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Das Kunstmagazin der ZEIT

Nº104 August 2015     Seit 1930

Sehnsuchtsorte: Wie Schlösser unsere Fantasie beflügeln

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SFR 20,– (CH)
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James Turrell Lichtmagie für Houghton Hall Walt Disney Inspiration Neuschwanstein
Modefotogra�e Ein Sammelgebiet zwischen klassischer Eleganz und Punk
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17–20 September 2015

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Luckenwalder Straße 4–6
10963 Berlin

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UNSER
TITELBILD
TITELBILD: Massimo Listri; Bilder rechts: Marka/UIG via Getty Images; Massimo Listri

Jeder Neapelbesucher kommt durch diesen überlassen hatte, ein neues Domizil. Damit blau-weißen Wedgewood-Stil. Bei Massimo
Saal, denn schließlich ist im Museo Nazionale ist Capodimonte eines der ältesten Museen Listri wirkt das selbst wie gemalt, eingefro-
di Capodimonte eine der schönsten Gemäl- Europas. 1759 wurde Karl spanischer König, ren in magischer Perfektion, von kostbarer
desammlungen der Welt zu erleben. Außer- da war Capodimonte innen nur halb vollen- Künstlichkeit überzogen.
dem lässt sich kein Kunstreisender das Ge- det. Erst in den 1830er-Jahren erhielt der Fest- Der italienische Fotograf lehrt uns,
samtkunstwerk der Bourbonen-Residenz saal seine klassizistische Ausschmückung Schlösser und Paläste, Galerien und Prunk-
hoch über der Stadt entgehen. Aber die we- mit Akanthus-Bordüren und einem Fries im bibliotheken auf neue, intensive Weise wahr-
nigsten, die sich die Meisterwerke von Bruegel zunehmen. Auf seinen großformatigen Fotos
und Botticelli, Mantegna und Raffael, den erscheinen die Innenräume in fast unwirk-
reichen Tizian-Bestand und die Parade all der licher Makellosigkeit. Sie öffnen sich so weit,
neapolitanischen Barockmaler anschauen, wie wir sie mit unseren eigenen Augen gar
haben da noch Augen für den Festsaal. Vor nicht aufnehmen können; und die Flucht­
allem sehen sie ihn nicht mit den Augen des linien der akribisch zentrierten Perspektive
Fotografen Massimo Listri. ordnen sich wie in einem Renaissancebild.
König Karl VII. von Neapel, Spross der Im Kunsthistorischen Museum in Wien ist
spanischen Bourbonen, ließ sich die Resi- derzeit eine Ausstellung von Listris Fotogra-
denz ab 1738 von Giovanni Antonio Medrano fien zu sehen (ab Seite 44). Für unser Schlös-
erbauen. Hier fand die berühmte Farnese- ser-Spezial wollten wir uns das natürlich
Sammlung, die ihm seine Mutter Elisabetta nicht entgehen lassen.  SEBASTIAN PREUSS

3
INHALT
Kolumnen
Kunst im Schloss S. 32
10
Drei Wünsche
Josef Scharls Meeransicht,
Sommergefühle von Carl Krall,
Krabbenscheren als Manschetten

12 Die Marktfrau
Das geplante Kulturgutschutz-
gesetz schädigt den Handel

14 Heimliche Zwillinge
Ein Selbstporträt von Gauguin
und Schauspieler Armin Rohde

Kritikerfrage
Was ist Ihr Traumziel für Ferien
mit Kunst?

Bilder: Jan Brockhaus; Eugeni Aguiló; Sotheby’s



16 Hand des Meisters
Edler Dachs: Rasierpinsel von
Mühle aus dem Erzgebirge

Die großen Geschichten


22 SCHLOSS SPEZIAL 52 Akt des Sehens
Der berühmte Lichtkünstler
24
Der Burgherr geht im Interview: James Turrell
Konrad O. Bernheimer verlässt über neue Projekte, Demokratie,
Was passt zu … S. 18 seine Burg am Chiemsee: Für Quäker und Flugzeuge
den Verkauf sorgt Sotheby’s, wo

auch das Inventar versteigert wird 56 Barockes Universum
Über den Dächern von Gotha:
32 Kunst am Prachtbau Auf Schloss Friedenstein wird
Die schönsten Ausstellungen des die höfische Kultur lebendig
Sommers: In Europas Schlössern
trifft eindrucksvolle Architektur
Bernheimers Burg S. 24
auf die Kunst der Gegenwart

40 Ich bau’ mir ein Schloss …


Walt Disney, Micky-Maus-Vater
18 Was passt zu … und Filmproduzent, kupferte
Walton Ford? bei König Ludwig II. ab:
Neuschwanstein wurde zum
20
Was haben Sie gesehen, Vorbild für seine Freizeitparks
Herr Obrist?
Das Projekt 89plus, Twitter als 44 Das Publikum bin ich!
neue Form der Poesie, die »Babel«- Seit über 30 Jahren fotografiert
Ausstellung im Moderna Museet Massimo Listri menschenleere

in Stockholm und Simon Denny Paläste und Galerien
xx Rettung der Malerei S. 28

4
Agenda
86 Nachrichten 100 Kunsthandel
Pläne fürs Guggenheim Museum Die Galeristen Anita Beckers und
in Helsinki vorgestellt, Berlin Frank Landau kooperieren
bekommt KPM-Vase, Städel
erhält Grimme-Online-Award, 102 Stilkunde
gestohlene Miniatur kehrt nach Kammerherrenschlüssel
Hildesheim zurück
104 Auktionen
Personalien 41. Ahrenshooper Kunstauktion,
Joëlle Romba, Mary Rozell, Kunst und Antiquitäten bei Mehlis
Wolfgang Eiermann, Peter
Friese, Michael Eissenhauer, 106 Kunststück
Moritz von der Heydte »Himmelfahrt Mariens« (um 1596/97)
von Guido Reni in Frankfurt a. M.
87 Hammerpreise
xxmshaw S. 49
Automatenuhr, Rekordwerk
von Uecker, Jugendstilbrosche

Sammlerseminar S. 70 88 Ein Leben für die Leinwand


Eine Ausstellung erinnert an
die »Meister-Sammlerin«
60 Schau mich an! Karoline Luise von Baden
Die »Ehe auf Probe« der beiden
Fotografen Tina Modotti und 90 Ausstellungen
Edward Weston – der zweite Teil Bayerisches Nationalmuseum
Bilder: Horst Estate/Courtesy of Bernheimer Fine Art Photography; Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; Bayerisches Nationalmuseum München

unserer Serie »Die schönsten eröffnet neuen Barockflügel,


Liebesgeschichten in der Kunst« moderne Kimonos, dreimal
Bernard Schultze, Erwin Wurm,
70 Sammlerseminar Lea Lublin, Galina Balaschowa,
Kunst oder Werbung? Auf jeden unvollendete Werke in London
Fall ist Modefotografie ein
facettenreiches Sammelgebiet 96 Messen
20 Jahre Bamberger Kunst-
80 Glossar und Antiquitätenwochen
Schauen, kennen, kaufen »Die Meister-Sammlerin« S. 88
98 Schaufenster
82 Thurn und Taxis Fragebogen Bernd Zimmers Gemälde
Zilla Leutenegger über Basel »Reflexion« (2009) 110 weltkunst bei ...
Pinakothek-Party in München,
Empfang der Liechtensteinischen
Botschaft in Berlin, Breguet lädt
ein zur Gedenkfeier in Waterloo

114 Bild meines Lebens


Wolfgang Joop über das Gemälde
»Cloud Number 7« – eine ­
Eigenproduktion des Modedesigners

6 Editorial
8 Impressum
9 Mitarbeiter des Monats
112 Termine
113 Vorschau
Ausstellungen S. 90

5
EDITORIAL

Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
willkommen zu unserer sommerlichen Schlösser­
ausgabe. August soll ein Monat der Ausflüge
sein, und so haben wir einige besonders schöne

Bilder: Wolfgang Stahr; Hugo Glendinning/Image courtesy of the artist and Houghton Hall
Ziele für Sie herausgepickt, von Gotha bis Ver­
sailles, vom englischen Strawberry Hill bis zu
Capodimonte in Neapel.
Houghton Hall, ein Juwel palladianischer
Architektur in Norfolk, ist seit Kurzem buch­
stäblich in anderem Licht zu sehen. Der ameri­
kanische Lichtkünstler James Turrell taucht das ten Sinne des Wortes eine weitere Dimension.
Schloss (wie unten abgebildet) mit Beginn der Später war ich hingerissen von seinem »Sky­
Dämmerung in neue Farben – ein quasi psyche­ space« im PS1, einer ehemaligen Schule im New
delisches, aber dabei ganz stilles Spektakel. Mei­ Yorker Stadtteil Queens, die mittlerweile zu ei­
ne erste Begegnung mit einem seiner Werke hat­ nem Außenposten des MoMA geworden ist. In
te ich während eines Praktikums im Museum einem schmucklosen Raum laden Bänke zum
für Moderne Kunst in Frankfurt. Ich erinnere Verweilen ein. Der Blick geht nach oben, wo
mich noch genau, wie wir bei einer Führung man eine Decke vermutet. Aber das Dach ist of­
durch die Sammlung in einen dunklen Raum fen, und was man sieht, ist der Himmel, den
kamen, in dem auf einer Wand ein rechteckiges man durch diesen Ausschnitt ganz anders wahr­
Farbfeld intensiv leuchtete. Der Kurator sprach nimmt als sonst. Dort sitzt man dann mit ande­
über Turrell und streckte dann unvermutet den ren Menschen, legt den Kopf in den Nacken und
Arm in das leuchtende Bild – wir Praktikanten bewundert die Schönheit der Wolken. Oder
zuckten zusammen und erkannten da erst, das staunt, wenn eine Schwalbe den Bildraum
nicht nur die Fläche leuchtete, sondern ein gan­ durchkreuzt wie ein kleines Wunder.
zer Raum dahinter. So eröffnete sich im wahrs­ In der Zürcher Galerie Häusler Contempo­
rary läuft bis 15. August Turrells Ausstellung
»From the Guggenheim, Aten Reign« – und Ber­
lin kann sich über eine dauerhafte Installation
auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof freuen.
Es war ein großes Vergnügen, diesen in sich ru­
henden, gebildeten Mann zu treffen, der über
seine Jugend als Quäker ebenso sprach wie über
das Restaurieren alter Flugzeuge (S. 52)
Genießen Sie den Sommer!

Ihre Lisa Zeitz


Chefredakteurin

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mit dem originalem facettiertem Spiegelglas. Bayreuth um 1760.
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Bamberger Antiquitätenwochen vom 21. Juli 2015 bis 21.August 2015.


Highlights Internationale Kunstmesse München, 28. Oktober 2015 bis 1. November 2015.
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Westfalen: Medienkontor Dr. Silvia Weiss,
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Diamanten & Farbsteine 27. August Bonn: Dr. Peter Dittmar Torsten Bastian, torsten.bastian@zeit.de
Den Haag: Do­rothee von Flemming Jan Menssen, jan.menssen@zeit.de
Antiker & Moderner Schmuck 28. August Dresden: Dr. In­g rid Koch
Frankfurt: Dr. Bettina Erche, Christian Huther DRUCK Neef + Stumme, Schillerstraße 2,
Classic Cars 28. August London: Dr. Mat­t hias Thibaut 29378 Wittingen
Paris: Dr. J. Emil Sennewald
Antiquitäten · Kunst · Möbel 29. August New York: Dr. Barbara Kutscher LITHOS twentyfour Seven
Venedig: Petra Schaefer Creative Media Services GmbH
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Die ist seit 1930 die führende Zeitschrift


der deutschen Kunsthändler. Sie ist das Leitmedium
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und des Bundes­verbandes des Deutschen Kunst– ABONNENTENSERVICE/
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Telefon (06234) 8011- 0 · w ww.henry
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sind urheberrechtlich geschützt. Mit Aus­nahme der
gesetzlich zuge­lassenen Fälle ist eine Ver­wertung
ohne Ein­­w il­ligung des Ver­lages strafbar.
MITARBEITER
DES MONATS
Nadine Barth
Sie hat zahlreiche Fotobücher herausgegeben, Aus-
stellungen wie »Traumfrauen« und »Traummän-
ner« kuratiert, Kolumnen geschrieben, für Maga-
zine gearbeitet, Events organisiert und sich so in
der Fotoszene einen gewichtigen Namen gemacht.
Dabei gilt ihre besondere Vorliebe der Modefotogra-
fie, der wir diesmal unser »Sammlerseminar« wid-
men (S. 70). Für ihren Artikel konnte Nadine Barth
auch auf eigene Erfahrungen zurückgreifen –
schließlich leitete sie in Hamburg und Berlin die
erste deutsche Galerie für dieses Segment.
Bilder: Dorothea Tuch; privat (2)

Peggy Seelenmeyer
Die 27-jährige Berlinerin studiert visuelle Kommunika­
tion und unterstützt als freie Grafikerin immer wieder un-
sere Redaktion und auch die unseres Schwesterblatts
Kunst und Auktionen. Dabei profitieren wir von ihrem
guten Gespür für Typografie und Gestaltung. Im Monat
August steht für sie erst einmal eine Reise nach New York
an: Dort wird sie Interviews führen, die in ihre Bachelor-
Arbeit über Frauen im Grafikdesign einfließen.

Bastian Eclercy
Seit Anfang 2014 ist der promovierte Kunsthistoriker aus
Donaueschingen als Kustos für italienische, französische
und spanische Malerei am Städel in Frankfurt tätig. Be-
sonders freut er sich über den kostbaren Neuzugang, den
der Städelsche Museums-Verein zum 200. Geburtstag
stiftete: Guido Renis »Himmelfahrt Mariens« vom Ende
des 16. Jahrhunderts (S. 106). Derzeit arbeitet Eclercy an
einer Ausstellung zum Florentiner Manierismus, die
nächstes Jahr im Städel zu sehen sein wird.

9
DR E I W Ü N S C H E

Sie finden die Kunstmarktpreise oft schwindelerregend?


Wir stellen Ihnen Objekte für unter 10 000 Euro vor

4000 €
Meeresrauschen
In München geboren, emigrierte der Expres-
sionist Josef Scharl, der den Nazis als
»ent­artet« galt, 1938 in die USA. Die Gouache
»Strand vor welligem Meer« entstand im
Jahr darauf. Wir haben sie jetzt in der
Berliner Galerie Nierendorf (030 8325013)
gesehen, die dem Künstler schon 1933 seine
erste Einzelausstellung ausgerichtet hatte.

Bilder: Kunsthandel Hieke; Galerie Nierendorf; Otto Jakob


5800 €
Badevergnügen
So elegant badete man vor hundert Jah-

8400 
ren. Im Badeanzug und mit passender
Haube ging es ins kühle Nass. Der Kunst-
handel Hieke in Wien (+43 1 5133259) zeigt

das Bild »Im Strandbad« (Mischtechnik
auf Karton, 50 x 40 cm) mit anderen Wer-
ken des Wiener Malers Carl Krall, der in
den Zwanzigerjahren als Werbegrafiker Krabbenscheren
erfolgreich war: eine Wiederentdeckung! Die Manschettenknöpfe in Form von Scheren einer Geisterkrabbe
ergänzen den mediterranen Look. Die Schmuckstücke in Weißgold
schauen aber nicht nur hübsch aus, sondern haben es in sich:
Durch eine Federmechanik schließt sich die Schere. Der Schmuck-
künstler Otto Jakob in Karlsruhe (0721 855911) hat sie entworfen.

10
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Kunsthandel

Historisches Klavier www.senger-bamberg.de


David Roentgen (1743 Herrnhaag – 1807 Wiesbaden) Karolinenstr. 8, 10, 14
und Peter Kinzing (1745 Neuwied – 1816 Mannheim) 96049 Bamberg
Neuwied, um 1785 Tel. +49 (0) 951 540 30
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und Rosenholz, feuervergoldete Messingbeschläge, Auch im Ankauf eine 2015
signiert: “Roentgen et Kinzing. à Neuwied sur le Rhin” sehr gute Adresse!
BAMBERGER
Maße: Höhe: 81.5 cm, Breite: 160 cm, Tiefe: 71 cm KUNST UND
ANTIQUITÄTEN
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Das Objekt zählt zu den seltensten Stücken aus Roentgens Werkstatt; WOCHEN
weltweit sind heute nur noch fünf Exemplare erhalten.
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21.Juli - 21.August
er g

Sie gehören zu den Glanzlichtern musealer Sammlungen. Hier scannen und an


er-

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das Klavier zusammen uita
eten.
de
Provenienz: Palazzo Reale, Palermo mit Katharina Königsfeld erleben!
DI E M A R K T F R AU

Staat und Kunst


Die geplante Novelle des Kulturgutschutzgesetzes könnte den deutschen
Kunstmarkt weiter schwächen. Dagegen formiert sich Widerstand

Bild: Clemens Bilan/Bundesregierung; Pablo Castagnola


Ist der deutsche Kunsthandel bald so ermattet wie diese Schönheit?
Einiges an den Vorhaben von Monika Grütters spricht dafür

enn eine kunsthistorisch ver- prüfung an. Dabei sollen museale wie private bei Leihgaben in eine Museumsschau entge-

W sierte Politikerin wie Kultur-


Staatsministerin Monika Grüt-
ters (CDU) eine Novelle des
Bestände systematisch erfasst werden. Per-
sönlichkeitsrechte und Datenschutz scheinen
hier keine Rolle mehr zu spielen. Eine solche
hen will, wird seine Sammlung womöglich
außer Landes bringen. Etwa nach dem Vor-
bild einiger deutscher Galerien, die längst
Kulturgutschutzgesetzes plant, müsste das Einzelfallprüfung würde die Bürokratie auf- ganz oder teilweise aus der Schweiz agieren,
neue Gesetz, sollte man meinen, umsichtig blähen. Beamte und (konkurrierende) Gale- weil dort die Mehrwertsteuer nur bei 8 Pro-
und gerecht sein. Doch obwohl es bislang risten hätten zu entscheiden. Doch wer defi- zent liegt und keine Folgerechte gezahlt wer-
nur als geheime Verschlusssache im Büro der niert die Ermessensgrenzen dieser Experten den müssen. Die Gewerbesteuern renom-
Ministerin liegt, versetzen die nach außen ge- in der Frage, was national schützenswert sei? mierter Galerien wie Dierking, Gmurzynska,
sickerten Pläne die Branche in Aufruhr. Wer kalkuliert den behördlichen Zeitauf- Greve oder Sprüth Magers sind ja bereits
Sammler, Galeristen und Versteigerer be- wand, der Monate dauern kann? Marktpreise ganz oder teilweise verloren. Aber auch Erlö-
trachten die beabsichtigten Veränderungen sind volatil und vor allem international zu er- se aus der Erbschaftssteuer auf in Deutsch-
als geradezu ruinös für den Kunsthandel in mitteln. Wenn künftig bestimmte Werke, die land verbliebene Sammlungen von nationa-
Deutschland, der eh schon mit Wettbewerbs- als national wertvoll eingestuft wurden, nur ler Wichtigkeit würden sinken, und bei
nachteilen zu kämpfen hat (19 Prozent Mehr- noch im Inland verkauft werden dürfen, fortschreitendem Austrocknen des deut-
wertsteuer, Folgerecht, Künstlersozialabgabe). käme das, so ein Kritiker der Novelle, einer schen Kunsthandels auch jene Steuern, die
Die Novelle des Kulturgutschutzgeset- Wertminderung von 90 Prozent gleich. Ein im Handel und auf Messen zu entrichten
zes verfolgt zwei Stoßrichtungen. Beim Im- prominenter deutscher Sammler, der viel von sind. Seriöser Kunsthandel versteht sich
port von Antiken sollen Ausfuhrgenehmi- Kunst und von Jurisprudenz versteht, hält nicht als Gegner, sondern als Garant des Kul-
gungen des Herkunftslandes belegen, dass diesen Eingriff in die Freiheit des Handels für turgutschutzes. Es ist fünf vor zwölf, um für
die Kunst nicht aus Raubgrabungen stammt. einen glatten Verstoß gegen EU-Recht. das Beste einzutreten – für die Kunst und den
Beim Export von Kunst (darauf wollen wir In den Prüfverfahren in Bundestag und Staat. Nix für ungut, Ihre Marktfrau ×
uns diesmal konzentrieren) soll künftig nicht Bundesrat wird es darauf ankommen, dass
mehr nur die Liste national wertvollen Kul- die Vertreter der Politik nicht einer Milch- Susanne Schreiber
turguts klären, ob ein Werk verkauft oder mädchenrechnung erliegen. Große Sammler ist Redakteurin des
ausgeliehen werden darf. Für Gemälde, die haben nicht nur einen Wohnsitz in Deutsch- Handelsblatt und betreut
50 Jahre oder älter und über 150 000 Euro wert land, sondern auch in London oder New dort seit vielen Jahren
sind, strebt Monika Grütters eine Einzelfall- York. Wer drohender Ausspionierung schon den Kunstmarkt

12
Jubi läumsauktion 40 Jahre
726 | Sammlerteppiche & Ethnologica
8. S eptember 2015

Mit ausgewählten Teppichen aus der Sammlung


Gert K. Nagel, Stuttgart

V.l.n.r. (Details): Alpan Kuba, Kaukasus, 19. Jahrhundert, 306 x 109 cm | Susani Stickerei, Usbekistan, um 1900, 227 x 153 cm
Tekke Zeltband, Turkmenistan, um 1900, 1200 x 32 cm | Kirman 77 m2 Palastteppich, Persien, Anfang 20. Jahrhundert, 1270 x 605 cm

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H E I M L IC H E Z W I L L I N G E

Bilder: Paul Gauguin/Fondation Beyeler 2014, Switzerland; picture alliance/ZB/dpa; Frank Röth/F.A.Z.
Paul Gauguin  Armin Rohde

370 000 Besucher sahen die Gauguin-Ausstellung in der


Fondation Beyeler – ein Rekord. Wie vielen von ihnen ist wohl
die verblüffende Ähnlichkeit zwischen dem Selbstbildnis
aus dem Jahr 1893 und dem Schauspieler Armin Rohde aufge-
fallen? Wir danken Ulrich Menke aus Nürnberg für den Tipp!
Weitere Hinweise gern an bildredaktion@weltkunst.de

K R I T I K E R F R AG E

Ihr Traumziel für Ferien mit Kunst?

Samuel Herzog Kia Vahland Niklas Maak Lindsay Pollock Hanno Rauterberg
Neue Zürcher Zeitung Süddeutsche Zeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung Art in America DIE ZEIT

Natürlich Venedig! Nicht Viele Traumziele wie New York: Nirgendwo Es gibt so viele Reiseziele, Es ist Frankreichs größtes
nur wegen der zentralen Palmyra in Syrien sind liegen umwerfende Strände von denen ich träume, aber Privatmuseum und doch
Biennale-Ausstellung, vor nicht mehr bereisbar, und entsprechende Kunst ehrlich gesagt hätte ich am so gut wie unbekannt: das
allem auch wegen der andere wie Machu Picchu so dicht beieinander wie liebsten einmal eine Woche Musée des Arts Populaires
vielen, über die ganze Stadt ganz schön weit weg. hier zwischen Velázquez in New York für mich. in Laduz. Rund 100 000
verteilten Länderpavillons Warum also nicht: Europa! (im Metropolitan Museum) Endlich Zeit für die volkskundliche Objekte
und Nebenschauplätze. und Fire Island, zwischen fantastischen Museen in in einem burgundischen
Eine Gelegenheit, diese Rothko (MoMA) und meiner eigenen Stadt. Dörfchen – ein wahres
Stadt neu zu entdecken. Rockaway Beach Ziel der Träume!

14
31. Mai – 4. Okt. 2015

Skulpturen in Bad Homburg


und Frankfurt RheinMain
in Zusammenarbeit mit dem Middelheimmuseum, Antwerpen, Belgien
Bad Homburg – Burg Eppstein – Darmstadt – Eschborn – Frankfurt
Hessenpark – Kastell Saalburg – Kloster Eberbach – Kronberg
Philip Aguirre y Otegui | Arman | Alice Aycock | Caroline Coolen | Leo Copers
Anton Cotteleer | Luc Deleu | Wim Delvoye | Bart Van Dijck | Filip Gilissen
Kati Heck | Sean Henry | Gerard Herman | Nick Hullegie | Peter Kiefer | Jef Lambeaux
Giacomo Manzù | David Nash | Nadia Naveau | Werner Pokorny | Peter Rogiers
Iris Le Rütte | Sophie Ryder | Robert Schad | Lieven Segers | Arie Van Selm
Joana Vasconcelos | Bernar Venet | Henk Visch | Auke de Vries | Peter Weidenbaum
Franz West | Erwin Wurm

www.blickachsen.de

Veranstalter: Stiftung BLICKACHSEN gGmbH


Stiftung Blickachsen gGmbH Bad Homburg v.d.Höhe

Magistrat der Stadt Bad Homburg v.d.Höhe


Kur- und Kongreß-GmbH Bad Homburg v.d.Höhe HES SEN
Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen
Unter der Schirmherrschaft des Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier

Hauptförderer:
Blickachsen 10 wird ermöglicht durch die Förderung von
Deutsche Leasing AG, Freunde der Blickachsen, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Kulturfonds Frankfurt RheinMain gGmbH, Stefan Quandt

Weitere Förderer:
All Service Unternehmensgruppe für Gebäudemanagement GmbH, AVG Trucks GmbH, Bank J. Safra Sarasin (Deutschland) AG, BHF-BANK Aktiengesellschaft,
DIC Deutsche Immobilien Chancen, FERI AG, François-Blanc-Spielbank GmbH, KanAm Grund Group, Willy A. Löw AG, Mainova AG
W
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L
öwAG
H A N D DE S M E I S T E R S

Frischer Schaum vom Dachs


Vor siebzig Jahren wurden bei Mühle im Erzgebirge die ersten Rasierpinsel von Hand
gefertigt. Heute hat die Firma mit gehobener Rasierkultur ihre Nische gefunden

s war das perfekte Produkt, Haarlängen kombiniert werden. Das Haar­

E das Otto Johannes Müller im


Sinn hatte. Etwas, das jeder
Mann jeden Tag brauchen
büschel wird dazu in eine runde Mulde ge­
stippt und zurechtgerüttelt, bis es die rich­
tige Form hat. Dann werden die Haare
würde. Einen Rasierpinsel. Im Stützengrün, zusammengebunden, mit einen Ring fixiert
wo er aufgewachsen war, hatte die Produk­ und anschließend verklebt. Danach muss der
tion von Bürsten und Pinseln eine große Tra­ Pinsel in einen Griff geklebt werden, diese
dition. Aber ein Unternehmen, dass sich nur Griffe werden bei Mühle zum Teil selbst aus
auf Rasierpinsel spezialisiert hätte, gab es Kunstharz oder Horn hergestellt oder aus
noch nicht. Müller würde dieses Unterneh­ Metall gedreht. Für einen guten Rasierpinsel

Bilder: Jo Zarth; Mirko Stelzner (2); Mühle; Michael Biedowicz


men gründen. Er war 1945 mit einen Lungen­ muss man etwa 60 Euro bezahlen, man hat
allerdings ein ganzes Leben lang etwas da­
nen Volkseigenen Betrieb (VEB) überführt. von, wenn man ihn gut pflegt.
Nach der Wende entschloss sich Müller zum Das sollte man schon aus Respekt vor
Neuanfang. Nach harten Jahren des Aufbaus dem Tier tun. Schließlich muss für so einen
wuchs die Firma von vier auf mittlerweile Pinsel ein Dachs sein Leben lassen. Die Tiere
60 Beschäftigte.
Für einen guten Rasierpinsel benötigt
man Dachshaar. Nur die Haare dieses Mar­
ders haben die notwendige Elastizität. Sie
finden immer zu ihrer Form zurück. Bei
anderen Haaren würden sich schnell die
Schuppen aufrauen, dann verhaken sich die
schuss aus dem Krieg ins Erzgebirge heimge­ Haare miteinander, und der Pinsel verfilzt.
kehrt, ein Invalide, der sich überlegen Die besten Haare vom Dachs sind der soge­
musste, wie er sein Geld verdienen nannte Silberspitz, der Haarstreif, der
sollte. Also gründete er die über den Rücken des Dachses
Rasierpinselmanufaktur führt. Man erkennt die Sil­
Mühle im Erzgebirge. Er berspitzhaare an ihrer werden allerdings ohnehin bejagt. Sie haben
entschied sich für den markanten schwarz-wei­ wie der Fuchs kaum natürliche Feinde und
Namen Mühle, weil er ßen Bänderung. werden deshalb von Jägern dezimiert. Aller­
ahnte, dass sein Eigen­ Die Gewinnung der dings werden die hierzulande geschossenen
name »Müller« nicht weit Haare ist eine unbeliebte Ar­ Tier kaum mehr verarbeitet.
tragen würde. Als Logo beit, deswegen werden Dachs­ Wer sich nicht mit dem Fell eines Dach­
wählte er eine Windmühle. Er haare meist aus Asien importiert. ses das Gesicht mit Rasierschaum einpinseln
begann mit einer kleinen Werk­ Sie werde aus dem von der Sonne möchte, dem bietet Mühle auch eine Alter­
statt, aber bald konnte er expan­ gegerbten Fell gezupft. Der Dachs ist native. Andreas und Christian Müller, die
dieren. Bis in den arabischen schon lebend kein sehr wohlrie­ heutigen Geschäftsführer des Unternehmens,
Raum verkaufte Müller die Ra­ chender Artgenosse – und sein ab­ haben eine Kunstfaser entwickeln lassen, die
sierpinsel. 1972 wurde seine Manu­ gezogenes Fell gewinnt olfaktorisch die Eigenschaften des natürlichen Dachshaa­
faktur dann enteignet und in ei­ nicht gerade hinzu. Ein Kilo bestes res imitiert. Es ist gewissermaßen der Rasier­
Dachshaar kostet etwa 400 Euro. pinsel für Veganer. ×
Wer die Rasur zum eleganten Ritual Von Spezialunternehmen wird es
veredeln will, für den ist der Rasier- gereinigt, aufbereitet und sortiert. Tillmann Prüfer ist Style
pinsel »Purist« (re.) mit seinem Griff Es dauert lange, bis ein Arbeiter Director des ZEITmagazin.
aus karelischer Maserbirke genau das Binden von Pinseln erlernt hat. Er stellt hier jeden Monat
das Richtige. Abb. o.: Alle »Mühle«- Denn um einen puscheligen Pinsel herausragende Leistungen der
Produkte sind feinste Handarbeit zu erhalten, müssen verschiedene Handwerkskunst vor

16


 
 
 
  
 



  
   
 


WA S PA S S T Z U …

Walton Ford

Bilder: Elisabeth Bernstein/Courtesy Walton Ford et Paul Kasmin Gallery; George Nelson; Jaime Hayon; Maarten De Ceulaer; Segno Italiano; Marion Friedmann
Erstmals stellt der amerikanische Tiermaler in Frankreich aus. Das
Musée de la Chasse et de la Nature in Paris präsentiert vom
15. September bis 16. Februar 2016 seine Werke. Das im vorigen Jahr
entstandene Bild »Graf Zeppelin« zeigt einen Gorilla auf Reisen

2
3

1 Luftpassage 2 Sonnendeck 3 Reisekoffer 4 Fruchtskulptur 5 Blaue Stunde


Susie ist eine von Ford ge- Als Zooattraktion reist Walton Ford malt am liebs- Das Einzige, was Susie an »Out of the cage« nannte
malte Gorilladame, die Susie natürlich in der ten exotische Tiere. Reise- Bord des Zeppelins wohl Designerin Gala Fernandez
1929 per Zeppelin die USA ersten Klasse auf bequemen leidenschaft inspirierte nicht fremd vorkam, war ihre Vase, zu beziehen
besucht. Einem Luftschiff Polsterbänken. Für draußen Maarten De Ceulaer zu sei- das Obst. Im Porzellankorb über die Londoner Galerie
gleicht auch George Nel- empfiehlt sich der Sonnen- ner Kommode aus Leder- von Segno Italiano gibt es Marion Friedmann.
sons »Bubble Lamp«. Über stuhl »Gardenias« von koffern. »Pile of Suitcases«, viele Früchte, aber nur zum
dopo-domani.de, 430 Euro Jaime Hayon, 2465 Euro. über Galerie Nilufar. Anschauen. Preis: 820 Euro. Redaktion: Inga Krieger

18
Galerie Luzán
Berlin

Fasanenstraße 68 · 10719 Berlin


+49 (0) 172 54 298 70 · +49 (0) 177 571 58 70
info@galerie-luzan.de · www.galerie-luzan.de

Louis Valtat - La Maison - 1909 - Öl auf Leinwand - 73 x 81,7 cm

Galerie Luzán & Kunsthandel Dr. Schmitz-Avila

Kunst und Handwerk im Dialog.


Malerei des 20. Jahrhunderts trifft auf Antiquitäten des 18. und 19. Jahrhunderts.

04. September bis 20. Dezember 2015


Öffnungszeiten: Di. - Fr. 12:00 - 18:00 Uhr / Sa. 11:00 - 16:00 Uhr
WA S H A B E N SI E G E SE H E N , H E R R OB R I S T ?

In Stockholm das große »Babel«-Projekt im


Moderna Museet, wo neue Verbindungen zwischen
Kunst und Poesie sichtbar gemacht werden

Hans Ulrich Obrist


ist Kurator für zeitgenössische Kunst und
leitet die Serpentine Gallery in London

Bilder: Eugen Gomringer; Åsa Lundén/Moderna Museet/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Terje Östling/Yael Bartana; Milena Carstens; Illustration: Andrea Ventura
Was haben Sie gesehen, Herr Obrist? an der konkreten Poesie von damals. Ihr Ein Werk hat, was die Situation in Europa
Ich habe so viel selbst aufgebaut in die- großer Pionier, der in Deutschland lebende betrifft, einen geradezu prophetischen Titel:
sem Sommer, dass ich nicht viel anderes se- Schweizer Künstler EUGEN GOMRINGER (1), ist »And Europe will be stunned« (3).
hen konnte. In Stockholm war ich gerade, ja wieder in aller Munde, im August wird Ja. Und Birnbaum feiert mit seiner Aus-
weil ich von Daniel Birnbaum eingeladen er im Bielefelder Kunstverein ausgestellt. Die stellung die Vielfalt.
war, der seit einigen Jahren das Moderna Mu- libanesische Autorin und Malerin Etel Adnan,
seet leitet. 1969 wurde dort die berühmte Aus- die Frankreich lebt, ist ebenso wichtig. Was genau ist dabei Ihr Beitrag?
stellung »Poetry must be made by all! Trans- Wir haben als Gastkuratoren einen
form the world!« gezeigt, die Ron Hunt Etel Adnan nimmt auch an der Ausstellung TURM (2) in der Ausstellung aufgebaut und
kuratiert hat. Damals ging es um die Verbin- in Stockholm teil. den Künstler Simon Denny und den Archi-
dung von revolutionärer Politik und Poesie. Ja, wir haben das Motto von damals et- tekten Alessandro Bava, eingeladen. In dem
was geändert. Jetzt heißt es »Poetry WILL be Turm werden 1000 Bücher von 1000 Dichte-
Sie waren dort mit Ihrem Projekt 89plus made by all«. Kandinsky hat gesagt, in der rinnen und Dichtern gezeigt, oftmals ihr De-
über die Künstlergeneration, die nach 1989 Kunst geht es immer um Freiheit, es gibt büt, das man sich dann dort umsonst down-
geboren und digital aufgewachsen ist. Was kein »man muss«. Und mit diesem Blick ha- loaden und ausdrucken kann. Der Turm
ist Ihr Bezug zur Ausstellung von 1969? ben wir die Schau von 1969 neu besucht. betont den globalen Austausch.
Der Kokurator von 89plus, Simon Cas-
tets, und ich stellten fest, dass es auch in die- Die Ausstellung ist Teil des großen »Babel«- Simon Denny interessiert sich ja wie kein
ser Generation viel Interesse an Poesie gibt. Projekts im Moderna Museet diesen Som- zweiter Künstler derzeit für die Startup-Sze-
mer. Warum eigentlich »Babel«? ne, unter anderem in Berlin.
Wie kommt das? Gerade in diesem hochpolitischen euro- Ja, er beschäftigt sich mit den Bildern
Durch das Internet. Auf Twitter bei- päischen Sommer dachten wir, es ist eine und Texten dieser Welt und spiegelt sie an
spielsweise ist eine neue Form von Poesie ent- gute Idee, Babel zu feiern. Der Turmbau von den Betrachter zurück. In Stockholm gibt es
standen. Sprache wird insgesamt durch die Babel wird ja oft apokalyptisch dargestellt, ja auch das Nobelmuseum, und jedes Mal,
sozialen Medien wieder verstärkt transpor- aber wir können in der Vielfalt der Sprachen wenn ich in der Stadt bin, denke ich, wie
tiert. Und parallel dazu gibt es wieder ein doch auch etwas Gutes sehen, gerade in Eu- schade, dass es keinen Nobelpreis für Künst-
stärkeres Interesse an den Sechzigerjahren, ropa angesichts der neuen Nationalismen. ler gibt. Es ist wunderbar, dass etwa der Lite-
ratur-Nobelpreis Autoren wie Elfriede Jeli-
nek oder Herta Müller einem internationalen
Publikum vorgestellt hat. Natürlich ist Kunst
ohnehin global, weil es das Übersetzungs-
problem nicht gibt, aber ich mag die Vorstel-
lung, dass eines Tages an sämtlichen Bahn-
hofsbuchhandlungen auch ein Kunstbuch
liegen könnte.
1
Und was beschäftigt Sie derzeit außerhalb
der Kunstwelt?
Ich lese gerade ein Buch, das sich mit
den Grenzen der politischen Philosophie be-
schäftigt: »Violence and Civility« des franzö-
sischen Philosophen Étienne Balibar. ×

Christoph Amend, Herausgeber


der WELTKUNST,
befragt Hans Ulrich Obrist
2 3 jeden Monat nach seinen
Entdeckungen in der Kunst

20
ALAIN CLÉMENT
Malerei und Skulptur
11. Juni – 5. September 2015
DIE GALERIE Frankfurt am Main

Alain Clément ∙ 04 N 2P ∙ Öl auf Leinwand ∙ 92 x 73 cm

Grüneburgweg 123 • D-60323 Frankfurt am Main


Tel. +49-69-971 471-0 • Fax +49-69-971 471-20
www.die-galerie.com • info @ die-galerie.com
LEUCHTEN

Bild: Hugo Glendinning/Image courtesy of the artist and Houghton Hall

Auf Houghton Hall im englischen Norfolk residiert in diesem


Sommer ein Lichtzauberer: Sobald die Dämmerung einsetzt,
illuminiert James Turrell das Schloss auf seine einzigartige Weise
DE PRACHT

Die schönsten Schlösser sind auch immer Schauplätze der Kunst:


als magische Kulisse für zeitgenössische Werke (S. 32 u. 52),
als Inspiration für Träume auf Zelluloid (S. 40), als Showroom
für die eigene Sammlung (S. 24), als Motiv vollendeter
Harmonie und Ästhetik (S. 44) sowie als Zeitmaschine, die uns
in die Kultur vergangener Jahrhunderte versetzt (S. 56)

23
Der Burgherr geht
Vor knapp dreißig Jahren erwarb der Münchner Kunsthändler Konrad
O. Bernheimer eine mittelalterliche Burg am Chiemsee, mit der er
Kindheitserinnerungen verband. Nun beauftragte er Sotheby�s mit dem
Verkauf – samt Inventar, das im Herbst in London versteigert wird

VON
CHR ISTI A N E M EI X N ER

Seit 1987 besitzt Konrad O. Bernheimer


Burg Marquartstein, hier verbrachte er viel
Zeit mit der Familie und lud Sammler ein,
sich Altmeister zwischen Antiquitäten anzu-
sehen. Li.: Vieles davon wird versteigert,
darunter das italienische Portal des späten
16. Jahrhunderts, die Kommode mit
Bronzebeschlägen von 1770 oder das von
Joseph Karl Stieler 1815 gemalte Porträt

25
HEA DZEILE

Den vergoldeten Spiegel aus der Mitte des


18. Jahrhunderts gibt es als Paar, darüber
hängt ein Alabaster-Leuchter aus Öster-
reich und auf dem kleinen Tisch steht Max
Klingers »Badende« in Bronze. Vieles
brachte Konrad O. Bernheimer (rechts) aus
dem ehemaligen Stammsitz der Händler­
familie am Münchner Lenbachplatz hierher

26
BER N H EI M ER

B
Beim ersten Besuch wollte er notfalls über die Mauer ver-
schwinden. Zurück ins Tal schleichen und in den Schlafsaal
– bevor die Lehrer überhaupt merken, dass Konrad und ein
paar Mitschüler hoch zur Burg gegangen sind. Auch später
waren sie vorsichtig. »Einer von uns musste immer auf der
Brücke wachen, aber wir wurden nie erwischt«, erinnert sich
Konrad O. Bernheimer. Sein erstes Bier hat er auf Burg Mar-
quartstein getrunken, die erste Zigarette geraucht.
Bilder vorherige Seite und Bild links: Sotheby’s (3), Bilder rechts: Vanessa von Zitzewitz; Sotheby’s

Wenn er heute über die Zugbrücke geht, hält er die


Schlüssel für das schwere, dunkle Holztor in der Hand.
Wann immer der Münchner Kunsthändler und Burgbesit-
zer es möchte, öffnet sich das Kleinod aus dem Mittelalter
mit seinen unzähligen Treppen und seiner verwinkelten Ar-
chitektur. Wo damals die Wirtsstube war, befindet sich heu-
te die Küche mit einem ovalen Tisch, an dem die Familie
Bernheimer gern saß, wenn sie allein auf Marquartstein war.
Mit Gästen bevorzugte man das repräsentative Speisezim-
mer. Doch hier decken nun Mitarbeiter von Sotheby�s die
Tafel, arrangieren Skulpturen und Vasen und richten die
Scheinwerfer auf das Interieur, um es für den Verkauf foto-
grafieren zu lassen. Denn Konrad O. Bernheimer verabschie-
det sich von seiner Burg.

In den Sechzigerjahren war er im Landschulheim Mar-


quartstein, das damals auf der Burg residierte. Während
Bernheimers Internatszeit befand sich dort ein Wirtshaus –
ein idealer Ort für Jugendsünden. Als die Burg 1987 zum Ver-
kauf stand, griff er zu. Denn das Anwesen am Chiemsee hat,
neben dem persönlichen Bezug, viel zu bieten: eine grandio-
se Aussicht, den idyllischen Burghof, acht Bäder und 40
Zimmer. Genug Platz für all die Antiquitäten und Kunst-
werke, die nach der zwei Jahre dauernden Renovierung auf
den Einzug warteten. Ganze Wagenladungen voll Inventar
aus dem Münchner Traditionsunternehmen, dessen Palais
am Lenbachplatz Bernheimer ebenfalls 1987 veräußerte. »Ich
habe die Burg auch deshalb gekauft«, sagt Deutschlands
wohl bekanntester Kunsthändler und weist mit der Hand
durch das Herrenzimmer auf den Kronleuchter, mehrere
Gemälde und ein chinesisches Räuchergefäß: »Das blieb ja
stets Inventar der Firma.« Tatsächlich baumelt am Lüster ein
kleines Schild, das einen glauben lässt, Sotheby�s habe das
Objekt bereits inventarisiert. Bis man die Schreibschrift auf
dem verblichenen Etikett entdeckt: Vielleicht hat es schon die
Einweihung des Palais 1889 durch den Prinzregenten erlebt.
Kein Zweifel, Burg Marquartstein war in der Ära Bern-
heimer ein Ort des Kunsthandels. Aber eben auch Refugi-
um für den Hausherrn, seine Frau Barbara und die vier
inzwischen erwachsenen Töchter. Erholung nach arbeitsin-
tensiven Tagen in der Brienner Straße, wo die Alten Meister
BER N H EI M ER

Die Innenräume der Burg waren ebenso privates Refugium der sechs-
köpfigen Familie wie Inventar für den Bernheimer’schen Kunsthandel.
Derzeit sind die Experten von Sotheby’s dabei, die zum Verkauf
stehenden Stücke zu katalogisieren und für die Auktion im Herbst vor-
zubereiten. Rechts: Die fast drei Meter hohen italienischen Kalkstein-
säulen im Garten, Mantua, 14./15. Jahrhundert, wird Sotheby’s mit einer
Taxe von 70 000 bis 100 000 Pfund aufrufen

28
HEA DZEILE

im noblen Ambiente hängen. Von den internationalen Mes-


sen, auf denen der Kunsthändler seit Jahrzehnten seine Ge-
mälde zeigt. 2002 kam die Londoner Galerie Colnaghi hin-
zu, die Bernheimer übernahm. Jetzt sei es Zeit »vernünftig
zu werden.« Er wird Ende August 65 Jahre alt. »Da muss man
anfangen, sein Haus zu bestellen«, bilanziert er nüchtern.
Die Burg ist einfach zu groß für ihn und seine Frau. »Ich bin
auf der Suche nach etwas Neuem in der Nähe. Eher ein Wo-
chenendhäuserl, in dem mein Schreibtisch Platz hat.«
Zu den Projekten, die keinen Aufschub mehr duldeten,
gehörte die Chronik seiner deutsch-jüdischen Familie, die
mit ihrem Angebot feinster Stoffe und Tapisserien zum kö-
niglich-bayerischen Hoflieferanten avancierte, bevor die Na-
tionalsozialisten sie zur Emigration nach Venezuela zwang,
wo die Familie eine abgewirtschaftete Plantage kaufte. Bern-
heimers Buch ist 2013 erschienen und erzählt eine komplexe
Historie von über 150 Jahren. »Wir sind ein Beispiel dafür,
wie es einer Familie in dieser Zeit in Deutschland ergehen
konnte. Dass mein Großvater schon 1945 zurückwollte, hat
niemand verstanden. Ich hätte es an seiner Stelle nicht ge-
macht, sondern wäre im herrlichen Klima von Venezuela
BER N H EI M ER

auf meiner Kaffeeplantage geblieben.« Doch Otto Bernhei-


mer war nicht zu beirren, holte Anfang der Fünfzigerjahre
den vierjährigen Enkel und die inzwischen verwitwete
Schwiegertochter nach München und baute das Unterneh-
men am Lenbachplatz wieder auf. Konrad Bernheimer, der
die Geschäfte 1977 übernommen hat, beschreibt diese Ereig-
nisse aus der Innenperspektive, knüpft aber immer wieder an
die Historie des deutschen und internationalen Kunsthan-
dels an. Die erste Auflage seines Buches ist vergriffen, eine
Nachauflage geplant. »Da kommt natürlich ein Update hi-
nein. Was mit der Galerie in München passiert, was mit Lon-
don und mit mir.«
Einiges davon ist bereits bekannt. Bernheimer wird die
Räume in München bald aufgeben und sich auf ein Büro be-
schränken. »Um die Londoner Galerie werde ich mich in
den nächsten Jahren noch intensiver kümmern, mich auch
nach jüngeren Partnern umsehen – der nächsten Colnaghi-
Generation«. Vielleicht ist dann die Burg bereits verkauft.
Das Inventar jedenfalls wird im November von Sotheby�s in
London versteigert. Nicht alles natürlich. Von »Familienhei-
ligtümern« trennt Bernheimer sich auch jetzt nicht. Zu ih-
nen gehört der antike japanische Buddha, der mit dem
Großvater nach Venezuela ging und jetzt auf der Fenster-
bank sitzt. Groß wie ein Kind, aus dunklem Holz und mit

Bilder vorherige Doppelseite und diese Doppelseite: Sotheby’s (6)


seltsam belebtem Blick – weshalb man versteht, dass ihn der
junge Konrad angsteinflößend fand. Dennoch hat die Figur
bislang jede Zäsur in der Familiengeschichte überlebt.
Genau wie der »Holbeinstuhl«, der mit dem Fragment
eines überaus seltenen Teppichs bezogen ist. »Er war von An-
fang an Teil der Teppichsammlung«, erklärt Bernheimer.
Als er in den Neunzigern schon einmal 400 Messgewänder

Das Lapidarium im Hof wird samt der Säulen aufgelöst,


das steinerne, mit Tieren und Chimären verzierte Becken
(19. Jh., li.) ist ebenfalls ein Los bei Sotheby’s

aus der Sammlung des Großvaters und fast alle Tapisserien


zu Christie�s gab, hätten viele Interessenten nach dem Stuhl
gefragt. Damals stand er nicht zum Verkauf, diesmal ist die
Chance da. Bernheimer wünscht dem Möbel, auf dem 1980
Papst Johannes Paul der II. in München saß, einen Platz in
»einer guten Sammlung oder vielleicht sogar in einem Mu-
seum«. Jedes Stück, von dem er sich nicht trenne, dokumen-
tiere den »Triumph des Sammlers über den Händler. In ei-
nem wie mir stecken beide Persönlichkeiten.«
Der Händler hat gesiegt bei den römischen Sarkopha-
gen, die Großvater und Urgroßvater im 19. Jahrhundert an-
kauften. Dem Lapidarium im Burghof mit seinen über hun-
dert Steinen, Skulpturen und den antiken Säulen. Und bei
vielen schönen Stücken des Interieurs, mit dem die Familie
so lange gelebt hat. Kurz haben Bernheimers überlegt, einen
House Sale zu veranstalten. Doch die Vorstellung von Hun-
derten Besuchern, die neugierig durch die Räume ziehen,
hat sie abgeschreckt. »Für uns ist es emotional einfacher, die
Zimmer zu leeren und alles nach London zu geben.«
Wenn man mit Konrad O. Bernheimer durch die Burg
geht und er oft noch nicht weiß, ob dies oder jenes eine Los-
nummer wird, merkt man, dass es für ihn kein leichter Ab-
schied ist. Und wenn er die Schlüssel von Marquartstein
endgültig abgeben muss? »Dann am liebsten wieder an eine
so narrische Familie, die die Schönheit dieses Hauses schätzt
und genießt.« ×
In der Eingangshalle hängt eine Florentiner Tapis-
serie aus dem 16. Jahrhundert mit dem Wappen
der Medici, die monumentale Vase links davon ist
aus Bronze und mit einem Bacchanal versehen
(um 1900). Der Tisch im Vordergrund wurde um
1740 wohl in München gefertigt und teils vergoldet

31
Kunst am Prachtbau
Rätselhafter Reigen: Laura Fords Skulp­
turengruppe »Days of Judgement« vor dem
Herrenhaus Strawberry Hill bei London

In zahlreichen Schlössern Europas bietet geschichtsträchtige Architektur den


stimmungsvollen Rahmen für die Kunst der Gegenwart.
Wir stellen Ihnen die schönsten Ausstellungen dieses Sommers vor
KU NST I M SCH LOSS

Bild vorherige Doppelseite: Laura Ford/Gautier Deblonde; Bilder diese Seite: Tadzio/Courtesy Kapoor Studio/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Courtesy Stiftung Blickachsen und Künstler;
Bilder rechts: Haydar Koyupinar/Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München/Gerhard Richter 2015; Château du Rœulx/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Eric Sander (2)
Angriff auf Versailles
»Ohr oder Vagina – unsicher. Ein langes Rohr, das männ-
lich sein könnte, ein Vagina/Phallus.« So erläutert der
Bildhauer Anish Kapoor sein Werk »Dirty Corner«. Aufge-
stellt im Park des Château de Versailles, der von Le Nôtre
ab 1660 als Inbegriff absolutistischer Macht nach streng
geometrischen Regeln entworfen wurde, nennt der 61-Jäh-
rige die Monumentalskulptur auch »die Vagina der Köni-
gin, welche die Macht übernimmt«. Das nutzten extremis-
tische Kunstgegner, machten gegen das Werk Stimmung,
das auch einer stählernen Blume oder einem gestrandeten
U-Boot ähnelt. Die »Vagina« wurde Opfer von Vandalis-
mus, mit Farbe bespritzt. Ein so unvergleichlich dummer
Akt, dass Kapoor sogar überlegte, die Skulptur nicht reini-
gen und so den Gewaltakt zum kreativen Akt werden zu
lassen. Mit anziehenden Oberflächen, abgründigen Instal-
lationen – im Park saugt »Descension«, ein riesiger Wasser-
Flagge zeigen strudel, den Besucher geradezu ein – stellt der in Mumbai
Alle zwei Jahre ist Bad Homburg Schauplatz der geborene Brite die geordneten Strukturen der Macht und
Skulpturenausstellung Blickachsen, dieses Jahr in Ästhetik in Frage. Die sechs bis zum 11. November in Ver-
Zusammenarbeit mit dem Middelheimmuseum sailles aufgestellten Werke sind nicht neu, die rote Farbpa-
in Antwerpen. Nicht nur der Kurpark und der tronen in die Ecke feuernde Kanone (o.) im unweiten Jeu
Schlosspark werden zur Kulisse – oben »Flag« (2010) de Paume irritierte bereits 2009 im Wiener MAK. Kapoor
von der belgischen Bildhauerin Caroline Coolen hat die Arbeiten für Versailles neu konfiguriert. Gut, dass
vor dem Bad Homburger Schloss –, auch die Burg er damit noch aufregen kann.  J. EMIL SENNEWALD

Eppstein, Kloster Eberbach, das Kastell Saalburg und


andere Orte in Frankfurt und Darmstadt werden bis
4. Oktober von zeitgenössischen Künstlern bespielt.

34
Klassentreffen des Pop
Unter den Malerfürsten ist Gerhard Richter
der König. Sehr passend, dass ihm jetzt
bei der Ausstellung »Königsklasse III« auf
Schloss Herrenchiemsee groß gehuldigt
wird (bis 27. September): Das Sommergast­
spiel der Münchner Pinakothek der Moderne
zeigt als Neuigkeit zum Vorjahr einen
Teil des Richter-Zyklus »Brigid Polk« (u.)
über eine legendäre Vertraute Andy Warhols.

Kopf in den Wolken


Adel verpflichtet: Im Château du Rœulx lebt ein Verwandter
der belgischen Königsfamilie, der Hof und Garten nun für eine
wunderschöne Ausstellung zur Verfügung stellt. Zum Thema
»Clouds« begegnet man bis 18. Oktober nicht nur den über­
raschend gewichtslosen Stahlköpfen von Jaume Plensa (o.), son­
dern auch einem Wolkenbild von René Magritte oder einem
ephemeren Sprühnebel von Anne Blanchet. Und Jean-Baptiste
Caron lässt in einer Betonkugel durch einen Spiegeltrick ein
Wattebäuschlein erscheinen, das gar nicht das ist. Nach diesem
Anblick fühlt man sich so leicht, als schwebte man auf Wolken.

Schön versponnen
Auf der einen Seite wehrhafte Mittelalterfestung, auf
der anderen verspielter Renaissancepalast: Das
Château de Chaumont-sur-Loire, das im 15. Jahrhun­
dert für die Amboise-Familie errichtet wurde, thront
als Märchenschloss über den Wassern der Loire. Seit
2008 dient es dem Staat als Kunstort. In diesem Jahr
zu sehen sind zum Beispiel die »Phantomblumen«-
Gemälde von Gabriel Orozco, der sich von den ver­
blichenen Tapeten in den Prinzgemächern inspirie­
ren ließ (bis 31. Dezember 2016). In die Schlosskapelle
haben Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger eine zweite
Kathedralenarchitektur aus getrockneten Pflanzen
und Gräsern gesponnen (li., bis 1. November).

35
Auf dem Erdbeerhügel
Der Preis für das schönstbenannte Schloss gebührt wohl
dem englischen Schriftsteller Horace Walpole, der sich
sein neugotisches Landhaus zwischen 1749 und 1776 in
Twickenham bei London erbauen ließ: Strawberry Hill –
also »Erdbeerhügel« – ein Name wie aus Alice im Wunder­
land. Ziemlich wunderlich wirken auch die Figuren der
walisischen Bildhauerin Laura Ford, auf die man im Gebäu­
de stößt: Ein Mann mit Elefantenkopf wacht im Schlaf­
zimmer, im Garten schleichen Katzen auf Hinterpfoten
herum, und in der Bibliothek sind Ritter auf dem Fußboden
in den Schlaf gesunken (li.). Bis 31. Oktober beherrscht
der Zauber der Kunst das Landhaus – bis hinein in die seit
Frühjahr erstmals zugänglichen Privatgemächer Walpoles.

Bilder: Laura Ford/Gautier Deblonde; Thomas Müller/Laura Straßer/Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Stadt Erfurt; Jan Brockhaus (2)
Geister zu Gast
»Full House« heißt es auf Schloss Molsdorf bei
Erfurt, wo man sich bis zum 20. September ein
Dutzend Künstler zum Spiel mit dem barocken
Ambiente eingeladen hat. An unhöfische Tisch­
sitten erinnert Laura Straßers Installation aus
Geschirr und Scherben im Bankettsaal (o.), wäh­
rend im Marmorsaal bei Christiane Haases
Skulpturen geisterhafte Mädchenfüße unter wei­
ßen Porzellantüchern zum Tanz einschweben.

Minimaler Weltuntergang
Die Mutter aller Zwischennutzungskonzepte im
Land Brandenburg hört auf den Rahmen »Roh­
kunstbau« und belebt schon seit 1994 jeden Sommer
leer stehende und teilweise recht abgeblätterte
Schlösser. Seit 2013 gastiert die stets nach einem
Motto kuratierte Gruppenschau, die auf die Unter­
stützung der Kunstszene im nahen Berlin zählen
kann, auf Schloss Roskow. Zum Thema »Apoka­
lypse« (bis 6. September) fallen diesmal Künstlern
wie Sandra Boeschenstein eher formreduzierte,
minimalistische Beiträge ein (re.). Vielleicht würden
explizitere Fantasien über das Jüngste Gericht auch
ein wenig die Sommerlaune trüben.

36
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Themenjaahr 2015

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Fels vor der Festung


Hier hilft nur höflichstes Anklopfen: Das nach seinem 27 Meter
hohen, trutzigen Bergfried benannte Schloss Donjon de Vez wurde

Bilder: Nottingham Castle Museum & Art Gallery/Arts Council Collection 2015/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Veronique Mati/Courtesy ARTCURIAL/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Koldinghus/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Knud Erik Christensen
im 14. Jahrhundert von Ludwig von Orléans in Vez nahe Paris errich-
tet und hat seitdem allen übel gesinnten Besuchern widerstanden.
Heute gehört das Anwesen Francis Briest, dem Vizepräsidenten des
Auktionshauses Artcurial, der im Sommer seinen Garten mit (erwerb-
baren) Skulpturen fürs Publikum öffnet. Als Neuzugang mischt sich
in diesem Jahr Lee Ufans Werk »Relatum X« (2014, u.) unter Arbeiten
von Carsten Höller oder François Morellet (bis 13. September).

Palast des Volkes


Aus Robin Hoods Tagen sind nur die Geheim-
tunnel unter dem Gebäude geblieben. Das
existierende Nottingham Castle ist ein herzög-
licher Palast von 1678, der seit Ende des
19. Jahrhunderts dem englischen Staat als
Kunstmuseum dient. Heute glänzt die Samm-
lung besonders mit Textilarbeiten von zeitge-
nössischen Künstlern wie Grayson Perry oder
Shelly Goldsmith und mit zahlreichen Foto-
grafien. Bis zum 6. September kann man bei
»Paintings of People« den Porträts von
Malern wie Walter Sickert, Peter Blake oder
David Hockney tief in die Augen sehen.

Silber des Nordens


Reizvoll kontrastieren in diesen Tagen moderne Silberob-
jekte und zeitgenössische Kunst mit dem alten Mauerwerk
des Schlossgebäudes jenseits der deutschen Nordgrenze:
Schloss Koldinghus – Dänemarks älteste Königsresidenz –
thront eine Autostunde von Flensburg entfernt hoch über
Koldings Stadtmitte am Lille Belt, dem westlichsten Ost-
seezugang. Die im 15. Jahrhundert zum Schloss umgebaute
Grenzburg war lange Sitz der dänischen Herrscher. Der
Wiederaufbau des in den Napoleonischen Kriegen völlig
ausgebrannten Anwesens wurde erst in den 1970er-Jahren
endgültig realisiert. Besonders der zuletzt fertiggestellte
Südflügel gilt als Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Aus der
verwitterten, romantischen Ruine gestaltete das dänische
Architektenpaar Inger und Johannes Exner mit hängenden
Eisentreppen riesige, ultramoderne Ausstellungsräume.
Aktuell zeigt dort das Museet på Koldinghus bis 27. Sep-
tember die Ausstellung »2+2« mit dänischen und deutschen
zeitgenössischen
Künstlern und Webern
(ganz li.). Ab 4. Septem-
ber folgt in dem für
seine Silbersammlung
bekannten Museum
eine Schau des däni-
schen Silberdesigners
Georg Jensen (1866–
1935).  ULLA FÖLSING

38
Informationen
Museen & Schlösser
bayerische

München im Alten Hof lebendige


Geschichte KaiserLudwig derBayer
multimediale Dauerausstellung Münchner
Kaiserburg gotisches Gewölbe

Affenturm mittelalterliche Stadtmauer


Alter Hof 1 • 80331 München • Mo-Sa 10-18 Uhr
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Schlosszeit

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WA LT DI SN E Y

Ich bau mir ein Schloss …


… so wie im Märchen. Diesen Traum teilte Walt Disney mit König Ludwig II. und
erwählte Neuschwanstein zum Vorbild für seine Freizeitparks

VON
A N DR E A S P L AT T H AU S
W
Walt Disneys Planer und Ingenieure waren
schneller als die des bayerischen Königs Lud-
wig II.: Zwei Jahre statt 23 brauchten sie für
nen. Aber ein paar Jahrzehnte Fortschritt
und die simplere Topografie machten nicht
den Hauptunterschied aus. Was Disneys
ihr Schloss. Und davon war nur die Hälfte Schlossprojekt vor allem beschleunigt hatte,
wirkliche Bauzeit. Als die Konstruktion war die Tatsache, dass es ihm schon jemand
von Dornröschens Schloss (Sleeping Beauty vorgeträumt hatte: Ludwig II. eben.
Castle), dem als Mittelpunkt und Blickfang So hatte es Disneys Angestellter Herbert
von Disneyland vorgesehenen Gebäude, im Ryman leichter als Ludwigs Entwurfszeich-
August 1954 begann, blieb nicht mal mehr ner Christian Jank, dem wir die Vorlagen für
ein Jahr bis zum festgelegten Eröffnungster- Neuschwanstein verdanken. Walt Disney rief
min des Freizeitparks am 17. Juli 1955. Schloss im September 1953 seinen damals dreiund-
Neuschwanstein dagegen war 1869 begon- vierzigjährigen Artdirector Ryman, der bis-
nen und nach dem Tod des Bauherrn im Jahr lang nur im Trickfilmbereich gearbeitet hat-
1886 notdürftig bis 1892 fertiggestellt gewor- te, zu sich und eröffnete ihm, dass in der
den – wäre der Perfektionist Ludwig älter ge- nächsten Woche ein Gespräch mit Bankver-
worden, hätte es vermutlich noch länger ge- tretern stattfinden werde, von denen man
dauert. Gut, man verbaute im kalifornischen Kreditzusagen für den Bau von Disneyland
Anaheim vor allem Beton und Spachtelmas- erhoffe. Man müsse ihnen aber etwas bieten,
se statt Sandstein, Marmor und Ziegeln, wie eine Zeichnung, denn »Banker haben keine
sie in Hohenschwangau verwendet wurden, Fantasie«, wie Disney sagte, sie müssten also
und nicht auf einem Berggipfel wie das Ori- gezeigt bekommen, wie das Ganze aussehen
ginal im Allgäu erhebt sich Sleeping Beauty werde. Ryman erinnert sich, dass er darauf-
Castle, sondern auf dem flachen Areal eines hin antwortete: »Das würde ich auch gern se-
ehemaligen Orangenhains. Hier musste nur
gerodet, nicht erst die Ruine eines Vorgän- Oben: Walt Disney präsentiert im Oktober
gerbaus abgetragen werden, die Anlieferung 1954 im amerikanischen Fernsehen die
des Materials an die Baustelle erfolgte mit Ideen für Disneyland. Links der Entwurf
Lkw statt mit Ochsenkarren und Hebekrä- von Christian Jank für Neuschwanstein

41
WA LT DI SN E Y

hen. Wo sind die Bilder?« Er hoffte, der Chef dabei eine Neogotik zum Ideal erhoben, die
würde ihm jetzt endlich zeigen, was er sich das Pittoreske auf die Spitze trieb. Diese Fas-
ausgedacht hatte. Aber es gab noch gar nichts zination fürs Hochmittelalter hatte genau
zu betrachten, denn Disney hatte diese Auf- zur Romantik gepasst, die damals als Geistes-
gabe für Ryman vorgesehen, der sich zu- strömung ganz Europa prägte und ihren spä-
nächst sträubte, weil er nicht die geringste ten, aber konsequentesten, weil finanzkräf-
Ahnung hatte, wie er das leisten sollte. Er wil- tigsten Vertreter in Ludwig II. finden sollte.
ligte dann doch ein, als Walt Disney ihm ver- Für dessen Traumschloss Neuschwanstein
sprach, die ganze Zeit dabeizubleiben, wäh- gab es ein konkretes Vorbild: den Bühnen-
rend er zeichnete. Wenn der Träumer bildentwurf, den der Theatermaler Heinrich
höchstpersönlich überprüfen würde, was da Döll 1855 für eine Münchner Inszenierung
als Bebilderung seines Traums entstand, von Richard Wagners Oper »Tannhäuser« er-
mochte es gehen. Und Disney wusste genau, stellt hatte. Darauf thronte die Wartburg als
was er wollte: Neuschwanstein. fernes Idealbild hoch auf einem Felsen im ge-
Er kannte das Schloss wohl nur von Fo-
tos, denn seine beiden langen Europaaufent-
halte – 1918/19 als minderjähriger Freiwilliger
der amerikanischen Armee und 1935 als wohl-
habender Reisender – hatten Disney nicht ins
Allgäu geführt. Aber er brachte von dem
zweiten Besuch eine ganze Bibliothek mit,
die den Zeichnern seines expandierenden hen erstmals öffentlich die Idee von Disney-
Trickfilmstudios als Vorlagen dienen sollte, land präsentierte, dann beim Bau abgeändert
Kunstbücher und Architekturführer, alle ge- wurde – der obere Teil ist um 180 Grad ge-
dacht als Anschauungsmaterial für den gerade dreht –, lag an einer Konkurrenz, die gerade
in Produktion befindlichen ersten abendfül- im eigenen Studio entstand: das Dornrös-
lenden Zeichentrickfilm des Disney-Studios, chen-Schloss aus dem gleichnamigen Disney-
»Schneewittchen und die sieben Zwerge«. In malten Bühnenprospekt. Aber auf die Idee, Trickfilm, der 1959 in die Kinos kommen soll-
diesem Werk, das 1937 in die Kinos kam, dieses zweidimensionale Trugbild in die te (deutlich verspätet, denn eigentlich hätte
taucht auch zum ersten Mal ein turm- und Wirklichkeit übertragen zu lassen, konnte sein Start die Eröffnung des Freizeitparks zu-

Bilder vorherige Seite: Wittelsbacher Ausgleichsfonds München; Hulton Archive/Getty Images


zinnenreiches Schloss auf, dessen Gestalt wohl nur ein Fantast wie der bayerische Kö- sätzlich bewerben sollen; deshalb war das
schon Einflüsse aus Neuschwanstein erken- nig kommen. dortige Schloss auf den Namen »Sleeping
nen lässt. Es etablierte die Tradition des Mär- Sein späterer Bruder im Geiste Walt Dis- Beauty Castle« getauft worden). Der Artdi-
chenschlosses in den Disney-Animationen ney wusste dadurch, dass so etwas möglich rector des Films, Eyvind Earle, hatte sich auch
und bot dem amerikanischen Publikum et- war, und deshalb hatte der amerikanische Neuschwanstein zum Vorbild genommen,
was, das sie nicht aus eigener Anschauung Studiochef keine Scheu, erst einmal auf dem und so konkurrierten zwei gezeichnete Repli-
kennen konnten. Es ist kein Zufall, dass im Papier die freie Fantasie seines Angestellten ken desselben Gebäudes miteinander. Die
selben Jahr auch die Rittercomicserie »Prinz schießen zu lassen. Herbert Ryman zeichne- weitaus aufwendigere Architektur des Film-
Eisenherz« von Hal Foster in den dortigen te ihm eine aquarellierte Ansicht des künfti- schlosses, ein zelluloidgewordener Hybrid
Zeitungen debütierte und sofort zum durch- gen Schlosses, die ganz erkennbar auf Foto- aus Ludwigs Idealbau und den Buchillumina-
schlagenden Erfolg wurde. In den Bildern grafien von Neuschwanstein zurückgeht. tionen der Brüder Limburg aus den »Trés ri-
des alten romantischen Europa fanden die Das Größenverhältnis aber war bewusst gro- ches Heures«, die die drei Flamen im 15. Jahr-
von der Weltwirtschaftskrise immer noch ge- tesk verändert worden: Ragt der höchste hundert für den Duc de Berry angefertigt
beutelten Vereinigten Staaten einen nostalgi- Turm in Bayern 65 Meter auf, sind es in Kali- hatten, konnte aber in der kurzen Bauzeit
schen Trost. »Schneewittchen und die sieben fornien nur 23 geworden. Diese Zurückhal- von Disneyland dort nicht umgesetzt werden.
Zwerge« wurde zum Riesenerfolg und damit tung hatte aber nichts mit Bescheidenheit zu So blieb Rymans Entwurf doch der maßgeb-
zum Grundstein des Disney-Imperiums. Ihm tun, sondern entsprach Disneys subtiler Idee, liche. Das Versäumte holte Disney erst ein
war das Gegenteil von dem gelungen, was die Hauptbauten in Disneyland gegenüber Jahrzehnt später nach, als er seinen zweiten
Ludwig II. mit seinen Schlossbauten erreicht normalen Gebäuden zu verkleinern, damit Freizeitpark in Florida plante: Auch dort steht
hatte: Er verdiente Geld. die Besucher das Gefühl haben sollten, sich im Zentrum ein Märchenschloss, und dies-
Mindestens ebenso wichtig wie Neu- in einer anheimelnden Welt zu bewegen – mal bot es zahllose Söller und Türmchen und
schwanstein war für das Trickfilmschloss Erwachsene, die ein Kinderreich betreten. erreichte eine Höhe von 58 Metern, also fast
aber auch das Werk des französischen Archi- Zudem wurde der Bau bei der Ausführung so hoch wie Neuschwanstein.
tekturhistorikers Eugène Viollet-le-Duc. Des- perspektivisch verzerrt: Die oberen Elemen- Die Einweihung von Walt Disney
sen Hauptschriften hatte Disney ebenfalls te sind im Verhältnis noch etwas kleiner aus- World in Florida erlebte der Namensgeber
aus Europa mitgebracht. Viollet-le-Duc war geführt, damit sie für den Betrachter weiter nicht mehr. Als es 1971 seine Pforten öffnete,
im 19. Jahrhundert für die Restaurierung et- entfernt wirken, was die Gesamtarchitektur war Disney schon seit fünf Jahren tot. Aber
licher Schlossbauten und Kirchen in seiner des Schlosses aus der Untersicht größer er- er hatte zuvor alles genau festgelegt und auch
Heimat verantwortlich gewesen – unter an- scheinen lässt, als sie tatsächlich ist. den Namen für das Herzstück von Walt Dis-
deren für die Kathedrale Notre Dame in Pa- Dass der Ryman-Entwurf, den Disney ney World ausgesucht: the magic kingdom, das
ris und die Burg Pierrefonds in der Picardie, auch ein Jahr später vorführte, als er am magische Königreich. Diesmal wollte er all
die Disney besonders begeisterte – und hatte 27. Oktober 1954 im amerikanischen Fernse- die Fehler vermeiden, die er bei Disneyland

42
Bilder diese Doppelseite: Wittelsbacher Ausgleichsfonds München; Johannes Bernhard; Walt Disney Animation Studios and the Animation Research Library; INTERTOPICS

noch gemacht hatte, vor allem die finanziell dieses Werk sein Opus magnum werden wür-
bedingte Beschränkung auf ein relativ klei- de, doch die bis an die Grenzen der geome-
nes Areal. Denn bei Anaheim hatte Disney trischen Abstraktion getriebene Optik des
in den frühen Fünfzigerjahren lediglich Animationsfilms ließ die Zuschauer kalt; ih-
170 000 Quadratmeter Obstplantagen erwor- nen fehlte die wohlig-gerundete Behaglich-
ben, und als Disneyland dann ein Riesener- keit früherer Disney-Märchenverfilmungen.
folg wurde, dachten die benachbarten Vor allem »Cinderella« von 1950 war dem Pu-
Grundstücksbesitzer gar nicht mehr daran, blikum diesbezüglich in bester Erinnerung
mehr Land an ihn zu verkaufen; sie errichte- geblieben, und 1965 brachte Disney diesen
ten dort lieber selbst Hotels und sogar ähn- Trickfilm noch einmal in die amerikani-
liche Freizeitparks als unmittelbare Konkur- schen Kinos – wieder mit größtem Erfolg.
renz. Disney konnte sich im Nachhinein Deshalb wurde das gerade im Bau befindli-
glücklich schätzen, sein kalifornisches che Schloss in Florida kurzerhand nach der
Schloss nur 23 Meter hoch gebaut zu haben, populäreren Titelfigur benannt.
sonst hätten die Besucher vom Turm aus die Mittlerweile ist die Schlösserfamilie des
engen Grenzen seines Reichs geradezu Disney-Konzerns auf fünf Gebäude ange-
schmerzlich vorgeführt bekommen. In Flo- wachsen: 1983 eröffnete Tokyo Disneyland,
rida kaufte er deshalb Anfang der Sechziger- 1992 Eurodisneyland bei Paris und 2005
jahre mitten in einem Sumpfgebiet in der Hong Kong Disneyland. In Japan und Frank-
Nähe von Orlando unter größter Verschwie- reich wurden die jeweiligen Schlösser wieder
genheit die sechshundertfünfzigfache Flä- im ursprünglichen Sinne nach Dornröschen
che: 43 Quadratmeilen. Dort wurde ein fast benannt, nur die Chinesen bekamen wie in
Die jüngste Neuschwanstein-Kopie steht sechzig Meter hoher Schlossturm möglich, ja Orlando Aschenputtel als Namensgeberin,
seit 2005 in Hongkong. O. re. die Schloss- geradezu nötig, um Walt Disneys Welt zu obwohl alle drei Konstruktionen sich an der
skizze für den ersten Disney-Spielfim überschauen. aufwendigen Architektur aus Florida orien-
»Schneewittchen« (1937). Ganz oben Bau- Erstaunlicherweise wurde das Zentral- tierten. Die Silhouette dieses wahr geworde-
arbeiten am Traumschloss des bayerischen gebäude des Freizeitparks von Orlando »Cin- nen Fantasiegebäudes wurde dann auch zum
Königs in den 1880er-Jahren. O. li.: Als des- derella’s Castle« genannt – Aschenputtels Signet aller Disneyfilme. Mit ihnen ist das
sen Blaupause diente Heinrich Dölls Schloss. Die Abkehr von Dornröschen als ur- Bild des Märchenschlosses um die ganze
Bühnenbildentwurf für eine Wagner-Oper
sprüngliche Namensgeberin erfolgte des- Welt gezogen, und so hat der amerikanische
halb, weil der Film, dessen Schloss der Bau Selfmademan Walt Disney den Wittelsba-
doch eigentlich nachgebildet war, sich als cher-König Ludwig erfolgreich enteignet:
großer Flop erwiesen hatte. Acht Jahre lang, Dessen Traum von einem Schloss ist aus Bay-
von 1951 bis 1959, hatte Disney daran zeich- ern ins Disneyland verschleppt worden – ein
nen lassen, und er glaubte fest daran, dass Kulturraubzug der ganz modernen Art. ×

43
Das
Publikum
bin ich!
Seit über dreißig Jahren fotografiert
der Italiener Massimo Listri Paläste
und Galerien. In menschenleeren,
großformatigen Bildern feiert
er die Magie ihrer stillen Schönheit

VON
R E I N H A R D K R AU SE

44
45
46
Bücherburgen, die schwindeln
machen: Den 1887 fertiggestell-
ten Lesesaal der Königlich-
Portugiesischen Bibliothek in
Rio de Janeiro nahm Massimo
Listri 2012 auf. Die Doppelseite
davor zeigt das Vestibül im
Königspalast von Neapel, in
dem seit 1925 auch die National­
bibliothek untergebracht ist

47
Die Kunst in den Mittelpunkt
gerückt: Den oktogonalen
Musensaal der Vatikanischen
Museen prägt der »Torso vom
Belvedere«. Die Skulptur eines
sitzenden Mannes schuf Apollo-
nius von Athen im zweiten oder
ersten Jahrhundert vor Christus

48
49
M A S SI MO L I S T R I

L
Lautstark wurde jüngst im deutschen Feuil-
leton beklagt, unsere Museen seien zu leer,
geradezu verwaist, gemessen am Strom der
Säle der Uffizien) von allem Störenden: dem
Publikum, also uns. Und vom Zufall. Seine
Raumaufnahmen haben die Präzision von
wohnt den Räumen unversehens eine uner-
klärliche Magie inne, wobei die kleinen Ab-
weichungen von der vollendeten Harmonie
Besucher, der durch Häuser von Weltrang Bauzeichnungen; oft halten sie die Zentral- die größten Effekte erzeugen. Etwa wenn
pulse. Tatsächlich sind zum Beispiel das Alte perspektive fest, millimetergenau austariert eine Suite von Türen durch minimale Irregu-
oder das Bode-Museum auf der Berliner Mu- auf den einen Punkt, in dem sich alle Per- laritäten aus der Flucht gerät. Wenn Listri
seumsinsel von infarktartigen Zuständen, spektivlinien in vollendeter Harmonie bün- das Innere einer neapolitanischen Barockkir-
wie sie in den Uffizien herrschen, himmel- deln. Das klingt simpel, doch nur Fotografen che in die bewährte Zentralperspektive rückt
weit entfernt. Zum Glück! Und als Balsam können wohl ermessen, welch unbestechli- und dabei scheinbar ungerührt über die
für alle, die nur zu gern bedeutende Samm- che, landmesserscharfe Pingeligkeit des Au- Trümmer eines Großbrandes hinwegsieht.
lungen der Kulturgeschichte durchstreifen, ges notwendig ist, um das Rautenmuster ei- Oder wenn er Relikte des von einer SS-Divi-
dabei aber gut auf Tuchfühlung mit dem nes Marmorbodens im Königlichen Schloss sion zerstörten Klosters Neu-Jerusalem bei
Herdentier Mensch verzichten können, gibt von Warschau auf eine einzige, makellose Li- Moskau festhält, als wäre in den lädierten
es Massimo Listri. nie zu bringen, von der sich der barocke Backsteinen und Stuckresten der Glanz aus
Der 1953 in Florenz geborene Fotograf Wandschmuck nur desto lebhafter absetzt. 350 Jahren Geschichte noch präsent.
hat sich einer geradezu messianischen Auf- Dieses künstlerische Verfahren könnte Um unvermutete Präsenz geht es auch
gabe verschrieben. Seit über 30 Jahren reinigt statisch und fast konventionell anmuten – in der Schau »Massimo Listri. Prospettive/
er auf seinen faszinierenden Großfotografien und doch zeitigt es verblüffende Wirkung. Perspektiven«, die das Kunsthistorische Mu-
die Musentempel dieser Welt (ja, selbst die Ins Raster des Listri’schen Blicks gespannt, seum Wien noch bis zum 26. Oktober in ei-

50
M A S SI MO L I S T R I
Bild unten: privat

Das Treppenhaus im Palazzo Reale von


Caserta fotografierte Massimo Listri (u.)
im Jahr 1993. Li. Seite: eine Zimmerflucht
im Schloss von Venaria Reale bei Turin

ner kleinen Kabinettausstellung zeigt. Im den? Oder entdecken wir auf Listris geis-
Bassano-Saal erlebt der Besucher ein Déjà-vu: terhaft leeren und doch so beseelten Wim-
Das grandiose Treppenhaus von Carl von Ha- melbildern nur deshalb viel mehr Details,
senauer und Gottfried Semper hat man doch weil unser armes Gehirn beim Gang durch
gerade beim Aufstieg in den zweiten Stock den echten Raum und den damit verbunde-
passiert – und nun kann man auf Listris Foto nen Perspektivverschiebungen Schritt für
von 180 mal 225 Zentimetern mit den Augen Schritt überfordert ist?
erst so richtig in seiner neobarocken Pracht Auf seiner Homepage zeigt Listri eine
spazieren gehen. Es ist, als führe dieses von einzige Arbeit mit Staffage. Die Bahnhofs-
Kunstwerken bevölkerte Gebäude ein rätsel- halle von São Paulo nahm er mit derselben
haftes Eigenleben, wenn nur erst alle Besu- Hingabe an die Proportionen auf, wie er sie
cher gegangen sind. Und als wäre dieses Ge- in Palästen an den Tag legt, nur wallen uns
heimnis nur zu erspüren, wenn uns Listri auf dem Perron Hunderte Reisende entge-
durch seine Fotolinse blicken lässt wie durch gen. Die Fahrkartenhäuschen tanzen aus der
ein verzaubertes Schlüsselloch. Bildmitte. Unwillkürlich denkt man an
2D schlägt 3D, wie kann das sein? Liegt Flucht – nicht nur die perspektivische. ×
es daran, dass wir uns selbst in schlecht be-
suchten Museen nur selten die Mühe ma- »Massimo Listri – Prospettive/Perspektiven«,
chen, den einen, idealen Blickpunkt zu fin- Kunsthistorisches Museum Wien, bis 26. Oktober

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JA M ES T U R R ELL

»Der Akt des Sehens

Bild: Lars Tunbjork/VU/laif

soll ein Erlebnis sein«


52
JA M ES T U R R ELL

James Turrell ist der berühmteste Lichtkünstler der Welt. Seine Arbeiten
zeigt er aktuell auf Schloss Houghton Hall, auch in Berlin hat er ein
neues Projekt. Ein Gespräch über Quäker, Demokratie und Flugzeuge

VON
T I L L M A N N P RÜ F E R U N D L I S A Z E I T Z

Wer das Glück hat, in diesem Sommer ein zu schaffen. Er hat begonnen, eine sehr gute Ende wäre es besser gewesen, die Kapelle ab-
Wochenende im englischen Norfolk zu ver- Sammlung zusammenzustellen. Außerdem zureißen und eine Neue zu bauen. Aber das
bringen, kann während der Dämmerung pflegt er die Tradition des englischen Gar- war natürlich keine Option. Das große Pro-
eine ganz besondere Inszenierung erleben: tens. Er sammelt Kunst für den Innen- und blem war die Dunkelheit, und es war meine
Die palladianische Fassade von Houghton den Außenbereich. Mit Engländern hat er Verantwortung, Licht in diesen Raum zu
Hall, dem berühmten Landschloss aus den angefangen, wie Richard Long und Stephen bringen.
1720er-Jahren, ist in psychedelische Farben Cox, die in der Natur arbeiten. Er nutzt auch
getaucht, die sich – immer an Freitag- und die alten Stallungen für die Kunst. Man muss Erzeugen Sie das Licht, oder bringen Sie es
Samstagabenden – im Lauf von 45 Minuten bedenken, dass es ein Herrenhaus mit enor- von außen hinein?
abwechseln, von Grün zu Blau und Lila und men Stallungen ist, die sehr schön gemacht Beides. Eine riesige Menge Licht kommt
Pink. Das Spektakel ist Teil der jüngsten Aus- sind. David Rocksavage ist ein interessantes von draußen, und nachts verströmt die Ka-
stellung des 72-jährigen James Turrell, der Beispiel für einen Sammler von heute, der als pelle Licht von innen. Auf beides muss man
wie kein anderer mit dem Medium Licht um- Aristokrat auf eine lange Vergangenheit zu- achten. Ich habe den Bau geöffnet, um Licht
geht, sei es in einem Großstadtmuseum oder rückblicken kann, wie auch immer man zu hineinzubringen. Ich denke, es ist ein interes-
in einem erloschenen Vulkan. Wir haben diesem Aspekt steht. santes Projekt, allein schon weil all die Dich-
ihn in Berlin getroffen, wo er gerade eine ter, Maler, Designer, Schauspieler und Archi-
Friedhofskapelle umgestaltet hat. Schon vor 15 Jahren haben Sie einen »Sky- tekten dort beerdigt wurden. Das ist ein
space« in Houghton Hall installiert. Wie toller Kontext.
Was bedeutet Ihnen Houghton Hall, das Ge- viele gibt es davon eigentlich weltweit?
bäude und seine Geschichte? Es sind 75 Skyspaces in 29 Ländern, die Es gibt etwas Transzendierendes in Ihrer
Es gibt für mich zwei große Sammler- man besuchen kann, der jüngste ist ein Pro- Kunst, das Menschen auf besondere Weise
häuser. Eines davon ist Villa Panza … jekt in Berlin, in einer Kapelle auf dem Do- ergreift.
rotheenstädtischen Friedhof. Einige sehr be- Mir gefällt es, wenn Kunst ein Erlebnis
… im Norden Italiens … rühmte Menschen ruhen dort. ist, wenn es um den Akt des Sehens geht. Das
… und das andere ist Houghton Hall … Werk ist kein Protokoll meines Sehens, son-
… unter anderen Schinkel, Brecht, John dern es geht um das Sehen des Betrachters.
… im Osten von England. Heartfield und Anna Seghers.
Beide hatten früher eine Tradition des Die Friedhofskapelle wurde nicht nur Sie beschäftigen sich nicht zum ersten Mal
Sammelns und sind daher ganz besondere von den Russen, sondern auch von den Ame- mit einem sakralen Ort, einer Kirche?
Orte, um dort heute kreativ zu sein. Der sieb- rikanern bombardiert. Wir waren also alle Nein, nein … Viele Leute denken sogar,
te Marquess of Cholmondeley, auch bekannt ein Teil der Zerstörung unser eigenen Kultur. dass sei es, was ich die ganze Zeit mache. Ich
als David Rocksavage, hat kürzlich eine Aus- Sie wurde dann im Stil der DDR wieder auf- komme aus einer Familie von Quäkern. Als
stellung Alter Meister nach Houghton Hall gebaut, ein ziemlich dunkler Ort. Dann kam ich jung war, war ich auch ein Quäker. Nach
zurückgebracht, die einst von hier aus an Ka- Dieter Rosenkranz ins Spiel. den Schwierigkeiten der Vietnamzeit interes-
tharina die Große nach Russland verkauft sierte ich mich nicht mehr so dafür, aber nun
wurde. Es kam eben der Punkt, als sie das … der Berliner Sammler und Mäzen. bin ich nach 25 Jahren Abwesenheit wieder
Geld brauchten, um die Häuser zu erhalten. Er will auf dem Friedhof beerdigt wer- zurückgekehrt. Gerade habe ich drei kom-
Auch Ludwig II. hatte dieses Problem. den. Deshalb liegt ihm die Kapelle am Her- plette Quäker-Gemeindehäuser fertiggestellt
zen, und er finanzierte das Projekt. Da er se- und bin dabei, ein viertes in Detroit zu er-
Sie kennen die heutigen Besitzer von hen wollte, was Berlin war und ist und was richten. Für Panza habe ich zwei Kirchen
Houghton Hall? es werden könnte, fragte er mich, ob ich mit- entworfen, aber sie wurden nie gebaut.
David Rocksavage ist einer der char- mache. Klar. Das ist eine schöne Idee. Es gab
mantesten Menschen, den ich kenne. Beide, allerdings viele Probleme auf dem Weg dort- Können Sie uns ein bisschen von Ihrer Er-
er und seine Frau. Ziemlich schüchtern, aber hin, allein was die Zuständigkeiten betrifft. ziehung als Quäker erzählen?
ihre Schüchternheit verhüllt nur ihr wirkli- Man muss die Lutherische Kirche involvie- Es gibt verschiedene Stufen und unter-
ches Bestreben, etwas Außergewöhnliches ren, die Stadtverwaltung, einfach jeden. Am schiedlich viel Austausch mit der Gesell-

53
JA M ES T U R R ELL

schaft. Es gibt Quäker, die Traditionen wie Sie gingen ins Gefängnis, weil sie nicht in übergeordnetes Ideal gibt. Wenn alle die glei-
die Amischen oder wie die Mennoniten ha- der Armee dienen wollten. chen Ideale haben, kann man ein sehr gutes
ben. Sie kommen ohne Elektrizität, Autos Nein, ich habe zwar nicht in der Armee Gemeindeleben führen. In der Sowjetunion
und so weiter aus, das mag romantisch klin- gedient, aber ich habe meinen Wehrdienst und in Osteuropa funktionierte der Kommu-
gen. Dort komme ich her. Sie dienen trotz- absolviert, zwei Jahre lang. Das begann in nismus nicht. Bei einer Demokratie hat man
dem in der Armee, allerdings beteiligen sie den 60er-Jahren, als ich siebzehn war – lange die Tyrannei der Masse. Es ist sehr schwierig,
sich nicht am Kampf. Natürlich glauben sie vor Vietnam. Als es dann zum Vietnamkrieg eine Leistungsgesellschaft zu haben.
nicht an Musik oder Kunst. Sie betrachten kam, habe ich anderen, die einberufen wur-
Kunst als Eitelkeit, als ob man sich damit den, geholfen, den Wehrdienst zu umgehen. Die deutsche Geschichte mit ihrer Teilung
schmückt wie mit der Mode – auch in der Dafür wurde ich verhaftet, als Mittäter. Heut- in eine sozialistische und kapitalistische
Kleidung ist das verpönt. Sie sind sehr streng, zutage würde ich es anders machen. Es lohnt Hälfte muss für Sie interessant sein.
was diese Bereiche des Lebens angeht. sich nicht, diesen Preis zu zahlen. In gewisser Weise funktioniert Kom-
munismus nicht, und ich glaube, dass der de-
Glauben Sie, dass die Reinheit, zu der Sie in Erinnern Sie sich noch an das Licht in der mokratische Kapitalismus auch Schwierig-
Ihrer Kunst gelangt sind, in Ihrer Erzie- Gefängniszelle? War es ein Lichtstrahl keiten hat. Es wird also spannend, wo es als
hung verwurzelt ist? durch ein kleines Fenster ganz weit oben? Nächstes hingeht. Im Mittleren Osten wird
Das mag wohl stimmen, aber wir rea- Es gab keinen Lichtstrahl dort. Das versucht, theokratische Regierungen zu
gieren auf unsere Erziehung, ebenso wie wir wäre schön gewesen. Es waren alles Innen- schaffen …
von ihr beeinflusst werden. Ich hatte einen räume. Justizvollzugsanstalten haben kein
Freund, der einmal Quäker gewesen war. Er schönes Licht. Viele Menschen erleben das Demokratie ist immer noch die beste der
hatte einen Fernseher, den er umgekehrt an heutzutage. Ich komme aus einer Nation, die verschiedenen Varianten.
die Wand stellte, sodass man nur das Licht von allen Gesellschaften den höchsten Pro- Ja, das sehe ich auch so. Demokratie
um ihn herum sah. Es gibt Dinge, auf die zentsatz an Menschen einsperrt – meistens wird wahrscheinlich nicht den Reichtum
man erst später im Leben zurückkommt, wegen Drogen. In den USA sind zwei Drittel verbreiten, aber sie verteilt sicherlich die Ent-
zum Beispiel Ratschläge, die man als junger der Insassen wegen Drogenhandels oder scheidungsfindung. Ich glaube, es gibt viele
Mensch nicht annehmen wollte. Später er- Drogenbesitzes in Haft. Wir haben also eine Wege, wie es mit Kunst und der Leistungsge-
kennt man, wie gut es funktioniert hätte, Gesellschaft geschaffen, die sich selbst medi- sellschaft zusammen funktionieren kann. In
wenn man es anders gemacht hätte. zinisch behandeln muss. Für die Jüngeren ist den Vereinigten Staaten haben sie keine

Bild: Peter Huggins/James Turrell


es ein Spaß herumzuexperimentieren, ande- schlechte Arbeit geleistet. Man hat die rei-
Wie ist Ihre Beziehung zu Gott? re tun es, um Teil der Gesellschaft zu bleiben, chen Kunstsammler, aber ihre Kunst wird an
Ich glaube natürlich an Gott und habe was ein harter Weg ist. Die Menschheit hat einem bestimmten Punkt so hoch bewertet,
einige sehr traditionelle Überzeugungen. Ich verschiedene Systeme erlebt, Monarchien, dass sie sie eigentlich aufgeben müssen. Ent-
glaube nicht an Kindstötung, die wir prakti- den totalitären Kommunismus, was nicht weder wird man stark besteuert, oder man
zieren, aber das sind heutzutage politische dasselbe ist wie Kommunismus. In den Quä- stiftet die Kunst. In Amerika gibt es dann ei-
Angelegenheiten, die mit Männern und Frau- ker-Gemeinden gehören dir Dinge gemein- nen Steuervorteil. Die Kunstsammler haben
en zu tun haben. Gender-Angelegenheiten sam, du besitzt sie zusammen. Man hat ein diesen Prozess mitunterstützt, und so über-
und diese Art von Dingen. Ich bleibe meinen anderes Verhältnis zu Geld und Besitztü- geben sie die Kunst, wenn die Gesellschaft es
eigenen Überzeugungen treu. Aber ich gehe mern. Es kann klappen, aber normalerweise möchte. So ist Amerika. Auch in anderen
nicht wählen, da ich im Gefängnis war. nur, wenn es ein starkes philosophisches, Ländern lebt man nicht ewig, also muss man
die Sammlungen übergeben, und das Schö-
ne ist, dass so die Entscheidung über das
Sammeln verteilt wird, anstatt ein Staatsko-
mitee zu haben wie in der Sowjet-Ära, wo
entschieden wurde, wer ein Künstler ist und
welche Kunst gekauft wird. Man verteilt die
Entscheidungsfindung auf viele, sodass am
Ende die Gesellschaft entscheidet, was sich
durchsetzt. Die anderen Arbeiten, die weni-
ger wertgeschätzt werden, enden in abseiti-
gen Sammlungen oder Trödelläden. Dann
haben die Menschen später wieder etwas zu
entdecken: »Das sollte man sich mal genauer
anschauen.« Solche Wiederentdeckungen
finde ich faszinierend. So setzt die Kunst sich
manchmal doch noch durch.

Um Ihre Arbeit muss man sich kümmern.


Ein Skyspace braucht zum Beispiel jeman-
den, der das Licht an- und ausmacht.
Es gibt viele Arbeiten, die den Sammler
Zur Ausstellung in Houghton Hall gehört James Turrells Serie »First Light« – oder Besitzer einbeziehen. In gewisser Weise
zwanzig Aquatinta-Druckgrafiken aus den Jahren 1989–90 wird man ein Verwalter. Das macht mir

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nichts aus. Manche Leute machen das gut. cke, damals in Los Angeles, jetzt in New
Ich habe ziemlich viele Arbeiten in Institu- York. Man kann sagen, Goya bezahlte da-
tionen, aber es sind meistens die Privatleute, mals mein Atelier und ein paar frühe künst-
die besser auf die Kunst achtgeben. lerische Produktionen.

Welche problematischen Erfahrungen ha- Besitzen Sie heute noch Alte Kunst?
ben Sie mit Institutionen gemacht? Ja, Druckgrafik, einiges von Honoré
Ich habe zum Beispiel einmal versucht, Daumier. Ich weiß nicht, ob Sie ihn zu den
eine Ausstellung im Museum Frieder Burda Alten Meistern zählen würden, aber ich habe
zu planen, aber das wurde von Richard Meier, mich für Daumier schon immer genau wie
dem Architekten des Museums, abgelehnt. für Goya interessiert. Auf eine gewisse Weise
Das erste Mal passierte das im Getty Muse- kann man sie fast als Illustratoren bezeich-
um, auch mit Meier. Er war dagegen, dass ich nen, auf jeden Fall Daumier mit seinen poli-
dort ausstelle. Es ist interessant, wie Archi- tischen Cartoons.
tekten zur Kunst stehen. Die Kathedrale von
heute ist keine Kirche mehr, sondern eigent- Neben Alten Meistern und Segelbooten ken-
lich ein Kunstmuseum. Hier machen Archi- nen Sie sich aber auch mit Flugzeuge aus.
tekten ihr großes Statement. Häufig gestal- Oh ja, ich habe immer noch welche.
ten sie Museen so, dass es sehr schwierig ist, Während meiner gesamten künstlerischen
Kunst auszustellen. Wenn man so einen Ent- Laufbahn habe ich antike Flugzeuge restau-
wurf für Mercedes erstellen würde und sie riert, als Geschäft, denn ich musste etwas tun,
können das nächste Modell nicht bauen, um meine Arbeit als Künstler zu finanzieren.
würden sie diesen Typen entlassen. Viele von Mit den Flugzeugen aus dieser Zeit beschäf-
diesen Architekten gehören gefeuert, denn tige ich mich immer noch sehr gerne.
sie drehen ihr eigenes Ding auf Kosten der
Kunst. Wo lagern Sie diese Flugzeuge?
Sie sind in Arizona, wo wir eine Ranch
Bilder: Peter Huggins/James Turrell (3)

Sogar das Guggenheim Museum in New haben. Man kann dort Sachen horten, und
York, wo Sie kürzlich eine große Schau hat- es sieht gar nicht danach aus, weil man sie auf
ten, ist kein leichtes Ausstellungshaus … viel größeren Flächen verteilen kann. Der
Frank Lloyd Wright wäre der Erste, den Unterschied zwischen einem, der Sachen
ich feuern würde. Aber man muss es wohl hortet, und einem der Sachen sammelt, ist
mit ihm aufnehmen. Im Atrium hatte ich eine Vitrine!
eine große Installation, die so teuer war, dass
wir den Rest der Ausstellung nicht mehr ma- Wie viele Flugzeuge haben Sie?
chen konnten. So ist das Leben, manchmal Das ist keine gute Frage, denn die Ant-
sind es auch politische Konstellationen, wort hat Auswirkungen auf die Beziehung
durch die Dinge zustande kommen. Heutzu- zu meiner Frau. Ich würde sagen: schon
tage ist es für die jungen Künstler härter, seit mehr als zehn.
2007, 2008, als alles zusammenbrach, das
Sammeln abnahm. Viele in der Mitte ihrer Fliegen Sie noch?
Karriere stehenden Künstler konnten keine Ja, ich habe eine ziemlich große Flug-
Ausstellung mehr machen, weil die Galerien, zeugsammlung und bin auch schon viele ver-
wo sie sonst ausstellten, ihr Geschäft aufgege- schiedene davon geflogen. Ich habe vier
ben haben. Manche Sammler, die sonst ihre Töchter, die alle fliegen. Eine meiner Töchter
Kunst kauften, hatten einfach aufgehört zu ist Fluglehrerin und gibt Leuten Unterrichts-
sammeln. Das war eine richtige Marktberei- stunden. Und ich habe zwei Söhne, die gera-
nigung, und es ist schwierig für junge Künst- de ihren Flugschein machen. Sie sind die bei-
ler weiterzumachen oder anzufangen. den Jüngsten. Ja, wir fliegen.

Was sammeln Sie? Auch die historischen Modelle?


Während meiner Studienzeit habe ich Das sind die einzigen Flugzeuge, die ich
ein Segelboot gebaut – ich habe es dann noch besitze. Wenn Sie eine Maschine besteigen,
unfertig an ein Paar verkauft, das auf dem dann ist das ein modernes Flugzeug mit ei-
Boot wohnte. Es existiert heute noch, bei San nem dritten Rad vorne. Meine Flugzeuge ha-
Francisco. Von dem Geld habe ich 1965 oder ben das untere Rad hinten wie das Spornrad-
1966 eine Serie von Goyas »Los Caprichos« flugzeug oder die älteren Klassiker. Aber
erworben, nachdem ich die Universität been- In Turrells »Tall Glass«-Serie von 2015 mit einige von ihnen waren noch gar nicht so
det hatte. Ich verkaufte das Boot und kaufte dem Titel »Shirim« sind hinter Glas klassisch, als ich anfing zu sammeln. ×
dann die »Caprichos«. Ich behielt sie für sie- wechselnde Farbverläufe zu beobachten
ben Jahre, und dann verkaufte ich sie wieder, »Lightscape«, bis 24. 10., Houghton Hall, Norfolk.
an Bernard Jacobson, einen Händler für Dru- Das Interview übersetzte Julia Knecht

55
S C H L O S S F R I E DE N S T E I N

Barockes Universum
Mächtig thront Schloss Friedenstein über der Altstadt Gothas. Mit seinen Schätzen
lässt es die höfische Kultur des 17. bis 19. Jahrhunderts anschaulich werden

VON
G L OR I A E H R E T

E
rst jüngst wurde Go- Doch zuerst ins Schloss: Die histo-

Bild: Lutz Ebhardt/Herzogliches Museum Gotha


tha im Baedeker als rischen Prunkräume spiegeln die
Top-Ziel mit zwei höfische Kunst und Kultur des
Sternen geadelt. 17. bis 19. Jahrhunderts. Wie in
Zu Recht, denn es hat viel zu bie- Schlössern üblich, sind viele
ten. Weithin sichtbar thront der Räume mit Herrscher- und Ah-
größte frühbarocke Schlossbau nenbildnissen geschmückt. Die
Deutschlands über der historischen Gemächer des 17. Jahrhunderts
Altstadt. Mitten im Dreißigjährigen prägt der schwere Deckenstuck
Krieg hat Herzog Ernst I. von Sachsen- des Giovanni Caroveri. Zwei
Gotha-Altenburg die imposante Drei- wandfüllende Tapisserien mit den
flügelanlage ab 1643 in nur zwölf Jahren Staatswappen strahlen in ihrer ur-
errichten lassen und ihr den programma- sprünglichen Farbenpracht. Herzog
tischen Namen »Friedenstein« verliehen. Friedrich I., der Sohn des Schloss-
Darin sind das Schlossmuseum mit der gründers, ließ sie anlässlich der Verlei-
weltberühmten Kunstkammer, das hung des königlich-dänischen Elefan-
original erhaltene und noch bespiel- ten-Ordens wirken, der dort stolz zur
te Ekhof-Theater, das Museum der Schau gestellt wird. Das Schloss ver-
Natur mit einer Vielzahl histori- fügt über eine Anzahl hervorragender
scher Tierpräparate sowie das His- Möbel unterschiedlicher Epochen. Zu
torische Museum Gotha unter- den Highlights gehören zwei Tische
gebracht. mit geätzten, farbig dekorierten
Herr über die »Stiftung Bildplatten des Regensburgers
Schloss Friedenstein Gotha« ist Andreas Pleiniger aus Solnho-
seit 2008 Martin Eberle. Mit ei- fer Kalkstein von 1604 sowie
nem regelrechten Masterplan ein prunkvoller Augsburger
hat er das Ensemble, wo nö- Kabinettschrank, der auf Jo-
tig, neu geordnet, Teilbereiche umstruktu- Ein Highlight des Herzoglichen Museums: hann Georg Esser und Andreas Wolfbauer
riert und ihnen so zu ihrer bestmöglichen Adam und Eva als vollplastische Buchs- um 1675 zurückgeht. Eine Bodenstanduhr
Wirkung verholfen. Kein Wunder, dass sich baumfiguren des Renaissancebildhauers David Roentgens steht für die Ebenisten-
die Besucherzahl seit 2007 verdoppelt hat. Conrad Meit, entstanden um 1510 kunst des späten 18. Jahrhunderts, das 1723
Dazu gehört auch das Herzogliche Museum bis 1726 eingerichtete Porzellankabinett ver-
Gotha, unterhalb des Berges auf der stadtab- anschaulicht die fürstliche Leidenschaft für
gewandten Seite in fünfminütiger Fußentfer- das »Weiße Gold«. Der Blick an die Decke mit
nung gelegen. Nach wechselnder Nutzung ihrem leichten Rocailleschmuck verrät, dass
wurde es generalsaniert und 2013 als Kunst- wir im Rokoko angekommen sind. Herzo­gin
museum neu eröffnet. Luise Dorothea, die Gattin Friedrichs III.,

56
Bilder: Stiftung Schloss Friedenstein Gotha (2); Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten/Ralf Kruse & Thomas Seidel GbR, Weinböhla

Die imposante Dreiflügelanlage des im 17. Jahrhundert errichteten


Schloss Friedenstein sowie das Herzögliche Museum aus der
Vogelperspektive. Li. oben der Kuppelsaal des Museums mit einem
Standbild des Herzogs Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha,
darunter der prachtvolle Festsaal im Nordflügel des Schlosses

pflegte Kontakte zu den Geistesgrößen ihrer Das Juwel des Gothaer Schlosses ist die baro- tike bis ins 19. Jahrhundert präsentiert. Die
Zeit, 17 Jahre währte ihr Briefwechsel mit cke Kunstkammer. Mit erlesenen Artificialia, Hauptsäle der Bel Etage beherrschen deut-
Voltaire. Über ihren Sohn Ernst II., der auf Scientifica, Naturalia und Exotica stellten die sche und niederländische Gemälde, heraus-
seiner Grand Tour London und Paris besuch- Herrscher damals ihre Weltkenntnis zur ragend ist »Das Gothaer Liebespaar«. Cra-
te, kam die größte Kollektion von Plastiken Schau. Die Fülle an kostbaren Bernsteinkas- nach d. Ä. ist bestens vertreten. Einen
Jean-Antoine Houdons (1741–1828) außerhalb setten, die als Staatsgeschenke dienten, Gold- späteren Höhepunkt bildet Caspar David
Frankreichs nach Gotha – jetzt im Herzogli- schmiede- und Steinschnittarbeiten, Elfen- Friedrichs Kreuzesvision, die er für Gotha ge-
chen Museum ausgestellt. beinreliefs und reich gravierten Nautilussen malt hat. Zwei Vitrinen sind mit italienischer
Vom Klassizismus geprägt sind die Neu- oder virtuosen Wachsarbeiten ist überwälti- Majolika gefüllt. An Böttgersteinzeug besitzt
en Appartements im Westflügel mit antiki- gend. Den vergoldeten, edelsteinbesetzten Gotha die zweitgrößte Sammlung nach Dres-
sierenden weißen Wandreliefs des Hofbild- Elefanten des sächsischen Hofjuweliers Jo- den, darunter eine Serie zauberhafter Komö-
hauers Friedrich Wilhelm Doell. 1804 bis hann Melchior Dinglinger schenkte Herzo- dienfiguren, die auf den großen Hofbildhau-
1822 regierte August, ein Exzentriker und gin Magdalena Augusta einst ihrem Gemahl er Balthasar Permoser zurückgeht. Die
glühender Napoleon-Verehrer. Den Knaben Friedrich II. zum Geburtstag. Zu den dynas- Interessen der Herzöge blickten weit über
und exotischer Kunst zugewandt, verdankt tischen Memorabilia gehören ein »alter Stie- den Tellerrand, wie etwa japanische Lackar-
Gotha ihm die Sammlung chinesischer fel« Kurfürst Johann Friedrichs des Großmü- beiten und chinesische Kunstwerke bewei-
Specksteinfiguren des 18. Jahrhunderts. Die tigen von Sachsen, den er anlässlich seiner sen. Das Kupferstichkabinett mit altdeut-
laut Rechnungsbüchern enormen Opium- Niederlage gegen Karl V. im Schmalkaldi- scher Grafik sowie einer Kollektion
mengen werden wohl in orientalisch anmu- schen Krieg ablegen musste. Hohe Kunst ist Flugblätter des 15. bis 17. Jahrhunderts be-
tenden Räumen wie dem Türkischen Schlaf- hingegen ein virtuos geschnitztes Relief mit dient Wechselausstellungen.
zimmer konsumiert worden sein. Nach dem dem »Sündenfall« vom Meister IP um 1525. Im Souterrain wird der ägyptische To-
Aussterben der Linie Sachsen-Gotha-Alten- Es dient uns als Überleitung in das Her- tenkult anhand veritabler Mumien und
burg entstand das Doppelherzogtum Sach- zogliche Museum. Dort sind Adam und Eva Grabbeigaben vor Augen geführt; gefolgt
sen-Coburg und Gotha, das Ernst I. ab 1826 als vollplastische Buchsbaumfiguren von von der griechischen Vasenmalerei. Die
regierte. Sein Sohn Albert heiratete Königin Conrad Meit zu bestaunen und als imposan- Korkmodelle des Antonio Chichi (1743–1816)
Victoria von Großbritannien. Damit begann tes bronzenes Gegenstück der »Farnesische waren begehrte Souvenirs. Der Gebäudeflü-
ein beispielloser gesellschaftlicher Aufstieg; Stier« des Adriaen de Vries. In ideal propor- gel gegenüber den Skulpturen ist Sonderaus-
bis heute ist die Familie mit fast allen regie- tionierten Ausstellungsräumen werden die stellungen vorbehalten. Zuletzt war hier die
renden Königshäusern verwandt. unterschiedlichen Sammlungen von der An- viel gerühmte Cranach-Schau zu sehen.  ×

57
2015
2 0. BAMBERGER
KUNST – UND
ANTIQUITÄTEN
www.ba

WOCHEN
mb

21.07.–21.08.
er g

an
er-

tiq
uita
eten.
de
SCHAU
MICH AN!
Tina Modotti und Edward Weston lebten Anfang der
Zwanzigerjahre in Mexiko in einer turbulenten »Ehe auf
Probe«. Als die Liebe erlosch, hatten sich beide neu
erfunden: sie als Kommunistin und Dokumentaristin, er
als Meister der autonomen künstlerischen Fotografie

VON
A N NA BELLE H I RSCH
Sommer
serie
Die sch
Liebesg önsten
esc
in der K hichten
unst
Teil 2

61
L I E B E S G E S C H IC H T E N

M
mindest war sie das in San Francisco, wohin
die gebürtige Italienerin mit sechzehn Jah-
ren emigrierte. Hier in Los Angeles lässt der
Erfolg auf sich warten. Bis auf eine Hauptrol-
le in einem schlechten Stummfilm bleiben
die Angebote aus, und eigentlich ist ihr das
Filmbusiness auch zuwider. Den amerikani-
schen Regisseuren mangele es schlicht an
Manchmal erschließt sich die Bedeutung ei- Vorstellungskraft, erklärt sie. So sei die Italie-
ner Liebe erst an ihrem Ende. Erst mit dem nerin für sie nicht anders zu denken als »mit
Abschied kommt die Frage auf: Was bleibt ei- einem Messer zwischen den Zähnen«.
gentlich von der gemeinsamen Zeit? Im Fall Statt diese zu spielen, gibt sie mit ihrem
von Tina Modotti und Edward Weston bleibt Ehemann, dem Künstler Roubaix de l’Abrie
sehr viel. Nicht nur ein Werk, nicht nur die Richey, genannt Robo, die beliebtesten Par-

Bild vorherige Seite: akg-images/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Bilder diese Seite: akg-images (2)
Geschichte eines Künstlers und seiner Muse, tys der Stadt. »Party bei den Richeys«, flüstert
nicht nur die eines großen Mannes, der seine man sich in L. A. zu und beschwört damit ei-
Inspiration in der Schönheit einer Frau fand. nen Ausbruch aus der Langeweile dieser da-
Es bleiben die Werke zweier Künstler zurück. mals noch sehr provinziellen Stadt. In dem
Zwei recht unterschiedliche, aber nicht min- kleinen Studio wird getanzt, geraucht, ge-
der große, gleichberechtigt nebeneinander trunken, geredet. Edward Weston wird die
stehende Werke. Vor allem aber zwei, die oh- Gruppe später so beschreiben: »Sie waren
neeinander so nie existiert hätten. Am Ende Tina Modotti in Tanzpose, Hollywood, 1920. sehr belesen und weltgewandt, sie führten
dieser Liebesgeschichte steht ein Tagebuch- Unten: Edward Weston mit seiner Kamera, kluge Gespräche und konnten ein paar Bro-
eintrag von Edward Weston. Es ist das Jahr fotografiert von Modotti in Mexiko, 1923. cken Französisch einstreuen. Sie waren Sa-
1926, er sitzt im Zug zurück nach Los Angeles Vorherige Seite: Im Jahr 1924 verewigt lonlinke.« Intellektuelle, Künstler, Schrift-
und schreibt: »Das Verlassen Mexikos wird Weston seine Geliebte Tina Modotti als Akt steller, Tänzer – die kalifornische Boheme
als das Verlassen Tinas in Erinnerung bleiben. trifft sich in der South Lake Street 313, um bei
Diesmal, Mexiko, heißt es Adios für immer. geschmuggeltem Sake über Nietzsche und
Und du, Tina? Ich spüre, dass es auch für dich Oscar Wilde, über die Lage der Welt und des
ein Lebewohl für immer sein muss.« Trauri- Lebens zu diskutieren. Sie wollen frei und
ge, endgültige Worte, die besiegeln, was so vor allem anders leben als die klassische ame-
leichtfüßig an einem Herbstabend im Los
Angeles des Jahres 1921 begann.
Ein Mann, groß, schlank, fast schlaksig,
mit rostbraunem Haar und suchenden brau-
nen Augen, läuft durch die Dunkelheit der
South Lake Street. An der Nummer 313
brennt Licht. Man hört Stimmen, Musik, Ge-
lächter. Im Haus findet eine Party statt. Der
Mann hält inne, er klingelt, die Tür geht auf,
vor ihm steht eine junge Frau. Sie hat schwar-
zes Haar und volle, kirschrote Lippen. Sie
wirft ihm ihren melancholischen Blick zu:
»Guten Abend Edward!«, sagt sie und führt
ihn nach innen. Die Frau ist schön, sogar sehr
schön. Sie trägt eine fließende Batiktunika
über einem langen Rock, an ihren Handge-
lenken klimpern goldene Armbänder, ihre
Augen sind tiefschwarz umrahmt. Sie hat die
Aura einer Leinwandgöttin.
Ihr Name ist Tina Modotti. Sie zählt
fünfundzwanzig Jahre und gilt schon als Star.
Nicht nur ist ihre Ausstrahlung dermaßen
mitreißend, dass sich jeder, der auch nur kurz
mit ihr zu tun hat, sofort in sie verliebt, sie ist
auch eine angesehene Schauspielerin. Zu-

62
L I E B E S G E S C H IC H T E N
Bild: Christie’s Ltd. 2015/VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Am Ende der Beziehung zu Tina Modotti entwickelte Edward Weston mit Fotografien wie »Two Shells« (1927) erst die
Bildsprache, die ihn berühmt machte. Ein posthumer Abzug des Werks erzielte im Mai bei Christie’s London 5262 Euro

63
Bilder: Galerie Bilderwelt/Bridgeman Images (3); akg-images; Galerie Bilderwelt/Bridgeman Images
In Mexiko wurde die Schauspielerin Tina Modotti zur sozial engagierten Fotografin.
Ihr Geliebter Edward Weston brachte ihr das Handwerk bei. Werke von Modotti
(von oben im Uhrzeigersinn): »Telegrafenleitung, Mexiko, 1924«; »Campesino und
Sohn, Bundestaat Veracruz, Mexiko, 1927«; »Rosen, Mexiko-Stadt, 1924«;
»Hammer und Sichel« (undat.); »Hände des Puppenspielers, Mexiko, 1929«

64
L I E B E S G E S C H IC H T E N

rikanische Mittelschicht. Die von der Anar- berufen. Er soll die Abteilung Schöne Künste diesen birnenförmigen Mann in Overall, den
chistin Emma Goldman ausgerufene »freie am Bildungsministerium in Mexiko-Stadt lei- er überaus bewundern wird. Auch Rivera ist
Liebe« wird hier beherzt praktiziert. ten und möchte, dass Robo ihn als Lehrkraft von Weston begeistert. In seiner Fotografie
Edward Weston ist fasziniert. Vor allem begleitet. Robo ist begeistert, Tina Modotti gelinge ihm, was sie alle versucht hätten, in-
von Tina Modotti. An diesem Abend verliebt zerrissen. Natürlich reizt sie Mexiko, viele dem sie Sand oder Kordel oder sonstige Stü-
er sich, wie er sagt »zum ersten Mal« in sie. Er Künstler schwärmen von der Energie, die dort cke der realen Welt auf das Bild klebten: Sei-
ist zehn Jahre älter und ebenfalls verheiratet. seit dem Ende des Bürgerkriegs freigesetzt ne Bilder seien Wahrheit, befindet der
Doch die Ehe läuft schlecht, seine Affären wurde. Doch fürchtet sie um das Ende ihrer berühmte Maler. Überhaupt wird Weston im
sind zahlreich. Trotzdem kann er sich nicht Beziehung mit Edward Weston, die ihr ohne- aufblühenden Mexiko als »Kaiser der Foto-
trennen, das Geld kommt aus der Familie sei- hin sehr unsicher erscheint: Insgeheim glaubt
ner Frau Flora May Chandler. Und Weston sie nicht an ihre Dauer, sie vermutet, Weston
braucht Geld. Er ist kein Träumer, er hat sei für die Liebe auf lange Zeit nicht gemacht,
ernsthafte Ambitionen: Er möchte dazu bei- und doch kann sie sich nicht entschließen zu
tragen, dass die Fotografie als eigenständige gehen. Sie zögert den Abschied heraus.
Kunstform akzeptiert wird. Es ist ein Robo verlässt das Land ohne Modotti.
Wunsch, der sein Leben beherrscht. Über- Bald schreibt er begeisterte Briefe aus Mexiko,
haupt ist die Fotografie das Zentrum seines schildert die malerischen Szenen des Alltags:
Lebens, schon seine erste Kamera, eine Ko- »Jede Straße, jedes Haus, jede Tür ist ein Ge-
dak, nennt er »meine Geliebte«. Zu jener mälde.« Im Februar 1922 steigt auch Modotti
Zeit befindet er sich als Künstler im Um- in den Zug gen Süden. Dann der Schock: Ei-
bruch. Der Piktorialismus, diese dem Sym- nen Tag nach ihrer Ankunft verstirbt Robo
bolismus nahe Bewegung, erscheint ihm an Pocken. Für die junge Frau ist es »die größ-
nicht mehr zeitgemäß. Er wendet sich davon te Tragödie ihres Lebens«. Trotzdem bleibt sie
ab, sucht neue Wege. Doch wohin? und organisiert eine Ausstellung, bei der
Erst einmal zu Tina Modotti. Er kann auch Fotografien Westons gezeigt werden. Es
die Linse seiner Kamera nicht mehr von ihr ist ein Erfolg, vor allem für ihn, sie verkauft
Bild: akg-images/VG Bild-Kunst, Bonn 2015

abwenden. Was ist es nur, das diese Frau so fast all seine Abzüge. Für Weston grenzt das
faszinierend macht? Weston schreibt in sei- an ein Wunder, das eine bereits in ihm
nen »Daybooks«, in Modotti läge die Traurig- schlummernde Idee bestätigt: Die Zukunft
keit einer sehr schönen, viel umworbenen der Kunst muss in Mexiko liegen!
Frau. Sie umgibt etwas Tragisches, etwas Als Modotti wenig später nach Los An- Westons Faszination für die junge Frau, die
Mysteriöses, das sich nicht greifen lässt. »Als geles zurückkehrt, hat sich ihre Beziehung er 1921 bei einer Party kennenlernte, zeigt
sich noch drei Jahre später in diesem Foto
gälte es eine Handvoll Nebel zu fassen«, verändert. Die Glut ist einer Ruhe gewichen,
schreibt ein Freund, der Dichter Pablo Neru- vielleicht mag man sie Liebe nennen. Zumin-
da später einmal. Weston will diesen Nebel dest zeigt sich Weston in dieser schweren
einfangen, sie wird sein liebstes, fast einziges Zeit als Freund. Er ist es, der ihr zur Fotogra-
Modell. Über Monate hinweg besucht sie ihn fie rät. Jahre später, als sie bereits getrennt le- grafie, ein Amerikaner mit mexikanischem
in seinem Atelier, sie machen Bilder, hören ben, schreibt sie ihm: »Von dir kam die ein- Geist« gefeiert. Seine Ausstellungen sind Pu-
Musik, trinken Sake. zige wichtige Orientierung auf diese Arbeit, blikumserfolge.
Natürlich weiß Modotti um Westons die ich mittlerweile mit wahrer Leidenschaft Vor allem dank Modottis Energie taucht
Ruf, er verführe quasi jedes seiner Models, liebe.« Sie solle »das Problem des Lebens lö- das frisch eingetroffene Paar schnell in eine
und doch widersteht sie nicht. Patricia Albers, sen, indem sie sich ins Problem der Kunst Gruppe von Künstlern und Intellektuellen
eine Biografin Modottis schreibt, die beiden vertiefe«, meint Weston, und genau dies will ein. Ähnlich wie schon in Los Angeles wird
hätten »eine tiefe, wahre Liebe verspürt, die sie tun. Mit ihm. In Mexiko. Am 29. Juli 1922 auch hier ihr Haus, eine Villa mit viel zu vie-
jenseits alltäglicher Bedenken auf die Ewig- winken Modotti, Weston und dessen Sohn len Zimmern, zum zentralen Treffpunkt. Je-
keit ausgerichtet war«. Zwischen ihnen Chandler an der Rampe eines Dampfschiffes den Samstagabend werden Feste gefeiert, auf
brennt jene bittersüße Leidenschaft, die sich hinunter zum Hafenkai von San Pedro. denen sich die Riveras, also Diego und seine
jeder Realität verweigert. Vor ihren Ehepart- Westons Frau Flora steht dort, noch immer wunderschöne Frau Lupe, ihr attraktiver
nern verschweigen sie die Beziehung trotz al- will man sie glauben lassen, die Beziehung Bruder Federico Marín, der französische
ler Reden über die freie Liebe. Modotti legt ihres Mannes zu Modotti sei rein beruflich: Maler Jean Charlot, die mexikanische Kunst-
für ihre Korrespondenz sogar ein geheimes »Tina, pass gut auf meine Männer auf!«, ruft kritikerin Anita Brenner, der deutsche
Postfach an. Und schreibt ihrem Geliebten sie. Dann legt das Schiff ab. Schriftsteller Dr. Leo Matthias oder auch Ge-
sehnsuchtsvolle Briefe: »Den ganzen Tag über Mexiko ist eine Offenbarung. Für Mo- neral Manuel Hernandez Galvan bei Spa-
war ich trunken von der Erinnerung an ges- dotti ist es wie eine Rückkehr in ihre Kind- ghetti mit Butter und Käse treffen. Es ist eine
tern Nacht und überwältigt von dieser Schön- heit, sie fühlt sich als Mexikanerin und surreale Boheme-Mischung von Menschen
heit und diesem Wahnsinn. Ich muss nur kommt in dem Land hervorragend zurecht. aus verschiedensten Ecken der Welt und ver-
meine Augen schließen, und schon bin ich, Weston macht große Augen, wenn er sie auf schiedensten Hintergründen. Sie nennen
nicht wieder, sondern noch immer bei Dir.« dem Markt wie eine Einheimische feilschen sich »die Familie«, sie feiern das Leben nach
Bald muss sie ihre Augen wieder öffnen, sieht, sie spricht nach kürzester Zeit die Spra- der Revolution. Ein Klassiker an diesen
denn es stehen Veränderungen an: Der mexi- che, und sie ist es auch, die in kürzester Zeit Abenden ist Westons und Modottis Tausch-
kanische Dichter Robelo, ein guter Freund ihr schillerndes Sozialleben organisiert. Sie spiel: Er kommt als sie, sie als er. Sie äffen sich
der de Richeys, wird in seine Heimat zurück- stellt Weston den Maler Diego Rivera vor, gegenseitig nach. Alle lachen.

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L I E B E S G E S C H IC H T E N

Bild: Sotheby’s/VG Bild-Kunst, Bonn 2015


Tatsächlich ist ihre Liebesbeziehung aber am wach, gequält von Eifersucht. Dass er sich poetischen Blick auf alles, was sie betrachtet.
Tiefpunkt. Der Weg nach Mexiko sollte der selbst auch kein süßes Rendezvous entgehen Weston hingegen bleibt gegenüber der neuen
Anfang einer »Ehe auf Probe« mit klaren lässt, scheint daran nichts zu ändern. Ordnung nach der mexikanischen Revoluti­
Rahmenbedingungen sein: Er unterrichtet Vielleicht trennt sie auch etwas ganz an­ on kritisch eingestellt. Er ist ein Ästhet, sein
sie in der Fotografie, sie kümmert sich um deres: Modotti, die in der Fotografie rasante Bestreben ist die Wahrheit des Bildes und die
das Porträtstudio, den Haushalt und die Aus­ Fortschritte macht und schnell ihre eigene zeitlose Schönheit, nicht die Aktualität.
stellungen. Modotti erfüllt ihre Aufgabe mit Stimme findet, lässt sich immer mehr vom »L’art pour l’art« ist seine Formel, doch in Me­
Bravour. Ohne sie wäre Weston hilflos, das »kommunistischen Strudel«, wie Weston es xiko weht gerade ein ganz anderer Wind.
weiß er. Doch zwischen ihnen hat sich alles nennt, einnehmen. Während er sich mit gro­ Künstler sein bedeutet gerade in diesen Jah­
verändert: »Etwas ist zwischen uns verloren ßem Elan auf der Tanzfläche dreht, lauscht ren auch Politik zu machen. Der neue Bil­
gegangen«, schreibt Weston, »die Neugierde, sie Gesprächen über Politik und Kunst. Das dungsminister José Vasconcelos sieht die Zu­
kunft des Landes in der Hand der Kunst. Sie
soll das mexikanische Volk bilden und beleh­
Während Weston sich mit großem Elan auf der Tanzfläche ren. Es wird viel experimentiert, Klassiker
werden billig nachgedruckt und an das Volk
drehte, lauschte Modotti den Gesprächen über Politik. verteilt, überall finden Lesungen, Workshops
und Konzerte statt.
Auch Diego Riveras berühmte Wandbil­
die Aufregung der Eroberung und des Aben­ mexikanische Volk, seine Einfachheit und der fallen in dieses politische Programm. Für
teuers fehlen.« Sie beide sehnen sich nach die Größe dieser jahrtausendealten Kultur Rivera bedeutet Künstler sein, »die unausge­
dem Gefühl der absoluten Liebe zurück. fasziniert sie, sie möchte sich engagieren, sprochenen Hoffnungen, Wünsche, Ängste
Auch machen Modottis Eroberungen Wes­ auch mit ihrer Fotografie. Dort sieht man zu­ und Schwierigkeiten seiner Zeit und seiner
ton zu schaffen. Während sie sich in ihrem nehmend die Menschen des Landes, Kinder, Landsleute auszudrücken«. Fast alle Freunde
Zimmer mit ihrem Liebhaber amüsiert (sie alte Männer, Frauen mit Fahnen. Modotti des Hauses Modotti-Weston folgen der kom­
schlafen immer getrennt), liegt er allein zeigt die Armut, und doch wirft sie einen munistischen Strömung. Viele von ihnen en­

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Bild: akg-images/VG Bild-Kunst, Bonn 2015

gagieren sich in der revolutionären Zeitung Noch viel wichtiger sind aber ihre Ausflüge. Im politisch unruhigen Mexiko suchte
El Machete, die von einer Arbeitergewerk- Weston entdeckt in Mexiko die Schönheit Weston seinen Ausweg in der Landschafts-
schaft ins Leben gerufen wurde und die spä- der Landschaft, ein Sujet, das ihn vorher nie fotografie: »Agave, Mexiko«, 1926 (o.).
ter zum Zentralorgan des Partido Commu- begeisterte, doch jetzt plötzlich eine wichti- Sein Bild »Akt (Tina auf dem Dach)« von
nisto Mexicano werden wird. Auf der ge Rolle einnimmt. Besonders die Wolken. 1923 (li. Seite) wurde als Abzug von seinem
Kopfzeile des riesigen Blattes prangt eine Stundenlang richtet Weston seine Graflex in Sohn im April dieses Jahres bei Sotheby’s
in New York für 11 250 Dollar versteigert
Faust, die ein Buschmesser schwingt, »ein re- den Himmel und fotografiert, was sich dort
gelrechtes Bettlaken«, scherzt Weston. Die oben, losgelöst vom staubigen, unsicheren
nicht enden wollenden Unruhen nagen an Boden Mexikos, abspielt.
seinen Nerven und seiner Konzentration. Während einer dieser Ausflüge macht Nach ihrer Trennung gehen sie unterschied-
Zumal sie ihm die Kundschaft vergraulen. Weston die letzten und vielleicht schönsten liche Wege: Edward Weston wird zu einem
Die Bourgeoisie, die ja nun als Einzige das Aktaufnahmen seiner »Frau auf Probe«. Wie- frühen Meister der modernen amerikani-
Geld hat, sich in Porträts verewigen zu lassen, der einmal hat die Flüchtigkeit der Wolken schen Fotografie, Tina Modotti zu einer lei-
verlässt nach den blutigen Kämpfen im Jahr ihn vollkommen eingenommen, doch dann denschaftlichen Kommunistin. Sie lernt in
1924 zunehmend das Land. blickt er nach unten und sieht Modotti: Mexiko den Revolutionär Vittorio Vidali
Im Nachhinein betrachtet, wird dieser nackt, der Sonne zugewendet. Er richtet sei- kennen, folgt ihm nach Moskau, Spanien
Auftragsstopp für Modottis und Westons ne Kamera auf sie und macht eine ganze Se- und Paris. Sie fotografiert weiter, ihre Bilder
künstlerische Entwicklung ein Segen sein: rie von ihrem stolzen Körper, der im grellen gelten heute als wichtige Dokumente der Re-
Modotti hat schon zuvor begonnen, sich Licht noch weicher und fast abstrakt er- volutionsjahre von Mexiko. Am 6. Januar
Stillleben zuzuwenden, ihre Blumenbilder scheint. Weston selbst sagt kurz darauf, es sei 1942 stirbt sie in Mexiko-Stadt in einem Taxi
des Frühwerks gehören zu ihren schönsten die beste Aktserie, die er je von ihr gemacht an einem Herzanfall. Die Umstände ihres
Fotografien überhaupt. Nun beginnt auch habe. Und doch muss er fort. Zwar kehrt er Todes sind bis heute umstritten. Sicher ist je-
Weston, unbelebte Gegenstände außerhalb nach einem Besuch in San Francisco und doch: Ihr Gesicht und ihr Körper werden uns
der Architektur abzubilden: Spielzeug, Va- Los Angeles noch einmal nach Mexiko zu- für immer aus den Bildern Edward Westons
sen, Dinge, die im Studio herumstehen. rück, doch ihre Liebesbeziehung ist beendet. in Erinnerung bleiben. × 

67
D erH an delm itW erk enu n dO b jek tenvon
historisch emu n dh oh emk ünstlerisch enW ertb ed eutetfü ru n
s
einP rivileg:D esw egensteh enw ireinfü rd ieA uth entizität,
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S A M M L E R SE M I N A R

SAMMLER
SEMINAR Nº 2 2

Modefotografie

Sie hat faszinierende und auch epochale Bilder hervorgebracht. Schon deshalb ist Modefotografie
ein lohnendes Sammelgebiet. Bis auf einige Superstars sind die Preise noch moderat

VON
N A DI N E B A RT H

70
S A M M L E R SE M I N A R

K
Kunst oder Werbung? Diese provokante Fra-
ge taucht immer wieder auf, wenn es darum
geht, das flüchtige, schillernde Medium der
Modefotografie zu fassen. Ein Kunstwerk ist
das Produkt einer kreativen Tätigkeit, es gibt
einen Künstler und, wenn es ausgestellt wird,
auch einen Betrachter. Doch wie sieht es mit
dem Urheber eines Modefotos aus? Wer ist
das? Und ist Fashion-Fotografie nicht meist
nur die Abbildung in einem Magazin, und
sind nicht die Betrachter dieses Bildes ein-
fach die Käufer des Heftes?
Um das Wesen der Modefotografie zu
Bilder: Sotheby’s London; Christie’s Images Ltd. 2015/VG Bild-Kunst, Bonn 2015

verstehen, muss man sich die Anfänge dieses


noch relativ jungen Mediums vergegenwär-
tigen. Zwar hatte schon Adolphe Braun 1856
einen ganzen Schwung modischer Fotogra-
fien einer Comtesse de Castiglioni als Buch
veröffentlicht, doch erst als die Magazine
Platz machten für die Inszenierung von Klei-
dung mithilfe eines Fotoapparates, konnte
sich dieser Teilbereich der Fotografie über-
haupt entwickeln. Anfang des 20. Jahrhun-
derts herrschte in den Modeillustrierten die
Zeichnung vor, im Stil der Zeit.
Edward Steichen reklamiert für sich,
das erste Modefoto in einem kommerziellen
Zusammenhang veröffentlicht zu haben, 1911,
in Art et Décoration. Es ging um einen Arti-
kel über den Modeschöpfer Paul Poiret, und
Steichen zeigte in einer orientalisch inspirier-
ten Komposition sehr elegant eine Dame, an
einer Freitreppe stehend. Die Vogue, 1892 ge-
gründet und vom Verleger Condé Montrose Edward Steichen war der Pionier der Mode- turen orientierte, und Horst P. Horst, der
Nast 1909 übernommen, fing erst ab 1913 an, fotografie. 1925 nahm er dieses Model im Cheffotograf bei Vogue in Paris. Später ka-
regelmäßig Fotos abzudrucken. Nast hatte Vionnet-Kleid auf, der Abzug erzielte im men der Brite Cecil Beaton mit theatralisch-
die Fotografie als populäres Medium erkannt März bei Christie’s New York 15 000 Dollar. romantischen Inszenierungen sowie der Un-
und wollte die moderne amerikanische Frau Li. Seite: Für die italienische Vogue insze- gar Martin Munkácsi mit seinen schwungvoll
mit seiner Errungenschaft beglücken. Es nierte Miles Aldridge 2008 eine Strecke mit bewegten Bildern hinzu.
poppig-zynischen Hausfrauenbildern.
ging ihm natürlich auch darum, die Auflage Diese Garde belieferte Vogue und Har-
Der Print von »Home Works #3« erzielte bei
zu steigern, schon 1928 hatte er den print run per’s Bazaar. Bis auf Munkácsi arbeiteten sie
Sotheby’s London im Mai 14 375 Pfund
von anfänglich 14 000 auf 138 000 Hefte ge- meist aus dem Studio heraus, sorgsam ausge-
hievt. Ende der 1970er-Jahre kletterte die Auf- leuchtet, sodass möglichst viel vom Entwurf
lage auf über eine Million, heute liegt sie bei des Kleidungsstückes zu sehen war. Bei den
rund 1,2 Millionen. Magazinen saßen Artdirectors, die maßgeb-
Die Stars der ersten Jahre von Vogue wa- lich den Stil des Heftes bestimmten. Die Pio-
ren neben Steichen – der 1923 einen Exklusiv- niere seit den Dreißiger- und Vierzigerjahren
vertrag bekam und 15 Jahre für das Magazin waren Alexey Brodovitch bei Harper’s Bazaar
arbeitete – der eher distinguierte Baron und Alexander Liberman bei der Vogue. Sie
Adolphe de Meyer, der mit Gesellschaftspor- wählten die Fotos aus, stellten die Strecken
träts in luxuriösem Ambiente und sanftem zusammen, beschnitten die Bilder, legten
Gegenlicht arbeitete, George Hoyningen- Schrift darüber. Schon vor der Fotoprodukti-
Huene, der sich gern an griechischen Skulp- on redeten die allmächtigen Stilchefs und an-

71
S A M M L E R SE M I N A R

dere mit – und tun es heute noch. Die Wahl ben waren leuchtend und satt, Kodachrome
der Kleidungsstücke, die Wahl des Ortes, die war der Film der Zeit mit seinen gelblich-röt-
Wahl der Modelle. Und so fragt man sich, ob lichen Warmtönen.
ein Modefoto eigentlich eine klare Urheber- Die Fotografen lieferten Diapositive ab,
schaft besitzt, wenn doch so viele Menschen manchmal auch schon die Filmrollen; die Re-
daran beteiligt sind. Heute bestehen Teams daktion übernahm die Entwicklung, und,
manchmal aus dreißig Leuten und mehr. Auf wie gesagt, in der Regel auch die Auswahl.
dem Markt wird am Ende nur der Fotograf Eine Ausnahme bildet Guy Bourdin, der sich
genannt, dabei ist er nicht mehr als die Speer- nicht wie seine Kollegen darauf konzentrier-
spitze der Produktion. te, einfach gute Einzelbilder anzubieten, son-
Der Drang, einen unverwechselbaren dern er beschäftigte sich auch mit der Gestal-
Stil zu kreieren, befeuerte eine unbändige tung der Seite, bevor er das Bild machte.
Experimentierfreude. So durfte sich der Seine Kompositionen bezogen das genaue
Künstler Man Ray für die Vogue ausprobie- Endformat des Magazins mit ein. Er arran-
ren und schenkte ihr surrealistische Porträt- gierte Sets für Doppelseiten oder sogar darü-
fotos und Modebilder schöner Frauen. Auch ber hinaus, sodass sich ein Motiv erst er-

Bilder: Erwin Blumenfeld/VOGUE Archive Collection/www.lumas.com; Clifford Coffin/VOGUE Archive Collection/www.lumas.com


Lee Miller, Assistentin und Geliebte Man schloss, wenn man umblätterte. Anders als
Rays (und zuvor Model für Edward Steichen), viele seiner Kollegen, die es unbedenklich
übte sich in Doppelbelichtungen und extra- fanden, eine Fotografie aus ihrem editori-
vaganten Settings. Lumas bietet Klassiker in hohen Auflagen schen Zusammenhang zu lösen und auszu-
Erwin Blumenfeld arbeitete mit Solari- zu kleinen Preisen: Erwin Blumenfelds stellen oder gar zu verkaufen, fand Bourdin,
sation, Collagen und Unschärfen, markant »Cross« von 1945 und Clifford Coffins dass seine Arbeiten außerhalb der Magazine
etwa sein Motiv »Cross« auf dem Vogue-Co- »Sun« von 1949« (u.) kosten je nach Größe nichts zu suchen hatten. Ohnehin wollte er
ver im März 1945. Es nahm das Zeichen des 110 bis 390 Euro. Re. Seite: der Abzug der eigentlich Maler werden.
Roten Kreuzes zum Vorbild, um Frauen Sixties-Ikone Jean Shrimpton, die David Und doch waren vor allem seine Werbe-
Bailey für Vogue fotografierte, erzielte 2011
während der Kriegszeit zu mobilisieren. Und kampagnen für das Schuhlabel Charles Jour-
bei Christie’s New York 16 250 Dollar
Clifford Coffin arrangierte 1949 im Studio dan so skurril und bizarr, dass sie viel eher
für eine Serie über Bademoden die Manne- dem Kunstbereich zugeordnet werden kön-
quins so auf einem Sandhügel, dass man nur nen als dem kommerziellen Markt. Dass auf
ihre Rücken sah und sich eine Wüstenland- den Bildern von Goldfischen in blauem Bas-
schaft zu imaginärer Tiefe öffnete. Die Far- sin, aus dem Bildrand entschwebenden Bei-
nen oder einer Tatort-Kreidezeichnung auf
dem Asphalt neben den Markennamen der
Schuhe wie Joy, Barbarella oder Rio noch der
Preis genannt wird, etwa 295 Franc, gemahnt
an die Verortung des Modefotos in der Wa-
renwelt. Es verweist als Signifikant auf ein
Produkt, das man kaufen kann und soll,
nichts anderes will das Bild.
Der erste, der diese direkte Verbindung
des Fotos zur Materie durchbrach, war Hel-
mut Newton. Nicht nur, weil er die Models
auszog, somit das Produkt Kleidung gar
nicht mehr zeigte, sondern weil er gesell-
schaftliche Tabus brach, indem er die Porno-
grafie in die Mode brachte, das Obszöne, Di-
rekte, Verführerische. Gelernt hatte Newton
im Studio der Berlinerin Yva. 1938 war er
nach Australien emigriert, arbeitete erst für
die dortige Vogue, später auch für alle ande-
ren Ausgaben dieses so wichtigen Sprach-
rohrs der Mode. Sein erster Bildband »White
Women« erschien 1976, seine bekannteste Se-
rie, die »Big Nudes«, schuf er 1980.
Spätestens diese Fotografien der nack-
ten Mädchen in Überformat markieren den
Übergang der Mode in die Kunst. Newtons
Bilder (und viele nach ihm) zelebrieren das
Nackte; das Nackte ist Zeitgeist, gesellschaft-
liches Phänomen, die 68er hatten es auch als
körperliche Freiheit politisch erkämpft, jetzt
darf es die Warenwelt revolutionieren. Und

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Bild: Christie’s Images Ltd. 2015

Man fragt sich, ob ein Modefoto eigentlich eine klare Urheberschaft


besitzt, wenn doch so viele Menschen daran beteiligt sind.

damit fügt sich hier einer der großen Baustei- Das Phänomen, dass etwas, das die Gesell- fen. Aber der größere Knall ereignete sich in
ne in der Frage nach Modefotografie als schaft umtreibt, Einzug erhält in die Mode- den Neunzigerjahren. Mit der Gründung
Kunst ein: Indem sie eine gesellschaftliche fotografie und sogar umgekehrt wieder sei- von Magazinen wie i-D und The Face kamen
Strömung aufgreift, sie als Trend vorstellt (ob nen Einfluss zurückschickt, prägte natürlich der Punk, die Jugendkultur, das Subversive
mit Kleidung verknüpft oder nicht), trägt sie die Swinging Sixties, als Fotografen wie Da- in die Mode. Fotografen wurde eine größt-
nicht nur zu einem größeren Verständnis der vid Bailey (Vorbild für Michelangelo Anto- mögliche Freiheit bei der Gestaltung der Pro-
Gegenwart bei, sondern sie verkörpert sie ge- nionis Film »Blow Up« von 1966), Brian Duffy duktionen eingeräumt. Manche waren privat,
radezu. Und durch diese Verortung in der und Frank Horvat die vibrierende Atmo- intim, hatten die Anmutung von Schnapp-
Gegenwart gewann die Modefotografie zu- sphäre Londons einfingen und mit ihren Bil- schüssen, andere probierten sich mit abge-
gleich etwas absolut Zeitloses. Sie bleibt be- dern von Twiggy, Veruschka und Jean fahrener Lichtsetzung aus. Die Kleidung
stehen – als Kunst. Shrimpton unverwechselbare Ikonen schu- selbst trat in den Hintergrund, es ging um

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Bild: Nachlass Sibylle Bergemann/Ostkreuz/courtesy Loock Galerie und Kicken Berlin
S A M M L E R SE M I N A R
Bild: Horst Estate/Courtesy of Bernheimer Fine Art Photography

Horst P. Horst huldigt dem amerikanischen Modetraum von 1939, Kleid von Sally Victor. Der autorisierte
Inkjet Print von 2014 kostet je nach Größe und Auflage bei Bernheimer 8000 bis 22 000 Euro. Links: Auch in
der DDR gab es sehr gute Modefotografie, hier von Sibylle Bergemann, 1981, für 6000 Euro bei Kicken Berlin

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on nichts anderes als 58 Kate-Moss-Fotogra-
fien an, von Albert Watson und Mario Testi-
no bis hin zu eigens angefertigten Skulpturen
von Allen Jones und Chris Levine – Erlös:
über 1,6 Millionen Pfund.
Die große Zäsur jedenfalls, die sich in
den Neunzigern vollzog, der Wechsel von ei-
ner schönen Oberflächenwelt, in der Eleganz
und Zurückhaltung herrschte und die Mode
losgelöst mit ihren eigenen Referenzen spiel-
te, hin zu einer Empfindungsfotografie, die
sich wechselnden Weltanschauungen ver-
schreibt und Bezüge zur Musik, zum Film, zu
den Medien zelebriert, führte dazu, dass Mo-
defotografie als Genre immer ernster genom-
men wurde. Plötzlich hatte sie uns etwas zu
erzählen, ganze Geschichten oder große Ge-
fühle. Es ging nicht mehr vorrangig ums Ver-
führen, sie konnte nun auch schockieren, sie
schaffte die ganze Bandbreite an Reaktionen
beim Betrachter. Und dieser Betrachter war
nicht mehr nur der Leser der Magazine, er
war mittendrin. Modefotografie passierte so
unmittelbar vor ihm, um ihn herum, bildete
ihn selbst ab, weil auch Models von der Stra-
ße weg gecastet wurden. Es gab keine Schön-
heitsideale mehr, weil alles nun schön bezie-
hungsweise nicht mehr schön, sondern
normal, krass, wild, ja eben da war.

Bild: Daniel Sannwald


Noch immer dauert der Trend zu dieser
direkten, schonungslosen Fotografie an,
wenn auch ihre Extremformen wie der von
Juergen Teller initiierte »Heroin Chic«, die
Kriegs- und Schockfotos von Oliviero Toscani
für Benetton oder die penetrante Selbstinsze-
nierung des nackten Terry Richardson über-
holt sind. In Magazinen wie Numéro, Purple,
Self Service, Details, Pop, Surface oder 032c
geht es nach wie vor um die Darstellungen
von Lebenshaltungen, um ungewöhnliche
Lebenshaltungen, um Wünsche, um Visio- Daniel Sannwald gehört mit seiner ein- Bildsprachen, um das Erzählen von Storys.
nen. Corinne Day fotografierte 1993 die blut- fallsreichen Digitalästhetik, hier 2014 für Fotografen wie Rankin, der selbst die
junge Kate Moss, ungeschminkt, eine bunte das Label Patrik Ervell, zu den Jungstars Magazine Dazed & Confused, AnOther Ma-
Lichterkette erinnerte eher an eine Schulfete (danielsannwald.com). Re. Seite: Frank gazine und Hunger gründete, seit Jahren ver-
als an einen Glamour-Shot. »Dirty Realism« Horvats Rennbahnszene für Givenchy lässlich Shooting um Shooting und mindes-
nannte sich die Richtung, auch wenn sie äs- wurde im Mai 2014 bei Grisebach für tens ein Buch pro Jahr rausdonnert (nebenbei
2500 Euro zugeschlagen. Juergen Tellers
thetische Kleinode hervorbrachte wie Mario auch einen eigenen Verlag und eine Galerie
Bild von Kristen McMenamy u. li. entstand
Sorrentis Anzeigenmotiv für Calvin Kleins betreibt), oder Nick Knight, der mit seiner
1996 für das SZ-Magazin. Prints von
Parfüm »Obsession«, das eine nackte Kate Teller kosten bei Contemporary Fine Arts Plattform »Showstudio« junge Talente för-
Moss bäuchlings liegend auf einem Sofa vor in Berlin je nach Größe 9100 bis 51 000 dert, Werbefilme organisiert und Fashion-
einer Abbruchwand zeigt. Das britische Mo- Euro. Guy Bourdin machte 1975 Charles- clips dreht, sind die Überväter einer ganzen
del, das anschließend eine steile Karriere Jourdan-Schuhe zum Teil eines Unfall­ Generation von Modekunstfotografen. Für
machte, steht wie kein anderes für diese Sym- tatorts, 2013 brachte dieser Abzug (u. re.) sie sind Ausstellungen selbstverständlich,
biose aus Rock und Realismus, aus Ikonen- bei Christie’s London 10 625 Pfund Mode und Kunst greifen ineinander: Craig
tum und Irrsinn. Kate Moss war nicht nur McDean, Stéphane Sednaoui (bekannt für
die Muse unzähliger Fotografen, Designer seine CD-Cover von Björk und Madonna
und Künstler, sondern auch mindestens und seine künstlerischen Kollaborationen
zweier Generationen junger Mädchen, die sie mit Jean-Paul Gaultier), Cedric Buchet (seine
anhimmelten, obwohl ihr exzessives Privat- Prada-Anzeigen-Motive waren 2004 bei der
leben ihr auch zwischenzeitlich die Kündi- großen MoMA-Ausstellung »Fashioning Fic-
gung von Werbeverträgen einbrachte. Im tion in Photography since 1990« zu sehen)
September 2013 bot Christie’s in einer Aukti- und Miles Aldridge – gerade wurde sein pop-

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Bilder: Grisebach, Berlin 2014; Juergen Teller; Christie’s Images Ltd. 2015

Der größte Knall ereignete sich in den Neunzigerjahren.


Mit der Gründung neuer Magazine kamen der
Punk, das Subversive, die Jugendkultur in die Mode.

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pig-zynisches Hausfrauenbild mit Gasflam- ihn allerdings nicht daran hinderte, weiter
me bei Sotheby’s mit Aufgeld für 14 375 für W, Vogue oder Flaunt zu arbeiten.
Pfund verkauft. Generell schaut der Markt aber eher auf
Das Reservoir scheint unerschöpflich, die historische Modefotografie, die Klassiker,
weil der Markt ständig Neues ausspuckt. sowohl aus der Vorkriegszeit wie Steichen
Schon gibt es die nächste Generation von oder Horst P. Horst, als auch danach aus der
Jungstars wie Kourtney Roy, Daniel Sann- »Goldenen Ära« der Fifties und Sixties. Einer
wald oder Alex Prager. Dennoch ist es nicht der Blue Chips ist sicherlich Irving Penn
immer so, dass Modefotografie im Augen- (1917–2009), der mit seinem minimalistischen
blick des Erscheinens gleich als Kunst wahr- Stil, der ausgewogenen Studioarchitektur
genommen wird. Ein Beispiel ist Steven Mei- und der Strenge der Details mehr als 50 Jahre
sel, der seit über 25 Jahren ausnahmslos alle prallen Schaffens hinterließ. Erst kürzlich
Cover der italienischen Vogue fotografiert – wurden auf Christie’s Pariser Fotoauktion
und immer mindestens eine Strecke im Heft. »Icons & Style« allein 16 Werke von Penn an-
Seine innovative Art hatte die Chefredakteu- geboten, mit Taxen zwischen 12 000 und
rin Carla Sozzani von Anfang an begeistert. 180 000 Euro. Besonders beliebt ist seine Serie
Doch am Kunstmarkt fanden sich die Bilder »Black and White«, die er 1950 für die Vogue
bisher kaum; erst kürzlich tourte eine vom schoss und die an grafischer Ausdruckskraft
Auktionshaus Phillips zusammengestellte und kühler Raffinesse ihresgleichen sucht.
»Travelling Selling Exhibition« durch Paris, 2013 wurde das Harlekinbild aus der Schwarz-
London, New York und Miami. Weiß-Serie bei Phillips für 290 500 Dollar ver-
Bei dem anderen Steven, bei Steven kauft, bei Christie’s brachte jetzt ein Abzug
Klein, funktionierte die Vermarktung besser, davon 133 500 Euro.
der Amerikaner hatte sich frühzeitig um Ga- Ein anderer beliebter Künstler, der im-
Für die Vogue Italia fotografierte Mario
lerien bemüht – legendär seine Serie von Ma- mer »geht«, ist Richard Avedon (1923–2004).

Bilder: privat; Image courtesy of Phillips/www.phillips.com


Testino 2006 Kate Moss im Bad. Ein Print
donna im Sado-Maso-Set und die Bonnie- der 200er-Auflage von 2012 erzielte
Anders als Penn fotografierte er viel on loca-
und-Clyde-Hymne von Angelina Jolie mit soeben bei Phillips London 5250 Pfund. tion. Am bekanntesten ist sein Motiv »Dovi-
Brad Pitt. Und David LaChapelle, verehrt für Oben Irving Penns berühmtes Cover der ma with elephants« von 1955, dass das Model
seine bunten, schrillen Inszenierungen, zog US-Vogue, April 1950. Rechts Melvin Dovima in einem Abendkleid von Christian
sich mit großen Trara aus der Modewelt zu- Sokolskys »Bubble«-Serie, 1963, Prints sind Dior zeigt (übrigens vom jungen Yves Saint
rück, um nur noch »Kunst« zu machen – was bei Fahey/Klein ab 2500 Dollar zu haben Laurent entworfen). Den großformatigen Sil-

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Bild: Melvin Sokolsky/Courtesy of the Fahey/Klein Gallery

bergelatine-Print, angefertigt für die große Die Fahey/Klein Gallery in Los Angeles hat Huene, Blumenfeld, Aldridge oder Michel
Retrospektive 1978 im Metropolitan Muse- etwa die ganze Seifenblasenserie von Melvin Comte – allerdings in sehr hohen Auflagen.
um, ersteigerte das Unternehmen Dior »zu- Sokolsky im Programm, ein Abzug dieser Modefotografie ist jedenfalls »in«, be-
rück«: für 841 000 Euro bei Christie’s. In der Motive für Harper’s Bazaar von 1963 gibt es feuert auch durch große Überblicksausstel-
gleichen Pariser Auktion von 2010 wurden schon für 2500 Dollar. Junge Galerien wie lungen und Retrospektiven in den Museen.
64 Fotos von Avedon für insgesamt 5,5 Millio- The Ravestijn aus Amsterdam oder die Gale- Die Galerie Bernheimer Fine Art Photogra-
nen Euro verkauft. Abzüge von Avedon gibt rie für Moderne Fotografie in Berlin bieten phy (München/Luzern), die Horst P. Horst
es natürlich auch in Galerien: Steven Kasher zeitgenössische Werke ab 1500 Euro an. Wem seit 2008 europaweit vertritt, beobachtet seit
bietet aktuell einen Vintage-Silbergelatine- es vor allem darum geht, ein schönes Bild an der großen Horst-Ausstellung im Londoner
Workprint von Jean Shrimpton aus dem Jahr der Wand zu haben, für den ist Lumas eine Victoria and Albert Museum im vergange-
1968 an, Gagosian ein Modefoto mit Audrey gute Adresse: Für Preise ab 239 Euro sind hier nen Jahr ein wachsendes Interesse. Die Farb-
Hepburn und anderen in Abendkleidern in in der Sektion »Fashion« Meisterwerke aus abzüge kosten ab 8500 Dollar, die Silbergela-
einer Bar von 1959. den Archiven von Condé Nast oder der Foto- tineabzüge ab 10 000 Dollar. Nächstes Jahr
Aber selbst wenn man nicht viel anle- vermarktungsagentur Trunk zu haben, kommt die Schau nach Düsseldorf ins NRW-
gen möchte, findet man genug am Markt. darun­ter Bilder von Steichen, Hoyningen- Forum. Der Hype geht weiter. ×

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S A M M L E R SE M I N A R

Gut zu wissen
Was genau meint Vintage, und wie hoch sollte eine Edition sein? Welche Museen zeigen
Modefotografie, und wo kann man sie kaufen? Unsere kompakte Übersicht

Glossar Im Museum für Moderne Kunst


(MMK) in Frankfurt am Main
C-Print beschäftigt man sich gern mit den
Klassischer Fotoabzug, der heute Phänomen Mode. Und das
digital hergestellt wird, auch nach NRW-Forum in Düsseldorf, sowieso
der Maschine OCE Lightjet eine großartige Fotoadresse, wird
»Lightjet-Print« genannt. Es sind 2016 Horst P. Horst in einer
Ausbelichtungen auf Fotopapier umfangreichen Schau zeigen. Das
mit großem Farbraum und hoher wichtigste Pariser Fotografiehaus ist
Sättigkeit. das Jeu de Paume. Wegweisende
Ausstellungen zur Modefotografie
Edition sind immer wieder im Victoria and
Auflage eines Werks. Bei Fotografien Albert Museum in London und im
sollte sie nicht höher als zehn sein, New Yorker Museum of Modern Art
bei großen Formaten nur fünf. zu erleben. Ein Haus mit guter
Amerikanische Fotografen gehen Spürnase für Trends ist das ICA in
allerdings gern auf 25 oder bieten Boston. Auf allen großen Festivals

Bild: Stephan Müller


diverse Größen des gleichen Motivs wie den Rencontres de la photo­
an. Wichtig ist, dass die Editions- graphie in Arles oder PhotoEspaña
Helmut Newton Foundation in Berlin: die »Big Nudes« des Modefotografen
nummer entweder auf dem Print in Madrid erhält die Modefoto­
selbst, einem Label oder Stempel grafie heute selbstverständlich
vermerkt und die Arbeit signiert ist. gebührenden Raum. Noch ein Tipp
Nach dem Tod eines Künstlers darf Strecke Schauen zum Schluss: In Wolfgang Tillmans’
der Nachlass auch Label ausstellen. Eine zusammenhängende Serie von Projektraum Between Bridges in
Bildern eines Fotografen, die in Im Haus der Photographie in den Berlin läuft gerade »Fashion
Inkjet Print einem Magazin abgedruckt ist. Hamburger Deichtorhallen finden Stories« mit Strecken aus Indepen-
Wird mit einem Tintenstrahldru- immer wieder große Modefotogra- dent-Magazinen der frühen
cker hergestellt (meist auf Bütten- Tear Sheets fieausstellungen statt. Ein Grund- Neunziger, von ihm selbst kuratiert.
papier) und zeigt viele Abstufungen, Seiten aus einem Magazin. Sowohl stock ist dabei die umfangreiche
gut für Schattenpartien. Ist seit Fotografen als auch Models, Sammlung von F. C. Gundlach –
Jahren sehr im Trend. Stylisten, Visagisten und Hairdres- selbst einer der deutschen Kaufen
ser haben Mappen, in denen sie Modefotostars. Das benachbarte
Polaroids diese »Ausrisse« sammeln und sich Museum für Kunst und Gewerbe Eine wichtige Galerie, die sich mit
Sie wurden früher während des mit ihnen für neue Jobs vorstellen. beschäftigt sich regelmäßig in sehr Modefotografie beschäftigt, ist die
Shootings gemacht, um das Licht guten Ausstellungen mit Mode, Staley-Wise Gallery von Etheleen
zu testen. Diese Arbeitsabzüge Vintage Print Modeillustration und Modefotogra- Staley und Takouhy Wise, zwei New
haben mittlerweile auch ihren Weg Ein Fotoabzug, der zeitnah nach der fie. In Berlin sind die drei wichtigs- Yorker Ladys, die von Lillian
auf den Kunstmarkt gefunden. Aufnahme hergestellt wird: nach ten Foto-Orte am Bahnhof Zoo Bassman über Patrick Demarchelier
Mitte der Achtzigerjahre probierte strenger Schule bis maximal fünf angesiedelt: Das privat betriebene und Steven Klein die großen
man in der Modeszene Polaroid- Jahre danach, großzügig können es Fotozentrum C/O Berlin, das Annie Namen der Fashion Photography
Dia-Filme (Polachrome 35 mm) aus, auch mal zehn sein. Wichtig ist, Leibovitz, Peter Lindbergh und anbieten. Von Los Angeles und
die mit einem kleinen Gerät mit dass der Künstler die Herstellung viele andere präsentiert hat; die Miami aus kontrolliert Fahey/Klein
Handkurbel selbst entwickelt selbst überwacht hat. Früher Helmut Newton Foundation, die das den Markt, im Programm auch die
werden konnten. wurden Modefotos entweder vom Erbe des großen Modefotografen jüngere Riege mit Bruce Weber und
Dia oder von einem Abzug als nicht nur pflegt und verwaltet, Miles Aldridge bis hin zum
Silver Gelatin Print Druckvorlage für das Magazin sondern immer wieder spannende deutschen Kindermodefotografen
Der Silbergelatineabzug ist der verwendet. In den Archiven von Positionen hinzufügt, etwa David Achim Lippoth. In London ist
Klassiker für Schwarz-Weiß-Fotos. Verlagen wie Condé Nast oder Life LaChapelle oder aktuell Frank Michael Hoppen eine entscheidende
Belichtung eines Negativs auf die finden sich noch viele dieser Horvat und Szymon Brodziak (bis Adresse. Bei ihm tummelt sich Mary
lichtempfindliche Oberfläche eines Vorlagen. Oft tragen sie Stempel 15. November). Im Stockwerk McCartney, Pauls älteste Tochter,
Papiers, anschließend Entwicklung oder Notizen des Artdirectors. Auch darüber residiert das Museum für mit ihren poetischen Fotografien.
des Papiers in einem Emulsionsbad solche Abzüge finden manchmal Fotografie, das sich auch ab und zu Auch William Klein und Sarah
(Silbersalz in Gelatine). den Weg auf den Kunstmarkt. an die Modefotografie herantraut. Moon werden von Hoppen

80
Advertorial
Weltkunst-Tipp

vertreten. Die Hamiltons Gallery, Bieten


ebenfalls London, hat Größen
wie Irving Penn, Albert Watson Die meisten Modefotos finden
Classic Cars –
und Helmut Newton im
Angebot. Bei Monika Mohr in
sich in den reinen Fotografie-
Auktionen. Führend sind
automobiles Vermögen
Hamburg wurden bislang Sotheby’s und Christie’s, aber
eigentlich alle wichtigen Phillips bleibt dran. Bonhams
Modefotografen ausgestellt. veranstaltet Fotoauktionen in
Camera Work in Berlin (als verschiedenen Ländern. Die
Aktiengesellschaft notiert) deutschen Häuser Lempertz,
leistet sich gleich zwei Villa Grisebach und Bassenge
Standorte mit einem umfang- halten zweimal im Jahr eine
reichen Programm von Herb Spezialauktion für Fotografie ab,
Ritts über Paolo Roversi bis zu darunter viele historische Werke
Ellen von Unwerth. Ebenfalls in und immer wieder Modebilder.
Berlin sitzt die altehrwürdige Auch das Dorotheum in Wien
Galerie Kicken, heute von lässt sich diese Sparte nicht
Annette Kicken geleitet und auf entgehen. Kleinere Häuser, die
Klassiker-Vintages spezialisiert. sich ganz oder großenteils auf
Seit einiger Zeit engagiert sie Fotografie spezialisiert haben,
sich auch für Sibylle Bergemann sind WestLicht in Wien (wo es
und das Ehepaar Mahler, die in auch sehenswerte Ausstellungen
der DDR die Modefotografie gibt), Altenburg in Berlin oder Thomas Mai ist Underwriter Art and Private Clients bei Hiscox.
hochhielten. Unweit von Kicken Schneider-Henn in München.
zeigt die junge Galerie für Bei Ketterer finden sich
Klassische Automobile er- sungsdynamik an Wertstei-
Moderne Fotografie neue Fotoarbeiten in der Sektion der
Positionen zu erschwinglichen zeitgenössischen Kunst, das ist
freuen sich auch im Jahr 2015 gerungen und sollten regel-
Preisen. In Berlin betreibt auch auch in zahlreichen anderen ungebrochener Beliebtheit – mäßig auf die Gefahr einer
die erfahrene Johanna Breede Auktionshäusern mit Moderne- Treffen und Messen der möglichen Unterdeckung
ihre Fotogalerie; sie vertritt fokus so. Szene verzeichnen Besucher- überprüft werden. In den
Sheila Rock und ebenfalls rekorde und die Zahl der meisten Fällen lohnt sich
Zulassungen von Young- und für Sammler ohnehin der
Bild: Between Bridges

Sibylle Bergemann. In München


und Luzern prägt der Fotogra- Lesen Oldtimern in Deutschland Wechsel zu einer perfekt auf
fiesektor des traditionsreichen steigt unaufhaltsam an. Un- Oldtimer zugeschnittenen
Kunsthandels Bernheimer mit Einen schönen Überblick bietet terstrichen wird der Boom Allgefahren-Versicherung
Horst P. Horst, Jeanloup Sieff der Ausstellungskatalog »Zeitlos von der Preisentwicklung wie „Classic Cars by Hiscox“:
und Annie Leibovitz das Schön. 100 Jahre Modefoto­ quer durch die Modelle: So Mit dem Spezialprodukt für
Geschehen. Aber auch die grafie von Man Ray bis Mario verzeichnete der Oldtimer- Veteranen, Oldtimer, Repli-
Münchner Galerie f5,6 hat mit Testino« (Prestel, 2012). index (OTX) im Jahr 2014 er- cars und Youngtimer bietet
Lillian Bassman eine Modefoto- Ebenfalls vergriffen, aber neut ein hohes zweistelliges Hiscox Liebhabern histori-
grafin in ihrer Liste. In antiquarisch noch erhältlich ist Plus. Doch mindestens so er- scher Fahrzeuge exklusive
mittlerweile fast jeder größeren das sehr spannende Buch freut wie an der Wertsteige- Lösungen – entweder als Ein-
Stadt gibt es eine Niederlassung »Chic Clicks. Modefotografie
rung ihrer Fahrzeuge zeigen zelfahrzeug oder im Rahmen
von Lumas, wo man schon für zwischen Auftrag und Kunst«
sich Sammler jedes Jahr am einer Sammlung. Die Police
dreistellige Summen Fotogra- (Hatje Cantz, 2002), das
praktischen Nutzen ihrer „In- benötigt nur zwei Seiten für
fien in sehr hohen Auflagen kommerzielle Arbeiten
vestitionen aus Leidenschaft“: das Bedingungswerk und
kaufen kann – darunter auch künstlerischen gegenüberstellt.
ein üppiges Angebot aus allen Von der Modefotografie der
Ob die erste Tour nach der enthält bereits sowohl eine
Phasen der Modefotografie. Wer Neunziger handelt »Not in Winterpause, ein Sommer- Vorsorgeklausel von 20 %
die meisten führenden Fashion« (Kerber, 2010). Neue ausflug ins Grüne oder die für Wertsteigerungen und
Fotohändler an einem Ort Tendenzen auf dem Markt kann Teilnahme an historischen Neuanschaffung von Fahr-
beisammen haben will, der reist man gut im Übersichtsband Rallyes und Oldtimerkorsos – zeugteilen als auch beson-
im November zur Paris Photo, »New Fashion Photography« am Steuer eines Klassikers dere Schutzbriefleistungen
der wichtigsten Messe für dieses (Prestel, 2013) entdecken. zu sitzen bleibt vor allem ein und die Absicherung von
Kunstmarktsegment. Kürzlich Daneben gibt es mittlerweile Genuss für die Sinne. Standrisiken. Die Allgefahren-
wurde auch die Photo London jede Menge Monografien zu Doch um sich stets ungetrübt Deckung von Hiscox gilt
erfolgreich wiederbelebt. den einzelnen Fotografen. der automobilen Schätze innerhalb der geografischen
zu erfreuen, ist nicht nur Grenzen Europas, sodass
deren regelmäßige Wartung auch Oldtimer-Rallyes im
unerlässlich: Es empfiehlt Sinne von Gleichmäßigkeits-
sich grundsätzlich, auch den rennen automatisch mitver-
bestehenden Versicherungs- sichert sind, bei Oldtimern
schutz jedes Jahr genau zu und Veteranen sogar ohne
überprüfen. Denn insbeson- Kilometerbegrenzung.
dere allgemeine Kfz-Policen
verfügen in der Regel über Mehr Informationen:
»Fashion Stories« im Berliner Projektraum Between Bridges
keine automatische Anpas- www.hiscox.de
T H U R N U N D TA X I S F R AG E B O G E N

Zilla Leutenegger
über ihr

Basel

Bilder: Hannes Magerstaedt; Todd Eberle; Christoph Junck; Thomas Dix/Vitra Design Museum, Architecture: Frank Gehry/Vitra (www.vitra.com); Dejan Jovanovic; Sofia Achaval
1 3

2 4

Die Schweizer Künstlerin Zilla Leutenegger Haben Sie ein Lieblingsrestaurant, das Sie Wo finden wir die beste Hotelbar der Stadt?
bringt Räume in Bewegung: Ihre Installa- immer wieder besuchen? Das beste Hotel ist das Krafft in der
tionen aus Wandmalerei, Skulptur, Fotogra- Hier gibt es viele tolle Restaurants. Rheingasse 12, und gleich über die Straße
fie und Lichtprojektion spinnen aus Alltags- Mein Favorit ist das Goldene Fass an der liegt die dazugehörige Bar CONSUM (4).
beobachtungen dichte Erzählungen. Hammerstrasse 108.
Spielerisch entstehen skizzenhafte Moment- Womit betrinken wir uns dort?
aufnahmen, die Gattungsgrenzen und Was bestellen wir dort? Wir beginnen am besten mit Weißwein,
Denkmuster neu arrangieren. Die Münch- Einen Evergreen: Fish ’n’ Chips. einem Grauburgunder vom Weingut Kalk-
ner Pinakothek der Moderne zeigt ihre bödele aus Baden. Viel später enden wir dann
Werkgruppe »Apartment« bis 4.  Oktober in Wo trinkt man das beste Bier der Stadt? mit einem puren Gin Monkey 47.
der Einzelausstellung »Ring My Bell«. Am Rhein unter den Bäumen – bei der
Flora Buvette, dort gibt es das superleckere Wie bezirzt man den Türsteher?
Wie heißt Ihre momentane Lieblingsstadt? Bier der BrauBudeBasel. Basel ist sehr casual und gemütlich, Tür-
Zurzeit ist es Basel. steher findet man eher selten. Basel ist eine
Bestes Kino oder Theater? offene Stadt.
Was unternehmen Sie dort am liebsten? Die besten Filme laufen im Kino Came-
Alte Freunde besuchen, im Rhein ra in der Rebgasse 1 (wer da ist, kann an der- Was müssen wir über Ihre Lieblingsstadt
schwimmen, Museen abklappern. selben Adresse auch scharf essen, im »Lily’s«). wissen, um sie wirklich zu verstehen?
Der Fußballclub FC Basel ist der beste
Welches Museum ist ein Muss? Ein Gebäude in der Stadt, das Sie immer der Welt.
Die Klassiker: etwa die FONDATION wieder gerne ansehen?
BEYELER (1) in Riehen. Oder das VITRA DESIGN Das neue NATURBAD RIEHEN (2) – eben- Zum Schluss: ein Tipp, den wir in keinem
MUSEUM (3) in Weil. Das Tinguely-Museum. falls von Herzog & de Meuron entworfen. Reiseführer finden?
Das Kunstmuseum. Das Museum für Ge- Die besten Würste kauft man in der El-
genwartskunst. Ich besuche aber auch im- Welcher Flohmarkt ist der beste? sässerstrasse 51 nahe dem Rhein: In der Metz-
mer wieder sehr gerne das Naturhistorische Samstags auf dem Petersplatz. Je früher, gerei Pippo bei Giuseppe »Pippo« Sequenzia,
Museum und das Museum der Kulturen im desto besser. dem Metzgermeister.  ×
fantastischen Gewand der Architekten Her-
zog & de Meuron. Ein kulturelles Ereignis, das wir nicht ver- Elisabeth von Thurn und Taxis
passen dürfen? ist Autorin der US-Vogue und
Gibt es Galerien, die Sie empfehlen können? Immer im Januar findet das Fest zu Eh- stammt aus einer Familie von
Ich gehe gerne zu Stampa, auch wegen ren des Vogel Gryff statt. Und natürlich im Kunstsammlern. Für uns entwi-
des genialen Kunstbuchladens. Juni die Art Basel. ckelte sie diesen Fragebogen.

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Nachrichten, Ausstellungen,
Messen, Kunsthandel, Auktionen und
wichtige Termine im August

AGENDA
Bild: John Waters

Hollywoods tollster Trash-Regisseur John Waters ist nur Teilzeitkünstler – aber ein guter! Werke
wie »Study Art Sign (For Profit or Hobby)« von 2007 zeigt das Kunsthaus Zürich ab 14. August

85
AG E N DA

NACHRICHTEN

Bilder: Tuomas Uusheimo; Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum/Saturia Linke; Andrea Stappert/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; privat; Artcurial; Achim Kleuker/Staatliche Museen zu Berlin; Timothy Mulcare; privat
dreiteiligen Satzes, den man
1836 im Auftrag des preußischen
Königs Friedrich Wilhelm III.
anfertigen ließ. Anlässlich der
Hochzeit von Herzog Ferdi-
nand Philippe d’Orléans, dem
ältesten Sohn des französischen
Königs Louis-Philippe, und der
Nichte des preußischen Königs
wurde das Ensemble weiterge-
geben. Die geschichtsträchtige
Vase konnte in der Berlinauk­
tion von Lempertz im Mai für
254 200 Euro erworben werden.
GUGGENHEIM IN HELSINKI fünf Finalisten durchsetzen. KPM-VASE FÜR BERLIN
Von New York aus ist der Name Das junge Büro, 2011 von dem Das Kunstgewerbemuseum der
Solomon R. Guggenheim zu Franzosen Nicolas Moreau und Staatlichen Museen zu Berlin ist
einer Museumsmarke gewach- der Japanerin Hiroko Kusunoki um ein Prachtstück reicher:
sen. Nach Dependancen in gegründet, plant für das Hafen- eine knapp 80 Zentimeter große
Venedig, Bilbao und der geplan- gelände holzverkleidete Pavil- Monumentalvase der Königli-
ten Eröffnung in Abu Dhabi lons und einen 45 Meter hohen chen Porzellanmanufaktur
2017 steht nun auch der Ent- »Leuchtturm« (o). Obwohl der Berlin gehört nun zur Samm-
wurf für den Standort Helsinki Vorschlag die Umgebung reflek- lung. Auf dem Dekor lässt sich
fest. Mit 1715 anonymen Einrei- tieren will, sehen Anwohner ein 360-Grad-Panoramablick
chungen aus 77 Ländern war es dem Konzept mit gemischten von Babelsberg über Potsdam
einer der größten Architektur- Gefühlen entgegen: Man fürch- erkennen, der die Stadt- und
wettbewerbe der letzten Jahre. tet neben den Kosten, die zum Seenlandschaft der 1830er-Jahre
Moreau Kusunoki Architectes Teil durch öffentliche Gelder aufgreift und in Porzellanmale-
aus Paris konnten sich in der gedeckt werden sollen, eine Stö- rei ausgeführt wurde (re.). Die
letzten Runde schließlich gegen rung im Stadtbild. Vase war ursprünglich Teil eines

Personalien im August
Sommerpause? Von wegen. Staatsgalerie Stuttgart, um die expandierenden französischen lich des Museums für Byzanti-
Eine ganze Reihe von Kunst- Leitung des Museums Georg Auktionshauses leiten. Erst nische Kunst, allerdings erst am
Profis arbeitet sich derzeit in Schäfer in Schweinfurt anzutre- kürzlich hat Artcurial Reprä- 1. August 2016. MARY ROZELL
neue Betätigungsfelder ein. Als ten. Dort wartet die bedeu­ sentanzen in Brüssel, Mailand, wird am 1. September Chefin
Expertin für die Zeitgenossen tends­te private Kunstsammlung Wien und Monaco eröffnet. der UBS Art Collection – mit
verstärkt die Kunsthändlerin zum deutschen 19. Jahrhundert Nur Generaldirektor der rund 35 000 Werken eine der
JOËLLE ROMBA das Team eines mit über 800 Gemälden und Staatlichen Berlin zu sein hat größten Firmensammlungen
Auktionsgiganten: Ab jetzt ist 4500 Zeichnungen auf ihn. seinen Tag noch nicht gefüllt: weltweit. PETER FRIESE ist vom
sie Direktorin von Sotheby’s MORITZ VON DER HEYDTE wurde MICHAEL EISSENHAUER tritt Stellvertreter zum Direktor der
Berlin. Mitte August verlässt von Artcurial zum Repräsentan- auch als Leiter der Berliner Weserburg in Bremen aufge-
WOLFGANG EIERMANN nach ten ernannt. Er soll in München Gemäldegalerie und der Skulp- rückt – er kämpft weiter dafür,
sechzehn Jahren als Kurator die das erste deutsche Büro des turensammlung an, einschließ- den Ort am Teerhof zu erhalten.

86
NEUES ZUM »PELZCHEN«
Es war ein äußerst privates Bild,
GRIMME-PREIS FÜR STÄDEL
Mit »Monet und die Geburt des
Hammerpreise
eine Liebesbezeugung an seine Impressionismus« gelang dem
zweite Ehefrau, die Peter Paul Städel Museum in diesem Früh-
Rubens um 1636/38 in höchst jahr ein großer Erfolg. Über
ungewöhnlicher Weise malte. 430 000 Besucher wollten die
Das Gemälde im Kunsthistori- Blockbuster-Ausstellung in
schen Museum in Wien ist als Frankfurt/M. sehen. Doch auch
»Pelzchen« berühmt, so hat es auf einem anderen Feld setzte AUTOMATENUHR
Rubens selbst genannt, als er es die Schau neue Maßstäbe. Das Bei Auctionata erzielte eine
Helena in seinem Testament begleitend zur Ausstellung pro- reich verzierte chinesische Au­
vermachte. Seine erste Frau Isa- duzierte Digitorial – eine Art tomatenuhr aus dem späten
Bilder: Kunsthistorisches Museum Wien; Dombibliothek Hildesheim; Torsten Kunert; Auctionata; www.kettererkunst.de/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Im Kinsky, Wien

bella Brant war 1626 an der Pest kurzweiliger Vorbereitungskurs 18. Jahrhundert einen Zuschlag
gestorben, da war Rubens 49. für Smartphone, Tablet oder von 3,37 Mio. Euro – ein Welt­
Vier Jahre später traf er die gera- Laptop – überzeugte die Juro- rekord für ein online versteiger­
de erst 16-jährige Helena Four- ren des Grimme Online Award tes Werk asiatischer Kunst.
ment. Sie war schön und klug; HEIMKEHR NACH HILDESHEIM so sehr, dass sie ihm einen Preis Zudem handelt es sich dabei
bald heirateten die beiden. Eine böse Geschichte, die gut in der Kategorie »Kultur und um den bisher höchsten Aukti­
Rubens zeigt die Gattin in ihrer endete: Die Dombibliothek Hil- Unterhaltung« verliehen. Und onszuschlag des Jahres 2015 in
prallen nackten Schönheit. Sie desheim erhielt jetzt eine früh- das Beste ist: Auch nach dem Deutschland und das teuerste
schmiegt sich in einen Pelzman- gotische Miniatur zurück, die Ende der Ausstellung steht das Objekt, das das Onlineauktions­
tel, der sie mehr entblößt als ein Dieb in den Siebzigerjahren kostenlose Digitalangebot mit haus jemals versteigert hat.
verhüllt. Kustoden, Restaurato- aus einem Psalter gelöst hatte. Infotexten, Audiosequenzen
ren und Forscher aus Wien und Bei einem Braunschweiger Auk- und jeder Menge Bilder weiter
Belgien untersuchten kürzlich tionshaus erwarb damals ein zur Verfügung. Für alle, die
das Bild mit einem neuartigen argloser Sammler das kostbare den Besuch verpasst haben oder
Röntgenfluoreszenz-Scan und Blatt. Als es im Herbst 2014 bei sich noch mal erinnern wollen.
machten eine erstaunliche Ent- Bassenge in Berlin erneut ver-
deckung: Ursprünglich stand steigert werden sollte, fand der
die nackte Helena vor einem dortige Experte Markus Brandis REKORD-UECKER
steinernen Knaben, der sein die wahre Herkunft heraus und Auch das Münchner Auktions­
Hemd hochhält und Wasser vermittelte zwischen dem Ein- haus Ketterer kann mit einem
lässt. Seit der Renaissance war lieferer und der Dombibliothek. Weltrekord aufwarten: Günther
der urinierende Junge ein Sym- Am Ende konnte das Kreuzi- Ueckers Nagelkunstwerk
»Hommage à Paul Scheerbart
bol der Fruchtbarkeit – ein tref- gungsbild mit Unterstützung
(Scheerbartwesen)« wurde bei
fender Hinweis: Helena gebar der Ernst von Siemens Kunst- SAMMLER IM SCHLOSS
300 000 Euro aufgerufen, bei
Rubens fünf Kinder, nach sei- stiftung und deutlich unter dem Vom Schlossherr zum Muse-
1,875 Mio. Euro fiel der Ham­
nem Tod mit ihrem zweiten wirklichen Marktwert zurück- umsdirektor: Vor einigen Jah-
mer. Damit erzielte die großfor­
Mann noch einmal sechs. erworben werden. Die äußerst ren kaufte der Berliner Unter- matige und signierte Arbeit
qualitätvolle Darstellung ist ein nehmer Torsten Kunert das leer aus den späten 1960er-Jahren
wichtiges Zeugnis der thürin- stehende Schloss Kummerow in einen Rekorderlös für ein Werk
gisch-sächsischen Malschule, Mecklenburg. Jetzt will er es des Zero-Künstlers.
vermutlich entstand sie wie der zum Privatmuseum machen.
ganze Psalter im Hildesheimer Die Sanierungen sind schon
Michaelskloster. kräftig vorangeschritten, beson-
ders in der repräsentativen Ein-
BASELITZ ZIEHT BILDER AB gangshalle des 1733 für den
Die landesweite Aufregung um Landrat Axel Albrecht von
die von Kulturstaatsministerin Maltzahn im Barockstil erbau-
Monika Grütters (CDU) geplan- ten Herrenhauses. Die Eröff-
JUGENDSTIL-BROSCHE
te Novelle des Kulturgutschutz- nung mit 3000 Quadratmetern
Im Wiener Auktionshaus Im
gesetzes (siehe S. 12) zieht jetzt Ausstellungsfläche soll im kom-
Kinsky brach eine Brosche von
die Museen in Mitleidenschaft: menden April oder Mai erfol-
Josef Hoffmann alle Rekorde
Der Künstler Georg Baselitz gen. Zu sehen sein soll dann die des österreichischen Designers.
zieht eigene Werke ab, die bisher eigene Sammlung Kunerts, die Das Schmuckobjekt in streng
als Dauerleihgaben in den Staat- zum Großteil aus zeitgenössi- geometrischer Form, das 1908
lichen Kunstsammlungen scher Fotografie besteht, darun- in geringer Auflage in der Wie­
Dresden, in der Pinakothek der ter weltberühmte Künstler wie ner Werkstätte angefertigt
Moderne in München und in Bernd und Hilla Becher, Andreas wurde und mit farbigen Steinen
den Kunstsammlungen Chem- Gursky oder Hiroshi Sugimoto verziert ist, wurde bei 420 000
nitz hingen. Er verwies dabei – aber auch ein größeres Konvo- Euro der Sammlung Bröhan in
ausdrücklich auf Grütters’ Pläne. lut an DDR-Fotografie. Berlin zugeschlagen.

87
AG E N DA

AUSSTELLUNGEN

Bild: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Ein Leben für die Leinwand


In Karlsruhe erinnert eine Ausstellung an Karoline Luise von Baden. Die vielseitig
gebildete Markgräfin gilt heute als »Meister-Sammlerin« ihrer Epoche

88
In diesen Kopf sollte so viel wie möglich. wohl so klug, selbstbewusst und anpackend,
Wenn es um Wissen ging, war Karoline Lui- wie es der Genfer Maler Jean-Étienne Liotard
se von Baden schier unersättlich. Die spätere suggeriert, als er die junge Frau 1745 in Darm-
Markgräfin lernte Latein und Physik, kannte stadt porträtierte. Gleichzeitig brachte er ihr
sich aus mit Wappen wie mit Kontinenten, als Lehrer die Pastellmalerei bei und schärfte
durchmaß die Geschichte des Rechts und der den Blick für Qualität. Wie sonst hätte die
Poetik. Dass man sie schon als junge Prinzes- Markgräfin nach Kupferstichen von verkäuf-
sin in der Kunst des Briefeschreibens unter- lichen Werken, dem Studium von Reproduk-
wies, können jene knapp 800 Adressaten be- tionsgrafiken und Beschreibungen in Aukti-
zeugen, die bis zu ihrem Tod 1783 regelmäßig onskatalogen so untrüglich auswählen
Post erhielten. Sie tanzte und zeichnete. Spä- können, dass sie Wunsch- und Bestellzettel
ter hat Karoline Luise auch gemalt, das be- samt Limit an ihre Agenten gab, wenn sie
legt ein Gemälde aus dem Besitz der Kopen- selbst nicht reisen konnte?
hagener Royal Academy of Fine Arts. Beim Rund 200 Gemälde konnte Karoline
»Tod der Kleopatra« (1764) handelt es sich um Luise erwerben, meist mit untrüglichem Ge-
eine Kopie nach Caspar Netscher. Die Gräfin spür für herausragende Kompositionen vor
schätzte den niederländischen Präzisionsma- allem niederländischer und französischer
ler und versuchte, ihren ästhetischen Ge- Meister. Dabei konzentrierte sie sich auf
schmack durch Einfühlung zu verfeinern. Landschaften, Stillleben und Genredarstel-
Bilder: The Royal Academy of Fine Arts/The Academy Council, Kopenhagen; Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Was aus dieser unermüdlichen Fortbil- lungen, die als »niedere Gattungen« ver-
dung erwuchs, zeigt nun die Ausstellung gleichsweise wenig kosteten. Hier weckte vie-
»Die Meister-Sammlerin« in der Staatlichen les ihre Aufmerksamkeit – detailgetreue
Kunsthalle Karlsruhe. Als Große Landesaus- Feinmalerei ebenso wie der große, abstrahie-
stellung feiert sie zugleich das 300-jährige Ju- rende Duktus. Dass sie unabhängig vom
biläum jener Residenzstadt, die Karoline Zeitgeschmack agierte, belegt ihr Erwerb ei-
Luise und ihr Mann Karl Friedrich zu einem nes Selbstbildnisses von Rembrandt 1761, das
geistigen Zentrum machten. Als Punkt auf nach damaliger Auffassung als partiell nach-
der Landkarte, der Kunstagenten, Auktions- lässig ausgeführt galt. Profitiert hat die
häuser und zeitgenössische Maler gleicher- Sammlerin von ihrer Zeit in anderer Hin-
maßen anzog, weil hier eine Kennerin das sicht: Ein ganzer Teil ihrer Erwerbungen fällt
Beste der eigenen Epoche und des 17. Jahr- in die Schlussphase des Siebenjährigen
hunderts erwarb. Dabei verfügte sie nicht Kriegs, als der Kunstmarkt am Boden lag.
einmal über unbegrenzte Mittel. Ihr Groß- Dieser Bilderschatz wird nahezu voll-
vater Ernst Ludwig hatte weit über seine Ver- ständig gezeigt. Zu den Werken, die bis heu-
hältnisse gelebt, die Nachkommen mussten te im Bestand der Staatlichen Kunsthalle
sparen. Mindestens so spannend wie ihre Karlsruhe sind, gesellen sich Leihgaben wie
hochkarätige Sammlung ist deshalb die Fra- ein »Seesturm« von Willem van de Velde
ge, wie es Karoline Luise gelang, die beste (London), ein Blumenstillleben Maria van
Kollektion franzö­sischer Malerei des 18. Jahr- Oosterwycks (Denver) oder das grandiose
hunderts mit Werken von Claude Joseph Porträt der »Susanna Fourment und ihrer
Vernet, François Boucher oder Jean Siméon Tochter« (1621) von Anthonis van Dyck aus
Chardin aufzubauen, die es jenseits von der National Gallery in Washington. Karoli-
Frankreich gab. ne Luise gab das Prunkstück nach seinem
Auch das thematisiert die Ausstellung. viel zu teuren Ankauf 1766 wieder ab. Für die
Sie rekonstruiert nicht bloß das private Kabi- Sammlung kann man dies bedauern, muss
nett, in dem die Werke nach Symmetrie, aber auch einsehen, dass es sprichwörtlich aus
Komposition und Farbigkeit geordnet waren, dem Rahmen fällt. Die meisten Bilder sind
um das vergleichende Sehen zu schulen. Da- Klein- und Mittelformate. Dafür wirft das
rüber hinaus präsentiert das lange vorberei- Gemälde ein Schlaglicht auf die Besessenheit
tete interdisziplinäre Projekt Dokumente von Sammlern. Sie sterbe geradezu vor Be-
wie den Stundenplan des Kindes, der von 24 sitzverlangen, äußerte Karoline Luise mal an
auf 52 Wochenstunden Unterricht stieg, ne- anderer Stelle, als sie in Den Haag mehrere
ben kunsthandwerklichen Paradestücken Bilder ersteigern wollte. Den van Dyck besaß
wie dem gräflichen Rokoko-Schreibtisch aus sie immerhin vier Jahre, dann überwog das
der Werkstatt von Abraham Roentgen. Vor Kalkül. In anderer Hinsicht ist sich die Meis-
Rembrandts Selbstbildnis im Fantasiekos-
allem aber wird sichtbar, wie sich eine gebil- ter-Sammlerin immer treu geblieben: »Ich
tüm ersteigerte Karoline Luise von Baden
dete Frau mit höfischem Hintergrund auf 1761 auf einer Auktion in Paris. Das Gemäl- dulde nichts in meinem Cabinet, das nicht
dem europäischen Kunstmarkt behauptete. de »Tod der Kleopatra« (ganz o.) fertigte perfekt ist.«  CHRISTIANE MEIXNER
Denn auch wenn das Wort von der »badi- sie 1764 als sensible Kopie des Sujets nach
schen Vielfragerin« irgendwann mit leich- Caspar Netscher. Li. Seite: Sie selbst »Die Meister-Sammlerin – Karoline Luise
tem Spott zirkulierte, brachte es Karoline wurde 1745 von ihrem Lehrer, dem Maler von Baden«, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe,
Luise europaweit zu Anerkennung. Sie war Jean-Étienne Liotard, porträtiert bis 6. September

89
AUSSTELLUNGEN

Barocker Glanz,
prachtvolles Rokoko
Neue Dauerpräsentation im
Bayerischen Nationalmuseum

Nun kann man in München wieder in der


höfischen Kunst des Barock und des Rokoko
schwelgen! Nach der Sanierung des Westflü-
gels im Bayerischen Nationalmuseum an der
Prinzregentenstraße sind auf 1500 Quadrat-
metern in zwölf Sälen rund 600 Kunstwerke
des 17. und 18. Jahrhunderts vorwiegend aus
Wittelsbacher Besitz zu sehen. Dank neuester
technischer Standards kommen die Vitri- Der sanierte Westflügel des Bayerischen Bayern zum Zug. So Johann Puchwiser, der
nenobjekte in einer variablen, spiegelungs- Nationalmuseums bringt nun die Sammlung um 1710 ein Paar völlig eigenständiger Dop-
freien und auch schattenfreien Lichtregie so noch besser zur Geltung – wie die Rokoko- pelschreibschränke mit kleinteiliger Boulle-
strahlend zur Wirkung wie noch nie. Me- skulpturen von Johann Baptist Straub im Marketerie in Schildpatt und glänzenden
dienstationen führen die Funktionen vieler Saal 42, den Münzschrein Kurfürst Maximili- Metalleinlagen überzogen hat. Aus Paris be-
ans I. (o. re.) oder die edelsteinbesetzte
Objekte vor. In den Epochenräumen mit Mö- rief der »Blaue Kurfürst« den Antwerpener

Bilder: Bayerisches Nationalmuseum München (3)


Ehrentafel des Hauses Wittelsbach mit ihren
beln, Uhren, Waffen, Gemälden, Tapisserien, Bildhauer Guillielmus de Grof, von dem ein
zahlreichen Herrscherporträts (u.)
Bronze- und Holzplastiken sowie einer rei- festongeschmückter Wandbrunnen aus dem
chen Auswahl an Kunstkammerobjekten ler- jahr 1717 zu bewundern ist, dessen zauber-
nen wir die Wittelsbacher Herrscher anhand haftes goldstrahlendes Knäblein mit Delfin
ihrer künstlerischen Vorlieben kennen. zum Vorbild zahlreicher Münchner Rokoko-
1623 erhielt Maximilian I. die Kurwürde. putten wurde.
Dieser Aufstieg spiegelt sich in kostbaren Ka- Karl Albrecht war zur Zeit des Münch-
binettschränken aus Elfenbein und Lapisla- ner Rokoko Kurfürst und – eher glückloser
zuli in den bayerischen Landesfarben Weiß – Kaiser. Ihn verherrlicht die sogenannte Eh-
und Blau. Hundert Schubladen verbergen rentafel des Hauses Wittelsbach aus der
sich hinter den Türen eines Münzschrankes, Schatzkammer der Münchner Residenz. Üp-
den detailreiche Schnitzereien mit reichem pig mit Edelsteinen besetzt, enthält sie
ikonografischem Programm zieren. 63 Chalcedon-Gemmen mit Bildnissen
Unglaublich, dass der Meister dieser Wittelsbacher Herrscher und legendä-
Prunkkassetten ein Einheimischer war: rer Vorfahren wie Karls des Großen.
der gebürtige Weilheimer und spätere Gestaltete Natur war Ausdruck
Hofbildhauer Christoph Angermair. fürstlicher Souveränität. Wie Flora
Die dringendste Aufgabe für und Fauna im Ornament beherrschend
Ferdinand Maria, den ältesten Sohn wurden, ist im lichten Gartensaal zu
Maximilians, war die Wiederherstel- erleben, der Tafelaufsätze aus schwe-
lung Bayerns nach dem Dreißigjähri- rem Augsburger Silber und feinstem
gen Krieg. Durch den Einfluss der Kur- Nymphenburger Porzellan mit einer
fürstin Henriette Adelaide von Savoyen verspielten Uhr oder dem monumenta-
kam eine Schar italienischer Künstler len Würzburger Gitterportal vereint.
an den Münchner Hof. Dramatische Die um 1730 datierte Wandvertäfelung
Bronzegruppen zeugen davon. des »Landshuter Zimmers« vermittelt
Aus der Regierungszeit Max Ema- einen Eindruck adeliger Raumausstat-
nuels (1679–1726), des Türkensiegers vor tung außerhalb Münchens.
Wien 1683, dessen Geburt Anlass zum Den letzten Höhepunkt bilden die
Bau von Schloss Nymphenburg und Skulpturensäle mit Kleinplastik und sa-
der Theatinerkirche geboten hatte, kralen Schnitzfiguren des Frühbarock
fallen Prunkmöbel aus Florenz, Paris von Petel oder Zürn über die Groß-
oder Antwerpen ins Auge. Obwohl meister des Rokoko, Johann Baptist
die Hofkunst Ludwigs XIV. den Straub und Ignaz Günther, bis zum
Maßstab setzte, kamen neben Endpunkt, den Roman Anton
auswärtigen Künstlern auch Boos markiert.  GLORIA EHRET

90
Berliner Festspiele

Martin-Gropius-Bau
© Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main.
Rainer Werner Fassbinder, 1971.

6. Mai bis 23. August 2015


Foto: Peter Gauhe

Fassbinder – Jetzt

28. Juni bis 8. August 2015

Tino Sehgal

Ovale Komposition mit bunten Ebenen 2, 1914.


© Gemeentemuseum Den Haag, Niederlande
Piet Mondrian (1872–1944).
4. September bis 6. Dezember 2015

Piet Mondrian. Die Linie


© Sammlung Würth, Foto Philipp Schönborn
Jacon Meyer zum Hasen, 155/25 und 1528

11. September 2015 bis 10. Januar 2016


Madonna des Bürgermeisters
Hans Holbein d.J.,

Von Hockney bis Holbein


Die Sammlung Würth in Berlin
Germaine Krull. Selbstporträt 1925.

Museum Folkwang, Essen


©Estate Germaine Krull,

18. September bis 4. Oktober 2015

Germaine Krull – Fotografien

Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, Tel. +49 30 254 86 0


Mi–Mo 10–19 Uhr, Di geschlossen
online-tickets: www.gropiusbau.de
AUSSTELLUNGEN
Einzelstücke an, die ten die ersten Anzeichen
trotz klassischer Techni- des Fernostfernwehs im
Am seidenen ken die Gegenwart re- 19. Jahrhundert, als Mohn
flektieren. Nicht nur von auf Jugendstilgläsern
Faden ihrer Heimat lassen sie blühte und Maler ihre
Gegenwärtige Kimonos treffen sich dabei inspirieren, son- Musen im Kimono festhiel-
in Berlin auf Japonismus dern auch von der westli- ten. Einer von ihnen war
chen Kultur. Goethes Far- der Grafiker Emil Orlik,
benlehre wird als Zitat der Japan um 1900 besuch-
In New York und Paris sieht man ihn regel- ebenso in die Stoffe ein- te. Im Kreis seiner Kolle-
mäßig auf dem Laufsteg: Der Kimono, die gewebt wie Theaterstü- gen blieb er eine Aus-
inoffizielle Uniform Japans, gehört seit Jah- cke von Shakespeare. nahme, denn nur
ren zum festen Repertoire der Designerkol- Was abstrakt wirkt, wenige konnten sich
lektionen. Während die »Anziehsache«, wie knüpft in seiner Dar- die Reise leisten. Zu
die deutsche Übersetzung lautet, in Asien stellung auch an Natur- Hause mischte sich ihre
Fukumi Shimuras Seidenkimono
nur noch zu besonderen Anlässen aus dem phänomene an. Verläufe trägt den Titel »Himmel und See« Sehnsucht mit vertrauten
Schrank geholt wird, hängt der Kimono in lassen sich als Winde Darstellungsweisen, wo-
Deutschland mittlerweile in jeder Fußgän- oder Tangenten zwischen Himmel und Meer durch ihre Entwürfe denen der Prêt-à-porter-
gerzone. Mit seinen Vorbildern teilt er nicht lesen. Auch die Farben haben ihren Ur- Schauen bis heute ähneln: Der Kimono er-

Bilder: Bröhan-Museum; Rheinisches Bildarchiv, Köln/VG Bild-Kunst, Bonn 2015


mehr als die Bezeichnung auf dem Etikett. sprung in der Natur: Zwiebelschalen oder scheint als lasziv-lockerer Mantel, der viel
Die Textilkünstlerinnen Fukumi und Lindenblüten dienen als Basis. Haut freigibt.  LAURA STORFNER
Yoko Shimura beweisen, dass zeitgenössische Ergänzt wird die Annäherung an Japan
Interpretationen Tradition und Moderne ver- durch Sammlungsobjekte. Vasen, Gemälde »Kimono. Fukumi und Yoko Shimura – Japonis-
binden können: Mutter und Tochter fertigen und Fotografien der Japonismus-Ära veror- mus«, Bröhan-Museum, Berlin, bis 6. September

Kosmos aus dem Surrealismus an. In den luf-


tigen Räumen des Arp-Museums in Rema-
Mit großer Geste gen hat man den Platz dagegen noch ent-
Trio Informel: die Malwelten schiedener für Schultzes Großformate, für
Triptychen und die Plastiken genutzt. Im
des Bernard Schultze Mittelpunkt steht ein bisher noch nie gezeig-
tes mehrteiliges Environment mit dem Titel
Gleich dreimal Bernard Schultze. Dreimal – »Moonen« aus dem Jahr 1961, das aus einem
in Köln, Düsseldorf und Remagen – also Schweizer Museum kam.
orchestrale Farbfeste, sich windende Schlie- An allen drei Stationen trifft man auf
ren, Wucherungen, die ins Kraut schießen, dieselbe konsequente Haltung: Angeregt von
Maserungen und Texturen, organische For- der Palette James Ensors folgte Schultze stets
mationen, die da und dort Figurales andeu- der Idee einer écriture automatique, vertraute
ten, reliefartig aus der Leinwand wachsen sich einer unbewussten, langsamen und ad-
und in Gestalt der drahtigen Farbskulpturen ditiven Malweise an, die ganz anders ist als
der »Migofs« schließlich ganz ins Dreidimen- das konzeptionelle Arbeiten der Gegenwart.
sionale mutieren. Die Seelen- oder Geister- Und doch – wer nach Parallelen zum Heute
Bernard Schultze, »der Sturm-Migof« (1999)
welten von Bernard Schultze (1915–2005) bie- sucht, findet sie. Im Foyer des Museum Kunst­
ten eine intensive und heute ungewöhnliche palast begrüßt die Besucher der Schultze-
Erfahrung: Anlässlich des 100. Geburtstags über den das Haus verfügt: Der Fokus liegt Ausstellung die von der Decke hängende In-
dieses Pioniers des deutschen Informel und hier auf dem Frühwerk, das vor allem auch stallation eines »vegetativen Nervensystems«
Mitgründers der Künstlergruppe Quadriga grafische Arbeiten umfasst, sowie der Spät- der Schweizer Künstler Gerda Steiner und
ermöglichen drei rheinische Ausstellungen phase, in der die hellen, fast aquarellhaften Jörg Lenzlinger: ein baumartiges Gespinst
eine Begegnung mit privaten Mythologien Großformate dominieren. Das Panorama im aus Pflanzen, Ästen und Drähten, das wie
von kicherndem Ernst und funkelnder Ro- Museum Kunstpalast in Düsseldorf – wo Ar- das Entrée für Schultzes Kompositionen
mantik. Sie bieten aber auch die Gelegenheit, beiten aus der Sammlung des Steuerberaters wirkt. Was einst assoziative Mythenwelt war,
eine gestische Malweise zu überprüfen, die Willi Kemp gezeigt werden, der mit Schultze ist nun Reflexion zum Verhältnis zwischen
mittlerweile weit in die historische Distanz befreundet war –, wirkt ausgewählter und äs- Kultur und Natur.  FRANK MAIER-SOLGK
gerückt scheint. thetisch pointierter. Der tänzelnde Tod eines
Im Kölner Museum Ludwig, wo drei »Mannequin-Migof« beeindruckt. Und be- »Bernard Schultze zum 100. Geburtstag«, Museum
Räume für eine Kabinettausstellung reichen, sonders die frühen Arbeiten deuten die Ent- Ludwig, Köln, bis 22. 11.; Kunstpalast, Düssel-
wird ein Teil von Schultzes Nachlass gezeigt, stehung dieses eigenwilligen organischen dorf, bis 30. 8.; Arp-Museum, Remagen bis 1. 5.

92
AUSSTELLUNGEN
sucher nicht nur mit Eimern zur Skulptur
werden kann. Die Ausstellung ist ein so kurz-
Der Wald vor lauter weiliges wie anregendes Kunsterlebnis.
Nun pocht der Künstler erklärterma-
Bäumen ßen auf Ruhe im Atelier, aber wenn man ei-
Erwin Wurm stellt Wolfsburgs nen Soundtrack zu seinen Werken bräuchte,
könnte man bedenkenlos der Empfehlung
Museum auf den Kopf
Bild: Marek Kruszewski/Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg, Paris/VG Bild-Kunst, Bonn 2015

des Grafen Günther von der Schulenburg fol-


gen, der im Rahmen der Reihe »Soli Deo
Jetzt hängt also ein Eimer über dem eigenen Gloria« Anfang Juli auf seinem Gut bei
Kopf. Still und vom Rest der Welt abge- Wolfsburg einen Abend lang Wurms Kunst
schnitten steht man da. Das Tageslicht dringt mit Händel und Jazz bekannt machte: Im al-
gedämpft durch die Plastikwand vor den Au- ten Schafstall lud er zu einer »One Evening
gen. Es riecht nach Nordmanntannen, die Exhibition«, unter anderem mit Fotografien
kopfüber von der Decke des Museums hän- aus der Serie »Instructions on how to be po-
gen, dabei langsam austrocknen und sanft litically incorrect«, davor zu einem Open-
abnadeln. Die Anweisung des Künstlers, ge- Air-Konzert der Pianistin Ragna Schirmer.
schrieben auf eine Tischplatte, war unmiss- Während sie sich am Flügel durch die 21 Va-
verständlich gewesen: »Eimer aufsetzen und riationen in Händels Chaconne G-Dur spiel-
an Fichte denken.« An einen der größten Phi- te, kam einem in den Sinn, dass ja auch
losophen des deutschen Idealismus also. Wurm seit Jahren mit Abwandlungen einzel-
Stattdessen denkt man nur daran, wie einen ner Motive arbeitet – dem einfarbigen Spie-
die anderen Museumsbesucher sehen. Ob sie ßerpullover zum Beispiel, den er einerseits
gerade ein Foto von der eigenen lächerlichen kopflosen Figuren überstreift und zum ande-
Gestalt mit dem Eimerkopf machen. Oder ren auf Keilrahmen zu Persiflagen mono-
schlimmer noch: ob sie es nicht tun. chromer Gemälde spannt. Als Schirmer
Diese Verunsicherung über die eigene dann im zweiten Konzertteil Händel mit
Existenz dürfte Erwin Wurm gefallen. Setzt Hammond-Orgel und Jazzband zu Leibe
der österreichische Künstler bei seiner Aus- rückte, was zum Teil ein wenig nach Kirmes
stellung im Kunstmuseum Wolfsburg doch klang, da konnte man ihr die freudige Frech-
alles daran, die Wahrnehmung des Publi- heit gegenüber den Erwartungen seriöser
kums ordentlich zu verwirren. Das Leben Kulturliebhaber ablesen, die auch der Künst-
hat in dieser Schau unerwartete Formen an- ler so offensichtlich schätzt. Bräuchte man
genommen: Ein Doppelbett ist auf die Breite also eine iPod-Playlist für Wurms Wolfsbur-
eines schmalen Bretts zusammengestaucht, ger Ausstellung, wüsste man, wo man fündig
eine Hose aus Porzellan öffnet sich als Pissoir, Wurms mannshohe Skulptur trägt den Titel wird. Nur den Traktor, der am Schafstall vor-
Lampenständer tragen alte Farbeimer als »Anger Bump«, auf Deutsch »Wut-Beule« beiputterte, den muss sich der Besucher in
Schirm und in einem riesigen Beton-Schoko- Wolfsburg dazudenken.  TIM ACKERMANN
kuss in der Ecke tobt ein Ofenfeuer. Dazu
kommen diverse Wurm-Klassiker, wie einige Erwin Wurm, »Fichte«,
»One Minute Sculptures«, in denen der Be- Kunstmuseum Wolfsburg, bis 13. September

05.07.—27.09.2015

SOMMER
NACHT
TRAUM
© Erich Kissing, Sommertag, 2007-2009, Sammlung Klöcker

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FRAUEN – LANDSCHAFTEN
AUSSTELLUNGEN
ment, 1969 in einem argentini­ deln im langsamen Rhythmus
schen Kaufhaus aufgebaut und vor dem Auge vorbei, zu sphäri­
nun rekonstruiert, nimmt sich schen Synthesizerklängen tau­
nicht die Kunstgeschichte zum chen Motive auf und verschwin­
Vorbild, sondern das Volksfest. den wieder: Man sieht das Gras

Bilder: Herbert Ploberger, by SIAE 2015/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Courtesy Estate of the artist/Collection Nicolas Lublin; The Courtauld Gallery; John Waters; Pipilotti Rist; Archiv Galina Balaschowa
Dass die Französin seit ihrem von unten und ganz nah, die
Tod 1999 nicht einmal bei Wiki­ Halme schimmern außerirdisch
pedia zu finden ist, scheint bei grün, darüber ziehen Wolken
so viel Menschennähe unglaub­ oder zerplatzen Luftblasen. Kör­
NEUE SACHLICHKEIT lich: Schon mit zwölf Jahren per drängen sich immer wieder
Museo Correr, Venedig, besuchte sie die Kunstakade­ JOHN WATERS ins Bild: zwei hüpfende Brüste
bis 30. August mie, später stellte sie sich selbst Kunsthaus Zürich, oder die Makroaufnahme einer
mit ihrem kleinen Sohn aus, 14. August bis 1. November Fingerkuppe. Sitzsäcke und
Ein venezianischer Prachtbau hinterfragte die Erotik der Teppich laden in der Zwei-
mag nicht der naheliegendste christlichen Malerei und klaute Kritiker nennen ihn den »Baron Kanal-Videoprojektion »Worry
Rahmen für die schmutzigen Duchamps Briefkasten. des schlechten Geschmacks«: Will Vanish Horizon« (2014,
Fassaden, hageren Körper und John Waters’ Filme, in denen u. li.) dazu ein, sich doch etwas
bedrückten Mienen sein, die nicht selten Dragqueens die länger niederzulassen. »Du
gemeinhin die Kunst der Neuen Hauptrolle spielen, bringen wirst sorglos sein«, verspricht
Sachlichkeit bestimmen. Ande­ dem Kino seit den Siebzigerjah­ die Künstlerin im Titel der Aus­
rerseits beweist die Ausstellung ren bei, was Unabhängigkeit stellung. Dass man die Schuhe
im Museo Correr, dass aus Bil­ bedeutet. Seit »Bad Taste« im ausziehen muss, macht das
dern, in denen George Grosz, Hollywood-Mainstream ange­ hippieske Erlebnis perfekt.
Otto Dix oder Christian Schad kommen ist, produziert er nicht
einst soziale Miseren anpranger­ mehr für die große Leinwand.
ten und das eigene Boheme­ Geschichten erzählt der Mann,
leben feierten, echte Leinwand­ der den schmalen Oberlippen­
werte geworden sind. Die Schau bart zur Signatur gemacht hat,
vereint Leihgaben aus großen dennoch: Seine Fotografien,
(vor allem deutschen) Museen Assemblagen und Skulpturen
und Preziosen aus Privatbesitz (»Campaign Button«, 2004, o.)
wie Herbert Plobergers »Toilet­ UNVOLLENDETE WERKE sind herrlich unkorrekte Kom­
tentisch« (1926, o.). Eine wohl­ Courtauld Gallery, London, mentare zum amerikanischen
tuende Ausnüchterungskur bis 20. September Traum zwischen Boulevard, GALINA BALASCHOWA
nach dem Rausch von Dogen­ Queer-Kultur, Politik und Deutsches Architekturmuseum
palast und Markusdom! Der große Leonardo da Vinci Schönheitschirurgie. Frankfurt a. M., bis 15. November
hatte, wenn man seinem Bio­
grafen Vasari glaubt, den Kopf Wohnkomfort im Weltall:
zu oft in den Wolken und die Daran arbeitete Galina Bala­
Hand zu selten am Pinsel, um schowa fast drei Jahrzehnte im
die meisten seiner Gemälde zu Dienste der sowjetischen Raum­
vollenden. Trotzdem wurde er fahrt. Rosarote Schalensessel,
von seinen Zeitgenossen sehr hellblaue Einbauschränke, gras­
verehrt. Die Neigung, Werke grüne Klettverschlüsse wider
unfertig zu hinterlassen, kam die Schwerelosigkeit, ja selbst
danach aus der Mode. Und die Beschriftung der Raketen (o.)
doch steckt ein Zauber in solch entwarf die Architektin mit
unvollendeten Leinwänden, die leichter Hand. Der hochtechni­
LEA LUBLIN von Schöpferhand erst kürzlich sierten Männerwelt gab sie so
Lenbachhaus, München, verlassen scheinen, auch wenn eine Prise Emotion und Schön­
bis 13. September sie jahrhundertealt sind. Die heit mit auf die Reise. Damit
wunderbare kleine Ausstellung PIPILOTTI RIST die Kosmonauten nicht zu viel
Der Besucher schießt mit Spiel­ der Courtauld Gallery zeigt Kestnergesellschaft, Hannover, Heimweh verspürten, malte
zeugpistolen, kriecht durch etwa Piero del Vagas »Heilige bis 27. September sie ihnen sogar Bilder von Seen
aufblasbare Tunnel und boxt Familie mit Johannes dem Täu­ und Wäldern, die leider bei der
sich durch Sandsäcke aus Luft: fer« (1528–1537, o.) neben späte­ Ein Video von Pipilotti Rist zu Rückkehr zur Erde verglühten.
In Lea Lublins Parcours »Fluvio ren Meistern des flüchtig ausge­ betrachten ist wie für eine klei­ Ihre Skizzen hingegen blieben
Subtunal« (o.) werden Werk und führten Moments wie Manet, ne Weile im Inneren einer Lava­ erhalten und sind nun erstmals
Betrachter eins. Ihr Environ­ Degas oder Cézanne. lampe zu leben: Farbfetzen stru­ in Frankfurt zu sehen.

94
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AG E N DA

MESSEN
Reiz des Regionalen
20 Jahre Bamberger Kunst-
und Antiquitätenwochen

Auch im Jubiläumsjahr gilt das Augenmerk


der Bamberger Kunsthändler den Kostbar-
keiten der Region. So zeigt Matthias Wenzel
bei den 20. Kunst- und Antiquitätenwochen
ein Ölbild des fränkischen Jura von Fritz Bay-
erlein. In der Kunsthandlung, die zu einer
der ältesten der Stadt zählt, fällt außerdem
ein Gemälde von Franz Heckendorf ins
Auge. Das signierte, expressionistisch anmu-
tende Ölgemälde »Am Stölpchensee« schuf
der Maler, der vor allem in der Weimarer Re-
publik großen Erfolg hatte, im Jahr 1924.
Auch bei Schmitz-Avila lässt sich frän-

Bilder: Matthias Wenzel; Schmitz-Avila


kische Kunstfertigkeit bestaunen: in Form
einer Barockkommode aus Nussbaum und
Nussbaumwurzel, die um 1750 in Bamberg
entstand. Die auf hohen, konvex und konkav
geschnitzten Füßen stehende Kommode ist
mit floralen Intarsien verziert. Vor drei Jah- Franz Heckendorf malte den »Stölpchensee« Millionen Euro ist es das kostbarste Objekt
ren eröffnete Julian Schmitz-Avila gemein- 1924, Matthias Wenzel bietet das Bild in seiner der Kunst- und Antiquitätenwochen.
sam mit seinem jüngeren Bruder Lennart die Kunsthandlung an. Bei Schmitz-Avila wartet Einer der jüngsten Neuzugänge auf der
Bamberger Dependance des väterlichen Ge- eine Bamberger Barockkommode mit Furnie- Antiquitätenmeile mit ihren barocken Bür-
schäfts in Bad Breisig. Damit verstärkt er das ren aus Nussbaum und Intarsien in Form gerhäusern ist Gregor von Seckendorff, der
Angebot an prunkvollen Möbeln des Barock, von Mäanderbändern und floralen Motiven sein Geschäft 2013 eröffnete. Bei ihm sticht
Klassizismus und Biedermeier. die Bronzefigur einer Liegenden ins Auge.
Prächtige Barockschränke und Taberna- Fritz Klimsch, der zu den Mitbegründern der
kelsekretäre bietet Christian Eduard Franke. schraubt. Auf dem roséfarbenen Korpus mit Berliner Sezession zählt und ab 1912 Mitglied
In diesem Sommer gehört eine große Ampho- Goldrankendekor sind Ansichten des Bran- der Akademie der Künste in Berlin war, ließ
renvase mit Berliner Ansichten von KPM in denburger Tores sowie des Berliner Kronprin- das Bronzeunikat um 1925 in der Berliner
Berlin zu seinen Highlights. Die 67 cm hohe zenpalais nach dem Gemälde von Carl Daniel Gießerei Hermann Noack fertigen. Die Figur
Doppelhenkelvase in französischer Form ent- Freydanck zu sehen. Bei dem aufwendigen wurde von der Manufaktur Rosenthal ab den
stand um 1840 und ist aus zwei Teilen ver- und repräsentativen Porzellanobjekt handelt 1930er-Jahren als Porzellanfigur hergestellt
es sich wohl um eine Auftragsarbeit für und erfreut sich bis heute großer Beliebtheit.
das preußische Königshaus. In den zwölf Antiquitätengeschäften
Von königlicher Prove- trifft man neben der alten Kunst auch auf
nienz ist auch ein Fortepiano, Zeitgenössisches, denn wie in den vergange-
mit dem der Kunsthandel Senger nen Jahren präsentieren die Kunsthändler
aufwarten kann. Das voll funkti- Werke von Stipendiaten aus dem Internatio-
onsfähige Stück, das sich ur- nalen Künstlerhaus Villa Concordia. Martin
sprünglich im Palazzo Reale in Wöhrls Gloriole aus Pressspan ist bei Senger
Palermo befand, wurde um 1785 zu sehen, die Ölgemälde der ausgebildeten
von dem Ebenisten David Roent- Kirchenmalerin Elke Zauners zeigt Wenzel,
gen und dem Uhrmacher und In- und Skulpturen wie Drucke von Petrine Lil-
strumentenbauer Peter Kinzing ge- levold Vinje sind in Gregor von Seckendorffs
fertigt. Es ist eines von nur weltweit Räumen ausgestellt.  SUSANNE LUX
fünf erhaltenen Arbeiten. Alle anderen
befinden sich in Museums- oder Stif- Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen,
tungsbesitz. Mit einem Preis von 2,5 noch bis 21. August

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»Reflexion«

Künstler
Bernd Zimmer (geb. 1948)

Werkdaten
Acryl auf Leinwand
2009
Höhe: 200 cm, Breite: 160 cm

Bild: Galerie Karl Pfefferle/VG Bild-Kunst, Bonn 2015


Kunsthandlung
Galerie Karl Pfefferle
Reichenbachstraße 47–49
80469 München
Tel. 089 297969

Preis
42 500 Euro

Zu sehen sind abstrakte Farbverläufe. Senk­ Hauptfarbe der Natur, fehlte allerdings bis ständlich figurativen Gemälden auffiel. Ihr
rechte Bahnen überspannen zwei Drittel der 2009 in seinen Bildern. In der Kombination grober Pinselstrich, die vereinfachte Form­
Bildfläche, der Rest besteht aus waagerechten mit Blau und Gelb erschafft er einen medita­ sprache und eine kräftig expressive Farbge­
Farbspuren. Dennoch versteht es Bernd Zim­ tiven Bildraum: »Darüber nachzudenken, bung gaben dem Stil einen Namen: heftige
mer, die vom Zufall beeinflussten Linien im aus was Natur besteht, was Natur will, ist das Malerei. Die Großstadt, die andere Mitglie­
Wechsel mit kalkulierten Pinselstrichen so Anliegen meiner Bilder.« der der Gruppe zu ihrem Thema machten,
zu setzen, dass der Betrachter an ein von Bäu­ Nachdem er sich zuvor mit Wüsten und interessierte Zimmer schon damals nicht.
men gesäumtes Ufer denkt. Dass sich die dem Universum auseinandergesetzt hatte, Der studierte Philosoph und Religionswis­
blaugrünen Stämme im Wasser spiegeln, legt entdeckte Zimmer vor einigen Jahren den senschaftler malte Kühe und Berge.
nicht nur der Titel des Bildes nahe. Das Licht, Wald als Thema. Die flache Landschaft der Heute zielen seine Sujets weniger auf
das sich im Zentrum konzentriert, scheint Mark Brandenburg mit ihrem tiefen Hori­ die Landschaft selbst als vielmehr auf die
für vielfältige Reflexionen zu sorgen. zont und dem weiten Himmel veranlasste Urelemente: Feuer, Wasser, Erde, Luft. In die­
Zimmer hat seine Leinwand auf den ihn zu seinen »Reflexionen«. Das Motiv der sem Zusammenhang ist auch die kleine Rei­
Boden gelegt und die Farben zum Fließen ge­ Spiegelung stellt die Frage nach dem Verhält­ he der »Reflexionen« entstanden. Die meis­­
bracht. Gezielt gesetzte Pinselstriche geben nis von Gegenstand und Abbild. Analog terliche Art, in der abstrakte Bildschöpfung
dem Motiv eine Struktur. Dennoch dient die dazu erforscht er mit seiner Malerei die Pa­ hier in annähernd realistische Form gebracht
Farbe nicht dazu, Natur in ihrer sichtbaren rallelität von Natur als Teil der Schöpfung wird, zeigt, wie weit sich Zimmer über die
Erscheinung zu beschreiben. Mit ihrer Hilfe und dem schöpferischen Akt des Malens. Berliner Anfänge hinaus entwickelt hat. Das
will der Maler jenen Gedanken Ausdruck Bereits in der vom Widerstand gegen unterscheidet ihn von anderen Neuen Wil­
verleihen, die der Anblick von Wasserrefle­ die Abstraktion beherrschten Berliner Zeit den. Aktuell sind exemplarische Gemälde im
xen und anderen Naturphänomenen hervor­ der frühen Achtzigerjahre war Natur das Buchheim Museum in Bernried denen von
ruft. Dem Facettenreichtum dieser Thematik Thema des Autodidakten. Damals zählte Ernst Ludwig Kirchner gegenübergestellt. Im
entspricht das Arbeiten in Serie, eine für man ihn zu den »Neuen Wilden«, einer Ber­ Herbst folgt eine Soloschau in der Münchner
Zimmer typische Vorgehensweise. Grün, die liner Künstlergruppe, die mit ihren gegen­ Galerie Pfefferle.  ULRIKE FUCHS

98
Er ist der„Dix-Fälscher vom Bodensee“ und gehört zu den vier großen
Fälschern der deutschen Nachkriegszeit: Rüdiger Faller. Neben Edgar
Mrugalla, Konrad Kujau und Wolfgang Beltracchi hat auch Faller sich mit
spektakulären Fälschungen einen zweifelhaften Ruf erworben, der ihn
unter anderem für einige Jahre ins Gefängnis brachte.
In dieser Biographie legt Faller ein beeindruckendes Zeugnis von seinem
künstlerischen Weg ab, der immer in erster Linie von seiner Liebe zum
heimatlichen Hegau und dem Bodensee gekennzeichnet ist. Er ist einer
der letzten bedeutenden expressionistischen Künstler in dieser kunst-
historisch so wichtigen Region.

George Tenner / Tobias Faller


Im langen Schatten des Otto Dix
Schardt Verlag, Juni 2015, Broschur, 240 Seiten, mit farbigen Abbildungen
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Bilder: New Gallery/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Ludorff; Ludorff/VG Bild-Kunst, Bonn 2015
umziehen, weil hier ein neues Viertel ent­ Doch das ist ihm zu wenig. Er will »Ent­
steht. Anita Beckers hat nun ein Büro, von schleunigung« im immer rasanter werden­
Doppelleben dem aus sie Messeteilnahmen und Ausstel­ den Markt. Ganz traditionell Ausstellungen
Die Galerien Anita Beckers und lungen mit Künstlern wie Bjørn Melhus oder kuratieren, sich mit den Objekten und den
William Lamson organisiert. Landaus Räu­ Besuchern auseinandersetzen.
Frank Landau kooperieren
me sind ungleich größer, von dort exportiert Kooperiert hat er immer gern und ist
er Vintage-Interieur nach Miami, Los Ange­ deshalb froh über Beckers� Engagement. Bei­
Es ist ein ungewöhnlicher Zusammen­ les oder Tokio. Wer aber in Frankfurt ist und der Erfahrungen fließen zum Saisonstart am
schluss: In Frankfurt setzen die Galeristin ihn besuchen will, muss sich anmelden. 11. September in die erste Ausstellung «Favo­
Anita Beckers und der Kunsthändler Frank Das wird bald anders. Die New Gallery rites« mit Unverkäuflichem aus den Privat­
Landau auf gemeinsame Ausstellungsräume. liegt zentral, in Sichtweite des Frankfurter sammlungen – Wim Delvoye, Jack Goldstein,
Beide sind Experten, doch während sich Be­ Museums für Moderne Kunst. Oben gibt es Alicja Kwade. Auch danach ist Cross-over ge­
ckers’ Programm seit den späten Neunziger­ einen intimen Videoraum. Unten aber öff­ plant: Beckers wie Landau können sich ge­
jahren auf Fotografie und Videokunst kon­ nen sich die schönen Räume zur Straße und meinsame Ausstellungen von Kunst und
zentriert, kann man bei Landau Stühle von machen sichtbar, was drinnen passiert. Hier Design ebenso vorstellen wie autonome In­
George Nelson oder Ron Arads skulpturale soll es im Rhythmus von vier Wochen neue termezzi. Als Refugien bleiben die aktuellen
Leuchten kaufen. Landau hat Filme ausge­ Projekte geben, die die »Frankfurter Kunst- Standorte erhalten.  CHRISTIANE MEIXNER
stattet, kennt sich aus mit Design und Secon­ und Designszene um Impulse bereichern«.
dary Market. Was sie verbindet, sind ihre ehe­ Landau weiß sehr wohl, dass er auch allein New Gallery, Braubachstraße 9, Frankfurt a. M.,
maligen Adressen im Gallus. Beide mussten im Internet erfolgreich handeln könnte. Eröffnung: 11. September, 19 Uhr

NEUE KATALOGE Strand« flanieren und Cornelius erschienen, in dem Annika stücke erzählt. Formale Aspekte
Wasser ist das ver­ Völker seinen »Schwimmer« Schank vom Essener Museum kommen ebenso zur Sprache
bindende Element (rechts) fast ein Jahrhundert spä­ Folkwang eine kurze Geschich­ wie die symbolische Bedeu­
aller 40 Werke, die ter als Farbfleck in grünlichen te der Strandszenen und See­ tung, die sich von Erich Heckel
die Düsseldorfer Fluten treiben. »Open Water« bis in die Gegenwart mehrfach
Galerie Ludorff für heißt nicht bloß die schöne verschoben hat: Für die nackten
ihre Sommerschau (bis 12. Sep­ Zusammenschau von Gemäl­ Badenden auf dem Aquarell des
tember) zusammengetragen den, Fotografien (Hiroshi Sugi­ Expressionisten mag die Natur
hat. Seine stofflichen Qualitäten moto) und Aquarellen wie das noch Sehnsuchtsort sein. Auf
faszinieren: Emil Nolde schickt von Wasser umspülte Mädchen­ den Fotos von Bernd und Hilla
um 1920 Boote ins Schilf, Max porträt Cornelia Schleimes. Becher ist das Wasser industriell
Liebermann lässt »Reiter am Begleitend ist ein Katalog genutzte Energie.

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ZWEIMAL ART & ANTIQUE BERNHEIMER BERLIN
Als »feinen, exklusiven Auf 700 Quadratmetern hat ANTIQUITÄTEN, KUNST & ANGEWANDTE KUNST DES 20. JAHRHUNDERTS
Kunstevent« kündigt die Isabel Bernheimer im Juli 79. AUKTION · 27.-29. AUGUST 2015 · 4000 OBJEKTE
Art & Antique im Salzbur- ihre Berliner Kunstagentur
ger Residenzhof ihr neues eröffnet. »Who cares – Soci-
Sommergastspiel mit insge- al Responsibility« heißt die
samt neun Teilnehmern an. erste Ausstellung in der ehe-
Die Messe findet dieses Jahr maligen Frauenklinik der
gleich zweimal statt – nach Charité, die unmittelbar am
Ostern nun auch vom 15. bis Bode-Museum liegt. Die
23. August. Neben der in Tochter des Münchner
Salzburg ansässigen, vor al- Kunsthändlers Konrad O.
lem auf Pop-Art speziali­ Bernheimer war unter ande- Eugen Bracht V. Byalynitsky-Birulya
sierten Galerie 2C For Art rem für die internationale Gardereiterhelm Sachsen
nimmt Josef Schütz mit sei- Galerie Hauser & Wirth
nem Kunst- und Antiquitä- tätig. Ihr erstes eigenes Pro-
tenhandel sowie dem von gramm bestreitet sie mit
ihm gegründeten »Chinese jungen, vorwiegend in der
Department« teil. Aus Mün- Hauptstadt lebenden Künst-
chen kommt Stefan Brenske lern und Designern.
als Experte für Ikonen, der
Stand von Lilly’s Contempo­ KEINE SHANGHAI-MESSE
rary Art Exclusive Antiques Sie gilt als gelungener Mix,
bietet traditionell antike der jüngere Galerien aus
Uhren. Beim Kunsthandel China und international
Freller setzt man auf öster- renommierte Kunsthändler
reichische Klassiker wie den einmal jährlich zusammen-
Bild: 2C For Art

Maler Alfons Walde. Aus bringt. Nun ist die Bologna-


Pinzgau stammen die Bau- Fiere Shanghai Internatio- Auguste Mayer
ernmöbel im Angebot von nal Contemporary Art
Ludwig E. Wimberger, wäh- offenbar abgesagt – auf der
rend das Kunsthaus Wiesin- Website der von Italien aus Große Bernsteinlampe Musealer Deckelhumpen
ger elaborierte französische organisierten Messe fehlt
Möbel des 18. Jahrhunderts jeder Hinweis auf den für
mit zeitgenössischen Ge- September 2015 geplanten
mälden kombiniert. Die Art Termin. Gegründet wurde
& Antique blickt auf eine die SH Contemporary 2007,
inzwischen 40-jährige Tradi- nach dem Finanzcrash im
tion zurück, im Frühjahr Jahr darauf fand sie eben- Silberbow
wle
nahmen 39 Händler und falls nicht statt. Ob es nun Bremenn
Galeristen an der Salzbur- eine ähnliche Zwangspause
ger Messe teil. geben soll, ist unklar. Münzbecher
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Truhen, Türen oder Portale. Manfred Welker Zur Bezeugung unauflöslicher Liebe hängen
– selbst ein Meister im Schlosserhandwerk – Zigtausende kleiner Vorhängeschlösser an
hat jüngst den 363-seitigen Bestandskatalog Brückengeländern. Die dazugehörigen länder unter der Last der vielen Schlösser ein-
der historischen Schlüssel und Schlösser des Schlüssel sind im Fluss versenkt – ähnlich stürzen, wie letztes Jahr am Pariser Pont des
Germanischen Nationalmuseums in Nürn- den »Slüzelin« der mittelalterlichen Minne. Arts über der Seine. Deshalb werden die
berg vorgelegt. Heute versprechen Chipkar- Diese Mode führt so weit, dass manche Ge- Schlösser in Paris regelmäßig entfernt.

102
Schon Jesus übergab seinem Jünger Pe- Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Bayern und
trus den Schlüssel zum Himmel- Kurfürst von der Pfalz verweisen. Ein vergol-
reich, und die Offenbarung des Jo- deter Berliner Schlüssel, um 1690/1700, mit
hannes schildert, wie ein Engel plastisch herausgearbeitetem preußischem
vom Himmel herabfährt, um Adler und Krone dürfte auf Kurfürst Fried-
den Satan in Gestalt eines rich III. zurückgehen. Ein weiteres Exemplar
Drachens mit einem großen aus vergoldetem Silber ist wohl erst nach des-
Schlüssel zu bekämpfen. sen Krönung entstanden, denn es ist »FR« für
Wurde eine Stadt von Feinden Fridericus Rex monogrammiert.
eingenommen, forderte der Von Bartholomäus Hoppert (1648–
Sieger den Stadtschlüssel als 1715), dem berühmtesten deutschen Kunst-
Machtsymbol – um 1635 schlosser seiner Zeit, der während seiner Ge-
großartig dargestellt in der sellenwanderschaft in halb Europa und im
»Übergabe von Breda«, jenem Umkreis des Hofes Ludwigs XIV. tätig war,
berühmten Monumentalge- bevor er 1675 nach Nürnberg ging, hat sich
mälde von Diego Velázquez im nicht nur das Meisterstück, eine Truhe, er-
Madrider Prado. halten. 1693 schmiedete er aus einem Stück
Besondere Schlösser und Beschläge den Prachtschlüssel für Georg Friedrich II.
wurden seit dem 15. Jahrhundert mit getrie- Markgraf zu Brandenburg-Ansbach mit auf-
benem, graviertem oder geschnittenem Or- wendigem Blattrankendekor, zwei Knaben
namentdekor nach zeitgenössischen Stich- und Fürstenhut in Eisenschnitt.
Bild: Bastian Krack/Bayerisches Nationalmuseum München; Christoph Vohler, München

vorlagen verziert. Paradebeispiele sind die Weil er keine Wappen aufweist, ist je-
sogenannten Kammerherrenschlüssel, Zier- doch nicht sicher, ob er als Kammerherren-
schlüssel als Sinnbild des Vertrauens, die an oder Hauptschlüssel des Markgrafen gedient
fast allen europäischen Königs- und Kaiser- hat. Hingegen hat der Würzburger Hof-
höfen und nach dem Dreißigjährigen Krieg schlosser Johann Georg Oegg um 1740 einen
auch von Kurfürsten, Fürstbischöfen oder vergoldeten Schlüssel mit Grotesken, Wap-
Äbten verliehen wurden. penschild, Bischofsstab und Krone des Hoch-
Kämmerer erfüllten eine Vielzahl un- stifts Bamberg ausgestattet. Der Entwurf
terschiedlicher ehrenvoller Aufgaben. Sie geht auf den Hofbildhauer Johann Georg
hatten Zutritt zu den herrschaftlichen von der Auwera zurück, der sich im Skizzen-
Prunkräumen, warteten ihrem Herrn an der buch Balthasar Neumanns in der Würzbur-
Tafel auf sowie beim An- und Auskleiden, be- ger Universitätsbibliothek erhalten hat.
gleiteten ihn bei Ausfahrten, -ritten und Rei- Das Modell liegt – mit ausgetauschten
sen und dienten als Nachrichtenüberbringer. Wappen und Monogrammen – auch den
In Frankreich stand der Großkämmerer gar Schlüsseln der Fürstbischöfe Friedrich Karl
dem gesamten Hofpersonal vor. Kein Wun- von Schönborn, Adam Friedrich von Seins-
der, dass ihre aufwendig von Hofschlossern heim und Franz Ludwig von Erthal zugrun-
gefertigten Schlüssel ein eigenes Sammelge- de, wie im Bayerischen Nationalmuseum in
biet darstellen und in allen bedeutenden Mu- München, im Würzburger Mainfränkischen
seen mit kunsthandwerklichen Abteilungen Museum und im Britischen Museum zu se-
vertreten sind. hen ist. Aus dem Großherzogtum Hessen-
Die Reide, so nennt man den Schlüssel- Darmstadt zur Regierungszeit Ludwigs III.
griff, ist häufig kunstreich mit Wappen, Em- stammt ein gegossener ver-
blemen und Monogrammen der Fürsten de- goldeter Kammerherren-
koriert. Frühe, noch funktionstüchtige schlüssel mit Portepee –
Kammerherrenschlüssel bestanden meist der textilen Schlaufe mit
aus Schmiedeeisen. Seit dem Absolutismus Quaste – und rückseiti-
erlebten sie ihre Blütezeit als reines Würde- gem Haken, um ihn
zeichen und kleine Kunstwerke, die mit der an der Uniform zu be-
Französischen Revolution und dem Unter- festigen. Und heute?
gang der Monarchien endete. Diese Prunk- Keine Kammerher-
schlüssel sind meist aus Bronze oder Messing renschlüssel mehr –
und kostbar vergoldet. Der Kämmerer trug nur Kellermeister-
sie im Dienst um den Hals beziehungsweise schlüssel, die dazu da
an der rechten Hüfte an einem goldenen sind, Weinfässer abzuklopfen. ×
Band, einer Schnur oder einer Quaste.
In München wurde in der zweiten Hälf- Für den Würzburger Fürstbischof Adam Gloria Ehret ist Herausgeberin
te des 16. Jahrhunderts ein prächtig verzier- Friedrich von Seinsheim schuf Hofschlosser der WELTKUNST,
ter Schmiedeeisenschlüssel gefertigt, dessen Johann Georg Oegg diesen Kammer­ für die sie seit 1986 ar­beitet.
drei Wappenschilde mit Helm und Löwe in herrenschlüssel. Heute zählt er zum Bestand Ihre erste Stilkunde
der Reide auf den Wittelsbacher Ludwig, des Bayerischen Nationalmuseums erschien im April 2008

103
AG E N DA

AUKTIONEN
KUNST UND ANTIQUITÄTEN
Mehlis
Plauen, 27. bis 29. August

Seine Leidenschaft galt den


Landschaften, von der Wüste
bis zum Gebirge. Um die Berge
im Bild festzuhalten, bereiste
Eugen Bracht im 19. Jh. die
Alpen. Besonders das Matter-
horn faszinierte ihn als Motiv.
Sein Werk »Das Matterhorn in
frischem Schnee«, das wohl um
1906 entstand, wird bei Mehlis
zum Limit von 6000 Euro ange-
boten. Es zeigt den Blick von
der Riffelalp mit See zur ver-

Bilder: Ahrenshooper Kunstauktionen; Auktionshaus Mehlis


schneiten Ostwand des Matter-
horns und dem Hörnligrat im
hellen Sonnenlicht. Neben
Gemälden wartet Mehlis mit
Kunsthandwerk und Design
auf. Darunter ist ein musealer
Deckelhumpen (Limit 8000
Euro) und ein Kinderauto von
1930 mit Verbrennungsmotor
1
(Limit 2500 Euro).  SUSANNE LUX

GEMÄLDE ren. Eine zweite Besonderheit vor allem regional bekannten


Ahrenshooper Kunstauktionen ist, dass jedes Jahr ein Künstler Künstlern wie Elisabeth von
1. August gebeten wird, für die Sommer- Eicken, Fritz Wachenhusen
auktion ein Plakat zu entwer- und Louis Douzette
Urlaubsfeeling und Kunst, diese fen, dieses Jahr ist es Rainer Fet- schmücken Künst-
schöne Kombination wird jeden ting. Das vieldeutig »high heels ler aus der zweiten
Sommer in der Strandhalle (am Hohen Ufer)« betitelte Generation der
Ahrenshoop in Mecklenburg- Werk zeigt eine schlanke Biki- Ahrenshooper
Vorpommern geboten. Die 41. nischönheit. Für die signierte Künstlerkolonie
Ahrenshooper Kunstauktionen Farblithografie werden als Sub- und aus dem nahen
offerieren 100 Arbeiten in der skriptionspreis 180 Euro ver- Hiddensee das
Hauptauktion und 48 Arbeiten langt, ohne Plakattext kostet die vielfältige Angebot.
im »Kleinen Kabinett«. Außer- auf 25 Exemplare limitierte Doch nicht nur
dem werden noch 15 Künstler- Arbeit 320 Euro. Arbeiten von Hans
plakate aufgerufen. Ein museales Werk von Otto Brass oder Alfred Par-
Eine Besonderheit dabei ist, Manigk, die »Fischerfrau«, ent- tikel ergänzen das
dass immer wieder ortsansässi- standen 1950, zählt mit zu den umfangreiche Künstler-
ge Künstler in das Auktions­ Höhepunkten der Sommerauk- spektrum. Auch Werke
angebot hineingenommen wer- tion. Der Schätzpreis liegt bei von Hans Kinder, Otto
2
den. So bleiben nicht nur die selbstbewussten 12 000 Euro. Niemeyer-Holstein und
frühen Jahre der Ahrenshooper Auch die von Rainer Fetting international bekannte Namen 
Künstlerkolonie im Bildge- stammenden »Dünen am Meer« wie Lyonel Feininger sowie 1 Hans Kinder, »Grenzweg«, 1968,
dächtnis der urlaubenden Käu- passen perfekt ins Setting des Karl Schmidt-Rottluff, meist Mischtechnik, 56 x 72 cm, Ahrens-
fer, auch die aktuelle Kunstpro- Ostseebades. Das 2008 entstan- mit Grafiken vertreten, gehören hoop, Taxe 3600 bis 4200 Euro
duktion bekommt ein Forum dene Bild in Öl auf Leinwand zum vielfältigen Angebot. 2 Bowle, Silber, Auktionshaus Mehlis,
und kann sich im Markt bewäh- ist mit 8000 Euro taxiert. Neben  FRANK G. KURZHALS Plauen, Limit 2500 Euro

104
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W E LT K U N S T

KUNSTSTÜCK Nº   55

VON
B A S T I A N E C L E RC Y

Bild: Städel Museum - ARTOTHEK

Guido Reni
»Himmelfahrt Mariens«, um 1596/97
Städel Museum, Frankfurt a. M.

106
E
s gibt ihn auch hier, den blauem Mantel und weißem Schleier, auf ei- die der Komposition Struktur, ja trotz des
»himmelnden Blick«, wie nem immateriellen Thron aus luftig-flauschi- kleinen Formats und der detaillierten Fein-
ihn die Kunstgeschichte gen Wolken in zartem Grau. Die Arme hat malerei sogar eine erstaunliche Monumenta-
nennt. Er sollte zu Guido sie weit zum Beten ausgebreitet, den Blick in lität verleiht. Unten geben die beiden Lauten-
Renis Markenzeichen werden, und noch der der typischen Manier verklärt zum Himmel spieler – als einzige sind sie im gleichen
heutige Betrachter verbindet wohl zuallererst emporgerichtet. Figurenmaßstab wie Maria dargestellt – dem
dieses Motiv mit seinem Namen. Die um Von den Wolken getragen und von klei- Bildgefüge Halt und führen zugleich durch
1596/97 auf Kupfer gemalte »Himmelfahrt nen Engeln gestützt, schwebt Maria sanft em- ihre Blickrichtungen subtil das Auge des Be-
Mariens« ist eine Preziose der italienischen por zum Licht, das von der oberen Bildmitte trachters. Drei Engel sind aus dem Kreis der
Malerei des Frühbarock und ein kostbares ausgeht und sich durch die links und rechts Musizierenden ausgegliedert und Maria di-
Geburtstagsgeschenk zum 200-jährigen Jubi- wie ein Vorhang zur Seite geschobenen Wol- rekt zugeordnet; zwei davon stützen ihre aus-
läum des Städel Museums in Frankfurt. Der ken seine Bahn bricht. Ein satt goldenes gebreiteten Arme, einer trägt sie sogar gleich
Städelsche Museums-Verein hat es, nach ei- Strahlen, ganz aus der Farbe erzeugt, zeigt dem antiken Gott Atlas empor. Die sichtli-
ner erfolgreichen Spendenkampagne, im Ja- den himmlischen Charakter dieses Lichtes che Anstrengung der kleinen Assistenten ist
nuar dieses Jahres gestiftet. an. Es wird zum Substitut für Gottvater dabei mehr als ein augenzwinkerndes Detail
Die 58 mal 44,4 Zentimeter große Kup- selbst, der Maria in den Himmel aufnimmt, und veranschaulicht die in der theologischen
fertafel zählt zu den wenigen erhaltenen doch nur in Gestalt des von ihm ausgehen- Debatte heiß umstrittene leibliche Aufnah-
Frühwerken Guido Renis, dem für die Ent- den Glanzes im Bild gegenwärtig ist. me der Gottesmutter in den Himmel.
wicklung der Barockmalerei in Bologna und Dieses Meer aus Wolken und Licht als Mariens Körpermitte wird auf ganzer
Rom eine zentrale Bedeutung zukommt und poetisches Sinnbild der himmlischen Sphä- Bildbreite hinterfangen von einer sanft ge-
der unsere Vorstellung vom italienischen Ba- ren wird bevölkert von zahllosen Engeln, die schwungenen Wolkenbank, die in das golde-
rock nachhaltig prägt. Im 17. Jahrhundert teilweise mit ihrer Umgebung zu verschmel- ne Licht getaucht ist, sodass die Körper der
war Reni, darin Peter Paul Rubens vergleich- zen scheinen. Fast alle sind in mannigfacher auf ihr musizierenden Engel sich regelrecht
bar, einer der erfolgreichsten und gefeierts- in Farbe und Licht auflösen. In der linken
ten Maler Europas – heiß begehrt bei den be- und rechten oberen Ecke kehren die von der
deutendsten Auftraggebern aus Adel und unteren Zone bekannten grauen Wolken mit
Klerus. Durch seine berüchtigte Preispolitik Das Bild zeigt, wie Reni vollfarbigen Engeln wieder, zwischen denen
veränderte er auch den Kunstmarkt zuguns- ein Kegel aus reinem Licht durchbricht, vor
ten der Maler und konnte sich mit wachsen- schon in jungen Jahren die dem sich das Haupt der Gottesmutter wir-
dem Erfolg die Ungeheuerlichkeit heraus-
nehmen, die Festsetzung des Preises seinen
Kunst seiner Lehrer kungsvoll abzeichnet.
Renis Ausgangspunkt für diese feinsin-
Auftraggebern selbst zu überlassen. Damit revolutionär umdeutete. nig durchdachte Komposition waren die bei-
setzte er sie unter einen derartigen morali- den großen Altarbilder der »Himmelfahrt
schen und sozialen Druck, dass sie gar nicht Mariens« von Annibale und Agostino Car-
anders konnten, als Reni fürstlicher zu ent- racci, heute in der Pinacoteca Nazionale zu
lohnen, als er es nach den Gesetzen des Weise mit Musizieren beschäftigt, stimmen Bologna, die wenige Jahre vor dem Städel-
Marktes je hätte verlangen können. Dass ein ein in die musica coelestis, die nach theologi- Bild entstanden und motivische Anregun-
Großteil der beträchtlichen Einnahmen je- scher Vorstellung den Himmel durchwaltet. gen für die mit ausgebreiteten Armen auf
doch gleich wieder seiner notorischen Spiel- Darin mag auch ein subtiler Wettstreit des dem Wolkenthron sitzende Maria und ihre
sucht zum Opfer fiel, steht freilich auf einem Malers mit der Gattung der Musik zu erken- Assistenzengel lieferten. Und doch ist Renis
anderen Blatt. nen sein, die er gleichsam mit seinen eigenen Auffassung des Themas grundverschieden, ja
Die Städelsche »Himmelfahrt« hat eine künstlerischen Mitteln, mit Farbe und Form, umstürzlerisch neu. Das an der Hochrenais-
bemerkenswerte und noble Provenienz, die zum Klingen zu bringen versteht. Dass Guido sance, vor allem am späten Raffael geschulte
sich lückenlos bis in Renis Lebenszeit zu- Reni selbst einer Familie von Musikern ent- Pathos der dramatischen Auffahrt Mariens
rückverfolgen lässt. Bereits sein früher Bio- stammte, dürfte eine besondere Affinität zu bei den Carracci übersetzt Reni in eine gänz-
graf Carlo Cesare Malvasia, ein Vasari des Bo- diesem Thema begründet haben. lich andere Stimmung: in ein sanftes, von
logneser Barocks, bezeugt das Bild in seinem Kein Engel gleicht dabei ganz dem an- Sphärenklängen begleitetes Emporschweben
1678 erschienenen Werk »Felsina Pittrice« deren. Das Alter reicht vom Kleinkind bis voll poetischer Harmonie. Die Frankfurter
(Felsina ist der lateinische Name Bolognas) zum Jüngling, das Spektrum der Instrumen- »Himmelfahrt« erweist Reni als einen he-
unter den frühesten Gemälden Renis in der te von der Knickhalslaute und Viola da gam- rausragenden Maler, der schon in ganz jun-
Bologneser Sammlung Sampieri. Auftragge- ba über Triangel, Armlyra (Lira da Braccio), gen Jahren, gerade erst Anfang zwanzig, die
ber dürfte der Jurist Astorre di Vincenzo Orgel, Harfe und verschiedene Blasinstru- Kompositionen seiner Lehrer geradezu revo-
Sampieri gewesen sein, der Kanoniker im mente bis zum Gesang. Ähnlich kunstvoll lutionär umdeutet.
Dom San Pietro in Bologna war und eine be- variiert sind die Haltungen der Engel, etwa So gewährt dieses kleine Bild einen un-
deutende Kunstsammlung besaß. Über Jahr- bei den beiden Lautenspielern im Vorder- gemein faszinierenden Einblick in eine ent-
hunderte in der Familie weitervererbt, ge- grund, von denen der linke von vorn zu se- scheidende Phase von Guido Renis Schaffen:
langte Renis Bild 1811 in die berühmte hen ist und zu Maria emporblickt, während den Moment, als sich der Schüler zum Meis-
Sammlung des Eugène de Beauharnais, des der rechte von hinten gezeigt wird und sich ter emanzipierte. ×
Vizekönigs Italiens und späteren Herzogs zum irdischen Betrachter umwendet.
von Leuchtenberg. Hinter der variantenreichen Vielheit Bastian Eclercy ist Kustos im Frankfurter Städel
In der Mitte der Tafel sitzt Maria, in ih- dieser kleinen Wesen herrscht indes eine Museum. Dort verantwortet er die italienische,
ren kanonischen Farben mit rotem Gewand, vom Künstler fein durchdachte Ordnung, französische und spanische Malerei bis 1800

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Künstlerin Zilla Leutenegger Henselmann, Judith Milberg »Mobile Z«

Pinakothek-Party
Feierlaune in München: Zwischen 2004 und
2007 schuf die Schweizer Künstlerin Zilla
Leutenegger ihren Zyklus »Apartment« –
jetzt kam er mit der großzügigen Schenkung Pictet-Gruppe: Florian Seidel,
Pinakothek der Moderne der Mediensammlung Goetz an den Frei- Michael Steger und Rainer Gänsslen
staat Bayern. Zu einer ersten Vorbesichti-
gung lud die Schweizer Pictet-Gruppe, der Petra und Michael Mayer
als maßgeblicher Förderer der Ausstellungs-
realisierung zu danken ist, mit anschließen-
dem Abendessen im Restaurant Theresa. Bis
Oktober ist der Zyklus in der Pinakothek der

Bilder: Hannes Magerstaedt (10); Ekko von Schwichow (4)


Moderne ausgestellt, für München eigens
um aktuelle Projektionen, kristalline Skulp-
Kunsthändler Florian Sundheimer turen und Prints ergänzt. Ihr Titel gleicht ei-
und Tine Nehler ner Einladung: »Ring My Bell«.

Kuratorin Inka Graeve

Gabriela Seidel und


Molly von Fürstenberg weltkunst-Herausgeberin Gloria Ehret, Bernhard Maaz, Loa Pictet

Liechtenstein in Berlin
Sogar das Kammermusikensemble Classic der Deutschen
Oper erfreute die Gäste mit einer Kostprobe ihres Kön-
nens beim Empfang im Hotel Regent – so stilvoll wurde
die Kulturlandschaft Liechtenstein in Berlin präsentiert.
Konkreter Anlass waren die Eröffnung der Schatzkam-
mer und der Hilti Art Foundation. Auf nach Vaduz! Rainer Vollkommer

Ministerin Aurelia Frick, Der Botschafter, Prinz Stefan


Lisa Zeitz Kammerensemble Classic von Liechtenstein
Empfang im belgischen Chateau de Bois-Seigneur-Isaac

Coldstream Guards in Hougoumont

Gedenken an Waterloo
Bilder: The Swatch Group; Breguet; The Swatch Group (3); Breguet (2); The Swatch Group; Musée national suisse

200 Jahre nach der Schlacht von Waterloo gab


es an einem besonders erbittert umkämpften
Schauplatz, dem Gutshof Hougoumont, ein
historisches Treffen: Nachfahren von Napo­
leon, dem Herzog von Wellington und Gene­ Prince Charles
ral Blücher reichten sich die Hände. Welling­
ton sagte einst, er habe in den Stunden der
Schlacht vor allem auf seine Uhr geschaut –
wäre Blücher nicht erschienen, so hätte es
auch anders ausgehen können. Was für eine
Uhr es war? Eine Taschenuhr aus der 1775 ge­
gründeten Uhrmacherwerkstatt Breguet. Alle
drei Kontrahenten zählten zu ihren Kunden:
Napoleon hatte schon für seine Ägyptenexpe­
dition 1798 eine Reiseuhr bei Abraham Louis Breguet-Saal in Hougoumont
Breguet in Auftrag gegeben. Die eigene Ver­
flechtung mit der Weltgeschichte war nun ein Marc Hayek, CEO von Breguet
Grund dafür, dass das Schweizer Unterneh­
men Breguet sich – mit einer halben Million
Euro als größter privater Geldgeber – für die
Restaurierung von Hougoumont engagiert
hat. Mehr als 600 000 internationale Besucher
werden ab jetzt jährlich in dem geschichts­
trächtigen Gemäuer erwartet. Zu den
Einweihungsfeierlichkeiten ge­
hörte auch ein Diner im nahe­
Friedlich: Herzog von Wellington, Charles Prince
gelegenen Chateau de Bois-
Napoléon und Herzog Blücher von Wahlstatt Seigneur-Isaac.

Restauriert und als Museum eröffnet: Hougoumont

Auf den Feldzügen dabei: Napoleons Reiseuhr


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Kunst 19./20. Jh.  1. 8. (0 72 43 / 56 17 40) Nordhavn nale Kunst  19. 8.
Kunsthaus am Schiffer- Münzen  14./15. 8. Marlborough Bruun Rasmussen
berg (03 82 20/66 68 60) Skinner (0045 88 / 16 11 11) Übach-Palenberg
Kunst 19./20. Jh. (Ahrens- Garmisch-Partenkirchen (0015 08 / 9 70 30 00) Münzen  3. 8. Poestgens
hoop, Hiddensee, Schwaan) Merry Old England Americana  8./9. 8. (0 24 51 / 4 92 09)
  16. 8. (0 88 21 / 5 99 09) Oxford Antiquitäten, Kunst  1. 8.
Antiquitäten, Kuriosa  5. 8. Monte-Carlo Bonhams
Augsburg Antiquitäten, Kunst, Accademia Fine Art (0044 18 65 / 85 36 40) Uppsala
Rehm (08 21 / 55 10 01) Schmuck, Varia  13. 8. (0037 7 / 99 99 86 70) Bücher  29. 7. Uppsala Auktionskamma-
Antiquitäten, Kunst, Varia Antiquitäten, Kunst  22. 8. re (0046 18 / 12 12 22)
  30./31. 7. Göteborg Paris Antiquitäten, Kunst, Varia
Auktionsverk Morlaix Delorme, Collin du   18. 8.
Bad Dürkheim (0046 31 / 7 04 77 00) Dupont Bocage (Drouot Richelieu)
Alino (0 63 22 / 95 99 70) Antiquitäten, Kunst  26. 8. (0033 2 / 98 88 08 39) (0033 1 / 58 18 39 05) Usedom
Spielzeug  7./8. 8. Antiquitäten, Kunst, Varia Antiquitäten, Kunst, Varia Jeschke – van Vliet
Halmstad   3. 8.   4. 8. (03 0/ 22 66 77 00)
Bamberg Hallands Auktionsverk Schmuck, Silber  5. 8. Antiquitäten, Kunst, Bücher
Richter & Kafitz (0046 35 / 15 69 00) Mülheim Dekorative Kunst  6. 8.   13.–15. 8.
(09 51 / 5 09 93 43) Antiquitäten, Kunst  27. 8. Auktionshaus an der Ruhr
Antiquitäten, Kunst  8. 8. (02 08 / 3 02 69 81) Plauen Utrecht
Hamburg Antiquitäten, Kunst, Varia Mehlis (0 37 41 / 22 10 05) Peerdeman
Bremen Mette (0 40 / 46 06 92 56)   29. 8. Antiquitäten, Kunst, Varia (0031 30 / 2 61 04 85)
Auktionshaus Weser Antiquitäten, Kunst,   27.–29. 8. Antiquitäten, Kunst, Varia
(04 21 / 4 58 56 25) Schmuck  26. 8. München   30. 8.
Antiquitäten, Kunst, Varia Rütten (0 89 / 12 71 51 00) Quedlinburg
  29. 8. Helsinki Antiquitäten, Kunst, Varia Breitschuh (0 39 46 / 37 51) Verbier
Hagelstam   1. 8. Antiquitäten, Kunst, Varia Galartis
Cannes (0035 89 / 6 87 79 90)   28. 8. (0041 21 /6 95 25 25)
Cannes Enchères Antiquitäten, Kunst, Varia Mutterstadt Schmuck, Uhren  2. 8.
(0033 4 93 / 38 41 47)   18. 8. Henry‘s (0 62 34 / 8 01 10) Salzburg
Schmuck  28. 7. Porzellan, Diamanten, Frühwald Wiesbaden
Hong Kong Schmuck  30. 7. (0043 66 2/ 64 31 27) Jäger (06 11 / 30 41 02)
Cheltenham Baldwin‘s Schmuck, Silber  31. 7. Münzen, Medaillen, Antiquitäten, Kunst, Varia
The Cotswold Auction (0044 2 0/ 79 30 98 08) Teppiche  1. 8. Banknoten  1./2. 8.   22. 8.
Company Münzen, Medaillen  27. 8. Kunst (Moderne, Gegen-
(0044 12 42 / 25 63 63) Spink (008 52/25 30 01 00) wart)  8. 8. Schwerin Wiesloch
Kunst 20. Jh., Textilien Münzen  27. 8. Uhren  14. 8. Auktionshaus Schwerin Badisches Auktionshaus
 25. 8. Diamanten, Farbsteine (03 85 / 7 77 89 30) (06 22 2/ 38 65 22)
London  27. 8. Antiquitäten, Kunst, Varia Antiquitäten, Kunst, Varia
Chicago Bonhams Knightsbridge Schmuck, Silber  28. 8.   22. 8.   24./25. 8.
Leslie Hindman (0044 20 / 73 93 39 00) Antiquitäten, Kunst, Möbel,
(0013 12 / 2 80 12 12) Silber  29. 7. Glas  29. 8. Stuttgart
Bücher, Manuskripte  5. 8. Schmuck  12. 8. Eppli (07 11 / 2 20 90 87) Messen
Christie‘s Southkensing- Namur Schmuck, Uhren, Porzellan,
Den Haag ton (0044 20 / 79 30 60 74) Rops (0032 81 / 74 99 88) Silber  1. 8 Aspen
Van Stockum‘s Interieur  18. 8 Antiquitäten, Kunst Königsbau-Auktion  8. 8 ArtAspen. Aspen Ice
(0031 70 / 3 64 98 40)   30./31. 8. Garden  13.–16. 8.
Antiquitäten, Kunst Los Angeles Svendborg
  26./27. 8. Bonhams New York Svendborg Auktionerne Baltimore
(0013 23 / 8 50 75 00) Christie‘s (0045 / 62 21 22 31) Summer Antiques Show.
Döhlau Kunst (Kalifornien, (0012 12 / 6 36 20 00) Antiquitäten, Kunst, Varia Convention Center
Lankes (0 92 86 / 9 50 50) Westküste)  4. 8. Interieur   25./26. 8.   22. 8.   20.–23. 8.
Spielzeug  29. 7.–1. 8. Kunst, Slg. Gloria Reese Doyle (0012 12/4 27 27 30)
  17. 8. Interieur  12. 8. Sydney Bamberg
Edinburgh Schmuck  13. 8. Deutscher and Hackett Bamberger Kunst- und
Lyon and Turnbull Magdeburg Swann Galleries (0061 2 / 92 87 06 00) Antiquitätenwochen.
(0044 1 31 / 5 57 88 44) Bieberle (03 91 / 1 86 18 47) (0012 12/2 54 47 10) Australianische & Diverse Kunsthandlungen
Silber  12. 8. Antiquitäten, Kunst  29. 8. Vintageposter  5. 8. internationale Kunst  26. 8.   Bis 21. 8.

112
Furtwangen Ausstellungen
VORSCHAU
Antik-Uhrenbörse.
Fachhochschule 28.–30. 8. Aarau
Aargauer Kunsthaus: Die nächste Ausgabe
Knokke Christian Marclay.
Art Nocturne – Internat.   30. 8.–15. 11. der weltkunst erscheint am
Kunst- und Antiquitäten- Nachtbilder. 30. 8.–15. 11.
messe. Kulturzentrum Caravan 3/2015: 25. August 2015
Scharpoord  8.–16. 8. Kyra Tabea Balderer.
  30. 8.–15. 11.
Kopenhagen
CHART | ART FAIR. Amsterdam
Kunsthal Charlottenborg Rijksmuseum: Dick Bruna:
  21.–23. 8. Artist.  27. 8.–15. 11.

Lima Bielefeld
lima photo. Centro de la Bielefelder Kunstverein:
imagen Lima  12.–16. 8. Eugen Gomringer &.
  29. 8.–25. 10.
Los Angeles
LA Antique Jewelry & Düsseldorf
Watch Show. Hyatt Kunsthalle: Ava­tar und
Regency  14.–16. 8. Ata­vis­mus. Outside der
Avant­gar­de.  22. 8.–8. 11.
Marseille Museum Kunstpalast:
ART-O-RAMA. La Erika Kiffl – Fotografie.
Cartonnerie  28.–30. 8. Von Ai Weiwei bis Gerhard
Richter.  7. 8.–18. 10.
Nagoya
Art Nagoya.   31. 7.–2. 8. Fürth
Kunst Galerie Fürth: Far,
Pörtschach am Wörther- far away – Reisebilder
see Indien. Oskar Koller &
Int. Kärntner Kunst- und Harri Schemm.  28. 8.–27. 9.
Bild: privat

Antiquitätenmesse.
Congress Center  6.–9. 8. Köln
Museum für angewandte
Salzburg Kunst: Manu Factum 2015.
Art Salzburg - Sala Terrena. Staatspreis für Kunsthand-
Sala Terrena, Universität werk in NRW.
Salzburg  8.–23. 8.   20. 8.–11. 10.
Art & Antique. Residenz- Museum Ludwig:
hof  15.–23. 8. Danh Võ.  1. 8.–25. 10.

Santa Fe London
Ethnographic Art Show. National Portrait Gallery: Ein halbes Jahrhundert hat Jule Kewenig die
Convention Center
  14./15. 8.
Audrey Hepburn: Portraits
of an Icon.  Bis 18.10.
Kunstszene mitgeprägt: Jetzt spricht die
Antique Indian Art Show. Galeristin und Künstlermuse – oben mit ihren
Convention Center München
  17./18. 8. Haus der Kunst: drei illustren Ehemännern Markus Lüpertz,
»Geniale Dilletanten«.
São Paulo Subkultur der 1980er-Jahre
Michael Werner und Michael Kewenig – zum
sp-arte/foto. Shopping JK in Deutschland. Bis 10. 11. ersten Mal über ihr außergewöhnliches
Iguatemi  19.–23. 8. Lenbachhaus: Lea Lublin
- Retrospective.  Bis 13. 9. Leben. Außerdem besuchen wir die neu
Seattle
Seattle Art Fair. Century- St. Gallen eingerichtete Schatzkammer Liechtenstein,
Link Field Event Center
  30. 7.–2. 8.
Kunstmuseum: Phyllida
Barlow.  22. 8.–8. 11.
treffen die Künstler Doug Aitken und
Wim Wenders, empfehlen drei kunstvolle
St.Moritz Winterthur
St. Moritz Art Masters. Kunstmuseum: Richard Tage in London und konzentrieren
Verschiedene Orte Deacon – On The Other
  21.–30. 8. Side.  22. 8.–15. 11.
uns im Sammlerseminar auf die Eleganz von
französischem Art-déco-Glas.
Tetbury Zürich
The Cotswolds Decorative Kunsthaus Zürich:
Antiques & Fine Art Fair. John Waters:
Westonbirt School How much can you take?
  14.–16. 8.   14. 8.–1. 11.

113
DA S B I L D M E I N E S L E B E N S

Wolfgang Joop

Wolfgang Joop: »Cloud Number 7«

Bilder: WUNDERKIND/Alexa Vachon; Wolfgang Joop


Das Bild meines Lebens ist eines, das ich fenliebe!« Nun sehnen sich gerade Individua- den Planeten Fashion, von dem ich stamme.
selbst gemalt habe. In ihm und seinem Titel listen wie ich nach Geborgenheit und Nähe, Das Gleiche leisten die holländischen Tulpen,
»Cloud Number 7« steckt in gewisser Weise denn sie empfinden oft sehr viel Einsamkeit, mein Nachname ist ja holländisch. Sie erin-
meine Biografie. Das Bild zeigt zwei Affen in die sogenannte splendid isolation. nern mich daran, dass ich schon als Kind fas-
enger Umklammerung, einer streckt trotzig Der Affe ist unser Alter Ego. Mit ihm ziniert von flämischen Blumenstillleben war.
die Zunge raus. Sie sitzen in einem endlosen kann ich ausdrücken, was ich mit der Dar- Echte Tulpen bedeuteten Ausbruch des Früh-
Tulpenfeld, darüber ist der Himmel blau, es stellung von Menschen nicht ausdrücken lings und knirschten bei Berührung. Das
gibt nur eine Wolke: Ist sie die Wolke Nr. 7, könnte. Diese physische Umklammerung endlose, künstlich gelbe Tulpenfeld symboli-
die endlose Glückseligkeit verspricht? zwischen den Tieren auf dem Bild bekäme in siert hingegen quälerische Monotonie und
Für mich kommt hier mein bestimmen- menschlicher Form womöglich etwas Porno- Depression. Und ist zugleich die Heimat ei-
des Lebensgefühl der vergangenen Jahrzehn- grafisches oder zu Emotionales. Das Sujet nes glückseligen Affenpaares ohne den
te zum Ausdruck. Es ist das erste Ölgemälde, mit den Blumen ist grenzüberschreitend, wie Wunsch nach Veränderung.  ×
das ich 40 Jahre nach meinem Kunststudium mein Weg zwischen Kunst und Mode, und
gemalt habe. Es war der Beginn eines Zyklus bringt das Bild bewusst in die Nähe des Kit- Wolfgang Joop ist ein deutscher Modedesigner, der das
zum Thema Affenliebe. Denn das sagte mei- sches. Die aufwendigen Couture-Stickereien, Fashion-Label »Wunderkind« betreibt.
ne Mutter immer zu mir, wenn ich zu viel die die Affen umrahmen und eine Art Schlüs-
Nähe suchte: »Ach, hör’ auf, das ist doch Af- sellocheffekt erzeugen, sind ein Hinweis auf Aufgezeichnet von Nana Heymann

114
L I M I T I E R T E S O N D E R E D I T I O N F Ü R D I E Z E I T – Z U M E X K LU S I V E N S U B S K R I P T I O N S P R E I S

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Mir fällt einfach nichts anderes ein, was mich sondern ebenso seine Allgegenwart im tägli-
so herausfordert und in Arbeitswut und Fleiß chen Leben bringt uns das Kreuz auf vielfältige Jedes Blatt ist handsigniert
bringt; deswegen nehme ich es immer wie- Weise näher. Der darin liegenden Herausforde- Vom Künstler handsigniert und nummeriert.
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Sommer 2015 seit 1984

KUNST IN
SALZBURG

Meistermacher Goldkinder Kunstverführer


Die Galeristen versöhnen Drei Juweliere laden in ihre Museen, Galerien und
Trend und Tradition Schatzkammern Händler im Sommer
ULF ENGLICH
JUWELEN · ANTIQUITÄTEN · KUNST

GEGRÜNDET 1970
S E I T 1 9 8 9 I M S C H AT Z D U R C H H A U S

A - 5 0 2 0 S A L Z B U R G · G E T R E I D E G A S S E 3 / U N I V E R S I T Ä T S P L AT Z 1 6
( S C H AT Z - D U R C H H A U S )
T E L . : 0 6 6 2 · 8 4 3 3 3 9 , 8 3 1 7 2 0 · FA X : 0 6 6 2 · 8 3 1 7 2 0
EDITORIAL

Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
die ganze Welt blickt im Sommer auf Salzburg,
wenn Musik- und Theaterliebhaber aus allen
Kontinenten sich für den Besuch der Festspiele
fein machen. Die einmalige Barockstadt im Al-
TITELBILD: Tourismus Salzburg GmbH; Bilder rechts: Wolfgang Stahr; Sigrid Reinichs

penvorland teilt ihre Opern, Konzerte und


Schauspielaufführungen mit den Gästen aus
nah und fern, aber auch ihre unvergleichlichen
künstlerischen Schätze. Neben der »Hochzeit
des Figaro« und dem »Rosenkavalier«, neben
Shakespeare und Hofmannsthal sind Werke der nun einmal besondere gesellschaftliche Anlässe
bildenden Kunst aus den Tiefen der Geschichte – darf man auftrumpfen mit seinen Preziosen:
und aktuelle Produktionen zeitgenössischer vom zarten Silberhauch bis zu prunkender
Künstler zu bewundern – in einer Melange, die Pracht, für jede ­stilistische Vorliebe ist etwas ­
eben nur Salzburg zu bieten hat. dabei. Lernen Sie ab Seite 22 die Persönlich­
Während wir uns im letzten Jahr anlässlich keiten hinter den f­antasievollen Kreationen ­
der Eröffnung des Domquartiers vor allem den kennen!
Museen gewidmet haben, konzentrieren wir Mindestens ebenso vielfältig ist das Pro-
uns in der vorliegenden Ausgabe auf die Gale- gramm der Galerien – ob zeitgenössische Kunst
rien, den Kunsthandel und Schmuck. Ingeborg bei Thaddaeus Ropac im Garten von Schloss ­
Harms stellt großartige Schmuckgestalter und Mirabell oder Höhepunkte der Fotokunst bei
-händler vor, die im Juli und August ebenfalls Nikolaus Ruzicska. Außerdem möchte ich Ih-
Hochsaison haben. Denn hier – Premieren sind nen den Skulpturenpark »Walk of Modern Art«
ans Herz legen, der urbane Räume von der­
Universität bis zum Salzachufer mit Kunst füllt.
Monumentale Skulpturen und kleine, feine ­
Installationen sind dabei, die alle auf ihre Weise
Geist und Gedanken anregen.
Wir von der weltkunst freuen uns, dass
wir seit mehr als 30 Jahren den Salzburger
Kunstsommer begleiten dürfen. Ob die Kunst,
wegen der Sie nach Salzburg kommen, nun ­
optischer oder akustischer Natur ist – wir­
wünschen Ihnen viel Freude dabei!

Ihre Lisa Zeitz


Chefredakteurin

instagram.com/lisazeitz
twitter.com/WeltkunstNews
facebook.com/weltkunst

3
INHALT

Bilder: RGS/Ghezzi; Englich & Wagner; Sigrid Reinichs


6 Das Tor zur Kunst
Salzburg bietet eine erstaunliche
Dichte an Spitzengalerien.
Das hat mit der Tradition zu tun,
aber auch mit dem Gespür der
Galeristen für Trends und Talente

16 Bunter Mix
Was macht die Salzburger
Galerieszene aus? Zwei
Expertinnen geben Auskunft Seite 22

18 Im Vorbeigehen 32 Kleiner, aber feiner


Die Salzburg Foundation lädt seit Die Art Salzburg erfindet sich neu
2002 renommierte Künstler zur
Auseinandersetzung mit der 35 Museen
Stadt. Das Ergebnis: ein Schatztruhen der Jahrhunderte
grandioser Skulpturenparcours
41 Galerien
22 Geist und Glanz Klassische Kunst oder aktuelle
Auch in der Juwelierskunst Malerei? Hier ist alles vertreten
entfaltet sich die Pracht der
Stadt, die mit Extravaganz 53 Kunsthandel
brilliert. Drei Meister des Edler Schmuck & Antiquitäten
funkelnden Fachs im Porträt

30 Wo ist der Sinn? 3 Editorial


Grundsätzliche Fragen stellt 57 Impressum
die diesjährige Internationale 58 Adressen
Sommerakademie 60 Stadtplan
Seite 32
4
GALERIE WELZ · SALZBURG · 16.7. - 30. 8. 2015
SIG
M U
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ER-G
ASSE16·T
:43662841771-0·w
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elz.at
GA LERIEN

Die Arbeit »Autorretrato con arbol« (2005)


von Jaume Plensa im Skulpturenpark der
Galerie Mauroner. Rechte Seite: Eingangs-
bereich der Galerie Ruzicska in einer alten
Wagenschmiede am Ufer der Salzach

6
GA LERIEN

DAS TOR
ZUR
KUNST
Bild links: Sigrid Reinichs/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Bild rechts: Ulrich Ghezzi/Galerie Nikolaus Ruzicska/VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Eine erstaunliche Dichte an Spitzengalerien verzeichnet


Salzburg. Das hat mit der Tradition der Kunstförderung in
der Stadt zu tun, aber auch mit dem Gespür der
Galeristen für die Trends und Talente der Gegenwart

VON
U L R IC H C L E W I N G

7
GA LERIEN

D
Die Gärtner des Mirabell-Gartens wissen,
dass sie einen Ruf zu verlieren haben. Des-
halb pflegen sie ihre berühmten Rosenstöcke
auch bei 30 Grad im Schatten. Die Rosen re-

Bilder links: Sigrid Reinichs; Galerie Nikolaus Ruzicska/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Bild rechts: Ulrich Ghezzi/Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, Paris/Salzburg
vanchieren sich mit fantastischen weißen,
gelben und lachsfarbenen Blüten, mit Blüten
in Feuerrot und Purpur. Etwas abseits auf der
Terrasse, von der man den Barockgarten von
Schloss Mirabell überblickt, steht, umgeben
von den schönsten Sträuchern, eine Skulptur
des italienischen Bildhauers Giacomo Man-
zù. Die »Tänzerin« des Widerstandskämpfers
und überzeugten Kommunisten ist ein Ge-
schenk, »gewidmet der Stadt Salzburg« vom
Verleger »Senator Dr. Franz Burda«. So liest
man es auf dem Sockel, auf dem Manzùs
Nackte – ein Abbild seiner jungen Frau Inge,
Primaballerina am Salzburger Landestheater
und ab den Fünfzigerjahren sein bevorzugtes
Modell – eine graziöse, aber auch verstören-
de Geste vollführt: Sie fasst in ihre Haare
und zieht sich an ihrem Schopf hoch in den
Spitzentanz, wie der Baron Münchhausen
aus dem Sumpf.
Manzùs Tänzerin ist Sinnbild einer
Stadt, die an ihrer entzückend anzuschauen-
den Geschichtlichkeit zu ersticken droht und
Rettung nur von sich selbst erwarten kann.
Ihre Attraktion, das alte Zentrum, ist ge-
prägt von schmalen Gassen, aufgelockert
durch eine Enfilade von fünf großen Plätzen
und bekrönt von der omnipräsenten Festung
Hohensalzburg, einer mächtigen Burganlage,
die im Kern aus dem 11. Jahrhundert stammt
und zu den größten in Europa gehört. Auch
die dominante Macht, die katholische Kir-
che, hat zahlreiche Spuren hinterlassen. Als
der von Santino Solari erbaute Dom 1628 ge-
weiht wurde, war er eines der ersten Gebäu-
de im Stil der neuen Zeit nördlich der Alpen.
Sein tonnengewölbter, barocker Innenraum
mit Seitenkapellen und Kuppel über der Vie-
rung dürfte für die Menschen damals ein
Schock gewesen sein, derart ungewohnt und
großartig wirkte er. Es war für die Salzburger
viele, viele Jahre lang so ziemlich die letzte
Erschütterung durch zeitgenössische Kunst.

In der aktuellen Sommerausstellung zeigt


Ruzicska unter anderem François Morellets
»Néons 3D: 15°-90°-50°«, 2015. Oben links:
Thaddaeus Ropac residiert in der Villa Kast
mit Blick auf den Mirabell-Garten

8
GA LERIEN

Bis Mitte Juli zeigte Ropac aktuelle Werke


von Baselitz zusammen mit Bildern des
Venezianers Emilio Vedova (1919–2006)
aus den Achtzigerjahren in der Villa Kast

Doch von der Landkarte verschwand Salz-


burg nie. Und nachdem der Berliner Thea-
Wenn Thaddaeus Ropac nach Ausstellungseröffnungen
termacher Max Reinhardt in den Zwanziger- zu sich nach Hause bittet, werden Erinnerungen
jahren des vorigen Jahrhunderts die
Festspiele gegründet und die ganze Stadt zur an den Glamour der Sixties und Seventies wach.
Bühne erklärt hatte, zog langsam wieder der
Glamour ein. Einmal mehr in seiner langen
Geschichte stand Salzburg für diese schwer
fassbare Form von Bedeutsamkeit, die man altrigen. Auf dem Rückweg hatte er ein paar zum Pionier der Concept-Art Lawrence ­
Ausstrahlung nennt. Künstler kamen in die Zeichnungen von Jean-Michel Basquiat im Weiner, dem asketischen Blütenstaubsamm-
Stadt und mit ihnen Künstlerfreunde und Gepäck. Verkaufen konnte er keine einzige, ler und Wachsraumerschaffer Wolfgang Laib
Mäzene wie der Senator Burda. Natürlich aber es war immerhin ein erster Schritt. Und bis zu dessen Nemesis, dem Neo-Dadaisten
greift diese Erklärung zu kurz, aber dass es der Beginn einer der glanzvollsten Karrieren Andreas Slominski.
dort inzwischen, gemessen an der Einwoh- im Galeriegeschäft der jüngeren Vergangen- Unmöglich, alle aufzuzählen, die be-
nerzahl, eine erstaunliche Dichte an Spitzen- heit. In Salzburg residiert er, an der Stelle ist sondere Erwähnung verdient hätten, aber et-
galerien gibt, hat wohl auch damit zu tun: der Begriff tatsächlich einmal angebracht, in liche davon, wie Robert Longo, Tony Cragg,
Salzburg war einfach wieder im Gespräch. der Villa Kast. Vom Balkon blickt man hi- Marc Quinn und Anselm Kiefer, gehören zu
Die größte und international erfolg- nunter in den Garten von Schloss Mirabell, den gefragtesten Künstlern der Gegenwart.
reichste der Salzburger Galerien ist die von nebenan üben die Studentinnen und Stu- Dazu kommen, mit tatkräftiger Unterstüt-
Thaddaeus Ropac. Eigentlich hatte Ropac denten des Mozarteums: frühe Meisterschaft, zung seines formidablen Salzburger Galerie-
Künstler werden wollen, als er sich als Assis- großes Hörvergnügen. In Paris unterhält er direktors Arne Ehmann, profilierte Vertreter
tent bei Joseph Beuys bewarb. Der riet ihm, eine Galerie im Marais und eine imposant der um 1970 und danach Geborenen, zum
es stattdessen lieber als Kunsthändler zu ver- dimensionierte Ausstellungshalle im Nord- Beispiel die Berliner Marc Brandenburg und
suchen, und gab ihm ein auf einer Papierser- osten, in Pantin. Mittlerweile hat Ropac, ein Michael Sailstorfer, Cory Arcangel aus New
viette verfasstes Empfehlungsschreiben an Naturtalent der Kunstbetrachtung und Gast- York oder der Krakauer Marcin Maciejowski.
Andy Warhol mit. Die Serviette verwahrt­ freundschaft, Arbeiten von rund 60 Künst- Ergänzt wird Ropacs Portfolio durch Werke
Ropac noch immer – und machte sich auf die lern im Angebot. Ein breites, mehrere Gene- von Warhol, Beuys und Robert Rauschen-
Reise nach New York. Dort traf er in der rationen umspannendes Spektrum vom berg sowie prominente Nachlässe von Ro-
Factory des verehrten Meisters einen Gleich- magischen Realisten Jules de Balincourt bert Mapplethorpe (die letzte Schau kuratier-

9
In seinen großzügigen Räumen unweit der
Salzach hat Ruzicska viel Platz für konzep-
tuelle und (neo-)minimalistische Positio-
nen wie hier 2012 mit Arbeiten von Gerold
Miller, Anselm Reyle oder Katja Strunz
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Bild vorherige Doppelseite: Ulrich Ghezzi/Galerie Nikolaus Ruzicska; Bild links: Galerie Salis/VG Bild-Kunst, Bonn 2015
GA LERIEN
Bild: Galerie Salis/VG Bild-Kunst, Bonn 2015

te 2013 die Schauspielerin Isabelle Huppert) streit zweier Freunde zu küren, das blieb Schwerpunkt der Galerie Thomas Salis
über Elaine Sturtevant bis Emilio Vedova. dem Betrachter überlassen. ist die Klassische Moderne aus Frankreich.
Seit Ropac seine Halle in Pantin aufgemacht Das Geheimnis von Ropacs Erfolg liegt Linke Seite: Picassos Tuschezeichnung
hat, ist er Teil des inneren Kreises der zehn, nicht nur im hervorragenden, ausdauernd »Sitzende Akte mit Kopf« von 1972 bei Salis
höchstens 20 Top-Galerien weltweit, mit drei trainierten Blick für künstlerische Qualität.
Dutzend Ausstellungen und sagenhaften Sondern auch in der Fähigkeit, für die Gala- Waltraud und Mario Mauroner. Die Adresse
zwölf Messeteilnahmen pro Jahr. Für ihn ­ riekünstler umfassende Dienstleistungen zu ist seither die gleiche geblieben: Salzburg,­
bedeutete das: noch mehr Verpflichtungen. übernehmen. Wenn ein deutscher Maler kein Residenzplatz 1, umgangssprachlich auch
Inspiriert von der Wirkung, die er mit seinen deutscher Maler mehr sein möchte, dann be- fürsterzbischöfliche Residenz, wo die Mauro-
Pariser Dependancen erzielt, gründete der müht man sich für ihn eben um die österrei- ners im Innenhof einen eindrucksvollen Ge-
Galerist 2010 die Salzburg Halle. Auf 4000 chische Staatsbürgerschaft, wegen herausra- wölberaum bespielen. Ausstellungen jünge-
Quadratmetern Ausstellungsfläche präsen- gender künstlerischer Verdienste um die rer österreichischer Künstlerinnen und
tiert er seither in unregelmäßigen Abständen Republik. Und wenn Thaddaeus Ropac nach Künstler wechseln sich dort ab mit Präsenta-
die richtig opulenten Werke, zur Premiere Ausstellungseröffnungen zu sich nach Hause tionen beispielsweise vom Altmeister der ita-
gab es Großskulpturen von Georg Baselitz. nach Hellbrunn bittet, werden Erinnerungen lienischen Videokunst, Fabrizio Plessi. An-
Auch in der jüngsten Schau der Galerie in der an den Flair der glamourösen Sixties und ­ sonsten werden Arbeiten der Maler Eva
Villa Kast zeigte Ropac-Direktor Ehmann Seventies wach, als die Stars des internationa- Schlegel, Herbert Brandl, Juan Uslé und des
neue Gemälde von Baselitz, diesmal zusam- len Jetsets in Abendroben und Smoking belgischen Aktionskünstlers und Choreogra-
men mit späten, wilden, gestischen Abstrak- durch die Stadt zum Festspielhaus flanierten. fen Jan Fabre angeboten, auch Skulpturen
tionen des 2006 in Venedig verstorbenen Noch elf Jahre älter als die Galerie ­ von Tony Cragg und Eduardo Chillida kann
Emilio Vedova. Den Sieger in diesem Wett- Ropac ist die 1972 gegründete Galerie von man bei Mauroner sehen. Die Klassische ­
Moderne ist mit Ikonen wie Paul Klee und
Alexander Calder vertreten. 1990 bezogen
Waltraud und Mario Mauroner ein Galerie-
Die Biografie von Thomas von Salis macht haus am Ufer der Salzach. An den eleganten,
deutlich: Man muss bereit sein, Salzburg zu kubisch organisierten Bau im seinerzeit gera-
de wieder aufkeimenden Neo-Bauhaus-Stil
verlassen, um hier Erfolg zu haben. ist ein Skulpturenpark angeschlossen, der
nach Vereinbarung besichtigt werden kann.
Auch in Wien unterhält man Räume, im ers-

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GA LERIEN

Bild links: Mario Mauroner Contemporary Art Salzburg-Vienna/VG Bild-Kunst. Bonn 2015; rechts: Sigrid Reinichs
ten Bezirk, 300 Meter Luftlinie vom Ste- groß. Deshalb kann man die einzige Galerie, Der Innenhof der fürsterzbischöflichen
phansdom entfernt, in der Weihburggasse 26. die nicht direkt im Stadtzentrum liegt, im- Residenz, seit 1972 Sitz der Galerie
Die älteste Galerie für moderne Kunst mer noch bequem zu Fuss erreichen. Niko- Mauroner, hier mit einer Arbeit des kata­
in Salzburg ist allerdings die seit gut 100 Jah- laus Ruzicska kam aus Wien nach Salzburg, lanischen Bildhauers Jaume Plensa
ren ununterbrochen am selben Ort existie- um bei Thaddaeus Ropac zu arbeiten. Nach
rende Galerie Welz im Palais Kuenburg vis- 13 Jahren als Galeriedirektor machte er sich zum Programm der Galerie wie der franzö-
à-vis der Franziskanerkirche. Seit Anfang der 2004 selbstständig und bezog bald darauf ei- sische Kinetiker François Morellet, der
1930er-Jahre hegt man hier das Werk von gene Räume in einer umgebauten alten Wa- Schweizer Vertreter der Minimal Art Olivier
Künstlern wie Lovis Corinth, Max Beck- genschmiede in der Faistauergasse. Nicht Mosset, die österreichische Lichtkünstlerin
mann, Georges Braque und Marc Chagall, schlecht, die Lage: Das Ufer der Salzach ist Brigitte Kowanz und der Berliner Neomini-
von Gustav Klimt, Alfred Kubin, den Expres- nur einen Steinwurf entfernt, und das Entree malist Gerold Miller. Dabei hat Ruzicska ein
sionisten der Dresdner Brücke und Oskar eindeutig einladend. Oder wie soll man es untrügliches Gespür dafür, wie er diese auf
Kokoschka. Arbeiten von internationalen nennen, wenn der Eingang vier Meter breit den ersten Blick manchmal etwas spröde
Künstlern der Nachkriegszeit werden auch und vier Meter hoch ist? In zwei großen, lang Kunst gut zur Geltung kommen lässt. Das
offeriert, schöne Lithografien von Sam gestreckten Sälen im Erdgeschoss und unter bewies er schon bei seiner Premiere 2005 auf
Francis etwa, dem Wiener Bildhauer Fritz dem Dach verfügt Ruzicska über ausreichen- der Art Cologne in Köln: Damals waren die
Wotruba oder dem gebürtigen Salzburger de Möglichkeiten, seinen Künstlern adäqua- Wände seines großzügigen Messestandes in
Rudolf Hradil. An die Galerie seit Langem te Auftritte zu verschaffen. Schwerpunkte ungefähr dem gleichen Farbton gestrichen
angeschlossen ist ein Verlag, in dem sorgfäl- der Galeriearbeit sind konzeptuelle, minima- wie ihn die feuerroten Rosen im Mirabell-
tig edierte Monografien und Werkverzeich- listische und neominimalistische Positionen Garten darbieten.
nisse erscheinen. Die Kataloge der Gemälde – und Fotokünstler mit Hang zur Land- Der neben Thaddaeus Ropac prominen-
und Zeichnungen Klimts oder zu Kokosch- schaftsfotografie, etwa Axel Hütte oder Olaf teste Salzburger Galerist trägt den Stoff, der
kas Druckgrafik sind die Standardliteratur Otto Becker. Maurizio Nannucci, dessen be- die Stadt im Mittelalter so unermesslich
des Kunsthandels. rühmten Satz »All art has been contempora- reich gemacht hat, sogar im Namen. Und das,
Salzburg ist eine kompakte Stadt, die ry« man praktisch eins zu eins auf Salzburg obwohl er eigentlich gar nicht aus der Ge-
Distanzen sind generell nicht besonders als solches anwenden könnte, zählt ebenso gend stammt. Thomas von Salis hat Schwei-

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GA LERIEN

zer Vorfahren und ist der erste in seiner Fa- listen – immer wieder große Namen der
milie, der den Beruf des Kunsthändlers Kunstgeschichte auf.
ergriffen hat. Was in diesem Fall doch der Er- Doch für die großen Überraschungen
wähnung wert scheint, weil die Ursprünge sorgt der Galerist mit anderen, weniger be-
der Salis aus Samedan im bezaubernden kannten Künstlern, mit dem grandiosen,
Oberengadin zurück bis zirka in die Zeit diesseits des Rheins sträflich vernachlässig-
Karls des Großen reichen. Angefangen hat ten Louis Valtat etwa, einem Vorläufer der
Thomas von Salis in Wien mit britischer Fauvisten. Mit dem völlig unterschätzten Al-
Kunst, wegen seiner Anglophilie und der bert Marquet, der zusammen mit Henri Ma-
Vorstellung, es könne einem jungen Mann tisse, André Derain und Maurice de Vla-
nicht schaden, wenn er dem inneren Kom- minck (auch im Programm der Galerie) 1905
pass folgt. Bald jedoch merkte er, dass Wien, jenen Skandal provozierte, welcher den fran-
die britische Kunst und er selber keine sehr zösischen Expressionisten den Schimpfna-
explosive Mischung ergaben. men »Die Wilden« einbrachte. Oder mit­
Zurück in Salzburg konzentrierte er Peter Dreher, dem Lehrer Anselm Kiefers,
sich daher auf die Klassische Moderne und der so frische Bilder malt, als sei er nicht in
deren vornehmste Quelle: Frankreich. Seit seinem 83. Lebensjahr, sondern 1983 geboren.
etlichen Jahren organisiert Salis nun schon Mit alldem ist die Frage, warum ausge-
Ausstellungen in seiner Galerie am Mozart- rechnet in dieser so historischen Stadt die
platz. Und jede einzelne ist erlesen in Aus- Konzentration von bedeutenden Galerien
wahl und Zusammenstellung der Werke. der Moderne derart hoch ist, noch nicht hin-
Thomas von Salis, Tefaf-Teilnehmer, Mitge- länglich beantwortet. Vielleicht liefert die An das Galeriehaus im Bauhaus-Stil von
sellschafter der Munich Highlights und Spi- Biografie von Thomas von Salis dennoch ein Waltraud und Mario Mauroner, hier mit
ritus Rector des Neustarts der Art Salzburg paar Hinweise: Man muss bereit sein, Salz- Kunst am Bau von Paolo Grassino, schließt
(siehe dazu den Artikel auf Seite 32), fährt burg zu verlassen, um hier Erfolg zu haben. sich ein Skulpturenpark an
mit Pierre Bonnard, Édouard Vuillard, Pablo Aber man sollte, egal wo man hingeht, stets
Picasso, Edgar Degas sowie dem frühen ein Stück davon mitnehmen. Denn Salzburg
Giorgio de Chirico – um lediglich einige zu hat nun einmal Kunst im Blut. ×

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»Ein bunter Mix«


Was charakterisiert die Galerienszene in Salzburg? Welche Rolle spielen die
Festspiele? Und hat es junge Kunst schwerer als alte? Ein Gespräch

Bilder: DomQuartier/Kolarik; Fotoatelier Wolkersdorfer/Wirtschaftskammer Salzburg


Zwei Frauen, die sich seit Jahren wo wir versuchen, Menschen für
für die Galerien in Salzburg stark- die Kunst zu begeistern und die
machen: Dr. Ulrike Reinert führte Kunst erleb- und spürbar zu ma-
selbst 13 Jahre lang eine eigene Ga- chen. Da scheuen wir uns auch
lerie mit dem Schwerpunkt auf nicht, mit ganz einfachen Fragen
junger zeitgenössischer Kunst aus zu beginnen – wie: Was meint der
dem deutschprachigen Raum. Künstler eigentlich damit?
Heute arbeitet sie als freie Kunst- reinert: Ja, diese Galerieführun-
vermittlerin und Art Consultant gen werden sehr gut angenom-
und ist als Berufsgruppenspreche- men. Das ist eine außergewöhnli-
rin für den Kunst- und Galerien- che Initiative, meines Wissens gibt
handel bei der Wirtschaftskammer Dr. Ulrike Reinert und Mag. Michaela Abfalter es das in keiner anderen Stadt.
Salzburg tätig. Dort ist Magistra
Michaela Abfalter als Gremialgeschäftsführe- kennt jeder jeden, der mit Kunst und Kultur Stimmt es, dass in Salzburg ein eher konser-
rin seit 2007 ihre Ansprechpartnerin, wenn es zu tun hat. Das ermöglicht kurze Wege und vativer Kunstgeschmack vorherrscht?
um die Unterstützung der Galerien geht. gute Kooperationen, wie etwa unseren ge- reinert: Salzburg ist sicherlich eine eher tra-
meinsamen jährlichen Galerienführer. ditionell orientierte Stadt, was wohl auch mit
Wie würden Sie die Galerienszene in Salz- abfalter: Die Galerien spielen eine beson- seiner reichen Geschichte zu tun hat. Das
burg charakterisieren? ders wichtige Rolle für den Wirtschaftsstand- stellt für Galerien, die neue Kunstpositionen
reinert: Wir haben hier eine vergleichswei- ort Salzburg. Wir haben hier viele Galerien, vertreten, eine gewisse Herausforderung dar.
se kleine Szene, die sich im Wesentlichen auf die sich über Jahre hinweg etabliert haben Aber ich bin der Meinung, es kann heute, wo
das Stadtzentrum konzentriert. Keine Groß- und über eine große internationale Ausstrah- für die Galerien auch die nationalen und in-
stadtsituation mit verschiedenen Galerien- lungskraft verfügen. Die Galerienszene ist ternationalen Messen immer wichtiger wer-
vierteln, sondern eine überschaubare Dimen- sehr wichtig, gerade zur Festspielzeit, wo die den, nicht mehr nur um das lokale Denken
sion. Und dennoch haben wir eine sehr Besucher tagsüber auch gerne andere Kunst- gehen. Der Radius der Wahrnehmung hat
große Bandbreite von Galerien: von der Pro- erlebnisse haben wollen und das Galerienan- sich hier stark erweitert.
duzentengalerie bis zur Blue-Chip-Galerie, gebot sehr zu schätzen wissen.
von jungen Künstlern bis zu bekannten, Wo sehen Sie noch Entwicklungspotenzial?
etablierten Namen. Was passiert, wenn die Festspiele vorüber abfalter: Potenzial sehe ich noch in einem
abfalter: Es ist dieser bunte Mix von Gale- sind? Kehrt dann gemächliche Ruhe ein? stärkeren Miteinander der Akteure. Da ver-
rien, der Salzburg auszeichnet. Eine lebendi- reinert: Natürlich ist das Galeriegeschäft suchen wir auch, Impulse zu geben, etwa mit
ge Szene, die sich weiterentwickelt. Und für von saisonalem Denken geprägt. In der Fest- den Salzburger Kunstgesprächen, die dieses
jeden ist etwas dabei – vom versierten inter- spielzeit ist richtig viel los, da konzentriert Frühjahr zum zweiten Mal stattfanden. Eine
nationalen Sammler bis zum Erstkäufer. sich das Publikum. Tatsächlich ist den Gale- Veranstaltung gedacht als Plattform für die
rien sehr daran gelegen, das gesamte Jahr Szene, als Get-together, wo man sich zwang-
Was sind die Vorteile des Standorts Salzburg? über qualitätvolle Ausstellungen zu zeigen. los austauschen kann und vielleicht gemein-
reinert: Der Standort ist sehr gut, die An- abfalter: Um die »Festspiellücke« zu füllen, sam Ideen entwickelt. Dieses Format wird
bindung nach Wien und München ist gege- veranstalten wir als Wirtschaftskammer seit gut angenommen und wir würden es gerne
ben. Wir liegen eigentlich mitten im Zen- mehreren Jahren gemeinsam mit einer Salz- inhaltlich weiterentwickeln, etwa durch die
trum von Europa. Und der Vorteil ist: Hier burger Kunsthistorikerin Galerieführungen, Einladung interessanter Gesprächspartner.

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Foto: Städel Museum

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Im Vorbeigehen
Seit 2002 lädt die Salzburg Foundation renommierte Künstler ein, sich mit der
Stadt zu beschäftigen. Das Ergebnis: ein grandioser Skulpturenparcours

VON
CHR ISTI A N E M EI X N ER

Bild: Stefan Zenzmaier/Salzburg Foundation/Anthony Cragg/VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Für die Stadtlandschaft


Drei Skulpturen von Tony Cragg, darunter die Bronze »Mixed Feeling« (o.), standen vergangenes
Jahr unterhalb der Festung Hohensalzburg. Nun setzt die Salzburg Foundation mit dem
»Kunstprojekt Krauthügel« ihren »Walk of Modern Art« fort. Mit leichten Veränderungen: Die
Werke sind nun nicht mehr nur in der Stadt, sondern auch im Grünen zu sehen – allerdings
nicht mehr auf Dauer. Diesen Sommer folgt der Chinese Zhang Huan mit der Arbeit »My Temple«.

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Felsenbild
Bilder: Wolfgang Lienbacher/Salzburg Foundation/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Manfred Siebinger/Salzburg Foundation/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Wolfgang Lienbacher/Salzburg Foundation/VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Die »Frau im Fels« gehört zu einem Paar.


Allerdings hat Stephan Balkenhol die
beiden Figuren getrennt: »Sphaera«, ein
hölzerner Mann mit Goldkugel, steht
prominent auf dem Kapitelplatz, die
»Frau im Fels« verbirgt sich im Toscanini-
hof. Er misst neun Meter, sie gerade
einmal 140 Zentimeter. So dekliniert der
Künstler die Möglichkeiten der Bild-
hauerei, setzt das Monumentale gegen
das Subtile und spielt nicht zuletzt auf
Sakrales an, wenn er die weibliche Figur
wie eine Grottenmadonna inszeniert –
wobei sie ein modernes Etuikleid trägt.

Keine Saure-Gurken-Zeit
Das vornehmste Sujet der Bildhauerei? Ist der Mensch, dessen Körper
die Antike idealisierte, während die Moderne das Individuelle betont.
Von dort ist es ein kleiner Schritt zu den »Gurken« von Erwin Wurm.
Der österreichische Künstler hat sie 2011 im Furtwänglerpark ohne
Sockel direkt auf dem Gehweg verankert. Für ihn besitzt das Gewächs
viel Menschliches, allein schon, weil keine aussieht wie die andere.
Wurm, der sich selbst auch schon als Gurke porträtierte, fordert die
Parkbesucher mit seinem typisch skurrilen Humor zur Auseinander-
setzung auf. Auch mit den klassischen Bronzen im Park, die zeigen,
wie radikal sich der Begriff der Skulptur gewandelt hat.

Gegensätze aus Stahl


Aus den virtuellen Entwürfen, die
Manfred Wakolbinger am Computer
generiert, werden große Skulpturen aus
Edelstahl. Dass sich »Connection«, sein
Beitrag für das Kunstprojekt Salzburg
von 2011, nicht organisch in das Stadt-
bild einfügt, ist vom Wiener Künstler
durchaus gewollt. So fällt das Werk am
Rudolfskai zwischen Stadtmauer und
Salzach schon von Weitem auf. Wakol-
binger begreift den Ort als »Bühne«, auf
der das Werk mit seinen sich öffnenden
Enden zwischen der manifesten Salz-
burger Architektur und ihren mobilen
Bewohnern vermittelt.

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WA L K OF MODE R N A RT

Verbinden und erinnern

Bilder: Wolfgang Lienbacher/Salzburg Foundation/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Franz Neumayr/Salzburg Foundation/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Wolfgang Lienbacher/Salzburg Foundation/VG Bild-Kunst, Bonn 2015
Wie eine Miniatur des Urbanen, ein Konzentrat aus Licht
und Bewegung, wirkt die Arbeit von Brigitte Kowanz. Die
Wiener Künstlerin, Trägerin des Großen Österreichischen
Staatspreises, hat »Beyond Recall« an vier markanten
Punkten der Salzburger Staatsbrücke installiert, um auf
die Funktion des Bauwerks hinzuweisen: als Knotenpunkt,
Verbindung zwischen Alt- und Neustadt oder beliebtes
Touristenmotiv. Im Innern der Spiegelkästen vervielfachen
sich Schriftzüge wie »Dedicated Secret« – aber auch ein
Text zum Gedenken an jene Zwangsarbeiter, die die Brü-
cke in den Vierzigerjahren errichten mussten.

Musik liegt in der Luft


Hoch oben thront der Komponist, drumhe-
rum kann jeder sitzen, der Ruhe und Besin-
nung sucht. »Spirit of Mozart« hat Marina
Abramović ihre »interaktive Installation« von
2004 genannt. Acht Plätze bietet die Arbeit,
der neunte auf seinen 15 Meter langen Beinen
bleibt leer und symbolisiert die Musik – für
die Künstlerin schon immer ein Mittel, um
Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Wer auf
einem ihrer Stühle sitzt, kehrt der Stadt den
Rücken und wendet sich zum ruhigen Fluss.
Wer unter Mozarts Stuhl steht, blickt nicht –
wie man denken könnte – auf eine Sitzfläche.
Sondern in den Himmel. »Der Geist ist
etwas Unsichtbares, aber wenn man ihm
einen Sitz errichtet, wird das Unsicht­bare
sichtbar«, glaubt Marina Abramović.

Hoffnungsträger
Am Eingang der Salzburger Universität zieht »Awilda« die Blicke
auf sich. Jaume Plensa hat die Skulptur aus weißem Marmor 2010
nach einem Mädchen aus Santo Domingo gestaltet. »Einer dieser
Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben nach
Europa gekommen sind«, sagt der spanische Künstler. »Awilda«
soll ihnen ein Gesicht geben und die alte Festungsstadt daran erin-
nern, das Traditionen ebenso wichtig sind wie die Öffnung nach
außen. Geschichte, so Plensa, entsteht aus Überlagerungen – auch
dafür steht das monumentale Porträt.

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22
S C H M UC K

Geist und Glanz


Salzburgs Pracht entfaltet sich nicht nur in den Festspielen und Kunstmuseen,
den Bauten und schneebedeckten Gipfeln, auch die Juwelierskunst brilliert
hier mit sinnlicher Extravaganz. Drei Meister des funkelnden Faches im Porträt

VON
I N G E B ORG H A R M S
Bild links: Sigrid Reinichs; Bild rechts: Juwelier Lährm

E
Es gibt viele Gründe, nach Salzburg zu reisen,
die Musik, die Landschaft, die Kirchen und
Konditoreien. Dass auch die Schmuckkultur
dazugehört, ist fast nur Liebhabern bekannt.
Dabei spiegelt sich der musische Geist der
Stadt gerade im Flair ihrer Juweliere. Das An-
gebot reicht zurück bis ins 18. Jahrhundert
und verführt zugleich durch Neuschöpfun-
gen und Überarbeitungen von sinnlicher Di-
rektheit und spielerischer Modernität.
So eigenwillig die Entwürfe sind, so
sehr sind sie doch einer Tradition verpflichtet,
die bis in die Römerzeit reicht, sich vom Ba-
rock beflügeln ließ und in den Meisterwer-
ken des Biedermeiers, Jugendstils und Art
déco frische Quellen fand. Das Selbstbe-
wusstsein des Salzburger Bürgertums ver-
dankte sich nicht zuletzt dem florierenden Opulentes Armband von Gerhard Lährm mit Motten-
Salzabbau. Und der daraus resultierende motiv, aus grünen Granaten, Brillanten und Olivinen.
Reichtum trug viel zur Entfaltung der loka- Li. Seite: Blick in die Vitrine von Lährm am Universi-
len Schmuckkunst bei. Seit den Achtziger- tätsplatz, in der Mitte eine Lederkette mit Bergkristall

23
S C H M UC K

Aus einer Conch geschnittene Brosche, mit


Rubellit, Diamanten, Saphiren und Tsavo­
riten, Englich Wagner. Oben der verstorbene ­
Firmengründer Ulf Englich, u. eine Brosche
aus Gold und brüniertem Silber mit antiken ­
Rosendiamanten, Englich Wagner. Re: Franz
Wagner mit seinen Girandole-Entwürfen

ben besitzt der gelernte Bautechniker und


passionierte Gärtner ein feines Gefühl für
Proportionen. Seine Umarbeitungen und
Entwürfe kombinieren organische mit kris-

Bilder: Englich & Wagner; Sigrid Reinichs (2)


tallinen Formen, opake mit glänzenden
jahren hat das nachlassende Interesse an Vin- Oberflächen, mischen sorglos Edelsteine mit
tageschmuck den Juwelieren zudem eine Halbedelsteinen, wenn das Farbenspiel es
große Zahl von Preziosen in die Hände ge- fordert. Der Juwelier zaubert mit dem leuch-
spielt, deren Neugestaltung interessante He- tenden Orange des Karneols, der schon die
rausforderungen mit sich brachte. Allerdings Griechen faszinierte, weiß neben Amethys-
ist das Zwiegespräch mit den Stilen der Ver- ten, Rubinen und Smaragden den Zitrin zu
gangenheit nicht nur ein heutiges Phänomen. inszenieren, den grünen Peridot, die Schat-
Man denke nur an die Ausstellung »Wieder- tierungen des Bernsteins und den Bergkris-
verwendeter Schmuck an barocken Mons- tall, bei dem er bewusst nach Einschlüssen
tranzen«, die das Salzburger Dommuseum sucht: »Er sieht wie ein Eiswürfel vor dem
gerade zeigt. Nicht zu sehen ist die Mons- Zerspringen aus.«
tranz der Müllner Kirche, in der die Leibju- Mit einem der von ihm hochgelobten
welen Salome Alts aufbewahrt sind, der Mä- Salzburger Goldschmiede hat er eine Dia-
tresse des Fürsterzbischofs Wolf Dietrich von mantschleife entwickelt, die seine Girando-
Raitenau. Nach seinem Tod im Jahr 1617 trug len hält und bei jeder Bewegung kleine Fun-
sie nur noch Schwarz und stiftete ihren ken sprüht. An die Stelle dieses »Mascherl«
Schmuck der Kirche. kann auch eine herzförmige Diamantrose
Im Schatz-Durchhaus zwischen Getrei- treten: »Wir adoptieren ein Erbstück und
degasse und Universitätsplatz, direkt neben hängen etwas ein.« Beschädigte Armbänder
dem Geburtshaus Salome Alts, trifft man auf werden zerlegt und ihre Teile neu kombi-
Ulf Englichs Vitrinen. Seit seinem Tod führt niert, Gemmen, einst Mitbringsel der Grand
sein Geschäftspartner Franz Wagner das Un- Tour, werden kontrastierend gefasst, einem
ternehmen. Gleich einem Wunderkammer- historischen Elfenbeinkopf wird aus einem
gehäuse liegt die Boutique mitten im Trubel reizvollen Opal ein Schild modelliert und
der Altstadt, der Traditionsbäckerei Schatz ein Federbusch à la Cary Grant in »Über den
gegenüber. Dirndl-Blütenkreuze, Samurai- Dächern von Nizza« aufgesteckt. Einen
schwertornamente und alte Lava-Kameen ru- Emailleanhänger aus den Fünfzigern, in dem
hen neben venezianischen Mohrenköpfen ein Altschliffdiamant Unterkunft fand, ar-
und einem Cut-Steel-Collier von 1800. Franz beitet Wagner zum Ring um und aktualisiert
Wagners Kreationen können sich in dieser ein italienisches Miniaturmosaik-Medaillon
Nachbarschaft bestens behaupten. Seine durch einen plastischen Korallenanhänger.
Montagen sind voller Witz, formal abwechs- »Man kann alle Kompositionen zerlegen, ver-
lungsreich, kontrapunktisch komponiert. kürzen, für wechselnde Gelegenheiten pas-
Neben unfehlbarem Sinn für Eleganz und send machen. Das habe ich vom alten
einer Sensibilität für die Alchemie der Far- Schmuck gelernt.« Leichtigkeit ist unerläss-

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Bild: Sigrid Reinichs

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S C H M UC K

lich: »Sie macht den Charme aus. Aber die ne Schätze beugt. Er ist der eindeutige Lieb-
dünnen Fassungen sind nur mit der Hand zu ling der Salzburger Damenwelt. Zuvorkom-
machen.« mend, weltgewandt und frei von jeder
Den alten Schmuck erörtert er hinge- Attitüde, trägt er seine maßgeschneiderten
bungsvoll, begeistert sich für den Zauber ei- Gerhard Lährms Entwürfe Loden doch wie ein Dandy und ist ein siche-
nes Diadems aus böhmischem Granat, be- rer Favorit für die Diamantanstecknadeln in
schwört das Nachkriegs-Wien herauf, in erinnern in ihrer seinem Sortiment.
dem die Damen Saisonbroschen mit Veil-
chen-, Maiglöckchen-, Haselnuss- und Berbe-
Wucht und dramatischen Am Universitätsplatz um die Ecke, in
der Hausnummer 5, liegt das von blühendem
ritzenmotiven zu ihren Dior-Kostümen tru- Pracht an geheimnis- Blauregen gerahmte Hauptgeschäft Gerhard
gen, lobt die rückseitig gehämmerte Lährms. In den Auslagen ziehen die prächti-
Ausarbeitung eines venezianischen Girando- volle Tiefseekreaturen. gen Colliers, Armbänder und Broschen den
len-Paars und schwärmt von der Schwerelo- Blick auf sich, für die der Juwelier berühmt
sigkeit des Barock. Immer wieder öffnet sich ist. Nachdem er in Südafrika und Deutsch-
die Tür und eine Stammkundin schneit he- land als Schmuckdesigner debütierte, eröff-
rein, erbittet eine Skizze für die Umarbei- nete der Goldschmiedemeister im Salzburger
tung eines Schmuckstücks, probiert ein Ohr- Elternhaus sein erstes Geschäft. 1996 und
juwel an oder plaudert nur ein wenig. 1998 gewann er den Diamonds – Internatio-
»Salzburg hat eine unglaubliche Energie«, nal Award. »Den 96er-Entwurf habe ich in
sagt Franz Wagner, der von Individualität einem Flughafen auf einer Serviette kreiert.
und Euphorie spricht, wenn er sich über sei- Die ganzen Zettel habe ich noch.«
Unter Salzburgs Juwelieren beansprucht
Gerhard Lährm die Mozart-Position: »Wenn
ich entwerfe, dann lege ich all meine Mate-
rialien und Steine zusammen. Ich beginne
wie ein Komponist. Ich habe keinen Einfluss
darauf, es ist auf einmal da. Das ist wie ein
Puzzle und wird sofort fotografiert. Wenn
Sie es erst wegräumen, bekommen Sie es

Bild: Juwelier Lährm


beim zweiten Mal nie mehr so hin. Wenn ich
eine gute Zeit habe, dann mache ich an ei-
nem Vormittag 20 verschiedene Ohrgehänge.«
Doch ganz entfalten kann sich Gerhard
Lährm erst bei Entwürfen von großer Dichte
wie dem siebensträngigen Collier aus oliven-
großen Türkisachaten mit einer imposanten,
von Amethysten und Chalcedonen gekrön-
ten Brillantarabesken-Schließe. Er liebt chro-
matische Farbstudien, durch die dann die
Blitze der Juwelen fahren. Ein raffiniertes Pla-
tincollier aus Brillanten und Aquamarinen
lugt unter einem vielsträngigen Weißgold­
collier mit eingestreuten Brillanten hervor,
dessen Franse ein großer Aquamarin zusam-
menhält. Oder man nehme das vielsträngige
Collier aus Iolithen, Saphiren und Aquama-
rinen, das eine antike Blütenschließe krönt.
Immer geht es um den Eindruck des Über-
flusses, der das Kostbare nicht minutiös aus-
stellt. Der Juwelier spricht von seinem Schaf-
fen auch als von einem »Zusammenschieben«
der Elemente. Und es braucht die jüngste
Computertechnik, um das, was seinen spie-
lerischen Versuchen vorschwebt, am Dekol-
leté zu realisieren: »Man kann phänomenale
Dinge konstruieren, die auf dem Papier un-
möglich sind.« Statt zu skizzieren, verfährt er
wie ein Bildhauer oder Couturier an der Pup-

Gerhard Lährm gehört zu den kreativen


Köpfen der Salzburger Schmuckszene.
Seine Spezialität sind opulente Colliers

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pe, in Tuchfühlung mit dem Ergebnis. Fünf
Salzburger Werkstätten realisieren seine Ent-
würfe, die angesichts der Wucht und drama-
tischen Pracht der Broschen, Armbänder
und Ringe an geheimnisvolle Tiefseekreatu-
ren erinnern. »Oder Blumen«, sagt der Juwe-
lier: »Die kann man wundervoll nachkreie-
ren. Alles, was groß ist. Die Natur ist
inspirierend, allein durch die Formen. Neh-
men Sie die Käfer her, die Vögel, Schmetter-
linge, Knospen.«
Daheim hat Gerhard Lährm sich einen
Jugendwunsch erfüllt und einen Park nach
seinen Vorstellungen entworfen. »Ich kann
dort wandeln, und so ein Garten hört nie auf
zu wachsen.« Wie bei seinen Schmuckkrea-
tionen hat er die Terrainformationen intuitiv
vor Ort geschaffen und dafür anstelle eines
Goldschmieds einen Baggerfahrer dirigiert.
Dieser Vergleich gefällt ihm: »Ja, genau. Das
Modellieren der Landschaft, da sage ich, dort
hinauf und da hinunter.« Getreu seiner Lie-
be zum Maximalen hat er erwachsene Bäu-
me gepflanzt: »Das ist die einzige Form, in
der man sich Zeit kaufen kann.«
Doch Zeit lässt sich auch mit Umarbei-
tungen gewinnen. Neben antikem Schmuck
vom Biedermeier bis zum Jugendstil und Art Brosche mit Achatgemme und Zirkonen
déco spielen sie eine Hauptrolle für Gerhard
Bilder: Juwelier Lährm (2)

von Lährm. Unten: Die Ohrklipse aus


Lährm. Eine seiner Spezialitäten sind große den 1950er-Jahren mit Brillanten und gel-
Karrees mit Juwelenpavé, die er wie Bilder- bem Saphir erhielten bei Gerhard Lährm
rahmen mit antiken Kleinoden füllt, Dia- einen modernen Rahmen aus Zirkonen
mantfächern des Empire, Arabesken, Bieder-
meier-Kleeblättern und Emailleveilchen des was mir gefallen hat. Die Trends, die ich kre-
Jugendstils. Oder er fügt sieben diamantin- iert habe, sind meine Trends.«
krustierte Herzen des späten 19. Jahrhun- Bleibt nur die Frage nach der Trägerin
derts zu einem Glücksarmband zusammen. von so viel Opulenz. »Damit kann sich nicht
Auch wenn die Exzentrizität des Salzburger jeder identifizieren«, räumt der Juwelier ein:
Maestro in der internationalen Haute Joaille- »Aber ich habe eine außergewöhnliche Klien-
rie durchaus ihr Echo findet, sieht er sich in tel. Es gibt etwa eine Kundin, die selbst gera-
keiner Nachfolge: »Ich habe immer gemacht, de 45 Kilo wiegt und meine Colliers trägt.
Diese Dame kann sich umhängen, was sie
möchte. Das wird niemals ordinär ausschau-
en. Wenn man Persönlichkeit hat, kann man
noch so zart und klein sein, dann er-
schlägt die Kette Sie nicht, dann kön-
nen Sie noch eine draufhängen.«
Über die Salzach, in der
Dreifaltigkeitsgasse 4, liegt die
Galerie von Maria und Eva
Pintar. Auf dieser Seite der Alt-
stadt geht es noch traditioneller und
weniger touristisch zu. Über dem Ge-
schäft klopft ein Gürtelmacher nach altem
Rhythmus sein Leder. Dabei sind die Pintars
wohl die am sichersten in der Moderne ver-
ankerten Juweliere der Stadt. Ihr Repertoire
konzentriert sich aufs 20. Jahrhundert: hoch-
karätiger Schmuck von ersten Adressen wie
Cartier, Tiffany und Van Cleef & Arpels,
eine museumsreife Sammlung von Art-déco-
Panzerarmbändern und dänisches Silber von

27
den ließ. Man kann sich kaum zwei harmo-
nischere Geschäftspartner denken. Sie leben
ihren Schmuck und bevorzugen in der Klei-
dung dezente Farben, die nicht von ihrem
Gold- und Brillantgeschmeide ablenken:
»Wir haben den gleichen Geschmack, wir
kaufen immer nur zusammen ein.« Mutter
und Tochter haben sich auf ein Gebiet spezia-
lisiert, das oft vernachlässigt wird: geistrei-
chen, tragbaren Tagesschmuck. Hier finden
sich so leise Kleinode wie zwei zu Girlanden
gedrehte Goldohrringe von Tiffany oder ein
Vierzigerjahre-Cartier-Kleiderklip in Zwei-
farbengold. Auch die entzückenden, mit Sa-

Bilder: Sigrid Reinichs; Pintar (2)


phiren und Brillanten besetzten Goldohrrin-
ge in grappengefasster Blütenform nebst
passendem Ring sind eine perfekte Beglei-
tung zu jedem Kostüm. Sie stammen aus den
zu wenig gewürdigten 1970er-Jahren, wie die
mit Türkisen und Brillanten versehenen Ohr-
ringe von Van Cleef & Arpels oder der Gold-
armreif von Pomellato, den Türkis- und La-
pislazuli-Brombeeren schmücken. Und um
Georg Jensen und Hingelberg. Besonders Maria Pintar und ihre Tochter Eva führen jeden Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit
schöne Kannen stammen vom Hingelberg- ihr Geschäft gemeinsam, Schwerpunkt ist Maria Pintars zu zerstören: Jedes Objekt wird
Designer Svend Weihrauch, der seine Tätig- Schmuck des 20. Jahrhunderts. O. goldene mit einem Pass versehen, der neben einem
keit beendete, als sein Arbeitgeber auf Serien- Ohrringe mit Türkisen und Brillanten, Van guten Foto die gemmologischen und histori-
anfertigung umstieg. Seine seltenen, mit Cleef & Arpels, Paris um 1970, u. Pomellato- schen Informationen in der Handschrift von
Elfenbein- oder Ebonitgriff versehenen Gar- Armreif mit Lapislazuli und Türkisen Herrn Pintar senior enthält.  ×
nituren sind schnörkellos und elegant ge-
schwungen. Und damit ist auch die Ästhetik
der Pintars auf den Punkt gebracht. Solange
ihre Kinder klein waren, hat Maria Pintar le-
diglich zum eigenen Vergnügen gesammelt
und sich, learning by doing, eine Expertise er-
worben. Auf Auktionen sei ihre Begeiste-
rung filmreif gewesen: »Ich war gewohnt, die
Leute zu überbieten. Aber wenn mein Mann
dabei war, hat er meine Hand runtergetan,
nur habe ich die andere wieder gehoben.«
Als sich Freundinnen für ihre wachsen-
de Kollektion zu interessieren begannen, er-
öffnete sie ihr eigenes Geschäft – schweren
Herzens: »Aber alles habe ich doch nicht
zum Verkauf gegeben.« Unterstützung er-
hielt sie von ihrer Tochter Eva, die in Wien
Kunstgeschichte studierte und sich danach
in Idar-Oberstein zur Gemmologin ausbil-

28
Festspielausstellung in Salzburg

Roberto Almagno
23.07.–12.09.2015

GALERIE FREY Salzburg


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tel: +43 662 840200
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mo, wed–fr: 11:00 a.m.–6:30 p.m.
sa: 10:00 a.m.–2:00 p.m.
opening-hours during festival season:
mo–fr: 11:00 a.m.–6:30 p.m.
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WIEN • SALZBURG

„Nido“ 2007, Holz, 75 x 80 x 50 cm


SOM M E R A K A DE M I E

Wo ist der Sinn?


Der diesjährige Jahrgang der Internationalen Sommerakademie
versucht grundsätzliche Fragen zu beantworten

D
ie 1953 von dem Maler Oskar
Kokoschka als »Schule des Se-
hens« ins Leben gerufene Inter-
nationale Sommer­akademie in
Salzburg ist eine der ältesten und beliebtes-
ten ihrer Art. Alljährlich versammelt die Ver-
anstaltung, von der mancher Teilnehmer
schwärmt, sie sei das »schönste Atelier« der
Welt, rund 300 Teil­nehmer aus aller Herren

Bilder: Pia Streicher/Summeracademy (2); Tomasz Kowalski/Summeracademy


Länder in ihren Kursen.
Das Motto in diesem Jahr lautet »Be-
deutung herstellen«, in Anlehnung an den
Kurstitel des kanadischen Foto- und Video-
künstlers Jayce Salloum. Dabei wird der Fra-
ge nachgegangen, welche Praxis in unserer
vom Finanzkapitalismus geprägten Gesell-
schaft, in der auch die Kunstwelt zuneh-
mend von Geld- und Kapitalströmen be-
herrscht wird, noch Sinnhaftigkeit erzeugt
und wie Bedeutung mit künstlerischen, kri-
Was früher Staffelei und Pinsel für den
tischen und kuratorischen Mitteln herge-
Künstler waren, ist heute das Notebook:
stellt werden kann. Viele Künstler und Teilnehmerinnen des vorigen Jahrgangs,
Künstlerinnen widmen sich auf sehr ver- vertieft in ihre Aufgaben. Aber auch das
schiedene Weise diesen Themen. Ihr Ansin- Handwerk (u.) ist noch gefragt. Re. ein Bild
nen ist es, ein tieferes Verständnis für die ge- von Tomasz Kowalski aus dem Jahr 2014
genwärtige Welt zu gewinnen und mit ihren
künstlerischen Reaktionen neue Lesarten zu
ermöglichen.
Von den insgesamt 21 Kursen, die vom
20. Juli bis 29. August angeboten werden, fin-
den 18 auf der Festung Hohensalzburg statt,
einer im Kiefer Steinbruch in Fürstenbrunn
sowie zwei in der Stadt Salzburg, davon einer
im öffentlichen Raum. Zu den Novitäten in
diesem Jahr gehört das Angebot des Künst-
lers Bernhard Cella, der sein Atelier als Buch-
handlung betreibt, um zusammen mit den
Kursanten eigene Publikationen von der ers- sche Aspekte verbindet und sich auf den Stra- ist Tobias Zielony, der gerade im deutschen
ten Idee bis zum fertig gedruckten Buch zu ßen und Plätzen Salzburgs entfalten wird. Pavillon in Venedig für Furore sorgt. Er wird
realisieren. Der amerikanische Comiczeich- Gespannt sein darf man auch auf die mit fotografischen Mitteln untersuchen, wel-
ner Ben Katchor verfolgt einen interessanten Kurse von Doug Ashford und Maha Maa- che kulturellen Hintergründe und Erfahrun-
Ansatz: Er nimmt Bildgeschichten zum Aus- moun. Während der Teilnehmer an der do- gen Einwanderer oder Flüchtlinge mit nach
gangspunkt für zu entwickelnde performati- cumenta 13 das »Nicht-Menschliche« zum Salzburg bringen.
ve Projekte, die Sprache oder Gesang und Bil- Thema macht, erkundet die ägyptische Vi- Auch wenn die Akademie 62 Jahre zählt,
der zur Aufführung bringen. Die deokünstlerin unter dem Titel »Sie waren ihrem Programm merkt man das keineswegs
Architektengruppe feld72 leitet einen Kurs wie Tiere« mit ihren Studierenden in ver- an – so wie es mit wachem Interesse unsere
zum Thema Kunst im öffentlichen Raum, schiedenen Medien Formen menschlicher Zeit begleitet.  JEANNETTE RICHTER
der erstmals an der Sommerakademie archi- Gesellschaften, Kulturen und politischer
tektonische, städtebauliche und künstleri- Strukturen. Ein weiterer prominenter Gast Programm unter www.summeracademy.at

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Kleiner, aber feiner


Jetzt übernehmen die Händler:
Die Art Salzburg startet einen Neubeginn

D
ie »Sala terrena« ist einer der
schönsten Räume der Stadt.
Neun Meter misst es bis zur

Bilder: Galerie Salis/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Sigrid Reinichs


prunkvoll freskierten Decke,
die Halle darunter erstreckt sich auf gut
200 Quadratmetern und ist doch selbst vielen
Salzburgern kaum präsent, da sie, als zur
Universität gehörig, nicht so ohne Weiteres
zugänglich ist.
An diesem exklusiven Ort wird es vom
8. bis zum 23. August einen Pilotversuch ge-
ben. Die alte Art Salzburg ist tot, es lebe die
neue! Nachdem die bisherige, von einem
Wiener Veranstalter ausgerichtete Sommer-
messe nie richtig überzeugen konnte und der
Hof Dietrichsruh wegen Baumaßnahmen
für den Aufbau einer Halle nicht mehr zur
Verfügung stand, ergriffen fünf Kunsthänd- Maurice de Vlaminck malte seine »Paysage Spektrum der Galerie Ruberl reicht von der
ler beherzt die Chance. Besser als keine Messe bleu« um 1910, das Bild ist bei Salis zu er- Klassischen Moderne bis hin zu den österrei-
ist eine kleine Messe, sagten sie sich und ent- werben. Unten ein Blick in die »Sala terrena« chischen Künstlern der Avantgarde nach
wickelten ein Format in konzentrierter der Universität, dem neuen Messeort 1945. Illustre Namen wie Oskar Kokoschka,
Form. Dabei schwingt auch leise Kritik am Arnulf Rainer oder Franz West zieren ihr
vormaligen Konzept mit, das mehr auf Mas- Programm. Wienerroither & Kohlbacher set-
se als auf Klasse setzte. Jede Messe ist immer zen hingegen ihren Schwerpunkt auf die
nur so gut wie ihr schwächster Teilnehmer, Kunst in Wien um 1900 mit Glanzlichtern
sagt eine alte Händlerregel. Und, Hand aufs wie Schiele, Klimt oder Kubin.
Herz, harmonieren Bauernmöbel und Blue- Einziger Vertreter aus Deutschland in
Chip-Gemälde wirklich gut miteinander? dem Quintett ist Beck & Eggeling aus Düssel-
Von solch einem »Gemischtwarenla- dorf, deren Fokus auf dem deutschen Expres-
den« ist die neue Art Salzburg weit entfernt. sionismus, der Klassischen Moderne, aber
Sie orientiert sich eher an Beispielen wie der auch Nachkriegskunst wie Zero liegt, die ge-
Highlights in München oder der Tefaf in rade eine fulminante Neubewertung erfährt.
Maastricht, auch wenn der Weg bis zu deren Vor Ort in Salzburg hält Thomas Salis als Spi-
Dimensionen und Erfolgen noch sehr weit ritus Rector die Fäden in der Hand, dessen
ist. Die fünf Teilnehmer bürgen auf jeden Galerie europäische Kunst des 20. Jahrhun-
Fall für das angestrebte Qualitätsniveau. Aus derts mit besonderer Konzentration auf die
Wien kommen gleich drei. Die Galerie französische und deutsche Moderne präsen-
Johannes Faber hat sich auf internationale tiert. Wenn der Auftakt gelingt, soll es im
klassische und moderne Fotografie von 1890 nächsten Jahr weitergehen. Dann aber mit
bis 1980 spezialisiert, vertritt aber auch be- mindestens vier- bis fünfmal so vielen Teil-
kannte zeitgenössische Fotografen. Das nehmern.  JEANNETTE RICHTER

32
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MUSEEN
Bild: HG Esch/DomQuartier

Traum des Barock: das Domquartier mit der Residenzgalerie

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Museum der Moderne / Rupertinum
Stadtgalerie Zwergelgartenpavillon

37
Bergbau- und Gotikmuseum Leogang
Stadtgalerie Säulenhalle Rathaus

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Stadtgalerie Lehen
Traklhaus

T E X T E A N TON GUGG
M U SE E N

Bilder: The Andy Warhol Museum/Installationsansicht Galerie Leo Castelli/NY, 1966/2015 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc./Licensed by ARS/Bildrecht, Wien, 2015;
Peter Grosz/Stadtgalerie Zwergelgartenpavillon/VG Bild-Kunst, Bonn 2015
WIRKLICHES LEBEN?/
CHARLOTTE SALOMON / E.A.T. PETER GROSZ
Museum der Moderne /Rupertinum Stadtgalerie Zwergelgartenpavillon

Diese Ausstellung geht unter die Haut: Die Bilder von Zur Geschichte der Moderne gehört auch die Entdeckung
Charlotte Salomon erinnern wie Anne Franks Tagebuch an von verschiedenen Erzählungen des Materials. Besonders
die finstere Seite des 20. Jahrhunderts. Aufgewühlt blickt man hellhörig für die Stimmen der Substanzen waren die Künst-
auf das künstlerische Vermächtnis der mit 26 Jahren in ­ ler nach der Weltkriegskatastrophe, als die Alltagskultur die
Auschwitz ermordeten Berliner Jüdin: Hunderte von über glatten, aseptischen Plastikkunststoffe als Merkmal der Wie-
1000 Blättern, auf denen sich die Sphären von Leben und deraufbau- und Wohlstandsphase massenhaft verwendete. Als
Kunst, von Bild, Text und Musik gegenseitig durchdringen. Antwort auf diesen Wirtschaftswunder-Minimalismus, der in
Ein Ausschnitt aus dem geretteten, hastig vor dem Tod hinge- die heutige Techniksterilität mündete, könnte man die am
worfenen malerischen Schaffen der jungen Künstlerin. Die Ruinösen orientierte Ästhetik des in Berlin und München ar-
Sommerausstellungen im Museum der Moderne/Rupertinum beitenden Malers Peter Grosz sehen. Seine Bilder sind Sinfo-
zielen auf das Herz – und auf die zentralen Nervenstränge der nien für geschulte Augen, die Scannern gleich die feinen
Nachkriegsavantgarde: E.A.T (Experiments in Art and Tech- Schichtungen, reizvollen Rauheiten und melancholischen
nology) war ein Zusammenschluss von Ingenieuren und Melodien des brüchigen Liniengespinstes abzutasten und zu
Künstlern im Amerika der Sechzigerjahre, die im gegenseiti- erfühlen verstehen. Das ist exquisite Bildkunst für visuelle
gen Austausch eine neue Kunst und eine neue Forschung Feinschmecker, gleichsam eine Partitur sensibler künstleri-
schaffen wollten. Andy Warhol oder Robert Rauschenberg ge- scher Poesie. Diese Bilder sind irgendwie nie ganz fertig, sie
hörten zu E.A.T. Ihre Fragestellung ähnelt auch dem Motto zeigen Stationen bildnerischer Fühlprozesse: Teile des Werks
der aktuellen Sammlungsausstellung des Museums: Drehen werden collagiert, wieder abgerissen, geklebt oder neu zusam-
sich die eigenen Gedanken immer um das »wirkliche Leben«? mengesetzt. Für Peter Grosz ist das Bild ein klingender Raum,
erfüllt mit frei schwingenden, zart versponnenen Signalen.
6 7
Charlotte Solomon: Leben? oder Theater?, 11. Juli bis 18. Oktober, ­
Rupertinum; E.A.T., 25. Juli bis 1. November, Mönchsberg; 4
Wirkliches Leben?, bis 4. Oktober, Mönchsberg Peter Grosz: Malerei, 6. August bis 11. September
Abb.: Andy Warhol, Silver Clouds, 1966, Polyethylen, Helium Abb.: Peter Grosz, Das Sterben der Antilope, 2012,
Museum der Moderne, Mönchsberg 32 & Wiener-Philharmoniker-Gasse 9, Acryl auf Papier, 125 x 95 cm
A-5020 Salzburg, +43 662 842220403, www.museumdermoderne.at, Stadtgalerie Zwergelgartenpavillon, Mirabellgarten, A-5020 Salzburg
Di–So 10–18 Uhr, Mi 10–20 Uhr (während der Festpielzeit auch montags) +43 (0)662 807 23443, www.stadt-salzburg.at, Di–Fr 14–18 Uhr, Sa 11–15 Uhr

36
M U SE E N
Bilder: Bergbau- und Gotikmuseum Leogang/Deutsches Bergbau-Museum Bochum/Achim und Beate Middelschulte-Sammlung; Claudia Henzler | henzlerworks.com

DER BERGBAU UND


DAS »WEISSE GOLD« CLAUDIA HENZLER
Bergbau- und Gotikmuseum Leogang Stadtgalerie Säulenhalle Rathaus

Wer an Porzellan denkt, hat gedanklich gewiss nichts mit der Längst ist es akzeptierte Einsicht: Fotos lügen – wenn auch auf
dunklen Welt des Bergbaus am Hut. Die zerbrechlichen Kost- eine aufregende Art. In der Spannung zwischen raffinierter In-
barkeiten aus den großen historischen Manufakturen schei- szenierungskunst und knallhartem Dokumentarismus bewegt
nen ganz einfach nicht zur düsteren, gefährlichen »Unter- sich die deutsche Fotografin Claudia Henzler, die seit 2007 in
welt« der industriellen Revolution zu passen. Und dennoch Salzburg lebt und arbeitet. Die Arbeiten der Heidelbergerin
– der seit dem Mittelalter sehr oft auf der Salz- und Edelmetall- finden internationale Beachtung. Sogar der Vatikan hat sie 2011
schürferei basierende Reichtum absolutistischer Herrscher in einer Ausstellung mit Größen der zeitgenössischen Kunst
spiegelte sich auch in den Themen der Porzellanmacher­ präsentiert. Henzler verschließt nicht die Augen vor den gro-
zentren, speziell in Meißen. Johann Joachim Kändler, der gro- ßen Tragödien unserer krisen- und kriegsreichen Zeit, weder
ße Modelleur der Manufaktur, erfand für Sachsens Hof und vor den traumatischen Auswirkungen des Massakers von
für den Export nicht nur höfische Galanterien oder zoologi- Srebrenica noch vor den schlimmen Folgen des Erdbebens für
sche Sensationsdarstellungen. Bergleute und Knappen bevöl- die Menschen auf Haiti. Wo man gern wegschaut, fokussiert
kern üppige Tafelaufsätze und feinstbemaltes Edelgeschirr, die Fotografin ihren durchdringenden Blick und hält die meist
wie man in Leogang mit Erstaunen feststellen kann. Wobei unerträgliche Wirklichkeit in eindrucksvollen Kompositionen
die gezeigten Exponate sämtlich aus der Sammlung Achim fest. Es ist immer ein Grenzgang zwischen Ästhetik und Schre-
und Beate Middelschulte im Bergbau-Museum Bochum stam- cken für jeden Fotografen, der sich auf dieses fordernde und
men. In Zusammenarbeit mit der Bergakademie Freiberg in heikle Terrain wagt. Für viele Kamerajäger endet es in der aus-
Sachsen wird so im salzburgischen Gotikmuseum ein weit- beuterischen Kolportage sichtbarer Schmerzen. Henzler hin-
hin unbekanntes Kapitel der Porzellankultur aufgeschlagen. gegen beherrscht das Geschäft des Bildreporters: Menschen-
Ein Muss für alle Meissen-Fans! rechtsengagement und Kunstanspruch sind versöhnt.

12 5
Der Bergbau und das »Weiße Gold« – Die Porzellane der Claudia Henzler: Menschsein – Fotografien, 24. Juli bis 31. August
Achim und Beate Middelschulte-Sammlung, 4. Juni bis 31. Oktober Abb.: Claudia Henzler, Srebrenica.
Abb.: Kanne mit bergmännischer Bemalung, Meissen, um 1740 Die alte Hava/Du salbst mein Haupt mit Öl, 2010
Bergbau- und Gotikmusem Leogang, Hütten 10, A-5711 Leogang Galerie Säulenhalle Rathaus, Kranzlmarkt 1, A-5020 Salzburg
+43 (0)6583 7105, www.museum-leogang.at, Di–So 10–17 Uhr +43 (0)662 80723443, www.stadt-salzburg.at, Mo–Do 8–17 Uhr, Fr 8–14 Uhr

37
M U SE E N

Bilder: Stadtgalerie Lehen; Galerie im Traklhaus


LÄRM / HERRMANN /
BRAUMANN/PUCZYNSKI SALZBURGHOMMAGE
Stadtgalerie Lehen Traklhaus

Der eine lebt auf dem Land nördlich von Salzburg, der ande- Themenausstellungen haben in diesem besonderen galeristi-
re am Stadtrand von Wien. Der eine ist so scheu und zurück- schen Rahmen bereits Tradition. Dieses Jahr nähern sich mu-
gezogen, dass er trotz seines Bekanntheitsgrads in den Zir- sikaffine Künstlerinnen und Künstler dem Phänomen Klang,
keln der Druckgrafikspezialisten kaum jemals ausgestellt hat. der im Ausstellungstitel zum »Lärm« erweitert wird. Multi-
Der andere setzt dagegen im öffentlichen Stadtraum seine im- talente wie Attersee oder Gerhard Rühm haben sich nie mit
posanten skulpturalen Akzente. Bernhard Braumann gehört stummen Bildern begnügt. Als aktive Musikanten und Kom-
seit Jahrzehnten zu den fast unhörbar Stillen in der Kunst- ponisten war das Tönende stets Teil ihres Schaffens. Ein Seh-
landschaft Salzburgs. Seine technisch ungemein komplexen Hör-Abenteuer besonders im Hof, wo Martin Lerch eine In-
Lithografien sind Monumente der Zurückhaltung. Auf sei- stallation aus mehreren Hundert Lautsprechern und
nen Blättern blühen eigentümlich zeitlose, schemenhafte Audiogeräten zum Vibrieren bringt. Parallel präsentiert das
Waldlandschaften, Wege führen ins Nichts und Schrottplätze Traklhaus in Nachbarschaft zum Festungsmuseum über den
entwickeln ihre eigene Poesie. Laut- und Raumlosigkeit sind Dächern Salzburgs weitgehend unbekannte Körper-Selbst­
die Themen des 76-Jährigen, auch in klassischen Stillleben inszenierungen des Ex-Staatsoperntänzers, Wiener Ex-­
auf Leinwand. Robert Puczynskis hoch aufragende oder la- Secessionspräsidenten und hierzulande Vorreiters einer ho-
gernde Holzskulpturen bieten zur eingefrorenen Romantik mosexuellen Foto-Ästhetik, Matthias Herrmann. »Toscana
Braumanns einen reizvollen Kontrast. Man spürt noch den Dance« ist eine Huldigung an Männerschönheit, Tanzklassik
lebenden Baum in den aus der kubistischen Tradition heraus- und ­Paradieslandschaft, alles appliziert auf Tapeziertische.
geführten Naturabbildungen. Puczynskis Archaik ist jedoch Zuvor entbieten 100 Künstler mit Lokalbezügen Stadt und
eine mit Hintertürchen, denn der Künstler arbeitet auch gern Land Salzburg ihre bildnerischen Hommagen. Eine breite ­
mit Materialien wie Verpackungskartonagen. Salzburg-Parade.

3 11
Bernhard Braumann/Robert Puczynski: Malerei/Grafik/Skulptur, Lärm, 31. Juli bis 5. September; Matthias Herrmann: Toscana Dance,
7. August bis 12. September 21. Juli bis 30. November; 100, 27. Juni bis 25. Juli
Abb.: Robert Puczynski, Snake, Holz, 2011 Abb.: Jonas Geise, Tunnel, 2013, Öl auf Leinen, 50 x 40 cm
Stadtgalerie Lehen, Inge-Morath-Platz 31, A-5020 Salzburg Galerie im Traklhaus, Waagplatz 1a, A-5020 Salzburg
+43 (0) 662 80723450, www.stadt-salzburg.at, +43 (0)662 80422149, traklhaus@salzburg.gv.at, www.traklhaus.at,
Di–Fr 10–18 Uhr, Sa 11–15 Uhr Di–Fr 14–18 Uhr, Sa 10–13 Uhr

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Peter Grosz ist gehört zu den Poeten einer abstrakten Malauffassung. Seine Bilder gleichen sen-
siblen Partituren, komponiert aus Farbspuren und grafischen Elementen.

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24. Juli bis 31. August 2015
Mo−Do. 8.00 bis 17.00 Uhr, Fr. 8.00 bis 14.00 Uhr
Tel. 0662/8072/3443 ∙ www.stadt-salzburg.at
Claudia Henzler ist eine engagierte Beobachterin auf ehemaligen Kriegsschauplätzen. Srebrenica ist ein
Hauptthema der Gratwanderung zwischen Ästhetik und Dokumentation.

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Tel. 0662/8072/3450 ∙ www.stadt-salzburg.at
Bernhard Braumann gehört den „Stillen im Lande“, zurückgezogen entwickelt er seine diffizilen
Welt-Reduktionen. Robert Puczynski antwortet mit imposanten Skulpturen aus Holz und Karton.

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GALERIEN
Bild: Sigrid Reinichs/Courtesy: Mario Mauroner Contemporary Art Salzburg-Vienna

Kunst an jedem Ort: Paolo Grassino, »Cardiaco« (2011), Mario Mauroner Contemporary Art

42 47
Galerie Ruzicska Leica Galerie
Galerie Welz Galerie 2C for Art

43 48
Galerie Thaddaeus Ropac Salzburg – Art Atelier-Gallery
Galerie Seywald Galerie Greyer

44 49
Galerie Frey Galerie Toplev
Thomas Salis Art & Design Galerie Gerlich

45 50
MAM Mario Mauroner Galerie Matombo
Contemporary Art Art Gallery 91

46 51
Galerie Trapp Galerie Sandhofer
Galerie M. Ferner Fotohof

T E X T E A N TON GUGG
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Bilder: Galerie Nikolaus Ruzicska & Galerie Francesca Pia; Galerie Welz/VG Bild-Kunst, Bonn 2015
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Galerie Ruzicska Galerie Welz

Der Titel – ein sinnlicher Evergreen. Der Inhalt – eine Unter- Dunkle Seiten der Moderne ? Schatten über den Paradiesen be-
suchung von Sinn und Sinnlichkeit. Sieben Stammkünstler freiter Farben und Formen? Marc Chagall firmiert in der Er-
und fünf Gastkünstler setzen sich in der Faistauergasse mit den wartungshaltung des großen Publikums als Lichtgestalt des
Kernthemen der avancierten Moderne auseinander – mit­ 20. Jahrhunderts. Eine anmutige Kunst der Bezauberung durch
Abstraktion, Geometrie, Monochromatik, Konzept, Realisie- das Erotische im antiken Sinn. Eros ist das Bewegende in der
rung, materieller Konsistenz, Licht, Oberfläche und Tiefe. Die Welt und in diesem Sinn ist Chagall sogar hocherotisch – ein
Vaterfigur dieser stark konzeptiven zeitgenössischen Ausrich- erzählerisch überbordender Visionär lodernder Bild-Poesie.
tung ist fast 90. François Morellet hat zu dieser Ausstellung Die Bibel, die Frau, Blüten und Blumen, der Zirkus, der unter-
zwei neue Arbeiten beigesteuert. Die nächste Generation ver- gegangene Kontinent östlichen Judentums – das waren Cha-
treten Olivier Mosset und Imi Knoebel – ebenfalls Ikonen ei- galls Quellen eines scheinbar krisenlosen Dauerschaffens zum
ner minimalistischen und konstruktivistischen Werkauffas- permanenten Betrachterglück. Ausgeschüttet hat Chagall sein
sung, die das Klischee vom maskulinen Intellekt zu bestätigen Füllhorn des Fantastischen in den damals aufstrebenden Me-
scheint. Ruth Root und Katja Strunz durchlöchern diese be- dien der Druckgrafik. Radierungen und Lithografien aus der
liebte Vorstellung. Bei den jungen Schweizer Gastkünstlern Hand Chagalls und seiner Druckmeister gehörten stets zu den
Francis Baudevin, Stéphane Dafflon und Philippe Decrauzat begehrten und hochgehandelten Zeugen einer als unproble-
verwischen die Grenzen Kunst/Design. Der New Yorker Künst- matisch empfundenen Moderne. Chagall der Märchenerzähler.
ler Peter Halley wird zwei Novitäten aus den Serien »Cells« Im Oberstock sind wie immer die jeweils ergänzenden Seiten
und »Prisons« zeigen. Erstmals zu sehen: Henrik Eibens skulp- der Klassischen Moderne präsent. Besonders die Schroffheiten
turale Wandobjekte. des deutschen Expressionismus.

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18 Marc Chagall, 17. Juli bis 30. August
The Shadow of Your Smile, 18. Juli bis 29. August Abb.: Marc Chagall, Die roten Blumen, 1973, Farblithografie,
Abb.: Philippe Decrauzat, Sl, 2014, Acryl auf Leinwand, 100 x 100 cm 75,8 x 55,7 cm, signiert, Exemplar: 45/50, Mourlot Nr. 705
Galerie Nikolaus Ruzicska, Faistauergasse 12, A-5020 Salzburg Galerie Welz, Sigmund-Haffner-Gasse 16, A-5020 Salzburg
+43 (0)662 630 360, salzburg@ruzicska.com, www.ruzicska.com +43 (0)662 841771, office@galerie-welz.at, www.galerie-welz.at

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Bilder: Antony Gormley/Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, Paris/Salzburg; Galerie Seywald
GA LER IEN

YAN PEI-MING /
ANTONY GORMLEY EZEQUIEL
Galerie Thaddaeus Ropac Galerie Seywald

Obama, Prince Charles, Mick Jagger, Mao: Die großformati- Spaniens Menschenbilder sind selten angenehm. Das Misstrau-
gen, virtuos gemalten Porträts der Stars der Politik- und Pop- en gegenüber gesellschaftlich normierten Gesichtsfassaden
Szene haben den aus Schanghai stammenden Maler Yan Pei- und Lebensrollen wird seit Velázquez intensiv gepflegt, bis zu
Ming berühmt gemacht. Wild ausgespielter Realismus, den heutigen cineastischen Überspitzungen eines Almodóvar.
frappierende Lichtwirkungen, zurückgenommene Farbigkeit Goya und Buñuel fallen einem noch ein, wenn es um finstere
und virtuoses Mal-Feuerwerk brennen auch in den Gemälden Analysen an der Grenze zum Teuflischen geht. In diese Phalanx
unter dem Generaltitel »Aggressive Beauty« – wie ein State- der Entlarver reiht sich der 1940 in Cádiz geborene, seit den
ment gegen alle immer wieder auftauchenden Zweifel an der späten Fünfzigern in Madrid lebende Ezequiel ein, ein Maler
klassischen Malerei. Ebenfalls in der Villa Kast gastiert der der seltsamen Einzelerscheinungen und bedrückenden Zusam-
Düsseldorfer Fotograf Elger Esser – diesmal mit »Irides«, also menkünfte – alles eingebettet in düstere Farbbrechungen. Sym-
Iris-Darstellungen, Sonnenuntergängen und Blicken in den pathisch sind Ezequiels Gruppierungen in nächtlicher Atmo-
Harmas, den wüsten Garten des legendären Insektenfor- sphäre nicht. Aber sie sind ein kräftiges Lebenszeichen
schers Jean-Henri Fabre, dessen Name in der Kunst- und traditioneller Malkultur und starker künstlerischer Zielvorstel-
Theaterwelt weiterlebt. Schon lange mit dem britischen Bild- lungen in einer oberflächlichen Welt digital geglätteter Bilder.
hauer Antony Gormley verbunden, zeigt die Galerie in ihrer Ezequiel Lopez Garcia mutet mit seiner realistischen Schwer-
Halle unter dem Titel »Space out« überlebensgroße Skulptu- mut wie ein Künstler einer lange vergangenen Epoche an, aber
ren aus Cortenstahl, die die Beziehung zwischen Körper und gerade diese Außenseiter-Position macht ihn aufregend und
Raum erforschen. interessant.

17 21
Yan Pei-Ming: Aggressive Beauty, 25. Juli bis 28. August; Ezequiel: Ein Augenzwinkern und eine Umarmung – eine Retrospektive,
Antony Gormley: Space out, 30. Juli bis 31. Oktober 1. Juli bis 26. September
Abb.: Antony Gormley, Expansion Field – Group 11, 2014, Abb.: Ezequiel Lopez Garcia, Man kann sagen, wir sind verbunden, 2009,
4 mm Cortenstahl Öl auf Leinwand, 50 x 62 cm
Galerie Thaddaeus Ropac, Mirabellplatz 2, A-5020 Salzburg Galerie Seywald, Rainbergstraße 3c, A-5020 Salzburg
+43 (0)662 8813930, thaddaeus.ropac@ropac.at, www.ropac.net +43 (0)662 840426, office@galerie-seywald.at, www.galerie-seywald.at

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Bilder: Galerie Frey; Thomas Salis Art & Design/VG Bild-Kunst, Bonn 2015
ROBERTO ALMAGNO GOTTHARD GRAUBNER
Galerie Frey Thomas Salis Art & Design

Holz und Skulptur? Man denkt sofort ans Mittelalter bei dieser Alte Türen schließen sich, neue Tore öffnen sich: Nach 20 Jah-
»altmodischen« Kombination – aber weit gefehlt. Der 1954 in ren Firmenpartnerschaft geht Thomas von Salis neue Wege,
der Nähe von Rom geborene Plastiker Roberto Almagno de- ohne vertrautes Terrain zu verlassen. Die Klassische Moderne
monstriert seit vielen Jahren, was aus diesem als bieder, gesund vor allem Frankreichs und Deutschlands bleibt die Kernkom-
und nachhaltig geltenden Material entsteht, wenn innovative petenz des von Salzburg aus agierenden Spitzengaleristen, was
Technik und hochästhetische Formambitionen auf den dump- jährlich auf den nobelsten Messeplätzen überprüft werden
fen Waldstoff treffen. Im Fall des genialischen Römers entsteht kann. Neue Seiten schlägt Salis mit Design, Fotografie und in
federleicht an Wänden entlangschwebende, Räume durchzie- Österreich bisher weniger wahrgenommenen Kunstgeschichts-
hende visuelle Poesie – jenseits aller hölzerner Starre und Ge- kapiteln auf. Ein Beispiel ist in diesem Jahr der Blick auf radika-
mütshaftigkeit. In Österreich weiß man seit mehr als 100 Jah- le Positionen deutscher Nachkriegsabstraktion, für die der vor
ren, wie hitzebehandeltes Holz sich in elegante, legendäre zwei Jahren verstorbene Düsseldorfer Reduktionsmeister Gott-
Massennutzmöbel verwandelt. Die Firma Thonet wurde be- hard Graubner prominent steht. In den erweiterten Räumen
rühmt dafür. Aber deren ehrwürdige Gründer würden vor am Salzburger Mozartplatz wird die Galerie ab 1. August auf
Neid erblassen angesichts der Ent-Schwerungen eines Roberto Papier ausgegossene Experimente des ehemaligen DDR-Malers
Almagno. Wenn er Hand anlegt mit Feuer und Wasser, ver- vorstellen – Ausstrahlungen des Künstlerwillens nach absoluter
schwindet jegliche Erinnerung an Bastelei, Brennwert, Nütz- Farbentfesselung. Der für seine objekthaften »Kissenbilder«
lichkeit und Naturnähe. Holz wird zur freien, grafischen ­ und andere Farbraumgebilde berühmt gewordene Graubner
Materie, gleichsam zu sichtbarer Rhythmik und Musik. hat das Eigenleben des koloristischen Körpers eben auch auf­
Anmutiger kann Skulptur nicht sein. Papier zum Blühen gebracht. Eine echte Salzburg-Novität.

7 19
Roberto Almagno, 23. Juli bis 12. September Gotthard Graubner, 1. August bis 12. September
Abb.: Roberto Almagno, Frontiera, 2011, Holz, 110 x 65 x 25 cm Abb.: Gotthard Graubner, Blaue Zone, 1960, 21,5 x 15,4 cm
Galerie Frey Salzburg, Erhard-Platz 3, A-5020 Salzburg Thomas Salis Art & Design, Mozartplatz 4, A-5020 Salzburg
+43 (0)662 840200, art@galerie-frey.com, www.galerie-frey.com +43 (0)662 844523, mail@thomassalis.com, www.thomassalis.com

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Bilder: Courtesy Mario Mauroner Contemporary Art Salzburg - Vienna/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Courtesy Mario Mauroner Contemporary Art Salzburg-Vienna

PARCOURS D’ART (I) PARCOURS D’ART (II)


MAM Mario Mauroner Contemporary Art MAM Mario Mauroner Contemporary Art

Gleich zwei Schauplätze – nämlich ihre stimmungsvollen, in- Eine in Anspruch und Umfang außergewöhnliche Schau mit
timen Gewölberäume in der bischöflichen Residenz und die Skulpturen, Objekten und Bildern an gleich zwei Orten, die
cool-sachlichen Kubaturen ihres solitären Bauhauses an der auch in großen Metropolen Aufsehen erregen würde, präsen-
Salzach mit einem Skulpturengarten – bespielt Mario Mauro- tiert in diesem Sommer Mario Mauroner Contemporary. Die
ner mit einer Ausstellung von 22 im Programm der Galerie seit inhaltliche Klammer bildet eine Referenz an die »Serenissima«
langem beheimateten Künstlern. Das Wechselspiel von inti- – an Venedig, die »Mutter aller Biennalen«. Jeder der 22 Künst-
men Patios und freien Flächen eröffnet dem Besucher neue Er- ler hat in seinem Schaffen die Auszeichnung erfahren auf der
fahrungen des Zusammenspiels von Architektur, Kunst und wichtigsten Kunstausstellung der Welt in einem Länderpavil-
Natur. Besonders aufregend inszeniert sich hier auch das Span- lon oder einer Ausstellung vertreten gewesen zu sein: Herbert
nungsfeld der Materialien – etwa von Kerto, einem auch im Brandl (Österreich, 2007), Yane Calovski (Mazedonien, 2015),
Yachtbau genutzten artifiziellen Material aus Holz, das der Carmen Calvo (Spanien, 1997), Tony Cragg (Großbritannien,
Bildhauer Tony Cragg seit 2001 verwendet (so auch beim aus- 1988), Jan Fabre (Belgien, 1984), Paolo Grassino (2009), Joan Her-
gestellten musealen Format »Wooden Crystal«), bis zum ton- nández Pijuan (Italien, 2005), Tadashi Kawamata (Japan, 1982),
nenschweren, klassischen Marmor aus Carrara, den der belgi- Tatsuo Miyajima (1988/Japan 1999), Isamu Noguchi (USA, 1986),
sche Universalkünstler Jan Fabre für seine vorgestellte Skulptur Dennis Oppenheim (1997), Javier Pérez (Spanien, 2001), Walter
bearbeitete. Sein »Atlas on the roof of the world« erstrahlt in Pichler (Österreich, 1982), Jaume Plensa (»Together«, San Gior-
jungfräulichem Weiß im eigens konstruierten, spektakulären gio, 2015), Fabrizio Plessi (Italien, 1986) Karl Prantl (Österreich,
Kristallkubus. Mit »Parcours d’Art« liefert Mario Mauroner 1986), Antoni Tàpies (Spanien, 1993), Barthélémy Toguo (2015),
Contemporary einen Beleg für die nun bereits 44 Jahre wäh- Joana Vasconcelos (Portugal, 2013), Juan Uslé (Italien, 2005),­
rende, von kontinuierlicher Qualität geprägte Arbeit, der es zu- Bernar Venet (1978) und Vadim Zakharov (Russland, 2013).
gleich gelingt, immer wieder faszinierend Neues aufzuspüren.

2 2
Parcours d’Art, 18. Juli bis 30. August Parcours d’Art, 18. Juli bis 30. August
Abb.: Tony Cragg, Wooden Crystal, 2001, Kerto und Chinalack, Abb.: Fabrizio Plessi, Traum (Il sogno), 2004, Marmor-Monolith, ­
220 cm hoch, 90 cm Durchmesser Videoinstallation, Cortenstahl, 200 x 100 x 12 cm
Mario Mauroner Contemporary Art, Residenzplatz 1, A-5020 Salzburg Mario Mauroner Contemporary Art, Residenzplatz 1, A-5020 Salzburg
+43 (0)662 845185, office@galerie-mam.com, www.galerie-mam.com +43 (0)662 845185, office@galerie-mam.com, www.galerie-mam.com

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Bilder: Galerie Trapp; Galerie M. Ferner


NIEDERTSCHEIDER /MOSBACHER WELTENATLAS
Galerie Trapp Galerie M. Ferner

Moderne, gar zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler be- In Salzburg gehört ein Aspekt seines Schaffens mittlerweile
freiten die Kunst vom fragwürdig gewordenen Faktor des Kön- zum Stadtbild, einige Garnituren der Verkehrsbetriebe wer-
nens – so das gängigste Argument der skeptischen Front. Man den durch humoristische Vogelwesen aus seiner überaus spit-
sollte diese Fraktion einmal für diesen Sommer in die erwei- zen und zarten Feder belebt. Michael Ferner ist ein Sohn der
terten Räume der Galerie Trapp schicken und mit den Arbei- Stadt, der Kabarettist, Zeichner und Illustrator mit dem Ge-
ten von Peter Niedertscheider konfrontieren. Es bleibt einem spür für grazilen grafischen Witz auf Alltagsgegenständen hat
der Mund offen stehen angesichts der virtuosen Flachreliefs, seine eigene Galerie bezogen – ein kühler moderner Kubus,
die sogar einen Donatello begeistert hätten. Dessen Florentiner geschmackvoll kontrastierend zu den hübschen historischen
Heiligenlegenden haben den jungen Osttiroler offenbar zu sei- Fassaden der Bergstraße inmitten der rechten Altstadt. Ferner
nen Meisterarbeiten inspiriert. Niedertscheider hat sich schon ist ein Meister des feinen Strichs auf zartem Japanpapier, er
immer mit musealen Positionen auseinandergesetzt, auch in führt die Tradition der geistreichen, dekorativen Bildmittei-
hochreflexiven Videos. Die »Marmorträume« scheinen alle Re- lung, des ironischen österreichischen Weltenkommentars
naissancekünste überholen zu wollen – mit raffinierten Licht- weiter, die bei Kubin begonnen hat und deren gewichtiger
Schatten-Spielen und Masseninszenierungen in fantastisch Brückenpfeiler Paul Flora war. Weltenatlas nennt sich das gro-
imaginierten Bildräumen. Kunstgeschichte und Natur sind ße Opus, das vom Künstler jetzt aufgeblättert wird. Der Bo-
auch für den Steirer Alois Mosbacher stete Herausforderungen. gen reicht von West nach Ost, von bösen Mädchen zu frechen
Aus den Fünfzigern gewachsen und somit eine Generation ­ Raben, von stillen Wassern zu ungeahnten Tiefen – das alles
jünger als der Bildhauer, frappiert Mosbacher bis heute mit iro- erzählt als zart gesponnenes Liniennetz voller Anmut, belebt
nischer Figuration, Meisterschaft und Bildwitz. von kräftigen Farbeinwürfen.

23
Peter Niedertscheider/Alois Mosbacher, 16. Juli bis 29. August Sommerausstellung
Abb.: Alois Mosbacher, Frühe Lust, Öl auf Leinwand Abb.: M. Ferner, Tatjanuschka, 2015, Mischtechnik
und Mischtechnik auf Papier auf Arches 375 g, 150 x 50 cm
Galerie Trapp, Griesgasse 6/1. Stock, A-5020 Salzburg Galerie M. Ferner, Bergstraße 11a, A-5020 Salzburg
+43 (0)662 844362, galerie@trapp.cc, www.trapp.cc +43 (0)664 3500899, galerie@michael-ferner.at, www.michael-ferner.at

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Bilder: Jim Rakete/Leica Galerie Salzburg; Gallery 2CforART

BADULESCU /SACHS/RAKETE CHRISTO/SEO/SCHLEIME


Leica Galerie Galerie 2C for Art

Schloss Arenberg, etwas abseits vom historischen Herz Salz- Sichtbarmachen durch Verstecken, Zeigen durch Verhüllen.
burgs gelegen, entwickelt sich immer mehr zur exklusiven ­ Das ist die Devise des Bulgaren Christo, der seit dem Tod sei-
Nische außergewöhnlicher Leica-Fotokunst. Seit 2008 serviert ner künstlerischen Mitkämpferin Jeanne-Claude 2009 nun al-
die Leica Galerie und Boutique einschlägige Gustostückerl aus lein seine aufwendigen Projekte umsetzt. Die beiden waren
der Küche hoher klassischer Kameraschule. Diesen Sommer über viele Jahrzehnte die vielleicht perfekteste Schaffensge-
glänzt von Juli bis September in leichter Zeitversetzung das in- meinschaft der zeitgenössischen Kunstszene. Lang ist die Liste
ternational klangvolle Trio Enrique Badulescu, Rolf Sachs und ihrer grandiosen Kreativeingriffe in Landschaften und Städte
Jim Rakete. Der Reihe nach: Der gebürtige Mexikaner mit auf der ganzen Welt, erinnert sei nur an die Berliner Reichs-
Münchner Ausbildungshintergrund ist Spezialist für die exqui- tagsverhüllung 1995. Für die temporär begrenzte Kunst der­
sitesten Modelschönheiten des Planeten, ein knisterndes Ter- Aktion lebte dieses visionäre Duo – davon zeugen noch heute
rain, das auch dem Sohn von Gunter Sachs, seinerzeit auch an- die vielen Nebenprodukte (Drucke, Skizzen, Fotos etc.), die ihr
erkannter Fotokünstler, nicht unbekannt ist. »Camera in radikales Schaffen begleiteten. Die koreanisch-deutsche Base-
Motion« schlägt ein ganz neues Kapitel avancierter Farbfoto- litz-Schülerin SEO ist für ihre außergewöhnlichen Reispapier-
grafie auf – mit dem beschleunigten Kamerablick als Sensati- Collagen und Raum/Klanginstallationen bekannt. Dritte im
onshauptdarsteller. Jim Rakete ist ein legendärer Tausendsassa Ausstellungsbunde ist die aus der DDR stammende Cornelia
in der deutschen Pop- und Fotoszene. Er managte unbekannte Schleime, eine die Macht der M ­ aterialsprache beschwörende
Talente zu großem Starruhm und besitzt die Fähigkeit, Men- Hyper-Gestalterin. Man gratuliert zum 60. Geburtstag.
schen vor der Linse zu dramatisieren. Seine 77 Porträts von
Burgtheatermimen ­haben bereits Kultstatus.

13 1
Jim Rakete, bis 19. September (Schloss Arenberg); Christo, 17. Juli bis 13 August; SEO/Cornelia Schleime,
Enrique Badulescu, 3. Juli bis 8. August (Gaisbergstraße 12); 14. August bis 26. September
Rolf Sachs, 14. August bis 17. Oktober (Gaisbergstraße 12) Abb.: Christo, Wrapped Snoopy House, 2004, Collage/Grafik,
Abb.: Jim Rakete, Sarah Viktoria Frick, 2014, Pigmentdruck auf Baryt 61 x 55 cm, Auflage 250
Leica Galerie, Gaisbergstraße 12, A-5020 Salzburg, +43 (0)662 875254, Galerie 2C for Art, Rainerstraße 4, A-5020 Salzburg
salzburg@leica-galerie.com, www.leica-galerie-salzburg.at +43 (0)662  243491, gallery@2cforart.at, www.2cforart.at

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Bilder: Salzburg ART Atelier-Gallery; Galerie Greyer


SASHA SURIKOV/
MARINA HUBER LANDSCHAFTSLUST
Salzburg – Art Atelier-Gallery Galerie Greyer

Gediegene Malkultur kommt nie aus der Mode und wird im- Eine Gegend mit dauerhaften magischen Qualitäten. Gute 200
mer ihre Liebhaber finden. Ein russischer Name ist in diesem Jahre hält diese sehr spezielle Anziehungskraft des salzburgi-
Zusammenhang sicher nicht von Nachteil, hat sich doch in die- schen Gasteinertals nun schon an – mit besonders starken Wir-
sen Breiten die Wertschätzung für historische Techniken und kungen auf Maler und Musiker der Romantik und die Society
Sujets besonders erhalten. Sasha Surikov ist der Urgroßneffe des überreifen Habsburgerreiches. Ragende Berge und stürzen-
von Vasily Surikov, der als der bedeutendste Meister großfor- de Wasser – diese hochdramatische Mischung stachelte die
matiger historischer Szenen gilt und nach dem die Moskauer Landschaftslust der Künstler ebenso an wie Entspannungs-
Kunstakademie benannt ist. Sein jüngerer Familiensproß lebte und Abenteuerlaune allerhöchster Herrschaften im Dunstkreis
und arbeitete längere Zeit in Paris – man erkennt es an seiner von Monarchen und Kunst-Berühmtheiten. Den Blick auf den
impressionistischen Prägung. Trifft diese das Licht feiernde, heute energiepolitisch stark gezähmten Wasserfall und die bis
farbig schimmernde Malereitradition auf Salzburger Motive, heute wilden Gebirge hat kein anderer so suggestiv festgehal-
kann das nur einnehmende Bildfrüchte hervorbringen. Unter ten wie Emil Löhr, aber auch andere Persönlichkeiten, die zum
den zahllosen Salzburg-Vedutisten sticht Surikov mit besonde- Repertoire der alteingesessenen Galerie Greyer gehören. Sehr
ren Stimmungen heraus. Präsentiert werden großformatige Öl- bekannte Namen bis herauf in die Gegenwart sind darunter
bilder mit Stadtmotiven und expressive Landschaften im XL- und solche, die nur noch Spezialisten geläufig sind. Aber es ist
Format. Begleitet wird dieser Schwerpunkt von den Arbeiten ja nicht immer so, dass die besten Bilder immer von den popu-
der akademischen Malerin Marina Huber. Man erkennt die lären Künstlern kommen müssen. Gefeiert haben alle Gastei-
technische Virtuosin in geschmackvollen Aquarell- und Öl-­ ner Schönheiten. Ein Chor der Begeisterten.
Kabinettstücken. Kleine Kostbarkeiten in edlen Rahmen.

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Sommerausstellung, 1. Juli bis 30. September
Dauerausstellung Abb.: Emil Löhr, Blick auf Gastein, 1809–1876, Öl auf Leinwand, 38,5 x 53 cm
Abb.: Alexander Surikov, Salzburg. Am Abend, 2014, Öl auf Leinwand Galerie Greyer, Bismarckstraße 14/Kirchplatz, A-5640 Bad Gastein
Salzburg – Art Atelier-Gallery, Kaigasse 18, A-5020 Salzburg +43 (0)664 3211714, info@galerie-greyer.com
+43 (0)650 6114638, salzburg.art@gmail.com, www.salzburg-art.jimdo.com www.galerie-ferienwohnungen-greyer.at/de/galerie/

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Bilder: Galerie Toplev; Galerie Gerlich/VG Bild-Kunst, Bonn 2015

DSCHUNGEL DES LEBENS EVI FERSTERER


Galerie Toplev Galerie Gerlich

Wohin segelt das Schiff, wenn der Steuermann das Schiff ver- Starke Künstlerpersönlichkeiten bringen ohne Rücksicht auf
lassen musste? In dieser existenziell herausfordernden Situati- Nachbarschaften den Wirkungsraum mit, den sie brauchen.
on befindet sich die Malerin Monika Toplev mit ihrer Galerie Sie sind nicht darauf angewiesen, dass ihnen jemand höflich
in der Kaigasse. Ihr Mann Nikola Toplev, ebenfalls Maler und Platz macht und für sie um Aufmerksamkeit bittet. Zu diesen
Geschäftsleiter, verstarb im Herbst 2013. Der Härte dieser Fak- »Kraftzentren« gehört zweifelsfrei die Saalbacher Malerin und
ten begegnet die nunmehrige Alleinkämpferin mit mobilisier- Bildhauerin Evi Fersterer, eine markante Außenseiterin im
ter Kreativität. Das Ziel: Selber professionell malen und einen Salzburger Kunstbetrieb. Die resolute Herrscherin in ihrer
eigenen Stil entwickeln, der den Rahmen der Klassischen Mo- ganz eigenen, realistisch-surrealen Bilder- und Skulpturenwelt
derne bewahrt und den Geschmacksvorgaben der Galerietra- hat mit beachtlichem Echo in New York und besonders in
dition entspricht. Dieser Spagat gelingt Monika Toplev über- St. Petersburg ausgestellt. Fersterer hat sich ihr handwerkliches
zeugend. Die neuen Bilder knüpfen an die spezifische Rüstzeug bei diversen Kursen geholt, künstlerisch entzündet
Malkultur ihres Lebensmenschen an, ertasten und erobern hat sie aber die sprichwörtliche russische Seele, speziell die von
sich das Grundthema »Natur« mit eigener malerischer Stimme. ihr illustrierte Welt des Dichters Wladimir Solowjow. Signifi-
»Dschungel des Lebens« erzählt von Undurchdringlichkeit und kantes Markenzeichen der Künstlerin sind typisierte Men-
Überraschung, von Chaos und hellen, schönen Momenten. Iri- schengestalten mit klotzartigen Köpfen, ein Echo der fantasti-
sierende Farbflächen, durchscheinende Strukturen, wilde Bal- schen Moderne und gewisser Erscheinungen der Pop-Art. Für
lungen und lyrische Inseln – alles sind Elemente eines beein- ein Kind der Salzburger Bergwelt war und ist natürlich – lange
druckenden künstlerischen Selbstfindungsprozesses, der vor der Gebirgsmodemalerei – die heroische Gipfellandschaft
neugierig macht. der Heimat ein permanentes Thema.

22 9
Dschungel des Lebens, 25. Juli bis 5. September Evi Fersterer: Nach innen sehen, 18. Juli bis 29. August
Abb.: Monika Toplev, Im Dschungel, 2015, Abb.: Evi Fersterer, Schwanger mit Bildern, 2005,
Acryl auf Leinwand, 77 x 122 cm Öl auf Leinwand, 100 x 70 cm
Galerie Toplev, Kaigasse 40, A-5020 Salzburg Galerie Gerlich, Sigmund-Haffner-Gasse 6, A-5020 Salzburg
+43 (0)662 846389, toplev.monika@aon.at, www.gallerytoplev.com +43 (0)662 651000, galerie-gerlich@aon.at, www.galerie-gerlich.at

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Bilder: Galerie Matombo; Art Gallery 91/VG Bild-Kunst, Bonn 2015


DIE MAGIE DER
AFRIKANISCHEN STÜHLE LIBERTY
Galerie Matombo Art Gallery 91

In Stühlen steckt immer auch etwas von einem Thron. Mit Freiheit ist sicherlich das zentralste Wort, der fundamentalste
dieser Machtsymbolik in einem scheinbar harmlosen Möbel Begriff im Gesamtkomplex »Moderne«. Wann und wo immer
haben sich die verschiedensten Kulturen auseinandergesetzt. dieses Hauptwort des 20. Jahrhunderts fällt, folgt die »Befrei-
Besonders in Westafrika spielt die Gestaltung des Stuhls, der ungsproklamation«. Weg mit den Traditionen, her mit der all-
oft aus einem Stück Holz gefertigt wird, eine besondere Rol- umfassenden, rabiaten Wegsprengung von allen belastenden
le. Vierbeinige Exemplare, aber auch Hockerformen mit Relikten der Vergangenheit. Ohne dieses Pathos kommt die
menschlichen und animalischen Karyatiden finden sich hier, Legitimation der Moderne nicht aus, und meistens sind es ex-
die bei Sammlern Begehrlichkeiten wecken. Die Magie des pressive Tendenzen, die »Liberty« zum künstlerischen Schlacht-
Stuhls im Kontext von Königs- und Häuptlingskult, aber ruf erhoben. Auch Eva Kaiser, Salzburgs einzelkämpferische
auch im alltäglichen Gebrauch steht im Zentrum der Som- Expressionistin, verteidigt in ihrer eigenen Galerie seit vielen
merausstellung bei Matombo – flankiert von Terrakotten und Jahren die Leitprinzipien der frühen Moderne. Die bildlichen
geschnitzten Holztüren der nigerianischen Nupe. Ergänzt Ergebnisse sind freilich ganz und gar Gegenwart. Fast im Sin-
wird die Schau mit Arbeiten der Yoruba, Igbo, Lumbo, Ba- ne des Kriegerischen. Denn ihre aktuellsten Arbeiten haben
mum, Baule, Lobi, We und Kuba sowie zeitgenössischen etwas sehr Aggressives, Rücksichtsloses an sich. Eva Kaiser
Steinskulpturen der Shona aus Simbabwe. Geschäftsführer impft gleichsam jeden Pinselhieb mit subversiver Freiheitsre-
Nick Monu, seines Zeichens Theatermann der Berliner volte, pflügt jede Bildfläche wie ein Schlachtfeld um. Figuren
Schaubühne und des Burgtheaters, rezitiert zur Festspieleröff- explodieren, Farbgarben zischen wie mit Düsenantrieb. Kurz-
nung aus Wole Soyinkas Brecht-Adaption »Opera Woyonski«. um alles, was das Herz des Liebhabers von figurativer Aus-
druckskunst begehrt.

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Die Magie der afrikanischen Stühle, 18. Juli bis 30. September Eva Kaiser: Liberty, 10. Juli bis 5. September
Abb.: Tabouret Ewe, Schreinobjekt, Togo, Länge 26 cm Abb.: Eva Kaiser, Liberty, 2014, Acryl auf Leinwand, 120 x 120 cm
Galerie Matombo, Pfeifergasse 9a, A-5020 Salzburg Art Gallery 91, Kaigasse 31, A-5020 Salzburg
+43 (0)676 6614205, matombo@monuandmonu.com, www.matombo.at +43 (0)664 5235866, painting@evakaiser.com, www.evakaiser.com

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Bilder: Galerie Sandhofer; Beni Bischof GA LER IEN

ALEKSANDRA HONKO BENI BISCHOF


Galerie Sandhofer Fotohof

Der Mensch im Wasser. Das ist zumindest in der Kunst eine Flambierte fünfäugige Kätzchen und andere charmante Net-
»Wohlfühlsituation«, gelegentlich aufgeladen mit deftiger tigkeiten – damit verblüfft der Schweizer Künstler Beni Bischof
Erotik. Hockney versprühte sexuelle Versprechungen aus seit geraumer Zeit nicht nur die heimatliche St. Gallener
dem Miteinander von jungenhaften Körpern und türkisem Kunstwelt. Der Fotohof macht aufmerksam auf einen wie wild
Wogenglitzern, aber auch in der Fotografie war der sonnige malenden, modellierenden, collagierenden und fotografieren-
Swimmingpool gerne ein einschlägiges Motiv. Die polnische den, knapp vierzigjährigen Kunst-Anarcho, der die stillen Was-
Malerin Aleksandra Honko geht mit ihren Modellen eben- ser des etwas langweiligen kantonalen Kunstbetriebs mit
falls gern ins Wasser, aber die schlüpfrigen Konnotationen schwarzhumorigen Witz-Torpedos durchsiebt. Die Fotoserie
der Wasserspiele interessieren sie überhaupt nicht. »H2O« lau- »Cats on Fire« ist eine ebensolche Attacke auf den gestalteri-
tet der nüchterne Übertitel ihrer Körperstudien, die manch- schen Mainstream und den inhaltlichen Anstand in der Kunst.
mal wie Sportreportagen über Schwimmwettbewerbe ausse- Bischof führt sie vom abgelegensten Winkel eines Landes he-
hen. Die Unterwasser-Perspektive ist jedoch die beinahe raus, das für ganz andere Dinge steht, auch für den spitzenprei-
wissenschaftliche Basis, von der die Künstlerin aus wie bei sigen Kunstmarkt. Damit will der Künstler, ein geistiger Nach-
exakten Versuchsanordnungen operiert. Weggeblendet wer- fahre der Schweizer Dadaisten, natürlich nichts zu tun haben.
den Kopf und Gesicht, die Individualität der Schwimmer, es In der Autarkie der wütend witzigen, antikonsumistischen
geht allein um den Dialog des Körpers mit dem grenzen- und Bild-Tiraden liegt genau der Reiz seiner Arbeiten: Sie demons-
zeitlosen Medium. Selten wird das an sich lustvolle Thema so trieren nicht nur Widerstandsgeist gegen alles Genormte. Sie
sachlich kühl, so technisch virtuos protokolliert wie bei die- zeigen auch, was unbekümmerte Medienvermanschung und
sem speziellen Abtauchen in die Wellen der Zeit. gekonnte Materialverwertung heute hervorbringen können:
eine Sauerstoffbombe gegen die Ermüdung!

20 8
Aleksandra Honko: H2O, 19. Juni bis 12. August Beni Bischof, 7. August bis 19. September
Abb.: Aleksandra Honko, Schwimmbad, 2014, Abb.: Werk von Beni Bischof aus der Serie »Cats on Fire«,
Acryl auf Leinwand, 150 x 100 cm nicht datiert, Laserkopie, Größe variabel
Galerie Sandhofer, Dietrichsteinstraße 6a, A-5020 Salzburg, +43 (0)650  Galerie Fotohof, Inge-Morath-Platz 1–3, A-5020 Salzburg
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KUNSTHANDEL
Bilder: Sigrid Reinichs

Antiquitäten- und Schmuckmekka: das historische Stadtzentrum

54
Hartwig Thurner
Madero Collectorsroom

55
Antiquitäten Prinz
Englich Wagner

56
Pintar
Untersberger Kerschbaumer

57
Kommissionshaus St. Andrä

T E X T E A N TON GUGG
K U N ST H A N DE L

Bilder: Thurner Schmuckmanufaktur; Raphael Lechner/Madero Collectorsroom


HARTWIG THURNER MADERO COLLECTORSROOM

»Typen« wie er sind absolute Mangelware im Bekanntenkreis Anspruchsvolles Design gehört nicht gerade zum Kunstseg-
eines Sammlers: Alleskönner in ihrem Metier gelten für ge- ment, das man von Salzburg erwartet. Aber seit wenigen Jah-
wöhnlich als rare Exemplare ihrer Gattung, und sie sind nicht ren gibt es im Stadtteil Nonntal eine Oase für alle, die ihr
mit Gold aufzuwiegen – weil sie sich dort in ihrem Element Wohnambiente mit klassischen Entwürfen der Zwischen- und
wissen, wo die meisten anderen längst kapitulieren. Folgendes Nachkriegszeit aufwerten wollen. Alejandro Madero, Weltbür-
Szenario: Ein Schmuckliebhaber nennt ein seltenes histori- ger mit mexikanisch-schwedischen Wurzeln, hat es sich in den
sches Stück sein Eigen und benötigt eine kleine Ergänzung Sinn gesetzt, mit besonderen Ausstattungsstücken aus dem
hier, eine sanfte Restaurierung dort. Für solche heiklen Pro- Vintage-Möbel-Bereich in Salzburg Pionierarbeit zu leisten.­
blemfälle ist Hartwig Thurner der richtige Mann und das neue Bekannte Namen wie Herend oder Lobmeyr gehören zum
Geschäft in der Theatergasse 2 die richtige Adresse. Hier findet Markenrepertoire, aber auch hierzulande wenig Bekanntes
man auch charmante Goldschmiedearbeiten, die sonst nir- setzt interessante Akzente. Hedwig Bollhagen (1907–2001)­
gendwo auftauchen. Etwa die bekannten Salzburger Herzerln gehörte zu den »starken Frauen« der deutschen Keramikszene.
aus Silber mit Halbedelsteinen oder Schmuck für rustikale und 1934 gründete sie ihre von Werkbund und Bauhaus beein­
jagdliche Anlässe, bestens geeignet, das Trachtenoutfit entspre- flusste M
­ anufaktur im brandenburgischen Marwitz, die für
chend aufzuputzen. Für derlei spielerisch-luxuriöse Gardero- Alltagsgeschirr jenseits des Alltäglichen steht. Zeitlose ­
benergänzungen sind Thurners Kreationen weltweit beliebt – Schönheit strahlen die handgefertigten Stücke gerade in un­
von Australien und Amerika bis Japan. Überall finden diese serer durchindustrialisierten Umgebung aus. Vis-à-vis des ­
fantasievollen und stilistisch mit alten Vorbildern spielenden Collectorsroom zeigt Jürgen Reichert seine Silikon-Licht-
Schöpfungen ihre Liebhaber. Salzburg hat eben seine besonde- ­wesen »Flowers & Beasts«.
ren Botschafter, Könner ihres Faches.

Abb.: Halscollier aus den 1930ger-Jahren, Österreich, Perlen mit 26


Almandinen-Granaten, in Gold und Silber Abb.: Josef Frank, Cabinet, 1960, aus Eiche, Walnuss, Mahagoni
Thurner Schmuckmanufaktur, Theatergasse 2, A-5020 Salzburg Madero Collectorsroom, Nonntaler Hauptstraße 10/1, A-5020 Salzburg
+43 (0)662 431161, hartwig.thurner@gmx.at, www.thurnerschmuck.at +43 (0)662 844008, shop@madero.at, www.madero.at

54
Bilder: Antiquitäten Prinz; Englich & Wagner K U N ST H A N DE L

ANTIQUITÄTEN PRINZ ENGLICH WAGNER

Alle Welt führt die »Nachhaltigkeit« im Munde, wann immer Schmuck scheint in letzter Zeit wieder ein sichtbarer Teil des
es die stets geforderte sprachliche Korrektheit gebietet. Wenn öffentlichen Kulturlebens zu sein. Ein interessantes, vielleicht
es um Möbel geht, spielt diese Wertkategorie freilich keine Rol- sogar signifikantes Phänomen in Zeiten allgemeiner Verunsi-
le mehr. Dabei ist nichts »nachhaltiger« im Handwerklichen cherung. Mit ökonomischen Überlegungen hat das nur be-
und Materiellen als der alte, historische Tisch, das Sofa oder dingt zu tun. Angesichts einer zunehmenden Komplexität der
die Kredenz. Vollholzbau oder Furnier – das Meiste kommt Welt zieht man sich eben besonders gern auf Wohlbekanntes
ohne Kunststoff und Chemiekleber aus. Und schön sind die zurück – und wenn es der eigene Körper ist. So lässt sich der
Einzelstücke, wie sie von Dr. Thomas Prinz angeboten werden, aktuelle Trend erklären, die Haut zum direkten Bildträger, aber
allemal. Alles atmet hier die besondere Aura des Wohnlichen, auch zur Präsentationsfläche für Kostbares zu machen. Für das
des Zeitlosen, möge es aus dem Barock, dem Biedermeier oder Ausschmücken des eigenen Ichs sind Englich Wagner in Salz-
aus regionalen Rustikalzonen stammen. Konservierung geht burg kompetent begleitende Experten. Nach wie vor bestechen
hier vor Rekonstruktion und Über-Restaurierung, die so oft die Kreationen aus der angeschlossenen Werkstatt mit der Ba-
auf dem Ausstattungssektor anzutreffen ist. Behutsame Pflege lance zwischen Extravaganz und Gediegenheit. Im Firmenver-
und rücksichtsvolle Komplettierung sind die Garanten für jene ständnis geht es immer darum, die formalen Evolutionen der
Ausstrahlung, die echte Antiquitätenfreunde so schätzen. Gute Schmuckgeschichte erweiternd fortzuführen, die Vorgaben
Stücke aus der Vergangenheit haben auch die Eigenschaft, dass der Vergangenheit auszureizen. Die Auswahl an handverlese-
sie bestens kombinierbar sind – sogar mit modischen Zeit­ nen originalen historischen Stücken findet ihr stilsicheres Echo
genossen. Ein ganz besonderes Angebot in Zeiten des gerad­ in selbstbewussten Neuschöpfungen. Angesichts medialer Auf-
linigen Ledersofadiktats. regung über vermeintlich sensationelle »Bling-Bling«-Kreatio-
nen fallen diese Objekte angenehm aus der Reihe.

9
34 Abb.: Jade-Korallenohrringe, geschnittene Burma-Jade, Koralle,
Abb.: Barockkommode, Österreich, Mitte 18. Jh., stark geschwungen, mit Rubine und Diamanten, goldmontiert, 6,5 cm, Entwurf und Ausführung
Nussholz und verschiedenen Edelhölzern reichlich intarsiert von Franz Wagner
Antiquitäten Prinz, Almgasse 3, A-5020 Salzburg-Nonntal Englich Wagner, Getreidegasse 3 und Universitätsplatz 16,
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55
K U N ST H A N DE L

Bilder: Pintar; Untersberger/Kerschbaumer


PINTAR UNTERSBERGER KERSCHBAUMER

Schönheit und vor allem Frohsinn müssen heutzutage unbe- Die ästhetische Ehe zwischen Volkskunst und Avantgarde
dingt verteidigt werden, und sei es durch einen Rückgriff auf wurde schon öfters vollzogen, nicht nur von Kandinsky und
die deutsche Klassik: »Ernst ist das Leben, heiter die Kunst«, Konsorten, die in bunten Zeugnissen bayerischer Frömmig-
meint man bei Pintar und beruft sich auf Schillers Prolog zur keit seelenverwandtes Material entdeckten. Immer wieder gab
Eröffnung des Weimarer Theaters kurz vor 1800. Klingende es diese leidenschaftlichen Affären zwischen vorgeschrittener
Zeilen, die sich besonders gut der Welt des feinen Schmucks Kunstübung und dem sogenannten Primitiven. Aktuelles Bei-
aus den Häusern Cartier, Tiffany, Van Cleef & Arpels, Bou- spiel für solche entdeckten Liebesbeziehungen sind Ausstel-
cheron, Bulgari und anderer Edelmanufakturen applizieren lungen über nordafrikanische Teppichkunst und Moderne.
lassen. Aber auch exquisites Tafelsilber der dänischen Hofju- Anlass genug für Salzburgs rührigste Textilgalerie, die unver-
weliere Jensen und Hingelberg oder leichthändig-elegant de- gleichliche Knüpfkunst Marokkos in den Fokus zu nehmen.
signte Glaskunst aus Murano von Gino Cenedese oder Vitto- Man ist immer wieder erneut überwältigt vom schöpferischen
rio Ferro verkörpern die Kunst unbeschwerter Heiterkeit, die Feeling des Atlasgebietes, dessen Erzeugnisse die Grenzen zwi-
in diesem Jahr ganz besonders gefeiert wird. Unbestrittene schen Kunsthandwerk und purem Bild aufheben. Kein Wun-
Stimmungsaufheller bei Pintar sind ein brillantbesetztes der, dass Klee, Le Corbusier und andere Heroen der Moderne
Art-déco-Platinarmband oder eine ausgefallene Blütenbro- von den einzigartig kühnen Kreationen der Berber fasziniert
sche aus weißen und gelben Diamanten aus den Fünfziger- und inspiriert waren. In keiner anderen Region ist der Sinn
jahren. Der Geist der Swinging Sixties wird von einem wun- für das Spiel mit abstrakten Elementen und Farbflächen deut-
dervollen aquamarinblauen Set beschworen. Genau auf licher ausgeprägt. Archaik und Minimalismus in textiler Rein-
solche eindrücklichen Schmuckstücke hat man sich in der kultur, zu erleben in einer ganzen Teppichsammlung.
Dreifaltigkeitsgasse spezialisiert.

33 38
Abb.: Blütenbrosche, Frankreich, 50er-Jahre, 18 ct Gold/Platin, geziert mit Abb.: Teppich aus der Region Azilal, Hoher Atlas, Marokko, 295 x 156 cm
Brillanten und gelben Diamanten in Fantasieschliffen (Diamantgew. 9,20 ct) Untersberger Kerschbaumer, Wolf-Dietrich-Straße 4a, A-5020 Salzburg
Pintar, Dreifaltigkeitsgasse 4, A-5020 Salzburg +43 (0)662 874745, info@untersberger-kerschbaumer.at,
+43 (0)662 874410, www.schmuck-pintar.at www. untersberger-kerschbaumer.at

56
K U N ST H A N DE L
I M PR ESSUM

REDAKTION
Redaktion Weltkunst
Dorotheenstr. 33
10117 Berlin
Tel. 030/590048-340
Fax 030/590048-334

CHEFREDAKTEURIN
Dr. Lisa Zeitz
lisa.zeitz@weltkunst.de

STELLV. CHEFREDAKTEUR
& MANAGING EDITOR
Matthias Ehlert
matthias.ehlert@weltkunst.de

GESTALTUNG
Katharina Weiß

REDAKTION
Tim Ackermann, Christiane Meixner,
Simone Sondermann

BILDREDAKTION
Nora Ströbel, Nils Stelte

AUTOREN UND
Bild: Kommissionshaus St. Andrä

FOTOGRAFEN
Ulrich Clewing, Dr. Anton Gugg,
Ingeborg Harms, Sigrid Reinichs,
KOMMISSIONSHAUS Jeannette Richter

ST. ANDRÄ SCHLUSSREDAKTION


Ludger Booms
Ein Haus wie geschaffen für jagdbereite Liebhaber schöner­
VERLAG
Dinge – edler Schränke, feiner Keramik oder blumenförmiger­
ZEIT Kunstverlag
Broschen: Vis-à-vis des Salzburger Dorotheums führt Wolf-
GmbH & Co KG
gang König seit vielen Jahren sein Kommissionshaus
Buceriusstr.,
St. Andrä. Die Vorlieben und Möglichkeiten der lokalen Kund- Eingang Speersort 1
schaft kennt er gut, und er hat ein Gespür für attraktive, auf den 20095 Hamburg
Standort abgestimmte Angebote auf vielerlei Sektoren entwi-
ckelt. Bei König findet man das passende Objekt, das im eige- GESCHÄFTSFÜHRUNG
nen Wohnzimmer noch fehlt, aber auch Un­erwartetes taucht Stefanie Hauer,
auf: Prachtexemplare aus der »­ ornithologischen« Produktion Nathalie Senden
des deutschen Edelstein­zentrums Idar-Oberstein etwa. Die pa-
radiesischen Vögel, bestückt mit fein geschnittenen Edelmate- VERLAGSLEITER
rialien – naturalistische Wunderwerke der Tierbetrachtung und Jan Henrik Groß
perfekter handwerklicher Umsetzung –, verzaubern den Be- Tel. 040/3280-3464
trachter. Jugendstil-Möbel bieten sich an, Silbergegenstände,
Porzellan, attraktive Malereien und Grafiken und ausgefallene ANZEIGENLEITUNG
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Beleuchtungskörper, etwa ein bunter, aber eleganter Glasluster
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aus Murano, aus den 50er-Jahren bewahrt. Und selbstverständ-
lich gibt es ausgesuchten Schmuck für jede Brieftasche.
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Abb.: Brosche (um 1840), von einem Juwelier in London in Gold HERSTELLUNG
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Kommissionshaus St. Andrä Wolfgang König E.U.,
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Schmuck und Silber des 20. Jh. Land Salzburg www.matern.at LEOGANG
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während der Festspielzeit: Mo-Sa 9.30-18 Uhr 5541 ALTENMARKT
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Residenzplatz 7 Tel. 0664/4233119 Tel. 0662 80422109
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SALZBURG
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 GALERIEN   KUNSTHANDEL    MUSEEN  25 27 28 26 37 50 51 52 54 61

Die weltkunst kooperiert bei »Kunst in Salzburg« auch


in diesem Jahr wieder mit dem Medienduo ARTMAPP.
Die gleichnamige App verzeichnet mehr als 8000
Museen und Galerien in Deutschland, Österreich und
der Schweiz. Sie bietet dem Kulturreisenden aktuelle
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