil) von vornherein damit rechnet, daís Gott sich in Freiheit und men und vertieft worden.
also geschichtlich offenbart, und weil die in Jesus Christus kulminie­ In seinem Beitrag "Der Zugang zur Wirklichkeit Gottes"39 hat von
rende Offenbarung den trinitarischen Gott erschlieíst, der der Got­
37 Einsiedeln 1983.
tesfrage des neuzeitlichen Menschen entspricht. Die "natürliche 38 In: Pneuma und Institution (= Skizzen zur Theo1ogie IV), Einsiedeln 1974,
201-216.
39 In: MySa1 II (1967) 15-45.
3. Kasper, a. a. O. 382.

38 39
Balthasar auf der Grundlage einer dialogischen Metaphysik eine -, aber daI3 er als Gott damit befal3t ist, der nicht erst dadurch ,die
"theologia naturalis" entwickelt. Strukturverwandtschaften zwi­ Liebe' wird, daI3 er die Welt als sein .Du' und ,Gegenüber' hat, son­
schen ihr und den religionsphilosophischen und gnadentheologi­ dern in sich selber und erhaben über alle Welt schon ,die Liebe
schen Entwürfen Maurice Blondels ("Die Aktion"; "Zur Methode ist'."41 Von Balthasar wird nicht müde, Gottes Transzendenz und
der Religionsphilosophie") und Henri de Lubacs ("Le mystére du Freiheit gegenüber seiner Schopfung zu betonen. Gottes G6ttlich­
surnaturel") sind unverkennbar. Der Grundgedanke dieser "theolo­ keit wird nur gewahrt, wenn eine Differenz zwischen Gottes ewigem
gia naturalis" ist dieser: der Mensch entwirft aufgrund seiner End­ Wesen und Leben einerseits und Gottes Handeln im Drama der
lichkeitserfahrung im "Logos" der Philosophie den Gedanken eines Welt andererseits festgehalten wird. Aber die so von der ókonomi­
absoluten, unbedürftigen, unendlichen Grundes aller begrenzten schen Trinitat zu unterscheidende immanente Trinitat ist doch nur
Wirklichkeit, und er entwirft aufgrund seiner Bedrohtheitserfahrung von Gottes trinitarischem Heilshandeln her erschlieñbar. "Bei Her­
im "Mythos" der Religion das Bild eines ihm zugewandten, bergen­ anziehung auíierchristlicher Analogien zur Trinitat ist groñte Vor­
den "Du". Beide Wege der Gottsuche lassen sich vom Menschen her sicht geboten: ihnen fehlt die ókonomische Basis, weswegen sie
nicht zur Einheit fügen. Allein die Selbstoffenbarung des trinitari­ leicht als blol3e Additionen kosmologischer Prinzipien auftreten ...
schen Gottes der Liebe enthalt die Erfüllung der menschlichen und dann über einen Tritheismus nicht herauskommen, oder als drei
Sehnsucht. Die Botschaft vom "absoluten Du" ist dem Menschen Aspekte des Einen ... und dann im Modalismus verharren."?
unerfindlich. Gleichwohl desavouiert sie seine Gottsuche und sein Sosehr auch von Balthasar das Aufeinanderbezogensein der im­
Gottdenken nicht, sondern sie greift sie erfüllend auf. manenten und der okonomischen Trinitat betont, dem Einheitsden­
Von Balthasar betont, daI3 die immanente und die ókonomische ken, wie er es etwa in Hegels Entwurf kennengelernt hat, will er um
Trinitat aufs engste zusammengehoren. Nur von der Christologie jeden Preis entgehen. Leo Scheffczyk", Walter Kasper", Yves Con­
her erschlieñt sich Gottes Dreieinigkeit. "Von Vater, Sohn und Geist gar" U. a. halten ebenso an der reale n Differenz zwischen der okono­
als gottlichen ,Personen' wissen wir einzig durch die Gestalt und die mischen und der immanenten Trinitat fest - dies um der unaufheb­
Verhaltensweise Jesu Christi. Dem heute vielverwendeten Grund­ baren Freiheit und Transzendenz Gottes gegenüber der Welt willen.
satz ist also zuzustimmen, dañ wir von der immanenten Trinitat nur Eine Trinitatslehre, die von der Christologie her errichtet wird,
durch die ókonomische Kenntnis haben und Aussagen wagen kon­ lal3t sich - so von Balthasar - in die engen Linien der klassischen
nen.":" Dieser Satz greift das Anliegen Rahners auf, freilich nicht Geistmetaphysik nicht einschreiben. Sie lal3t sich als psychologische
ohne dañ eine folgenreiche Nuance sogleich hinzugefügt wird. Von Trinitatslehre, die im Einheitsgedanken ihren Ausgangspunkt hat,
Balthasar stellt namlich heraus, "daI3 christlich die okonomische nicht durchführen. Die personaJen Strukturen des Gesprachs zwi­
Trinitat gewiI3 als die Auslegung der immanenten erscheint, die aber schen Personen sind aJs analoges Verstandnismodell geeigneter als
als der tragende Grund der ersten mit ihr gerade nicht einfach iden­ die unterscheidbaren Vollzüge des menschlichen Geistes, wenn­
tifiziert werden darf. Denn andernfalls droht die immanente und gleich auch sie nicht der Erschliel3ungsgrund der trinitatstheologi­
ewige Trinitat Gottes in der ókonomischen aufzugehen, klarer ge­ schen Aussagen sind. Diese liegen in der trinitarischen Oikonomia
sagt, Gott in den Weltprozef hinein verschlungen zu werden und allein. "Das begrifflich einwandfreie thomanische System - das sich
nur durch diesen hindurch zu sich selbst zu kommen. In der durch bewul3t ist, nur eine Annaherung an ein unlüftbares Mysterium zu
Christus eróffneten Trinitát wird beides zugleich kund: dañ sich
Gott als Vater, Sohn und Geist mit der Welt befañt, und dies zu ih­ 41 Ebd.
42 Ebd.
rem Heil - das Trinitatsdogrna ist zutiefst soteriologisch bedeutsam
43 Der eine und dreifaltige Gott, Mainz 1968.
44 Kasper, a. a. O.
40 Theodramatik I112: Die Personen in Christus, Einsiedeln 1978,466. 4' Cangar, a. a. O.

40 41
sein - krankt wie der ganze augustinische psychologische Ansatz an mes Ereignis denkbar wird. Den Weg zu solcher Konkretion lieñ
der Schwierigkeit, Relationen im Innern der gottlichen Substanz sich von Balthasar nicht zuletzt durch einige neuere russische Theo­
nicht als Beziehungen zwischen Personen einsichtig machen zu kon­ logen weisen, unter denen Sergej Nikolajewitsch Bulgakow
nen. Ferner mufs es die Übernahme des platonischen ,bonum diffu­ (1871-1944) der bedeutendste war. In seinem Werk .Du Verbe in­
sivum sui', der gottlichen Selbsthingabe, auf die opera Trinitatis ad carné":" hat Bulgakow die Zeugung des Sohnes durch den Vater und
extra einschranken, da der Sohn zunachst ,nach der Weise der Er­ den Hervorgang des Heiligen Geistes als .Entauüerungen'' zu ver­
kenntnis' hervorgeht, und erst der Geist, nach der Weise der Liebe'. stehen gelehrt. Von Balthasar hat Bulgakows Vorschlag aller sophio­
Wie kan n hier ein Satz wie der aus den Abschiedsreden: ,AH das logischen, ans Gnostische grenzende Dimensionen entkleidet und
Meinige ist dein und all das Deinige ist mein' (Joh 17,10), der natür­ sich den Grundgedanken zu eigen gemacht. Das kan n dann so klin­
lich eine Aussage preisender Liebe ist, als der Ausdruck eines imma­ gen:
nent trinitarischen Verhdltnisses verstanden werden? Wird hier nicht "Man kan n mit Bulgakow die Selbstaussprache des Vaters in der
einfach die Zuhilfenahme des ,modernen personalistischen Den­ Zeugung des Sohnes als eine erste, alles unterfassende innergottli­
kens' notwendig, das ,die Beziehung eines »Ich- zum »Due als der che ,Kenose' bezeichnen, da der Vater sich darin restlos seiner Gott­
Person wesentlich zugehórig' ansieht? Selbst wenn im geschópf­ heit enteignet und sie dem Sohn übereignet: er ,teilt' sie nicht .mit'
lichen Bereich Personen nicht mit dieser Relation gleichgesetzt wer­ dem Sohn, sondern ,teilt' dem Sohn alles Seine ,mit': ,Alles Deinige
den konnen, so wird doch hier die Moglichkeit sichtbar, die ist mein' (Joh 17,10). Der Vater, der ja nicht (arianisch) als ,vor' die­
unerschaffene Person als reine Beziehung auf ein Du zu fassen, weil ser Selbsthingabe existierend gedacht werden darf, ist diese Hinga­
das gottliche Sein reine Aktualitát ist' (L. Scheffczyk, Der eine und bebewegung, ohne etwas berechnend zurückzuhalten. Dieser gottli­
dreifaltige Gott, Mainz 1968). Und geschopflich gesehen ist die volle che Akt, der den Sohn hervorbringt, als die zweite Móglichkeit, an
Entfaltung der immanenten Akte einer Person erst die Folge eines der identischen Gottheit teilzuhaben und sie zu sein, ist die Setzung
interpersonalen Anrufs, einer Hingabe. ,Der Mensch ist primar eines absoluten, unendlichen Abstands, innerhalb dessen alle mog­
nicht ein Ich, das auch fahig ist, Du zu sagen, sondern kraft des An­ lichen andern Abstande, wie sie innerhalb der endlichen Welt bis
gesprochenseins als Du wird er in ursprünglicher Art fahig, Ich zu einschlieñlich zur Sünde hin auftreten kónnen, eingeschlossen und
sagen ... Vom Ich als Ausdruck des in sich stehenden Selbst anthro­ umfangen sind. In der Liebe des Vaters liegt ein absoluter Verzicht,
pologisch ausgehen, heilst ... bereits, die Empórerhaltung des Men­ für sich allein Gott zu sein, ein Loslassen des Gottseins und in die­
schen als seine Wesensgrundlage sanktionieren' (Ernst Michel, Der sem Sinn eine (gottliche) Gott-Iosigkeit (der Liebe natürlich), die
Partner Gottes, Heidelberg, 100f.). So rückt die Beziehung zwischen man keineswegs mit der innerweltlichen Gottlosigkeit vermengen
Personen in den ersten Rang der Bilder und Gleichnisse für das We­ darf, die aber doch deren Moglichkeit (überholend) grundlegt. Die
sen Gottes - ist sie doch das Werthüchste innerhalb der Schopfung - Antwort des Sohnes auf den geschenkten gleichwesentlichen Besitz
und darf als Verstehenshilfe ebenso verwendet werden wie das psy­ der Gottheit kann nur ewige Danksagung (eucharistia) an den vater­
chologische Schema, falls es nur bereit ist, sich (wie das letztere) in lichen Ursprung sein, so selbstlos und berechnungslos, wie es die er­
seiner Tragweite kritisieren zu lassen."46 Die Erschlieñung der im­ ste Hingabe des Vaters war. Aus beiden hervorgehend, als ihr
manenten Trinitat von der trinitarischen Oikonomia her macht es subsistierendes .Wir', atmet der gemeinsame ,Geist', der die unendli­
notwendig, daB die innertrinitarischen Relationen zwischen den che Differenz zugleich offenhaltend (als Wesen der Liebe) besiegelt
Personen noch konkreter gefañt werden. Es gilt ja, sie so zu fassen, und, als der eine Geist beider, sie überbrückt."48
dañ das Kreuz Christi als trinitarisch und soteriologisch bedeutsa-
47 Paris 1943.
46 Pneuma und Institution 203 f. 48 Theodramatik III: Die Handlung, Einsiedeln 1980,300.

42 43
In diesem Entwurf kónnen die trinitarischen Sendungen (missio­ 8. Bei diesem raschen Durchgang durch einige heutige trinitatstheo­
nes) als Prolongationen und Konkretisationen der Hervorgange logischen Entwürfe blieben viele Bemühungen, die ebenfalls eine
(processiones) verstanden werden. Die trinitarischen Beziehungen Erwáhnung verdient hatten, unberücksichtigt. Das Blickfeld war
(relationes) zwischen den Personen haben ihre Eigenart von den doppelt begrenzt: zum einen wurden nur Veroffentlichungen aus
processiones und missiones her. Zwischen der immanenten und der dem katholischen und dem evangelischen Raum zur Kenntnis ge­
okonomischen Trinitat bleibt die Differenz, die um der bleibenden nommen. Etwaige trinitatstheologische Entwicklungen in der ortho­
Freiheit und Transzendenz Gottes der Welt gegenüber gewahrt blei­ doxen Welt hatten ebenfalls zur Sprache kommen müssen. Zum
ben muf3. Im übrigen sind die immanente und die ókonomische Tri­ zweiten gehoren alle Autoren, deren Werke untersucht wurden, dem
nitat engstens aufeinander bezo gen. Die immanente Trinitat ist nur deutschsprachigen Raum ano Der einzige nicht-deutschsprachige
über die okonomische zuganglich ; denn gerade in ihr spricht sie sich Autor, der wenigstens beilaufig erwahnt wurde, ist Yves Congar.
offenbarend aus. Und die ükonomische Trinitat tritt nicht akziden­ Eine Unterrichtung darüber, ob die christlichen Theologien, die in
tell und ohne innere Bezüge zur immanenten hinzu, sondern die Asien, Afrika und Lateinamerika ihre eigenstandige Gestalt zu fin­
ókonomische Trinitat ist eine, ja die einzige Moglichkeit innerhalb den bemüht sind, schon trinitatstheologische Ansatze oder gar Ent­
der ewigen immanenten Trinitat, zu der diese sich aktualisieren würfe hervorgebracht haben, ware zweifellos ebenfalls hilfreich
kann. Gott kann, wenn er will, diese Moglichkeit verwirklichen. Das gewesen. All das hatte jedoch den gegebenen Rahmen gesprengt.
Kreuz, ja der Tod des Sohnes Gottes erscheint als die áuííerste Mog­ Was an ausdrücklichen Anstrengungen, mit dem Judentum, mit
lichkeit im ewigen dreieinen Wesen und Leben Gottes. 1m Blick auf dem Islam und mit den Hochreligionen Asiens über das trinitarische
sie tragt die Menschwerdung kenotische Züge. ABes Geschehen in Gottesbild ins Gesprach zu kommen, bereits geschieht, hatte eben­
Gott ist umfañt vom freien und liebenden Ratschluís des dreieinen falls Beachtung verdient. Daf3 damit ein erstrangiges und gleichzei­
Gottes. tig schwieriges Dialogthema benannt ist, ist unbestreitbar. Es wird
Der trinitatstheologische Entwurf von Balthasars ist zukunfts­ die besten Krafte noch lange i~ Anspruch nehmerr".
trachtig, Er trifft sich mit Jüngels (und anderer evangelischer Theo­ Ein Werk sol1 abschlieísend wenigstens nicht unerwahnt geblie­
logen) Anliegen darin, daf3 auch er in dem Kreuz Christi die ben sein: Henri de Lubacs grof3e zweibandige Studie "La postérité
entscheidende Erschlief3ungssituation der Dreieinigkeit Gottes spiritue11e de Joachim de Flore">", In ihr wird deutlich gemacht, daf3
sieht. Kreuz und Trinitat gehóren zusammen. Und er kommt mit Trinitatstheologie in der Geschichte des menschlichen Geistes nicht
K. Rahner (und anderen katholischen Theologen) darin überein, folgenlos bleibt.
daf3 auch er die Lehre vom dreieinen Gott nicht einfach jedweder
Metaphysik gegenüberstellt, sondern ihre Aufeinanderverwiesen­ 49 Vgl.dazu neuestens K. Rahner(Hrsg.), Der eine und der dreieine Gott. Das Gottes­
verstandnis bei Christen, luden und Muslimen, München 1983.
heit zu denken versucht. 1m Kontext katholischer Theologie ist mit 5. Paris 1979/81.
den Fragen, die zwischen K. Rahner und H. U. von Balthasar bezüg­
lich der Trinitatslehre und der Kreuzestheologie strittig sind, eine
erstrangige Aufgabe für die Zukunft gestellt. Mit K. Rahner kann
man - wie bereits gesagt - die Fragen, um die es geht, auf die eine
Frage zurückzuführen: ist das "Wort vom Kreuz" theologisch im
Zeichen "neuchalkedonischer" oder "rein-chalkedonischer" Inter­
pretationsschemata zu erschlief3en?

44 45
11
Uneingeloste Traditionen der Trinitatslehre
Von Leo Scheffczyk, München

Ein Überblick über das trinitatstheologische Denken und das ent­


sprechende literarische Schaffen der Gegenwart' Hif3t den SchluB
zu, daB die Trinitatslehre, die seit der Aufklarung und seit Kants
Kritik an ihrer angeblich mangelnden Bedeutung für "das Prakti­
sche" 2 an den Rand des theologischen Interesses gerückt war, ge­
gegenwartig wieder erhohte Bedeutung für Glauben und Theologie
gewinnt'. Es kann zwar dahingestellt bleiben, ob damit etwa das
hochgemute Wort Th. Haeckers eingelost ist, der zu einer Zeit, als
auch ein Buchtitel wie "Im Banne der Dreieinigkeit" 4 im christli­
chen Denken starken Widerhall fand, den Satz schrieb: .Alles hangt
an der Trinitat" 5.
Dennoch ist nicht zu bestreiten, daB ein Bedeutungsanstieg der
Trinitatstheologie vor sich geht, der trotz mitgehender Kritik am
Dogma zu vertieftem Verstehen des eigentümlich Christlichen die­
ser Wahrheit führt und die Erkenntnis zutage fordert, daB ohne
diese Wahrheit weder Gott noch die Welt noch ihre Geschichte und
das Schicksal des Menschen im spezifisch christlichen Sinn verstan­
den werden konnen.
Allerdings erbringt ein naheres Eingehen auf die gegenwartige
Trinitatstheologie auch die Erkenntnis, daB die Behandlung der Tri­
nitatslehre von dem starken Drang zu Neuformulierung der traditio-

I Vgl. dazu u. a.: W. Breuning, Trinitátslehre, in: Bilanz der Theologie im 20. Jahrhun­
dert III (hrsg. von H. Vorgrirnler u. R. Vander Gucht) Freiburg 1970, 21-36;
Fr. Courth, Das trinitarische Gottesbekenntnis als die Wesensaussage des christlichen
Glaubens, in: MThZ 29 (1978) 1-19.
2 l. Kant, Religion innerhalb der Grenzen der blol3en Vernunft, Konigsberg 1793
(Werkausgabe VIII, hrsg. von W. Weischedel, Frankfurt 1968).
J Vgl. A. Brunner, Dreifaltigkeit. Personale Zugánge zum Mysterium, Einsiedeln 1976.
• F. Kronseder (Hrsg.), 1m Banne der Dreieinigkeit, Regensburg 1933.
s Th. Haecker, Schópfer und Schópfung, Leipzig 21949, 127f.

47
nellen Aussagen beherrscht isr', der im Endergebnis zu einer der ja nicht zu einer Sammlung von interessanten Splittern aus der
merklichen Distanzierung von der Tradition und zu ihrer kritischen Überlieferung mil3raten darf. Zur Ausgangsbasis darf die Erkennt­
Abstof3ung führt. Sie tritt etwa in Paul Tillichs Behauptung hervor, nis gewahlt werden, daf3 die abendlandische Trinitatslehre vor allem
daf3 das autonome Denken der Moderne seit der Renaissance im So­ katholischer Provenienz bis auf den heutigen Tag von der sog. "psy­
zinianismus wie im Unitarismus berechtigter Weise zu einer Ableh­ chologischen" II Trinitatserklarung Augustins gepragt ist, die wohl
nung des Trinitatsdogmas kam, das in seiner bisherigen Form treffender als anthropologisch-rnetaphysische Trinitatsauffassung
"weder verworfen, noch bejaht werden" 7 kann, oder sie kleidet sich anzusprechen ist. Ihr Nachwirken zeigt sich sogar an solchen Stel­
in die Aussage G. Ebelings, daf3 vor allem die .Auseinanderserzung len, an den en, wie bei K. Rahnerv, eine Absetzung von der augusti­
mit der Glaubensüberlieferung" 8 vordringlich sei, die als "Ballast" nischen Spekulation intendiert und auf eine transzendentale Erfah­
verstanden wird, "von dem man sich trennen muñ" 9. Die Einstel­ rung rekurriert wird, der gegenüber ein Kontrahent, H. Ott, zuletzt
lung zur Tradition ist hier eine vorherrschend kritische, gelegentlich kritisch vermerkt, daf3 der Versuch doch "wieder in der Nahe der au­
auch eine nur selektive. gustinischen Trinitatsspekulation" 13 verbleibe. Auch die etwa von
Demgegenüber ist die gegenteilige Auffassung selten, die etwa W. Philipp zur anthropologischen Neudeutung vorgeschlagenen
H. Thielicke gegenüber der Tradition bezeugt, wenn er erklart: Ternare (u. a. Geist-Seele-Leib) stehen dem naturalistischen augu­
"Deshalb erweckt es Bewunderung, in welchem Maf3e die frühen stinischen Trialismus sachlich nicht fern!", Es dürfte aber einleuch­
Formulierungen der Trinitatslehre Prophetie sind: In ihnen sind na­ ten, daf solcher Augustinismus, der seit dem IV. Lateranense (1215)
hezu alle kommenden Moglichkeiten jener experimenta medietatis - auch kirchlich legitimiert wurde'>, zumindest erganzungsbedürftig
einschlieíslich der modernen Sákularisationen - vorausgeahnt und ist.
in unerhorter Prophylaxe abgewehrt" 10. Hier ist die Überlieferung Ein zweites methodisches Leitmotiv hat bei der Auswahl des
im weitesten Sinn als regulatives, aber auch als konstitutives Prinzip Stofflichen anzusetzen, das überhaupt nur paradigmatisch aufge­
des gegenwartigen Glaubensdenkens anerkannt. führt werden kann. Es mul3 auf die hermeneutische Frage nach dem
Es bedarf keines besonderen Nachweises, daf3 das vorliegende leitenden Interesse einer solchen Neubefragung der Tradition oder
Thema nur nach diesem Prinzip entwickelt werden kann, was nicht einer solchen "relecture theologique" der alten Lehrauñerungen zu­
ausschlieñt, daf die Gedanken der theologischen Tradition nicht rückgehen. Dieses Interesse kann nicht einer rein historischen Vor­
auch kritisch beleuchtet werden sollen. Aber das leitende Interesse liebe für die z. T. staunenerregende Vielfalt der Begriffsbildungen
geht doch dahin, aus der Theologie- und Dogmengeschichte gewisse entstammen, in die man sich geradezu verlieren konnte. Es ent­
Erkenntnisse für die Gegenwart und für das Denken und Sprechen springt vielmehr dem legitimen Antrieb und der Suche nach einer
des Glaubens zu gewinnen. Es sollen aus dieser Tradition Gedanken Antwort auf die in der Gegenwart beschlossenen Probleme, die
und Entwicklungen hervorgezogen werden, die heute abgeklungen moglicherweise durch frühere Losungen eine gewisse Forderung er-
sind, die aber móglicherweise auf die Gegenwartsfragen ein gültiges
Licht werfen konnten. 11 M. Schmaus, Die psychologische Trinitátslehre des heiligen Augustinus, Münster
Damit deutet sich auch schon an, nach welchen methodischen 1927 (Nachdruck 1967).
12 K. Rahner, Der dreifaltige Gott als transzendenter Urgrund der Heilsgeschichte, in:
Prinzipien ein solcher geraffter Überblick ausgeführt werden solite,
MySallI (1967) 317-397, bes. 324ff.
13 H. Ott, Existenz vor dem dreieinigen Gott, in: ders., Wirklichkeit und Glaube Il,
• H. G. Pohlmann, Abril3 der Dogmatik, Gütersloh 1973, 85 ff. Der persónliche Gott, Góttingen 1969, 346.
1 P. Tillich, Systematische Theologie IIl, Stuttgart 1966, 337. 14 W. Philipp, Die Absolutheit des Christentums und die Summe der Anthropologie,
8 G. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens III, Tübingen 1979, 530. Heidelberg 1959, 389 f.
• Ebd. " Vgl. DS 800; L. Scheffczyk, Lehramtliche Formulierungen und Dogmengeschichte
10 H. Thielicke, Der evangelische Glaube 11, Tübingen 1973, 192. der Trinitat: MySal II (1967) 191.

48 49
fahren konnten. Der Rückweg in die Überlieferung steht also letzt­ Binitarisrnus'" und einer "Engeltrinitat" 19 mit der Kennzeichnung
lich unter der Anleitung jener Fragen, welche der heutigen als "heilsokonomische Trinitat" wohl angemessen und zutreffend
Trinitatstheologie aufgegeben sind. umschrieben wurden. Fr. Loofs baute diese Erkenntnis noch mit der
Diesem Interesse liegt zuletzt die Überzeugung zu Grunde, daB Behauptung aus, dañ der okonornischen oder Offenbarungstrinitat
die Überlieferung das Medium darstellt, in dem aller geschichtlicher und der ihr entsprechenden Lehrauffassung nicht nur das hohere
Wandel vor sich geht, das diesen Wandel aber auch erfüllt und Alter, sondern auch die hohere theologische Werthaftigkeit zuzuer­
durchstimmt. kennen sei-", Damit legte sich auch der Gedanke von einer ge­
Geht man nun im einzelnen der Frage nach, welche Motive die ge­ schichtlichen Abfolge von ókonomischer und immanent-spekulati­
genwartige Trinitatslehre bestimmen und antreiben, so wird man, ver Trinitatsauffassung nahe, die etwa die vornizanische Periode mit
unter Einrechnung der Subjektivitat der Erfahrung und Diagnose einer gewissen Ausschlief31ichkeit dem heilsgeschichtlichen Typus,
durch einen einzelnen, etwa auf die folgenden stoñen. Es ist zu­ die nachfolgende Zeit mit Hervorhebung der Scholastik und der
nachst das Interesse an der rechten Bestimmung des Verhaltnisses Neuscholastik dem immanentistisch-spekulativen Typus zuordnete.
von immanenter und ókonomischer Trinitat; es ist ferner das Stre­ Dieser klassizistische Kanon von der Ursprünglichkeit und der
ben nach einer heilsgeschichtlichen Gesamtauffassung des Geheim­ anfanglichen Alleingültigkeit der okonomischen Auffassung bot
nisses; dieses Streben richtet sich darüber hinaus auf die lebensma­ weiterhin Anlañ, die patristische Trinitatstheologie mit Harnack we­
Bige, religiós-heilshafte Verinnerlichung des Geheimnisses in der nigstens a parte potiori als Periode der ókonomischen Trinitatslehre
christlichen Frommigkeit, und es wendet sich heute, deutlich er­ zu bezeichneu", wofür auch die damals aufkommende Einteilung
kennbar, dem denkerischen Problem der Übertragung des Personbe­ der Glaubenswissenschaft in oeconomia und theologia ein gewisses
griffes auf das Geheimnis zu. Argument Iiefertev. Solche Beweisgründe werden nun von der heu­
Diese zeitnahen Fragen sollen die Durchsicht der Tradition auf tigen Lehre oft so verwendet, daB der grundsatzliche Vorrang der
mogliche neue Erkenntniskeime bestimmen. Nach dem genannten ükonomischen Trinitatslehre behauptet wird. Demnach werden
Kanon ist zuerst die Bestimmung des Verhaltnisses von okonomi­ dann auch so unterschiedliche Vertreter einer ersten Trinitatslehre
scher und immanenter Trinitat in der Tradition zu befragen.
Die Lehre von der Idee. In Verbindung mit einer Entwicklungsgeschichte der Ideen­
lehre und der Lehre vom góttlichen Logos, GieBen 1840 (Frankfurt 1966), bes. 340ff.;
1. Okonomische und immanente Triniuit in der frühen Tradition ders., Die christliche Dogmatik, Bd. 1, Freiburg i. Br. 1844 (Unveránderter Nachdruck:
Frankfurt 1967), bes. 1. Teil, §§ 78-103; J. Lebreton, Les Origines du Dogme de la Tri­
nité, Paris 1919.
Seit A. v. Harnack'" und Fr. Loofs'? ist der Blick für den eigenstandi­ 18 Vgl. G. Kretschmar, Studien zur frühchristlichen Trinitatstheologie, Tübingen 1956,
gen Charakter der Trinitatsanschauungen der Frühzeit gescharft 2; vgl. W. Machholz, Spuren binitarischer Denkweise im Abendland seit Tertullian,
worden, die im Gegensatz zu den problematischen Theorien eines Jena 1902.
19 G. Kretschmar, a. a. O. (Anm. 18) 64 f.; vgl. J. Danielou, Trinité et Angélologie dans

la théologie judéo-chrétienne, in: RSR XLV (1957) 5-41; ders., Théologie du judéo­
16 A. v. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte 1, Tübingen 41909 (Neudruck christianisme, París 1958, bes. Kap. 4; J. Barbel, Zur .Engel-Trinitátslehre' im Urchri­
Darmstadt 1964) 576. stentum, in: ThRv 54 (1958) 49-58, 103-112.
17 Fr. Loofs, Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte 1, Halle 1951, 106ff. Aus 20 Vgl. Art. nChristologie" in: RE IV (1889) 29-33.

der alteren Literatur wáren u. a. folgende Werke hervorzuheben: J. Kuhn, Die christli­ 21 A. v. Harnack, Dogmengeschichte 1, 703 u.o.; vgl. dazu W. Marcus, Der Subordina­
che Lehre von der góttlichen Dreieinigkeit, Tübingen 1857; K. F. Noesgen, Geschichte tianismus als historiologisches Phánomen, München 1963, 48ff.; 1. A. Heyns, Die
der Lehre vom heiligen Geiste, in zwei Büchern, Gütersloh 1899; G. Krüger, Das Grondstruktuur van die modalistiese Trinitatsbeskouing, Kampen 1953.
Dogma von der Dreieinigkeit und Gottmenschheit in seiner geschichtlichen Entwick­ 22 A. Grillmeier, Vom Symbolum zur Summa. Zum theologiegeschichtlichen Verstand­

lung, Tübingen 1905; R. Seeberg, Lehrbuch der Dogmengeschichte, 2. Bd.: Die Dog­ nis von Patristik und Scholastik: Mit ihm und in ihm. Christologische Forschungen
menbildung in der Alten Kirche, Leipzig '1923 (Darmstadt 1965); F. A. Staudenmaier, und Perspektiven, Freiburg 1975, 585-636, bes. 592ff.

50 51
wie Irenaus, Tertullian und Hippolyt undifferenziert als Beispiele Antiochien (t 180) akzentuiert. Was der Entdecker des Wortes
für eine ókonomische Trinitatslehre ausgegeben. "trias" für die Trinitatslehre unter Verwendung einschlagiger stoi­
Dagegen lal3t sich bei genauerer Analyse dieser Beispiele erken­ scher Formeln über den logos endiáthetos und den logos prophori­
nen, dal3 hier die Beachtung der immanenten Trinitat durchaus vor­ kós und schliel3lich den logos énsarkos ausführt, zeigt zwar eine
handen ist, ein Umstand, der gerade auch auf die Gegenwartspro­ deutliche Ausrichtung auf die Schüpfung und den Heilsprozel3 und
blematik neues Licht werfen kann. die diesem Prozel3 entsprechenden Funktion des logos wie der so­
Es ist námlich bezüglich des ursprünglichen Gebrauchs des Be­ phia. Aber der Vater trug den Logos immer unausgesprochen in sei­
griffes oeconomia zu erkennen, dal3 er nicht nur das sich nach aul3en nem Inneren und auch nach der Heraussetzung des Logos blieb der
wendende Offenbarungsgeschehen und die Ausführung des Welt­ Vater in Ewigkeit mit seinem Wort zusammen, ohne dal3 über die
planes Gottes umfal3t. Schon die im Epheserbrief genannte oikono­ Art dieses Zusammenseins Ausführliches gesagt würde=.
mia tou mysteriou (Eph 1, 10; 3,9) meint etwas über das auñere Dagegen spricht Tertullian, den man nicht zu unrecht im Abend­
Schopfungs- und Offenbarungshandeln Gottes Hinausgehendes, et­ land als den Prototyp einer ükonomischen Trinitatslehre ausgibt,
was dieses Handeln Transzendierendes: namlich die innergottliche auch von der innertrinitarischen Okonornie im Zusammenhang mit
Okonomie selbst, welche den Grund und die Norm abgibt für die der gegen die Monarchianer gerichteten Erklarung, dal3 Gott vor der
auñere geschichtliche Okonomie>. Es ware daraufhin nicht uner­ Weltschopfung seine Einheit in eine VielfaIt ausfaltet-'. Wenn diese
laubt, von zwei Okonomien zu sprechen, welche die theologische Er­ Erklarung auch mit Hilfe des Substanzbegriffes und seiner Abstu­
kenntnis schon von Anfang an ineinandergefaltet und miteinander fung vermittels der Schopfungsfunktion von Sohn und Geist die
verbunden sah. Es ist deshalb nicht ganz zutreffend, von zwei nach­ bleibende Personalitat von Sohn und Geist noch nicht garantiert, so
folgenden Schritten zu sprechen, mit welchen die frühen Kirchen­ erscheint doch in diesen Gedanken die heilsgeschichtliche Trinitat
schriftsteller und Vater von der Okonomie zur Theologie aufgestie­ bereits ins Metahistorische zurückgeführt. Die Okonornie ist hier
gen wáren, ebenso auf die Trinitat zurückbezogen wie bei Hippolyt, der erklart,
Sie betrieben vielmehr immer beides zusammen, wenn auch in dal3 gemáñ der Okonomie in der Gottheit drei sind".
verschiedener Gewichtung und Intensitat. Das lal3t sich andeutungs­ Auch für die Alexandriner K1emens und Origenes gilt, dal3 sie die
weise etwa schon bei Justin (t 165) erkennen, der den Logos aus geschichtliche Okonomie transkosmisch und transhistorisch im Va­
dem Willen des Vaters im Zusammenhang mit der Schopfung her­ ter wurzeln lassen und dal3 sie das triadische Heilshandeln Gottes
vorgehen lal3t, aber dabei doch eine Entsprechung zwischen dem auf seine innere, immanente Zustándlichkeit zurückführen, die frei­
Geschehen in Gott, das jedenfalls logisch vorausgeht, und der Au­ lich noch nicht genügend geklart ist, wenn Origenes den Logos etwa
l3enwirkung des Logos erkennen lal3t24. als den "deuteros theos" bezeichnet-", was den subordinatianischen
Auf die Beobachtung eines Innenverháltnisses weist bei Justin Einschlag seines Denkens kennzeichnet und bei ihm die Problema­
auch der Gedanke hin, dal3 der Vater beim Hervorgang des Logos tik des Christusgebetes aufkommen lal3t30•
von diesem nicht geschieden wird und dal3 er seine dynamis logiké
nicht verliert".
Noch deutlicher wird das Innenverhaltnis des Logos in der im üb­ 2. J. Barbel, a.a.O. (Anm. 24) 49f.; Theophilus, Ad Autol. 2,10.15.
Adv. Prax.; 2; 7. Herrn. 5, 1; vgl. Sto Ouo, "Natura" und "dispositio". Untersuchung
rigen wenig ausgeglichenen Trinitatsauffassung des Theophilus von 27

zum Naturbegriff und zur Denkform Tertullians, München 1960; J. Barbel, a. a. O.


(Anm. 24) 55 ff.
2' W Marcus, a.a.O. (Anm. 21) 53. 2' W Marcus, a.a.O. (Anm. 21) 56.
24 Vgl. J. Barbel, Der Gott Jesu im Glauben der Kirche. Die Trinitlitslehre bis zum 29 Cels. 5,39; princ. 1,2,13; L. Scheffczyk, a.a.O. (Anm. 15) 171 f.
5. Jahrhundert, hrsg. von A. Fries, Aschaffenburg 1976, 48f. 'o Vgl. dazu W Gessel, Die Theologie des Gebetes nach "De Oratione" von Origenes,
2' Justin, Dial. 128. München 1975, 96ff.

52 53
Andererseits sind gerade die subordinatianistischen Tendenzen, Unterordnung des menschgewordenen Logos und in ihm der ganzen
die die ganze vornizanische Epoche durchziehen, nicht mit dem for­ Menschheit unter den Vater. So gibt es gute Gründe, die Zurückhal­
mellen Subordinatianismus der Arianer zu verwechseln, die den tung des Origenes gegenüber einer proseuché an den Logos auch
Sohn direkt als Geschopf des Vaters verstanden. heilsokonomisch zu erklaren und dabei zu berücksichtigen, daB er
Daraus laBt sich nun auch die für unsere Gegenwartsproblematik das Gebet zum Vater "nicht ohne den Hohenpriester" (d.h. nicht
belangvolle SchluBfolgerung ableiten, daB eine, wenn auch nur spu­ ohne Christus) geschehen laBt33•
renhaft entfaltete, immanente Trinitatsauffassung die relativ beste Wagen wir von dieser noch unentfalteten Einheitsauffassung von
Gewahr gegen die Abweichungen des Modalismus wie des Subordi­ "Okonomie" und "Theologie" den Sprung zur Anwendung auf die
natianismus bietet. Gegenwart, so laBt sich sagen: die vielberufene Formel "die imma­
Die Arianer übergingen das den vorarianischen Subordinatianern nente Trinitat ist die ókonomische Trinitat und umgekehrt" ist einer
bei all ihrer geschichtlich-kosmologischen Ausrichtung eignende in­ Klarung bedürftig. Wenn dieser Satz auf der seinshaften Ebene 10-
nertrinitarische Interesse. An seine Stelle trat ein analogiefeindli­ ziert und ontisch verstanden wird, ist er geradezu selbstverstandlich,
ches rationales Denken mit einseitig ethizistischer Abzweckung der wie er auch durch die frühe Einheit von theologia und oiconomia ge­
Christusauffassung, d. h. seiner Deifizierung. Bei ihnen fehIt ein deckt ist. Wenn er dagegen ontologisch oder metaphysisch verstan­
ernstliches Interesse am vorweltlichen Sein und Tatigsein Gottes, den wird, wenn dann etwa die innertrinitarische Sohnschaft mit der
das auch nicht ausgeglichen wurde durch spekulativ gehaltene Fra­ heilsokonomischen Sohnschaft gleichgestellt wird, wie das bei
gen wie etwa die folgende, mit der sie sogar die Frauen auf der Schoonenberg geschieht>, dann sind die processiones nicht mehr
StraBe zu verwirren suchten: "Hattest du einen Sohn, bevor du ge­ von den missiones unterschieden. Das hat zur Konsequenz, daís die
barst?"31 Hier trat an die Stelle der Theologie eine rationalistische Trinitat erst durch die Heilsgeschichte konstituiert wird und daB sie
Technologie, die Gott im Grunde nur nach dem negativen aristoteli­ folgerichtig, wie es bei Tertullian zu geschehen scheint, am Ende des
schen Einheitsbegriff denken konnte, namlich als Fehlen jeden Ge­ Heilsprozesses wieder in die Einheit zurückmündet. Die ontologi­
teiltseins. Darum konnte der Arianismus zuletzt auch kein lebendi­ sche Differenz zwischen Wesen und Erscheinung, zwischen Sein
ges Weltverhaltnis Gottes annehmen, was Athanasius mit seinem und Offenbarung muB gewahrt werden. So kann gerade an den An­
kritischen Satz richtig beurteilte: .Wenn Gott ohne immanente Zeu­ fangen der Tradition erkannt werden, daB sie, obgleich sie ein star­
gung ist, so ist er auch ohne (heilsgeschichtliche) Wirksamkeit." 32 kes Interesse an der Heilsokonomie hatte, dennoch, wenigstens
Vom vorarianischen Subordinatianismus ist dagegen zu sagen, ansatzweise, die Notwendigkeit der immanenten Trinitat nicht au­
daB er gerade wegen seiner Rückbindung an die immanente Trinitat, Ber Blick geraten lieB. Und dies nicht nur aus methodisch-theologi­
auch wenn diese noch in mancherlei Hinsicht unentwickelt war, schen Gründen, sondern aus der Erkenntnis heraus, daB eine
doch niemals die Auffassung vom Logos als Geschopf inkurrierte, Offenbarungstrinitat, die nicht zuvor in sich selbst trinitarisch struk­
so daB dieser Subordinatianismus ein heilsgeschichtlicher bleibt, turiert ist, von einer Scheintrinitat oder einem willkürlichen Trinita­
der innertrinitarisch gebunden ist. Deshalb ist auch der Subordina­ rismus nicht abgesetzt werden kann. Aber sie kan n sich auch der
tianismus des Origenes kein ontisch-ousiologischer, sondern ein sol­ Fülle des christlichen Erlósungsgeheimnisses nicht versichern, auf
cher der seinshaften Vorbildlichkeit für die. heilsgeschichtliche die in der Folgezeit Athanasius (t 373) und die griechischen Vater
den Nachdruck legten; denn, wie neuerdings y. Congar bemerkt, ist
JIAthanasius, Apologia contra Arianos 26ff.; vgL W Marcus, a.a.O, (Anrn. 21) 99.
J2Ebd. 105; vgL dazu etwa die Stellungnahme des Hilarius von Poitiers: P. Smulders,
La doctrine trinitaire de S. Hilaire de Poitiers (Analecta Gregoriana, XXXII), Rom 33 De oratione 15, 1; W Gessel, a. a. O. (Anrn. 30) 96.
1944; P. Loffler, Die Trinitiitslehre des Bischofs Hilarius von Poitiers zwischen Ost und 14 P. Schoonenberg, Trinitiit - der vollendete Bund. Thesen zur Lehre vom dreipersón­
West, in: ZKG, 4. Folge IX, LXXI. Bd., Stuttgart 1960,26-36. lichen Gott, in: Orientierung 37 (1973) 115ff.

54 55
zu fragen: "Was kann eine Kommunikation der drei Personen mit die Trinitat mit Betonung als "trinitas creatrix" verstanden, was of­
uns noch sein, wenn sie nicht vorerst drei Personen sind" 35. Auch fensichtlich der neuplatonischen Vorstellung von einem Ausgehen
eine rein apophatische Theologie von den drei Personen, wie sie der Dinge aus der transzendenten Gottheit nahekommt, auch wenn
spater Dionysius und Photius vertraten und wie sie Maximus Con­ Eriugena bemüht ist, dieses Ausgehen mit dem Willen Gottes zu ver­
fessor wieder aufzubrechen suchte, vermag den Heilssinn der oko­ binden ". So wird, unter deutlicher Vernachlassigung der innergóttli­
nomischen Trias nicht zu halten, die niemals vor der Gefahr gefeit chen Beziehungen, der Sohn zwar als Wort des Vaters bezeichnet,
ist, im Modalismus und damit im alten Judentum zu enden. Diese aber es ist damit das Schopfungswort gemeint, genauso wie der Hei­
grundsatzlichen Verhaltnisse hat uns die Frühzeit erhellt. lige Geist nicht eigentlich als donum zwischen Vater und Sohn gese­
Freilich ergab sich aus dem antiarianischen Affekt in der Folge hen wird, sondern als "distributor donorum" an die Geschópfe".
eine überstarke Fixierung auf die immanente Trinitat, was sich Wahrend im Logos die idealen Prinzipien der Dinge ruhen, faltet
schon bei den Kappadoziern trotz ihrer dynamischen Auffassung der Geist dieselben in die Gattungen, die Arten und die Einzeldinge
von den Hervorgangen aus dem Vater zeigte und was im Abendland aus. Auf diese Weise wird die Trinitat in den Weltprozeñ hineinge­
auch bei Augustinus zum Vorschein kam. Von daher wird man sagen zogen und dieser umgekehrt zum Konstitutiv eines universal en Tri­
kónnen, dañ die Lehre von der heilsokonomischen Trinitat auch in nitarismus, der aber mehr auf die Geschichte des Kosmos als auf die
der alten Zeit mehr im Grundsatzlichen vorhanden und sozusagen Geschichte des Heils in ihm ausgerichtet ist. Die Trinitat wird von
in den Pfeilern der beiden Sendungen grundgelegt war, aber nicht ei­ Eriugena gleichsam als ein dynamisches Weltgesetz entwickelt, dem
gentlich über diesen Pfeilern errichtet und ausgeführt wurde. gegenüber schon F. Chr. Baur" (t 1860) fragte, ob die Dreieinigkeit
Wenn deshalb heute das Interesse vorzüglich auf eine heilsokono­ noch eine objektive Geltung besitze oder nicht besser als Reflex ei­
mische Trinitatslehre gerichtet ist, so darf sich dieses Interesse an ner Dreiheit von Bewegungen im Menschengeist zu verstehen sei.
den in der frühscholastischen Tradition ausgebildeten Formen der Das Beispiel des groñen Iren zeigt auch, daíl nicht jede universal
heilsgeschichtlichen Trinitatsauffassung orientieren. und geschichtlich ausgerichtete Trinitatslehre einen eigentlich heils­
theologischen Antrieb besitzen muf und daf die kosmologische
Ausrichtung nicht schon eine Garantie für die heilsokonomische
2. Die heilsgeschichtlichen Deutungen in der Frühscholastik Vertiefung bietet. Auch dieser Mangel resultiert zuletzt aus einer Ge­
ringachtung der inneren Lebensvorgange der Trinitat, aus denen al­
1m Ausklang der patristischen Epoche hat der einsame Denker Jo­ lein ein gnadenhaft-heilshaftes Wirken für die Welt erschlossen
hannes Scotus Eriugena" eine geschichtlich-spekulative Deutung werden kann.
der Trinitat vorgelegt, die den in der Patristik vorhandenen univer­ Diese Schwierigkeit haben die nun eigentlich heilsokonornischen
salgeschichtlichen und kosmologischen Ansatz erstmals auf die Trinitatsentwürfe des frühen Mittelalters besser bedacht, die aus der
ganze Geschichte anwandte, die freilich weniger als Heilsgeschichte Mónchstheologie kommen und wohl in Ruperts von Deutz (t um
denn als kosmologischer Prozeñ gedeutet wurde. Entsprechend wird 1130) Werk "De sancta Trinitate et operibus eius" ihren eindeutig­
sten Ausdruck gefunden haben. Die heilsgeschichtIichen Konzepte
der Patristik, selbst eines Irenaus von Lyon, blieben doch mehr An-
" Y. Cangar, Der Heilige Geist, Freiburg 1982,396; vgl. J. BUz, Die Trinitiitslehre des
hl. Johannes von Damaskus. Mit besonderer Berücksichtigung des Verhaltnisses der
griechischen zur lateinischen Auffassungsweise des Geheimnisses, Paderborn 1909;
M. Gomes de Castro, Die Trinitiitslehre des hl. Gregor von Nyssa, Freiburg 1938. 37 De divisione naturae 11, 23.
36 Vgl. zum folgenden L. Scheffczyk, Die Grundzüge der Trinitiitslehre des Johannes 38 Ebd. 11, 22.
Scotus Eriugena, in: Theologie in Geschichte und Gegenwart. Michael Schmaus zum 39 F. Chr. Baur, Die christliche Lehre von der Dreieinigkeit und Menschwerdung Got­
60. Geburtstag, hrsg. von J. Auer u. H. Volk, München 1957,497-518. tes in ihrer geschichtlichen Entwicklung Il, Tübingen 1842,318.

56 57
satze und Entwürfe, denen gegenüber Rupert eine regelrecht durch­ seine exinanitio mit Leiden und Kreuz grundsatzlich schon einge­
geführte konkrete Geschichtsdarstellung bietet. bracht; dies freilich nicht, weil durch Gott selbst ein naturhafter RiB
Der aus einer kontemplativen Versenkung in die Heilige Schrift des Schmerzes ginge, sondern weil der Vater den Sohn von vornher­
kommende Grundgedanke des Deutzer Abtes, der von geistlicher ein aufstellte .formam habendo circumscriptam ex natura hu­
Erfahrung innerviert ist und den biblischen Allegoriker schon als ei­ mana" 42.
nen trinitarischen Mystiker erkennen laüt, ist der von der "dispensa­ Dieser gleichsam in die innertrinitarische Relation zwischen Vater
tio sacramenti absconditi" 40, worunter Rupert etwas Spezielles und Sohn eingefügte Welt- und Erlosungsbezug erlaubt dann dem
versteht, namlich: die Veróffentlichung des Christusgeheimnisses Deutzer Abt jene universaltrinitarische Spekulation über die Werke
als des Zieles des gottlichen Welthandelns, das als ein gewaltiges der Trinitat in der Welt- und Heilsgeschichte, in der den Personen
Schauspiel (spectaculum) vor Engeln und Menschen dargestellt nicht nur bestimmte opera zugeschrieben werden - und dies im
wird. Sinne Ruperts nicht nur auf appropriative Weise - sondern in der
Dieses Drama, das nach Rupert seinen Sinn in der Menschwer­ die Schopfungs- und Heilsgeschichte selbst auch eine triadische
dung und im erlósenden Leiden des Menschensohnes hat, ware aber . Struktur darbietet, die durch die Einschnitte markiert wird: "Sün­
nicht zu verstehen, wenn es nicht trinitarisch verwurzelt ware. Hier denfall", "Tod und Auferstehung Jesu Christi" und Vollendung der
nimmt Rupert sachlich das spater von Bonaventura gepragte Axiom Welt, welche das Werk des Heiligen Geistes ist.
voraus: "Incarnatio non cognoscitur, nisi cognoscatur distinctio per­ Schon Origenes versuchte seine Trinitatsauffassung in einen uni­
sonarum."41 So bezieht er folgerichtig auch die innertrinitarischen versalgeschichtlichen Rahmen einzubeziehen, indem er dem Vater
Beziehungen in sein Denken ein, isoliert sie aber nicht, wie die Grie­ das Wirken in allen Wesen zusprach, dem Logos das Wirken in den
che n nach den Kappadoziern, von den auñergottlichen Wirkungen, Vernunftwesen, dem Geist das Wirken in den Heiligerr", Dieses Mo­
sondern unterwirft sie bereits dem heilsokonomischen Ductus, vor dell erscheint wie eine Nebenordnung der Werke der drei Personen
allem der vierfachen "dispensatio sacramenti", die in Christus ge­ und ihre rein statische Applizierung auf drei verschiedene Wirklich­
schieht, wozu incarnatio, passio, resurrectio und ascensio gehóren. keitsbereiche. Das Konzept des Abtes von Deutz ist dagegen das ei­
Diese dispensatio Christi ist naherhin in der innertrinitarischen nes sich geschichtlich ausdehnenden und doch verbundenen
Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn angelegt, welche eine Kontinuums, dem die drei Personen in je eigentümlicher Weise zu­
Beziehung der gehorsamen Sohnschaft ist, vermóge deren der Sohn geordnet sind.
immer schon als die menschenformige Weisheit gilt. Diese stellt Dabei bedenkt Rupert durchaus schon die Aporie, in die das
gleichsam eine Bürgschaft dar für die Integritat der Schopfung und Axiom "opera Dei ad extra indivisa" hineinführen konnte. Er ver­
der menschlichen Natur. So ist der Logos als das Wort des Vaters sucht dieser Aporie so zu entgehen, dañ er die eine Person niemals
schon als versóhnendes Wort an die Menschheit entworfen und von den anderen getrennt handeln laBt, so dañ sie in den opera ad
extra zusammenwirken, aber doch derart, dals jedes Werk nach au­
40 So in De gloria et honore Filii hominis XIII (CChr. CM. XXIX ed. H. Haacke); vgl. Ben nach der Ordnung der Hervorgange erfolgt und daraufhin die
auch L. Scheffczyk, Die heilsgeschichtliche Trinitatslehre bei Rupert von Deutz und spezifische Ursachlichkeit der drei Personen gemañ der Ursprungs­
ihre dogmatische Bedeutung, in: Kirche und Überlieferung. Josef Rupert Geiselmann
folge gewahrt bleibt.
zum 70. Geburtstag, hrsg. von J. Betz u. H. Fries, Freiburg 1960,90-118; vgl. vor allem
die viktorinische Schule: A.-M. Ethier, Le "De Trinitate" de Richard de Saint-Victor, Das erbringt bezüglich des Erlósungswerkes des Sohnes keinerlei
Paris-Ottawa 1939; J. Hofmeier, Die Trinitátslehre des Hugo von St. Viktor, dargestellt
im Zusammenhang mit den trinitarischen Strómungen seiner Zeit, München 1963;
H. Wipfler, Die Trinitátsspekulation des Petrus von Poitiers und die Trinitátsspekula­ 42 De gloria et honore Filii hominis XIII; vgl. M. A. Schmidt, Gottheit und Trinitát
tion des Richard von St. Viktor. Ein Vergleich (BGPhMA, XLI, 1), Münster 1965. nach dem Kommentar des Gilbert Porreta zu Boethius, De Trinitate, Basel 1956.
41 Bonaventura, Hexaemeron, 8, 11. 43 Vgl. R. Seeberg, Dogmengeschichte 1. Leipzig 31922, 514f.

58 59
Schwierigkeit. Aber Rupert versucht auch, wenigstens andeutungs­ Einheit, die nur eine "unitas collectiva seu similitudinaria" 44 sein
weise, bezüglich der letztintendierten Wirkung des Heiligen Geistes, sollte, g1eichsam tritheistisch aufgelockert und dadurch unstabil ge­
namlich seiner Einwohnung im Begnadeten, zur Annahme einer worden. So wird verstandlich, dal3 seine Drei-Zeiten-Lehre anders
nicht nur appropriierten, sondern eigenpersónlichen Einwohnung strukturiert ist als die des Rupert von Deutz. Bei diesem liegt das
des Heiligen Geistes vorzustoñen, wie etwa der Satz zeigt, dañ die Hauptgewicht auf den tria opera trinitatis, deren Aufeinanderfolge
Schrift "saepius et singulariter" die Einwohnung vom Heiligen Gei­ nicht ausschlieñlich chronologisch gemeint ist. Joachim macht dar­
ste aussage. aus drei chronologisch ablaufende und inhaltlich unterschiedene
An dieser Stelle wird auch sichtbar, daf eine solche Heilsokono­ Zeitalter mit genauen zeitlichen Fixierungen (z. B. mit einer Festle­
mie offen ist für die Aufnahme der individuellen Heilsverwirkli­ gung der Kirchenzeit auf 1260 Jahren) und genauen Standeunter­
chung im einzelnen begnadeten Menschen, und zwar nicht in der scheidungen wie zwischen Klerusstand und Monchsstand im 2. und
unvollkommenen Weise des Lombarden, der die Gnade einfach mit 3. Weltalter, wie überhaupt die welthaft-dualistischen Ideen, die bis
dem Heiligen Geist identifiziert. Das von Rupert entwickelte heils­ in die Romantik hineingewirkt haben (z. B. auf Schelling), die Unter­
geschichtliche Konzept erweist sich so als die groíse Klammer, wel­ scheidung zwischen Weltgeschichte und Heilsgeschehen vermissen
che die ganze Heilswirklichkeit zusammenhalt, auch das individu­ lassen, welcher Zusammenhang nicht undialektisch zu denken ist.
elle Gnadengeschehen, vor allem aber auch das Heilsgeschehen in Eindeutige Kritik an der weitgehenden Verselbstandigung des
der Kirche, das spater erst wieder Theologen der Tübinger Schule in Zeitalters des Heiligen Geistes ist nicht nur von Thomas+', sondern
so eindeutige Verbindung mit der Trinitat brachten. noch differenzierter von Bonaventura= geübt worden, die beide der
Dem strengen Zuschnitt dieses heilsokonomischen Denkens ent­ Christozentrik den Vorzug gaben vor einer immer zu befürchtenden
spricht es auch, dañ Rupert die im Werk des Geistes ansteigende Überordnung und damit Überfrachtung der eschatologischen Geist­
und gleichsam zum Gipfel gelangende Heilslinie mit einem beson­ wirksamkeit. In ein gewiís vergrobemdes Bild gefaüt, laBt sich sa­
deren Nachdruck und Akzent versieht. Das kommt in der freilich gen: bei Bonaventura ist das Reich ein solches des Vaters und des
nicht unproblematischen Meinung zum Ausdruck, daf der Hervor­ Sohnes, das vom Heiligen Geist als der Vereinigungskraft gnaden­
gang des Sohnes abgeschlossen sei, der des Heiligen Geistes aber an­ haft verwirklicht, vervollkommnet und vollendet wird, dem aber
dauere, so dañ die Sendung des Heiligen Geistes als die eigentliche vom Geist nicht ein neues, gar ein drittes Reich angeschlossen oder
Vergegenwartigung des güttlichen Heils bevorzugt eingestuft wer­ übergeordnet ist. Das scheint der Struktur trinitarischen Denkens
den mufs, Indessen geht die Bevorzugung nicht so weit, daís das
Werk des Geistes isoliert werden und zu einem eigenen Zeitalter des
44 L. Scheffczyk,a.a.O. (Anm. 15) 191. Zur Verurteilung der Kritik Joachims an der
Geistes ausgeformt werden konnte, was der Christozentrik dieses Trinitiitslehre des Lombarden auf dem 4. Lateranum (1215) und dessen Betonung der
Entwurfes widersprache. einen Wesenheit der drei gottlichen Personen vgl. R. Foreville, Lateran I-IV (Ge­
Unter all den genannten Aspekten war Ruperts grandiose trinita­ scbichte der 6kumenischen Konzilien, Bd. VI), Mainz 1970,327,329,336, 340 f., 398,
401-403,481, 489f.; J. Schneider, Die Lehre vom dreieinigen Gott in der Schule des Pe­
rische Geschichtstheologie eigentlich maísvoller gehalten und trus Lombardus, München 1961. Zur spateren Wirkungsgeschichte Joachims vgl. H. de
pünktlicher gesetzt als der denkerisch nicht weniger imponierende Lubac, La postérité spirituelle de Joachim de Fiore, Paris 1981.
Versuch des kalabrischen Abtes Joachim von Fiore (t 1202) am ., S. th. I-Il, q. 106 a. 4. Zur spiiteren Verteidigung und Kritik der thomasischen Lehre
vgl. M. Schmaus, Der Liber Propugnatorius des Thomas Angelicus und die Lehrunter­
Ende dieser Ara. Die bei Rupert und danach bei Honorius Augu­ schiede zwischen Tbomas von Aquin und Duns Scotus, lI. Teil: Die trinitarischen
stodunensis (t nach 1130) vorbereitete Drei-Zeiten-Lehre war bei Lehrdifferenzen, Münster 1930.
46 [Sent. d. 5 dub. 4 r., S. 121; vgl. auch J. Ratzinger, Die Geschichtstheologie des hl.
Joachim schon auf einem anderen Grunde gebaut als bei seinen Vor­
Bonaventura, München 1959, III ff.; S. Ciasen, Der hl. Bonaventura und das Mendi­
gángern. Das Fundament war namlich, wie man es damals verstand kantentum. Ein Beitrag zur Ideengeschichte des Pariser Mendikantenstreites
und wohl auch heute noch verstehen muíí, mit der Annahme einer (1252-72), Werl 1940.

60 61
angemessener zu sein, zumal der Geist nicht Herrscher, sondern Ver­ dieser Wahrheit zu einem inneren Ergriffensein von der Wahrheit
mittler, Vereiniger und Verlebendiger ist. des Verhaltnisses von Vater und Sohn führen müsse. Der Geist des,
Damit soll aber der joachimitische Entwurf in seiner Intention Sohnes aber würde das Innewerden der Kindschaft zum Vater ver­
nicht ganzlich abgelehnt sein. Er ist zusammen mit dem frühschola­ mitteln.
stischen Typus eines heilsgeschichtlichen Trinitarismus eine in der Von der Wirklichkeit solchen Erlebens und seiner theologischen
Tradition ruhende Ader, die noch der Auswertung harrt. Auslegung vermitteln die Schluñsátze der Sermones super Canticum
In einer bestimmten Hinsicht ist eine sol che Auswertung tatsach­ Canticorum einen Eindruck: "Wer von euch hat jemals in der gehei­
lich in der theologischen Überlieferung erfolgt, aber von der Neuzeit men Tiefe seines Bewuñtseins gespürt, wie der Geist des Sohnes
nicht fürmlich rezipiert worden. Es ist die in jeder heilsgeschichtli­ Abba, Vater ruft? Diese Seele kann wahrhaftig glauben, dal3 sie vom
chen Konzeption enthaltene individuell-personale Dimension des Vater geliebt wird; denn sie fühlt sich vom gleichen Geiste berührt
Trinitatsgeheimnisses, seine religios-spirituelle Dynamik und seine wie der Sohn."49 Die mystische Vereinigung wird von Bernhard in
Frucht für das Frommigkeitsleben des Christen. der Weise trinitarisch gefañt, dal3 der Mensch von Christus, der die
Voraussetzung für jede Gottvereinigung des Menschen schuf, das
3. Die religi6s-spirituelle Traditionslinie osculum empfangt, das ist der Zusammenklang des góttlichen und
des menschlichen Willens, der allerdings in dieser Phase noch den
In vielen neueren Stellungnahmen zum Trinitatsgeheimnis wird be­ Charakter eines Verlangens an sich hat. Dieses aber wird durch den
klagt, dal3 es heute nicht mehr ins Frommigkeitsleben der Christen Heiligen Geist gestillt. 1m Kul3 namlich verlangt die Seele nach dem
dringe und seine spirituelle Valenz nicht mehr ausgeschopft werde". Einstrómen des Heiligen Geistes, dessen Gnade erst die Vereinigung
Freilich kann man einen solchen Vorwurf kaum an das offentliche, mit dem Vater bringt. So kan n Bernhard den Ku13 von seinem Real­
objektive Frornmigkeitsleben der Kirche richten, das sich im Kult gehalt her auch als das Einstrümen des Geistes verstehen: (osculum,
und in der Liturgie vollzieht. Dagegen dürfte feststehen, dañ sich in­ quod non est aliud nisi infundi Spiritu Sancto"). So wird der mysti­
nerhalb der individuellen Frórnmigkeitsgeschichte die letzte auíserli­ sche Beter in die wechselseitige Liebe zwischen Vater und Sohn hin­
turgische trinitarische Bewegung in der Zeit der Türkenkriege des eingenommen. 1m Strom der Liebe wird aus dem Bild, das der
17. Jahrhunderts ereignete, die ihre Auswirkungen in Katechese, in Mensch darstellt, erst das vollkommene Ebenbild. Hier erst kommt
Kunst und in der volkstümlichen Verehrung zeitigte. Hier wurde of­ der Mensch zu sich selbst, zu seinem wahren Wesen, das nicht nur
fenbar im Augenblick der Gefahrdung des Christenglaubens die Le­ im augustinischen Sinne dreifaltig strukturiert ist, sondern in einer
bensmachtigkeit des Mysteriums erkannt und mit einer gewissen dreieinigen Beziehung sein geistiges Leben gewinnt. Das mysterium
Spontaneitat ausgedrückr". logicum und historicum erweist sich hier als personales mystisches
Das war freilich nur moglich, weil das Geheimnis auch zuvor in Lebensgeheimnis jedes Getauften, und zwar auch unabhangig von
der Frómmigkeit bis hin zur mystischen Erfahrung gelebt wurde den Sondererscheinungen der Ekstase oder des raptus.
und, was nicht weniger bedeutsam ist, in der geistlichen und mysti­ Da13 diese geistlich-mystische Ausrichtung des Trinitátsgeheim­
schen Theologie auch reflektiert wurde. Einen ersten Hohepunkt er­ nisses nicht nur die Sondermeinung eines monastischen Theologen
reichte diese kontemplative und mystische Trinitatsauffassung bei blieb, der die begrifflich-dialektische Theologie noch mil3trauisch
Bernhard von Clairvaux, der, auf der Grundlage der augustinischen betrachtete, sondern da13 sie auch mit der Spekulation der Hoch-
Lehre stehend, die Forderung aufstellt, dal3 die glaubige Annahme
49 supo Cant. 8,9; vgl. J. Lec/ercq, Wissensehaft und Gottverlangen. Zur Mónchstheo­
logie des Mittelalters, Düsseldorf 1963, 259.
47 Vgl. W. Breuning, a.a.O. (Anm. 1) 24f. so Supo Cant. 8,2-3; vgl. Sto Gilson, Die Mystik des hl. Bernhard von Clairvaux, Witt­
4' Vgl. H.-G. Fritzsche, Lehrbueh der Dogmatik n, Góttingen 1967, 150. lieh 1936, 158.

62 63
scholastik verbunden erscheint, zeigt das Beispiel Bonaventuras Dreifaltigkeit gelegen sieht, nach welcher vermittels der Gnade der
(t 1274), dessen Trinitatslehre mehr dem von Dionysius über Ri­ Sohn im Inneren der Seele geboren wird und die Liebe und Seligkeit
chard von St. Viktor und Alexander von Hales entwickelten Zweig des Geistes mitteilt".
verpf1ichtet ist. Seine Eigenart liegt in dem mehr griechischen, im Sie gewinnt eine nochmals eigentümliche Ausbildung in den neu­
Abendland von Hilarius von Poitiers übernommenen Gedanken artigen Ternaren, die Nikolaus von Kues auf den Menschen anwen­
vom Ausgang aus dem naturhaften Quellprinzip des Vaters, der aus­ det, námlich die Dreiheit von Geist, Seele und Leib oder in der
stromenden plenitudo. Sein Ergebnis ist zunáchst ein intensiverer Dreiheit von Fruchtbarkeit, Geburt und Liebe. Aber diese dreige­
Weltbezug der Trinitat". Es ist aber auch verstandlich, dal3 der teilte und doch untrennbare Kraft ist nicht nur von der Trinitat ab­
Grundbegriff der fontalis plenitudo, dem David von Augsburg den künftig, sondern auch zielhaft auf sie ausgerichtet und zur imitatio
spater auch von Eckhart bevorzugten Begriff der fecunditas divinita­ bestimmt. Das trinitarische Gottesbild im Menschen ist eine imago
tis52 hinzugesellte, eine besondere Affinitat zum geistig-personalen imitativa. Sie verwirklicht sich nach dem Cusaner im "credere cum
Leben des Menschen besitzt. Bonaventura verstarkt diesen Zug spe et caritate" 56. Von diesem von Hoffnung und Liebe erfül1ten ere­
durch seinen trinitarischen Exemplarismus, nach dem nicht nur die dere aber gilt: "causat delectationem", d.h., der Weg der Spekula­
Schopfung ein Dreifaltigkeitsspiegel ist, sondern besonders auch tion führt zu einer "visio in via", die zwar von der visio beata zu
der Mensch einen Ausdruck des trinitarischen Gottes darstellt, der unterscheiden ist, die aber doch den theologischen Gedanken zum
allerdings durch eine stetige Angleichung an das Urbild vervoll­ Ruhen in der beseligenden Wahrheit führt, welches die Wahrheit ei­
kommnet werden mul3. Diese Assimilation geht aber wesentlich nes zugleich auch tatigen Lebens ist, so dafs diese Mystik sich der
durch Erkenntnis, durch Schau und Liebe vor sich". Welt nicht entzieht",
Auf demselben Wege, auf dem der Sohn sich offenbarte und den Sie stellt im Gegenteil an der Schwelle der Neuzeit einen groíían­
Geist ausgoís, vermag der Mensch sich in den dreifaltigen Lebens­ gelegten Versuch dar, dem aufziehenden Sakularismus und Autono­
strom einzuschwingen, wie es ausdrucksvoll die Worte am Ende der mismus in der Welt- und Naturbetrachtung eine trinitarische
Quaestiones disputatae zur Sprache bringen: " ... Darin allein be­ Synthese entgegenzusetzen aus den Kraften der Kontemplation und
steht das wahre Leben, dañ der vernünftige Geist, der herflieñt aus der mystischen Verinnerung, die sogar mathematische Symbole
der glückseligen Dreifaltigkeit und ihr Ebenbild ist, nach Art eines nicht verschmaht.
gedanklichen Kreises durch Gedachtnis, Verstand und Wille in die Auch wenn dieser mystisch erfañte Symbolismus nicht in allem zu
Gottfrommigkeit der Glorie zurückkehre zur allerseligsten Dreifal­ übernehmen ist, bleibt er doch ein Anruf an die Theologie, den Weg
tigkeit" 54. Das geschieht nach Bonaventura durch die Konternpla­ . zur kontemplativen Versenkung in dieses Geheimnis offenzuhalten,
tion, welche die Theologie freisetzen soll. um ihm so seine lebendige Assimilation zu ermoglichen, Er ist in der
Diese Linie der mystischen Verinnerung der Trinitat setzt sich bei Trinitatsmystik irnmer wieder begangen worden bis hin in unser
Meister Eckhart fort, der den Adel der Seele in ihrer Analogie zur Jahrhundert, etwa bei der Karrnelitin Elisabeth von Dijon (t 1906)58.

" Zu Hilarius vgl. oben Anrn. 32 und M. Schmaus, a. a. O. (Anm. 11) 67 f. " H. Kunisch, Meister Eckhart. Offenbarung und Gehorsam, in: Mitt. des Grabmann­
>2 Vgl. K. Ruh, Die trinitarische Spekulation in deutscher Mystik und Scholastik, in: Instituts, H. 7 (1962) 22. Die heilsgeschichtliche und dreipersonale Dimension der Tri­
Zschr. f. dt. Philologie 72 (1953) 24-53. nitatsfrómrnigkeit kornmt jedoch bei Katharina von Siena noch deutlicher zum
" De reduct. arto U. 12; vgl. A. Gerken, Theologie des Wortes. Das Verhiiltnis von Ausdruck als bei Eckhart, vor allem in ihren Gebeten (etwas weniger im Dialog); vgl.
Schépfung und Inkarnation bei Bonaventura, Düsseldorf 1963, 101. Caterina von Siena, Meditative Gebete, hrsg. und übers. von H. Barth, Einsiedeln 1980.
,. A. Stohr, Die Hauptrichtungen der spekulativen Trinitiitslehre in der Theologie des ss Codex Cusanus 220 18 v, 26; vgl. R. Haubst, Das Bild des Einen und Dreieinen Got-
13. Jahrhunderts, in: ThQ 106 (1925) 135; ders., Die Trinitiitslehre Ulrichs von Strañ­ tes in der Welt nach Nikolaus von Kues, Trier 1952,201. 17 Ebd. 191.

burg, rnit besonderer Berücksichtigung ihres Verhiiltnisses zu Albert dem Groñen und lB Vgl. H. Urs v. Balthasar, Schwestern im Geist. Therese von Lisieux und Elisabeth
Thomas von Aquin, Münster 1928. von Dijon, Einsiedeln '1978, 443 ff.

64 65
Einen Anstoís in diese Richtung der lebendigen Anverwandlung Alle diese von der mittelalterlichen wie von der neuzeitlichen
der trinitarischen Wahrheit und Wirklichkeit hat schlieñlich auch Theologie unternommenen Versuche zur Verinnerlichung des trini­
die neuzeitliche Theologie, wohl nicht ohne Aufnahme gewisser tarischen Lebensgeheimnisses sind aber offensichtlich an die perso­
Intuitionen und Erfahrungen auf einem relativ umgrenzten Pro­ nale Fassung der Dreieinigkeit gebunden. Gerade um den Begriff
blemfeld geben konnen: námlich in der Frage nach der eigenpersón­ des Personalen geht aber heute die Diskussion.
lichen Einwohnung des Heiligen Geistes und damit der ganzen
Trinitat im Gerechtfertigten, eine Frage, die von Petavius (t 1652)
und Thomassin (t 1695) angestoñen wurde und danach über die Ro­ 4. Anstofle der Tradition zur Bewdltigung der trinitarischen
mische Schule bis hin zu Scheeben und Schell und in der neueren Personproblematik
Theologie immer neu aufgenommen wurde": Es ist wohl nicht zu
bestreiten, daf sie für die Erhellung des gottverbundenen Lebens Einem Blick auf die Gegenwartssituation kann die neuerliche Pro­
des Christen von Bedeutung ist; denn wenn die Einwohnung nicht blematisierung des Personbegriffes in seiner Anwendung auf die
nur als den Personen gemeinsame und auch nicht allein dem Heili­ Trinitat nicht entgehen. Kritische Stimmen richten sich nicht nur ge­
gen Geist approprierte zu gelten hat, sondern wenn sie eine auf der gen die angeblich damit verbundene metaphysische Vergegenstand­
Ordnung der Hervorgange und Missionen beruhende besondere lichung der Gottesvorstellung", sondern auch (wie etwa bei
Prasenzweise darstellt, dann wird die trinitarische Abbildlichkeit G. Ebeling) gegen die Unangemessenheit dieses Begriffes, der in der
des Menschen durch den je besonderen Bezug zu den drei Personen Moderne für die Persónlichkeit oder für das Selbstbewuñtsein stehe
erst vollauf verwirklicht und als Dynamik des dreipersonalen Le­ und so das Verstandnis für das Trinitarische gerade verunmogliche.
bens im Menschen selbst verstehbar. Deshalb wird gelegentlich der von K. Barth in Vorschlag gebrachte
Die Erklarung dieses Sachverhaltes ist denkerisch nicht leicht, Ersatzbegriff der "Seinsweise" empfohlerr", obgleich man die Affi­
weil hier immer die Klippe einer eigentatigen Wirksamkeit der Per­ nitat dieses Begriffes zum Modalismus, welcher seit Schleiermacher
sonen drohr", die nach dem trinitarischen Grundgesetz nicht die eigentliche Versuchung des modernen Denkens darstellt, aner­
angenommen werden kann. kennt.
Bei der Bewaltigung dieser Problematik konnte die Berücksichti­ Auch die bei K. Rahner versuchte Verdeutlichung der Barthschen
gung auch der heilsgeschichtlichen Sendungen als zusatzliches Er­ "Seinsweise" durch den Begriff der "drei subsistenten Existenz­
kenntniskriterium herangezogen werden. Dann würde deutlich, dañ weisen" oder auch durch die schon heilsgeschichtlich bestimmten
kraft der Menschwerdung des Sohnes unsere Adoptivsohnschaft in "Gegebenheitsweisen"63 (in uns oder für uns) führt nicht zu letzter
der Weise einer leibhaften Gegenwart des Sohnes geschieht, die sich Klarheit, auch nicht bei Anbringung des Vorbehalts, dañ die Gege­
in den Sakramenten vollendet. Das aus dem Erlosungswerk erflie­ benheitsweisen, selbst wenn sie nachfolgend auch als innertrinitari­
Bende Geschenk des Heiligen Geistes bewirkt, dañ diese Sohnschaft sche Notwendigkeit ausgegeben werden, mehr bedeuten konnen als
besiegelt und zur Communio des Leibes Christi ausgeweitet und in Gott vorfindliche Modalitaten, die etwas anderes sind als Perso­
dem Menschen in der Weise der personalen Einigungskraft übermit­ nen=.
telt wird.
61 Vgl. L. Scheffczyk, Dreifaltigkeit im inwendigen Leben: Glaube als Lebensinspira­
tion, Einsiedeln 1980, 140 ff.
,. Vgl. dazu H. Schauf, Die Lehre von der nichtappropriierten Einwohnung des Heili­ 62 K. Bar/h, Die kirchliche Dogmatik 1/1, Zürich 1955, 374.

gen Geistes ... , Freiburg 1941; vgl. H. de Lubac, a.a.O. (Anm 44). 63 K. Rahner, a. a. O. (Anm. 12) 389.
60 E. Haible, Die Einwohnung der drei góttlichen Personen im Christen nach den Er­ 64 F X. Bantle, Person und Personbegriff in der Trinitiíts1ehre K. Rahners, in: MThZ
gebnissen der neueren Theologie, in: ThQ 139 (1959) 1-27. 30 (1979) 14f.

66 67
So erweckt gerade die von K. Rahner auf hoher Ebene entwik­ hellen, nicht aber ihr eigentliches Konstitutiv anzugeben. Am erfolg­
kelte Problematik, die für die Gegenwartssituation paradigmatisch reichsten erscheint hier noch Leontios von Byzanz in der ersten
erscheint, den Eindruck, daf der Personbegriff nicht zu entbehren Halfte des 6. Jahrhunderts mit der Fixierung des Hypostasebegriffes
ist. Das gibt übrigens K. Rahner an einer Stelle selbst zu, wenn er auf das "Fürsichsein" gewesen zu seirr".
über den Personbegriff in Anwendung auf die Trinitat sagt: "Ein Aber am Ende der griechischen Patristik trat bei Dionysius und
wirklich bes seres, allgemein verstandliches und weniger leicht MiB­ Maximus Confessor das trinitarische Moment überhaupt zurück,
verstandnissen ausgesetztes Wort ist nicht da. So wird man wohl bei und bei der Synthese der griechischen Trinitatstheologie durch den
diesem Wort bleiben müssen ... "65, eine stark positivistisch gehal­ Damaszener, die im Grunde nur den Stand der Kappadozier wieder­
tene Auskunft, die nicht befriedigend wirkt. gibt, wird die Person, das Prosopon, wieder mit den besonderen Ei­
Es ist nun die Frage, ob die Problemgeschichte dieses Begriffes in gentümlichkeiten und Tatigkeiten der Hypostase identifizierr".
der Tradition etwas zu einer gewissen Befestigung und Sinnerfül­ Die augustinische Aporie wirkte auch im Abendland nach, so u. a.
lung beitragen kann, wenn man schon seine Unentbehrlichkeit zu­ beim Lombarden, nach dem letztlich die Person etwas Absolutes ist
gibt und ihn nicht abschaffen will. Eine vordergründige Erfassung und nicht relative, sondern substantiale Bedeutung hat'". 1m allge­
der Begriffsgeschichte, in die ungemein subtile und scharfsinnige meinen war die Frühscholastik geneigt, den Wesensbesitz als sol­
Denkbemühungen eingegangen sind, scheint die diesbezüglichen chen ohne Berücksichtigung der Relation als das Charakteristische
Hoffnungen zu enttauschen. des Personbegriffes anzusprechen". Davon macht vielleicht nur An­
Im Abendland beginnt die Geschichte dieses Begriffes, von Ter­ selm eine gewisse Ausnahme, wenn er gegen den potentiellen Tri­
tullian mit einer modalistischen Tonung praludiert, bei Marius Vic­ theismus Roscellins den Personenbegriff in der Trinitat ven der
torinus (t nach 362) mit einer deutlichen Kritik an ihm, den er als Verschiedenheit der Relationen her erklart, 1m übrigen war die Tri­
trinitarischen Terminus ablehnt, weil er ihm die Realitat der "Drei" nitatstheologie des 12. Jahrhunderts stark von der Bedeutung der
zu wenig zu betonen scheint und faktisch dem Vorwurf des Patripas­ Appropriationen beeindruckt", die zwar das weltbezogene Wirken
sianismus ausgesetzt bleibe": Gottes erhellen konnten, die aber für die Konstitution des Persona­
Selbst Augustinus gelangte nicht zu einer philosophischen Durch­ len wenig abgaben, zumal sie zu dieser Zeit vornehmlich sprachlo­
bildung des trinitarischen Personbegriffes, ja, er bezeugte ihm ge­ gisch eingeführt und als denkerische Deuteakte des Wesenseinen in
genüber sogar eine gewisse Verlegenheit und entschuldigte sich Gott verstanden wurden. Auch erkannten zu dieser Zeit schon die
geradezu für seinen Gebrauch, und zwar mit dem Hinweis, dafs uns Porretaner, daü die Proprietát mit der Person nicht identisch ist.
anders für die Bezeichnung der Dreiheit kein Wort zur Verfügung Auch die Kritik des boethianischen Personbegriffes durch Ri­
stünde". chard von St. Victor (t 1173) und dessen Umpragung durch das Mo­
Auch die griechische Patristik hat, trotz des unschatzbaren Bei­ ment der "incommunicabilis existentia" brachten die Fragen nicht
trags der Kappadozier zur Bestimmung der Existenzweise der gottli­ zum Schweigen. Auch wenn Richards originelle, über Augustinus
chen Hypostasen, keine vollig überzeugende Begründung der hinausgehende Trinitatsdeutung interpersonaler Art mit Hilfe der
Konstitution des Personalen in der Trinitat geleistet. Die tropoi tes
hyparxeos vermochten zwar die Unterschiede der Hypostasen zu er-
68 F. X. Bantle, a. a. O. (Anm. 64) 19.
69 J. BUz, a. a. O. (Anm. 35) 12.
" K. Rahner, a.a.O. (Anm. 12) 343f. 7. Vgl. J. Schneider, a. a. O. (Anm. 44) 123.
66 A. Ziegenaus, Die trinitarische Ausprágung der gottlichen Seinsfülle nach Marius 71Ebd. 135.
Victorinus, München 1972, 181. 72Vgl. L. Hodl, Von der Wirklichkeit und Wirksamkeit des dreieinen Gottes nach der
67 De trinitate VII, 6,11; vgl. M. Schmaus, a. a. O. (Anm. 11) 148. appropriativen Trinitátstheologie des 12. Jahrhunderts, München 1965, 5.

68 69
condilectío'", die sich einem Dritten üffnet und so erst zur vollkom­ Geistes in die kirchliche Sprache aufgenommen sei und daJ3 er bei
menen caritas wird, die Wirklichkeit des Dreipersonalen in Gott allen - etiam in ore rusticorum - verstandig gebraucht werde".
durchaus bekráftigte, so blieb die Begründung des Personseins Was aber seine genauere Erklarung mit Bezug auf die Trinitat be­
durch Vernachlassigung von Proprietaten und Relationen doch hin­ sagt, so kann hier das Wort des Thomas aufschluJ3reich wirken, daJ3
ter den Anforderungen des theologischen Denkens zurück. Dagegen man bezüglich der personal en Merkmale durchaus verschiedener
scheint Thomas, durchaus auf augustinischer Grundlage stehend, Meinung sein dürfe, wenn solche Meinungen der Offenbarung und
die Begründung der trinitarischen Personalitat und die Bestimmung kirchlichen Lehrentscheidungen nicht widersprachen". Nun ist der
ihres formellen Konstitutivs im Rahmen der damaligen Trinitatsspe­ trinitarische Personbegriff weder von der Offenbarung noch vom
kulation am meisten gefórdert zu haben, und zwar durch die strenge Lehramt im einzelnen festgelegt, obgleich man hinzufügen darf, daJ3
Verknüpfung der trinitatstheologischen Grundbegriffe processio-re­ die in ihm erfaJ3te Realitat in den Namen der Drei durchaus ange­
latio-persona. Sie setzte ihn in den Stand, das Wesen des trinitari­ legt ist und sich dem Glaubensdenken unüberhürbar aufdrangt.
schen Personseins genauer zu fassen als Einheit zweier konstitutiver Dem zu entsprechen, erfordert eine Interpretation des Sachver­
Elemente, namlich der relatio subsistens und der subsistentia rela­ haltes, der sich die Tradition unablassig unterzogen hat. Da es sich
tiva, oder von incommunicabilitas und substantialitas". Die Ge­ hier aber um einen philosophischen, ja metaphysischen Begriff han­
schlossenheit dieser Konzeption haben weder der voroehmlich auf delt, ist auch die Heranziehung des sich wandelnden philosophi­
die Proprietaten zurückgehende Bonaventura noch der die Theorie schen Denkens legitimo Die Denkform aber hat in der Tradition
von den absoluten Proprietaten vertretende Duns Scotus erreicht>. doch immer einen bestimmten Denkinhalt bewahrt und als das Kon­
Wenn man die Vielzahl dieser historischen Erklarungsversuche tinuierliche vermittelt. Man darf es, vom Hohepunkt der spekulati­
zum trinitarischen Personbegriff bedenkt, die sich mannigfach be­ ven Entwicklung in der Scholastik her betrachtet, als das Selbstsein
rühren und überschneiden, und wenn man weiter die spürbare Ent­ und Gegenübersein bezeichnen.
feroung dieses spekulativen Denkens zur heutigen Geisteseinstel­ Die Kennzeichnung dieses Realgehaltes aber laJ3t sich im Sinne
lung erwagt, wird sich die schon angedeutete Frage stellen, ob diese des traditionelle Anliegens noch einfacher voroehmen. Es ging nam­
Geistesbemühungen für die Gegenwart überhaupt noch etwas Anre­ lich all diesen vielschichtigen Erwagungen nicht nur um die Erhal­
gendes und Auswertbares an sich tragen. tung der Ich-du-Beziehung zwischen dem Menschen und den
Die Frage kann nicht gut veroeint werden. Ihre positive Beant­ gottlichen Personen, etwa im Gebet, sondero vor allem auch um die
wortung kann einige grundsatzliche Erkenntnisse zutage fardero, Interpersonalitat im gottlichen Bereich selbst. So ware es den hoch­
zuerst wohl die, daJ3 ein offenbarungsgemañes trinitatstheologisches spekulativen Argumentationen nie eingefallen, ein innergóttliches
Denken ohne den Personbegriff nicht auskommt. Richard von Gesprach der Personen zu leugnen, wenn sie auch die Frage, ob es in
St. Victor hat für diese grundsatzliche Erkenntnis das Stichwort be­ Gott ein dreifaches "Ich" gibt, nicht thematisieren.
reitgelegt, daJ3 der Terminus "persona" auf Anregung des Heiligen Was U. a. Gregor von Nyssa aber in der Bezeichnung "allos kai al­
los" ausdrückt, was Leontios von Byzanz (t nach 543) mit dem
"Fürsichsein" der "Drei" (dem to kath' heauton einai) " meint und
was Richard von St. Victor über die Gegenseitigkeit der Liebe in der
73 Vgl. H. Urs v. Balthasar (Hrsg.), Richard von St. Victor: Die Dreieinigkeit, Einsie­
deln 1980, 19.
Trinitat ausführt, das spricht auch für ein immanentes Ich-du-wir-
74 Vgl. Sent. 1 d. 23 q. 1 a. 3; S. th. 1, q. 29 a. 4; J. Auer, Gott der Eine und Dreieine, in:

Kleine katholische Dogmatik 11, hrsg. von J. Auer u. J. Ratzinger, Regensburg 1978,
337. 76 H. Wipfler, a. a. O. (Anm. 40) 53.
75 Vgl. A. Stohr, Die Trinitátslehre des hl. Bonaventura 1, Münster 1923, 191; F. Wet­ 77 L. Hiidl, a. a. O. (Anm. 72) 36.
ter, Die Trinitátslehre des Duns Scotus (BGPhMA, XLI, 5.), Münster 1967. 78 Vgl. F. X. Bantle, a. a. O. (Anm. 64) 19.

70 71
Verhaltnis", welches der Behauptung widersteht, dal3 nur der III
Mensch Jesus und nicht der Gottesmensch den Vater mit du hatte
anreden konnen. Trinitarisches Kirchenverstandnis *
Die mühevolle Rezeptionsgeschichte des trinitarischen Personbe­
griffes stand auch hier unter der Direktive des theologischen Grund­ Von Grigorios Larentzakis, Graz
satzes, dal3 Gott sich in der Erlósung dem Menschen nicht in
personaler Liebe vermitteln konne, wenn er solch personale Vermitt­
lung nicht in sich selbst ist.
Dabei blieb man sich immer auch der Schwierigkeit der Übertra­
gung des Personbegriffes auf die Trinitat bewul3t und des Parado­ Es stellt keine vordergründige Bescheidenheit dar, wenn ich meinen
xen, Herausfordernden in seinem Anspruch. Man scheute aber tiefen Respekt vor der Behandlung dieses wichtigen Themas offen
offenbar das Paradoxe nicht, weil es im Personbegriff zugleich das gestehe. Denn es ist eine Tatsache, da13 wir uns oft anmal3en, über
Geheimnis am scharfsten konturierte. Themen sprechen oder sie analysieren und in erschópfender Weise
Wenn man aber befürchtet, dal3 der von der Tradition verwandte erkennen und darstellen zu wollen, obwohl eigentlich auch ersicht­
Personbegriff heutigem Denken inkommensurabel sei, so darf im lich ist, dal3 diese Themen unseren Erkenntnishorizont ganzlich
Gegensatz dazu angemerkt werden, dal3 der moderne Personalis­ übersteigen. Dieser Ausgangslage bin ich mir voll bewul3t und be­
mus, der weniger metaphysisch als phanomenologisch vorgeht, ge­ trachte es als ein Wagnis, über das mir gestellte Thema zu sprechen.
rade auch die Relationalitat in diesem Begriff entdeckt hat, das Andererseits freue ich mich als orthodoxer Theologe, weil dieses
Selbstsein im Gegenübersein und im Mitsein". Thema der trinitarischen Theologie und konkreter seine ekklesiolo­
Auf der Hohe des trinitarischen Persondenkens, etwa bei Thomas gischen Konsequenzen in der letzten Zeit zunehmend in Angriff ge­
von Aquin, wird in der Verbindung von Subsistenz und Relationali­ nommen werden. Es handelt sich um Themen, die im Bereich der
tat ein Gedanke freigesetzt, der eine gewisse Kongruenz zum heuti­ Patristik - wenn auch nicht immer als eigene "Traktate" -, aber auch
gen personologischen Denken besitzt und der zur heutigen Vermitt­ der ostkirchlichen Theologie einen besonderen Platz einnehmen.
lung des Trinitatsgeheimnisses herangezogen zu werden verdiente'", Das Aufgreifen dieser ins Zentrum unseres Glaubens führenden
Thematik auch von Ihrer Arbeitsgemeinschaft entspricht einer Ten­
79 H. Urs v. Balthasar, a. a. O. (Anm. 73) 19. denz unserer Zeit, in der sich die Christen wieder nach einer Orien­
Vgl. dazu u. a. A. Brunner, a. a. O. (Anm. 3) 23 ff.; J. Auer, Persono Ein Schlüssel zum.
80
tierung sehnen, die nicht nur ephemeren, oberflachlichen und
christlichen Mysterium, Regensburg 1979; M. le Guillou, Das Mysterium des Vaters,
Einsiedeln 1974. verganglichen Charakter haben sollo Gerade diese Orientierung
81 O. Schweizer, Person und Hypostatische Union bei Thomas von Aquin, Freiburg i. kan n nur unser dreieiniger Gott sein. Diese Tendenz bzw. Aktualitát
Ue 1957; H. Mühlen, Sein und Person nach Johannes Duns Scotus, Wer11954. Zur Vor­ dieser Problematik dokumentiert sich nicht nur bei einzelnen Auto­
geschichte vgl. H. R. Schlette, Das unterschiedliche Personverstandnis im theologi­
schen Denken Hugos und Richards von St. Victor, in: Mitt. des Grabmann-Instituts, ren, sondern auch in mehreren theologisch-kirchlichen Veranstal­
H. 1 (1958) 55-72; A. Hufnogel, Das Person-Problem bei Albertus Magnus, in: Studia tungen einzelner Kirchen und in verschiedenen ükumenischen
Albertina. Festschr. f. Bernhard Geyer, hrsg. von H. Ostlender (BGPhMA, Suppl.-IV), Organisationen mehrerer Kirchen, Z. B. in der Konferenz Europai­
Münster 1952, 202-233.
scher Kirchen und beim Weltkirchenrat.
Damit ist angedeutet worden, dal3 dieses Thema einen doppelten
Charakter hat:

• Bearbeitete Fassung des in Luzern vorgetragenen Referates.

72 73
1. Einen sehr stark okumenischen, für die Verstándigung der Kir­ 1. Zurück zu den Quellen
chen in diesen Fragen, insbesondere zwischen Osten und Westen in
der konkreten Frage des filioque, in der es sich eigentlich nicht nur Zunachst muñ hier festgestellt werden, dañ die Beantwortung bzw.
um eine isolierte leere Formel handelt, und die Behandlung unserer Frage nicht ohne Rückbesinnung auf un­
2. einen eigentlichen theologischen, und zwar nicht nur aus rein sere Quellen geschehen kann; dies auch im doppelten Sinn unserer
erkenntnistheoretischen Gründen, sondern aus konkreten soteriolo­ Thematik, namlich sowohl für den ükumenischen als auch für den
gischen bzw. kirchlichen Motivationen, die auch den konkreten rein theologischen. Diese Rückbesinnung ist die Aufgabe nicht nur
Menschen innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft nicht aus den einer Kirche bzw. Konfession, sondern sie verpflichtet alle Kirchen
Augen verlieren. Es handelt sich also um die Frage, "ob einetiefere Christi, wenn sie ihre Glaubensidentitat in der Kontinuitat des apo­
Besinnung auf das Wesen der Trinitat heute weiterhelfen kan n zu ei­ stolischen Glaubens wahrnehmen wollen und wenn es die Kirchen
nem verstandlicheren Reden von Gott'". auch mit der Okumene ernst meinen. Wenn wir nicht auf unsere ge­
Dieses Reden von Gott bedeutet natürlich nicht nur eine theologi­ meinsame Vergangenheit des ungeteilten Christentums des ersten
sche, theoretische Übung der Theologen, sondern hat konkrete Kon­ Jahrtausends zurückgreifen wollen und unsere Zukunft, die wir ge­
sequenzen für das Heil der Menschen, also in der Soteriologie, wie meinsam haben wollen, nicht darauf stützen wollen, ist die Verwirk­
auch für das konkrete Leben der Christen innerhalb der Kirche und lichung der vollen ekklesialen und sakramentalen Communio
der Gesellschaft, also in der Ekklesiologie und der Soziallehre. unserer Kirchen - das erklarte Ziel des sich bereits in vollem Gang
Auch J. Moltmann stellt fest: "Die Trinitátslehre ist darum nicht als befindenden offiziellen theologischen Dialogs - auf anderen Prinzi­
,Spekulation' zu bezeichnen. Sie ist vielmehr die theologische Vor­ pien einer eventuellen rein zeitgenóssischen Problematik sehr frag­
aussetzung der Christologie und der Soteriologie. "2 lich, wenn nicht unmoglich.
In diesem Sinne wurde in der Kirche von alters her der Versuch Papst Paul VI. und der okumenische Patriarch Athenagoras 1. be­
unternommen, die Lehre über den dreieinigen Gott allmahlich aus tonten im gemeinsamen Kommuniqué bei der Aufhebung der Ex­
konkreten pastoralen Problemen des Heils zu artikulieren. Die Kir­ kommunikationen am 7. Dezember 1965, welche groüe Bedeutung
chenvater des Ostens, vor allem Athanasius und die drei Kappado­ das Kirchenverstandnis und überhaupt die Zeit des ungeteilten
zier des 4. Jahrhunderts, Basilius der Groííe, Gregor von Nazianz Christentums des ersten Jahrtausends haben-. Auch Kardinal Rat­
und Gregor von Nyssa, denen wir die Ausformulierung der trinitari­ zinger schlug vor, die Frage des Papsttums, die sicherlich mit dem
schen Lehre verdanken, geben uns ein beredtes Zeugnis ihrer pasto­ Kirchenverstandnis zu tun hat, nach der Praxis und der Lehre des er­
ralen und soteriologischen Sorge. So werde ich mich auch bemühen, sten Jahrtausends zu loserr'.
über einige Punkte des trinitarischen Kirchenverstandnisses in den
vorher erwahnten drei Aspekten - den soteriologischen, den ekkle­
siologischen und den soziologischen - immer im Lichte des Myste­
riums des dreieinigen Gottes zu sprechen.
J Vgl. Tomos Agapis, Nr. 127, deutsche Ausgabe, hrsg. im Auftrag der Stiftung Pro­
Oriente, Innsbruck - Wien - München 1978, 88.
4 Vgl. J. Ratzinger, Prognosen für die Zukunft des Okumenismus, io: Okumenisches
Forum 1 (1977) 36 f.: .Rom muB vom Osten nicht mehr an Primatslehre fordern, als
auch im ersten Jahrtausend formuliert und gelebt wurde. Wenn Patriarch Athenagoras
am 25.7. 1967 beim Besuch des Papstes im Phanar diesen als Nachfolger Petri, als den
ersten an Ehre unter uns, den Vorsitzer der Liebe, benaonte, findet sich im Mund die­
1 H. Fritzsche, Der christliche Gott a1s der trinitarische Gott, in: ThLZ 107 (1982) 1 f. ses groBen Kirchenführers der wesentliche Gehalt der Primatsaussageo des ersteo
2 J. Moltmann, Trinitát und Reich Gottes. Zur Gottesfrage, Müncheo 1980, 144. Jahrtausends uod mehr mufl Rom nicht verlangen."

74 75
2. Der Zugang zum unzugiinglichen Mysterium Mit dem Begriff Gemeinschaft ist meines Erachtens ein sehr wich­
des dreieinigen Gottes tiger Begriff der Trinitátslehre, überhaupt der Theologie und kon­
kreter Ekklesiologie angesprochen. Denn Gemeinschaft setzt nicht
Die Beantwortung der Frage nach den Zugangsmoglichkeiten zum nur ein abstraktes Wesen voraus, sondern Personen, die gemein­
Mysterium der Dreieinigkeit Gottes hat zwei Seiten und zeigt einer­ schaftsfahig sind. la noch mehr, ein Gott, der nicht in konkreten Per­
seits die differenzierte Vorgangsweise im Osten und Westen und an­ sonen bzw. Hypostasen existiert, kann weder als solcher erkannt
dererseits die Gewichtung trinitarischer Gesichtspunkte mit den werden, noch weniger existieren".
entsprechenden Konsequenzen nicht nur in der Trinitatslehre selbst, Das bedeutet, weil Gott in ganz konkreten einmaligen Personen
sondern auch in den damit eng verbundenen Fragen der Soteriologie, bzw. Hypostasen existiert und wirkt, von den en wir durch die bibli­
Ekklesiologie und der Gesellschaftslehre. sche Offenbarung durch Jesus Christus erfahren, kónnen wir zur
Zunachst aber wird in eindrucksvoller Weise bei den Kirchenva­ Gotteserkenntnis kommen und in Gemeinschaft mit ihm gelangen".
tern des Ostens und folglich auch in der orthodoxen Theologie bis Das heiíst noch konkreter, dal3 wir Menschen zum trinitarischen
heute festgestellt, dal3 das Wesen und das Wie der Existenz des Gott durch die konkrete Handlung und Wirkung der góttlichen Per­
dreieinigen Gottes dem menschlichen Verstand unzuganglich bleibt, sonen und weniger durch das eine abstrakte gottliche Wesen Zugang
weil der Mensch als das psychosomatische Wesen mit seinem un­ finden. Das heilsgeschichtliche einheitliche Wirken der drei gottli­
vollkommenen Verstand nicht fahig ist, das Vollkommene, das chen Personen, vom Vater durch den Sohn im Heiligen Geist'? mul3
Unendliche, also das góttliche Mysterium schlechthin zu erfassen. im Vordergrund bleiben, von der Protologie her, von der Schopfung
Die Existenz des dreieinigen Gottes wird natürlich vorausgesetzt. der Welt, und in der Menschheitsgeschichte hindurch auch durch
Die Kirchenvater sind diesbezüglich einer Meinung. Basilius der die Inkarnation Christi, durch sein Leben, durch seinen Tod und vor
Grol3e betont: "Diejenigen, die die Natur der Erde, auf der sie ste­ allem durch seine Auferstehung und schlieñlich durch die Ausgie­
hen, nicht erkennen konnen, werden hochmütig, indem sie meinen, Bung des Heiligen Geistes und die Verteilung der Charismen.
das Wesen Gottes beherrschen zu künnen."> Auch Gregor von Na­ In diesem Sinn besteht eine Gemeinschaft den güttlichen wesens­
zianz stellt fest: "Kein Mensch hat es jemals herausgefunden, noch gleichen Personen, und eine einheitliche, gemeinschaftliche Wir­
wird es jemand herausfinden, was Gott seiner Natur und seinem kung der drei gottlichen Personen in der Welt und beim Menschen,
Wesen nach ist."" der zu dieser góttlichen Gemeinschaft geführt wird.
Wenn man aber in der Kirche von Unzuganglichkeit des Wesens
Gottes spricht, bedeutet diese negative Theologie, die ser Apophatis­
8 Vgl. Basilius, Epist. 38,2, ed. Courtonne, Bd.l, 81. Vgl. J. Zizioulas, 'A1tó ró
mus nicht Agnostizismus, d. h. Verzicht auf Gotteserkenntnis über­ noootonetov &{~ ró npócemov, in: XaptaTlÍpta d~ nµ1Ív Mnrponoxtrou I'épovroc
haupt, sondern zeigt vielmehr deutlicher, dal3 das Ziel der Gotteser­ XaA.KT]Oóvo~ M&A.hwvo~, Thessaloniki 1977, 299. Siehe auch Chr. Yannaras, EX&­
kenntnis nicht die vollige Erhellung bzw. Analyse und Erfassung des oiaaµa Eiaaywyil~ aTIÍ Il>tA.oaoq>ia, Bd. Il, Athen 1981,71. Über die Verfasserfrage
dieses Briefes vgl. R. Hiibner, Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. ep. 38 des Basi­
Güttlichen darstellt, sondern das Erreichen der Gemeinschaft mit lius. Zum unterschiedlichen Verstándnis der oúoíc bei den kappadozischen Brüdern,
ihm". in: Epektasis, Mélanges patristiques offerts au Cardinal Jean Daniélou, Paris 1972,
463-490.
• "Der Gott, der sich offenbart, ist wesentlich Person" (W: Pannenberg, Grundzüge der
, Basilius, Adv. Eunom. 1,13, PG 29, 541. Christologie, Gütersloh 31969, 183).
• Gregor von Nazianz, Or 28,17, PG 36, 48C. 10 Vgl. Athanasius, Ad Serap. I1I, 5, PG 26,632 B. w: Kasper, der die ostkirchlieh-patri­
7 Vgl. V. Lossky, Die mystische Theologie der morgenlandischen Kirche, Graz - Wien stische Trinitátsauffassung mitberüeksichtigen mochte, bemüht sieh auch diesen Weg
- Kóln 1961, 56. Basilius interpretiert das ,,~yvw Kópioc 'to\)~ ov'ta~ aíl'toO" (2 Tim zu gehen, "weil er unserer menschliehen Erkenntnis, die immer von der Erfahrung
2,19) mit: ,,'toú'tÉa'tLV ÉSt~a'to aú'to\)~ Ota 'tÚlV áyaSÚlv ~pywv &i~ -nlV 1tpÓ~ córóv ausgeht, angemessener erscheint, und weil er uns auch vom biblisehen Zeugnis her der
olxetcxnv''. Epist235,5, ed. Courtonne, llI, 47. saehgemiiBere zu sein seheint" (W: Kasper, Der Gott Jesu Christi, Mainz 1982,337 L).

76 77
Diese gemeinschaftsbezogene Betrachtung des dreieinigen Gottes der GroBe unterscheidet zwischen oóoíc und unóo'tUott;, indem die
wurde ermoglicht durch den Versuch der Darstellung dieser Lehre unóo'tuott; die Art und Weise darstellt, wie der Vater, der Sohn und
von den drei Kappadoziern im 4. Jahrhundert, vor allem vom hl. Ba­ der Heilige Geist existieren. Zum Beispiel sind das Ungezeugtsein
silius nach der Vorbereitung des hl. Athanasius von Alexandrien. des Vaters bzw. das Gezeugtsein des Sohnes nicht Eigentümlichkei­
Wahrend früher, vor dem 4. Jahrhundert und noch in Nizaa, die Be­ ten des Wesens, sondern der Hypostasen bzw. der Personen"; die
griffe oóoto, Wesen, und ónóorcotc, Hypostase, als gleichbedeu­ sich in einer áxwpío't(¡) KOtvwví~ befinden 17.
tend und in Abwechslung verwendet wurden, unterscheiden die Damit kan n Gott in diesen konkreten Hypostasen bzw. Personen
Kirchenvater die Bedeutung dieser Begriffe, indem sie Wesen für na eh aullen treten und wirken, ohne seine Gottheit zu verlíeren'",
das Gemeinsam-Eine, für das ganze Sein der Gottheit, Hypostase d. h., daB die Inkarnation des Logos als Mensehwerdung des Sohnes
aber für die eigene wirkliche Existenz der drei gottlichen Personen Gottes, und die dynamisehe und wirkliche Führung des Heiligen
verwenden. Auch der Begriff Persona, npóoronov bedeutet nicht Geistes, so verstanden und akzeptiert werden, wie sie in der Heiligen
mehr Maske, Rolle bzw. nur das AuBere, sondern die ganze ontolo­ Schrift sehr deutlich als wirkende Personen dargestellt werden, was
gische eigene unverwechselbare Existenzform und Wirklichkeit des für die Soteriologie und die von ihr untrennbare Ekklesiologie, und
Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Offenheit zur ge­ damit dann auch für die Anthropologie von eminenter unverzichtba­
meinschaftlichen und dialogischen Komponente. In der theologischen rer Bedeutung ist. "So stellt sich christlicher Monotheismus unab­
Terminologie heiBt dies dann spater Perichorese, d. h. gegenseitige dingbar als eine Trinitatslehre dar, welche zugleich die Prinzipien
Durchdringung!'. der Soteriologie, Ekklesiologie und Eschatologie enthalt", wie füh­
Hier seien nur einige patristische Zeugnisse erwahnt: Der rende Theologen der Katholischen und der Evangelischen Kirehe
hl. Athanasius verwendet noch die Begriffe oóoía und unóo'tuott; gemeinsam erklaren'". Mit Recht kritisiert Walter Kasper, daB die
als gleiehbedeutend und abwechselnd'". Jedoch kennt dieser Kir­ soteriologische Argumentation der Kirchenvater auf den Kopf ge­
chenvater den Untersehied zwischen oóoíu und ónóo-ccou; vor al­ stellt werde=. Das Problem ist, wie Kasper weiter ausführt: "das
lem nach der wichtigen Synode von Alexandrien des Jahres 362, Verhaltnis von ontologischen Aussagen über das Wesen Gottes und
nach der klar geworden ist, daB diejenigen, die eine oócíc und drei Jesu Christi ,an sich' zu den funktionalen Aussagen über deren Be­
únoo'táOl>tt; sagen, genauso rechtglaubig sind, wenn unter drei óno­ deutung ,für uns?'. Dieses fundamentalste Problem gegenwartiger
O'táoEtt; der Vater, der Sohn und der Heilige Geist nicht "als einan­ Theologie">, wie auch das der Begriffe "Natur" und "Person", sind
der wesensverschieden" (áAAO'tptOouoíout; áAAT]AWV) zu verstehen
sind!'. Es geht also primar um den Inhalt und weniger um die For­
16 Vgl. Basilius, Adv. Eunom., 1. 15, PG 29, 545f.; vgl. auch R. M. Hiibner, Der Gott
mulierungen'". Athanasius zeigt eine Flexibilitat in den Formulie­ der Kirchenváter und der Gott der Bibel, München 1979, 18.
rungen aus pastoral en Gründen, ohne den Inhalt des Glaubens zu 17 Basilius, Über den Heiligen Geist, XXV, 59, macht dies ganz deutlich mit der Fest­

gefahrden'>. Genauer formulieren die drei Kappadozier. Basilius stellung: ,;0 yap EÍ7trov oúv 'ti¡) 7ta'tp! róv Ylóv elvci, óuoo 't'!Ív rs 't(i)v U7tOcr'tácrEOOV
U¡lÓ'tT]'ta, Ka! ró áXroplcr'tOV 'tf)<; KOlvoovla<; ÉOElSEV." Die doppelte Aussage ist klar:
1. die Eigenschaft der Hypostasen und 2. die Gemeinschaft dieser Hypostasen. Und das
11 Vgl. P. Trempelas, ~oyµa'tLl(1Í 1, Athen 1959, 305 f. gilt natürlich auch für den Heiligen Geist (ebd. XXVI, 63)., vgl. L. Abramowski, Drei
12 Vgl. Athanasius, Ad Afros, 4, PG 26,1036; Ders., Tom. ad Antioch. 5 u. 6, PG 26,800 christologische Untersuchungen, Berlin-New York 1981,81 f.
u. 801 u. a., vgl. Chr. Konstantinidis, Oí ópoi "o\)crla" Ka! "u7tócr'tacrt<;" 7tap' 'ASavacrlc¡> 18 Vgl. W Pannenberg, Die Bedeutung des Bekenntnisses von Nicaea-Konstantinopel
'ti¡) MEyáM¡>, in: 8wA.oyla 53 (1982) 579 f. für den ükumenischen Dialog heute, in: Okumenische Rundschau 31 (1982) 138.
I3 Vgl. Athanasius, Tom. ad Antioch. 5, PG 26, 801. 19 Gemeinsame Erklarung des Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theolo­
14 Vgl. G. Larentzakis, Einheit der Menschheit, Einheit der Kirche bei Athanasius gen in: Glaubensbekenntnis und Kirchengemeinschaft, hrsg. von K. Lehmann u.
(Grazer Theologische Studien 1), Graz '1981, 267 f.; L. Abramowski, Trinitarische und W Pannenberg, Freiburg 1982, 120.
christologische Hypostasenformeln, in: ThPh 54 (1979) 42f. 'o W Kasper, Christologie und Anthropologie, in: ThQ 162 (1982) 205.
1S Vgl. Chr. Konstantinidis, a. a. O. (Anm. 12) 583 f. 21 Ebd. 22 Ebd.

78 79
zwar christologische Probleme, primar aber sind sie zentrale Fragen verbleiben also in unseren Grenzen, wenn wir folgendes annehmen:
der Trinitatslehre, und zwar nicht so sehr als ein Problem der Meta­ den Ungezeugten, den Gezeugten und den Hervorgehenden."> So
physik, sondem der Heilsgeschichte. Ich glaube, das gleiche meint existieren die drei gottlichen Personen in der einen Gottheit. Die
Kasper, wenn er die "Metaphysik der Liebe" erwahnt, d. h. "eine re­ drei gottlichen Personen bilden eine Gemeinschaft, eine xoworvíc,
lationale Metaphysik, in deren Mitte nicht wie in der Antike die Ka­ fundiert in der Liebe. Damit ist auch eines der schwierigsten Pro­
tegorie der Substanz, sonde m die der Person steht, für die die Liebe bleme beantwortet, namlich das der Einheit in der Vielfalt, was auch
der Sinn des Seins ist. Eine solche relationale Metaphysik der Per­ in der Ekklesiologie und in der Okumene von zentraler Bedeutung
son kann das legitime Anliegen der neuzeitlichen anthropologischen ist. Gregor von Nazianz betont: "Wenn wir auch an drei glauben, so
Wende aufgreifen und zugleich kritisch überbieten, um so zu einer werden die doch auf einen zurückgeführt, die aus ihm ihren Ur­
neuen Gesamtsicht der Wirklichkeit aus dem christlichen Glauben sprung haben (d. h. aus dem Vater). Denn das eine ist nicht mehr,
zu kommen.":" Eben genau diese Wende, d. h. nicht den Ansatz bei das andere weniger Gott, das eine ist nicht früher, das andere spater.
der abstrakten oóoíc Gottes, sonde m bei der konkreten U1tócr"mcrL~ Auch besteht kein Unterschied im Wollen, keine Teilung in der
bzw. beim npóccmov, der Person, als Ausgangspunkt bzw. als Mitte Macht, und es ist überhaupt nichts vorhanden, was einer Trennung
der Trinitatslehre, für die W. Kasper im Jahre 1982 sich einsetzt, ha­ ahnlich ware, sondern wenn man es knapp sagen will, so ist ungeteilt
ben die Kirchenvater bereits im 4. Jahrhundert, vor altem der in den Verschiedenen die Gottheit, ahnlich wie es in drei miteinan­
hl. Basilius, aus soteriologischen, seelsorgerischen Motivationen der vereinigten Sonnen nur eine Mischung des Lichtes gibt."> Das
vollzogen. Prinzip der Einheit in der Vielheit-? in einer absoluten Form finden
Gregor von Nazianz ging einen Schritt weiter in bezug auf die Ar­ wir eben in der absoluten Existenz des dreieinigen Gottes, als Ein­
tikulierung der Trinitatslehre. Wahrend für den Vater und den Sohn heit mit ihrem ersten Ursprung, den Vater, und in der Gemeinschaft
die Begriffe ungezeugt und gezeugt vorhanden waren, war für den der Existenz der drei gottlichen Personen und deren einheitlicher
Heiligen Geist kein adaquater Begriff vorhanden. Der hl. Gregor Wirkung. Das heiBt, daB die ontologische Grundaussage der Kap­
von Nazianz wandte gestützt auf die Heilige Schrift und in Anleh­ padozier über Gott nicht in der Einzigkeit der oóoto Gottes, son-
nung an Joh 15,26 den Begriff ÉK1tOpEU1;ÓV für den Heiligen Geist
an, womit das Verhaltnis des Vaters und des Heiligen Geistes be­
tung habenden procedere vielleicht erklarbar, entspricht aber der prázisierten
schrieben wird, ohne natürlich auf das genaue Wie der Existenz der theologischen Entfaltung der Trinitátslehre durch die Kappadozierund durch den Ab­
drei góttlichen Personen eingehen zu konnen'". Gregor sagt: "Wir schluB der Formulierung irn Glaubensbekenntnis vom ersten Konstantinopolitanum
(381) gewiB nicht. Man müBte eher einen anderen Begriff als das procederesuchen, der
der AusschlieBlichkeitdes éxnopeóerci mehr entspricht, als daB roan auf Grund eines
2l Ebd. 220., W. Kasper, a.a.O. (Anm. 10) 351 u.353. nicht adáquaten Terminus,und das ist hier das procedere,das Glaubensbekenntnis án­
2' Der neutestamentlicheBegriff ÉKnopEúEcrSm,wie er hier verwendetwird und wie er dert. Man kann natürlich, wenn man keinen anderen adaquaten Begriff findet, auch
auch vom 2. OkuroenischenKonzil von Konstantinopel (381) im Glaubensbekenntnis das procedere im Glaubensbekenntnis mit der Bedeutung des ÉKnopEúEcrSCLlverwen­
aufgenoromen wurde, unterscheidet sich vom Begriff procedere dadurch, daB der erste den, allerdings mit der notwendigen theologischen Konsequenz, d. h. ohne Filioque.
nur dafür verwendet wird, um das ausschlieBliche Verháltnis des Heiligen Geistes aus 25 Gregor von Nazianz, Orat. 29,2, PG 36,76 e, deutsch: Gregor von Nazianz. Die fünf

dem Vater zum Ausdruck zu bringen, was die ausschlieBliche Intention sowohl des hl. theologischen Reden, Text und Übersetzung mit Einleitung und Kommentar, ed.
Gregors von Nazianz als auch des Konzils war, wahrend der zweite, d. h. procedere J. Barbe/, Düsseldorf 1963,133. Vgl. auch Orat. 31,9, PG 36,141 D., ed. J. Barbe/233.
eine breitere Bedeutunghat, namlich er kann das Verhaltnis des Heiligen Geistes zum 2. Gregor von Nazianz, Orat 31, 14, PG 36, 149 A, ed. J. Barbe/245. Zuro Bild der Son­
Vater, aber auch des Sohnes zuro Vater und des Heiligen Geistes zum Sohne ausdrük­ nen vgl. M. Kertsch, Bildersprache bei Gregor von Nazianz. (Grazer Theologische Stu­
ken, d. h., wie Kasper feststellt, daB das procedere "auf alle innertrinitarischen Vor­ dien 2), Graz 21980, 192f.
gange angewandtwerden kann' (ebd. 267), wáhrend das ÉKnopEÚE'tm"nur in bezug auf 27 Gregor von Nazianz, Orat, 31,9, PG 36, 144: "To acrúyxu'tov crrol:;1']'tCLl 'twv 'tplWV
den Vater, den ersten, selbst ursprungslosen Ursprung anwendbar ist" (ebd.). Das glei­ únocrcoeov Év"tt1 µl~ <pÚcrEl re KCLi a~íCL 'ti)<; SE6't1']'to<;... !;V 'tU 'tpíCL"tt1SE6't'T]'tl KCLi ró
che stellt auch y. Congar, Der Heilige Geist, Freiburg - Basel- Wien 1982,447 f., fest. !:v 'tpíCL 'tCLL<; l8l6't1']crlV' 'íVCL µT¡'tE ró év LCL~ÉMlOV Ti, µT¡'tE 'tu 'tplCL 'ti)<; nOVT]pii<;vüv 8lCLl­
Insofern ist das Filioque in der lateinischen Übersetzung auf Grund des breitere Bedeu- ptcrEOO<;", ed. J. Barbe/233. Vgl. auch L. Abramowski, a. a. O. (Anm. 17) 88.

80 81
dern in dem Vater, d. h. in der Hypostasis oder Person, zu finden ist, sammenhang ist dann festzustellen, dañ der Personbegriff in der
wie auch Karl Rahner feststellt". frühen kirchenamtlichen Trinitatslehre doch der Begriff des Konzils
Das Personale und die Gemeinschaft der gottlichen Personen von Konstantinopel (381) bzw. der vorbereitenden Kappadozier ist.
steht also bei den Kirchenvatern und in der Theologie des Ostens im Dieser Begriffwurde zwar auch im Westen offiziell anerkannt, deckt
Vordergrund und nicht das Gemeinsam-Eine Wesen Gottes. Das sich aber nicht mit dem differierenden Begriff des hl. Augustinus,
scheint auch für die Deutung des Personbegriffs seine Wichtigkeit obwohl er sich bemüht hat "alle ihm zuganglichen Schriften seiner
zu haben. B. Studer ist in einer Untersuchung über die Bedeutung Vorganger über die Trinitat heranzuziehen" 31, wie er selbst beteuert.
des Personbegriffs in der altchristlichen Trinitatslehre zum Ergebnis Aber wenn Studer von der Begriffsanalyse her urteilt, "daG es ihm
gekommen, "daG der dogmatische Personbegriff hauptsachlich als (d. h. Augustinus) tatsachlich auch gelungen (sei), die katholische
Ablehnung der sabellianischen (marcellianischen) Abschwachung Tradition in einem weiten Mal3 zusammenzufassenv, so ist doch zu
der Verschiedenheit von Vater, Sohn und Geist zu verstehen ist, also fragen, ob Augustinus den Unterschied zwischen oóoíc und ónó­
als eine im Grund sehr negative, ausschlieñende Erklarung des wah­ orcou; bzw. noóotonov und den ekklesiologischen und doxologi­
ren Taufglaubens."29 Natürlich hat die Fassung des Personbegriffs schen Kontext der griechischen Trinitatstheologie, wie diese sich bei
ihre Bedeutung in der Abgrenzung gegenüber Sabellius, den Euno­ den Kappadoziern und schlief3lich in Konstantinopel herausgebil­
mianern, Arianern und Pneumatomachen gewonnen. Das wird auch det hatten, ganz erfaíst hat und ob es ihm vor allen Dingen gelungen
in der Formulierung des dogmatischen Horos des Konzils von Kon­ ist, den lebendigen Glaubensprozel3, der dahintersteht, adaquat zu
stantinopel deutlich. Jedoch vorher stellt das Konzil positiv fest, übersetzen (vgl. De Trin. V. VIII, 10, CCL 50, 216). Um die "katholi­
woran man glauben muñ. Denn wenn das Konzil nicht vorher posi- sche Tradition" der KIarstellung, Entfaltung und Artikulierung der
, tiv den rechten Glauben zu artikulieren versucht, kann es auch nicht Trinitatslehre richtig zu erfassen, wird man also immer wieder die
negativ die Irrlehre ablehnen. Durch diesen Zusammenhang emp­ Kappadozier selbst studieren müssen, die die Trinitatslehre des
fangt auch die logische Fassung des Personbegriffs einen Stellen­ Konzils von Konstantinopel gestaltet haben.
wert, der immer bei der Analyse mit berücksichtigt werden muñ. Das Diese KIarstellung war aber erst dann moglich, als die Kirchenva­
Hauptziel der Arbeit der Konzilsvater war doch, "daG sie neben ein ter die damals geltende Metaphysik überwunden haben-' und eine
Lehrdekret mit den Formeln ontologischer Reflexion ein Bekennt­ christliche Ontologie, wenn auch in der Sprache der Philosophen
nis gestellt haben, mit welchem die Gemeinde ihren Glauben an den schufen, ohne damit sich auf Einzelheiten der metaphysischen Spe­
dreieinigen Gott in der Form der anbetenden Verherrlichung aus­ kulationen einlassen zu wollen. Auch der hl. Basilius konkret lehnt
drückt". Was hier in der "Gemeinsamen Erklárung des Arbeitskrei­ metaphysiche Spekulationen über das Sein Gottes und Christi als
ses evangelischer und katholischer Theologen'"? seinen Ausdruck
gefunden hat, sollte auch im Bewuñtsein bleiben, wenn man die Be­
B. Studer, a.a.O. (Anm. 29) 167.
deutung des Personbegriffs sprachlogisch analysiert. In diesem Zu- 31
32 Ebd.
33 Das bedeutet, daB die Kappadozier die hellenistische Metaphysik verlassen haben
28 K. Rahner,Schriften (21965) 165f.; vgl. J, Zizioulas, Wahrheit und Gemeinschaft in und eine biblische Gottesdarstellung schufen, d. h., es ist schwer mit dem philosophi­
der Sicht der griechischen Kirchenváter, in: Kerygma und Dogma 26 (1980) 19 f. schen InhaIt der Begriffe unó(J'taol(; und npócomov den kirchlichen, kappadozischen
29 B. Studer, Der Person-Begriff in der frühen kirchenamtlichen Trinitátslehre, in: Personbegriff erklaren zu wollen. In diese m Sinn muB auch der Vorwurf der Helleni­
ThPh 57 (1982) 168. sierung des Christentums revidiert werden. Zu Recht stellt Wolf-Dieter Hauschild fest:
30 In: Glaubensbekenntnis und Kirchengemeinschaft 120f,; H, J. Schulz, Das Konzil "Die kappadozische Trinitatslehre und, mit dieser zusammenhángend, das Dogma von
von Konstantinopel (381): Wegweisung für die Ókumene und Mahnung an die westli­ 381 als ,Hellenisierung des Christenturns' zu werten, geht an der Sache vorbei ... " (Das
che n Kirchen, in: Der christliche Osten 2-6 (1981) (Sonderdruck), bezeichnet die Ar­ trinitarische Dogma von 381 als Ergebnis verbind1icher Konsensbildung, in: Glau­
beit des Konzils eindeutig als "positives Glaubenszeugnis statt dogmatischer Abgren­ bensbekenntnis und Kirchengemeinschaft, hrsg. von K. Lehmann u. W. Pannenberg,
zung" (S. 7)! Freiburg 1982,44, vgl. auch 120),

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überflüssige Streitereien ab, weil sie an der Sache vorbeigehen. "Lei­ kennen, dafs diese Rettung durch den Vater und den Sohn und den
der wurde die Stimme des Mannes schon von seinen Zeitgenossen Heiligen Geist gewirkt wird, sollen wir dann die Form der Lehre, die
nicht gehort oder wenigstens nicht verstanden. Wie recht er aber ge­ wir übernommen haben, preisgeben ?"37 Die trinitarische Form der
habt hat, zeigt die nachfolgende Geschichte der christologischen Taufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen
und trinitarischen Streitigkeiten, die nur unter der irrigen Vorausset­ Geistes stellt nicht nur ein einfaches Taufritual dar, bedeutet nicht
zung moglich waren, dal3 die trinitarische Formel eine metaphysi­ nur einen Eintritt in eine vereinsmañige Gesellschaftsordnung, son­
sche Definition des Seins Gottes darstelle">, betont Hübner. In der dern bedeutet neues Leben und Gemeinschaft mit dem personalen
gleichen Richtung bemüht sich das trinitarische Verstandnis zu ver­ dreieinigen Gott. Die so verstandene Taufe ist "der erste Tag unserer
stehen und darzustellen auch Jürgen Moltmann, der auch mit patri­ Wiedergeburt", ist die Sohnschaft der Gnade nach Gott gegenüber,
stischen, ostkirchlichen Darstellungsversuchen eine Erganzung bzw. bewirkt unsere Erleuchtung und Gotteserkenntnis, betont der
Korrektur der westlichen diesbezüglichen theologischen Entwick­ hl. Basilius ". Damit ist auch nochmals deutlich, daJ3 die durch die
lung unternimmt". Wirkung des dreieinigen Gottes erreichte Gotteserkenntnis soterio­
logischen und gemeinschaftlichen Charakter hat; deshalb sollen wir
diese Erkenntnis als Bekenntnis und als Lobpreisung von der Taufe
3. Der dreieinige Gott und die Kirche als Heilsgemeinschaft bis ans Ende unseres Lebens bewahren ", wünscht sich der Kirchen­
vater. Dies alles bedeutet, daJ3 sowohl die Eingliederung in die Kir­
Die hypostatische und personale Existenz des dreieinigen Gottes che, also die Ekklesiologie, als auch das Erreichen des ewigen
schafft auch die Voraussetzungen für die Ermoglichung einer Gott­ Lebens, also die Soteriologie, ohne die Grundlage des Mysteriums
Menschen-Gemeinschaft, die, soteriologisch gesehen, die Kirche des dreieinigen Gottes nicht moglich sind.
des dreieinigen Gottes darstellt, ohne zu Einseitigkeiten des Christo­ Aus diesem Grunde entfernen sich alle diejenigen, die die voll­
monismus und des Pneumatomonismus zu gelangen. Kirche ist das kommene Dreieinigkeit Gottes verwerfen, selbst von der Hoffnung
Volk Gottes des Vaters, der Leib Christi und der Tempel des Heili­ der Erlosten und trennen sich selbst von der Gemeinschaft Gottes,
gen Geistes", betont auch Gregor von Nyssa"; Deshalb ist der Glaube als Be­
Die Konkretisierung dieser Gemeinschaft findet sich im sakra­ kenntnis, Danksagung und Lobpreisung an den dreieinigen Gott für
mentalen Leben und beginnt mit der Taufe. Basilius betont: "Wo­ jeden Christen innerhalb der Kirche existenz- bzw. heilsnotwendig,
durch sind wir Christen? Durch den Glauben, wird man sagen. Auf von der Taufe bis ans Ende des Lebens.
welche Weise werden wir gerettet? Offenbar durch die Wiederge­ Diese Notwendigkeit dokumentiert sich sehr deutlich im Sakra­
burt in der Gnade der Taufe. Woher denn anders? Wenn wir aner- ment der heiligen Eucharistie, in dem sich das Gemeinschaftliche
und das Personale in einer doppelten Richtung realisiert. Narnlich
als Gemeinschaft zwischen Christus und den Christen und als Ge-
34 R. M. Hiibner, a.a.O. (Anm. 16) 20f.
rs Vgl. J. Moltmann, a. a. O. (Anm. 2). Yannaras, ein orthodoxer Theologe kennt keine
andere deutlichere Provokation zur Selbstkritik der westlichen Theologie. Er schreibt J7 Basilius, über den Heiligen Geist X, 21 e, eingel. und übers. von M. B/um, Freiburg
dann wórtlich, "daB mit diese m Buch von Moltmann die Wahrheit des dreieinigen 1967,48.
Gottes wiedererkannt wird als die Achse und die Voraussetzung des Ereignisses der Er­ J8 Ebd. X, 22 a-b, M. Blum, 48 f.

losung, und als die Gewiihr des Evangeliums der Hoffnung, so wie es erlebt und be­ J9 Ebd.; vgl. W. Kasper, 286: "So ist das Christwerden wie das Christsein unabdingbar
kannt wurde von der ungeteilten Kirche der (ersten) sieben ókurnenischen Konzilien", rnit dem trinitarischen Bekenntnis verbunden." Das ist auch ekklesiologisch wichtig,
in: Fpnvópu»; ó naAaµa~ 65 (1982) 52f. Vgl. auch W. Pannenberg, Die Subjektivitat denn aus diesem Bekenntnis lebt "die Kirche und jeder einzelne Christ" (ebd. 300,
Gottes und die Trinitátslehre, in: Kerygma und Dogma 23 (1977) 25-40; W. Kasper, 304). a.a.O. (Anm. lO)
a.a.O. (Anm. lO) 350ff. 40 Gregor van Nyssa, De spiritu sancto adversus Macedonianos, hrsg. von F. Mül/er
J6 'Vgl. J. Karmiris, 'Op1}6¡¡o~o~ 'EKKA1lcrLOAoyla, Athen 1973, 199f. (Gregor Nyss. Opera, hrsg. von W. Jdger III) III, 1, 109.

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meinschaft zwischen den Christen unte reinan der. Gerade aber in Wir haben vorher gesehen, dal3 der christliche Gott als ein ab­
der Eucharistiefeier haben wir nicht nur eine Christozentrik als straktes Wesen nicht nur nicht erkannt werden, sondern auch nicht
Realprasenz und Empfang des Herrn, sondern eine Triadozentrik, existieren kan n ohne die konkreten Existenzweisen in den wirken­
nach der die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes ganz deutlich ma­ den gottlichen Personen. Genauso verhalt sich die Frage nach der
nifest wird. Der doxologische Beginn jeder Eucharistiefeier "Ge­ Existenz der Kirche. Die Kirche kann als eine Universalkirche ohne
priesen sei das Reich des Vaters und des Sohnes und des Heiligen die konkrete Existenzweise in der durch die eucharistische Synaxis
Geistes, jetzt und in aller Zeit und in Ewigkeit", der trinitarische, konstituierte Ortskirche nicht existieren, d. h., wir haben vor uns in
ebenfalls doxologische Abschluís jeder groñen und kleinen Litanei, erster Linie nicht die eine Universalkirche, sondern die vielen kon­
"Denn dir gebührt aller Ruhm, Ehre und Anbetung, Vater, Sohn und kreten Ortskirchen. Diese Ortskirchen stellen nicht nur "unvollkom­
Heiliger Geist, jetzt und in aller Zeit und in Ewigkeit" u. a., das Sin­ mene" Teilkirchen eines Ganzen, d. h. der Universalkirche, dar,
gen des Trisagion, durch das einzige in der orthodoxen Kirche ver­ sondern eben Ortskirchen, die die Fülle des Mysteriums und des ek­
wendete Glaubensbekenntnis von Konstantinopel (381) und vor klesialen Charakters, also die Katholizitat in Verbindung mit dem
allem durch die Epiklese wird in eindrucksvoller Weise die ange­ Vollzug des eucharistischen Mysteriums aufweisen. Es handelt sich
strebte und vollzogene Gemeinschaft der Glaubigen mit dem dreiei­ also dabei auch um die eucharistische Ekklesiologie.
nigen Gott manifestiert. Selbst die Wandlung der Gaben geschieht Wie der in einer eucharistischen Synaxis prasente und empfan­
als ein Akt der Liebe und der Allmacht des dreieinigen Gottes, in­ gene Jesus Christus in der Form seines Leibes und Blutes nicht nur
dem das Gebet der Epiklese an Gott-Vater gerichtet wird, damit der ein Teil Christi ist, sondern der ganze Christus, genauso sind die.
Heilige Geist die Gaben des Brotes und des Weines zum kostbaren Ortskirchen nicht nur ein erganzungsbedürftiger Teil der Kirche,
Leib und Blut des Sohnes Gottes verwandle, wie es in der Chrysosto­ sondern Kirche Christi im vollen Sinne des Wortes. Hochstwahr­
musliturgie heiíst. Demnach ist es, meine ich, sehr deutlich, dal3 die scheinlich in Anlehnung an die eucharistische Ekklesiologie formu­
eucharistische Versammlung nicht nur eine religiose Betatigung der liert Joseph Ratzinger: "Es gibt nur einen Christus. Wo immer
Christen bedeutet, sie stellt auch nicht nur eine Pflichterfüllung dar, Eucharistie gefeiert wird, da ist er ganz da. Deswegen ist auch in der
sondern sie manifestiert und konstituiert in der Gemeinschaft der armsten Dorfkirche, wenn Eucharistie stattfindet, das ganze Ge­
heiligen Dreieinigkeit die Kirche schlechthin in der Fülle des Heils heimnis der Kirche, ihre lebendige Mitte, der Herr anwesend. "41
(eucharistische Ekklesiologie); d. h., jede Kirche als eucharistische Wird die eucharistische Ekklesiologie extensiv und exklusiv ent­
Versammlung am Ort ist die Kirche in ihrer qualitativen Katholizi­ wickelt bzw. angewandt, besteht natürlich die Gefahr einer extre­
tato men Entwicklung, in der die Ortskirche in ihrer Fülle verabsolutiert
und isoliert wird ohne das Band der Einheit und der Kirchenge­
4. Die eine und die vie/en Kirchen oder meinschaft, d. h., die Schismagefahr kann nicht sehr leicht abgewen­
die vis/en und die eine Kirche det werden. Aus diesem Grunde ist die eucharistische Ekklesiologie
Z. B. eines Afanasief auch innerhalb der orthodoxen Kirche nicht
Mit diesem Punkt kommen wir zu einem der zentralsten Themen der ohne Kritik geblieben.
Ekklesiologie, und zwar nicht nur als einem Problem der kirchlichen Diese Gefahr kann kompensiert, ja ganz überwunden werden
Strukturen, also der auñeren Form der kirchlichen Verwaltung und durch die Anwendung des trinitarischen Prinzips der Überwindung
Organisation, sondern als einem zentralen Problem der ekklesiologi­ der Spannung der Vielheit und der Einheit. Ekklesiologisch ange­
schen Ontologie, meine icho wandt, bedeutet dies, die vielen Ortskirchen im vorher erwahnten
Es handelt sich dabei um die Frage der Existenz der Kirche
schlechthin. 41 J. Ratzinger, Eucharistie Mitte der Kirche, München 1978, 29f.

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Sinn existieren in der Gemeinschaft der einen Kirche auf der Basis das eigene Kirchenverstandnis und dessen Vollzug, sondern auch,
der Liebe und des einen Glaubens, ohne eine starre Uniformitat. ükumenisch gesehen, für die Wiederherstellung der vollen und sa­
Konkret bedeutet das Einheit in der Vielfalt. Das ist heute im Sinn kramentalen Gemeinschaft der christlichen Kirchen.
eines bedeutungsvollen Imperativs zu verstehen: Communio und Diesen ókumenischen Charakter des Mysteriums des dreieinigen
Selbstandigkeit, oder in der Sprache der orthodoxen Theologie: Gottes erkannte auch die Konferenz Europáischer Kirchen. Sie ver­
Synodalitat und Autokephalie. Das war eigentlich das Grundprin­ anstaltete u. a. eine theologische Konsultation in Goslar vom 22. bis
zip der ungeteilten Kirche des ersten Jahrtausends nicht nur des 26. November 1982 mit dem Gesamtthema: "Die versohnende Kraft
Ostens, sondern, und das ist sehr wichtig, auch des Westens, und hat der Dreieinigkeit im Leben der Kirche und der Welt", Konkreter,
in der orthodoxen Ekklesiologie bis heute Gültigkeit. Hermengild was unser Thema hier betrifft, befaBte sich die zweite Sektion die ser
Biedermann sagt dazu: "Die Orthodoxie hat immer (das ist unum­ Konferenz, deren Sekretar zu sein ich die Ehre hatte, mit dem
wunden zuzugestehen) die Einheit des Glaubens, des sakramentalen Thema: "Trinitat als Modell der Einheit - das Verhaltnis zwischen
Lebens und der hierarchischen Verfassung in allen wesentlichen Einheit und Gemeinschaft, Universalem und Lokalem", Im offiziel­
Punkten vertreten und bewahrt. "42 Aber wenn Biedermann, der für len, vom Plenum der Konsultation approbierten und den ca. 120
das bessere Verstandnis unserer zwei Kirchen sehr viel geleistet hat, Mitgliedskirchen zum weiteren Studium empfohlenen Bericht
diese positive Feststellung "unumwunden" machen muB, warum dieser Sektion heiBt es u. a.: "Wie die góttlichen Personen wirkliche
macht er dann daraus eine Gefahr: von der Überbetonung der Orts­ Personen sind, so sind auch die Ortskirchen wirkliche Kirchen mit
kirche zu Lasten der Gesamtkirche, so sehr, daB "die Einheit der der Fülle des sakramentalen und ekklesialen Charakters (katho­
letzteren geschwacht wird und zu zerbrechen droht, ihre Tatigkeit je­ lisch) im Vollzug des eucharistischen Mysteriums und nicht nur
denfalls gelahmt erscheinen kann'v"? Wenn die Einheit des Glau­ Teile eines Ganzen. Die gesamte Kirche Christi wird nicht nur durch
bens, des sakramentalen Lebens und der hierarchischen Verfassung das Addieren der Teilkirchen verwirklicht, sondern durch die Ge­
bewahrt werden, wie Biedermann zugibt, was brauchen wir mehr für meinschaft der Ortskirchen in gegenseitiger Durchdringung (Peri­
das christliche Leben in der Kirche? chorese) zum Ausdruck gebracht. Die Konziliare Gemeinschaft der
Die Konsequenzen einer theologisch richtigen Wertung der Orts­ Kirchen findet sich demnach in der trinitarischen Auffassung inte­
kirche in der Communio der Universalkirche und die Theologie des griert", und weiter: "Kirchliche Einheit und Gemeinschaft bedeutet
Bischofsamtes sind für diese Ekklesiologie bedeutungsvoll. Dem Bi­ nicht Uniformitat. Die Einheit in der Vielfalt auf der Basis des trini­
schof ist die Ortskirche anvertraut. Seine Hirtenaufgabe der Lehre, tarischen Vorbildes drückt auch den Reichtum und die Dynamik der
der Heilsvermittlung und der Leitung gründen in der Bischofsweihe, kirchlichen Gemeinschaft aus."
die er innerhalb der eucharistischen Versammlung sakramental Warum wir die trinitarischen Beziehungen als Vorbild akzeptie­
empfangen hat. Interessant ist vielleicht, hier nur zu erwahnen, daB ren, erfahren wir im Johannesevangelium, in dem zu lesen ist, daB
bei jeder Eucharistiefeier, in der unter der Anwesenheit des Klerus Jesus selbst die Gemeinschaft zwischen ihm und seinem Vater als
und des Volkes der Ortskirche und der Nachbarbischofe eine Bi­ Vorbild für die Einheit der Christen hinstellt+'.
schofsweihe stattfindet, das Pfingstfest gefeiert wird. Die pneumato­ Diese wichtige Analogie ist den Kirchenvatern auch bekannt. Ich
logische bzw. trinitarische Dimension der Kirche hat nicht nur in meine hier die vielzitierte Johannesstelle 17,21: "Damit alle eins
den einzelnen Kirchen, konfessionell gesehen, groíste Bedeutung für seien." Meistens wird nur dieser Teil zitiert, wahrend der anschlie­
Bende Satz, der viel wichtiger ist, vergessen wird: .Wie du Vater in
42 H. Biedermann, Gotteslehre und Kirchenverstándnis. Zugang der orthodoxen und
der katholischen Theologie, in: ThPQ 129 (1981) 135. 44"So enthalt dieses Gebet in der Stunde des Abschieds gleichsam das Testament Jesu"
43 Ebd. (W Kasper, a.a.O. [Anm. 10]369).

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mir und ich in dir, daís sie auch in uns seien." Natürlich ist hier die 5. Die soziale Dimension des trinitarischen Mysteriums
engste Gemeinschaft der Christen untereinander gemeint, aber auch
die Gott-Menschen-Gemeinschaft. Damit ist nicht gemeint, daís Hier sei noch kurz die groBe Bedeutung des trinitarischen Myste­
eine ontologische quasi pantheistische Gott-Menschen-Einheit riums für das konkrete Leben der Christen in der Kirche und der Ge­
müglich ware. Athanasius von Alexandrien betont, dafs das harmo­ sellschaft betont.
nische Verhaltnis der drei gottlichen Personen -¡;únoc;, Vorbild, für Wenn wir das trinitarische Verstandnis in gesellschaftliche Kate­
die Christen sein soll=, gorien übertragen wollen, konnen wir die Begriffe "Person" und
Das gleiche meint auch Gregor von Nyssa". "Gemeinschaft" zugrunde legen in Analogie der trinitarischen Ge­
Das aber, was für die Einheit der Christen innerhalb der Kirche meinschaft. "Die Person, vom Individuum unterschieden, wird mit
gilt, gilt auch für die verschiedenen Kirchen innerhalb der einen Kir­ vollem Recht nur als in Gemeinschaft mit anderen befindlich ver­
che. Das trinitarische Prinzip der Vielfalt in der Einheit kan n also standen", stellt Johannes Zizioulas fesr". In diesem Sinne wird das
auch in der Ekklesiologie angewandt werden und für die Okumene trinitarische Leben auch für die gesellschaftliche Verantwortung der
hilfreich sein. Kirche als Urbild und Vorbild betrachtet. Die Personalitat und die
Stylianos Harkianakis, Erzbischof von Australien und Leiter der Gemeinschaft, fundiert auf dem wichtigen Prinzip der Liebe, schaf­
gesamtorthodoxen Kommission für den offiziellen theologischen fen wichtige Voraussetzungen in der gesellschaftlichen Ordnung";
Dialog zwischen der orthodoxen und der katholischen Kirche sagt G. Mantzaridis formuliert: "Das soziale Ideal der Orthodoxie ist im
dazu: "Das innertrinitarische Leben geschieht, wie die Vater es for­ Grunde im orthodoxen Trinitatsdogma zusammengefañt. Der
mulieren, in ,Perichorese', d. h. in gegenseitiger Durchdringung der dreieinige Gott stellt eine Gemeinschaft mit der Liebe dar. Charak­
drei Personen, geeint mit dem Band der unendlichen Liebe. Liebe ist teristisches Kennzeichen dieser Liebe ist die Uneigennützigkeit.
der Grund der Homoousie. Liebe ist das erste und letzte Prinzip der Jede Person der Trinitat ist vollkommener Gott. Deshalb ist die Lie­
trinitarischen Einheit, nicht ein ,Subordinationsprinzip', welches die besgemeinschaft dieser Personen nicht als Regung eigennützigen
Eigenstandigkeit der Personen gefahrden oder beeintrachtigen Empfangens, sondern als Ausdruck der Vollkommenheit und der
konnte, Die drei Personen werden somit als ungetrennt, aber zu­ Uneigennützigkeit zu verstehen.">? Und wenn der Gott-Vater als ei­
gleich als unvermischt betrachtet. Wenn wir jetzt dies in ekklesiolo­ gene Person eine zentrale Rolle als die "einzige Quelle der Dreiei­
gische Kategorien übertragen wollen, so heiíst das, daís bei der nigkeit'"! innehat, kan n das nicht durch die Meinung relativiert
Losung der trinitarischen Frage sowohl das Prinzp der Kollegialitiit werden, dadurch trete ein patriarchalisches Bild unseres Gottes in
in der Einheit, wie das Prinzip der Autokephalie in den drei Personen Erscheinung, das in unserer Zeit als nicht mehr akzeptabel betrach­
zu erkennen ist. tet werden konne, weil heute eine neue Ordnung frei gewahlter Part­
Diese Lósung ist also auch für die ekklesiologische Frage die ein­ nerschaft und Kollegialitat um sich greife": Leo Scheffczyk
zig richtige und legitime, die einzig biblische und traditionelle, wenn
die Kirche wahrhaft glaubt, dafs sie ihren Ursprung und ihr Vorbild 48 J. Zizioulas, Die Spontangruppen in der Kirche aus orthodoxer Sichj, in: Die Spon­
in der Trinitat hato "47 tangruppe in der Kirche, hrsg. von R. Metz U. J. Schlink, Aschaffenburg 1971, 178.
• 9 Vgl. G. Larentzakis, Orthodoxe Kirche und Soziallehre, in: Katholisches Sozialle­
xikon, hrsg. von A. Klose - W. Mantl= V Zsifkovits, Innsbruck-Graz '1980, 2021.
•, Vgl. Athanasius, Contra Arianos n, 20 f., PG 26, 364f. Mehr darüber in: G. Larent­ so G. Mantzaridis, Soziologie des Christentums, Berlin 1981, 122.
zakis, a.a.O. (Anm. 14) 240ff. " Das Mysterium der Kirche und der Eucharistie im Lichte des Geheimnisses der Hei-
46 Gregor von Nyssa, Orat. XV, In Canto Canticorum, hrsg. von H. Langerbeck (Opera, 1igen Dreieinigkeit. Erstes approbiertes Dokument der gemischten Kommission für
hrsg. von W. Jáger), Bd. VI, 466f. den theo1ogischen Dialog zwischen der romisch-katholischen und der orthodoxen Kir­
47 Sto Harkianakis, Die Entwick1ung der Ekk1esiologie in der neueren griechisch-or­ che, in: Okumenisches Forum 5 (1982) 155-165.
thodoxen Theologie, in: Catho1ica 28 (1974) 9. 51 Vgl. L. Scheffczyk, Der eine und dreifaltige Gott, Mainz 1968, 73.

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antwortet darauf, das Autoritatsbewufstsein dürfe nicht total 6. Die Wiederherstellung der kirch/ichen Gemeinschaft
schwinden und konne nicht durch etwas vollig Neues ersetzt wer­ zwischen den beiden Schwesterkirchen,
den". Das ist gewif richtig. Zusatzlich ist aber hier meines Erach­ der orthodoxen und der riimisch-katholischen
tens zu sagen, dañ auch und vor allem die Artikulierung des
Mysteriums des dreieinigen Gottes mit den Hauptbegriffen Person, Es ist hier nicht beabsichtigt, die Entwicklung der positiven Bezie­
Gemeinschaft - ohne Subordination - und Liebe, gerade für das rich­ hungen unserer beiden Schwesterkirchen darzustellen oder zu ana­
tige Verstandnis von partnerschaftlichem Verhaltnis, sowohl in der lysieren. Ich mochte nur einige Bemerkungen machen, die mit
Kirche als auch in der Gesellschaftsordnung relevant ist. unserem Thema doch konkret in Verbindung stehen.
Jeder einzelne Mensch, der als eine eigene verantwortungsvolle Zunachst móchte ich als orthodoxer Theologe feststellen, dañ
Person akzeptiert wird, welche nicht individualistisch und egoistisch auch in der Theologie der rümisch-katholischen Kirche der letzten
handelt, schafft mit ihrem Mitmenschen auf Grund der Nachsten­ Zeit, vor allem durch das 11. Vatikanum und nach ihm eine für die
liebe eine Gemeinschaft, wodurch sehr viele Konflikte, Unterdrük­ orthodoxe Kirche sehr erfreuliche Miteinbeziehung der trinitari­
kungen, soziale Probleme usw. gelüst werden konnen oder über­ schen bzw. pneumatologischen Aspekte der Theologie den gemein­
haupt nicht entstehen. Konkret bedeutet das: keine Isolierung der samen Weg der beiden Kirchen sehr positiv beeinfluñt hato In der
Individuen, kein Egoismus, kein extremer Individualismus>', keine Kirchenkonstitution (4) "erscheint die ganze Kirche als ,das von der
zusammenhanglose Existenz der Menschen-Massen, d.h. kein Kol­ Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her ge­
lektivum, sondern ein gemeinschaftliches Zusammenleben und soli­ einte' Volk". So ist die Kirche als Mysterium (Kirchenkonstitution,
darisches Zusammenwirken der verantwortungsvollen und freien 1) mit dem Mysterium der Dreieinigkeit Gottes eng verbunden, in­
Personen mit der gegenseitigen respektvollen Achtung der Men­ dem der Heilige Geist alle Glaubigen zu einer geistigen Gemein­
schenwürde. Insofern ist nach orthodoxer Auffassung auch hier die schaft vereint (vgl. Kirchenkonstitution 7). In der dogmatischen
Beibehaltung und Verwendung des Begriffs Person erforderlich": Konstitution über die gottliche Offenbarung (8) lesen wir auch:
"Der Heilige Geist durch den die lebendige Stimme des Evange­
" Ebd. liums in der Kirche und durch sie in der Welt widerhallt, führt die
5' J. Moltmann, a.a.O. (Anm. 2) 162.
Glaubigen in alle Wahrheit ein und laBt das Wort Christi in Über­
ss Zu diese m Thema schlágt Studer vor: .Wenn man die persónliche Gemeinschaft
und die persónliche Entfaltung der Menschen irgendwie mit góttlichern Leben von Va­ fülle unter ihnen wohnen." Zu dieser Stelle sagt Joseph Ratzinger
ter, Sohn und Geist vergleichen will, tut man gut daran, dabei den Begriff Person, wie kommentierend: "Für diese notwendige Korrektur einer einseitig in­
er dogmatisch im vierten Jahrhundert entwickelt und dann allgemein angenommen karnatorisch gesehenen Christozentrik konnte das Konzil vor allem
worden ist, nicht ins Spiel zu bringen." (B. Studer, a. a. O. [Anm. 29] 177). Kommt Stu­
der nicht zu dieser Auffassung, weil er die augustinische Trinitátslehre als Kriterium aus den Voten der dem Erbe der Ostkirche verpflichteten Vater ler­
für die ganze Entwicklung verwendet und meint, mit ihrer Hilfe kónne er auch die nen."56
kappadozische Begriffskonkretisierung von oóctn und ú1tócr·t(lm~ bzw, npóotonov Noch eine Stelle sei hier aus dem Okumenismusdekret (1,2) er-
letztlich beurteilen? So gelangt er zu seinem Ergebnis, daJ3 die (trinitarische) .Bestim­
mung doch sehr abstrakt bleibt. Von da aus gesehen, besteht im Grunde keine Schwie­
rigkeit, den Person-Begriff durch eventuell aussagekraftigere Begriffe zu ersetzen,
wenn dies pastoral und auch ókumenisch tragbar sein solite" (ebd.). Man weiJ3 aber und ókumenisch", und zwar nicht nur .rragbar", sondern sinnvoll und hilfreich, ist
schon lange, daJ3 die Schwache der vor allem durch Augustinus (der übrigens, wie er­ also meines Erachtens doch die Beibehaltung des Personbegriffs, Über die Vorschlage
wáhnt, die griechische nicht ganz verstanden hat) entwickelten Trinitatslehre "die Per­ der Ersetzbarkeit des Personbegriffs von K. Barth und K. Rahner vgl. W Kasper,
sonhaftigkeit von Vater, Sohn und Geist aufzulósen" intendiert (W Pannenberg, a. a. O. (Anrn. 10) 350 f. Er setzt sich dafür ein, sich "an den überlieferten Sprachge­
a.a.O. [Anm, 9]182., vgL auch G. Mantzaridis, a.a.O, [Anm, 50]95). Diese .westliche brauch der Kirche zu halten und ihn den Gláubigen zu interpretieren (ebd. 351).
Tendenz" ist bei K. Barth (W Pannenberg, a. a. O. [Anrn. 9]) und u. a. "mit einer ver­ ss J. Ratzinger, Kommentar zum Prooemium, L und Il. Kapitel, der dogmatischen
blüffenden Ahnlichkeit'' auch bei K. Rahner zu finden (vgl. J. Moltmann, a. a. O. Konstitution über die góttliche Offenbarung, in: LThK, Das Zweite vatikanische Kon­
[Anm. 2]161), die aber auch im Westen sehr stark in Diskussion geraten ist. "Pastoral zil, Teil I1, Freiburg - Basel - Wien 1967, 523.

92 93
wahnt: "Hochstes Vorbild und Urbild dieses Geheimnisses (d. h. der Thema: "Das Mysterium der Kirche und der Eucharistie im Licht
kirchlichen Einheit) ist die Einheit des einen Gottes des Vaters und des Mysteriums der heiligen Dreieinigkeit=".
des Sohnes im Heiligen Geist in der Dreiheit der Personen." Die tri­ Hier müchte ich nur einige kurze Bemerkungen zum Dokument
nitarischen und pneumatologischen Aussagen des Konzils sind be­ machen:
kannt und von orthodoxer Seite sehr begrüíst. Stylianos Harkianakis
hat folgendermaísen kommentiert: .Auch wenn das ganze 2. Vatika­ 1. Dieses sehr dichte Dokument ist sehr wichtig und richtungwei­
num nicht mehr hervorgebracht hatte als nur diese beiden einfachen send nicht nur wegen der angesprochenen und direkt oder indirekt
Satzchen, so hatte es damit die ganze Mühe gelohnt. "57 beantworteten Fragen, sondern auch für die zentralen Bereiche, die
Aus diesen wichtigen Perspektiven des Konzils sagt Josef Ratzin­ in diesem Text noch nicht angesprochen wurden - sie konnten es
ger, dañ die Trinitat "den wahren Ort aller Ekklesiologie darstellt". auch nicht -, aber dennoch über dem ganzen Text und deren Aussa­
Auch Bischof Paul-Werner Scheele stellt fest: "Mehr noch als das gen schweben. Etwa die Konkretisierungen der Beziehungen zwi­
gemeinsame la des trinitarischen Bekenntnisses bindet die gelebte schen Orts- und Universalkirche und die Rolle der Kirche von Rom
Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott die Christen aneinander. oder das Verhaltnis zwischen den einzelnen Bischofen und dem Bi­
Diese vitale Communio ist der Urgrund aller christlichen Einheit. "59 schofvon Rom usw. Was darüber spater in einer nachsten Phase des
Auf diesem Hintergrund neuerer trinitarischer und pneumatologi­ Dialogs gesagt werden wird - und es muíí sicherlich darüber gespro­
scher Ekklesiologie bzw. Einheitstheologie ist die neue Entwicklung chen und geschrieben werden -, kann nicht diametral anders entwik­
der Beziehungen zwischen unseren Kirchen mit Optimismus zu ver­ kelt werden, als es in diesem Dokument bereits geschehen ist. Denn
folgen. die Methode und der Ausgangspunkt sind bereits festgelegt. Das ist
Der neue Geist begleitete die beiden Kirchen weiterhin, bis dann das Mysterium der Eucharistie und der heiligen Dreieinigkeit. Die
der offizielle theologische Dialog gemeinsam von Papst Johannes­ daraus folgenden ekklesiologischen Konsequenzen sind, dañ die
Paul Il. und Patriarch Dimitrios am 30. November 1979 wahrend Ortskirche nicht nur als Teil der Universalkirche besteht, sondern
des Besuches des Papstes in Konstantinopel angekündigt wurde". dañ sie - wie in der heiligen Dreieinigkeit - als eine ganze Kirche in
Dieser offizielle Dialog begann unter der Teilnahme von je 30 Mit­ Gemeinschaft mit den anderen Kirchen bzw. mit der universal gan­
gliedern der rümisch-katholischen und aller orthodoxen Kirchen zen Kirche zugleich existiert. Und wenn dabei die Apostolizitat des
vom 29. Mai bis 4. Juni 1980 auf Patmos und Rhodos. Bei der zwei­ Glaubens und der Tradition, die mit diesem Glauben verbundene
ten Plenarsitzung vom 29. Juni bis 5. Juli 1982 in Fürstenried bei apostolische Sukzession und die Konziliaritat die Gemeinschaft der
München und nach den Vorbereitungen der Subkommissionen Ortskirchen gewahrleisten, dann sind meines Erachtens doch die
wurde das erste gemeinsame Dokument verabschiedet über das wichtigsten Fundamente für die Beantwortung der vorher hier er­
wahnten Fragen bereits gelegt, trotz der mangelnden Scharfe bei der
Darstellung mancher Probleme=.
S7 SI. Harkianakis, Okumenischer Dialog nach dem Konzil, in: Una Sancta 21 (1966)
231 f. 2. Wenn auch viele Probleme nicht direkt und ausführlich diskutiert
,. In: Zweites Vatikanisches Konbil, Konstitution über die Kirche, mit einer Einlei­ und behandelt wurden, sind doch Formulierungen getroffen, die
tung von J. Ratzinger, Münster 1965, 19.
59 P.-w. Scheele, Mysterium Kirche. Ein katholischer Beitrag zur okumenischen Besin­
eine Losung dieser Probleme nicht nur andeuten, sondern auch er-
nung, in: Die Kirche in der Sicht der Christenheit des Ostens und des Westens, hrsg.
von J. Madey, Paderborn 1974, 26f.
60 Die gesamte Dokumentation deutsch: G. Larentzakis u. J. Greifeneder, Der Besuch 61 Das Dokument deutsch auch in: Okumenisches Forum 5 (1982) 155-166.
des Papstes Johannes-Paul Il. beim Okumenischen Patriarchen Dimitrios I. vom 29. 62 Der Dialog der Wahrheit. Ein Gesprách mit Kardinal Ratzinger, in: KNA, Okume­
bis 30. November 1979, in: Ostkirchliche Studien 29 (1980) 165-190. nische Information, Nr. 30 (21. Juli 1982) 12.

94 95
müglichen. Konkreter wurde die Frage des Ausganges des Heiligen IV
Geistes zweimal erwahnt, zunáchst nur in einem N ebensatz, dann
aber noeh deutlieher und bestimmter. Wenn es im Text heiñt, dafs Die Einheit des dreieinigen Gottes
"der Heilige Geist vom Vater ausgeht und vom Sohne manifestiert
Bemerkungen zur heilsgesehiehtliehen Begründung
wird", oder dañ "der Heilige Geist vom Vater ausgeht (Jo 15,26), als
und zur Begriffliehkeit der Trinitatslehre J
der einzigen Quelle in der Dreifaltigkeit ... ", ist doeh theoretiseh
und praktiseh das vieldiskutierte Problem des Filioque theologiseh Von Jürgen Moltmann, Tübingen
riehtig beantwortet. Das ist die Erledigung des einen Teils des Pro­
blems, namlich des inhaltliehen, theologisehen. Es ware zu wün­
sehen, daf der andere Teil des Problems, die Hinzufügung im Je mehr man über das Geheimnis der Trinitat naehdenkt, desto we­
Glaubensbekenntnis (von 381) bald gelost wird dureh die Wieder­ niger seheint man es definitiv zu verstehen. Was einem versehlossen
herstellung der ursprüngliehen Form des Symbols. Dies ware eine war, das offnet sieh, und was man begreift, das entzieht sieh wieder.
okumenische Tat von unsagbarer Bedeutung; denn dieses Problem Man fangt immer wieder von vorne ano Darum bleibt die Trinitats­
ist oft zum Symbol der Trennung geworden. lehre unabgesehlossen: Sie ist für den mit ihr beschaftigten, ja von
ihr betroffenen Theologen ein anhaltender Lern- und aueh ein Lei­
3. Kann ieh hier allgemein feststellen, dañ die erste Absieht der densprozeís. Darum aber bleibt die Trinitatslehre aber aueh unauf­
Kommission bei dieser Sitzung, namlich die Feststellung der vor­ gebbar: man wird sie nieht los, aueh wenn man sieh anderen
handenen Brüderliehkeit und des gemeinsamen Glaubensgutes, fun­ theologisehen Themen zuwendet, wie Z. B. der "politisehen Theolo­
diert auf dem apostolisehen Glauben, hinsiehtlieh der gestellten gie" 2. Eine Lehre der Trinitat ist für den Theologen die hochste, aber
Thematik mit einem groísen Erfolg verwirklieht wurde. Das Doku­ gewiís aueh die demütigendste Aufgabe, die ihm gestellt ist.
ment stellt einen sehr groísen und wiehtigen Fortsehritt zur vollen leh stelle diese, aueh personlich gemeinten Bemerkungen voran,
Einheit der beiden Kirehen dar, denn darin sind die fundamentalen weil ieh in diesem kurzen Vortrag weder das Ganze der Trinitats­
Grundprinzipien der ehristliehen Lehre wiederentdeekt, der Stellen­ lehre noeh aueh ihre unabsehbaren Konsequenzen für das Verstand­
wert des Mysteriums des dreieinigen Gottes und die sakramentale nis der Mensehen, der Gesehiehte und des Kosmos in den Bliek
Bedeutung der Eueharistie, die kirehenkonstitutiv ist. Es war die Ab­ bekommen kann. 1m Anschluís an das 1980 veroffentlichte Bueh
sieht zu zeigen, "daB die Kirehe eine Gemeinsehaft, aber keine ge­ über TRINITAT UND REICH GOTTES beschranke ieh mieh hier auf
wohnliche Gemeinsehaft ist. Sie ist nieht einfaeh eine Zusammenset­ einige Bemerkungen, die der Behandlung kritiseher Punkte in der
zung von versehiedenen Mensehen aus allen Volkern. Sie ist eine heutigen Diskussion dienen sollen. leh konzentriere diese Bemer­
Gemeinsehaft im Heiligen Geiste, eine Brudersehaft, die ihr Vorbild kungen auf die Fragen naeh der heilsgesehiehtliehen Begründung
und Prinzip selbst im Leben der Heiligen Dreifaltigkeit hat. Und und naeh der trinitariseh bestimmten Einheit der Trinitat.
diese Gemeinsehaft ist gegründet und wird genahrt dureh die Eu­
eharistie. "63

1 Ieh fasse hier zusammen, was ieh ausführlieher dargestellt habe in: Die trinitarisehe
63 Dialog der Wahrheit. Ein Gesprách mit Metropolit Stylianos, in: KNA, Okumeni­ Gesehiehte Gottes, in: EvTh 35 (1975) 208-223; Trinitát und Reieh Gottes, Münehen
sehe Information, Nr. 31132 (28. Juli 1982) 10. 1980; Die Gemeinsehaft des Heiligen Geistes, in: ThLZ 107 (1982) 705-715; Sulla Tri­
n ita, Letture Teologiehe Napoletane 1, Napoli 1982.
2 Ieh selbst kam umgekehrt von der .Politischen Theologie" zur Wiederaufnahme der
Trinitatslehre. Vgl. J. B. Metz - J. Moltmann - W Oelmiiller, Kirehe im ProzeB der
Aufklárung, Mainz - Münehen 1970, 35ff.

96 97
1. Der Ansatzpunkt fiir die Entfaltung der christlichen Trinitdtslehre nen, güttlichen Subjektes gab es folglich für sie nur in der den Leib
beherrschenden Seele jedes einzelnen menschlichen Individuums.
Wie die christliche Gotteslehre überhaupt, so hat auch die christli­ Die Einsicht in die so beschaffene Dreifaltigkeit des hochsten
che Trinitatslehre seit alters her zwei Seiten, die philosophische und Seins stammt aus der Heilsgeschichte. Die heilsgeschichtliche Er­
die biblische bzw. die spekulative und die heilsgeschichtliche Seite .. kenntnis wird durch diese Einsicht universal. Wenn wir die Entfal­
Man kan n diese beiden Seiten auch als zwei Momente in dem einen, tung der christlichen Trinitatslehre so verstehen, sind wir freilich
hermeneutischen Prozeís ansehen. Aber auch dann bleibt die Frage, schon auf dem umgekehrten Wege: Die Erkenntnis des dreieinigen
von welcher Seite man ausgehen muf und welche Seite das Subjekt Gottes ist durch Offenbarung und Heilsgeschichte bestimmt, die Er­
und welche das Pradikat sein soll. kenntnis der Gottheit dieses dreieinigen Gottes wird philosophisch,
Thomas von Aquin bewies mit Hilfe des natürlichen Lichtes der namlich kosmologisch, weltgeschichtlich und ontologisch darzustel­
Vernunft an Hand der kosmologischen Gottesbeweise, dañ ein Gott len sein. In Fragen der christlichen Trinitatserkenntnis führt kein
ist und daís Gott einer ist. Er nahm die christliche Tradition auf, um Weg von oben nach unten, der nicht unten begonnen hato Es führt
diesen Gott als den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist zu er­ kein Weg vom Allgemeinen zum Besonderen, der nicht im Besonde­
kennen und zu verstehen. Nach seiner Methode geht die Erkenntnis ren beginnt, und kein Weg vom Universalen zum Partikularen, der
der Existenz und der Einheit Gottes der Offenbarungserkenntnis nicht im Partikularen anhebt. Das zeigen meines Erachtens deutlich
des dreieinigen Gottes voran und bestimmt sie auch, gleichsam als die spekulativen Trinitatslehren des deutschen Idealismus, die Gott
der universale Rahmen für das partikulare heilsgeschichtliche Bild. unter den Bedingungen der neuzeitlichen "Metaphysik der Subjekti­
Umgekehrt notigt aber auch das heilsgeschichtliche Bild der Trinitat vitat", wie Martin Heidegger sie genannt hat, zu denken versuchen.
dazu, schon den universalen Rahmen als in sich dreifaltig gegliedert 1st Gott von seinem Begriff her als das absolute Subjekt zu verste­
zu denken. hen, dann muñ er auch fahig sein, sich von sich selbst zu unterschei­
Als Tertullian die Formel pragte "una substantia - tres personae", den, sich in sich selbst zu differenzieren und sich mit sich selbst zu
gewann er die Erkenntnis der drei Personen aus der Heilsgeschichte identifizieren 4. Der Prozeñ von Reflexion und Liebe macht den in­
und trug sie in den Begriff der einen, ewigen, góttlichen Substanz nertrinitarischen Prozef3 im unmittelbaren góttlichen Leben aus.
ein, so dañ diese dann in drei Personen oder Hypostasen existierend Nimmt man diesen Ansatz für die Darstellung einer neuzeitlichen
zu denken war. Nicht anders verfuhren die drei groñen Kappado­ Trinitatslehre auf, wie es zuletzt Karl Barth und Karl Rahner getan
zier. Auch Augustin und Thomas entwickelten aus der heilsge­ haben, dann kan n man noch begründen, daf3 die geschichtliche Of­
schichtlichen Erkenntnis der Trinitat eine trinitarische Ontologie des fenbarung des absoluten gottlichen Subjektes des sen "Selbstoffen­
hochsten Seinsí, Schon sie dachten Gott - mit Hegel zu sprechen - barung" sein, das Heil der Menschen in der "Selbstmitteilung" des
nicht nur als hochste Substanz, sondern zugleich auch als absolutes absoluten güttlichen Subjektes liegen und dañ diese Selbstoffenba­
Subjekt, wenn sie erklarten, dañ Gott das sich selbst wissende und rung bzw. Selbstmitteilung die innere Selbstunterscheidung des gótt­
sich selbst in Ewigkeit wollende Subjekt sei, und wenn sie dann in lichen Subjektes zur transzendentalen Bedingung ihrer Moglichkeit
dem gottlichen Subjekt von Verstand und Wille den .Vater", in dem haben mufs", Aber daf3 diese "Selbstoffenbarung" und diese "Selbst-
aus seinem Verstand hervorgehenden Wort den "Sohn" und in der
aus seinem Verstand und seinem Willen hervorgehenden Liebe den 4 R. Ro/he, Theologische Ethik I, Wittenberg 21867; C. 1. Nitzsch, System der christli­
"Heiligen Geist" erblickten. Eine ebenbildliche Pragung dieses ei- chen Lehre (1829), Bonn 61851; l. A. Dorner, System der christlichen Glaubenslehre I,
Berlin 1879, §§ 31 u. 32. Dazu L. Oeing-Hanhoff, Hegels Trinitátslehre, in: ThPh 52
(1977) 378-407.
) Vgl. M. Schmaus, Die psychologische Trinitátslehre des hl. Augustinus, Münster , K. Barth, Christliche Dogmatik im Entwurf, München 1927, § 9; Kirchliche Dogma­
1927. tik l/l, Zürich 1932, § 8. Ahnlich argumentiert K Rahner, Der dreifaltige Gott als

98 99
mitteilung" gemañ jenem "kleinen Büsehel von Naehriehten aus der "Die natürliehe Offenbarung ist nieht das, wovon wir herkom­
rornischen Kaiserzeit" wie Barth das Neue Testament nannte, ausge­ men, sondern das Lieht, auf das wir zugehen"7. Das lumen naturae
reehnet in Jesus von Nazaret, gekreuzigt unter Pontius Pilatus, ge­ war aueh in der ehristliehen Tradition immer als Abglanz und Vor­
sehehen sein so11, das lli13t sieh nieht mehr deduzieren. Eben darum sehein des lumen gloria e verstanden worden.
wird es aueh sehwierig, die aus der Metaphysik des absoluten Sub­ Bibliseh gesehen ist nieht die Dreiheit, sondern die Einheit Gottes
jektes gewonnenen Begriffe auf die bibliseh bezeugte Heilsge­ das Hauptproblem. Es ist nieht móglich, die Einheit des Vaters, des
sehiehte anzuwenden. Weder Barths Formel von dem "einen Sohnes und des Geistes vorauszusetzen und aus anderen Erkennt­
persónlichen Gott in drei Seinsweisen" noeh Rahners These von nisquellen zu gewinnen. Aus der konkreten Gesehiehte der Sen­
dem einen góttlichen "Subjekt in drei distinkten Subsistenzweisen" dung, der Hingabe, der Auferweekung des Sohnes, aus der mit ihr
wird der Gesehiehte gereeht, die sieh zwisehen Jesus dem Sohn und verbundenen konkreten Gesehiehte der Sendung, der Einwohnung,
Abba seinem Vater und dem Geist abspielt. Das im Neuen Testa­ der Lebendigmaehung des Heiligen Geistes entspringt die Frage
ment so eindrüeklieh bezeugte personale Gegenüber des den Sohn naeh ihrer Einheit. Die Antwort wird darum eine trinitarische, sie
liebenden Vaters, des zum Vater betenden Sohnes und des den Vater kann keine pratrinitarisch-theistische sein. Die Antwort wird eine
und den Sohn bekennenden und verherrliehenden Geistes wird von eschatologische, sie kann keine spekulative sein.
jenen deduktiv gewonnenen Formeln neuzeitlieher Trinitatslehre Unter dem heilsgeschichtlichen Ansatz verstehe ieh die Orientie­
nieht erfaíst 6. rung der ehristliehen Trinitatslehre an der bibliseh bezeugten Ge­
Ieh ziehe daraus den Schluís, dañ der Ansatz der ehristliehen Tri­ sehiehte Gottes mit Israel, mit Christus und mit der Kirehe in der
nitatslehre die bibliseh bezeugte Heilsgesehiehte sein muñ: die Ge­ Kraft seines Geistes. Ieh nenne diesen Ansatz .Jieilsgeschichtlích'',
sehiehte des Vaters, des Sohnes und des Geistes. Ieh folgere weiter, um die mit dem Ausdruek "bibliseh" gesetzten Grenzen zu offnen.
daf die Methode der christlichen Trinitdtslehre der Methode alttesta­ Die góttliche Heilsgesehiehte setzt die gottliche Schopfungsge­
mentlieher Gotteserkenntnis entspreehen muís: dort heiñt es stets sehiehte voraus und ist auf das Reieh der gottlichen Herrliehkeit
"Jahwe ist Gott" und "Jahwe wird Künig". Der Ansatz ist die kon­ ausgeriehtet.
kret erfahrene, gesehiehtliehe und partikulare Offenbarung Jahwes, Wer von dieser Heilsgesehiehte ausgeht, geht darum nieht nur von
aber das Ziel ist die universale Erkenntnis: Jahwe ist Gott und kei­ der Geschichte Christi, sondern aueh von der Geschichte des Geistes
ner auñer ihm. Der Name offenbart das Subjekt und das Subjekt be­ aus, die mit der Gesehiehte Christi verbunden ist. Er nimmt diese
stimmt das Pradiakt. Das heiñt für die ehristliehe Trinitatslehre, dañ Heilsgesehiehte in ihrem esehatologisehen Horizont wahr, der mit
sie von der bibliseh bezeugten, konkreten und partikularen Ge­ dem Symbol "Reieh Gottes" bezeiehnet wird und in der Verherrli­
sehiehte des Vaters, des Sohnes und des Geistes ausgeht und auf die chung des Vaters besteht. Wer auf diese Weise .Jieilsgeschichtlich''
universale Offenbarung ihrer Einheit und Gottheit zugeht. einsetzt, der beginnt mit der Erkenntnis Jesu, des "geliebten Sohnes"
und mit dem Glauben an "Abba", den "Vater Jesu Christi", und mit
der Erfahrung des Heiligen Geistes, der Mensehen im Glauben er­
transzendenter Urgrund der Heilsgeschichte, MySal II (1967) 317-401. Zu beiden kri­ neuert. Er beginnt also mit der Erkenntnis dieser drei unterseheidba­
tisch J. Moltmann, Trinitát und Reich Gottes, a.a.O. (Anm. 1) 154ff., 161 ff. Meine Kri­
tik bezieht sich auf die spekulativen Ansatze ihrer Trinitátslehre, nimmt jedoch ihre ren und versehiedenen Subjekte und ihres einmaligen, einzigartigen
heilsgeschichtlichen Begründungen positiv auf und führt sie weiter. Zusammenwirkens in ihrer Gesehiehte und fragt naeh ihrem Ver-
• Zu Barths These: "ein persónlicher Gott in drei Seinsweisen" kritisch auch schon
E. Schlink in: RRG3 VI, 1037: Sie ist "miBverstandlich in Richtung auf den Modalis­
mus. Sie bringt nicht zum Ausdruck das personale Gegenüber des den Sohn liebenden 7 H. J. Iwand, Nachgelassene Werke I, Glauben und Wissen, München 1962, 290.
Vaters, des zum Vater betenden Sohnes und des den Vater und den Sohn bekennenden Ahnlich auch G. Sohngen, Art. Natürliche Theologie, LThK VII, Freiburg 1962,811 fC,
Geistes". zur Stellung der "natürlichen Theologie" in der Philosophie der Aufklarung.

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haltnis und ihrer Einheit. Er nimmt also diese Heilsgeschichte als von der ostkirchlichen Theologie mit Recht als "christomonistisch"
die Offenbarungsgeschichte dieser Subjekte wahr und erkennt ihre kritisiert wurden. Die Christologie setzt namlich schon eine Pneu­
Geschichte als die Geschichte der lebendigen, wechselnden und ver­ matologie voraus, wenn sie der von den Synoptikern bezeugten Ge­
einigenden Beziehungen der drei genannten Subjekte. Weil ihre Ge­ schichte Jesu gerecht werden will und wenn sie die Traditionsge­
schichte die Geschichte ihrer Gemeinschaftsbeziehungen ist, nen­ schichte urchristlicher Christologie bewahren soll ". Jesus der Sohn
nen wir sie die trinitarische Geschichte des Vaters, des Sohnes und kommt vom Vater in der Kraft des Heiligen Geistes: vom Geist emp­
des Geistes". Diese trinitarische Geschichte wird dadurch zur Heils­ fangen, mit dem Geist getauft, vom Geist in die Wüste zur Versu­
gesch ichte, daís arme, sündige und sterbende Menschen in die chung geführt, im Geist das Evangelium den Armen verkündigend
Geschichte des Sohnes und des Geistes mit dem Vater hineingenom­ und Kranke heilend und zuletzt durch den Geist sich opfernd. Die
men werden, um in ihr das gottliche Leben zu finden, bis endlich die Geschichte Jesu ist in dieser Hinsicht eine Geistes-Geschichte. Chri­
ganze Schopfung in dem Reich der Herrlichkeit ihr ewiges Leben stologie wird darum biblisch mit einer pneumatologischen Christolo­
findet. gie beginnen. Erst mit der Auferweckung und Erhühung Jesu kehrt
Durch "Gleichgestaltung mit dem Sohn" (Rüm 8,29) kraft Beru­ sich das Verhaltnis um: der Sohn sendet den Geist und ist selbst im
fung, Rechtfertigung und Heiligung empfangen Menschen "die lebendigmachenden Geist prasent. Pneumatologie wird in dieser
Sohnschaft" und werden in das Verhaltnis des Sohnes zum Vater Hinsicht christologische Pneumatologie sein. An dieser Stelle ist
aufgenommen. Durch die Gabe des Heiligen Geistes werden sie zu "Christomonismus" angebracht. Der Heilige Geist ist der "Geist des
"Kindern" Gottes und beten wie der Sohn und mit ihm "Abba, lie­ Sohnes" und das Kreuz Christi ist das Kriterium zur Unterschei­
ber Vater" (Róm 8,1415). "Heil" bedeutet also, durch die trinitari­ dung der Geister. Die Geschichte des Sohnes und die Geschichte
sche Geschichte in das ewige Leben der Trinitdt aufgenommen zu des Geistes bedingen sich gegenseitig. Durch diese Erkenntnis wird
werden. "Den Menschen den Kreislauf der gottlichen Beziehungen die Neigung zum (klerikalen) Christomonismus ebenso ausgeschlos­
erschlieüen und die Seele in Gottes eigensten Lebensstrom einbezie­ sen, wie die enthusiastische Tendenz zur frei wuchernden, spirituali­
hen, das ist der Inbegriff der Offenbarung und der Erlosung." 9 stischen oder gar spiritistischen Pneumatologie!'.
Um diesen heilsgeschichtlichen Ansatz genauer zu differenzieren, Die geschichtliche Interaktion von Geist und Christus, Christus
sprechen wir von ihm in christologischer, pneumatologischer und und Geist bewirkt das Heil der gottlosen und gottverlassenen Krea­
eschatologischer Hinsicht. Erst diese Differenzierung führt zur Aus­ tur, weil sie diese in die Gemeinschaft mit dem Vater hineinnimmt.
bildung einer umfassenden, biblisch begründeten Trinitatslehre. Die Diese geschichtliche Interaktion geschieht dadurch und zugleich zur
christologische Orientierung ist unbestritten. Erst mit der Ausbildung Offenbarung und zur Verherrlichung des Vaters. Kommt die verlo­
der altkirchlichen Christologie aus der neutestamentlichen Sohnes­ rene Kreatur zu ihrem Heil in der Gottesgemeinschaft, dann kommt
christologie entstand die Notwendigkeit der Ausbildung der Trini­ Gott auch zu seinem Recht auf seine Schopfung, und wo Gott zu sei­
tatslehre im Gottesbegriff, weil anders die Einheit Jesu des Sohnes nem Recht auf seine Schopfung kommt, da sprechen wir vom Reich
mit dem Vater und die Einheit des Vaters mit dem Sohn nicht aus­ und von der Herrlichkeit Gottes. Die Geschichte Christi und des
sagbar ist. Die christologische Begründung der Trinitatslehre wurde Geistes geschieht "zur Ehre des Vaters" (Phi12, 11). Diese eschatolo-
aber im Westen vorherrschend und hat zu Verengungen geführt, die
10 Das betont die orthodoxe Theologie. Vgl. N. A. Nissiotis, Die Theologie der Ostkir­
che im ókumenischen Dialog, Stuttgart 1968,1,2: Die pneumatologische Christologie
• Zum Begriff vgl. J. Moltmann, Die trinitarische Geschichte Gottes, a.a.O. (Anm. 1) als Voraussetzung der Ekklesiologie, 64ff. So jetzt auch Y Cangar, Der Heilige Geist,
208 ff.; M. D. Meeks, Gott und die Okonornie des Heiligen Geistes, in: EvTh 40 (1980) Freiburg 1982, 433 ff.
40ff. 11 L. Vischer(Hrsg.), Geist Gottes - Geist Christi. Okumenische Überiegungen zur Fi­
• Fr. Kronseder, Im Banne der Dreieinigkeit, Regensburg 1934, 45. lioque-Kontroverse, Frankfurt 1981, 12ff., 153 ff.

102 103
gische Vollendung der Heilsgeschichte wird christologisch dadurch das Ziel der Geschichte Gottes ist der eschatologische Sabbat: das
beschrieben, dañ der Sohn das Reich dem Vater übergibt, "auf daf Fest ohne Ende.
Gott sei alles in allem" (1 Kor 15,28), und pneumatologisch da­ Beide Gestalten der Trinitat gehoren in die Geschichte des Heils.
durch, dañ die neue Schopfung im Lobpreis des dreieinigen Gottes Beide zeigen darum die Trinitat in einer zielgerichteten Ordnung:
selig ist (Offb 1,6). Wir haben die Heilsgeschichte als trinitarische Vater -+ Sohn -+ Geist, und: Geist -+ Sohn -+ Vater. In der Eschato­
Geschichte verstanden. Ihre eschatologische Vollendung werden wir logie dieser Heilsgeschichte werden aber beide Ordnungen transzen­
darum in der trinitarischen Doxologie erblicken kónnen, Was in der diert und aufgehoben in die trinitarische Doxologie, die das
trinitarischen Geschichte geschieht, das findet sein Ziel in der Doxo­ Nicaenum andeutet mit dem Satz über den Heiligen Geist, "der mit
logie der Trinitat. dem Vater und dem Sohn zugleich angebetet und verehrt wird". Wer
Um zuletzt auch diesen heilsgeschichtlich-eschatologischen An­ "mit" anderen .zugleich'' verehrt wird, kan n den anderen nicht sub­
satz der Trinitatslehre noch einmal genauer zu differenzieren, verlas­ ordiniert sein, er ist ihnen gleich.
sen wir die einfache, metaphysische Unterscheidung von .Wesens­ "Anbetung und Verehrung" gehen über erfahrenes Heil und über
trinitat" und "okonomischer Trinitat'¡ und setzen an ihre Stelle die ausgedrückten Dank hinaus: der drei-einige Gott wird um seiner
Unterscheidungen zwischen einer monarchischen, einer eucharisti­ selbst willen angebetet und verehrt. Darum wird in der trinitarischen
schen und einer doxologischen Gestalt der Trinitdt'", Doxologie auch der Heilige Geist zum Gegenstand der Anbetung.
Die monarchische Gestalt der Trinitat wird an allen Werken Got­ Man erfahrt Gottes Werke nicht nur "kraft des Heiligen Geistes",
tes offenbar. Immer handelt der Vater durch den Sohn im Heiligen man dankt nicht nur "im Geist": der Geist wird auch selbst zum Ge­
Geist: Der Vater schafft, versohnt und erlost durch den Sohn in der genüber der Anbetung. 1st einer "im Heiligen Geist" und ist der Hei­
Kraft des Heiligen Geistes. Alle Aktivitat geht vom Vater aus, alle lige Geist "in ihm", dann ist die Personalitat des Geistes für ihn
Vermittlung geschieht durch den Sohn, und alle Wirkung ist geistge­ nicht erkennbar, denn der Geist ist für ihn kein Gegenüber. Das ist
wirkt. der Grund dafür, warum die Gegenwart des Geistes immer so intim
Die eucharistische Gestalt der Trinitdt ist die Umkehrung dieser und diskret ist, daís man wohl aus ihm, aber nicht über ihn sprechen
monarchischen Ordnung: K1age, Gebet, Anbetung und Lobpreis ge­ kann. In der Doxologie aber wird der Geist zum Gegenüber. In die­
hen vom Heiligen Geist aus und gehen durch und zusammen mit ser trinitarischen Doxologie wird die Trinitat erkannt, wie sie in ih­
dem Sohn zum Vater. Hier geht alle Aktivitát vom Heiligen Geist rer ewigen, eschatologischen Vollkommenheit selbst ist. Was in der
aus, alle Vermittlung geschieht durch den Sohn und der Vater ist der theologischen Tradition die .Jmmanente Trinitat" genannt wurde,
reine Empfanger". Beide Gestalten der Trinitat sind aufeinander be­ ist in Wahrheit keine Abstraktion von der Heilsgeschichte und der
zogen: Folgt man der ErfahrungGottes in seinen Werken, dann geht "okonomischen Trinitat" auf ihre transzendentalen Moglichkeitsbe­
die monarchische Gestalt der Trinitat der eucharistischen Gestalt dingungen, sondern das eschatologische Ziel der Heilsgeschichte,
voran. Sieht man aber auf die Absicht Gottes mit seinen Werken, der monarchischen und der eucharistischen Trinitat. AIs dieses
dann kommt die monarchische Gestalt der Trinitat in der eucharisti­ eschatologische Ziel verstanden kan n diese doxologische Gestalt
schen Gestalt zu ihrem Ziel. Die Absicht der Werke Gottes ist nicht, der Trinitat dann freilich auch als der Ursprung von allen angesehen
daf sie geschahen, sondern die Danksagung, die von ihnen zu Gott werden, denn das Ende offenbart die Absicht und den Anfang.
zurückkommt. Die Absicht der Schopfungswerke ist der Sabbat, und Die inhaltliche Differenz zwischen dieser doxologischen Trinitdt
und der früher sogenannten "immanenten oder Wesens-Trinitat"
liegt darin, daf in ihrem Zentrum der Gekreuzigte steht, von dem
12 J. Moltmann, Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes, a.a.O. (Anm. 1) 714.
IJ H. Dorries, De spiritu Sancto. Der Beitrag des Basilius zum Abschlul3 des trinitari­ früher abstrahiert wurde, weil man das Kreuz nur in der "okonomi­
schen Dogmas, Giittingen 1952. schen Trinitat" sah. Doch ist es biblisch zuletzt "das Lamm, das er-

104 105
würgt ist, das würdig ist, zu nehmen Kraft und Reichtum, Weisheit Geistes zum Heil der Welt stattfindet. Würde man die neuscholasti­
und Starke, Ehre und Preis und Lob" (Offb 5,12). Es ist dieses sche These von "der einen Natur, der einen Erkenntnis, dem einen
"Lamm", das ,:von Anbeginn der Welt geschlachtet ist" (Offb 13,8). Bewu13tsein in Gott" im Sinne von Kar/ Rahner und Kar/ Barth auf­
"Das Kreuz ist mehr als ein Instrument des Heils, es ist das eigentli­ nehmen" und sagen: "Der eine Gott subsistiert in drei distinkten
che Zeichen der ewigen Liebe Gottes." 14 Subsistenzweisen" oder "existiert in drei Seinsweisen", dann würde
die trinitarische Heilsgeschichte ihre konkreten Agenten verlieren,
denn es sind nicht distinkte Subsistenzweisen eines einzigen Subjek­
2. Trinitarische Begriffe für die trinitarische Hei/sgeschichte tes, die in Getsemane miteinander handeln, und es schreit am Kreuz
auf Golgata auch nicht eine "Seinsweise" des einen, "personlichen
Weil die christliche Gottes.Jehre" aus der erfahrenen und erzahlten Gottes" nach einer anderen Seinsweise.
Gottes.igeschichte" entspringt, besteht ihre Aufgabe darin, in diese Was der "eine Gott", der "alles in allem" sein wird, ist, d. h. sein
Geschichte hineinzuführen, und ihre Gefahrdarin, diese Geschichte Wesen, das wird erst aus der Geschichte des Vaters und des Sohnes
in den Begriff aufzuheben. 1st die trinitarische Heilsgeschichte der und des Geistes offenbar.
Ansatzpunkt für die Trinitatslehre, dann mu13 die Trinitátslehre auf Darum mu13 in der Trinitatslehre die Komplementaritat der trini­
diese Geschichte so bezo gen sein, da13 sie sich an dieser Geschichte tarischen Begriffe Person, Relation, Perichorese und Erleuchtung
ausweist und in diese Geschichte einweist. Die in ihr verwendeten beachtet werden. 1m Blick auf die trinitarische Heilsgeschichte sind
Begriffe müssen aus der trinitarischen Geschichte zwischen dem Va­ die Begriffe der traditionellen Trinitatslehre komp/ementiirzu verste­
ter, dem Sohn und dem Heiligen Geist gewonnen werden und auf sie hen: es darf kein Begriff einen anderen subsumieren und zum Ober­
anwendbar bleiben. Das bedeutet zuerst, da13 die Trinitatslehre von begriff der anderen gemacht werden.
drei distinkten Subjekten dieser Geschichte ausgehen muís. Person und Re/ation sind komplementar zu verstehen, weil Perso­
Vater, Sohn und Geist sind biblisch tatsachlích Subjekte mit Wil­ nalitát und Relationalitat zugleich entstehen. Person und Relation
len und Verstand, die miteinander sprechen, einander in Liebe zuge­ sind g/eichursprünglich. Das bedeutet: Abba, der Vater Jesu Christi,
wandt und zusammen "eins" sind. Wahrend Paulus und die ist der Vater dieses Sohnes. Seine Vaterschaft im Blick auf den Sohn
Synoptiker mit "Gott" den "Vater" meinen und "den Sohn" ihm konstitutiert seine Persono Seine Person als Vater wird durch diese
deutlich unterordnen, finden wir im Johannesevangelium eine ent­ einmalige Beziehung zu dem (eingeborenen) Sohn bestimmt. Weder
wickelte trinitarische Sprache: "Ich und der Vater sind eins", sagt kann man sagen, daís Gott an sich Vater ist, und da13 er sich im Blick
der johanneische Jesus. Er unterscheidet "ich" und "du" und weist auf den Sohn als solcher nur noch "manifestiert", wie manche ortho­
auf eine Einheit hin, die nicht nur im Erkennen und im Willen, son­ doxe Theologen geneigt sind anzunehmen, noch kann man sagen,
dern auch in der gegenseitigen Einwohnung besteht: "Ich im Vater­ da13 seine Person nichts anderes sei als diese Beziehung, wie es in der
der Vater in mir" (14,11; 17,21 u. o.), Der Vater und der Sohn kón­ scholastischen Theologie gelegentlich heil3t. Was den Vater von ei­
nen deshalb nicht als zwei Seinsweisen eines einzigen Gottsubjektes ner Vaterschaft unterscheidet ist dasselbe, was ein konkretes Sein
verstanden werden. Sie sind nicht "Einer", sondern "eins", d. h. ei­ von einer Seinsweise unterscheidet. Einen Vater (pater) kann man
nig, was durch den Plural "wir" und "uns" ausgedrückt wird. anreden, eine Vaterschaft (paternitas) nicht. Weder geht also die
Der Gottesbegriff darf mithin nicht die subjektiven Differenzen Person der Relation, noch die Relation der Person voran. Beide zu-
der Personen aufheben, weil er sonst die Geschichte aufheben
würde, die zwischen den Personen des Vaters, des Sohnes und des
" K. Barth, Kirchliche Dogmatik, 1/1, a.a.O. (Anm. 5) 379, beruft sich auf Fr. Die­
kamp, von dem auch K. Rahner ausgeht. Dazu L. Oeing-Hanhoff, Die Krise des Got­
14 P. Evdokimov, Christus im russischen Denken, Trier 1977, 64. tesbegriffs, in: ThQ 159 (1979) 285-303.

106 107
gleich entstehen miteinander, darum sind weder Reduktion noch gen wie die trinitarische Geschichte des Vaters, des Sohnes und des
Subsumtion erlaubt. Geistes. Erst der perichoretische Begriff der Einheit ist der trinitari­
Die gottlichen Personen existieren nicht nur in Beziehungen zu­ sche Begriff der Dreieinigkeitv,
einander, sondern, wie die johanneischen Formulierungen zeigen, In dieser perichoretischen Einheit der gottlichen Personen findet
sie existieren auch ineinander: der Sohn in dem Vater, der Vater in nicht nur Einheit, sondern Eigenheit statt. Die gottlichen Personen
dem Sohn, der Heilige Geist in dem Vater und in dem Sohn und der bringen sich gegenseitig in der ewigen Perichorese durch ihre Ein­
Vater und der Sohn im Heiligen Geist. Diese intime Einwohnung wohnung zum Aufleuchten der ewigen Herrlichkeit: der Heilige Geist
und vollkommene Durchdringung der Personen ineinander wird verherrlicht den Sohn und zusammen mit dem Sohn den Vater. Der
durch die Lehre von der trinitarischen Perichorese ausgedrückt. Mit Vater verherrlicht sich im Sohn und im Geist, und der Sohn verherr­
ihr wird jene trinitarische Einheit bezeichnet, die über die Lehre von licht den Vater durch den Geist. Sie leben nicht nur relational fürein­
den Personen und ihren Relationen hinausgeht: Kraft ihrer ewigen ander, sie existieren nicht perichoretisch ineinander, sie bringen sich
Liebe existieren die gottlichen Personen so intim miteinander, für­ auch miteinander zum Ausdruck und zur Darstellung in dem ewigen
einander und ineinander, daís sie sich selbst in ihrer einmaligen, un­ Licht. Die perichoretische Einheit wird dadurch zu einer in Herr­
vergleichlichlichen und vollstandigen Einheit konstituieren": Die lichkeit reflektierten Einheit. Die perichoretische Integration der re­
trinitarische Einheit ist weder eine sekundare "Gemeinschaft" der lationalen Personen ist komplementdr zu ihren manifestierten
gottlichen Personen, noch sind diese Personen "Seinsweisen" oder Distinktionen.
"Wiederholungen" des Einen Gottes. Die innertrinitarischen Rela­ Zuletzt ist die Kornplementaritát des trinitarischen und des sote­
tionen und die trinitarische Perichorese verhalten sich komplemen­ riologischen Begriffs der Einheit des Dreieinigen Gottes zu beden­
tdr zueinander: die perichoretische Einheit hebt die distinkten ken. Folgen wir der bezeugten und erfahrenen Heilsgeschichte,
Relationen so wenig auf wie diese jene beeintrachtigen. Der pericho­ dann müssen wir die Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heili­
retische Begriff der trinitarischen Einheit überwindet die Gefahren . gen Geistes trinitariscñ und dürfen sie nicht monadisch verstehen.
des Tritheismus und des Modalismus gleichermañen. Denn die Liegt die Vollendung des Heils in der Vereinigung der abgesonder­
Lehre von der Perichorese verbindet die Dreiheit und die Einheit, ten und in sich zerrissenen Kreaturen mit dem drei-einigen Gott,
ohne die Dreiheit auf die Einheit oder die Einheit auf die Dreiheit dann müssen wir diese Einheit des Vaters, des Sohnes und des Gei­
zu reduzieren. Die perichoretische Einheit ist den gottlichen Perso­ stes als eine offene, einladende, vereinigende, also eine integrie­
nen und den gottlichen Relationen gleichursprünglich zu denken. rende Einheit verstehen.
Wird das innertrinitarische Leben perichoretisch verstanden, dann Nach dem biblischen Zeugnis ist die Einheit des Sohnes Jesus mit
wird das gottliche Leben so wenig von einem Subjekt allein vollzo- dem Vater eine Einheit des Willens in der Sendung und im Gehor­
sam, in der Hingabe und in der Auferweckung: Sie ist eine relatio­
nale Einheit. Sie ist darüber hinaus eine Einheit der wechselseitigen
16 Dies hat K. Barth, Kirchliche Dogmatik l/I, a. a.O. (Anm. 5) 390 neben der Subjekt­
einheit der Trinitat ("Gott ist der Herr") auch betont. Dazu interpretierend E. Jiingel, Einwohnung des Vaters im Sohn und des Sohnes im Vater und des
Gottes Sein ist im Werden, Tübingen 1965,44: "Die Lehre von der Perichorese denkt Geistes im Vater und im Sohn: sie ist also eine perichoretische Ein­
die konkrete Einigkeit des Seins Gottes, indem sie die Seinsweisen Gottes als einander heit. Sie ist darüber hinaus eine Einheit in der Verklarung durch den
in uneingeschrankter Partizipation begegnend denkt." Er verwendet statt "Einigkeit"
auch den Ausdruck .Eintracht'' (50). Die Gedanken der Perichorese und der Gegensei­ Heiligen Geist. Sie ist eine reflektierte und manifestierte Einheit. Die
tigkeit (mutuality) werden heute auch von der feministischen Theologie aufgenom­ Einheit der giittlichen Natur des dreieinigen Gottes wird durch die
men, um patriarchalische Autoritátsvorstellungen im Gottesbegriff aufzulósen,
Vgl. P. Wilson-Kastner, Faith, Feminism and the Christ, chapo 6: The Trinity, Philadel­
phia 1983, 121 ff; R. Oxford-Carpen ter, Gender and the Trinity, Theol.Today, XL, 17 Das hat auf seine Weise auch E. Schlink in seinem groBen Artikel: Trinitát III Dog­

1984,7ff. mengeschichtlich und IV Dogmatisch, in: RGG3, VI, 1025-1038, betont.

108 109
angeführten Bestimmungen der Einheit konstituitiert und hebt diese von der "offenen Trinitat" gemeint 20, die ich den traditionellen Fi­
nicht auf. guren der kreisformigen oder der dreieckigen Trinitat gegenüberge­
Der perichoretische Begrifj der Einheit des Vaters, des Sohnes und stellt habe. Die Trinitat ist "offen" kraft der überflieñenden,
des Heiligen Geistes würde aber der Heilsgeschichte nicht entspre­ gnadigen Liebe. Sie ist "offen" für die geliebten, gefundenen und
chen, wenn er nicht soteriologisch als integrativer Begriffder Einheit aufgenommenen Geschopfe.
verstanden würde'". Liegt das Elend der Kreatur in der Sünde als
der Absonderung von Gott, dann besteht das Heil in der gnadigen
Aufnahme der Kreatur in die Gottesgemeinschaft. Das Heil liegt in 3. Das Problem der Allgemeinbegriffe in der Trinitiitslehre
dieser Vereinigung. Diese Vereinigung des Getrennten mit Gott ist
keine nur auüere Vereinigung. Sie geschieht dadurch, daB der Sohn Der Ausgangspunkt der Trinitatslehre von der trinitarischen Heils­
Menschen in sein Verhaltnis zum Vater hineinnimmt, und sie zu geschichte veranlaíst endlich zu kritischen Rückfragen an die Ver­
Kindern, Sohnen und Tochtern des Vaters macht. Sie geschieht da­ wendung von Oberbegriffen in der traditionellen Lehre der Trini­
durch, daB der Heilige Geist Menschen in sein Verhaltnis zum Sohn tat 21.
und zum Vater hinein nimmt und sie an seiner ewigen Liebe und sei­ Die "Zeugung" des Sohnes durch den Vater und der "Hervor­
nem ewigen Lobgesang teilnehmen laüt, gang" des Geistes aus dem Vater sind verschieden. Wenn man beide
Darum entdeckt man umgekehrt in der Liebe, durch die der Vater unter den Oberbegriff der processio subsumiert und von .zwei Aus­
den Sohn dahingibt (Joh 3,16), die ewige Liebe, die Gott selbst ist gangen" spricht, zeigt sich sofort die Gefahr solcher Abstraktion.
(1 Joh 4,16) 19. Die Bejahung, mit der der Vater die Welt liebt, ist die­ Die konkrete Besonderheit des Sohnes in seinem Verhaltnis zum Va­
selbe Bejahung, durch die er in Ewigkeit er selbst ist. Das Heil der ter und des Geistes in seinem Verháltnis zum Vater werden überse­
Kreatur besteht darín, in den Kreislauf der gottlichen Beziehungen heno Nur zu leicht kan n dann der Geist als ein zweiter Sohn oder der
und der wechselseitigen Einwohnungen des Vaters, des Sohnes und Sohn als ein anderer Geist verstanden werden. Darum darf man an
des Geistes hineingenommen zu werden. Deren wechselseitige Ein­ dieser Stelle keinen Oberbegrifjfür die "Zeugung" des Sohnes durch
wohnung schlieñt den Menschen ein: "Wer in der Liebe bleibt, der den Vater und den .Ausgang" des Geistes aus dem Vater bilden.
bleibt in Gott und Gott in ihm" (1 Joh 4,16). Die Einwohnung ist Man muñ konkret bleiben und das eine nach dem anderen erzdhlen,
auch das Geheimnis der neuen Schopfung: .Auf daís Gott sei alles denn jedes ist einmalig.
in allem" (1 Kor 15,28). Der "Ausgang" des Geistes aus dem Vater und der "Empfang"
Die perichoretische Einheit des drei-einigen Gottes ist in dieser seiner relationalen Gestalt vom Vater und vom Sohn sind verschie­
Hinsicht eine einladende und ver-einigende Einheit und als solche den. Mit dem westkirchlichen Filioque wird diese Differenz ver­
eine menschen- und weltoffene Einheit: "Das Verhaltnis der gottli­ wischt. Nur zu leicht entsteht mit dieser Formel der Eindruck, der
chen Personen zueinander ist so weit, dañ die ganze Welt darin Heilige Geist habe zwei Ursprünge seiner Existenz, im Vater und im
Raum hat" (Adrienne von Speyr). Man darf darum den trinitari­ Sohn. Darum darf man hier nicht summieren, wie es mit der Formel
schen Begriff der Einheit des drei-einigen Gottes nicht exk1usiv, son­ "und vom Sohn" geschieht, die ganz offen laBt, was den n vom Vater
dern muñ ihn inklusiv verstehen. Dies habe ich mit dem Ausdruck und was vom Sohn kommt. Man rnuñ konkret bleiben und kann die
Beziehung des Vaters zum Heiligen Geist und des Sohnes zum Heili­
gen Geist nur nacheinander erzdhlen, denn jede ist einmalig.
18 D. Staniloae, Der dreieinige Gott und die Einheit der Menschheit, in: EvTh 41
(1981) 439-450; ders., Theology and the Church, New York 1980.
" "Gott ist Liebe" ist die praktische Definition Gottes. Vgl. J. Gerhard, Loci theol., 2. J. Moltmann, Die trinitarische Geschichte Gottes, a.a.O., (Anm. 1).
loe. 2, cap. 5, § 94: .Practicam Dei definitionem propuit Joh. 1: Deus est caritas." 21 Siehe J. Moltmann, Trinitat und Reich Gottes, a.a.O., (Anm. 1) 204-207.

110 111
Die berechtigte Ablehnung der nichtdifferenzierten Filioque-For­ Modalismus schon in sich. Denn der Oberbegriff Hypostasis oder
me/wurde von orthodoxen Theologen mit der Monarchie des Vaters Person stellt das Gemeinsame und Gleiche, nicht das Eigene und
begründet, die jedoch ihrerseits undifferenziert ist. Durch die, auch Verschiedene an ihnen heraus.
in der alten Kirche nicht unbestrittene Einführung des aristoteli­ Aus dieser kurzen Darstellung der Gefahren, die die Eintragung
schen Begriffs der Ursache (cdrín, ápx1Í) in die Trinitatslehre durch von Oberbegriffen in die Trinitatslehre mit sich bringt, mu13 man
die Kappadozier kann gewi13 die Einzigartigkeit des Vaters gegen­ den Schlu13 ziehen, dal3 in der Trinitatslehre keine subsumierenden
über dem Sohn und dem Heiligen Geist unterstrichen werden. Wird Oberbegriffe verwendet werden dürfen. 1m Leben der immanenten
aber der Vater nur die "Ursache" der Gottheit des Sohnes und der Trinitat ist alles einmalig. Nur weil alles in dem dreieinigen Gott
Gottheit des Heiligen Geistes genannt, dann wird, die konkrete selbst einmalig ist, kann es in den Wegen und Werken Gottes als ur­
Differenz zwischen der "Zeugung" des Sohnes und dem "Hervor­ sprünglich und urbildlich für anderes erkannt werden. In der Lehre
gang" des Geistes verwischt. Die Einführung des Begriffs der Ursa­ von der immanenten Trinitat darf man im Grunde nur erzdhlen,
che wird aus der Abwehr der nicht differenzierenden Lehre vom nicht aber subsumieren. Man mul3 konkret bleiben, denn in den Ab­
Fi/ioque zwar verstandlich. Sie birgt aber eine ahnliche Gefahr in straktionen stecken die Haresien, wie die Geschichte zeigt. In der er­
sich. zahlenden Differenzierung liegt dagegen das Fundament der
Durch sie wird zudem das universal e Weltverhaltnis Gottes, nám­ Orthodoxie. Begreifen und erzahlen sind wechselseitig aufeinander
lich die Weltmonarchie, auf das innertrinitarische Leben Gottes bezogen und führen so zum Verstehen. Dabei ist zu unterscheiden
übertragen. Man kan n aber nicht den gefahrlichen "Filioquismus" zwischen der geschichtlichen Kontingenz in der trinitarischen Ge­
aus der Trinitatslehre durch einen "Monopatrismus" austreiben, schichte, die zum Erzahlen notigt, und der Ursprungskontingenz in
ohne in ahnliche Schwierigkeiten zu geraten. Denn der Begriff der der Trinitat selbst,. die zum Lobpreis notigt.
Alleinursachlichkeit des Vaters droht die konkreten innertrinitari­ 1m Zentrum der christlichen Theologie steht die Geschichte, die
schen Beziehungen zu verwischen. Der Begriff der Ursache kann der dreieinige Gott in sich selbst ist. Jede Erzahlung braucht Zeit.
deshalb nur im übertragenen Sinne verwendet werden. Er ist kein Für die Erzahlung der trinitarischen Geschichte Gottes braucht der
Oberbegriff für Zeugung und Hauchung. Mensch 'seine Zeit, und für den staunenden und unerschopflichen
Auch die Lehre von drei Hypostasen oder drei Personen - und na­ Lobpreis des dreieinigen Goftes selbst braucht er die Ewigkeit.
türlich auch die von mir in diesem Vortrag selbst verwendete Rede­ "Die Begriffe schaffen Gótzenbilder, allein das Erstaunen erfal3t
weise von drei Subjekten - der Trinitat ist gefahrlich, weil sie ein und etwas", sagte Gregor von Nyssa mit Recht. Für die Lehre der Trinitat
denselben Person- bzw. Subjektbegriff auf den Vater, den Sohn und bedeutet das, dal3 der Sinn trinitarischer Begriffsbildung darin zu se­
den Heiligen Geist anwendet und dadurch den Anschein erweckt, hen ist, dal3 durch sie das Erstaunen über Gott dargestellt wird und
sie seien homogen und gleich, namlich Hypostasen, Personen oder da13 sie in dieses Erstaunen hineinführen will.
Subjekte. Der Oberbegriff Hypostasis, Person oder Seinsweisen ver­
wischt die konkreten Differenzen zwischen dem Vater, dem Sohn
und dem Heiligen Geist. Diese sind verschieden, nicht nur hinsicht­
lich ihrer Relationen zueinander, sondem auch hinsichtlich ihrer
Personalitat, wenn anders die Person in ihren Relationen und nicht
abgesehen von ihnen zu begreifen ist. Wollte man konkret bleiben,
dann mü13te man für den Vater, den Sohn und den Geist einenje an­
deren, namlich eigenen und einmaligen Personbegriff verwenden.
Ihre Bezeichnung als gottliche "Personen" hat die Tendenz zum

112 113
V
Religionsgeschichtliche und
tiefenpsychologische Bemerkungen
zur Trinitatslehre
Von Eugen Drewermann, Paderborn

1. EINE WEIHNACHTLICHE EINSTIMMUNG

Mitten in der Weihnachtszeit empfiehlt es sich, eine Betrachtung


über das christliche Gottesbild auf das engste mit den Bildern in
Verbindung zu bringen, die das Geschehen von der Menschwerdung
des Gottessohnes, von der Geburt des Davidssohnes vor allem im
Lukasevangelium und im Matthausevangelium zu beschreiben ver­
suchen. Denn nicht nur vom Festtagskalender, auch vom Ereignis
Gottes selbst ergibt sich eine solche Verbindung geradezu pflichtge­
maü, Nirgendwo sonst ist Gott uns so sehr nahe, wie in dem Augen­
blick, da er unsere Menschennatur angenommen hat, und innerli­
cher gibt er sich uns Menschen nirgends zu erkennen als dort, wo
er selbst Mensch geworden ist. Das innerste Geheimnis Gottes lebt
für uns am sichtbarsten in dem Moment, wo Gottes Güte über uns
erschienen ist. Den Bildern nachzusinnen, in denen zwei der Evan­
gelisten das Geheimnis der Menschwerdung Gottes zu beschreiben
versuchen, bedeutet demnach auch, von dem geheimnisvollen We­
sen Gottes eine Offenbarung zu empfangen. Den besten Zugang
zum Verstandnis der Dreifaltigkeit des Góttlichen bieten deshalb
die Bilder von der gottlichen Geburt in Betlehem. Es kommt nur al­
les darauf an, die Szenen dieser weihnachtlichen Darstellung in ih­
rer mythischen Symbolik innerlich zu deuten - nicht, wie es meist
geschieht, als Aussagemittel und Hinweise auf eine besondere theo­
logische Bedeutsamkeit, so auñerlich wie etwa der Schematismus
des Sechstagewerkes, sondern als Bilder, in denen das Zeigende und
das Gezeigte ineinanderflie13en und unauflosbar miteinander ver­
schmelzen.
Wieso "mythische Symbolik"?, wird man vielleicht erschrocken
fragen.

115
Nun, eben deshalb, weil allein der Mythos imstande ist, Geheim­ spruch. So steigt die Lerche in der Luftsaule, die ihre Welt ist, zu
nisse zur Sprache zu bringen und sie im Sprechen Wirklichkeit wer­ schwindelnder Hohe empor und singt, ohne anderen Zweck, das
den zu lassen. Die theologische Reflexion kann stets nur bis zum Lied von sich und ihrer Welt. Die Sprache des eigenen Seins ist zu­
Beweisbaren hin beweisen, und immer steht sie unter Wittgensteins gleich die Sprache der Weltwirklichkeit. In dem Liede tont ein le­
Verdikt: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muf3 man bendiges Wissen. Der musizierende Mensch hat zweifellos eine viel
schweigen." 1 An ihr Ziel gelangt, steht alle Theologie, wenn sie sich weitere und reichere Umwelt. Aber das Phanornen ist im Grunde
selber recht versteht und sich nicht in hegelschem Sinne in die Philo­ dasselbe. Auch er muf3 in Tonen sich selbst aussprechen, ohne
sophie aufheben will, wortlos dem unaussprechlichen Geheimnis Zweck und ob er von anderen gehórt wird oder nicht. Aber Selbst­
Gottes gegenüber, und all ihr Reden ist nur wie ein Weg in das Ver­ darstellung und Weltoffenbarung sind auch hier ein und dasselbe.
stummen: "Wer das Tao kennt, spricht nicht davon. Wer vom Tao Indem er sich selbst darstellt, kommt die Wirklichkeit des umfan­
spricht, der kennt es nicht" - diese Einleitungsworte aus Laotses Tao gen den Seins in seinen Tonen zur Sprache." 3
te king? bezeichnen für immer die Grenzen theologischer Rede. Nie Wenn der Mensch sich selber zum Gesang wird und einschwingt
ist die Theologie, was sie der Etymologie nach zu sein vorgibt: ein in die Harmonie der Welt, ereignet sich der Mythos, die unvergangli­
Wort, in dem Gott selber lebt; stets ist sie Lehre über Gott. Wort, das che Kunde von der Einheit des Menschen mit sich selbst, mit der
die Gottheit gegenwartig macht, ist niemals logoshafte Aussage, umgebenden Natur und mit dem Gottlichen, dem Allumgreifenden,
sondern allein der Mythos. das sich in Mensch und Tier in analoger Weise mitteilt. Nur im My­
In seinem Buch über "Die Musen undder góttliche Ursprung des thos wird die Kunde von der Heiligkeit des Daseins wirklich, und
Singens und Sagens" hat W. F. Otto auf die Analogie des Mythos nur der Mythos ist berufen, uns zu offenbaren, wie das Wesen Got­
zur Musik hingewiesen, um diese Einheit von Selbsterleben und tes uns zum Heile wird.
Selbstmitteilung im Mythos zu beschreiben, wobei er besonders die Mythos ist also wesentlich, was Lukas in seiner Weihnachtsge­
Musikalitat der Kreatur, die Urmusik im Dasein der Tiere, zum Ver­ schichte als Ereignis wiedergibt: daf3 Menschen Engelscharen sin­
gleich herangezogen hat. Er meinte: " ... beim Gesang der Tiere ist gen horen und, erfüllt von dem Gesang am Himmel, selbst durch
es in vielen Fallen unverkennbar, daf3 er sich selbst genug ist, kei­ eigene Erfahrung, nachdem die Engel zum Himmel zurückgekehrt
nem Zweck dienen, keinerlei Wirkung hervorbringen will. Solche sind, in Bethlehem zu Gottesboten werden. Wie aber lernt man es,
Lieder hat man treffend als Selbstdarstellungen bezeichnet. Sie ent­ die Erde mit den Augen eines Engels anzusehen oder, anders, wie
springen der ureigenen Notwendigkeit des Geschopfes, seinem We­ lernt man dem Gesang von Engeln Glauben schenken? Das ist die
sen Ausdruck zu geben. Aber die Selbstdarstellung fordert ein wesentliche Frage unseres Lebens, und nicht die Theorie, das dis­
Gegenwartiges, für das sie geschieht. Dieses Gegenwartige ist die kursive Denken, allein die Einfühlung, das innere Nach- und Mit­
Umwelt. Kein Wesen steht für sich allein da, alle sind in der Welt, traumen dieser Bilder führt -ins Zentrum ihrer Wahrheit.
und das heif3t: ein jeder in seiner Welt. Das singende Geschopf stellt Buchstablich sind es Nachtgesichte, in denen sich die Ankunft des
sich also in seiner Welt und für sie dar. Indem sie sich darstellt, wird Erlosers zeigt, und es sind "Hirten", Menschen zwischen beiden
es ihrer gewahr und froh, ruft sie auf und nimmt sie freudig in An- meist getrennten Spharen von Natur und Kultur, die der offenbaren­
den Visionen fahig sind. Nacht muf3 es sein, wenn das Erloserkind
I L. Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhand­ die Welt betritt. Denn nur als Kind der Nacht wird es Verstandnis
lung (1921), Nr. 7, Frankfurt 1969, 115. haben für die Dunkelheit und Aussichtslosigkeit unseres Lebens, für
2 Laotse, Tao te king. Das Buch des Alten vom Sein und Leben, aus dem Chines.
übertr. u. erl. von R. Wilhelm, Düsseldorf-Kóln 1957,41,1 1: "Der Sinn, der sich aus­
sprechen liiBt, ist nicht der ewige Sinn. Der Name, der sich benennen liiBt, ist nicht der ) W F. Otto, Die Musen und der góttliche Ursprung des Singens und Sagens (1954),
ewige Name." 33-35.

116 117
die Umnachtung unserer Seele. "Nacht" ist nicht Zeitangabe, son­ nes Kindes die gültige Darstellung des Güttlichen zu sehen, und um­
dern Seelenzustand - alles, was innerlich uns unbewuBt und un­ gekehrt, man muf3 die Gottlichkeit der Kindgestalt des Gottes
durchsichtig bleibt, ist Nacht, was kranlanacht, weil wir es nicht glauben, um auch sich selbst in eigener Unfertigkeit vor Gott und
kennen, was schuldig werden laBt, weil wir im eigenen Leben mit Menschen annehmbar zu finden. Ein Kind kann man nicht dafür lie­
uns selbst nicht ein noch aus wissen, was uns an Leid das Herz ver­ ben, was es hat - es nennt gar nichts sein eigen; man kan n es auch
finstert, alles das ist Nacht. Nur der in Nacht geborene Erloser wird nicht dafür lieben, was es tut - sein Schreien, Lallen, Lacheln, sein
schlieíslich zu Gott, seinem Vater, beten konnen: "Vergib ihnen, ganzes AuBeres ist wie ein einziger Appell an all die vorgegebenen
denn sie wissen nicht, was sie tun" (Lk 23,34). Reflexe der Liebe, Zartlichkeit und Fürsorge; ein Kind kan n man
Zur "Nacht" assoziiert die Legende und der Weihnachtsvolks­ nicht dafür lieben, wases ist - es ist noch nichts, und niemand, Seher
brauch vollkommen korrekt Kálte und Einsamkeit und Armut; denn und Zeichendeuter ausgenommen, kann wissen, was es einmal in
nur jemand, der selber weiB, wie Menschen seelisch frieren konnen, Zukunft werden wird. Nur einfach dafür, dafl es ist, kan n man und
wie ihnen jedes warmherzige Wort vereisen kann, hat eine Vorstel­ muf3 man ein Kind lieben. Die Góttlichkeit des Kindes wahrzuneh­
lung davon, wieviel an Güte und Verstandnis notig ist, um auch nur men, das heif3t fortan zu sehen, daB in einem jeden Menschen eine
einen Menschen aus dem EisschloB seiner Seele zu befreien. Und solche kindhaft güttliche Gestalt auf ihre Reifung und Vollendung
nicht verkehrt ist es, wenn die Legende aus ein paar mühsam herbei­ wartet, wenn wir sie nur nicht als zu klein und zu gering, als zu min­
geklaubten Worten des Jesaja (1,23) mit der Geburt des Erlosers die derwertig oder Iacherlich verachten. Nichts ist verachtenswert am
Ndhe zu den Tieren verbindet. Nicht allein ihre animalische Warme Menschen, wenn Gott in der Gestalt des Kindes Mensch geworden
und die Sicherheit des Instinktes findet sich in ihnen verkorpert, sie ist. Nur weil ein jeder von uns sich aus Angst, nicht gut genug zu
sind im wesentlichen Verkorperungen des UnbewuBten, Zugehorige sein, immer von neuem dazu zwingt, weit über alles MaB grof3 dazu­
der Nacht, und gerade in dieser Eigenschaft gehoren sie an die stehen und grof3 zu tun, kan n Christus spater uns auf diese Kindsge­
Krippe des Erlóserkindes. Nur vor dem Hintergrund nachtlicher stalt verweisen und wie zur unerlañlichen Bedingung sagen: "Wenn
Sehnsucht sieht man den Lichtglanz aus der Hohe, der im Schein der ihr nicht werdet wie die Kinder, ihr werdet nie verstehen, welche
Engel und im Glanze eines Sterns den Ort der gottlichen Geburt um­ Macht Gott in euch haben kann" (in Paraphrase zu Mk 10,15). "Nie­
strahlt. Denn gerade so, als Licht im Dunkeln, ist die Ankunft des mals wieder will ich eines Menschen Antlitz verlachen" - dieses Ge­
Erlósers zu verstehen; als ein "Licht zur Erleuchtung der Heiden" dicht Franz Werfels! ist vielleicht der beste Kommentar zu der
(Lk 2,32), als der Beginn einer neuen Perspektive, sich selber und Gestalt des Kindgottes in Bethlehem, der kleinsten und zugleich
die Welt zu sehen, als eine vollige Veranderung des Bewuf3tseins tritt gróñten unter den Fürstenstadten Judas (Mich 5,2; Mt 2,6), dieses
Gott in diese Menschenwelt, als Licht in der Finsternis, wie der Jo­
hannesprolog sagt (Joh 1,5).
Man ist gewohnt, mit allem Gottlichen die Vorstellung von 4 F. Werfel, Was ein jeder sogleich nachsprechen soll, in: Das Iyrische Werk, hrsg. von
A. D. Klarmann, Frankfurt 1967,276: "Niemals wieder will ich / Eines Menschen Ant­
Macht, Vollkommenheit und Grüíse zu verbinden, und das mag me­ litz verlachen. / Niemals wieder will ich / Eines Menschen Wesen richten. / Wohl gibt
taphysisch stimmen; aber erfahrbar ist das Gottliche uns Menschen es Kannibalen-Stimen. / Wohl gibt es Kuppler-Augen. / Wohl gibt es VielfraB-Lippen.
nicht im aufseren Geprage und nicht im Perfektionszwang einer stets / Aber plotzlich / Aus der dumpfen Rede / Des leichthin Gerichteten, / Aus einem
hilflosen Schulterzucken / Wehte mir zarter Lindenduft / Unserer fernen seligen Hei­
vollendeten Vorbildgestalt - ware es so, bliebe das Gottliche uns im­ mal. / Und ich bereute gerissenes Urteil. / Noch irn schlammigsten Antlitz / Harret
mer fern und fremd. Menschlich und nah ist Gott uns einzig in der das Gott-Licht seiner Entfaltung. / Die gierigen Herzen greifen nach Kot -/ Aber in
Form des Kindes, in der Gestalt des noch nicht Fertigen, des An­ jedem / Geborenen Menschen / Ist rnir die Heirnkunft des Heilands verheiBen." Zur
Deutung der Kindsgestalt in der Kindheitsgeschichte des Mt-Evgl.s vgl. E. Drewer­
fanghaften, Reifenden. Man muf3, belehrt vom Chor der Engel, die
mann:Tiefenpsychologie und Exegese, 1. Bd.: Traum, Mythos, Marchen, Sage und Le­
eigene Armut haben akzeptieren lernen, um gerade in der Armut ei- gende, Freiburg-Olten 1984, 502-529.

118 119
Zentralbeispiels für die Wahrheit und Allmacht dessen, was Adal­ aus der Lotosblume blüht, der agyptische Gott Nefertem, der vollig
bert Stifter in der Einleitung zu seiner Studie über die "Steine" als Schone also, Sohn des Ptah und der Sachmet in der gottlichen
das "sanfte Gesetz" beschrieb 5. Triade von Memphis, beschreibt die Beendigung der Nacht durch
die JugendgestaIt der heraufziehenden Sonne - der Daumling in
dem Blumenkelch des Grimmschen Marchens (KHM 37) stellt eine
derartige Manifestation des Gottlichen im Kinde dar; aus den Tra­
JI. MYTHISCHE ARCHETYPEN VON DREIFALTIGKEIT
nen dieses Gottes, glaubten die Agypter, seien die Menschen ent­
standen? - aus der Trauer und dem Mitleid des' Kindgottes unsere
1. Der Kindgott und seine Eltern - die Trinitdt des werdenden Seins Menschlichkeit. Wo ein Leben endet, das keines ist, wo das Unleben
erfrierender Eismenschen sich óffnet zu einem eigentlichen Dasein,
Wesenhaft namlich ist die Gestalt des Kindes nicht einfach eine bio­
an dieser Stelle der Geburt eines ganz neuen, nicht von Angst und
graphische Anfangsform im Leben des Gott-Menschen, sie ist viel­
gnadenloser Selbstkritik bestimmten gnadigeren Daseins steht diese
mehr eine eigene Erscheinungsweise des Gottlichen in der Welt, in
heilende Gestalt des Kindgottes.
der gerade nur so erlebt und mitgeteilt werden kann, woraus wir exi­
Das Geheimnis dieses Kindgottes, der eigentlich im spateren Le­
stieren. Die KindsgestaIt des Gottlichen ist notig, um den Übergang,
ben niemals aufhort, Kind zu sein, ganz so wie Christus spater uns
das Werden selbst, den Wechsel zwischen Nichts und Sein symbo­
als wesentlichen Inhalt seiner Botschaft das Vermachtnis auf den
lisch zu vermitteln". Indem das Gottliche als Kind ist und noch nicht
Weg gibt, Gott als unseren Vater kindlich anzureden - die wunder­
ist, steht es an der Grenze zwischen Tod und Leben. Der Gott, der
bare Unbegreiflichkeit dieser Kindgottgestalt ist ihre stets jungfrau­
liche Geburt, und hier ist auch der Punkt, an dem sich das
s A. Stifter, Bunte Steine (1853), in: Werke in 3 Bánden, hrsg. von H. Geiger, 2. Bd., Geheimnis der Geburt des Gottes vermittelt zum Geheimnis der
Wiesbaden 0.1.: "Wir wollen das sanfte Gesetz zu erblieken suehen, wodureh das Dreifaltigkeit des Gottlichen. Man versteht die Bilder der Weih­
mensehliehe Gesehleeht geleitet wird" (ebd. 9). "Es ist einmal gegen mieh bemerkt
worden, dal3 ieh nur das Kleine bilde, und dal3 meine Mensehen stets gewóhnliche nachtserzahlungen vor allem des Lukasevangeliums so lange nicht,
Mensehen seien. Wenn das wahr ist, bin ieh heute in der Lage, den Lesern ein noeh als man die archetypische Symbolik nicht bemerkt, die sich in der
Kleineres und Unbedeutenderes an zu bieten, namlich allerlei Spielereien für junge VielzahI mythischer Überlieferungen immer wieder zur Beschrei­
Herzen. Das Wehen der Luft das Riese1n des Wassers das Waehsen der Getreide das
Wogen des Meeres das Grünen der Erde das Glánzen des Himmels das Schirnrriern der bung von góttlichem Neuanfang und beginnender Erlosung auf­
Gestirne halte ieh für grol3: das práchtig einherziehende Gewitter, den Blitz, weleher drangt.
Háuser spaltet, den Sturm, der die Brandung treibt, den feuerspeienden Berg, das Erd­
beben, welehes Lánder versehüttet, halte ieh nieht für groüer als obige Erseheinung, ja
ieh halte sie für kleiner, weil sie nur Wirkungen viel hóherer Gesetze sind ... Die a) Die Geburt des Asklepios
Kraft, welehe die Mileh im Tópfchen der armen Frau empor sehwellen und übergehen
maeht, ist es aueh, die die Lava in dem feuerspeienden Berge empor treibt, und auf den Wenn die frühe Kirche schon im Neuen Testament Jesus immer wie­
Flachen der Berge hinab gleiten lal3t. Nur augenfalliger sind diese Erseheinungen, und der als den "Heiland", als den " Retter der Welt" beschreibt, dan n of­
reil3en den Bliek des Unkundigen und Unaufmerksamen mehr an sieh ... " (ebd. 7-8). fensichtlich in bewul3ter Parallele zu den heilenden, arztlichen
• K. Kerényi - C. G. Jung, Das góttliche Kind in mythologiseher Beleuehtung, Amster­
darn-Leipzig 1940, (Albae vigiliae VI-VII): .Durcb die Gestalt góttlicher Manner, Góttern der Antike, und vornean zu dem Heilgott der Spatantike
Jünglinge und Greise wird in der grieehisehen Mythologie nie ein biographisehes Le­
bensalter ausgedrüekt, sondern immer das Wesen des Gottes" (ebd. 22). Der Kindgott
erseheint dabei ebenso am Übergang vom Niehts zum Sein, ein filius ante patrem, wie 7 V. Ions, Egyptian Mythology, London 1968; dt.: Agyptische Mythologie, übers. von
beim Übergang vorn Sein zuro Niehts. "Der Zustand, den wir - dureh das Bild des Kin­ J. Sehleehta, Wiesbaden 1968,102-103. W. Helck, Agypten. Die Mythologie der Alten
des gesehen - mit den Worten umsehrieben haben: aus dem Niehtsein noeh nieht aus­ Agypter, in: H. W. Haussig(Hrsg.), Worterbuch der Mythologie, Bd. 1: Gótter und My­
gesehieden und doeh da zu sein, kann aueh folgendermal3en umsehrieben werden: aus then im Vorderen Orient, Stuttgart 1965, 379. H. Kees, Der Gotterglaube im Alten
dem Dasein noeh nieht ausgesehieden, und doeh nieht zu sein" (ebd. 81). Agypten, Leipzig 1956, 89-90, 288-289.

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überhaupt, zum Gott Asklepios. Seine Geschichte muf man nur er­ bar". Asklepios selbst also ist der Hell-Leuchtende. "Das Aufleuch­
zahlen, um augenblicklich die Symbolverwandtschaft dieser griechi­ ten des zeugenden Apollon aus einer dunkelhellen Mutter: das ist
schen Erlósergestalt zu dem christlichen Gottesglauben zu begrei­ nach diesen Mythologemen Asklepios." 12
fen. Pausanis (II, 26,3-5) berichtet 8, wie Phlegyas, ein kriegerischer Dabei ist das Aufleuchten nicht einfach vom Sonnenaufgang zu
Kónig aus Thessalien, "mit seiner Tochter, der Geliebten des Apol­ verstehen. Der Hund, der den kleinen Asklepios bewacht, kan n in
Ion, nach Epidauros" kommt, "als sie mit Asklepios schon der griechischen Mythologie auch golden sein'", er gehórt aber we­
schwanger ist. Sie setzt ihr Kind auf einem Berge, .der damals sentlich, wie die Schlange, als Begleiter der Gespenster-Gottin He­
,Myrtenberg', spater ,Zitzenberg' hie13, aus. Dort findet es der Hirte kate, zum Bereich der Unterwelt. Doch eben diese Zwischenstellung
Aresthanas zwischen Ziege und Hund: die Ziege stillt, der Hund be­ "zwischen unten und oben, Nacht und Tag, Tod und Leben", dieser
wacht das Kind in blendendem Licht, so da13 sich der Hirte wie von Dammerungszustand macht das Wesen des Asklepios aus':'. Gerade
einer Güttererscheinung abwenden mu13. 1m selben Augenblick hórt deshalb, als der Apoll, der aus dem Dunklen aufstrahlt, als Apollon
man eine Stimme, die über Erde und Meer verkündet, der Neugebo­ Aigletes, wie er auf der Insel Anaphe ("Auflodern") den Argonauten
rene werde alle Heilmittel für die Kranken finden und die Toten erschien>, besitzt Asklepios die Kraft, mittels der Traume im Heilig­
wiedererwecken." 9. Die Aussetzung auf dem Berge liest sich tie­ tum vom Epidauros vermoge der dammernden Selbstwahrnehmung
fenpsychologisch besonders durch die Doppelung der Namen als zwischen Schlafund Wachen die Krankheiten der Seele wie des Lei­
ein Symbol des Geburtsvorgangs selbst, und es leben von daher in bes zu heilen. Erst 2000 Jahre danach und dann in scharfer Abkehr
der Mutter des Asklepios offenbar Züge der Erdgóttin fort, deren vom Erbe der Bibel in seiner christlich-abendlandischen Selbstinter­
SchoB das Kind gebiert und deren Brust ihn empfangt. Tatsachlich pretation hat die Psychoanalyse am Anfang unseres Jahrhunderts
aber erfahren wir von der Mutter des Asklepios bei Isyllos in ande­ die psychotherapeutische Weisheit und das Wissen um psychosoma­
ren Varianten der alten Mythologie noch Genaueres. "Malos, ein tische Zusammenhange in dem Mythem von der Geburt des Askle­
Urmensch, den Zeus mit einer apollinischen Jungfrau, der Muse pios wiederzuentdecken vermocht, eine Weisheit, die in der
Erato, in heiliger Ehe verband, wird Vater einer gleichfalls musen­ Hirtenlegende des Lukas, diesem in sich ganz eigenstandigen Weih­
haften Tochter, der KIeophema, der ,Ruhm Verkündenden', Phle­ nachtsevangelium, gleichermaBen lebt oder doch leben konnte -
gyas, ein Urbewohner von Epidauros, nimmt KIeophema zur Frau." man spürt an dieser Stelle zum erstenmal besonders deutlich, was
An dieser Stelle der Erzáhlung folgen die Worte: "Und von Phlegyas uns an Einheitsdenken aus der Zeit der Mythen, seit dem Verlust der
wurde gezeugt - und ihr Name war Aigla - ihr Beiname war dies - Traumzeit, fehlt bzw. von uns selber mutwillig zerstort wurde.
wegen ihrer Schünheit hieB sie aber mit Beinamen Koronis." 10 Die Aber noch wichtiger als die hell-dunkle Gestalt des Gottessohnes
Schonheit der "Koronis" kann nur in dem krahenschwarzen, dunk­ Asklepios und wichtiger auch als die Lichtgestalt seines Vaters
len Haar der künftigen Geliebten des Apollon liegen. Ihr Name Ai­ Apoll ist für die Thematik der mythischen Dreifaltigkeit die hell­
gla aber, die "Lichte", gibt ihrem Kind Asklepios den Namen - die dunkle Gestalt seiner Mutter: Aigla-Koronis. Der Ursprung des
Übergangsformen beider Namen und der Lautwandel unter dem Asklepiosglaubens führt ohne Zweifel nach Thessalien. "War Epi­
EinfluB der altmediterranen, vorgriechischen Sprache ist nachweis- dauros", schreibt K. Kerényi, "sozusagen das Rom der Asklepiosre­
ligion, von wo aus diese sich in der antiken Kulturwelt ausbreitete,
8 Pausanias, Beschreibung Griechenlands, übers. U. hrsg. von E. Meyer, 2 Bde., Zürich
1954; Neudruck München 1972, 1. Bd., 132-135 (H, 27, 1-29,1) schildert das Auftreten 11 Ebd.31.
und die Wunder des Asklepios in Epidauros. 12 Ebd.
9 K. Kerényi, Der góttliche Arzt. Studien über Asklepios und seine Kultstatten, Darm­ 13 Ebd.
stadt 1956, 28. 14 Ebd. 35.
10 Ebd.30. 15 Ebd.31.

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so darf Trikka ihr Bethlehem, Thessalien ihr Palastina genannt wer­ Dunklen, wie es in der Gestalt der Mondgottin zu schauen ist, und
den." 16 Am Südostabhang des Berges der antiken Akropolis fand zugleich betritt man damit den Bereich der gottlichen Dreifaltigkeit,
man bei Ausgrabungen die charakteristischen Votivstatuetten des dargestellt in der urtümlichsten, beliebtesten, umfassendsten und
Asklepios: den kleinen kapuzentragenden nachtlichen Gott Teles­ fafslichsten Symbolik einer Dreiheit aus Vater, Mutter und Kind, ei­
phoros, eine Gestalt, die an die heilkundigen Zwerge der Marchen ner Hochzeit des Lichts mit der Finsternis, des Himmels mit der
erinnert, einen Hahn, den Verkünder des anbrechenden Tages, und Erde, der Sonnenhelle mit dem Dunkelmond, einer heiligen Ver­
ein Kind, "in Windeln gewickelt" (Lk 2, 12) 17. Der FluB, der den Ge­ mahlung von Bewuístsein und Unbewul3tem, von Geist und Trieb,
burtsort des Gottes umflieñt, heiñt .Lethaios'', der Fluñ der unter­ von Verstand und Gefühl, und einer heiligen, heilenden Mittlerge­
weltlichen Vergessenheit und Geborgenheit; jenseits der Berge, gen stalt, die an beider Natur teilhat. Selbst die Details der mythischen
Sonnenaufgang von Trikka, lag der Boibeis-See, der See der Boibe Geburtsgeschichten werden von der Mondnatur der Gottesmutter
oder Phoibe, der weiblichen Ahnin der apollinischen Linie des Tita­ her verstandlich: es geschieht stets auf der Wanderschaft, dal3 die
nen Koios und der griechischen Mondgottin'". Erst von der Natur Mutter des Erlosers niederkommt; haufig ist sie für ihr jüngfraulich­
der Mondgottin begreift man die hell-dunklen Namen der Askle­ gottlich gezeugtes Kind Verfolgungen ausgesetzt - die Mutter des
pios-Mutter Aigla-Koronis, und man versteht ihre geheime Bezie­ Asklepios z. B. wird einer mythischen Version zufolge auf einen
hung zu der Unterweltgottin Persephone und der Gottin Artemis. Holzstof gesetzt, und aus dem brennenden Scheiterhaufen rettet
"Die Gottin vom Boibeis-See wird auch Brimo genannt, wie die Apoll den Asklepios, den "im Tode der Mutter geborenen Sohn't " ;
groíse Gottin der nahen thessalischen Stadt Pherai, die nordgriechi­ und oftmals stirbt die Mutter des Erlosers sogar bereits nach Ablauf
sche Erscheinungsform der Mysteriengóttin Persephone ... In den einer Woche, wie die Mutter Mahamaya in der Buddhalegende.
Mysterien von Eleusis, wo die Geburt eines gottlichen Kindes ge­
feiert wurde, verkündete der Priester dieses Ereignis mit den Wor­
ten: ,Die Konigin hat ein heiliges Kind geboren, die Brimo den b) Die Trinitat der gottlichen Selbstzeugung am Anfang
Brimos'" - die Starke den Starken. Dieser "Starke", dieser Ischys, und die christliche Dreifaltigkeit
dieser "die Urmannlichkeit darstellende Gott ... zeugte mit dem
gottlichen Urweib, der Mondgottin Phoibe oder Brimo ... jenes Natürlich kann und wird man diesen mythischen Dreifaltigkeiten
Kind, das in Eleusis als ,Brimos' ... angerufen wurde. Von diesem aus Vater, Mutter und Kind theologisch entgegenhalten, dañ im
Knaben erzahlte man in Thessalien, er sei der Sohn der Koronis, der Christentum Maria keine Mondgóttin mehr ist, dañ hier die Ge­
in Trikka verehrte Asklepios." 20 schichte den Mythos aufgehoben habe, dañ die Erzeugung des Er16-
Mit der Geburt des gottlichen Kindes Asklepios betritt man also sers in der Bibel gar nichts mit der innergottlichen oder auch nur mit
unmittelbar den Bereich von Urschópfung und Uranfang der Entste­ der .Jieilsókonomischen'' Trinitat (ein furchtbares, ein echtes Theo­
hung des Lebens aus dem Tod, der Erneuerung des Lichtes aus dem logenwort!) zu tun habe. Aber es gilt als erstes zu begreifen, dañ die
Bilder vom Beginn der neuen Schopfung auch in der Bibel offenbar
16 Ebd. 87. nicht anders konnen, als diese Urgestalt der Selbstzeugung des Gótt­
Ebd. 88.
17
lichen trotz des tausendjahrigen Abwehrkampfes seitens des Juden­
18 Ebd.
l. Ebd.90f. tums wiederaufzugreifen, und nur wer zu der ursprünglichen,
2. Ebd. 91 f. Vgl. K. Kerényi - C. G. Jung, Das góttliche Mádchen. Die Hauptgestalt der
Mysterien von Eleusis in rnythologischer und psychologischer Belcuchtung, Amster­ 11 K. Kerényi, a.a. O. (Anm. 9) 96; zum frühen Tod der Mutter des giittlichen Kindes
dam-Leipzig 1941, (Albae vigiliae VIII-IX) 66-68; J. G. Frazer, The Golden Bough, vgl. K. Kerényi - C. G. Jung, a. a. O. (Anm. 20) 25; zur Buddhalegende vgl. E. Wald­
12 Bde., London J 1911, gekürzte Ausgabe 1922; dt.: Der goldene Zweig. Das Geheim­ schmidt, Die Legende vom Leben des Buddha. In Auszügen aus den heiligen Texten
nis von Glauben und Sitten der Vólker, übers. von H. v. Bauer, Leipzig 1928,208. (1929), Graz 1982,45-46.

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sinnlichen Evidenz dieser archetypischen Dreifaltigkeitssymbolik Westen weiterentwickelte trinitarische Struktur der lateinischen Kir­
zurückkehrt, wird verstehen, wie sehr in der alten Mythologie triadi­ che ablehnte: der Heilige Geist gehe hervor aus der gemeinsamen
sche Bilder dazu dienen konnten, das Wesen des Gottlichen, die Hauchung von Vater und Sohn. Tiefenpsychologisch habe ich ande­
Aseitat, das Sein aus sich, des Gottlichen vor Beginn aller Welt und renorts gezeigt, dañ das Bild der Hauchung nur mühsam das der
im Anfang aller Welt erfahrbar zu machen. Ein wichtiges dogmati­ Zeugung verdeckt und im Grunde besonders urtümliche, anale Zeu­
sches Buch z. B. über den "Heiligen Geist als Person", in dem die gungsvorstellungen aufgreift -'. Vater und Sohn, die miteinander
Dreiheit der góttlichen Personen aus den drei Akten urtümlichen den Heiligen Geist hervorgehen lassen, sind auf dem Hintergrund
Sprechens von Ich-Du-Wir entwickelt wird, empfiehlt sich selbst im der alten Mythen nur ein schlecht verhülltes, patriarchalisch überla­
Vorwort mit dem Hinweis, es konne diese Auffassung der Trinitat gertes Modell der ursprünglichen Dreifaltigkeit aus Vater, Mutter
hilfreich sein zum Verstandnis von Ehe und Familie=. Aber aufwel­ und Sohn, nur dañ der "Sohn" dabei mütterliche Komponenten in
chen Umwegen müssen wir uns dem einfachen Sinn- und Vorstel­ sich aufnimmt, wahrend der Geist hier zum Kind wird. Bei der irdi­
lungsgehalt des Archetyps der Trinitat annahern, dem Urtyp, den schen Geburt des Erlósers wiederum ist es der Heilige Geist, von
man am besten wohl als die Trinitdt der gottlichen Selbstzeugung be­ dem die Jungfrau das Gotteskind empfangt, so als sei er der Vater
zeichnen kan n ! oder dessen wirksame Potenz - kurz, die Ausdrücke Vater, Sohn und
Selbst in den klassischen Definitionen des Trinitatsdogmas stim­ Geist ergeben einen Sinn in der alten Mythologie, aus der sie stam­
men die Worte nicht mit den Vorstellungen überein, die sie beglei­ men, aber die güttlichen "Hervorgange" durch "Zeugung" bzw.
ten. Der Sohn wird vom Vater "gezeugt, nicht geschaffen", er ist der "Hauchung" verlangen eine nicht endende Um- und Weiterinterpre­
Erstgeborene des Vaters; aber mit wem gezeugt, von wem geboren? tation, damit sie theologisch nicht besagen, was sie verbotenus und
Auf diese Fragen gibt es theologisch keine Antwort, auñer dañ man sinnvoll im alten Mythos zu sagen haben.
solche Fragen nicht zu stellen habe. Der Abwehrkampf gegen die Ja, man muñ, um in die Verwirrung der Worte in der kirchlichen
alte Mythologie bei gleichzeitiger Übernahme ihrer archetypischen, Trinitatslehre Ordnung zu bringen, im Sinne der alten Mythologie
sinnlich-sinnvermittelnden Symbolik war nicht nur an sich wider­ sogar betonen, dañ der "Vater" als erste Person der Gottheit im
sprüchlich, er war auch kirchengeschichtlich die Ursache jahrhun­ Grunde die alte weibliche Urgottheit verdrangt hat. Nicht ein mann­
dertelanger Widersprüche und Spaltungen. Ganze Volker, wie die liches, nur ein weibliches Prinzip am Anfang kan n in den Mythen als
arianischen Germanenstamme, wurden aus der Kirche ausgeschlos­ Ursprung einer triadischen Selbstzeugung des Góttlichen vorgestellt
sen, weil sie das Geheimnis der wesensgleichen Zeugung des Sohnes werden. Die ágyptische Gottin Mut z. B., die Herrin von Theben,
aus dem Vater nicht zu begreifen vermochten. Daf Gott schópfe­ galt als zweigeschlechtliche Mutter alles Lebendigen>, als Herrin
risch tatig ist und der Logos als sein hochstes Geschopf zu gelten des Himmels, als Auge des Re, und sie war mit Nechbet, der geier­
habe, konnten sie begreifen; wie aber eine Zeugung aus sich selber fürmigen Schutzgóttin Oberágyptens, verschmolzen. Als aber in der
ohne Gegenüber - etwas so Ausgedachtes, wie die Geburt der He­ 18. Dynastie zu Beginn des Neuen Reiches der Gott Amun zur Vor­
lena aus dem Haupte des Zeus? Unvorstellbar dies. herrschaft gelangte, identifizierte man Mut mit dessen früherer Ge­
Das Problem kehrte bei der Lehre vom Heiligen Geist im soge­ mahlin Amaunet. "Die Hochzeit von Mut und Amun gehorte zu den
nannten Filioque-Streit prompt wieder, indem die konservativere
griechische Kirche die vom archetypischen Bild her klassische, im 21 E. Drewermann, Strukturen des Basen. Die jahwistische Urgeschichte in exegeti­
scher, psychoanalytischer und philosophischer Sicht, 3 Bde., Paderborn 21980, 2. Bd.,
19-22, in Anlehnung an E. Jones, Die Empfángnis der Jungfrau Maria durch das Ohr.
22 H. Muhlen, Der Heilige Geist als Persono Beitrag zur Frage nach der dem Heiligen Ein Beitrag zu der Beziehung zwischen Kunst und Religion, in: Jahrbuch der Psycho­
Geiste eigentümlichen Funktion in der Trinitát, bei der Inkarnation und im Gnaden­ analyse, hrsg. von S. Freud, VI. Bd., Leipzig-Wien 1914, 135-204.
bund, Münster 1963, VI. 2' V. fans, a. a. O. (Anm. 7) 96.

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groñen Jahresfesten des Neuen Reiches."25 Da aber Amun als Gott ten, hervorhebt, dañ die Trinitatslehre keine bloüe Seins- oder
der Achtheit von Hermopolis bereits mit dem Mondgott Thot in Ver­ Geistmetaphysik des immanenten Wesens Gottes sein dürfe, son­
bindung stand, "war es nur natürlich, daf man ihm für die Triade dern in der geschichtlichen Vermittlung durch Jesus Christus gründe
von \Theben den benachbarten Mondgott Chons als Sohn erwahlte. und von der Christologie her entwickelt werden müsse, so kommt
Mui wurde zur Mutter des Chons."26 man nicht umhin, der spiegelbildlichen Gleichheit der Geburt des
Es sei hier dahingestellt, welche religionsgeschichtlichen und Gottessohnes auf Erden und der Geburt des Gottessohnes in der
auch wohl machtpolitischen Schwierigkeiten durch die Bildung sol­ Gottheit selbst im Rahmen der alten Mythologie zu gedenken. Man­
cher Triaden gelost wurden; wichtig ist hier nur, daf der Ursprung che Vorstellungen, die in der Bibel ebenso wie in der theologischen
des Gottlichen in der alten Mythologie weiblich-mütterlich, nicht Diskussion im Grunde unausgeglichen nebeneinanderstehen oder
mannlich-vaterlich vorgestellt werden mufs und dañ es zu einer gan­ als bloñe Appellative rein additiv summiert werden, gewinnen über­
zen Reihe von Vorstellungsschwierigkeiten, gewalttatigen Abstrak­ haupt erst auf mythischem Hintergrund Fug und Sinn.
tionen vom Wortsinn und nicht zuletzt von logischen Ungereimthei­
ten führen muís, wenn man das weibliche Prinzip in dem Vorstel­
a) Ein biblisches Paradox ...
lungsgehalt des Gottlichen zurückdrangt oder wornóglich ganz
verdrangt. 1m Matthausevangelium vor allem stehen zwei Vorstellungen ne­
beneinander, die im Judentum geradezu peinlich, wenn auch müh­
sam genug auseinandergehalten werden: die Vorstellung von dem
2. Gottessohn und Davidssohn gottgesandten Messias als dem Sohn Davids und die agyptische Vor­
stellung von dem Kónig als dem Sohn Gottes. Wenngleich die Ko­
Man wird diesen Überlegungen gewiñ noch einmal entgegenhalten, nigsideologie auch des Alten Israel gelegentlich Vokabeln der
dañ zwischen de m, zugegeben, mythischen Hintergrund der ágyptischen Religion zu übernehmen nicht vermeiden kann, so hat
Geburtserzahlungen bei Lukas und Matthaus einerseits und den tri­ doch die eigentliche Tendenz des Alten Testamentes gerade darin
nitarischen Formeln der Selbstzeugung des Gottlichen im Mythos ihre Wahrheit und Starke, dañ sie die Vergüttlichung jedes Men­
andererseits kein Zusammenhang bestehe, sondern die KIuft zwi­ schen, auch des Konigs, auch des Messias, als Verstoís gegen das er­
schen Mythos und Geschichte jede Verbindung zwischen beiden ste und wichtigste Gebot des Dekalogs wertet: "Hore Israel, der
Ebenen in das Reich des Phantastischen verweise. Dagegen aber ist Herr, euer Gott, ist Herr allein." Die .frühe Kirche hat gerade den
zu sagen, daís, mit einem Wort Thomas Manns, die wirkliche, die Mut besessen, z. B. im Matthausevangelium Davidssohnschaft und
wahrhaft góttliche Geschichte sich gewissermañen selbst nicht ein­ Gottessohnschaft, Konigsgeburt und Gottesgeburt miteinander zu
fiele ohne das Vorbild des Himmlischen". Gerade wenn man dog­ verbinden. Sie konnte dies zweifellos tun, weil die Gestalt des ge­
matisch immer wieder, wie besonders in den letzten zwei Jahrzehn- kreuzigten Erlosers von allen machtpolitischen und ideologischen
Tendenzen weit genug entfernt war. Was in Agypten ein nationalisti­
25 Ebd. sches Ritual war und in Israel ein ebensolches politisches Ritual
2. Ebd. 98; E. Homung, Der Eine und die Vielen. Agyptische Gottesvorstellungen,
harte werden müssen - die Verbindung des Konigstitels mit dem Ti­
Darmstadt 1971, 214, weist darauf hin, da13 diese Dreiheiten, in denen zum Gótterpaar
ein Sohn oder eine Tochter hinzutritt, die beliebteste und verbreitetste Vorstellung im tel eines Gottessohnes -, bedeutete für die frühe Kirche gerade in ei­
Gótterkreis Agyptens darstellen und wohl nicht erst aus ursprünglichen Zweiheiten ge­ ner entschiedenen Loslosung vom Judentum eine universalistische
schichtlich entwickelt wurden. Ausrichtung auf die archetypischen Vorstellungen, die in den medi­
27 Th. Mann, Joseph und seine Brüder. Roman in vier Teilen, Stockholm-Amsterdam
1948; Neudruck: Frankfurt-Hamburg 1971, 1. Bd.: Die Geschichten Jakobs. Der junge terranen Kulturen seit Jahrtausenden bereitlagen, nirgendwo aber
Joseph, 140-142.435. ich groísartiger aussprachen als in Agypten, dieser gewaltigen Auf-

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gipfelung neolithischer Frómmigkeit. Allerdings hat die kirchliche rao die Aufgabe hat, die Paradiesesordnung wiederherzustellen und
Dogmatik von früh an alles getan, um die mythischen Spuren ihrer zu bewahren, mag man seine Ankunft sogar eschatologisch nennen.
eigenen Überzeugungen zu verwischen, und so bedroht wohl auch Gerade in seiner Rolle als "Kind", als Sonnenpriester, jubeln die
heute noch einen Dogmatiker auf der Stelle die Strafe wissenschaft­ Menschen dem Pharao ZU31, der in lwt-jb mj r', in Herzensweite wie
lichen Exils, wenn er glauben machen will, die entscheidenden Sym­ Re bei seiner Himmelsüberfahrt sein Leben verbringt 32. Die Gott­
bole der Christologie und Theologie entstammten religionsge­ gleichheit des Pharao .Jiegt in seiner ,Rolle' begründet, in der er an­
schichtlich der agyptischen Mythologie, religionspsychologisch betend vor den Gott treten kann, und in die er von dem Gott selbst
aber dem groBen, unerschopflichen Reservoir der mythenbildenden eingesetzt wurde" 33. Als Kronprinz galt der Pharao "als Kind seines
Krafte in den Tiefenschichten der menschlichen Psyche. Aber ge­ irdischen Vaters, des regierenden Konigs. Erst wenn mit seiner
rade so verhált es sich, und so muB es sich verhalten, wenn das Chri­ Thronbesteigung die Erwahlung durch den Himmel offenbart wird,
stentum wirklich ist, was zu sein es behauptet: eine Botschaft für alle dann heiñt er ,Gottes Sohn', und dann erst wird seine Geburt als
Vólker zu allen Zeiten und an allen Orten der Menschheit. wunderbar berichtet." "Das heiBt ... auch, da13 Pharao als Kind
Sohn ist seiner Mutter, der Kónigsgernahlin, und erst vom Augen­
b) ... und seine agyptische Losung: die Geburt des Pharao blick seiner Inthronisation an als von der .Jungfrau' geboren gilt,
der Gottesgemahlin. Moralische oder irgendwie ethische Gründe,
Die Verbindung zwischen himmlischem und irdischem Geschehen wie sie im Hellenismus mit verstiegener Phantasie konstruiert wer­
la13t sich in der agyptischen Vorstellung tatsachlich bereits an der den, sind deshalb für die Jungfrauenschaft ganz und gar abwegig.
Gestalt des soeben erwahnten Mondgottes Chons festmachen. Ur­ Die Jungfrau ist einzig Ausdruck dafür, dañ der Pharao von keinem
sprünglich dürfte er die Plazenta gewesen sein, die bei der Geburt anderen als von Gott gezeugt sein kann. Bei Pharaos Zeugung war
des Pharao von der irdischen Mutter ausgestoBen wurde>, die als kein anderer im Spiel als eben nur Gott. So kann Pharao auch altere
Gemahlin des Gottes Amun die Himmelsgottin Mut vertrat. Der Geschwister haben, Schwestern oder vorzeitig gestorbene Brüder,
Pharao galt als sl r', Sohn des Sonnengottes, aber mit der Thronbestei­ ohne da13 die Vorstellung von der Jungfrauenschaft der Gottesge­
gung gewann er den Horusnamen. Nach seinem Tod wurde er zu mahlin fraglich würde, und der Stammbaum des Pharao nach seinen
Osiris, bzw. er fuhr, wie es der agyptischen Sinuhe sagt, zum Himmel irdischen Vorfahren steht neben seiner Zeugung aus Gott" 34, gerade
empor und verschmolz mit der Sonne, von der er ausgegangen war. wie es in Mt 1,2-16 und Lk 3,23-38 anzutreffen ist.
"Als Thronwalter hatte er das Amt, die gottliche Ordnung auf Erden Naherhin stellt sich der Mythos von Pharaos wunderbarer Zeu­
zu erhalten und zu erneuern, Mittler zu sein zwischen Gott und gung und Geburt in den Texten und an den Tempeln des 15.-11. Jh.
Mensch ... Er war Gott und Mensch zugleich, aber eben auch wah­ wie folgt dar>: Amun verkündet im Himmel seinen Entschluís, dem
rer Gott, Sein mythisches Bild, der Horus-Falke, wohnt im Him­ Lande einen Thronfolger zu schenken, und der Botengott bzw. Gót­
mel." 29 "In seinem Handeln auf Erden als Verwirklicher der Maat terbote Thot erzeugt (im Bilde) durch Berührung des Zeichens ,Le­
und somit in seinem kultischen Handeln ... ist der Konig vom Son­ ben' in der Konigin die Keime des góttlichen Kindes, offenbart
nengott selbst eingesetzt und dadurch legitimiert." 30 Indem der Pha- seinen Namen, verheiñt ihm, dem einzigen, die Konigsherrschaft
(im Text wird die Begegnung als geschlechtliche dargestellt). Amun
28 V. Ions, a. a. O. (Anm. 7) 98; H. Kees, a. a. O. (Anm. 7) 352-353.
2. E. Brunner-Traut, Pharao und Jesus als Sohne Gottes, in: Gelebte Mythen. Beitráge 31 Ebd.
zum altágyptischen Mythos, Darmstadt '1981, 38. 32 Ebd. 67.
30 J. Assmann, Der Kónig als Sonnenpriester. Ein kosmographischer Begleittext zur 33 Ebd.
kultischen Sonnenhymnik in thebanischen Tempeln und Grabern, Glückstadt 1970, l' E. Brunner- Traut, a. a. O. (Anm. 29) 48.
65. Jl Ebd. 39; dies., Altágyptische Marchen, Düsseldorf-Kóln 1963,76-87.

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befiehIt dem Schopfergott Chnum, das verheilsene Kind zu erschaf­ Es darf noch hinzugefügt werden, dañ auch andere Details der
fen; Chnum formt das Kind und seinen Ka auf der Topferscheibe. evangelischen Kindheitsgeschichten nach Agypten weisen: das He­
Thot, der Gotterbote, der Engel, verkündet der Konigin die Geburt rodesmotiv, das auch in Offb 12 ankJingt, findet seine Parallele in
ihres Kindes. Die góttlichen Geburtshelfer führen die Konigin zur der Góttin Isis, die ihr gottliches Kind Horus in Einsamkeit zur Welt
Geburt, und in Gegenwart der Wiegengottin kommt das erstgebo­ bringen muíí, verfolgt von dem bosen Seth, der ihrem Sohn die Kó­
rene Kind zur Welt. Hathor reicht dem himmlischen Vater Amun nigsherrschaft streitig machen will?"; Himmelsstimmen, wie in Lk
das Kind, der es als "Kind von meinem Leibe", als seinen "geliebten 2, 10. 11, oder ein weiser Mann, wie in Lk 2,25 ff., verkünden nach
Sohn" anerkennt und willkommen heiñt. Gottliche Ammen warten Plutarch 38 die Geburt des Osiris (Über Isis und Osiris, Cap. 12); und
und saugen das Kind, und alle Gotter sprechen ihm 'nh, wdt, snb und selbst die einzige Geschichte aus der Jugend Jesu, die Erzahlung
\wt-jb, Leben, Heil, Gesundheit, Freude zu. Das Kind wird be­ vom zwolfjahrigen Jesus im Tempel (Lk 2,40 ff.), besitzt sein Vorbild
schnitten, vom irdischen Vater anerkannt, getauft und inthronisiert. in dem zwolfjahrigen Si-Osire, "der im Tempel des Ptah mit dem
Wie sehr die Wesensgleichheit, die Homousie des Pharao als Got­ gleichen Auftreten alle Schriftgelehrten durch seine Weisheit und
tessohnes und Konigssohnes mit seinem himmlischen Vater in Prophetie in Erstaunen setzte" 39.
Agypten betont wurde, zeigen z. B. die "Segnungen des Gottes Ptah" AlI dies zeigt, was zu zeigen ist: dañ die Geburtserzahlungen des
für Ramses 11. bzw. Ramses 111., wo es über den góttlichen Charak­ Neuen Testamentes sowie die wesentlichen Züge der neutestament­
ter des Pharao heiíst: "Ich (d. i. der Schopfergott Ptah) bin dein lichen Christologie auf einem breiten mythischen Hintergrund auf­
Vater; ich erzeugte dich, so daís dein ganzer Korper gottlicher Natur ruhen, ohne den sie nicht oder nur miñverstandlich aufgenommen
ist ... Ich lasse dei n Wesen góttlich sein wie das meine, denn ich werden kónnen. Denn indem man den zeitlos schwebenden Charak­
habe dich erwahlt, erlesen und ausgerüstet ... Ich habe dich zum Ko­ ter des Mythos unter dem Einfluñ des Judentums vergeschichtlichte,
nig der Ewigkeit eingesetzt, zum Herrscher ohne Ende." 36 Die verfiel man notgedrungen dem Irrtum, die wunderbare Zeugung
Worte ahneln auf das aufserste dem messianischen Konigspsalm 27, und Geburt, statt symbolisch, realiter zu nehmen. Man begab sich
der den Taufbericht in Lk 3,22 und Mt 3, 17; Mk 1, 11 bestimmt und damit unabwendbar in eine je langer, desto unhaltbarere Alterna­
in adoptianistischem Sinne übernommen wurde. tive: dañ entweder die christologischen Aussagen sich als histori-
Dabei ist wiederum deutlich, dañ auch ein anderes wichtiges Pro­ che Wirklichkeiten beglaubigen lieííen oder "nur", wie die Mythen
blemgebiet der frühkirchlichen Christologie, die spatere "Irrlehre" der Heiden, erdichtete Phantasmata seien. So schwand das Gespür
des Adoptianismus, vor dem Hintergrund der alten Mythologie weit und die Voraussetzung dafür, in welcher Weise Mythen Wirklichkei­
befriedigender hatte gelost werden konnen - im mythischen Denken ten aussagen und im Aussagen Wirklichkeit schaffen; es schwand
waren die Zeugung des Pharao und seine Anerkennung durch Amun die Einsicht, dal3 es innere, seelische Wirklichkeiten gibt, die ebenso
nur zwei verschiedene Stufen eines Prozesses. Die Kirche hat in ih­ "objektiv" gültig sind wie die Naturgesetze draul3en. Und es
rem Festkalender sogar die agyptischen Zeitmaíse übernommen, wo­ chwand das Bewul3tsein für ein sehr breites, urtümliches Spektrum
nach "der Welt Heiland", der nach agyptischer Formulierung die trinitarischer Vorstellungen gottlicher Wirklichkeit, in denen das
Urzeit wiederbringen wird, am 24.125. Dezember bzw. am 6. Januar ottliche als sich selbst erzeugend in der Gottesmutter und dem
zur Welt kommt; aber sie hat verhangnisvollerweise diese Beziehun­
gen stets zu verleugnen versucht und sich damit selbst zu einer Fülle
17 Ebd.44.
von Widersprüchen verurteilt, die immer wieder zu innerkirchlichen 11 R. Roeder, Urkunden zur Religion des Alten Agypten, lena 1915, 15: "Einige berich­
Zerwürfnissen und gewaltsamen Verdikten geführt haben. ten, cin gewisser Paulus habe in Theben beim Wasserschópfen eine Stimme aus dem
Tcmpel des Zeus gehórt, die ihm befahl, laut zu verkünden, daJ3 der groñe Kónig, der
Wohltñter Osiris geboren sei."
J. Dies., a. a. O. (Anm. 29) 42. " E. Brunner-Traut, a. a. O. (Anm. 29) 50.

132 133
Gottesvater und dem Gottessohn (bzw. dem gottlichen Madchen) Keine Mythe ist zum Beleg die ser Vorstellung geeigneter, weil
angeschaut werden konnte. Die eigentliche Verbindung zwischen groüartiger, als die Gestalt der agyptischen Isis. Selber stieg Isis un­
gottlichem und irdischem Geschehen, zwischen der immanenten ter den Ptolemaern und Romern zur Universalgottheit auf: "Ich bin
und der "heilsokonomischen" Trinitat wurde damit preisgegeben. die Mutter der ganzen Natur", lautete einer ihrer Gesange, "die Her­
Der gro Be, wohlgestaltete, mütterlich warme Organismus, in dem all rin aIler Elemente, Anfang und Ursprung der Jahrhunderte, die
diese Bilder von Zeugung und Geburt, von Adoption und Inthroni­ oberste Gottheit, die Konigin der Toten, die erste der Bewohner des
sation lebendig waren, zerfiel in eine Vielzahl isolierter Einzelteile, lIimmels, das einzigartige Vorbild der Gotter und Gottinnen. Die
die, rational verfestigt, starr und unlebendig, sich nicht mehr inein­ lichtvollen Hohen des Himmels, die heilsamen Lüfte des Meeres,
ander fügen wollten. das qualende Schweigen der Unterwelt - ich bin es, die all das nach
ihrem Wunsch und Willen leitet." "Als die einzige Macht verehrt
mich die ganze Welt in zahlreichen Gestalten, in verschiedenen Kul­
3. Die Dreiheit, die den Tod besiegt: das Beispiel des Isis ten und unter vielerlei Namen ... Die einen nennen mich Juno, an­
dere Bellona, wieder andere Hekate und noch andere Rhamnusia.
Die Trinitat vom Geheimnis des werdenden Seins, von der Selbster­ Aber die Agypter und Athiopier, die über altes Wissen verfügen, eh­
zeugung des Góttlichen, der Heiligen Hochzeit von Himmel und rcn mich mit meinem eigentlichen Kult und nennen mich bei mei­
Erde, Bewuñtsein und Unbewuñtem, Hell und Dunkel, ist indessen nem eigentlichen, wahren Namen: ,die Künigin Isis'.":" Zu dieser
nur eine Weise, das Góttliche trinitarisch auszusagen. Eine andere, Würde gelangte Isis, weil sie ihrem toten Gemahl Osiris das Leben
ebenso wichtige Form ist die Dreiheit, die den Tod besiegt. Sie ergibt als Horus zurückschenkte.
sich in gewissem Sinne bereits rein logisch aus der Trinitat des wer­ Es braucht an dieser Stelle der grofse Osiris-Mythos nicht im ein­
denden góttlichen Seins. zelnen referiert zu werden - er ist bekannt genugv. Aber wichtig ist
Alles Entstehende triumphiert über das Nichtsein, aller Sonnen­ die Szene, in der Isis mit Hilfe des treuen Gottes, des schakalkopfi­
aufgang ist ein Sieg über das Dunkel,jede gottliche Geburt sichert gen Seelenbegleiters Anubis, die 14 Teile des Korpers ihres sn-nfr,
das Leben gegen den Tod. Die Mythe des Heilgottes Asklepios ihres schonen Bruders und Geliebten, den der bose Seth getótet hat,
führte bereits in den Bereich der eleusinischen Mysterien mit ihrem im Delta des Nil zusammenfügt und, selber wie ein Sperberweib­
Weg, den Tod zu überwinden; aber Asklepios heilte wohl die Krank­ che n über ihm brütend, dem Toten zum Leben verhilft; sie empfangt
heit, er besiegte nicht den Tod 40. Um ein Leben, das sterben kann, von ihrem Gemahl den Sohn Horus, der als Falke am Himmel seine
ewig zu machen, muís die Gottheit selber in den Tod eingehen, um 8ahn zieht und gegen Seth den Prozeñ um das Recht seines Vaters
aus dem Tod sich selber zu erneuern. Die triadische Struktur dieser führen wird. Man braucht nicht anzustehen, in dem frei schweben­
gottlichen Lebenserneuerung aus dem Tod ist im Prinzip die gleiche den, vogelgestaltigen Horus, einem Verwandten des Ba-Vogels der
wie in der Trinitat des Anfangs; - eine Geburt ereignet sich, eine ügyptischen Seelenvorstellung, den Geist des verstorbenen Gottes
Wiedergeburt; aber das Sentiment ist ganzlich anders als dort: zu erkennen, den der Gott in seinem Sterben weitergibt und in dem
Nacht ist jetzt Sünde, Nichtsein Tod, Schopfung Erlüsung, Geburt er selber zum Leben aufersteht, Herr im Lande des Schweigens, Er-
soviel wie Auferstehung. Und doch ist, mehr noch als die eigentliche
Schópfungstat, die Urzeugung, nun diese Tat der Neugeburt des Le­
bens Werk der mütterlichen Gottheit in der Trinitat des Góttlichen. ., G. Posener, Dictionnaire de la civilisation Égyptienne; dt.: Lexikon der ágyptischen
Sterblich ist in den Mythen das Mannliche, unsterblich das Weibli­ Kultur, übers. von J. u. 1. v. Beckerath, eingel. von W. Müller, Wiesbaden 1960,
112-113, Art. nIsis" von S. Sauneron.
che.
41 G. Roeder, a.a. O. (Anm. 38) 16-21, nach Plutarch: Über Isis und Osiris, cap. 13-20;

40 K. Kerényi, a. a. O. (Anm. 9) 32. 1:. Brunner-Traut; Altágyptische Marchen (Anm. 35) 88-93.

134 l35
ster der Westlichen (der "Entschlafenen", 1 Kor 15,20), aufgefahren 4. Die Trinitdt der Mitte und das Problem der Eingeschlechtlichkeit
in den Himmel.
Für die Dreifaltigkeitsvorstellung ist an dieser Stelle wiederum Der Archetyp der gottlichen Dreiheit beschrankt sich jedoch nicht
die zentral weibliche Rolle der GroBen Góttin auffallig. Wenn in der allein auf Anfang und Ende, auf Zeugung und Auferstehung, auf
christlichen Dogmatik es der Vaterist, der seinen Sohn in der "Un­ Schopfung und Wiedergeburt, er beschreibt vor allem den Verlauf
terwelt" (tiefenpsychologisch im Mutterleib) nicht HiBt, sondern ihn der Welt, und so heiBe er in dieser Funktion die Trinitat der Mitte.
auferweckt am dritten Tag, so ist dieses .Auferwecken" mytholo­ Zweifellos ist es diese schon am meisten abgeleitete Form, in der die
gisch zweifellos erneut als ein Geburtsvorgang zu denken, als eine christliche Trinitatstheologie ihre unmittelbarste und deutlichste
erneute Form der Sohnschaft, die ohne die zentrale Gestalt der Mut­ Verwandtschaft zu den mythischen Dreiheiten zu erkennen gibt.
ter nicht vorstellbar ist. Der Vater selbst gewinnt in der christlichen "Drei" ist in der Schrift der Agypter allgemein das Zeichen für
Auferstehungslehre mütterliche Züge, und die Ikonographie, die Plural, Dreiheit ist zunachst Vielzahl, aber charakteristischerweise
Dichtung und das Frümmigkeitsleben haben ganz recht, wenn sie verdichtet sich die Vielzahl der Gotter immer wieder archetypisch in
als das eigentliche Karfreitagsbild die Szene der Pietá darstellen: die Form einer Triade, und speziell im Neuen Reich ergibt sich in Agyp­
Mutter mit dem getóteten Gott auf ihrem SchoB ist das eigentlich er­ ten daraus die Trinitat "nicht Gottes, sondern der Gotter und ihrer
greifende Sinnbild zwischen Tod und Auferstehung, die nie versie­ Kultorte!" Die klassische Formulierung dieser spezifisch agyptischen
gende Mütterlichkeit der Isis, die dem Gott das Leben wieder­ Trinitat hat der Leidener Amunshymnus am Ende der 18. Dynastie,
schenkt. Wie eng die christlichen Auferstehungsvorstellungen sich d. h. am Ausgang des 14. Jahrhunderts v. Chr. gefunden: "Drei sind
mit der agyptischen Osirisreligion berühren, zeigt nicht nur der Um­ alle Gótter : Amun, Re und Ptah, keinen gibt es ihresgleichen. Ver­
stand, daB Osiris ein Korngott war, dessen Leib als sakramentale borgen ist sein Name als Amun, als Re wird er wahrgenommen, sein
Speise gegessen wurde, sondern vor allem die vóllige Einheit des Leib ist Ptah. Ihre Stadte auf Erden bleiben immerdar: Theben, He­
Sterbenden mit dem Gott des Todes und der Auferstehung: jeder liopolis und Memphis, bis ans Ende der Zeiten." 45 Amun ist dabei
Tote wurde angeredet als Osiris, so wie ein jeder Christ im Tode ein­ der hochste und aktive der drei Gotter, der aber, wie der .Vater" der
tritt in den Tod und in die Auferstehung seines Gottes. Schlieñlich Bibel, in unzuganglichem Lichte wohnt, ein unbenannter, narnenlo­
unterhált Osiris eine enge Beziehung zum Zedembaurrr", eine Ver­ ser Gott, der in der Gestalt der Sonne, des Sol invictus der spateren
wandtschaft, die er mit dem phrygischen Attis und dem christlichen Mithrasreligiorr", mit der auch die frühen Christen vieles verband,
Kreuz teilt. Speziell die christlichen Feiern des Passionszyklus wei­ sichtbar wird und als der Baumeister Ptah einen Leib, eine kos­
sen eine Vielzahl von zeitlichen und kultischen Parallelen zum Attis­ misch-irdische Dimension gewinnt - die Kirche, sagt Paulus spater
Kult auf>', Auch die kleinasiatischen Vegetationsgottheiten bilden in Abanderung der gnostischen Kosmologie, sei dieser "Leib" Got­
immer wieder Dreiheiten aus Gemahl und Sohn um die Gestalt der tes (Kol 1,24).
GroBen Góttin, heiííe sie nun Isis, Kybele oder Inanna. Noch andere Dreiheiten kannte das Alte Agypten. Die Sonne sel­
ber wurde als ein Wesen in drei Gestalten angeschaut: des Morgens
als Chepre in Kafergestalt (hpr = werden), als Re am Mittag und als
Atum am Abendv ; in allen dreien lebte das Wesen des Aton, der

., E. Hornung, a.a.O. (Anm. 26) 215.


.3 Ebd. 90-91. '6 F. Cumont, Die Mysterien des Mithra. Ein Beitrag zur Re1igionsgesehiehte der rorni­
« Zum Attis-Kult und seiner Verwandtsehaft zum Christentum vgl. J. G. Frazer, sehen Kaiserzeit, dt, Ausg. von G. Georich, 5. Aufl., Naehdruek der von K. Latte bes.
a. a. O. (Anm. 20) 509-510. 3. Yermo u. durehges. Aufl. von 1923, Darmstadt 1981, 176.

136 137
Sonne, die selbst nur ein Symbol des Góttlichen war. Spater exi­ ner berühmtesten Bilder einmal eine Frau in drei Phasen darge­
stierte die Triade Ptah-Sokaris-Osiris, die identisch ist mit Schop­ stellt 53: als weif3gewandete Jungfrau traumend, als Weib sich
fung, Tod und Auferstehung'". Dreiheiten dieser Art, die alle hüllenlos hingebend und als alte Frau dunkelgewandet - daneben
eingeschlechtlich sind, beschreiben Phasen des Lebens, Stationen als viertes der Mann. Umgekehrt bei den mannlichen Dreiheiten -
des Seins, wissend, daf3 alle Phasen sich überlagern, durchdringen sie vermissen, wie in den Marchen, des Vierten, das in Gestalt der
und sich gegenseitig bedingen. Die drei Phasen der Mondgottin z. B. verlorenen anima auf seine Erlósung wartet. Eben dies war denn
. wurden in der griechischen Mythologie in drei schwesterlichen Ge­ auch der Vorwurf, den C. G. Jung gegenüber der christlichen Drei­
stalten beschrieben. In Messenien z. B. hief3 die Mutter des Askle­ faltigkeitslehre erhob: dal3 sie zu mannlich, zu verstandesbestimmt,
pios Arsinoé, ein Name, in dem die Erhebung aus der Dunkelheit zu gefühlverdrangend, zu seelenlos sei ; ihr fehle der gesamte Be­
angedeutet wird, ihre Schwestern waren Hilaeira, die Gnadige - ein reich des Unbewuf3ten, Schattenhaften, Sublunaren - ein Vorwurf,
Beiwort des milden Vollmondes - und Phoibe": Zum Typus dieser wie er nie hátte erhoben werden konnen, ware man sich bewul3t ge­
geschlechtlich einheitlichen, entweder mannlichen oder weiblichen blieben, dal3 alter als alle mannlichen Dreiheiten die weiblichen
Dreiheiten gehort auch der christliche Typ der Trinitatsvorstellung, Bilder góttlichen Lebens und gottlicher Einheit sind. C. G. Jungs
und er hat sein bestes Pendant wornoglich in der hinduistischen Tri­ Frage war es, wie man die Christen von der mannlich-verstandesmá­
murti'": der Gott der Schopfung Brahma, der die Welt erhaltende l3igen Einseitigkeit ihrer Gotteslehre erlosen und ihnen die seelische
und in ihr inkarnierende Gott Vishnu und der tanzende Gott Shiva, Wahrheit ihrer eigenen Bilder zurückgeben konne>'.
dessen Element das Feuer ist und des sen Gestalt am besten in dem Es sollte auf dem Hintergrund dieser Frage deutlich geworden
Sinnbild der Fruchtbarkeit, in dem Lingam dargestellt wird 51, eine sein, daf3 vieles gewonnen ware, wenn wir dogmatisch die Bilder des
Kraft, die alles durchwaltet, die im Feuer zerstort und im Feuer er­ Glaubens dort begründen konnten, woher sie ihren Ursprung ge­
schafft. nommen haben: in den Tiefenschichten der menschlichen Psyche.
Auf das psychologische Problem gerade dieser geschlechtsein­ r n ihnen hat Gott alles angelegt, was wir inmitten seiner Schopfung
heitlichen, vor allem mannlichen Dreiheiten hat indessen, so grof3ar­ und als Wesen seiner Schopfung brauchen, um ihn zu vernehmen
tig auch diese Symbolik ist, von seiten der Religionspsychologie und von innen zu verstehen - auch und besonders in dem Archetyp
C. G. Jung hingewiesen: es fehlt ihnen das Vierte, das Weibliche, der Ankunft und der Auferstehung seines Sohnes. An diese Bilder
Gemüthafte, oder das Mannliche, Rationale, meinte C. G. Jung=. anzuknüpfen, die im Menschen im Gang der Evolution sich im Ver­
E. Munch hat wie zur Verdeutlichung dieser Tatsache, in einem sei- lauf von Millionen Jahren ausgebildet haben, heil3t, den Menschen
wieder zu verbinden mit sich selber, mit der Natur ringsum und mit
47 V. Ions, a. a. o. (Anm, 7) 21; zum Chepre-Symbol vgl. H. Kees, a. a. O. (Anm, 7) dem Ursprung und Ziel allen Lebens. Es ist scheinbar die einzige
60-81. Art, den Glauben wieder zum Gesang zu machen und so von Gott zu
48 H. Kees, a. a. O., 327; 357; H. Baumann: Das doppelte Geschlecht, Ethnologische
erzahlen, dal3 er im Erzahlten wirklich wird.
Studien zur Bisexualitát in Ritus und Mythos, Berlin 1955, 192-193, weist jedoch zu
Recht auf den androgynen Charakter von Atum, Ptah, Amun, Neith u. a. hin, die stets
Vater und Mutter zugleich sind, 11 E. Munch, Die Frau in drei Stadien, 1895, Abb. in: T. M. Messer, Edvard Munch, aus
•, K. Kerényi, a. a. O. (Anm. 9) 93. dern Engl, übers. von H. Schuldt, Koln 1976,104-107; vgl. W. Timm, Edvard Munch .
so M. Zimmer, Myths and Symbols in Indian Art and Civilization, NewYork 1946; dt.: Iruphik, Ost-Berlin 1969, Abb, 22; Abb. 23: Das Weib, 1895; Das Weib (Die Sphinx),
Indische Mythen und Symbole, übers. von E. W. Eschmann (1951), Neudruck Düssel­ 1899.
dorf-Kóln 1972, 138-140. lO Dic Gedanken C. G. Jungs stehen stets in der Gefahr eines gnostischen MiBver­
" Ebd. 141-145. sWndnisses; zur psychologischen und theologischen Bedeutung eines transzendenten
52 C. G. Jung, Versuch einer psychologischen Deutung des Trinitatsdogmas (1942); Gouesbildes, das auch die gnostischen Beimischungen des Basen ausschlieBt; vgl. die
Werke, Bd. XI: Zur Psychologie westlicher und óstlicher Religion, Olten-Freiburg 1963, Kritik an C. G. Jung bei E. Drewermann, a.a. O. (Anm. 23), 2. Bd., 139-152; 427-429;
119-218; E. Drewermann, a. a. O. (Anm. 23) 2. Bd., 36-37. 1. 1M., 148-166.

138 139
III. THESEN UND ERGEBNISSE Macht, Verstand und Wille - die Monarchie des alttestamentlichen
Vatergottes blieb im Grunde voll erhalten. Auch die Auslegung der
1. Die Aussagen der kirchlichen Theologie über Gott, wie er in christlichen Gotteslehre bzw. der Heilslehre in Christus erfolgte
Christus erschienen ist, basieren schon im Neuen Testament aufvor­ nicht mehr, wie in der Selbstdarstellung der Mythen, wesentlich
gegebenen mythischen, archetypischen Schemata. Die Offenbarung durch Ritual, Musik, Meditation, Traumen und Dichten, sondern
des christlichen Gottesbildes besteht mithin nicht darin, daf in der durch Begriffe des Verstandes, die prinzipiell die "irrationale" WeIt,
Person Jesu eine neue Lehre in Erscheinung getreten ware, sondern der die archetypischen Bilder entstammen, nicht erreichen konnen,
darin, daís die Haltung bedingungslosen Vertrauens zu Gott, den Die Reduktion auf den Verstand beraubte die christliche Theologie
Jesus seinen Vater nannte, die uralten archetypischen Bilder zur Be­ ihrer Erfahrungsgrundlage und hat sie notwendigerweise in der
schreibung seiner Person auf den Plan rief und zugleich damit ein Neuzeit fortschreitend in die Gefahr von Miñverstand und Ableh­
integrales Bild vom Menschen gewonnen wurde, in dem der Reich­ nung gebracht. Zudem brachte sie die christliche Erlósungsvorstel­
tum der Mythen und die aIttestamentliche Dimension von Person lung um ihre Ernsthaftigkeit. Als eine bloííe Lehre laBt sich die
und Geschichte sich miteinander verbanden. Der Monotheismus Trinitatslehre heute verkündigen, ohne dañ der eigentliche Gegen­
und das Geschichtsdenken Israels wurden auf diese Weise um den satz von Angst und Glauben noch den spürbaren Hintergrund bil­
vom Alten Testament abgewehrten Bereich mythischer Archetypen den würde. Wenn es notig ist, um in der Kirche zu sein, die Dreiheit
erweitert, und erst in dieser integralen Synthese liegt das Spezificum der Personen in der Einheit Gottes zu bekennen, darf man dann
des Christlichen. "Die Wahrheit kam nicht nackt in die Welt, son­ noch das Evangelium vom Hauptmann von Kapernaum oder der sy­
dern sie kam in Sinnbildern und Abbildern. Die Welt wird sie auf rophonizischen Frau verles en, fragte A. Harnack schon 190056•
keine andere Weise erhalten", heiñt es im koptischen Philippusevan­
geliuru". Nur in diesen im Menschen selber angelegten Bildern 4. Die schwerste Hypothek jedoch entstand der christlichen Dog­
konnte Gott sich offenbaren. matik durch die Verleugnung der mythischen und archetypischen
Herkunft ihrer Glaubenssymbole selbst. Nicht nur dañ sie damit die
2. Allerdings griff die kirchliche Dreifaltigkeitslehre aus dem Spek­ mythenbildenden Krafte im Menschen selber verleugnete oder gar
trum des religionsgeschichtlich vorgegebenen Archetyps der gottli­ verteufeIte und allein den Verstand als ein Organ betrachtete, das
chen Dreiheit dogmatisch nur eine, und zwar die vom Mythos relativ imstande sei, Gott zu vernehmen, sie verleugnete oder verteufeIte
entfernteste Vorstellung auf und suchte darin die triadischen Erfah­ auch die mythischen Religionen als heidnische Gotzendienerei. Der
rungen von Geburt und Auferstehung zu integrieren. Indem sie die Kampf Israels gegen Ágypten und gegen Kanaan mit seiner exklusi­
góttlichen Dreiheiten von Geburt und Auferstehung zudem verge­ ven Erwahltheits- und Besonderheitsvorstellung wurde dadurch
schichtlichte, zerstórte sie die organische Einheit des mythischen Ar­ zum Kampf gegen die gesamte nichtchristliche Welt, und dieser
chetyps und behielt eine Reihe schwer vereinbarer Fragmente Kampf muñte um so schlimmer ausfallen, als die mythischen Bilder
zurück. selbst an sich vom Christentum dogmatisch übernommen wurden.
Entfremdung nach innen psychologisch und Gewalt nach auísen po­
3. Die patriarchalische Ausschlieñung aller weiblichen Beimengun­ litisch muísten die unausbleiblichen Folgen sein. Aus Bildern der Er­
gen aus der Gotteslehre, grundgelegt bereits im Alten Testament, losung und Integration wurden somit Formeln für Kontroversen,
verdünnte die Gottesvorstellung psychologisch in Richtung von Glaubenskriege und Inquisitionen.

" Zit. bei E. Brunner-Traut, Gelebte Mythen. Beitráge zum altágyptischen Mythos, " A. v. Hamack, Das Wesen des Christentums (1900), mit einem Geleitwort von
Darmstadt '1981, V. W. Trillhaas, Gütersloh 1977, 140.

140 141
5. Vor allem hat die Zerstorung des Mythos, der Welt der Archety­ VI
pen, die innigste Brücke zwischen Mensch und Natur zerschlagen.
Wenn die Griechen von Asklepios erzahlten, meinten sie auch Trinitarische Ontologie und Metaphysik
Sonne und Mond, Nacht und Tag, Fluf und Berg; wenn die Ágypter der Person*
von Osiris, Seth und Isis sprachen, meinten sie auch Nil, Wüste und
Kulturland; wenn sie von Horus oder Amun sprachen, meinten sie Von Ludger Oeing-Hanhoff, Tübingen
auch die Sonne und den Wind - die Natur war ihnen Symbol des
Góttlichen. Die christlich-jüdische Vergeschichtlichung hingegen
bedurfte der Natur nicht mehr; sie empfand sie als gefallen, fremd 1
und sündig; die Natur war und ist im christlichen Abendland kein In seinem 1934 erstmals erschienenen kleinen Buch "Schopfer und
Ort, um sich von der menschlichen Geschichte zu erholen, wie Schopfung'' hat Theodor Haecker in Bemerkungen, die .fast Be­
A. Camus es wollte". Die Zerstorung der Umwelt ist eine gerade schworungen" seien, gefordert, "auf dem unerschütterlichen
Folge dieser Seelenlosigkeit und Naturfremdheit des jüdisch-christ­ Grunde der Analogia entis die Analogia trinitatis" zu erbauen. Erst
lichen Menschenbildes". dadurch werde "die Philosophie in einem entscheidenden Sinne
eine christliche Philosophie", und es sei ja auch so, daü "ein Meta­
In summa: Wir sind als Christen zu sehr alttestamentlich und zu we­ physiker, dessen letzter Drang nicht Theologie ist", wie die Ge­
nig ágyptisch, um wirklich christlich zu sein, und nur eine tiefere schichte lehre, eigentlich "keiner" sei 1.
Form des Traumens und der Poesie konnte uns wieder lehren, was Vor allem diesem Appell Haeckers dürfte es zu verdanken sein,
Gott im Herzen eines jeden Menschen eingeschrieben hat, um sich dañ inzwischen Versuche zu einer "trinitarischen Metaphysik" (erst­
darin zu offenbaren. mals wohl H. E. Hengstenberg) oder Entwürfe einer "trinitarischen
Ein Wort aus den Sprüchen des Ptahhotep sagt: "Eine gute Rede Ontologie" (erstmals wohl Cl. Kaliba) vorgelegt wurden-. Die
ist versteckter als der grüne Edelstein, und doch findet man sie bei Grundthese solcher trinitarischen Ontologie hat kürzlich H. Beck
den Sklavinnen über den Mühlsteinen." 59 Es sei dahingestellt, ob mit den Worten formuliert: Die analogia entis sei letztlich analogia
diese Rede eine "schone" Rede war; aber gemahlen worden ist ge­ trinitatis'. Das ist zwar eine Um- oder Fortbildung der klassisch zu
nug. nennenden Lehre Augustins, in jeder Kreatur erscheine eine wesent­
lich vom Bild unterschiedene "Spur" der Trinitat; es ist auch eine
" A. Camus, L'Homme révolté, Paris 1951; dt.: Der Mensch in der Revolte. Essays; Fortbildung der mittelalterlichen Analogielehre, weil bekanntlich
übers. von J. Streller; neubearb. von G. Schlicker unter Mitarb. von F. Bondey, Ham­ erst Cajetan und Suárez statt von analoger Pradikation von der
burg 1953, 322. "analogia entis" gesprochen haben+; aber es findet sich doch schon
58 E. Drewermann, Der tódliche Fortschritt. Von der Zerstórung der Erde und des

Menschen im Erbe des Christentums, Regensburg '(erw.) 1983, 71-78. bei Nikolaus von Kues die These, jede Kreatur stelle ein Bild der
5. A. Erman, Die Literatur der Agypter. Gedichte, Erzáhlungen und Lehrbücher aus
dem 3. und 2. Jahrtausend v. Chr., Leipzig 1923, 88.
• Durch Anmerkungen erganzter, überarbeiteter Text des in Luzern geha1tenen Vor­
lrags.
I Th. Haecker, Schópfer und Schópfung, Leipzig 1934, 131 f.
1 H. E. Hengstenberg, Das Band zwischen Gott und Schopfung, Regensburg 1940,
'1948, 5; Cl. Kaliba, Die Welt als Gleichnis des dreieinigen Gottes. Entwurf zu einer
lrinitarischen Ontologie, Salzburg 1952. [87.
J H. Beck, Analogia Trinitatis, in: Salzburger Jahrb. f. Philos. XXV (1980) 87-99, Zitat

• Vgl. J. Terán-Dutari, Die Geschichte des Terminus .analogia entis", in: PhJ 77 (1970)
163-179.

142 143
Trinitat dar: "res omnis ereata gerit imaginem ... trinitatis'". Ahn­ nis, das vom Primat der Substanz ... gepragt war, hin zu einem
lieh hat aueh Thomas von Aquin die augustinisehe Vestigium-Lehre Wirklichkeitsverstandnis unter dem Primat der Person und der Rela­
zumindest ansatzweise zu dem ausgestaltet, was man heute "trinita­ tion". Sieh im Wirklichkeitsverstandnis statt an der "insiehstehen­
risehe Ontologie" nennen kann. Daher müchte ieh naeh diesen ein­ den Substanz" an der personalen Relationalitat des Gebens und
leitenden Bemerkungen über die Problemsituation und die in Empfangens auszuriehten ist aueh naeh W. Kasper Aufgabe einer
Aussieht genommene Behandlung des mir gestellten Themas zu­ "lrinitarisehen Ontologie". Und J. Baur hat als evangeliseher Theo­
nachst die Ansatze einer trinitarisehen Ontologie bei Nikolaus von loge an Thomas von Aquin gerühmt, daB ihm in der Trinitatslehre
Kues und Thomas von Aquin skizzieren (11). cin Durehbreehen des grieehisehen Seinsverstandnisses gelungen
Aber solche Ansatze einer trinitarisehen Ontologie in der Tradi­ sei, naeh dem Selbstandigkeit das MaI3 der Vollkommenheit ist, hin
tion entspreehen nieht der heute erfahrbaren Not einer "Hinfallig­ zu dem, wie er sehreibt, "evangelisehen Gedanken", Wirkliehkeit sei
keit des Denkens und des Seins", der Not einer "Fragliehkeit des zuhochst und zutiefst "Vollzug von Beziehung", Sein sei als "In­
Subjektes und der Substanz", der N ot des "Entsehwindens Gottes ... sich-Bezogensein" zu denken".
und des Menschen", Weil sie eine solche Not wenden konnte, halt Mit diesen Bemühungen, in der Theologie die einseitige Orientie­
Klaus HemmerIe "eine neue, eine trinitarisehe Ontologie" mit ihren rung am naturhaft Seienden mit seinen Grundkategorien Substanz
Konsequenzen für den Vollzug des Denkens, Spreehens und Da­ und Akzidens zu überwinden und sieh statt dessen beim Wirklieh­
seins für not-wendig. keitsverstandnis am personalen Leben zu orientieren, dessen Grund­
In seinen "Thesen zu einer trinitarisehen Ontologie" (1976) geht kategorie das Siehmitteilen ist, und zwar das Siehmitteilen dureh die
er davon aus, daI3 das Christliehe zwar "die Entwieklung der Philo­ spraehliehe Selbstdarstellung und dureh die Selbstmitteilung in der
sophie ... korrektiv und inspirativ weitergetrieben" habe, daI3 das Hingabe der Liebe, konvergieren neuere Untersuehungen zur Ge-
unterseheidend Christliehe aber "nieht das Vorverstandnis des Sin­ ehiehte der traditionellen Metaphysik, die aufzuzeigen suehen, daB
nes von Sein ... , nieht den Ansatz einer Ontologie auf Dauer neube­ bereits innerhalb dieser Tradition gewiehtige Ansatze zur Überwin­
stirnmt" habe. Gegenüber der traditionellen Metaphysik, der "das dung des Substanz-Akzidens-Sehemas und damit des aristotelisehen
Letzte die Substanz, das Stehen in sich" war und welehe die Bewe­ einsverstandnisses vorIagen. leh nenne besonders J. Maders Augu­
gung nur naturhaft verstand, nieht personal als "Rhythmus des Ge­ stinus-Buch: "Die logisehe Struktur des personalen Denkens"
bens" kannte, "das sieh selber gibt", und die aueh die Relation nur (1965). Hier wird, gestützt auf Augustins ausdrüekliehe Erklarung,
als seinsschwachstes Akzidens faBte, gelte es nun, am Leitfaden von nieht alles, was ist, kónne dureh die aristotelisehen zehn Kategorien
Spraehe, Spiel und Liebe Sein als "Vollzug" von "Sieh-Geben" und begriffen werden, dargelegt, wie naeh Augustinus der Geist, indem
von "Kommunion" zu verstehen und in diesem Sinn eine neue trini­ cr sieh erkennt und aussprieht und weil Spreehen eines Wortes das
tarisehe Ontologie auszuarbeiten", Bilden eines Bildes ist, aueh "Bild seiner selbst" ist. "Der Geist stellt
Eine derartige Kritik an der traditionellen Metaphysik, die sieh in sieh selbst dar, er ist Darstellung seiner selbst", Und solche "reine
ihrem Seinsverstandnis an dem von Natur her Seienden orientierte, Rcprasentation seiner selbst" sei nieht als Akzidens einer Substanz
ist in der gegenwartigen katholisehen und evangelisehen Theologie zu verstehen". Was H.-G. Gadamer "diese erste und diese letzte Ein­
verbreitet. Gerade "die Ausbildung der Trinitatslehre" - so W. Kas­ sicht" der hermeneutisehen sieh von einer Substanzmetaphysik un-
per? - bedeute "den Durehbrueh dureh ein Wirklichkeitsverstand-

l Cusanus, De pace fidei VIII. M J. Baur, Fragen eines evangelischen Theologen an Thomas von Aquin, in: Thomas
6 KI. Hemmerle, Thesen zu einer trinitarischen Ontologie, Einsiedeln 1976, Zitate: 7 f. von Aquin 1274/1974, hrsg. von L. Oeing-Hanhoff, München 1974, 173f.
22 f. 36 38. • J. Mader, Die logische Struktur des personalen Denkens, Wien 1965, bes. 81 ff. 194ff.
7 W. Kasper, Der Gott Jesu Christi, Mainz 1982, 377. (Augustinus kritisiert die zehn Kategorien, Conf. IV, 16).

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terseheidenden Ontologie genannt hat, daB namlich "Sein Sichdar­ gcnd, im Rüekgriff auf sehon Geleistetes wenigstens keine neuen
stellen" ist, seheint also, als Eigenart des geistigen Seins, von I rrtürner in die Welt zu setzen und mieh an Kants Maxime zu halten:
Augustinus vorweggenommen worden zu sein. leh weise ferner auf "Wenn man Erfinder sein will, so verlangt man, der erste zu sein,
die Tübinger Habilitationssehrift von Th. Kobuseh hin: "Sein und will man nur Wahrheit, so verlangt man Vorganger".'? So lege ieh,
Spraehe. Historisehe Grundlegung einer Ontologie der Sprache" was aber einfaeh ist und wohl trotz der hier gebotenen Kürze leieht
(1982)10, die in ihrem historisehen Teil darlegt, wie das von Aristote­ .inleuchten kann, dar, wie Thomas zur Unterseheidung von natürli­
les aus dem Gegenstandsbereieh der Metaphysik ausgesehlossene hem, mentalem (spraehliehem) und moralisehem Sein kommt (111).
sogenannte "veritative Sein", das durehs Denken und Vorstellen ge­ Wenn diese drei Weisen des geistigen Seins Bild der gottlichen Tri­
bildete Gedacht- oder Vorgestelltsein, das, indem es ist, aueh wahr nitüt sind, kann von ihnen her das Urbild erkannt und die Selbstkon­
oder falseh sein kann, von der Stoa an thematisiert wurde und all­ stitution Gottes zu seinem dreipersonlichen Leben in der Einheit des
mahlich besonders unter dem vom 13. bis zum 18. Jahrhundert übli­ inen identisehen Wesens verstandlich, zumindest plausibel ge­
ehen Tite! des "objektiven Seins" in seiner ontologisehen Würde macht werden. Um des zweiten Leitbegriffs des mir gestellten The­
erkannt wurde, die es erfordert, es als eigenen vom naturhaften Sein mas willen - Metaphysik der Person - wird es dabei besonders
versehiedenen Seinsbereieh, eben als das gedaehte, spraehliehe durum gehen, den Personbegriff - alle drei gottlichen Personen sind
Sein, anzuerkennen. leh mochte endlieh auf den Metaphysik-Arti­ im selben Sinn Person - müglichst genau zu fassen (IV).
kel des "Historisehen Wórterbuchs der Philosophie" hinweisen, in Die Aufgabe, die metaphysisehe Konstitution und Selbstkonstitu­
dem dargelegt ist, dafs Thomas von Aquin als "partes entis", als Be­ tion endlieher Personen zu begreifen, ist ungleieh sehwieriger. Dazu
reiehe des Seienden überhaupt, neben dem von Natur her Seienden mu13 genauer auf die Seinsweise des moralisehen Seins eingegangen
aueh die vom Mensehen hergestellten Artefakte, besonders aber das werden, die in Gott das Resultat volliger Selbstmitteilung in perso­
spraehliehe mentale Sein als immanentes Resultat des Denkens und naler Liebe ist. Sind wir Mensehen zu volliger Selbstmitteilung fa­
Vorstellens sowie das "moralisehe Sein" als immanentes Resultat hig? Es seheint, daB wir dazu van uns aus nieht fahig sind. Aueh
des freien Wollens angenommen und naeh diesen Bereiehen die phi­ kann man zwar sein Herz und sein Leben, darf aber gar nieht sein
losophisehen Disziplinen untersehieden hat!'. Eine solehe Ontolo­ ewissen versehenken und verauñern. Nur Gott gegenüber, der in
gie, die, ahnlich wie Heideggers Fundamentalontologie, wesentlieh sciner Heiligkeit unwandelbar das Wahre und das Gute will und
vom Mensehen, nieht vom naturhaften Sein der Dinge ausgeht, weil nieht fehlen kann, ware vollige Selbstmitteilung ohne jeden Vorbe­
sie das durehs Denken konstituierte Reieh der Wahrheit und das hall überhaupt müglich; das aber setzt eine personale gegenseitige
durehs Wollen konstituierte Reieh der Freiheit vom Reieh der Natur Beziehung zwisehen Gott und seinen vernünftigen Kreaturen vor­
(und selbstverstandlich aueh von der Welt der Artefakte, der Kunst aus, die es nur in der Gnadenordnung kraft der Selbstmitteilung
und Teehnik) unterseheidet und als Seinsbereiehe anerkennt, ottes gibt. Wenn so erst die Gnade genannte Selbstmitteilung Got­
braueht nur als Ontologie des Geistes, der imago trinitatis, ausgelegt tes vollige Selbstmitteilung endlieher Personen ermoglicht, die Fa­
zu werden, um den Ansprueh erheben zu konnen, trinitarisehe Onto­ higkeit zu solehem vorbehaltlosen Geben seiner selbst aber charak­
logie zu sein. teristisch für personales Leben ist, dann gibt es personales Leben
Das móchte ieh im folgenden tun, werde also keine neue Ontolo­ nur in der Gnadenordnung, dann ist, wie ieh darlegen mochte, "Per­
gie entwerfen. Das kann ieh nieht, mache aber aus dieser Not die Tu- son" in der vollen Bedeutung des Wortes ein genuin offenbarungs­
lhcologiseher Begriff (V).
10 Th. Kobusch, Sein und Sprache. Historische Grundlegung einer Ontologie der Spra­
Aber ieh greife nieht derart auf die Offenbarungstheologie aus,
che (in Vorbereitung) - Ich verdanke diese m Werk wichtige Belehrung (vor allem über
Petrus Aureoli) und fruchtbare Anregungen gerade für das anstehende Problem.
11 HWPh, Bd. 5, 1217-1226. '1 J. Kant, Reflexionen 2159 (Akad-Ausg., Bd. XVI, 235).

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weil mieh der naeh Th. Haeeker jedem Metaphysiker eigene Drang nicht sagen. Nikolaus von Kues z. B. erklart: "Hoe (unitrinum) prin­
naeh Theologie dazu führte, sondern weil nur die Unterseheidung 'ipium in omnibus relueere video, eum nullum est prineipiatum non
von Schopfung und Selbstmitteilung Gottes, von Natur und Gnade, unitrinum".!' Weil in allem Gesehaffenen sein dreieiniger Grund wi­
also ein zentraler Inhalt der Offenbarungstheologie, es ermóglicht, dcrscheint, dünkt es den Cusaner aueh nieht sehwer, in "De pace fi­
den mir einleuehtenden Einwanden Hegels gegen den traditionellen dci" den Chaldaer und luden von der Notwendigkeit der ehristli­
Gottesbegriff von Metaphysik und Theologie, naeh dem Gott nur 'hen Trinitatslehre zu überzeugen. ABes, was ist, ist eine Einheit,
als unveranderlich, ungesehiehtlieh und ohne realen Bezug zu sei­ und zwar nieht mehr oder weniger als eben diese Einheit, also aueh
nen Kreaturen gedaeht wurde, so Reehnung zu tragen, dal3 der tradi­ die Gleiehheit, dann aber aueh die Verbindung beider: "Posita uni­
tionelle Gottesbegriff, wenn er sehon wegen Hegels Kritik aufzuhe­ tute et aequalitate ponitur ... nexus."!'
ben ist, doeh bewahrend und so im philosophisehen Sinn des Wortes WUhrend die Verehrer (oder die Gemeinde) des Cusaners diesen Gedanken
"aufgehoben" wird (VI). Diesen Darlegungen sollen dann noeh ab­ uls bemerkenswerte Anstrengung des Begriffs rühmen, sehen Historiker, die
schlieñende Bemerkungen zum Verhaltnis von Philosophie und sich wie É. Gilson an Thomas orientieren, in solehen Trinitatsanalogien nur
Theologie folgen (VII), die bei Erorterung des Problems einer trini­ llcgriffs- oder Wortspielereien'". Den kritischen Einwanden gegen diese
tarisehen Ontologie ohnehin kaum zu umgehen sind. Spekulationen kann man sich, denke ich, rechtens nicht entziehen. Denn
llinheit, Gleichheit und deren Verbindung sind allenfalls verschiedene Be­
Mir ist zwar bewul3t, dal3 ieh mit den skizzierten Gedankensehrit­ griffe derselben Sache, also verschiedene Aspekte desselben; nicht aber wer­
ten meines Referates meinen Zuhórern (und Lesern) zumute, mir auf den mit ihnen reale Differenzen in der einen und selben Sache aufgewiesen.
einem weiten, das Gebiet von Philosophie und Theologie über­ I)as aber mufs von einer analogia trinitatis erwartet werden, weil die góttli­
sehreitenden Weg zu folgen; aber ieh habe dafür, dal3 ieh über ein so ehen Personen durch ihre Ursprungsbeziehungen real versehieden sind. Bei
anspruehsvolles Thema spreehe, eine gültige Entsehuldigung: ieh dern Ternar des Cusaners aber geht allenfalls der Begriff der Gleichheit aus
dern Begriff der Einheit hervor (auch das ist freilich gegen den umgangs­
habe das Thema nieht selbst gewahlt, es ist mir gestellt worden. Aber sprachlichen und aristotelischen Begriffsgebraueh, nach dem Gleichheit
ieh bemerke gerne, dal3 dieses mir gestellte Thema genau dem ent­ schon Verschiedenheit voraussetzt und einschlieüt"), nicht aber geht in der
sprieht, was mieh seit langem bei dem Versueh bewegt, Thomas von Sache eine Gleichheit genannte Entitat aus einer durch den Begriff der Ein­
Aquin und Hegel, wie es heute heiíst, miteinander ins Gesprach zu hcit bezeichneten Entitat hervor.
bringen, oder bei meinem Bemühen, mit Hegel die Absolutheit unse­ Diese Kritik wird dadurch bestatigt, daB solche Ternare auch ziemlich be­
liebig sind. Der Cusaner nennt auch: Móglichkeit, Wirklichkeit und deren
rer Freiheit anzuerkennen, ohne jedoeh den theologisehen und me­ Verbindung". Man konnte auch "Sein, Wirklichkeit, Realitát" oder "Reali­
taphysisehen Begriff von Gottes freier Schopfung aus niehts Wl, Wahrheit, Gutheit" nennen. In keinem dieser Ternare, die allenfalls ge­
aufzugeben. Daher habe ieh nieht nur für die ehrenvolle Einladung dankliehe Unterschiede (distinctiones rationis) bezeichnen, wird eine reale
zu diesem Vortrag, sondern aueh besonders dafür zu danken, dal3 I)ifferenz namhaft gemacht. Aber auf eine reale Differenz scheint der Cusa­
mir ein Thema gestellt wurde, das ich unsehwer und gern als das flor auch bei der góttlichen Trinitat zu verzichten: "Trinitas in Deo non est ...
meine akzeptiere.
" ClIsanus, De possest II, 324 ff. (Philos.-Theol. Schriften, hrsg. von L. Gabriel).
11 Aa.O. (Anm. 5).
11 lO Vgl. E. Gilson, Les métamorphoses de la cité de Dieu, Uiwen 1952, 168.
11 Nach Aristoteles nennen wir gleich, was, wie gleichgroñe Menschen, der Quantitát
In seinem eingangs genannten Büehlein verweist Th. Haeeker auf nuch eins ist (Met. V, 1021 a 12); vgl. Thomas In Met. IV, 2 (561). - .Wesensgleich''
Augustins Versueh, in den Geschopfen eine analogia trinitatis auf­ kU1111 die Einheit von Individuen in einem gemeinsamen spezifischen Wesen, z. B. im
ullgemeinen Menschsein, bezeichnen, wobei das individuelle Wesen der Individuen je
zuzeigen und fragt: "Warum ist dieser Versueh nieht fortgesetzt wor­ verschieden ist, aber auch bei den gottlichen Personen die Einheit oder Identitát in
den?! Denn er ist es nieht !"13 Das kan n man freilieh so apodiktiseh dcm einen giittlichen Wesen, der Gottheit, die von den góttlichen Personen zwar je
nnch ihrer Weise, aber ganz und gemeinsam vollzogen und gelebt wird.
I3 Haecker, a.a.O. (Anm. 1) 132. " Cusanus, a.a.O. (Anm. 14).

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pluralis sive numeralis."19 Wenn die Dreieinheit keine zahlenmañige Viel­ IX. Jahrhundert hinein wurde - auch in der evangelischen Dogmatik - der
heit besagt, stimmt der Jude gern zu; denn bisher hatten die Juden gemeint, Ausdruck: "Faeiamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram" als
damit werde eine Vielheit in Oott behauptet (trinitatem putarunt pluralita­ lIinweis darauf angesehen, daB es in Gott, statt "Einsamkeit", "Vielheit"
tem). gibt (Hilarius)". Und weil es heiJ3t: "ad imaginem Dei creavit illum, mascu­
Hegel hat, wie heute wiederholt wird", im selben Sinn ein Zahlen der gott­ lurn et feminam creavit eos", lag es nahe, in Mann und Frau und Kind, die
lichen Personen abgelehnt. Aber es gibt, wie Thomas lehrt, ja nicht nur von im Mensehsein wesensgleich sind, aber doch auch verschiedene Personen,
der Quantitat her genommene, sondern auch transzendentale Zahlen-' ; und in Bild der gottlichen Trinitat zu sehen, zumal nach dem Schopfungsbe­
es gehort doch zum christlichen Glauben, Gott als Dreieinen und nicht z. B. richt, was aueh Paulus bestátigt (1 Kor 11,8), die Frau vom Manne ist wie
als Siebeneinen zu bekennen. "In relatione ... personarum numerus cerni­ dcr Logos von Gott. Augustinus hatte ein solches Verstandnis freilich abge­
tur", hatte das 11. Konzil von Toledo erklart (DS 530). Aber der Cusaner Ichnt: Bild Gottes sei "die vernünftige menschliche Natur, ohne Unterschied
geht noch weiter mit der Erklarung: "Deus, ut creator, est trinus et unus, ut des Geschlechts oder der Personen'?"; Bonaventura, der grundsatzlich Au­
infinitus, nec trinus nec unus."22 Es gibt also nur eine Offenbarungstrinitat, gustinus folgt, erlautert immerhin den Hervorgang des HI. Geistes aus der
an sich ist Gott schlechthin unaussprechlich. Trafe das zu, kónnte man nicht Licbe zwischen Vater und Sohn an der Liebe zwischen Mann und Frau, aus
mehr sagen, daJ3 das eine unendliche, unteilbare, unbegreitbare gottliche der das Kind hervorgeht=; Thomas hingegen hat erklart, weil kein Engel
Wesen mitteilbar ist und von drei Personen vollzogen wird. Vermutlich vom Engel, wohl aber der Mensch vom Menschen stammt, sei der Mensch,
muJ3te man damals - heute ist das ja anders - Kardinal sein, um derartiges ulso Mann und Frau, insofern mehr Bild Gottes als die Engel". Die moderne
unzensuriert schreiben zu konnen. Exegese kann solche Spekulationen freilich schon deshalb nieht ernstneh­
Um aber nicht den Anschein zu erwecken, meine Kritik bedeute Ketzer­ men, weil der Autor der Genesis ja unmóglich an die Trinitat gedacht haben
jagd, beeile ieh mich hinzuzufügen, daB der Cusaner an anderen Stellen die kann. Wem aber der Gedanke, Mann, Frau und das aus ihrer Verbindung
traditionelle Lehre vom Ursprung des Wortes, das er - darin wiederum Vor­ stamrnende Kind seien Analogie der góttlichen Trinitat als richtig und ver­
laufer Hegels - den "absoluten Begriff" (conceptus absolutus) nennt", und nünftig erscheint, der kann sich an Thomas Mann halten, der kraft seiner
vom Hervorgang der Liebe teilt und wiederholt. Und was die reale Differenz cminenten Erudition oder einer dichterisehen Inspiration im Josephsroman
der Personen betrifft, so erklart er auch: "Oott kann wahrhaft sagen: Ich bin den thomistischen Gedanken aufgenommen hat",
Gott, du bist Gott, jener ist Gott von derselben Gottheit. "24 Das ist auch ein Thomas hat auch der augustinischen Lehre, in jeder Kreatur finde sich
Beleg dafür, daB der Tradition die von Hegel stammende Annahme, in Gott cine Spur der Trinitát, einen einleuehtend aufweisbaren Sinn gegeben. Wah­
gabe es nur ein Ieh, vóllig fremd war. rend er im Sentenzenkommentar nur die augustinisehen Ternare, etwa "mo­
Weil der Cusaner an der zitierten Stelle schreibt, die gottlichen Personen dus, species, ordo", anführt und durch weitere wie "unum, verum, bonum"
konnten ebenso ieh, du,jener sagen, wie wir Menschen es tun, mag die Frage crganzt", sieht Thomas spáter die Spuren der Trinitat in jeder Kreatur darin,
naheliegen, ob das Verhaltnis von Mann, Frau und des aus ihrer Vereini­ daO sie, darin auf den Vater verweisend, ist, daJ3 sie durch ihre Wesensform
gung hervorgehenden Kindes eine Analogie der gottlichen Trinitat ist. Per­ artlich bestimmt ist, was das Wort reprasentiert, und dafs sie schliefslich,
sonen sind ja nach Thomas das Vollkommenste in der gesamten Wirklich­ darin auf den Heiligen Geist verweisend, geordnet ist32. Insofern jede Krea­
keir": ist also die, wie wir heute überzeugt sind, für die Personalitat tur ist, heiBt sie Seiendes; insofern sie artlich bestimmt ist, heiJ3tsie von ihrer
konstitutive Ich-Du-Beziehung von Mann, Frau und Kind Abbild einer Plu­ Wesenheit her "res", Sache, und aller Hinordnung auf anderes zuvor ist sie,
ralitat in Gott oder, statt positive Entsprechung zu sein, im Sinne des Neu­ in sich geordnet, eine Einheit. So scheint der Ternar "ens, res, unum", jene
pi ato nismus Resultat und Ausdruck einer Minderung und Defizienz? transzendentalen Begriffe, die das Seiende in sich, und nicht in Hinordnung
Für die traditionelle Theologie lag diese Frage nahe. Denn bis ins uuf anderes unter verschiedenen Aspekten bezeichnen, die Spuren der Trini­
tüt anzuzeigen.

19 A.a.O. (Anm. 5). " lIilarius, De trino 111, 23 (zitiert nach Petrus Lombardus, Sent. 1,2).
20 Vgl. J. Simon, Hegels Gottesbegriff, in: ThQ 162 (1982) 82-104, bes. lO!. 27 Augustinus, Trin. XII, VI, 7ff.; vgl. dazu note 34 der Ausgabe von P. Agaesse, Bibl.

21 Vgl. Thomas, S. Theol. 1, 30, 3; zur Interpretation vgl. L. Oeing-Hanhoff, Ens et August., Oeuvres, Bd. 16, 617f.
unum convertuntur (Baeumker-Beitráge 37, H. 3), Münster, 1953, 134ff. 2M Bonaventura, 1 Sent. 10, 2, 1. 2. Thomas, S. Theol. 1,93, 3.

22 Cusanus, De pace fidei, VII. 10 Vgl. M. Seckler, Das Heil in der Geschichte, München 1964, 133, Anm. 100.
23 A.a.O. (Anm. 14) 314. 11 Thomas, I Sent. 3, 2, 2.

24 Cribationis Alchoran libri tres, 11, 10 (Pariser Ausgabe, fo CXXX VI f.). u S. Theol. 1,45,7; S. C. G. IV, 26, Pot. 9, 9. - Über das über die .Spur" hinausgehende
2' Thomas, S. Theol. 1, 29 3. "llild" der Trinitát in den geistigen Kreaturen handelt Thomas, S. Theol. 1, 93.

150 151
Das ist nun in der Tat der Fall, sofem man, freilich nurinsofem man spricht dem ewigen Hervorgang der gottlichen Personen, deren
mit Thomas das Seiende derart als "indivisio esse et eius quod esto. Qucllgrund der Vater ist, der standige Hervorgang der geschaffenen
auffañt>, daB es die Einheit seiner realverschiedenen unselbstandi­ Substanzen aus ihrer Wurzel, dem die Wesenheiten aus sich entlas­
gen Prinzipien Sein und Wesen ist. Diese Prinzipien, die nur als senden und sie wieder aktuierenden allgemeinen Sein, das Thomas
Prinzipien sind>, begründen das konkrete Seiende, ihr Prinzipiat, (lIs "prima rerum creatarum" und als Grund der Wesenheiten und
indem das Sein das individuelle Wesen aktuiert und das Wesen das durnit als Quellgrund der konkreten entia auffaísr". Esse, essentia
allgemeine Sein artlich und individuell prágt, Die Formal­ und das Resultat ihrer Vereinigung, von denen her jedes Geschaf­
ursachlichkeit dieser Prinzipien ist die Wirksamkeit reiner Selbst­ rene ens, res und unum genannt wird, entsprechen also den gottli­
mitteilung, einer "communicatio SUi"35. Ebenso ist die personbil­ ihcn Personen und ihren Hervorgangen und konnen daher als die
dende Tatigkeit in Gott vollige Selbstmitteilung. Weil Sein und gcsuchten vestigia trinitatis in jedem Geschopf gelten.
Wesen das konkrete Seiende durch ihre Selbstmitteilung aneinander
konstituieren, sind Sein und Wesen auch als Prinzip und als Prinzi­
III
piat, d. h. als artlich und individuell gepragtes Sein und als seiendes
Wesen wesentlich identisch und nur durch die Seinsweise als un­ Die damit skizzierte verbale Konzeption von Sein, nach der das zu
selbstandiges Prinzip oder als selbstandiges Prinzipiat verschie­ jedem Urteil vorgangig bekannte und in jedem Urteil ausgesagte
den": Wie in Gott der Vater "fons totius trinitatis" 37 ist, so ist das Sein der erste Grund der Seienden, Ursprung auch ihrer Wesenhei­
Sein das "erste formale Prinzip" des Seiendeu", nach der Interpreta­ ten und deren sie verwirklichender Akt, selbst aber "Gleichnis und
tion von É. Gilson und G. Siewerth auch "die Wurzel der Wesenhei­ Ahnlichkeít'' des gottlichen subsistierenden Seins ist, stellt, wie oft
ten'?"; denn weil die Wesenheiten, die freilich im Bereich des betont wurdev, die originale Leistung des Aquinaten dar. Thomas
Materiellen nochmals aus Forro und Materie zusammengesetzt sind, hat aber auch als erster in der Geschichte der Metaphysik neben der
wie Pferdsein, Menschsein oder Raphaelsein Partizipationen am all­ ehre vom Seienden als solchen, die vor allem seine transzenden­
gemeinen Sein sind, gehen sie, wie Thomas sagt, als "Siegelung des talen Bestimmungen darlegt, Ansatze zu dem ausgearbeitet, was
gottlichen Wissens", also auf das Wort als Ort der schopferischen heute "Regionale Ontologie" heiBt. Als solche Seinsbereiche, die
Ideen verweisend, aus dem allgemeinen Sein hervor", Daher ent- das Seiende als solches oder die Wirklichkeit überhaupt aufteilen
und deshalb von Thomas "partes entis" genannt werden, unterschei­
33 Ver. (= Quaestiones disp. de veritate) 1,1; vgl. zur genaueren Interpretation auch del er einmal das von Natur her Seiende von den Artefakten. Ein
des folgenden meine Anm. 21 genannte Thomas-Arbeit. chwert oder eine Truhe sind ja nicht von Gott geschaffene Substan­
34 EBT (= Expositio super Lib. Boéthii de Trinitate) 5,4: Quaedam ... sunt principia,
quae non sunt naturae completae in se ipsis, sed solum sunt principia naturarum. zen, sondern von uns aus Metall oder Holz gemacht. Artefakte geho­
H Vgl. 1 Sent. 4, 1, 1: communicatio ... consequitur rationem actus; ferner L. Billot, De ren nur ihrer Materie nach (z. B. Holz) zum ens naturae, ihrer
. verbo incarnato, Prati '1912, 149: causa formalis habet , .. actuare subjectum ... sola Wesensform nach (Tisch oder Schiff) aber sind sie hergestellte "An­
communicatione sui.
36 Vgl. L. Oeing-Hanhoff, a.a.O. (Anm. 21) 64.
gleichungen" an die Idee, nach der sie angefertigt wurden. Da die
37 Diese vermutlich von Ps.-Dionysius stammende Formel wird auch im Toletanum IV Artefakte einen eigenen Seinsbereich bilden, erhalten auch die Kate-
(OS 490) gebraucht. Natürlich ist der Vater nicht im Sinne einer causa sui Quell oder
Grund der eigenen Gottheit, kraft deren er sich vielmehr als Vater konstituiert, indem
er den Sohn zeugt, ihm die Gottheit mitteilt, und rnit diesem den Heiligen Geist
haucht, dem dadurch die Gottheit mitgeteilt wird. 4' Vgl. Thomas, S. Theol. 1,45,4,1 und In Div. Nom. 13,3 (989); zur Interpretation vgl.
38 Thomas, 2 Sent. 1,1, 1: primum formale principium, quod est esse. uuch den Artikel: Esse commune und esse subsistens, in: HWPh, Bd. 2, 749ff.
J9 É. Gilson, L'étre et l'essence, Paris 1948, 305; G. Siewerth, Der Thomismus als Iden­ 41 Vgl. É. Gilson, a.a.O. (Anm. 39); L. De Raeymaeker, La profonde originalité de la
titátssystem, Frankfurt 1939, 83-88. métaphysique de saint Thomas d'Aquin, in: Die Metaphysik im Mittelalter, hrsg. von
40 Thomas, Ver. 2,1,6; dazu L. Oeing-Hanhoff, a.a.O. (Anm. 21) 38. P. Wilpert, K61n 1963, 14-29.

152 153
gorien Substanz und Akzidens bei ihnen einen anderen neuen Sinn. schen Bedeutung des Wortes ganz deutlich - objektive Realitat be­
Weil ein Artefakt, z. B. ein Schlüssel, dann erst sein wahres Wesen sitzerr",
erlangt, wenn es sich gebrauchen liH3t, ist sein Wesen und seine ~inen eigenen Seinsbereich, dem die praktische Philosophie und
"Substanz" seine Funktionsfahigkeit, der Gebrauch. Betrachtet man cine Metaphysik des Handelns zugeordnet sind, bilden schlieñlich
die Artefakte nicht als solche, sondern als Naturdinge, nimmt man uuch die moralia, das, was weder von Natur her ist noch nur dank
sie also, in der Terminologie Heideggers gesagt, statt als "Zuhande­ der Tatigkeit der Vernunft besteht, noch ein auch aus natürlichem
nes" als blols "Vorhandenes", dann muís man freilich die sie als Ar­ Scin bestehendes Artefakt ist, sondern Wirklichkeit besitzt kraft
tefakte begründenden Wesensformen Akzidentien nennen. Aber freien Wollens. Der Bereich des moralischen Seins (esse morale)
niemand redet vom tischformigen Holz, sondern von einem Tisch urnfañt nach Thomas die vom Willen gesetzten Akte und die willent­
aus Holz und bezeichnet so seine Funktion als seine Substanz. Hin­ lichen Habitus'", aber zu ihm gehoren nach einem Sprachgebrauch,
gegen wird das im Sinne des ens naturae Substantielle, z. B. Eiche den Hegel noch kennt, auch die staatlichen Gesetze und alle rechtli­
oder Buche, beim Artefakt zum Akzidentellen; denn es ist für den chen Institutionen, deren Gelten ihr Gewollt- und Anerkanntsein
Gebrauch als Tisch akzidentell, ob er aus Eichen- oder Buchenholz ist. "La loi" - so heiíst es bei Descartes - "n'est pas un étre naturel,
isr". rnais ... un étre moral":".
Wichtiger als der Bereich der Artefakte mit den ihm eigenen Kate­ Die damit in ihrem Ansatz dargelegte Ontologie ist eine Ontologie
gorien ist der Bereich des mentalen Seins, des ens in anima, des vor­ des Geistes, dem als natürlichem Sein Erkennen und Wollen zu­
gestellten oder gedachten Seins, das seit Heinrich von Gent kornrnt. Durchs Erkennen und Wollen werden aber die vom natürli­
"objektives Sein" heiñt. Dañ das Gedachte oder Vorgestellte als sol­ che n Sein verschiedenen Bereiche des sprachlichen objektiven und
ches nicht nichts, sondern eine eigene Seinsweise ist, ergibt sich des vom Willen hervorgebrachten moralischen Seins konstituiert. In
schon daraus, daís Artefakte ihren ersten Grund in der Idee des sie dieser Ontologie wird die griechische Orientierung am Sein der Na­
entwerfenden Künstlers oder Technikers haben. Man muñ erst auf turdinge aufgehoben, zwar auch bewahrt, aber doch so erganzt und
die Idee gekommen sein, d. h. die Idee gebildet haben, dañ Holz, bereichert, dañ nun dem Reich der Natur das mit dem objektiven
entsprechend bearbeitet und geformt, als Schiff zu gebrauchen ist, ein gegebene Reich der Wahrheit und das Reich der Freiheit
bevor es ein Schiff gibt. Objektives Sein haben aber nicht nur die gleichwertig zugeordnet werden. Man braucht nur die in dieser Tra­
Entwürfe der erfindenden Vernunft, sondern auch die von der theo­ dition enthaltene Ontologie des Wortes und der Liebe eigens zu ex­
retischen Vernunft gebildeten Begriffe und in Satzen ausgesagten plizieren, um zu sehen, dañ eine sol che Ontologie des geistigen Seins
Sachverhalte, in denen sie darstellt, was sie unmittelbar erkannt hat eine Ontologie des Geistes als der imago trinitatis ist.
oder mittels derer sie ihr Vorgegebenes, dem sie die von ihr entwor­ Für eine Ontologie des Wortes ist Thomas zu entnehmen, dañ Er­
fenen Begriffe und Sachverhalte angleicht, erkennt. Zum objektiven kennen, eigentlich verstanden (proprie loquendo), ein Sagen ist, das,
Sein gehoren, wie schon Thomas lehrt, auch die sinnlichen Vorstel­ wie das auñere Sprechen ein auñeres Wort, als inneres Sprechen ein
lungen, z. B. die von Raum und Zeit, damit auch das Mathematische, inneres Wort bildet. Wort wird hier als Begriff oder als Aussage ver-
ferner ebenfalls Phantasien und Illusionen. Niemand verkennt ja,
dañ etwa auch die Bilder unserer Traume nicht nichts sind, sondern
.. Die Geschichte des objektiven Seins hat Th. Kobusch, a.a.O. (Anm. 10), dargestellt.
- und hier wird der Gegensatz zwischen der traditionellen und kan ti- Vgl. auch den Artikel "Gedankending" in: HWPh, Bd. 3, 55-62; L. Oeing-Hanhoff,
Scin und Sprache in der Philosophie des Mittelalters, in: Sprache und Erkenntnis im
Mittelalter, hrsg. von W. Kluxen, Berlin - New York 1981, 165-178.
" Thomas unterscheidet meistens zwischen naturalia und moralia, gebraucht aber
4'Vgl. dazu (mit Belegen) L. Oeing-Hanhoff, Mensch und Natur bei Thomas von rnitunter den Ausdruck "esse morale", z.B. Mal. 2,6, 3.
Aquin, in: ZKTh 101 (1979) 300-315, bes. 304ff. '6 Desearles, Med. VI. Resp. A. T. VII, 587, IX, 236.

154 155
standerr". Ein solches Wort zu bilden gehórt zum Wesen des Erken­ ücrcn Wortes Seele ist -, weil Aristoteles diese sprachlich ausge­
nens: "De ratione ejus quod est intelligere est, quod sit ... verbum. "48 drückten Gedanken "passiones" der Seele genannt hatte, erklart
Ebenso heiñt es: "Quicumque intelligit, ex hoc ipso quod intelligit, uuch Thomas wiederholt, der Gedanke, das verbum mentis, sei Akzi­
procedit aliquid intra ipsum, quod est conceptio.":" Deshalb bildet dens der Seele". Das aber ist eine kategorial unangemessene Natu­
auch das zum Wesen des Geistes gehorende apriorische Erkennen ralisierung des geistigen Lebens.
ein Wort. Nach Thomas erkennt die tatige Vernunft, d. h. die geistige Niemand hat im Rahmen dieser Ontologie des Wortes die beson­
Substanz des Menschen, stets sich selbst, nicht zwar in ihrem auch dere Seinsart des sprachlichen objektiven Seins so genau erfaíst und
materiellen Wesen, wohl aber, sofern sie ist. Resultat der standigen auf den Begriff gebracht wie Petrus Aureoli. Er versteht das sprachli­
Seinserkenntnis ist das Licht des erkannten Seins, das lumen intel­ che Dargestelltsein, das er meistens "esse apparens" (erscheinendes
lectus agentis. In diesem Sinne heiñt es: "Anima, prout est quid sub­ Sein) nennt, als eine zweite notwendig zum geistigen Leben geho­
sistens, semper habet apud se verbum informe", ein noch ungeform­ rcnde Existenz- oder Subsistenzweise der geistigen Substanz=. Die
tes, weiter zu konkreten Begriffen und Aussagen zu formendes geistige Substanz subsistiert als natürliches Sein (in se), in ihrem er­
Wort"; Dieses standige Sichdarstellen des menschlichen Geistes in scheinenden Sein, in welchem sie sich vor sich stellt (ponit se ante
seinem Sein ist der innere Grund dafür, daJ3 er das ihm in der Sinn­ se), subsistiert sie aber nicht in sich, sondern vor sich (ante se) oder,
lichkeit Gegebene als das, was es ist, darstellen und erkennen kann. wie man im Sinn der Hegelschen Begrifflichkeit wird sagen kónnen,
Die Darstellungen seiner selbst und der Dinge, die zum Leben des nicht nur im Modus des Ansichseins, sondern auch des Fürsich­
Geistes gehoren, sind aber keine Akzidentien der geistigen Sub­ seins. Weil diese Lehre ebenso genau wie unbekannt ist, zitiere ich
stanz. Wir sind ja nicht nur die biologische Verwirklichung des gene­ noch eine Stelle, an der Petrus Aureoli das Sichsetzen der Seele ins
tischen Code unserer Erbsubstanz, sondern haben unsere Identitat objektive Sein eine Verdoppelung ihrer Existenzweise nennt: "Per
auch und wesentlich in unseren Überzeugungen und in der uns be­ esse objectivum, ... anima geminatur et ante se constituitur et poni­
wuJ3ten erzahlbaren Geschichte. Wer wir sind, sagt mehr unsere zu tur conspicua et in suo conspectu.">' Wenn es derart zum Wesen des
erzahlende Geschichte als eine Kenntnis unseres genetischen Codeo erkennenden Geistes gehórt, sich für sich ins erscheinende objektive
Wie schon Augustinus in Kritik der aristotelischen Ontologie gese­ Sein zu setzen, nicht nur zu sein, sondern auch sein im sagenden Er­
hen hat, ist der Geist stets auch die Reprasentation seiner selbst. In­ kennen gebildetes Bild zu sein, dann muJ3 das auch vom geistigen
dem er lebt, bildet er sich ein Bild seines Lebens. Geistiges Leben ist Sein Gottes gelten. Der menschliche Geist ist ein solches Bild des
stets auch begriffenes, im Begriff und Bild seiner selbst dargestelltes gottlichen Geistes, das den ewigen Hervorgang des ewigen Wortes
Leben. zcigt,
Thomas hat zwar schon in "De ente et essentia" (cap. 1) erklart,
die aristotelischen Kategorien betrafen nur das natürliche Sein; aber 11 Vgl. Supo Ev. loan. 1,1 (28); Pot. 7,6; In Peri Herm. 1,6 (16).
in dieser Frage hat er sich doch nicht von der Autoritat des Aristote­ 11 Petrus Aureoli, 1 Sent. 19, sect. 1, a. 4: "... modus existendi et subsistendi ejusdem
rci".
les vollig freimachen künnen. Weil Aristoteles den Gedanken, den 11 Petrus Aureoli, 1 Sent. 3, sect. 14, a. 1, b.

wir im Reden lautlich ausdrücken - die artikulierten Laute der Rede


sind ja der Leib des in ihnen ausgedrückten Gedankens, der des au-

47 Thomas, Ver. 4,2, 5 u. Pot. 9,5.


4' Pot. 9,5 .
•, S. Theol. 1, 27,1.
so De intellectu et intelligibili; vgl. zur lnterpretation L. Oeing-Hanhoff, Wesen und
Formen der Abstraktion nach Thomas von Aquin, in: Ph1 71 (1963) 14-37.

156 157
IV Jedes andere Seiende, auch uns selbst, kennen wir hochstens dem
ullgemeinen Artwesen nach; nur Gottes individuelles Wesen ist uns
Um Gott zu erkennen, bedarf es nach der platonisch-augustinischen bekannt, stets bekannt und deshalb kann eine einseitig negative
Tradition nur der erinnernden Bewuf3tmachung dessen, was wir Theologie, deren Recht die offenbare Unbegreiflichkeit des gottli­
stets, a priori, wissen. Nach Bonaventura und Descartes ist die Got­ chen Seins ist, statt ins stets bekannte gottliche Licht ins Dunkel des
teserkenntnis an sich, wenn auch nicht für uns, sofern wir unseren r rrtums führen.
Geist von Sinnesbildern haben verdunkeln lassen, die erste und ein­ 1st es aber Gottes Wesen, das unendliche subsistieren de Sein,
fachste Erkenntnis. Denn wenn der Geist sich unbezweifelbar als be­ und, weil geistiges Sein Erkennen ist, vólliges Erkennen seiner selbst
wuf3tes Sein erkennt, sich aber zugleich als unvollkommenes, zu sein; ist ferner Erkennen sagendes Darstellen des Erkannten und
begrenztes Sein weif3, dann kan n er, weil Unvollkommenes nur vom das Bilden eines Wortes als des Bildes des Erkannten, dann setzt
Vollkommenen her, eine Privation oder Negation nur von der ent­ sich auch Gott, wie jeder Geist, indem er sich erkennt, ins erschei­
sprechenden Position her erkannt werden kan n und weil eine nende Sein; dann bildet er in seiner volligen Selbsterkenntnis ein
Grenze nur als solche erfaf3t wird, wenn man vom Jenseits der vollkommenes Bild seiner selbst oder spricht sich, sein ganzes We­
Grenze weif3, des sen innewerden, daf3 er schon vorgangig zu seinem sen, in seinem ewigen Wort aus.
eigenen endlichen Sein das unendliche góttliche Sein erkannt hato Das Sein des Wortes besteht in seinem Gesagtsein, "nihil de suo
Denn die Seele ist als Bild Gottes ein Spiegel, dessen Anblick zu­ habens", wie Augustinus lehrt"; "sed totum de illa scientia, de qua
nachst das in ihm sich spiegelnde Bild des góttlichen Seins und dann nascitur". Weil Gott in seiner vollkommenen Selbsterkenntnis sich
erst das endliche Sein des Spiegels zeigt", vollkommen in einem Wort aussagt, hat sein Wort zwar nichts von
Thomas hat sich diesen Gedankengang so nicht zu eigen gemacht. sich her, aber alles, was er hato Wir konnen uns in all unseren Wor­
In ihrem in die Materie eingetauchten Wesen sei die menschliche tcrn nicht vollkommen aussagen, weil unser Erkennen Stückwerk
Seele kein so klarer Spiegel, der zuerst das sich in ihm spiegelnde ist, In Gott aber ist sein Sichaussagen vollige Selbstmitteilung.
Bild Gottes zeigte". Freilich lehrt auch Thomas, in jedem Erkann­ Es liegt nun im Begriff volliger Selbstmitteilung des geistigen Le­
ten, also in jedem Begriff oder Satz, werde implicite Gott erkannt"; bens, daf3 sie zwar eine Differenz konstitutiert: das mitgeteilte Le­
Das aber ist deshalb so, weil in jedem Erkannten auch das erster­ ben ist als mitgeteiltes und hervorgebrachtes Leben vOQ seinem es
kannte allgemeine Sein erkannt wird, das "Gleichnis und Partizipa­ durch Selbstmitteilung hervorbringenden Ursprung verschieden;
tion" Gottes ist. Diesem seinem Gleichnis und seiner Partizipation aber zum Begriff volliger Selbstmitteilung gehórt auch, daf3 es bei
nach ist auch nach Thomas Gottes Sein für uns, nicht nur an sich, der genannten realen Differenz keine Wesensverschiedenheit zwi­
per se notum, selbstverstandlich bekannt". Denn wer Sein denkt schen dem mitteilenden und mitgeteilten Leben gibt; denn bei volli­
und zudem erkennt, daf3 Sein notwendigerweise ist und jegliches gcr Selbstmitteilung wird nichts zurückgehalten, das ganze Leben
Nichtsein ausschlief3t - das tut das nicht-subsistierende esse com­ und Wesen vielmehr mitgeteilt, so daf3 das mitteilende und mitge­
mune nicht -, der hat das góttliche esse subsistens erkannt". teilte Leben wesentlich identisch sind. Durch das Bilden des Wortes
Subsistierendes Sein zu sein: das ist Gottes individuelles Wesen. uls des vollkommenen Bildes seiner selbst existiert Gott daher in der
Weise des sagenden Erkennendseins und des ausgesagten Darge­
stcllt- oder Erkanntseins, wobei beide Existenzweisen das eine gott­
'4 Vgl. L. Oeing-Hanhoff,Note sur I'argument ontologique chez Descartes et Bonaven­
liche Sein, also auch ineinander sind. Diese Wesensidentitat der
ture, in: Arch. de Philos. 36 (1973) 643 ff.
ss Thomas, S. Theol. 1, 88, 3, 3. .)~lLlichen Personen ist Grund ihrer Perichorese, nicht ist umgekehrt
so Ver. 22,2, 1. S7 1 Sent. 3,1, 2.
ss Vgl. L. Oeing-Hanhoff, Gotteserkenntnis im Licht der Vernunft und des Glaubens ,. Augustinus, Trin. XV, XII, 22.
nach Thomas von Aquin, in: Thomas von Aquin 1274/1974 (s. Anm. 8) 97-124.

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die Einheit Gottes Resultat der Perichorese der góttlichen Perso­ vcrnUnftigen Existenz. Die gottlichen Personen sind, wie Petrus Au­
nerr". reoti formuliert, ein "modus intrinsecus existendi" des gottlichen
Das eine gottliche Sein ist, weil absolut einfach, die Identitat von wcsens". Das war für die altreformierte Dogmatik der maBgebliche
Erkennen und Wollen: das Sicherkennen und Sichaussagen ist zu­ Personbegriff: ,;tp61to~ U1táp~E(l)~ divinae essentiae">'.
gleich gewollt. Indem sich aber das gottliche Sein durch das aussa­ Weil die gottlichen Personen so je eine Existenzweise des gemein­
gende Erkennen in zwei real verschiedene Seinsweisen differenziert, sum von ihnen besessenen und vollzogenen gottlichen Wesens sind,
die als seine Subjekte das eine gottliche Erkennen und Wollen voll­ lcbcn sie, weil in dem einen gemeinsamen Wesen, auch ineinander.
ziehen, modifiziert sich auch das Wollen, das im Bilden des Wortes Diese Perichorese laBt verstehen, warum Z. B. der Sohn, obwohl
Selbstbejahung und Selbstliebe ist, zur personalen Liebe zwischen uuch er das gottliche Sein als Erkennen vollzieht, nicht wiederum
dem ursprünglichen Besitzer der Gottheit, dem Vater, und dem in Wort hervorbringt: das personbildende Erkennen ist der Vater in
durchs naturhafte Aussagen seiner selbst gezeugten Sohn. Und weil ihm65• Denn, wie Anselm erstmals herausgestellt hat: "in Deo omnia
personale Liebe Sich-einander-Schenken bedeutet, modifiziert sich sunt unum, ubi non obviat relationis oppositio?". In dem, wie die
der gottliche Wille zu einer zweiten Weise der Selbstmitteilung der Fuchterminologie besagt, nicht notionalen, sondem essentialen Er­
góttlichen Personen aneinander, wodurch das identisch bleibende kcnnen erkennt aber der Sohn alles, was der Vater erkennt, auch sich
gottliche Sein auch in den Modus des Geschenktseins gesetzt oder selbst. Deshalb ist keiner gottlichen Person das BewuBtsein ihrer be­
hervorgebracht wird. Diese Existenzweise Gottes, der in ihr nun senderen Seinsweise oder ihrer Individualitat abzusprechen. Im
auch als Geschenktsein, d. h. in der Weise des datum, non natum Sinn von Augustinus' "sapientia de sapientia, voluntas de volun­
esse (Augustinus) existiert und in dieser Weise das gottliche Leben tale"67 ist auch keiner Person als Subjekt des einen gottlichen Le­
besitzt und es als sein drittes Subjekt vollzieht, ist der in der Liebe bcns der ihr eigene Wille abzusprechen. Das beschwort keineswegs,
gehauchte Heilige Geist. wie neuerdings befürchtet wird", die Gefahr des Tritheismus her­
Aus dieser Darstellung der Selbstkonstitution Gottes oder seiner uuf': denn durch die Konstitution der drei gottlichen Seinsweisen
ewigen Selbstverwirklichung zu seinem dreipersónlichen Leben ist wird auch der eine gottliche Wille modifiziert": Der Wille des Va-
der innertrinitarische Personbegriff zu entnehmen: Person ist eine
Existenzweise des gottlichen Wesens, das ja mitteilbar ist. Dieser ., Petrus Aureoli, 1 Sent. 8, sect. 23,a. 5,d.
.. Vgl. H. Heppe u. E. Bizer, Die Dogmatik der evangelisch-reformierten Kirche, Neu­
Personbegriff, den auch Thomas kennt und gelegentlich anführr", k i rchen 21958, 96. Wichtig ist die hier gegebene Erláuterung, daB eine góttliche Person
stammt von Richard von St. Viktor: "Persona est existens per se so­ nicht der blo13e Modus des einen gottlichen Wesens ist, sondern das góttliche Wesen in
lumjuxta singularem quendam rationalis existentiae modunt'<, also inem bestimmten Modus, ohne dañ es eine Zusammensetzung zwischen Wesen und
dern Modus gábe. - Weil es sich bei den góttlichen Personen um relationale Modi des
eine Existenz allein an sich gemañ einem besonderen Modus der cincn góulichen Seins handelt, das als sagendes Erkennendsein oder ausgesagtes Er­
kunntsein, als Schenkendsein und als Geschenktsein existiert, ist J. Moltmanns Kritik
60 Das scheint J. Moltmann, Trinitát und Reich Gottes, München 1980, anzunehmen, (n. u. O. [Anm. 60]189), die "Reduktion des Personbegriffs auf den Relationsbegriff" sei
indem er schreibt, "in der ewigen Perichorese", "nicht in dem einen, einzigen ... Wesen .. im Grunde modalistisch", unbegründet,
Gottes (substantia)" liege die .Einigkeit des dreieinigen Gottes" (174). Sind die góttli­ ., Vgl. Thomas, S. c. G. IV, 13.
chen Personen aber nicht in ihrem Wesen identisch, sondern konstituieren durch ihre •• Alise/m, De processione spiritus sancti, C.I (ed. F. S. Schmitt, Il, 180 f.).
Perichorese erst die Einigkeit Gottes, dann dürfte die tritheistische Annahme dreier ., Augustinus, Trin. XV, XX, 38.
góttlicher Personen, die wegen eines artgleichen Wesens "got~lich" sind, unausweich­ •• P. Kos/owski, Hegel - .Der Philosoph der Trinitát'Y, in: ThQ 162 (1982) 119f.
lich sein. Vgl. ferner S. 167, wo es heiñt, "die Einigkeit der drei góttlichen Personen" t' Da der Vater alles, was er hat, dem Sohn mitteilt, ohne dabei sich und das Seine, das
werde von diesen nicht "als ihr eines Wesens vorausgesetzt", Haben die Personen also r hut, aber auch noch "darstellt", zu verlieren, erhált der Sohn wie das Erkennen des
nicht ein identisches Wesen, sondern ein je verschiedenes? Das wáre die Position des Vutcrs auch dessen Wollen. Er hat das góttliche Erkennen und Wollen aber nicht ur­
Tritheismus. sprünglich wie der Vater, sondern in der Weise des durch das Sichaussagen des Vaters
61 Thomas, S. Theol. 1, 30, 4, 2; Pol. 9,5, 23. knnstituierten Wortes. So wird wie das eine góttliche Sein auch das mit diese m identi­
62 Richard von SI. Viktor, Trin. IV, 24. schc Wollen in den góttlichen Produktionen modifiziert,

160 161
ters, den Sohn zu senden, wird modifiziert zum Willen des Sohnes, cincm Unfreien vorgángig zur eigenen Freiheitsentscheidung zuer­
sich senden zu lassen und sich zu entauñem?". Die Annahme, die kunnten, geschenkten Freiheit. Wird sie angenommen und im Aner­
gottlichen Personen seien keine ihrer selbst bewuI3ten Subjekte, be­ kennen der anderen angeeignet, erhebt sich die für sich seiende
sañen kein je eigenes Ichbewuñtsein auch mit eigenem, ihrer Seins­ Person damit ins Reich der Freiheit und ist in ihm an und für sich
weise entsprechenden Willen, hat weder im trinitarischen Personbe­ Pcrson".
griff noch in der Tradition vor Hegel einen Anhalt". Wer derart in der Freiheit lebt, deren Vollendung die Liebe ist,
Zusammenfassend laI3t sich daher unter Berücksichtigung der we­ lebt in Gott; denn wo Freiheit und Liebe, da der Geist des Herrn.
sentlichen Relationalitat der gottlichen Existenzweisen, die nicht le­ Ilegcl hat diesem Gedanken die Wendung gegeben, daís es Freiheit
diglich gedanklich, aber auch nicht real, sondern modal vom nicht in der Natur gibt - dort herrscht Notwendigkeit -, aber auch
gottlichen Wesen unterschieden sind", und unter Beachtung der Pe­ nicht - darauf ist zurückzukommen - unter einem jüdisch verstande-
richorese sagen: persona est modus existendi rationalis essentiae ad chopfergott, dessen Allmacht gegenüber es keine freie Eigen­
alium et in alio. mucht gibt, sondern nur im trinitarisch verstandenen Gott: " ... nur
Genau dieser Personbegriff trifft nun aber auch, freilich analog, in Gott ist Freiheit"?". Konnen endliche Personen aber in ihrer Will­
auf endliche Personen zu. Wir Menschen sind freilich - und darin kür sol ches In-Gott-Sein ablehnen, ist In-Gott-Sein aber konstitutiv
liegt der Abstand von den gottlichen Personen - zunachst nur an fürs Personsein, das stets auch Sein-zu-Anderen und Sein-im-Ande­
sich Personen: einem Kind fehlt zunachst das für die Person konsti­ len ist, dann muI3 man mit J. Ratzinger sagen, die endliche Person
tutive ausdrückliche Ich-BewuI3tsein. Erst nachdem ein Kind ange­ künne in der Verfehlung ihres Personseins auch zur Un-Person wer­
sprochen, bevor es antworten kann, und in die Sprachgemeinschaft denH• 1st das Personsein endlicher Vernunftwesen also durchs In­
aufgenommen worden ist, kan n es sich als Ich ins objektive erschei­ Gou-Sein, durch die Gnade genannte Selbstmitteilung Gottes an
nende Sein einer Person setzen und ist dann nicht nur an sich, son­ scine vernünftigen Kreaturen konstituiert? Diese Frage ist noch ge­
dern auch für sich Persono Weil es dann "ich", ,,1" oder "io" sagt, ist nauer zu erórtern.
es insofern wesentlich auf eine Sprachgemeinschaft und auf ein Du
bezogen. Zum Personsein gehórt aber auch, im Sinn der von Willkür v
verschiedenen sittlichen Freiheit von anderen Personen anerkannt
zu sein und sie anzuerkennen; denn Freiheit ist der ProzeI3 gegensei­ Dcr Gedanke, das Personsein endlicher Vernunftwesen werde durch
tiger Anerkennung. Zu solcher Freiheit, die man nur haben kann, in­ loues gnadenhafte Selbstmitteilung konstituiert, war der alteren
dem man sie auch den anderen gibt, bedarf es der einem Kind oder Tradition, die sich am boéthianischen Personbegriff orientierte,
zwar fremd. Auch verstehen wir wohl erst wieder durch K. Rahners
7. Wenn Phil 2,7: "er entáuñerte sich selbst" vom práexistenten Logos ausgesagt ist, lnadentheologie, wozu es freilich bedeutende Ansatze gab, Gnade
zeigt das den eigenen Willen des Sohnes, der aber zugleich der eine Wille Gottes ist, uls Selbstmitteilung Gottes": Aber es gibt doch bei Thomas die be-
auch der des Vaters, der den Sohn sendet. Vgl. L. Oeing-Hanhoff, "Der in Gottesgestalt
war. .. ", in: ThQ 161 (1981) 288-304, bes. 303f.
71 Zu dieser von Hegel stammenden Ansicht und ihrer Aufnahme in der Neuschola­
stik und bei K. Barth und K. Rahner vgl. L. Oeing-Hanhoff, Hegels Trinitátslehre. Zur
11 Zum damit skizzierten Freiheitsbegriff Hegels und zum Begriff des .Reichs der
Aufgabe ihrer Kritik und Rezeption, in: ThPh 52 (1977) 37~07, bes. 396-401.
72 Vgl. dazu Heppe-Bizer, a.a.O. (Anm. 64) 97 (Belege aus Keckermann und Rüsser). -
Frcihcit'' vgl. L. Oeing-Hanhoff, Das Reich der Freiheit als absoluter Endzweck der
Thomas, der den Begriff eines modalen Unterschiedes noch nicht kannte, lehrte, Per­ Welt, Tübinger und weitere Perspektiven, in: Freiheit, hrsg. von J. Simon (1977) 55-83.
son und Wesen unterschieden sich in Gott "ratione tantum" (S. Theol. 1, 39, 1). Ein " l legel, Berliner Schriften, hrsg. von J. Hoffmeister (1956) 328.
bloB gedachter Unterschied zwischen Wesen und Person liegt aber nicht vor, wenn das " J. Ratzinger, Dogma und Verkündigung, München - Freiburg, 1973, 233.
eine géttliche Wesen in drei real voneinander verschiedenen Modi existiert oder von /. K. Rahner, Zur scholastischen Begrifflichkeit der ungeschaffenen Gnade, Schriften .
drei Personen vollzogen wird. 1 (1954) 347-375.

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merkenswerte Lehre, reine Geister waren In einem hypothetischen !xistenz in den Gesetzen der Freiheit finden, müssen also unser
Stand bloñer Natur in ihrer natürlichen Vollendung geschaffen, hat­ Wollen in sie hineinlegen. Sofern diese Gesetze gelten, und das ist
ten also ihr Ziel und ihren Lebenssinn nicht verfehlen, gar nicht bose der Fall, wenn die Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ihr Wollen in
werden konnen. Erst das Gnadenangebot Gottes stellt sie vor die ie hineingelegt haben, besitzen sie, wie gesagt, "moralisches Sein",
Entscheidung, personal in Gott leben zu wollen oder sich hochmütig weil sie sind und gelten, indem der freie Wille ihnen Sein und Gel­
und lieblos mit sich zu begnügen. Das aber heiJ3t, daJ3 die reinen tung, sein Sein, gibt.
Geister erst durch die Gnade zur personalen Gemeinschaft mit Gott Derart die Rechte der anderen anerkennen, indem man aus sei­
und zueinander hingeordnet und so erst durch die Gnade als Perso­ nem bloJ3en Fürsichsein heraustritt, ist nach Leibniz schon ein Akt
nen im trinitarischen und neuzeitlichen Sinn des Wortes konstituiert der Liebe. A. Górres hat das jüngst mit der Erklarung wiederholt,
werden. Weil das auch für der Materie inkarnierte Geister gelten die Anerkennung von Rechten sei bereits der "Anfang der Liebe"?".
muJ3, ist daraus zu entnehmen, daJ3 wir Menschen, wie wir faktisch Daher wird man an vollendeter Liebe, die personale Liebe ist, noch
sind, schon durch Sprache und Geschlechtlichkeit personal aufein­ deutlicher das Resultat des Wollens und Liebens, also das morali­
ander hingeordnet, auf Christus hin, also um der Selbstmitteilung sche Sein, erkennen konnen.
Gottes willen geschaffen worden sind. Eine derartige Liebe ist nun nicht ein solcher Willensakt, der vol­
Aber diese Überlegung, die ich im Kontext des Theodizeepro­ lig in unserer Verfügung oder unserem Belieben stünde, vielmehr
blems anhand der thomistischen Engellehre schon vor fast zwanzig wird das Paradigma von Liebe, die erotische Liebe, deren Flamme
Jahren vorgetragen habe" und an die K. Lehmann im Zusammen­ nach Plato n in der Begegnung mit hinreiJ3ender gottlicher Schünheit
hang der Diskussion um die Personalitat des Teufels wieder erinnert entzündet wird, als das Geschenk erfahren, sich verschenken zu kon­
hat", tragt unmittelbar nichts zu der im Rahmen einer trinitarischen nen. Goethe sieht das "Unaussprechliche" der Liebe darín, "sich
Ontologie gestellten Aufgabe bei, das moralische Sein noch genauer hinzugeben ganz". 1st uns das moglich? Descartes hat vorsichtiger
zu explizieren, das in Gott der Heilige Geist als Resultat der lieben­ formuliert, indem er schreibt, es sei das Wesen der Liebe, sich mitzu­
den Selbstmitteilung von Vater und Sohn ist. Seine Seinsweise ist teilen, sosehr man es kann (le plus que 1'0n peut)": Wenn Liebende­
das Geschenktsein. Noch Rosmini hat die Seinsweise des Heiligen und das sind nach unserem Sprachgebrauch Mann und Frau - sich
Geistes im Sinne dieser Tradition als "moralitas" bestimmt (DS cntschlossen haben, das ganze Leben miteinander zu teilen und ihr
3226). Aber worum handelt es sich überhaupt bei diesem Resultat Leben einander ganz mitteilen, kann daraus neues Leben, das Kind,
des Wollens? entstehen, Aber das Kind hat natürliches Sein; gefragt aber ist nach
Unser Wille ist als Streben einer Vernunftnatur naturhaft zum Gu­ einern aus dem liebenden Wollen durch seine Selbstmitteilung ent-
ten überhaupt entschlossen. Aber er hat sich auch zu moralisch Gu­ tehenden geistigen moralischen Sein nach Analogie des Sichschen­
tem zu entschlieJ3en, zu Gesetzen der Sittlichkeit und des Rechtes, in kens der gottlichen Personen.
denen Freiheit anerkannt und durch deren Befolgung Freiheit reali­ Weil man sich nun, wie einleitend schon erwahnt, einer endlichen
siert wird. Dieses Sichentschlieísen des Willens ist nicht nur sein Person gar nicht vorbehaltlos übergeben darf, denn wir haben uns
Sichoffnen für diese Gesetze; denn wir müssen ja aus unserem Für­ als sittliche Existenzen schon der Wahrheit und sittlichen Freiheit
uns-Sein und unserer Eigenliebe herausgehen und unsere sittliche verpflichtet, der Wahrheit und Freiheit übergeben; weil also zwi­
schenmenschliche Liebe, die auch unbedingtes Vertrauen ein­
schlieJ3t, das ohne gemeinsame absolute Bindung an die Wahrheit
77 L. Oeing-Hanhoff, Die Philosophie und das Phánornen des Bósen, in: Realitat und
Wirksamkeit des Besen, hrsg. von K. Forster, Würzburg 1965,37-68, bes. 60ff.
78 K. Lehmann, Der Teufel- ein personales Wesen?, in: Teufel, Dárnonen, Besessen­ 1Y A. Gorres, Kennt die Psychologie den Menschen?, München 1978, 223 f.
heit, hrsg. von W. Kasper u. K. Lehmann, Mainz 1978,71-98, bes. 96f. '0 Descartes an Chanut, 1. 11. 1647 (A.M. 7,258).

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gar nicht moglich ware, Liebe zur Wahrheit voraussetzt und weil Liebe stets Gottesliebe voraussetzt und einschlieI3t und wenn end­
deshalb nur Gott vorbehaltlos geliebt werden kann, der ja wenig­ lich unsere Liebe zu Gott nur durch Gottes Liebe zu uns ermoglicht
stens implizit geliebt wird, wenn Wahrheit und Freiheit geliebt wer­ ist, weil Liebe "Gleiche vorfindet oder Ungleiche gleich macht" und
den, führt aus solchen Gründen die Frage nach der vólligen wir dem unendlichen Gott gleichgemacht werden müssen, um ihn
liebenden Selbstmitteilung auf das Phanomen der Gottesliebe. Dar­ lieben zu konnen, dann ergibt sich auch aus der skizzierten Ontolo­
über ist in der Mystik das Wichtigste gesagt worden. gie der Liebe, daI3 endliche Vernunftwesen erst durch die gottliche
Hier wird nun, schon seit Ambrosius, die Selbstmitteilung der elbstmitteilung zu Personen konstituiert werden, die zu liebender
Liebe dem Sterben verglichen, was ja auch in die profane Literatur Selbstrnitteilung fahig sind. Personsein gibt es also nicht durch die
zur Charakterisierung der Liebe und des Liebesaktes eingegangen creatio ex nihilo, sondern erst durch Selbstmitteilung Gottes, nicht
ist. "Amor est mors voluntaria."!' Sterben sei, so haben die deut­ von Natur her, sondern durch Gnade.
schen Bischofe jüngst in einem Hirtenbrief erklarr", "die hochste Daher hat Gott die Welt geschaffen, um sich den vernünftigen
Form unserer Selbsthingabe an Gott", Das ist, wenn ich richtig sehe, Kreaturen in Liebe mitteilen zu künnen, Nach Johannes vom Kreuz
ein zentrales Thema der Mystik. Bernhard von Clairvaux nennt die schafft Gott aber insofern auch um seiner selbst willen, als der Vater
Selbstmitteilung der Liebe gewisserma13en "ein Sich-selbst-Verlie­ mil der Schopfung dem Sohn eine Braut zuführen will, die auch am
ren" (perdere) und ein Sichentauñem (a se ipso exinanire)". Petrus gottlichen Leben teilhaben soll". Braut zu sein setzt aber die Gleich­
Aureoli sieht das Wesen der Liebe im "seipsum dare amato", der heit mit dem Brautigam voraus. Weil es aufgrund von Schopfung
Liebende setzt sich nicht, wie in der Selbsterkenntnis, ante se, son­ keine Proportion zwischen Gott und Kreatur, kein wechselseitig rea­
dern ekstatisch "extra se"84. Und dieses geistige "Au13er-sich-Sein" les Verhaltnis zueinander gibt, mu13te, wie Malebranche schreibr",
ist ein "esse datum et latum" ("ein geschenktes und dargebotenes .,eine gottliche Person das Werk Gottes vergottlichen, um aus uns
Sein"), das er auch "esse latum et flatum" ("dargebotenes und ge­ otter oder Adoptivkinder des ewigen Vaters zu machen". Das ist in
hauchtes Sein") nennr". Das Resultat der Liebe, den Liebenden in der Sendung des Heiligen Geistes geschehen, der "donum donabile"
das dem Geliebten dargebrachte Geschenktsein zu versetzen, ist das ist und von dem Hugos von St. Viktor Wort gilt: "Seipsum dat spiri­
vollendete moralische Sein. Sterben kann also christlich als Akt der tus. "88 Durch die damit mitgeteilte ungeschaffene Gnade werden
Liebe vollzogen werden, die sich damit selbst au13er sich setzt und ndliche Vernunftwesen als Personen konstituiert, die ihre Vollen­
sich in der GewiI3heit, angenommen zu werden, Gott übergibt. Da­ dung im unverhüllten In-Gott-Sein finden, aber auch zu Unperso­
her ist es eine Mahnung zur Gottesliebe, wenn Angelus Silesius nen werden künnen, wenn sie sich endgültig in sich verschlie13en.
schreibt: "Wer nicht stirbet, eh' er stirbet, der verdirbet, wenn er stir­ afür aber, daI3 solches Sichverschenken der Liebe uns erst durch
bet." die gottliche Gnade moglich ist, kann ich mich auf Thomas von
Wenn es nun zum Wesen der Person gehort, nicht nur Selbstbe­ Aquin berufen, der schreibt: "Caritas non est virtus hominis inquan­
wu13tsein zu haben, sondern auch, als Vollendung der Freiheit, lie­ (u m est horno, sed inquantum per participationem gratiae fit Deus et
ben, d. h., sich selbst mitteilen zu konnen ; wenn ferner personale filius Dei."89

81 Marsile Ficin, Commentaire sur le Banquet du Platon, hrsg. von A. Mareel, Paris
1956, 156. .
82 Hirtenwort vom 22. 9. 1982: "Wiihle das Leben". M. Johonnes vom Kreuz, Kleinere Sehriften, hrsg. von Aloysius ab lmmae. Concep­
83 Vgl. Ueberweg-Geyer, Die patristisehe und seholastisehe Philosophie, Berlin 121927, .
liOI1C,München 61972, 207f.
256. Ml Malebranche, Traité de la nature et de la grace, 1, 1.
84 Petrus Aureoli, 1 Sent. 3, seet. 14, a. 3, a.
•• llugo von Sto Viktor, De septem donis, Il.
"' Petrus Aureoli, 1 Sent. 2, seet. 11, Resp. ad objecta. M. Thomas, De caritate 2, 15.

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VI schcidungen seiner Kreaturen steht. Denkt man ihn, wie die Tradition vor
llegel es getan hat, nur als Schopfer und als schlechthin unveranderlichen,
unbestirnmbaren actus purus, kan n es für ihn kein rezeptives Erkennen ge­
Die dargelegte These, Gottes gnadenhafte Selbstmitteilung konsti­ ben. Hinnehmende Erkenntnis, in der Gott sich von ihm Vorgegebenem und
tuiere endliehe Vernunftwesen als Personen, gehort freilieh naeh von ihm Unabhangigern "informieren" lieBe, machte ihn ja abhángig, be­
dem seit Thomas von Aquin übliehen Verstandnis eindeutig zur Of­ stirnmbar, veranderlich und stellte ihn in ein reales Verhaltnis zu Geschaffe­
fenbarungstheologie, nieht zur Philosophie. Aber man muI3, wie ieh nem. Aber nach dem aristotelischem Gottesbegriff kan n der "unbewegte
Beweger" nicht bewegt, der actus purus nicht bestimmt werden.
denke, diese Unterseheidung "aufheben", um den Einwanden be­
Bekanntlich wurde dieser Gottesbegriff von christlicher Theologie über­
gegnen zu konnen, die Hegel gegen den traditionellen Gottes- und nommen und so auch dem christlichen Gott zugeschrieben, er sei "omnino
Schopfungsbegriff erhoben hato Naeh Hegel ist die Unbedingtheit impassibilis ac immutabilis'?" und stehe daher in keiner realen Relation zu
freier Selbstbestimmung und damit die Absolutheit unserer Freiheit scinen Geschopfen'". Sofern Freiheit, wie dargelegt, über Selbstbestimmung
unvereinbar mit ihrer Ersehaffung aus Niehts sowie mit der Unver­ hinaus, die bloüe Willkür sein kann, wechselseitige Anerkennung und in ih­
rcr Vollendung gegenseitige Selbstmitteilung in Liebe ist, fordert sie mit per­
anderlichkeit und ewigen Gesehiehtslosigkeit Gottes".
sonaler Gemeinschaft reale Bezogenheit aufeinander, gegenseitige Anerken­
nung und Hinnahmefahigkeit gegenüber dem, was andere Freiheit gibt.
Schon im Tübinger Stift lernte Hegel durch das dogmatische Kompendium Daher ist der aristotelische Gottesbegriff dem christlichen Gottesverstand­
von Sartorius, daB es Gottes Allmacht gegenüber keine freie geschópfliche nis unangemessen. Seine gleichwohl erfolgte Übernahme hat zu einer Krise
Eigenmacht geben konne. Wie seinen "Theologischen Jugendschriften" zu des Gottesbegriffs überhaupt geführt".
entnehmen ist, hat er das stets abgelehnt. Aber schon 1798 sieht er im trinita­ HlIlt man namlich den aristotelischen Gottesbegriff des unbewegten Be­
rischen Gottesbegriff insofern eine Losung des Problems, als er die Absolut­ wegers fest und schreibt Gott gleichwohl im Gegensatz zu Aristoteles zu, er
heit unserer Freiheit als das von Gott sich entgegengesetzte Andere seiner zu kenne die freien Entscheidungen endlicher Vernunftwesen, dann ergibt sich
denken erlaubt. Wie die Freiheit zeigt, schreibt er, sind "Gott und Mensch das .Dilemma'', dañ entweder Gottes Wissen die freien Entscheidungen be­
eines, aber der Mensch der Sohn und Gott der Vater", der freilich "in ihm" stirnrnt oder durch diese freien Entscheidungen bestimmt wird: "Dieu déter­
bleibe?'. minant ou déterminé, pas de milieu" (R. Garrigou-Lagrange)",
Die Religionsphilosophie Hegels entfaltet diese Lehre, nach der Schop­ Man entkommt nach Garrigou-Lagrange diesem Dilemma auch nicht,
fung und Entauüerung sowie die "generatio de substantia Dei" und die "cre­ wenn man im Sinne des Molinismus Gott eine "scientia media" zuschreibt,
atio ex nihilo" zusammenfallen. Dasselbe laBt Thomas Mann in seinem die zwischen Gottes notwendiger Erkenntnis des Moglichen - und moglich
Faust-Roman De. Schleppfuñ dozieren. Ohne seine "Schopfung und Entau­ ist alles, was der Schopfergott in seiner Allmacht erwirken kann - und des
Berung" ware Gott nicht Gott, was Hegellehrt. De. SchleppfuB legt darüber uus dem Bereich des Moglichen von ihm kraft seines freien Wollens zur Ver­
hinaus seinen Hórern nahe, ohne das Bose ware das Gute auch nicht gut. wirklichung Bestimmten steht und die bedingt zukünftigen freien Handlun­
Dagegen kan n man im Anschluñ an Thomas von Aquin sagen, daB das im gen moglicher Vernunftwesen umfassen soll, jene Entscheidungen also, die
Seienden zum Selbstand gekommene Sein durchaus in absoluter Weise ist. unter allen moglichen Umstanden frei gefallt werdeli. würden. Aber auch
G. Siewerth hat es daher "ein Gleichnis des absolut Unbegründeten selbst" diese bedingt zukünftigen freien Handlungen moglicher Vernunftwesen
genannt, das "irgendwie jenseits seiner ,Geschaffenheit' geschaffen ist"?", rnüüte Gott, weil er sie nicht bewirkt, in hinnehmender Erkenntnis erfassen.
und nach B. Lakebrink ist im Sein des Geschopfes sein Gewirktsein aufge­ ott ware dabei nicht "Urheber, sondern Zuschauer", der von dem, was er
hoben'", Dann aber ist entgegen der Lehre Luthers und Hegels unbedingte sieht, "bestimmt, also vervollkommnet wird". Das aber kan n nicht sein,
und absolute Selbstbestimmung geschaffener Vernunftwesen moglich. den n "es gibt nichts Unzulassigeres, als eine Passivitat oder Abhangigkeit im
Es bleibt freilich die Frage, in welchem Verhaltnis Gott zu den freien Ent-

9. Vgl. L. Oeing-Hanhof], La nécessité historique du concept hégélien de Dieu, in: He­ 9. Thomas, S. c. G. 1, 13.
gel et la religion, hrsg. von G. Planty-Bonjour, Paris 1982, 77-99. 9' Thomas, S. Theol. 1,13,7; Quodl. 1,2; 9, 4 und ófter.
9' Hegels Theologische Jugendschriften, hrsg. von H. Nohl (1907), 301. 96 Vgl. L. Oeing-Hanhoff, Die Krise des Gottesbegriffs, in: ThQ 159 (1979) 285-303
92 Siewerth, a.a.O. (Anm. 39) 93, 112. (auch Theol. Jahrb. 1982,92-112).
9' B. Lakebrink, Klassische Metaphysik, Freiburg 1967, 111. ., R. Garrigou-Lagrange, Prémotion physique, in: DThC XIII (1936) 36.

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reinen Akt anzunehmen'?", So bleibt also das Dilemma: Gott ist bestim­ des eigentlich Bosen, das nicht nur das Fehlen des freien Ja zu Gott und zum
mend oder bestimmt hinsichtlich der freien Entscheidungen endlicher We­ siulich Guten ist (wie Blindheit das Fehlen des Sehvermógens bei einem
sen. "'lIITI Sehen bestimmten Wesen ist), sondern das sich etwa in GotteshaB oder
Zwar ist diese Argumentation unter Voraussetzung der "scientia media" Mord auñernde Nein zu Gott und zum sittlich Guten, also in einem positi­
und ihres Gegenstandes konsequent, aber wie konnte Gott von bloB müg­ ven Willensakt besteht, der zweifellos wirklich ist und die Privation der Got­
lichen, also noch unwirklichen freien Entscheidungen bestimmt werden? tes- und Nachstenliebe bewirkt, ein Akt, der ist, aber nicht sein soll. Ebenso
Um wirkliche endliche Freiheit als móglich zu erweisen, die als endliche iSl [a auch eine falsche Aussage, Z. B. es ist kein Gott, nicht nur das Fehlen
Wirklichkeit vom Schüpfergott abhangig sei, hat der Molinismus die Frei­ dcr entsprechenden Erkenntnis und ein Mangel an Wahrheit, sondern eine
heit in den Bereich des Moglichen verlegt. Aber dort kan n es sie nicht geben: positive Setzung, welche die Wirklichkeit anders vorstellt, als sie ist; aber es
ein mogliches Vernunftwesen kann sich offenkundig nicht frei entscheiden handelt sich doch um eine reale Vorstellung der Wirklichkeit, nicht nur um
und bestimmen, weil Wirken Wirklichkeit voraussetzt. 1m Bereich des Móg­ lne bloBe Privation. Wie der Schmerz, der auch als bloBe Privation des
lichen gibt es eben nur Mógliches, keine wirkliche Entscheidung, d. h. die Wohlbefindens ausgegeben worden ist, bestehen Irrtilmer und bose Willens­
Verwirklichung nur einer Moglichkeit unter AusschluB der anderen. So zeigt ukte also nicht nur in einem Mangel; sie sind vom endlichen Geist bewirkte
sich der Molinismus, dessen Bemühung, die Freiheit zu wahren, gewiB Realitaten!".
hóchst respektabel war, als haltIose Konstruktion. Wenn aber "die ganze konkrete Realitat des menschlichen Aktes auch von
Nach dem Thomismus muB der nicht hinnahmefahige Gott, um die Ent­ lou aktiv bewirkt wird und die Negativitát" (der Privation) "in diesem posi­
scheidungen seiner freien Geschópfe zu kennen, sie bewirken, was er in ei­ tivcn realen Akt nur sein kan n durch die konkrete Bewirkung dieser Positivi­
ner "praemotio physica" tue. Wenn es aber das Wesen freier Willensent­ IIIl", dilrfte die von K. Rahner gestellte Frage unausweichlich sein, ob man
scheidung ist, daB sich der Wille zu seinem von ihm zu verantwortenden das so gedeutete "Zulassen" des Bosen durch Gott "nicht ehrlich ein Wollen
freien Akt selbst bestimmt und nicht dazu bestimmt wird - auch hier gibt es ncnnen" müsse':", K. Rahner ist in Bejahung dieser Frage dann zu der These
kein MittIeres -, dann laBt eine wirksame Bewegung des Willens durch Gott ekommen: "Gott kann ... in seiner absoluten Souveranitat die Freiheit als
"zu diesem bestimmten Akt" eben keinen Raum mehr für freie Selbstbestim­ gutc oder als bóse setzen, ohne damit die Freiheit selbst zu zerstóren."!" Ge­
mung. Der Versuch, durch die Versicherung, die praemotio physica sei nuu diesen Gottesbegriff, nach dem Gott souveran über die endliche Frei­
"nicht notigend, sondern vorbestimrnend?", gleichwohl an der Freiheit als hcit verfilgt und sie als gute oder bose "setzt", hat Hegel um der Absolutheit
Selbstbestimmung festzuhalten, bleibt eine "nur verbale Behauptung" der unserer Freiheit willen abgelehnt.
Freiheit, die ja einer anderen praemotio physica bedürfte, um sich anders
entscheiden zu konnen'oo. Wenn man, wie ieh es tun muñ, Rahners zitierte These für offenkun­
Wenn jeder freie Willensakt nur durch eine wirksame Bewegung Gottes dig falseh halt, muís man ihre dargelegte Pramisse, die absolute Im­
zustande kommen kann, bewirkt Gott dann nicht auch die büsen Willens­ passibilitat und Unveranderlichkeit Gottes, die ihn unfahig maehte,
akte? Die Auskunft, Gott bewirke nur ihr Sein, nicht ihre Bosheit, die ja nur
sclbst das freie Ja oder Nein seiner Kreaturen ihm gegenüber hinzu­
die Privation der geschuldeten Gutheit sei, verkennt offenkundig das Wesen
nchmen, ablehnen. Für offenkundig falseh halte ieh die genannte
9' Ebd. 35 f. These, weil die Freiheit nur sieh selbst als gute oder base Freiheit
99 Ebd. 32, 72. setzen kan n - denn Fremdbestimmung besagt eben Unfreiheit - und
100 Vgl. F Van Steenberghen, Connaissanee divine et liberté humaine, in: RTL 2 (1969)
weil man Gott, wird ihm zugetraut, er konne die endliche Freiheit
46-68. - In dieser trotz ihrer Bedeutung kaum rezipierten (oder kritisierten) Abhand­
lung wird aueh dargelegt, daf Gottes Ewigkeit nieht Grund und Medium seines Vor­ uuch als base setzen, zum Urheber des Basen deklariert. Weil das
herwissens zukünftig freier Akte sein kann. Die These, für Gott sei "alles Gegenwart", !lOse als moralisches Sein wirklich ist - bereits Gregor von Nyssa
es gebe für ihn "den Untersehied von Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft" nieht
(L. Ott, Grundriñ der Katholisehen Dogmatik, Freiburg 1965,49), ist aueh offenkun­
dig falseh: dañ ieh noeh lebe, noeh nieht im Fegfeuer oder Himmel bin, ist nieht nur 101 Vgl. ebd. 38; ferner L. Oeing-Hanhoff, Die Philosophie und das Phánomen des Bo­
, für uns, sondern aueh für Gott wahr. - Zu wiederholen ist die Forderung naeh einer Non, u.a.O. (Anm. 77), bes. 50-58; ders.. Das Bose im Weltlauf. Zum Theodizee-Problem
Problemgesehiehte des góttlichen Vorherwissens freier zukünftiger Akte, aus der unter in Philosophie und Theologie, in: Das Übel in der Evolution und die Güte Gottes, hrsg.
denen, die das für unmóglich erklürt haben, Petrus Aureoli und Kant hervorragen. von w. Bóhme, Karlsruhe 1983,50-67, bes. 56ff.
Endlieh verdienen die dafür beigebraehten Gründe Beaehtung, dañ die entspreehende 101 K. Rahner, Verharmlosung der Sehuld in der traditionellen Theologie, in: ders.•
Erklárung des Vatieanum I (DS 3003) keine letztverbindliehe Glaubensaussage dar­ Schriften X (1972) 152.
stellt (49ff.). 101 K. Rahner, Grundkurs des Glaubens, Freiburg 1976, 112.

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nannte den Menschen "Schopfer und Demiurg des Bosen'"?', Gott sehen Gott und Mensch zu handeln hat, spricht er unbefangen von
aber nicht des sen Urheber ist, kann er es nur in rezeptiver Erkennt­ ciner "mutua redamatio", die "mutua cornmunicatio" seil06.
nis wissen.
Hegel hatte die Unveranderlichkeit oder Ewigkeit Gottes und
seine Geschichtlichkeit, seine Unendlichkeit und seine Endlichkeit VII
so zusammengedacht, da13 Gott in der Schopfung oder Entauüerung Wenn unser personales Leben derart durch die gnadenhafte Hinord­
seine Ewigkeit und Jenseitigkeit "aufopfert", Natur und endliche nung auf die personale Gemeinschaft mit Gott konstitutiert wird,
Geister "wird" und in der Geschichte zu "hoherer Realisation" dann muf Philosophie, um eine wahre Metaphysik der Person ge­
kommt. Diese Selbstentauíserung Gottes in der Schopfung wird als ben zu konnen, zur christlichen Religionsphilosophie werden oder
notwendiger Prozef behauptet; denn: "Freundlos war der gro13e sich in Theologie aufheben. Zu dieser Aufgabe führt die Einsicht,
Weltenmeister / fühlte Mangel, darum schuf er Geister". Aus die­ dal3 zum humanen Leben der noch vorchristliche Glaube an unsere
sem Zitat, das Hegel sich zu eigen gemacht hat"", wird auch deut­ reiheit gehort. Weil wir verantwortlich handeln müssen, bevor wir
lich, daís Hegel die Personen in Gott nur als nicht eigentlich zu tille naturwissenschaftlichen, philosophischen und theologischen
záhlende Momente der Selbstkonstitution der absoluten Personlich­ Einwande gegen die Tatsache unserer Freiheit kritisch prüfen kon­
keit gedacht hat, die ein einsames Ich bleibt. nen, müssen wir an unsere Freiheit glauben. Nur solcher Glaube an
Demgegenüber ist das Sichverendlichen Gottes zur Rezeptivitat die Freiheit führt zur Erfahrung der Freiheit. Um aber in schlimmen
und Geschichtlichkeit nicht der Schopfungs-, sondern der Gnaden­ ituationen, in denen sittliches Handeln um der Bewahrung der sitt­
ordnung zuzurechnen. In der Sendung des Heiligen Geistes zur Er­ lichen Existenz willen das Opfer der physischen Existenz fordert
offnung einer gemeinsamen, gegenseitige Anerkennung einschlie­ (lieber sich erschieísen lassen, als Unschuldige zu erschieñen), frei
Benden Geschichte zwischen Gott und seinen vernünftigen Ge­ handeln zu konnen, muñ man im Sinne der Kantischen Postulaten­
schopfen und in der Sendung und Selbstentauíserung des Sohnes lehre glauben dürfen, daf sittliches Handeln stets der Verwirkli­
wird Gott zwar geschichtlich, hinnahmefahig, endlich und ohn­ chung des Reiches der Freiheit dient, da13 sittliches Handeln also auf
machtig in der Ohnmacht der Liebe, aber er bleibt doch - als der Va­ seine geschichtsjenseitige Vollendung hoffen darf. Teilhard de
ter - auch ewig, unveránderlich, jenseitig und allmáchtig, Die hardin hat diesen berechtigten Kantischen Gedanken pragnant zu­
Trinitatslehre mit Einbeziehung der Lehre von den Sendungen, also sammengefafst: "On ne peut agir qu'en croyant, qu'on est libre, qu'il
der ükonomischen Trinitat, ist die Aufhebung dieses Widerspruchs. y a un Omega."I07
Gott derart dialektisch denken heiñt seine Rezeptivitat, Geschicht­ Will man solchen schon implicite christlichen Glauben an eine ge­
lichkeit und ohnmachtige Endlichkeit als seine Tat, als Wesens­ schichtsjenseitige Vollendung des Reichs der Freiheit in seinen
merkmale seiner Selbstmitteilung an vernünftige Geschópfe denken. sachlichen und geschichtlichen Voraussetzungen aufklaren, kommt
Nur so ist auch ein wechselseitig reales Verhaltnis zwischen Gott man, durchaus im Sinne Kants, zu einer Religionsphilosophie und
und Kreaturen móglich. Thomas von Aquin hat zwar stets das Ver­ damit zur Aufgabe einer philosophischen Kritik der für den christli­
haltnis Gottes zur Welt als eine für Gott nur gedankliche, nicht reale chen Glauben zentralen Trinitatslehre, mit der Kant zwar wenig an­
Relation behauptet, aber wenn er nur unmittelbar von der Liebe zwi- zufangen wuñte, die aber Hauptinhalt der Hegelschen Religionsphi­
losophie ist.

104 Gregor von Nyssa, Über die Erschaffung des Menschen, 1, 24. 106 Thomas, S. Theol. 1 Il, 65,5.
105 Hegel, Vorlesung zur Geschichte der Philosophie, Werke, hrsg. von H. Glockner, 101Aus den unveróffentlichten Tagebüchern zitiert nach Th. Broch, Das Problem der
17, 108. Freiheit im Werk von P. Teilhard de Chardin, Mainz 1977, 110.

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Sieht man nun im gesehiehtliehen Verstehen, wie wesentlieh aueh Daher kann die mit dem Hervorgang seines vollkommenen Wortes
der geoffenbarte ewige Hervorgang des Wortes aus Gott das phi 10- in Gott gegebene personale Differenz als notwendige philosophi­
sophisehe Denken zur Erkenntnis seiner spraehliehen Verfaf3theit sche Wahrheit hingestellt werden.
und zu einer Ontologie des Wortes geführt hat, naeh der das Wort Platon und Aristoteles haben zwar sehon gewuf3t, daf3 Denken
das Bild ist, das der Geist von sieh und von den Dingen hat und das spraehlieh, namlich das Selbstgesprach der Seele mit sieh selbst ist;
notwendig zum geistigen Leben gehort, dann wird man in dieser aber Liebe wird erst aufgrund der ehristliehen Offenbarung als
Glaubenslehre statt einen Mythos eine tiefe spekulative Wahrheit ehenken seiner selbst verstanden. Im Bliek auf den von hier aus zu
sehen, deren Erkenntnis Augustinus sehon den heidnisehen Philo­ verstehenden Hervorgang des Heiligen Geistes hat W. Kem gefragt:
sophen zugesehrieben hatte. Überzeugt von der Spraehliehkeit je­ ,,1 st nieht die Liebe als selbstlose Selbstmitteilung erst wirklieh und
den Erkennens hat Thomas von Aquin in seiner spaten Auslegung moglich, vollziehbar, erfahrbar geworden dureh Jesus Christus?"109
des Prologs des Johannes- Evangeliums gesehrieben: "ln qualibet re Trifft das zu, dann ist die Einsieht in die innere Moglichkeit des Her­
intelleetuali, eui eompetit intelligere, necesse est ponere verbum." 108 vorgangs des Heiligen Geistes erst aufgrund der ehristliehen Offen­
barung müglich. Eine solehe Einsieht in die positive Moglichkeit der
eigentliehen Glaubensgeheimnisse, vor allem der Selbstentauñerung
108 Thomas, Super Ev. Joan. 1,1 (25)- In seinem frühen Kommentar zu Boethius (EBT und Mensehwerdung des Wortes, gibt es jedoeh nieht, wie aueh
1,4,6,) hatte Thomas das ausdrücklich bestritten: nur in uns gebe es einen vom Erken­
nenden real verschiedenen Konzept. Die endgültige Ausgestaltung seiner Verbum­ sehon die ereatio ex nihilo nieht in ihrer inneren Moglichkeit zu ver­
Lehre gibt Thomas, wie die erhaltenen Entwürfe zeigen, in der dritten Überarbeitung stehen ist. Die Wahrheit der christliehen Trinitatslehre einsehen
von S. c. G. 1, 53. Hier legt Thomas die Notwendigkeit des verbum für jedes geistige Er­ aber heil3t die Philosophie zu solcher Religionsphilosophie werden
kennen dar, so daB zu Recht von einem hier vorliegenden "philosophischen Beweis für
die Existenz eines ,Wortes' in Gott" gesprochen werden kann (vgl. P. Engelhardt, Arlo lassen, die mit der Offenbarungstheologie in dem Hauptinhalt über­
lntentio, in: HWPh 4, 472). Das ist natürlich nicht schon ein Aufweis der góttlichen einstimmt, oder den Entsehlul3 zur Anerkennung der Wahrheit, der
Trinitát. Dazu verbaut Thomas sich den Weg, indem er zum Aufweis des Heiligen Gei­
stes aus der Liebe von Gottes Selbstliebe ausgeht, aus der sich ergebe, daB das Geliebte
in neuer Weise im Liebenden sei. Im Unterschied zum Wort als dem Ergebnis des Er­
kennens gebe es aber dafür keinen eigenen Ausdruck, und Thomas beklagt die "inopia bum (S, Theol. 1,45, 7). Aber das gehort zur "Spur" der Trinitát. Nur die geistigen Krea­
vocabulorum" (S. Theol. 1, 37,1). Aber Petrus Aureoli, der nicht von der Selbstliebe, turen sind darüber hinaus .Bild" der Trinitát (ebd. 93, 6), und zwar durch die
sondern von personaler schenkender Liebe ausging, fand zur Bezeichnung des Ergeb­ Produktivitát ihres Erkennens und Liebens (ebd. 93, 7). Darin aber sind die reinen Gei­
nisses des Sichmitteilens und Sich-auBer-sich-Setzens genügend Worter vor (esse da­ ster noch mehr "ad imaginem Dei" als der Mensch (ebd. 93, 3). Es geht also bei der na­
tum, laturn, flatum). türlichen Erkenntnis des Verbum durch die reinen Geister gar nicht um die
Aber die eindeutig belegte These, Thomas erachte den Hervorgang des Wortes in Erkenntnis ihrer Natur oder Wesensform als Reprásentationen des Verbum, sondern
Gott für notwendig, widerspricht der seit Suárez üblichen Meinung, die Trinitát sei darum, daB sie das zu ihrem Erkennen gehórende Wort als "similitudo" des gottlichen
schlechthin unbegreifliches Geheimnis. So hat auch mein beilaufig gegebener Hinweis Wortes erkennen. Deswegen ist S. Theol. 1, 62,1,3 und Polo 4,2, 25 von der "similitudo"
(Thomas von Aquin und die gegenwartige katholische Theologie, in: Thomas von Verbi "in sua natura relucens" die Rede. In gleicher Weise heiBt das Licht der tátigen
Aquino, hrsg. v. W. P. Eckert [1974)276), Thomas spreche den "reinen Geistern eine Vernunft, das noch "ungefonnte Wort" in uns "similitud o increatae veritatis in nobis
natürliche Erkenntnis der Trinitát zu", eine eingehende Kritik gefunden (A. Ho!! resultans" (Ver. 11,1). Wenn der Ausdruck "increata veritas" nicht eine Appropriation,
mann, Der Mysteriencharakter der Trinitát, in: ThGI 68 [1978) 267-282). Hoffmann sondern Proprietat des Verbum ist, wie Thomas, Super Ev. loan. 14,3 (1869), erklárt,
kritisiert zwar zu Recht, daü an den angegebenen Stellen nur vom Verbum, nicht von dan n handelt es sich bei dem inneren Wort, das im reinen Geist naturhaft resultiert,
der Trinitát die Rede ist, glaubt aber zeigen zu kónnen, Thomas habe gar nicht ge­ genau um die similitudo Verbi. Was Thomas so überlegt und eindeutig schreibt, solite
meint, was er sagt, als er den reinen Geistern eine eigens von der "übernatürlichen Er­ man in seinem genauen Sinn stehenlassen. Weil er ausdrücklich von natürlicher, nicht
kenntnis" unterschiedene "natürliche Erkenntnis" des Verbum zugeschrieben hat (Polo übernatürlicher Erkenntnis spricht, dabei gar den Fachausdruck "status naturaliurn"
4,2, 25 u. o.); gerneint sei vielmehr, daB der reine Geist, indem er "seine Natur als We­ gebraucht (Ver. 8,3, 1,), teilt er offenkundig nicht die neuere theologische Meinung,
sensform" erkenne, die das "Verbum reprasentiert", das Verbum gernáf einer eine Erkenntnis der gottlichen Personen in ihrer realen Verschiedenheit sei schlecht­
.Appropriation" erkenne, aber nicht im eigentlichen Sin n (ebd. 280). Tráfe das zu, hin übernatürlich und der natürlichen Vernunft unzuganglich.
dann würde jeder in diesem Sinn das Verbum erkennen, der einen Stein von einem 109 W. Kern, Einheit-in-Mannigfaltigkeit, in: Gott in Welt, Festschrift für K. Rahner,
Baum zu unterscheiden weiB; denn auch deren Wesensformen reprasentieren das Ver- Freiburg 1964, 1, 207-239, Zitat: 238.

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das Philosophieren trágt, aufheben in die glaubige Bejahung der icher bedarf die skizzierte Auffassung, daf Gott zwar seinem na­
Wahrheit, die Jesus Christus ist'!", türlichen Sein nach ( als Vater) unveránderlich ist, daB er sich aber
Wahrend sich eine sol che philosophische Aufhebung der geoffen­ seinem mitteilbaren objektiven (als Sohn) und moralischen Sein (als
barten Trinitatslehre auf eine groBe Tradition stützen kann, aus der Heiliger Geist) nach selber zur Rezeptivitat und Geschichtlichkeit
noch Anselm, Richard von St. Viktor, Bonaventura und Petrus bestimmt hat, noch genauerer Darlegung und vor allem kritischer
Aureoli eigens zu nennen waren'!', stellt hingegen die Behauptung Überprüfung!". Aber die dargelegte These einer Bestimmbarkeit
einer Geschichtlichkeit und Rezeptivitat Gottes einen radikalen und Rezeptivitat Gottes gegenüber endlicher Freiheit ist für eine sol­
Bruch mit der alteren Tradition dar. A. Staudenmaier sah in der che trinitarische Ontologie schlechthin konstitutiv, die Ontologie
Auseinandersetzung mit Hegel in der Behauptung einer Geschichte nicht nur des natürlichen Seins und des Wortes, sondem auch Onto­
Gottes Pantheismus!'>; und kürzlich hat H. Pfeil erklart, die Preis­ logie der Liebe ist. Denn Liebe schlieíst wie Hingabe auch die Hin­
gabe der Lehre von Gottes absoluter Unveranderlichkeit sei Preis­ nahrnefahigkeit ein, weil sie sich nur in gegenseitiger vollkommener
gabe nicht nur eines Dogmas, sondem, weil sie Grundlage aller elbstmitteilung vollendet.
unveranderlichen Dogmen sei, Preisgabe des Dogmas überhaupt'P,
gos die Unverlinderliehkeit und reale Unbezogenheit Gottes festzuhalten, führt Pfeil
dazu, in Christus ein "gottliehes Ich" und ein "mensehliehes Ich" anzunehmen. 1st also
110 Eine solehe personale Annahme der ehristliehen Offenbarung konstituiert Theolo­ nur das mensehliehe Ich Christi gekreuzigt worden? Diese Annahme eines doppelten
gie im Untersehied zu Religionsphilosophie, die "inhaltlieh im Extremfall sogar voll­ (oder gespaltenen) Ichs in Christus ist Nestorianismus, dem dureh die Erklárung nieht
stlindig identiseh sein kann mit einer Theologie" (M. Seckler, Theologie, Religionsphi­ begegnet wird, das mensehliehe leh Christi sei nieht Persono Wie einem selbstbewuís­
losophie, Religionswissensehaft, in: ThQ 157 [1977] 173). Weil der vom Theologen ten, frei handelnden Ich soll abgesproehen werden konnen, Person zu sein, bleibt dun­
übernommene Glaube stets der überkommene gesehiehtliehe und konfessionelle kel, welehes Dunkel aber nieht das des Geheimnisses, sondern der Widersprüchlich­
Glaube einer Glaubensgemeinsehaft ist, ist Theologie im Untersehied zu Religionsphi­ keit ist. - Vgl. dagegen W. Kerns Berieht über die "Theologisehe Rezeption der
losophie wesentlieh kirehlieh, weshalb der Theologe für die Ergebnisse seiner Wissen­ Hegelsehen Gesehiehte Gottes", in: Gegenwart des Geistes, hrsg. von W. Kasper, Frei­
sehaft wesentlieh auf "die Zustimmung der Glaubensgemeinsehaft" angewiesen ist bu rg 1979, 78-90.
(ebd. 169). - Zum Problem und zur Aufgabe einer Aufhebung der Philosophie in Theo­ "' Das müBte vor allem aueh zu einer Theologie der góttlichen Sendungen führen,
logie vgl. K. Rahner, Zum heutigen Verhliltnis von Philosophie und Theologie, in: über die - bis auf das Faktum der Sendungen - es keine verbindliehe kirehliehe Glau­
ders., Sehriften X (1972) 70-88, wo dargelegt wird, daB aueh das Philosophieren auf benslehre gibt. Die fast allgemeine Auffassung, aueh in den Sendungen bleibe Gott un­
den sieh mitteilenden Gott bezogen ist, weshalb .Philosoph¡e ... eigentlieh nur die sieh verándert, verlindert werde nur die Kreatur, zu der hin die Sendung erfolge, und die
noeh nieht selbst eingeholt habende Theologie'' sei (ebd. 73). Holt sie sieh ein, hebt sie damit auf neue Weise in Gott sei (Thomas, S. Theol. 1,43,2,2), seheint dem Ausdruek
sieh also in Theologie auf. Sendung seinen Sinn zu nehmen. Demgegenüber hat J. Moltmann, Gedanken zur "tri­
111 Eigens hingewiesen sei auf die Stellungnahme von Petrus Aureoli, 1, Sent. 3, seet. nitarischen Gesehiehte Gottes", in: EvTh 35 (1975) 208-223, die Sendungen als .aus
14,a. 3 b, der ebenfalls im Geist, sofern aus ihm das Wort und "der Geist der Liebe" sieh hinausgehendc Liebe Gottes" und als "Offnung" der ewigen "Ursprungstrinitlit"
hervorgehen, das Bild der Trinitlit sieht, aus dem "die Trinitlit bewiesen werden kann", zur gesehiehtliehen "Trinitlit in der Sendung" verstanden, die zur "Trinitlit in der Ver­
Ob das, was in Gott aus dem Erkennen und dem Lieben hervorgeht, wie bei uns nur herrlichung" führe, in welcher Gott alles in allem sein werde. Gerade weil in diese m
"intentional" vom erkennenden und liebenden Ursprung versehieden sei oder "real", Aufsatz aueh betont wird, "wir kritisieren oder verwerfen die bisherige Lehre von der
konne vielleieht offenbleiben; aber die Annahme, es handele sieh bei Gott um real ver­ Trinitlit im Ursprung nicht" (ebd. 215), seheint er mir wegweisend zu bleiben.
sehiedene Personen, sei "um vieles vernünftiger" und konne "mit hinreiehend wirksa­
mem Grund" bewiesen werden.
112 A. Staudenmeier, Hegels Vorlesung über die Philosophie der Religion, ND, in: Die
Flueht in den Begriff, hrsg. von F. W. Graf, Stuttgart 1982, 106.
113 H. Pfeil, Die Frage naeh der Verlinderliehkeit und Gesehiehtliehkeit Gottes, in:
MThZ 31 (1980) 1-23, bes. 21. - Zwar hat Pfeil die liltere Tradition für seine Auffas­
sung für sieh, aber seine radikale Ablehnung von Neuanslitzen vermag mi eh nieht zu
überzeugen. So verdeutlieht er Gottes reale Beziehungslosigkeit damit, daJ3 aueh die
Sonne nieht verándert und tangiert wird, ob man sieh von ihr erwlirmen IliBt oder sieh
in den Sehatten stellt (ebd. 14), als ob es keine wirkliehe Zuwendung des Gottes der
Liebe zu seinen Geschopfen gábe. Der Versueh, aueh bei der Mensehwerdung des Lo-

176 177
N achbemerkung I 1), also "etwas durch die Tatigkeit (des Erkennens) Konstituiertes"
(POL 8, 1). Hoffmann verkennt diese thomistische Lehre, indem er
Bereits vor Drucklegung meines Referates hat A. Hoffmann in ei­ suarezianisch den Erkenntnisakt einen "vitalen und immanenten
nem Aufsatz die von mir vertretene These kritisiert, nach Thomas Akt" nennt, dessen Terminus (der nach dem frühen Thomas und
von Aquin sei der Hervorgang des Wortes in Gott notwendig und so­ nach Suárez vom Akt nicht real verschieden ist) "das Wort des Gei­
mit eine philosophische Wahrheit, weil Erkennen, als inneres Spre­ stes, die species expressa ist" (220). Thomas gebraucht den Aus­
chen verstanden, ohne das Hervorbringen eines inneren Wortes druck "species express a" nie'. Wenn Thomas aber seine ursprüngli­
nicht gedacht werden kann l. Waren Hoffmanns Argumente stich­ che Verbum-Lehre aufgegeben hat, ist es nicht auszuschlieísen, dañ
haltig und seine Belege ausgewiesen, würde ich mit der Publikation er auch seine Auffassung über das verbum in Gott geandert hato
einer bereits widerlegten These nur meine Irrtümer publik machen,
vielleicht gar Unbelehrbarkeit dokumentieren. Aber dieser Kritik ist 2. Diese Entwicklung der thomistischen Verbum-Lehre hatte ich im
folgendes entgegenzuhalten: Referat als bekannt vorausgesetzt (Anm. 108 wird aber darauf ver­
wiesen). Deshalb sind die von Hoffmann aus dem Frühwerk ange­
1. Nach Hoffmann widersprechen die von mir angeführten Texte, führten Belege keine Instanz gegen meine These. Nicht um der
nach denen der Hervorgang des Wortes universal und notwendig je­ Metakritik, sondern um des sachlichen Problems willen weise ich
dem Erkennenden zukommt, der von Thomas "in seiner ganzen lite­ aber darauf hin, dal3 es zwar Ver. 4, 2, 8, nicht aber Ver. 4, 2, 5 um das
rarischen Tatigkeit" ausdrücklich gelehrten Unzuganglichkeit der anstehende Problem geht. Hier wird námlich der Unterschied vom
Trinitat für die natürliche Vernunft (217). Ein solcher Widerspruch sprechenden, das Wort bildenden ("notionalen") und "essentialen"
sei Thomas nicht zuzutrauen, weshalb die von mir angeführten Stel­ Erkennen, das nicht wiederum ein Wort bildet, erortert, Gerade
len anders zu interpretieren seien. Bei dieser Argumentation blendet wenn man in Gott ein sprechendes, sein Wort bildendes Erkennen
Hoffmann ein sonst gar nicht mehr kontroverses Ergebnis der histo­ ansetzt, in dem sich der eine Gott als Vater und Sohn konstituiert,
rischen Thornas-Forschung aus, daf Thomas namlich seine Ver­ mu13 doch auch gesagt werden, dal3 der Sohn, indem er sich und sich
bum-Lehre erst bei der 3. Redaktion von S. c. G. 1, 53 endgültig als den einen Gott erkennt, nicht wiederum ein Wort erzeugt. Nur
erarbeitet hat-. Wahrend Thomas im Frühwerk unter verbum (con­ dadurch ist er ja, sonst vollig mit ihm identisch, vom Vater unter­
ceptio) "die Tatigkeit selbst, die Erkennen ist", oder die "species" schieden (S. C. G. IV, 13, Videtur tamen). AIso muñ notionales und
verstanden hatte, "die Áhnlichkeit der erkannten Sache ist" (1 Sent. essentiales Erkennen unterschieden werden, wobei auch unter Vor­
27,2,2, sol. 1), ist nach seiner endgültigen Lehre - im Widerspruch aussetzung der Realverschiedenheit des Vaters, dem das notionale
dazu - das verbum weder der Akt noch die den Intellekt aktuierende Erkennen eigen ist, vom hervorgebrachten Wort gesagt werden muñ,
species, sondern "der Terminus der erkennenden Tatigkeit (S. c. G. 1, in Gott seien "Intellekt, Erkanntes (intellectum) und Erkennen iden­
53), die vom lntellekt "geformte intentio intellecta" (ebd.), "das, was tisch" (Ver. 4, 2, 5). Darüber dürfte es mit meinem verehrten Kritiker
der Intellekt in sich von der erkannten Sache konzipiert" (ebd. IV, keinerlei Dissens geben.

1 1st der Hervorgang des Wortes beweisbar? Bemerkungen zu S. Th. 1 27, 1 und 1 32, 1,
3. Der von Hoffmann vorgelegten Interpretation von S. Theol. 1, 27,
in: MThZ 34 (1983) 214-223. (Im Text wird durch Angabe der Seitenzahl zitiert.)
2 Vgl. L.-B. Geiger, Les rédactions successives de contra Gentiles 1,53 d'aprés l'autogra­ l (222) vermag ich jedoch nicht zu folgen. Auch in diesem Artikel, in
phe, in: Saint Thomas d'Aquin aujourd'hui, in: Rech. Phi!. 6 (Paris (963) 221-240. - dem es heiñt, in jedem Erkennenden gebe es gemaís dem Wesen des
Grundlegend zum Problem bleibt H. Paissac, Théologie du Verbe. Saint Augustin et
Erkennens einen Hervorgang des Wortes, erklare Thomas - so Hoff-
Saint Thomas (Paris 1951). Bereits 1930 hatte M. Schmaus in seinem Werk: Der liber
propugnatorius des Thomas Anglicus, Il, 1 (= Baeumker-Beitráge, Bd. XXIX)
620-625, diese Lehrentwicklung des Aquinaten dargesteUt. J Vgl. H. Paissac, a.a.O. (Anm. 2) 207 (was der .Jndex Thornisticus" bestátigt).

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mann-, "das Hervorgehende konne als ganz Inneres und ohne Ver­ Grenzen gesetzt. Was "vermutet", als "plausibel angenommen" wer­
schiedenheit von seinem Ursprungsprinzip (dem Vater) aufgefaI3t den kann, mul3 ja zumindest móglich sein. Suárez aber hat gelehrt,
werden (Zu 3)". Der Text besagt jedoch genau das Gegenteil: "Her­ "daf3 das Geheimnis der Trinitat nicht unmoglich ist, kann nicht po­
vorgehen vom Prinzip als etwas (diesem) Aufserliches und (von ihm) sitiv bewiesen werden'".
Verschiedenes (wie das Haus dem Baumeister auñerlich und von
ihm wesensverschieden ist), widerstreitet dem Wesen des ersten 5. In Pot. 8,1,12 bringt Thomas, wie auch Hoffmann bemerkt, nicht
Prinzips: aber Hervorgehen als ganz Inneres und ohne Verschieden­ mehr die frühere Begründung für die Unerkennbarkeit des Hervor­
heit (des Wesens), auf intelligible Weise, gehort zum Begriff des er­ gangs des gottlichen Wortes, sondern verweist auf "die Weise des
sten Prinzips" (ad 3). So ist auch nach dem Herausgeber der güttlichen Erkennens", die wir nicht zureichend erkennen konnen.
Marietti-Ausgabe dieser Text zu verstehen. Er merkt an: "Im ersten In der folgenden Quaestio (9,5), die Hoffmann zwar auch zitiert, lei­
Prinzip selbst muI3 sich (necesse est reperiri) irgendein solcher Her­ der aber nicht anführt, erlautert Thomas nun, inwiefern wir das un­
vorgang finden, durch den etwas von ihm hervorgeht und in ihm begreiflich bleibende góttliche Erkennen nicht zureichend erfassen.
bleibt." Hoffmann versteht "absque diversitate" nicht vom folgen­ Zwar sei es notig (oportet), in Gott "die Konzeption des IntelJekts
den Satz her als Wesensverschiedenheit, sondern als Negation auch anzusetzen, die absolut zum Wesen dessen gehort, was Erkennen
der Realverschiedenheit einschlieñenden Ursprungsrelation. Das ist". Aber wegen der Verschiedenheit des gottlichen Erkennens von
hat im Text keinen Anhalt. unserem Erkennen und des gottlichen Wortes von unserem Wort
konnten wir, statt eine unmittelbar affirmative Aussage darüber zu
4. Was Hoffmann aus Pot. 8, 1, ad 12 anführt, ware freilich eine ge­ machen, was und wie Erkennen und Wort in Gott sind, nur erken­
wichtige Instanz gegen meine Interpretation, stünde dort wirklich nen, was das gottliche Erkennen und das Wort in Gott nicht sind.
das und nur das, was Hoffmann gemáf seiner Deutung aus diesem Gernaf diesem seinen bekannten Grundsatz aus der Gotteslehre, bei
Text anführt. Nach Hoffmann erklart Thomas hier, die Vernunft dessen Anwendung der Existenzbeweis vorausgesetzt ist, legt Tho­
konne die Konzeption des Wortes in Gott "nicht hinreichend bewei­ mas nun dar, daI3 Gottes Wort im Unterschied zu unseren vielen
sen" (221 f.; Auszeichnung im Text). Thomas sagt aber, die Vernunft Wórtern "nur eines ist", schlechthin vollkornrnen "alles reptasen­
konne das "nicht hinreichend erfinden (invenire)" und "nicht hinrei­ tiert" und im Unterschied zu unseren Wórtern, die nicht unser natür­
chendbeweisen (probare)" (Auszeichnung von mir). Dal3 es auf das liches Wesen sind, "dasselbe Wesen und dieselbe Natur" wie der
"nicht sufficientet" ankommt, zeigt der von Hoffmann einfach aus­ konzipierende gottliche Intellekt, wie Gott als sagendes Prinzip, be­
gelassene Folgesatz: "Aber aus dem, was in uns ist, konnen wir es ir­ sitzt.
gendwie durchs Áhnliche annehmen (conjecturare)". Eine zurei- Das ist nun, soviel ich sehe, der eindeutigste Beleg aus dem Werk
. chende Invention und Demonstration wird also verneint, eine - um des Aquinaten für die Notwendigkeit, auch in Gott den Hervorgang
den entsprechenden thomistischen Fachausdruck zu verwenden - des Wortes "anzusetzen" (ponere). Weitere StelJen aus dem Spat­
"dialektische" ("topische") Invention und Argumentation ist jedoch werk anzuführen und zu interpretieren, ist hier nicht der Orto Aber
zu erbringen. wichtiger noch als alJe diese Aussagen über die notwendige Zusarn­
Für eine "systematische" Aneignung der thomistischen Lehre be­ mengehorigkeit von Erkennen als innerem Sprechen und dem von
darf es kaum mehr als der damit ausdrücklich zugestandenen Ratio­ ihm gebildeten Wort dürfte die Tatsache sein, daI3 Thomas erstmals
nalitát. Denn wer konnte die von Thomas hier vorausgesetzte
4 Suárez, De sanctissimo Trinitatis mysterio, 1, 2 (Opera omnia, Vives) J, 537. - Bemer­
aristotelische Methoden-, Wissenschafts- und Beweislehre noch als kenswert ist die Begründung: Würde die Trinitat als moglich bewiesen, wáre, weil nach
alJein mal3geblich ansehen! Die spatere Scholastik und weithin auch Aristoteles im Bereich des Ewigen Wirklichkeit und Móglichkeit (esse et posse) iden­
tisch sind, zugleich ihre Wirklichkeit bewiesen, was aber nicht sein kónne,
die ihr folgende Neuscholastik haben der Vernunft aber weit engere

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in der Geschichte der Metaphysik neben der Lehre vom Seienden
als solchen als Teilbereiche der Wirklichkeit (partes entis) von Natur
aus Seiendes (ens naturae), vom Intellekt hervorgebrachtes gedach­
tes und vorgestelltes Sein (ens in anima) und durch Freiheit wirkli­
ches "moralisches Sein" (esse morale) angegeben und auch von den WALTER STROLZ
Artefakten unterschieden hato Macht man sich diese vom Schultho­
mismus nie rezipierte originare Metaphysik des hl. Thomas zu eigen, Heilswege der Weltreligionen
wird man zu einer trinitarischen Ontologie geführt, wie ich sie skiz­
ziert habe und von der ich hoffe, daís sie sich in der notwendigen kri­ Band 1
tischen Diskussion als historisch und sachlich begründet erweisen Christliche Begegnung mit Judentum und Islam
kann.

Ein leidenschaftlich-engagiertes, aktuelles, offenes und zukunfts­


weisendes Pladoyer für die Gemeinsamkeit der groüen Religionen:
nicht Konkurrenz untereinander ist die Forderung der Stunde, son­
dern Besinnung auf das gemeinsame Ziel, in der weitgehend sakula­
risierten Welt den Glauben an Gott lebendig zu bezeugen. Walter
trolz hatjahrzehntelang Gesprache mit Vertretern anderer Religio­
nen geführt. Er kennt das Einende so gut wie das Trennende. In die-
em Buch lotet er das Gemeinsame neu aus, verschweigt aber auch
nicht das Unterscheidende der drei monotheistischen Religionen.
Hautnah und in einermitreiñenden Sprache nimmt er den Leser mit
hinein in einen spannenden und engagiert ausgetragenen Dialog.
Wem die Zukunft der Religion und des Religiüsen am Herzen liegt,
der darf an diesem Buch nicht vorbeigehen.

192 Seiten, gebunden, Bestell-Nr. 20111

VERLAG HERDER FREIBURG . BASEL . WIEN

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