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StGB § 323a Vollrausch Heger Lackner/Kühl/Heger, StGB Rn. 1-20


30. Auflage 2023

§ 323a Vollrausch

(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere
berauschende Mittel in einen Rausch versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine
rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er
infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist.

(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die Strafe, die für die im Rausch
begangene Tat angedroht ist.

(3) Die Tat wird nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen
verfolgt, wenn die Rauschtat nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf
Strafverlangen verfolgt werden könnte.

1. Der Vollrausch ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt (→ Vor § 13 Rn. 32; str.; 1
dazu Geppert Jura 2009, 40 (42), der ein konkretes Gefährdungsdelikt
eigener/besonderer Art annimmt; ähnlich Geisler in MüKoStGB Rn. 9). Der
Tatbestand soll der generellen Gefährlichkeit entgegenwirken, die für alle
strafrechtlich relevanten Rechtsgüter mit jedem die Schuldfähigkeit
ausschließenden Rausch erwächst (BGHSt 16, 124 = NJW 1961, 1733; sa BGHSt
62, 247 = NJW 2018, 1180 mAnm Jahn; str.). Gegenstand des Schuldvorwurfs ist
daher allein das vorsätzliche oder fahrlässige Herbeiführen eines solchen – nach
der Bewertung des Gesetzes stets abstrakt gefährlichen – Zustandes (BGH NStZ
1994, 131; NStZ-RR 2020, 250; Puppe GA 1974, 98; Puppe in Ulsamer
StrafR/StrafVerfR S. 1181; Dencker JZ 1984, 453; Lackner FS Jescheck, 1985,
645; Kusch, Der Vollrausch, 1984, S. 24; Satzger JA 2006, 108 (109, 111); sa
Renzikowski ZStW 112 (2000), 475 (509)). Demgegenüber wird in Teilen des
Schrifttums eine mehr oder minder konkrete Gemeingefährlichkeit des Rauschs
oder eine unterschiedlich definierte Beziehung zwischen Rausch und Rauschtat
vorausgesetzt (vgl. zB Cramer, Der Vollrauschtatbestand als abstraktes
Gefährdungsdelikt, 1962; Hirsch ZStW-Beiheft 1981, 1 (11); Wolter NStZ 1982,
54; Paeffgen ZStW 97 (1985), 513; Otto Jura 1986, 478; Miseré, Die
Grundprobleme der Delikte mit strafbegründender schwerer Folge, 1997, S. 112;
Geisler, Zur Vereinbarkeit objektiver Bedingungen der Strafbarkeit mit dem
Schuldprinzip, 1998, S. 363, 388; Geisler GA 2000, 166; Dölling in Kiesel, Rausch,
1999, S. 149, 174; Küpper/Börner StrafR BT I Kap. II § 5 Rn. 62; Joecks/Jäger
StGB Rn. 25; Hecker in Schönke/Schröder Rn. 1; Popp in LK-StGB, Rn. 17–31;
→ Rn. 14). Vereinzelt wird auch die Annahme eines Gefährdungsdelikts überhaupt
verworfen und der Tatbestand entgegen seinem Wortlaut als bloße Ausnahmeregel
zu den §§ 20, 21 interpretiert (Streng JZ 1984, 114; ZStW 101 (1989), 273 (317);
JR 1993, 35; Streng in MüKoStGB § 20 Rn. 153; Neumann, Zurechnung und
„Vorverschulden“, 1985, S. 125). Ebenso wie § 330a StGB aF verstößt er nicht
gegen das Schuldprinzip (BGHSt 16, 124 = NJW 1961, 1733; Lackner JuS 1968,
215; Montenbruck GA 1978, 225; Streng in MüKoStGB § 20 Rn. 153; aM
Kaufmann JZ 1963, 425; diff. Wolter NStZ 1982, 54, der ohne Grundlage im
Gesetz den Tatbestand aufspaltet und bei Fehlen einer Schuldbeziehung zwischen
Rausch und Rauschtat einen Minimalstrafrahmen postuliert; ähnlich Paeffgen in
NK-StGB Rn. 14–17). Einzuräumen bleibt allerdings, dass sich keine der
möglichen Deutungen widerspruchsfrei in den allgemeinen dogmatischen
Systemzusammenhang einfügt (ebenso Schöch in Satzger/Schluckebier/Widmaier
StGB Rn. 7; vgl. BGHSt 49, 239 (251) = NJW 2004, 3350, eine der umstrittensten
StGB-Vorschriften). Kritisch zum Ansatz bei § 323a Hettinger in
Schnarr/Henning/Hettinger, Alkohol als Strafmilderungsgrund, Vollrausch, Actio
libera in causa, 2001, S. 190, 286; sa Freund/Renzikowski ZRP 1999, 497;
Renzikowski ZStW 112 (2000), 475 (477); Berster ZStW 124 (2012), 991 mit
Vorschlag de lege ferenda Berster ZStW 124 (2012), 991 (1012); Duttge
FS Geppert, 2011, 61; Dölling in Kiesel, Rausch, 1999, S. 180; Paeffgen in NK-
StGB Rn. 113; Paeffgen in Egg/Geisler, Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 2000,
S. 49, 65; sowie Henning in Schnarr/Henning/Hettinger, Alkohol als
Strafmilderungsgrund, Vollrausch, Actio libera in causa, 2001, S. 101, 163.

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2. Tathandlung ist das Sichversetzen in einen Rausch durch alkoholische Getränke 2


oder andere berauschende Mittel (→ § 315c Rn. 5); ob mit dem Mittel auch
subjektiv die Herbeiführung eines Rauschs oder einer anderen lustbetonten
Empfindung bezweckt wird, ist unerheblich (BayObLG NJW 1990, 2334;
Riemenschneider MedR 1998, 17 (18)).

a) Rausch ist ein Zustand der Enthemmung, der sich in dem für das jeweilige 3
Rauschmittel typischen, die psychischen Fähigkeiten durch Intoxikation
beeinträchtigenden Erscheinungsbild widerspiegelt (hM; vgl. etwa BGHSt 32, 48
(53) = NJW 1983, 2889; BayObLG NJW 1990, 2334; Kindhäuser/Schramm StrafR
BT I § 71 Rn. 9; Küper/Zopfs StrafR BT Rn. 412; anders Schewe BA 1976, 87;
Schewe ZStW-Beiheft 1981, 39 (60); sowie Gerchow FS Sarstedt, 1981, 1, die
den Begriff des Rauschs nicht für abgrenzbar halten und deshalb jede Intoxikation
durch pharmakologische Mittel ausreichen lassen; anders auch Kusch, Der
Vollrausch, 1984, S. 48, der den Rausch als eine die Psyche verändernde schwere
Bewusstseinsstörung definiert; sa Popp in LK-StGB, Rn. 89–109; zw.). Darüber
hinaus werden wohl auch solche Zustände erfasst, die nach medizinischer
Erfahrung als abnorme Reaktionen auf ein Rauschmittel vorkommen. Stets muss
der Zustand aber als Folge der Anwendung gerade von Rauschmitteln zu erwarten
sein (hM; vgl. etwa BGHSt 26, 363 = NJW 1976, 1901; OLG Karlsruhe NJW 1979,
611). Deren bloß ursächliche Mitwirkung bei der Auslösung eines andersartigen
biologischen Defekts genügt daher nicht (str.), wohl aber, wenn der Rausch auf
einer Kombinationswirkung mit anderen rauschfördernden Ursachen beruht
(Geisler in MüKoStGB Rn. 30; einschr. und näher konkretisierend Forster/Rengier
NJW 1986, 2869). Daraus folgt, dass es für den äußeren Tatbestand (zu Vorsatz
und Fahrlässigkeit → Rn. 13) idR unerheblich ist, ob neben dem Rauschmittel (KG
NJW 1972, 1529) noch andere Umstände, zB Erregung (BGH NJW 1967, 298; NJW
1979, 1370) oder Einnahme von Medikamenten (OLG Hamm BA 1979, 460; sa
OLG Oldenburg BA 1985, 254), mitgewirkt haben (BGHSt 22, 8 (11) = NJW 1968,
1197; BGHSt 26, 363 = NJW 1976, 1901; str.); deshalb werden auch der
pathologische Rausch infolge Alkoholüberempfindlichkeit (BGHSt 1, 196
= BeckRS 1951, 31399681; BGHSt 40, 198 = StV 1994, 650 mit zust. Bespr. Blau
JR 1995, 117; Otto JK StGB § 323a Rn. 6) und der epileptoide Rausch nach
Alkoholgenuss (BGHSt 4, 73 = NJW 1953, 913) erfasst. Konsum des
Rauschmittels im Übermaß ist nicht erforderlich (hM; anders Puppe GA 1974, 98
(108); Jura 1982, 281 (288)).

b) Den für einen Rausch erforderlichen Mindestschweregrad der psychischen 4


Beeinträchtigung konkretisiert die Vorschrift nicht (BGHSt 32, 48 (53) = NJW
1983, 2889). Lange Zeit hat die Rspr. in Anknüpfung an das frühere Recht
(→ Rn. 5) angenommen, dass mindestens „der sichere Bereich“ verminderter
Schuldfähigkeit „überschritten“ sein müsse (zB BGH VRS 50, 358; JR 1980, 32;
OLG Karlsruhe NJW 2004, 3356; zur BGH-Rechtsprechung Otto FG BGH, 2000,
111 (127)), und das in jüngeren Entscheidungen überwiegend dahin interpretiert,
dass der sichere Nachweis verminderter Schuldfähigkeit (§ 21) erforderlich, aber
auch ausreichend sei (BayObLG NJW 1978, 957; MDR 1979, 777; VRS 58, 207;
OLG Braunschweig NStZ-RR 2014, 287; KG VRS 131, 313; aM OLG Karlsruhe NJW
1979, 1945 mit zust. Bespr. Paeffgen NStZ 1985, 8; iErg auch Wolter,
Wahlfeststellung und in dubio pro reo, 1987, S. 75). Dass jedenfalls unter dieser
Voraussetzung ein Rausch vorliegt, nimmt auch der BGH an (BGH NStZ-RR 1999,
172), der jedoch offen lässt, ob auch Rauschzustände geringeren Grades (so zB
Tröndle FS Jescheck, 1985, 665 (682); Montenbruck JR 1978, 209; Otto Jura
1986, 478 (482); Hentschel NJW 2005, 641 (646); Fahl JuS 2005, 1076; Fischer
Rn. 11–11b) – nicht dagegen Fälle des Zweifels über das Ob der Berauschung (so
aber Schewe BA 1983, 369 (382); BA 1983, 526 (529); Schmoller, Alternative
Tatsachenaufklärung im Strafrecht, 1986, S. 201, 214; Hecker in
Schönke/Schröder Rn. 5; aM bei Nehm DAR 1993, 166) – einzubeziehen sind
(BGHSt 32, 48 (54) = NJW 1983, 2889; krit. Analyse der BGH-Rechtsprechung
bei Otto FG BGH, 2000, 111 (129)); der Zustand des Täters muss danach seinem
ganzen Erscheinungsbild nach als durch den Genuss von Rauschmitteln
hervorgerufen anzusehen sein (BGH NStZ-RR 2011, 80: nicht schon bei leichter
Alkoholisierung nach vier Flaschen Bier). Mit der überwiegenden Meinung in der
früheren Rspr. sollte an dem Erfordernis des sicheren Nachweises verminderter
Schuldfähigkeit festgehalten werden (KG RuP 2020, 238; OLG Köln BA 1985, 243
mablAnm Seib; BayObLG bei Rüth DAR 1985, 242; OLG Zweibrücken NZV 1993,
488); denn wenn § 21 zweifelsfrei erfüllt, also nicht nur nach dem Grundsatz in
dubio pro reo anwendbar ist, steht fest, dass der Täter in einem vom Gesetz als
gravierend angesehenen (§ 21) Zustand eindeutig herabgesetzter Motivierbarkeit

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gehandelt hat, in dem nach genereller Erfahrung die Gefahr strafrechtlich


relevanter Ausschreitungen besteht, die Verantwortlichkeit des Täters aber nicht
mehr gewährleistet ist (Lackner FS Jescheck, 1985, 645 (657)). Eine
Unterschreitung dieser Mindestgrenze würde in den Tatbestand auch
ungefährliches, möglicherweise völlig vorwurfsfreies Verhalten einbeziehen
(ähnlich Dencker NJW 1980, 2159; JZ 1984, 453; Puppe Jura 1982, 281 (285);
Schuppner/Sippel NStZ 1984, 67; Forster/Rengier NJW 1986, 2869; Ranft Jura
1988, 133 (136); Hohmann/Sander StrafR BT § 34 Rn. 11; Kindhäuser/Schramm
StrafR BT I § 71 Rn. 16; Rengier StrafR BT II § 41 Rn. 22;
Wessels/Hettinger/Engländer StrafR BT I Rn. 1032; Joecks/Jäger StGB Rn. 26,
27; Schöch in Satzger/Schluckebier/Widmaier StGB Rn. 14; weiter einschr.
Paeffgen NStZ 1985, 8; aM Maurach/Schroeder/Maiwald StrafR BT II § 96 Rn. 18).
Allerdings ist die Verknüpfung der Begriffsbestimmung des Rauschs mit dem
Erfordernis verminderter Schuldfähigkeit dogmatisch nicht bedenkenfrei, weil sie
den Rausch nicht allgemeingültig, sondern nur in Abhängigkeit von der Rauschtat
bestimmen kann (Horn JR 1980, 1; Puppe Jura 1982, 281 (284); Paeffgen
ZStW 97 (1985), 513 (526); Krümpelmann ZStW 99 (1987), 191 (199)). Sie
dürfte sich aber aus dem inneren Zusammenhang zwischen Rausch und Rauschtat
und der Notwendigkeit, das Schuldprinzip zu wahren, rechtfertigen lassen
(Dencker NJW 1980, 2159; Lackner FS Jescheck, 1985, 645 (657);
Forster/Rengier NJW 1986, 2869). Im Schrifttum sind Bedeutung und Grenzen des
Rauschbegriffs sowie sein Zusammenhang mit der Rauschtat nach wie vor von
einer abschließenden Klärung weit entfernt (vgl. die Nachw. in BGHSt 32, 48
= NJW 1983, 2889; eing. Neumann, Zurechnung und „Vorverschulden“, 1985,
S. 50, 100; Renzikowski ZStW 112 (2000), 475 (511), plädiert für die Festlegung
eines Grenzwertes von 2 ‰; zusf. Geppert Jura 2009, 40 (42)).

3. a) Objektive Bedingung der Strafbarkeit (hM; OLG Hamm BA 1951, 118; eing. 5
Kusch, Der Vollrausch, 1984, S. 57; abl. Geisler, Zur Vereinbarkeit objektiver
Bedingungen der Strafbarkeit mit dem Schuldprinzip, 1998, S. 368; Geisler GA
2000, 166 (174); krit. Popp in LK-StGB, Rn. 120) ist das Begehen einer
rechtswidrigen Tat (→ § 11 Rn. 18), der sog. Rauschtat, deretwegen der Täter
nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig (§ 20) war
oder weil dies nicht auszuschließen ist. Damit bestätigt das Gesetz die Ansicht
schon der früheren Rspr. (zB BGHSt 9, 390 = NJW 1957, 71; BGHSt 16, 187
= NJW 1961, 2028), dass der Tatbestand auch bei Zweifeln über die
Schuldfähigkeit anwendbar ist (BGH NStZ 1989, 365), allerdings nur unter der
Voraussetzung, dass überhaupt ein Rausch vorliegt (→ Rn. 3, 4). Die dogmatische
Begründung für diese im Gesetz ausdrücklich angeordnete Ausdehnung der
Strafbarkeit ist umstritten (BGHSt 49, 239 (251) = NJW 2004, 3350). Die Rspr.
stützt sie zurzeit auf ein nach dem Grundsatz in dubio pro reo zu behandelndes
„normativ-ethisches“ Stufenverhältnis „zwischen der in § 323a mit Strafe
bedrohten Gefährdung“ einerseits und der „Verletzung der Norm, die objektive
Bedingung der Strafbarkeit dieses Gefährdungsdelikts“ sei, andererseits (BGHSt
32, 48 (55) = NJW 1983, 2889; sa OLG Düsseldorf NJW 1989, 2408). Jedoch
bedarf es bei Deutung der Vorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt (→ Rn. 1)
dieser Legitimation nicht, weil Fälle schuldhaft begangener Rauschtaten unter den
Unrechtstatbestand des § 323a fallen und nur durch die in der
Strafbarkeitsbedingung steckende Subsidiaritätsanordnung ausgeschieden
werden (Puppe GA 1974, 98 (114); Dencker NJW 1980, 2159 (2160); aM Paeffgen
NStZ 1985, 8; str.). Jedenfalls kann aber auch das von der Rspr. postulierte
Stufenverhältnis – wie immer man den Grundsatz in dubio pro reo verstehen mag
(dazu Tröndle FS Jescheck, 1985, 665 (671)) – die Strafbarkeit nur solcher
Zweifelsfälle begründen, in denen der Intoxikationsgrad die umstrittene (→ Rn. 4)
Erheblichkeitsschwelle zum Rausch überschritten hat. Die übrig bleibenden Fälle,
in denen sowohl der Rausch als auch die rauschbedingte Schuldunfähigkeit
zweifelhaft bleiben, sind dagegen nicht erfassbar (hM; vgl. etwa Fischer Rn. 12;
aus der Rspr. OLG Karlsruhe NJW 2004, 3356; anders Schewe BA 1983, 369
(382); BA 1983, 526 (529); Hentschel Trunkenheit Rn. 294, 295). Ihre
Strafbarkeit ließe sich nur auf eine Wahlfeststellung gründen, die aber von der hM
mit unterschiedlichen, allerdings durchweg problematischen Begründungen
verneint wird (vgl. etwa BGHSt 9, 390 = NJW 1957, 71; anders Tröndle
FS Jescheck, 1985, 665 (684); Seib BA 1985, 245 (247); Fahl JuS 2005, 1076
(1077); Joecks/Jäger StGB Rn. 26, 27; zusf. Geppert Jura 2009, 40 (48 f.)).

b) Die Rauschtat muss den vollen äußeren und inneren Tatbestand eines 6
Strafgesetzes (einschließlich Versuch, Teilnahme oder versuchte Beteiligung nach
§ 30) verwirklichen; bei Erfolgsdelikten muss auch die objektive Zurechnung des

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Erfolges gegeben sein (Rengier FS Roxin, 2001, 811 (818)). Auch ein
Unterlassungsdelikt kann genügen (hM; einschr. Backmann JuS 1975, 698; aM
Kusch, Der Vollrausch, 1984, S. 111); jedoch scheidet § 323c als Rauschtat aus,
weil der Täter idR schon wegen Unfähigkeit zur Hilfeleistung den Tatbestand nicht
verwirklicht (Dencker NJW 1980, 2159 (2165); Fahl JuS 2005, 1076 (1080)) und
weil die Einbeziehung der Vorschrift die allgemeine Hilfspflicht ohne zureichenden
Grund erweitern würde (Ranft JA 1983, 239 (240);
Maurach/Schroeder/Maiwald/Hoyer/Momsen StrafR BT § 96 Rn. 9; Geisler in
MüKoStGB Rn. 33; aM BayObLG NJW 1974, 1520 mit krit. Bespr. Lenckner JR
1975, 31; Streng JZ 1984, 114; Otto Jura 1986, 478 (483);
Wessels/Hettinger/Engländer StrafR BT I Rn. 1037; Paeffgen in NK-StGB Rn. 70).
Bei positivem Tun muss eine „Handlung“ im Sinne willkürlichen Verhaltens
vorliegen (OLG Hamm NJW 1975, 2252; Kusch, Der Vollrausch, 1984, S. 74;
Geppert Jura 2009, 40 (48 f.), Handlungsfähigkeit); der sinnlos Betrunkene, der
im Zusammenfallen oder durch Erbrechen Sachen beschädigt, handelt nicht (krit.
Schewe BA 1976, 87 (94); aM Wolters in SK-StGB Rn. 13, die erst den Vorsatz
ablehnen). Der innere Tatbestand muss schon deshalb erfüllt sein, weil sonst nicht
feststellbar wäre, ob (Abs. 1) und in welchem Umfang (Abs. 2) das Berauschen
strafbar ist und ob die Verfolgung von einem Antrag usw (Abs. 3) abhängt
(beachte jedoch BayObLG NJW 1989, 1685).

aa) Ist die Rauschtat nur bei Vorsatz mit Strafe bedroht (zB Sachbeschädigung, 7
§ 303), so ist erforderlich, dass der Täter mit natürlichem Vorsatz (→ § 15 Rn. 31)
gehandelt hat, also mit einer durch § 20 keineswegs ausgeschlossenen Fähigkeit,
seine körperliche Kraft für bestimmte Zwecke einzusetzen (hM; vgl. etwa BGHSt
1, 124 = NJW 1951, 533; krit. Freund/Rostalski StrafR AT § 7 Rn. 32; anders
Spendel in LK-StGB, 11. Aufl. 1992, Rn. 201). Ob eine solche Willensbildung noch
möglich oder der Berauschte schon handlungsunfähig war, lässt sich ua auch nach
seinem äußeren Verhalten beurteilen (BayObLG VRS 25, 346; OLG Hamm JMBl.
NRW 1964, 117; krit. Schüler-Springorum MschrKrim 1973, 363); auch die BAK
kann ein Anhaltspunkt sein (OLG Celle VRS 25, 347).

bb) Setzt die Rauschtat eine besondere Absicht voraus (zB bei Diebstahl oder 8
Betrug), so muss diese als „natürlicher“ zielgerichteter Wille gegeben sein (BGH
VRS 41, 93; krit. Otto JZ 1993, 559 (565); vgl. auch BayObLG JR 1992, 346
mkritAnm Meurer). Betätigt der Rauschtäter nach Ernüchterung diese Absicht
erneut, indem er sich zB die weggenommene Sache zueignet, so ist die Annahme
einer mitbestraften Nachtat (→ Vor § 52 Rn. 32) nicht begründbar (Ranft JA 1983,
239 (244); aM OLG Celle NJW 1962, 1833; sa BGH bei Dallinger MDR 1971, 546;
zw.).

cc) Ein Irrtum des Täters, der nicht auf seinem Rausch beruht – und zwar nicht 9
nur der Tatbestands-, sondern auch der Verbotsirrtum (OLG Stuttgart NJW 1964,
413; Ranft JA 1983, 239 (241); Geppert Jura 2009, 40 (46)) –, ist ebenso wie
beim nüchternen Täter zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Aus der Verweisung
auf die Rauschtat folgt darüber hinaus, dass auch der durch den Rausch bedingte
Irrtum nicht anders behandelt werden kann (Dencker NJW 1980, 2159 (2164);
Otto Jura 1986, 478 (485); Paeffgen in NK-StGB Rn. 74–77; aM BGH NJW 1953,
1442; OLG Celle NJW 1969, 1775; Kusch, Der Vollrausch, 1984, S. 84; Spendel
in LK-StGB Rn. 197–202, 210; diff. Geisler, Zur Vereinbarkeit objektiver
Bedingungen der Strafbarkeit mit dem Schuldprinzip, 1998, S. 422;
Wessels/Hettinger/Engländer StrafR BT I Rn. 1038; zusf. Geppert Jura 2009, 40
(45)); jedenfalls begeht zB der Zecher keinen Betrug, der infolge seines Rausches
glaubt, noch zahlen zu können (BGHSt 18, 235 = NJW 1963, 667).

dd) Rücktritt von der Rauschtat wirkt in analoger Anwendung von § 24 10


strafbefreiend (BGH NStZ 1994, 131 mkritAnm Kusch und zust. Bespr. Otto JK
StGB § 323a Rn. 5; BGH NStZ-RR 1999, 8; NStZ-RR 2001, 15; aM Barthel,
Bestrafung wegen Vollrausch trotz Rücktritt von der versuchten Rauschtat?, 2001
mit Bespr. Sternberg-Lieben NJW 2003, 3040; zusf. Geppert Jura 2009, 40 (46)),
und zwar auch dann, wenn er erst nach Wiedererlangung der Schuldfähigkeit
erfolgt (Otto StrafR BT § 81 Rn. 16; Paeffgen in NK-StGB Rn. 80; Wolters in SK-
StGB Rn. 21; zweifelnd Geppert Jura 2009, 40 (47); Hecker in Schönke/Schröder
Rn. 19; Popp in LK-StGB, Rn. 78; aM Ranft JA 1983, 239 (243); Kusch, Der
Vollrausch, 1984, S. 128; Geisler, Zur Vereinbarkeit objektiver Bedingungen der
Strafbarkeit mit dem Schuldprinzip, 1998, S. 432).

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ee) Ist die Rauschtat ein Fahrlässigkeitsdelikt, so genügt es, wenn der Täter in 11
nüchternem Zustand in der Lage gewesen wäre, die Verletzung der Sorgfaltspflicht
zu vermeiden und den Erfolg vorauszusehen (hM; Geppert Jura 2009, 40 (46);
anders Kusch, Der Vollrausch, 1984, S. 105).

c) Ob die Rauschtat ein Verbrechen oder ein strafbarer Versuch ist oder ob die 12
Bedingung während des Rausches mehrfach eintritt (BGHSt 13, 223 (225)
= BeckRS 1959, 31193310; BGH NStZ-RR 1999, 8), stets liegt nur ein Vergehen
nach § 323a vor. Steht nicht fest, welches von mehreren Delikten der Täter im
Rausch begangen hat, so ist eine Wahlfeststellung (→ § 1 Rn. 9–20) nur unter den
auch sonst hierfür geltenden Voraussetzungen zulässig (OLG Oldenburg NJW
1959, 832; Dencker NJW 1980, 2159 (2165); aM Montenbruck GA 1978, 225
(239), Hecker in Schönke/Schröder Rn. 20, die jede Wahlfeststellung genügen
lassen; zw. Ansonsten muss festgestellt werden, welche Rauschtat der Täter
begangen hat (OLG Zweibrücken NZV 1993, 488); der Vollrausch und die
Rauschtat sind eine Tat iSv § 264 StPO (Fischer Rn. 24).

4. a) Vorsatz (bedingter genügt; BGH NStZ-RR 2001, 15) oder Fahrlässigkeit sind 13
nur für das Sich-Versetzen in den Rausch erforderlich. Sie müssen sich auf die
unter → Rn. 3 beschriebenen spezifischen Elemente des Rausches (BayObLG NJW
1990, 2334; und bei Bär DAR 1993, 372) und auf dessen unter → Rn. 4
vorausgesetzten Mindestschweregrad beziehen (BGHSt 16, 187 (189) = NJW
1961, 2028; OLG Düsseldorf NZV 1992, 328; Popp in LK-StGB, Rn. 110). Vorsatz
kann nicht mit einem Erfahrungssatz, wonach bei einer BAK von mehr als 3 ‰ ein
alkoholgewohnter Täter um seine vorsätzliche Berauschung wisse, begründet
werden (OLG Düsseldorf StV 1993, 425; NStZ 1998, 418; OLG Hamm StRR
06/2016, 3); auch nicht mit dem Wissen eines chronisch Alkoholabhängigen um
den bei ihm regelmäßig eintretenden Kontrollverlust (BGH NStZ-RR 2007, 368).
Zur Fahrlässigkeit gehört namentlich, dass der Eintritt eines Rausches von solcher
Schwere voraussehbar war (→ § 15 Rn. 46; enger Duttge, Zur Bestimmtheit des
Handlungsunwerts von Fahrlässigkeitsdelikten, 2001, S. 349); beruht dieser nicht
nur auf dem Rauschmittel, sondern auch auf anderen Ursachen (→ Rn. 3), so
müssen auch diese – soweit sie nicht nur unwesentliche Abweichungen des
Kausalverlaufs sind (BGH NJW 1979, 1370) – für den Täter erkennbar bzw.
voraussehbar gewesen sein (BGHSt 26, 363 = NJW 1976, 1901; BGH NJW 1975,
2250; StV 1987, 246 mAnm Neumann; BGH NStZ-RR 2000, 80, OLG Karlsruhe
BA 1991, 190; Cramer JZ 1971, 766; beachte auch OLG Zweibrücken BA 1991,
188); daran kann es beim pathologischen Rausch (→ Rn. 3) fehlen (BGHSt 40,
198 = StV 1994, 650 mit zust. Bespr. Blau JR 1995, 117; Otto JK StGB § 323a
Rn. 6; Schöch in Satzger/Schluckebier/Widmaier StGB Rn. 20). Das Urteil muss
angeben, ob vorsätzlicher oder fahrlässiger Vollrausch vorliegt (Spiegel DAR 1977,
142). Auch für die Schuld ist nur das Sichversetzen in den Rausch
Beurteilungsgrundlage; die Schuldfähigkeit kann hier – was schwierige
Abgrenzungsfragen aufwirft (Grüner BA 1979, 300) – namentlich wegen Alkohol-
oder Drogensucht des Täters ausgeschlossen oder vermindert sein (BGH StV
1992, 230; NStZ-RR 1997, 299; NStZ-RR 2007, 368; Geisler in MüKoStGB Rn. 65;
→ § 20 Rn. 4; → § 21 Rn. 2).

b) Die Rauschtat (→ Rn. 6) braucht für den Täter vor Eintritt der Schuldunfähigkeit 14
nicht voraussehbar gewesen zu sein; auch nicht die Möglichkeit, im Rausch
irgendwelche rechtswidrige Taten zu begehen (BGHSt 16, 124 = NJW 1961, 1733;
BGH StV 2019, 226; NStZ-RR 2021, 77; OLG Hamburg MDR 1982, 598; Puppe GA
1974, 98; Kusch, Der Vollrausch, 1984, S. 63; Fahl JuS 2005, 1076 (1078);
Paeffgen in NK-StGB Rn. 64; aM Hirsch ZStW-Beiheft 1981, 1 (10); Miseré, Die
Grundprobleme der Delikte mit strafbegründender schwerer Folge, 1997, S. 112;
Popp in LK-StGB Rn. 239–243; diff. Wolter NStZ 1982, 54). Abweichend fordern
BGHSt 10, 247 = NJW 1957, 996; und BGH JR 1958, 28, 5. Strafsenat, die letztere
Voraussicht oder Voraussehbarkeit (zur „nicht einheitlichen“ Rspr. Fischer Rn. 18;
Geisler in MüKoStGB Rn. 55, 56), halten sie aber idR für so selbstverständlich,
dass besondere Feststellungen hierzu nur ausnahmsweise erforderlich seien
(ebenso OLG Celle NJW 1969, 1588; NJW 1969, 1916; BayObLG NJW 1990, 2334;
OLG Hamm NStZ 2009, 40 mzustAnm Geisler); jedoch können im Einzelfall
besondere „Zurüstungen“ (zusf. Gollner MDR 1976, 182) gegen die Begehung von
Rauschtaten die Voraussehbarkeit ausschließen (BGHSt 10, 247 = NJW 1957,
996; OLG Celle VRS 37, 347; krit. Lackner JuS 1968, 215 (219); Hentschel
Trunkenheit Rn. 316, 319).

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5. a) Nach Abs. 2 ist die Strafe begrenzt durch die Strafdrohung für die begangene 15
Rauschtat (krit. Sieg MDR 1979, 549). Für deren Ermittlung sind zwingende
Strafbefreiungsgründe (zB § 60) sowie obligatorische (nicht nur fakultative, offen
gelassen BGH NJW 1992, 1519 mit Bespr. Streng JR 1993, 35; Paeffgen NStZ
1993, 66) gesetzliche Milderungsgründe iSd § 49 I relevant (BGH NJW 1992,
1519; näher Schöch in Satzger/Schluckebier/Widmaier StGB Rn. 35); jedoch kann
in den letzteren Fällen die Anwendung des Zweifelssatzes zur
Strafrahmenmilderung führen (BGH NJW 1992, 1519; NStZ 2017, 711). Zu Abs. 3
beachte §§ 77–77e. Er ist analog auf die Verjährung anzuwenden (OLG Naumburg
NJW 2001, 312; Geisler in MüKoStGB Rn. 86).

b) Zur Verfassungsmäßigkeit der Strafrahmen des § 323a BVerfG Spiegel DAR 16


1979, 181; krit. Wolter NStZ 1982, 54; Paeffgen ZStW 97 (1985), 513 (531);
Paeffgen in Egg/Geisler, Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 2000, S. 59. Bei der
Strafzumessung kommt es auf das Verschulden hinsichtlich des Berauschens an
(Mösl NStZ 1982, 150; OLG Stuttgart VRS 37, 121; Schäfer in Schäfer/Sander/van
Gemmeren Strafzumessung Rn. 935; aM Kusch, Der Vollrausch, 1984, S. 139, der
den Abs. 2 weder als Strafbegrenzungs- noch als Strafzumessungsregel versteht;
anders auch Streng ZStW 101 (1989), 273 (320); JR 1993, 35, der die Rauschtat
voll in die Beurteilung einbezieht und den aus Abs. 1 und 2 zu bildenden
Strafrahmen als eine – nicht näher konkretisierte – Strafrahmenmilderung
gegenüber dem Strafrahmen der Rauschtat deutet). Motive und Gesinnung, die
zur Rauschtat geführt haben, bleiben unberücksichtigt (OLG Hamm StRR 2014,
395). Jedoch ist das Maß der Schuld geringer, wenn der Täter nicht damit
gerechnet hat, dass er im Rausch irgendwelche rechtswidrigen Taten begehen
werde, und noch geringer, wenn er nicht damit rechnen konnte (OLG Karlsruhe
NStZ-RR 1996, 198; aM Wolters in SK-StGB Rn. 25; weiter Wolter NStZ 1982, 54,
der unter diesen Gesichtspunkten eine Aufspaltung des Strafrahmens fordert).
Nach der Rspr. können als Anzeichen der Gefährlichkeit des Rauschzustandes auch
Schwere und Auswirkungen der Rauschtat strafschärfend berücksichtigt werden
(BGHSt 16, 124 = NJW 1961, 1733; BGHSt 23, 375 = NJW 1971, 203; BGHSt 38,
356 (361) = NJW 1992, 3309; BGH NStZ-RR 1997, 300; NStZ-RR 2001, 15; zust.
Schöch in Satzger/Schluckebier/Widmaier StGB Rn. 36; einschr. BGH NStZ 1996,
334; Schäfer in Schäfer/Sander/van Gemmeren Strafzumessung Rn. 936); das
lässt sich allerdings nicht auf die in BGHSt 10, 259 = NJW 1957, 1117
entwickelten, durch § 46 II überholten (→ § 46 Rn. 34) Grundsätze stützen
(Theune StV 1985, 162 (163)), sondern nur mit der Systemfremdheit des
Tatbestandes (→ Rn. 1) und mit seinen am Gewicht der Rauschtat orientierten
Strafrahmen erklären (Bruns FS Lackner, 1987, 439 (452); iErg ebenso OLG
Karlsruhe NJW 1975, 1936; Puppe GA 1974, 98 (104); Frisch ZStW 99 (1987),
751 (757); aM Paeffgen in Egg/Geisler, Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 2000,
S. 59; Theune NStZ 1989, 215). Dagegen sollen nach der Rspr. die subjektiven
Umstände der Rauschtat (das innere Tatbild), namentlich die Motive, die
Zielvorstellungen und die Gesinnung des Täters, nicht schärfend zu Buch schlagen
dürfen (BGHSt 23, 375 = NJW 1971, 203; BGH NStZ-RR 1997, 300; krit. Bruns
FS Lackner, 1987, 439 (445); Kusch NStZ 1994, 132; zw.). Dasselbe soll auch für
das Unterlassen von Vorkehrungen gegen die Rauschtat vor Eintritt der
Schuldunfähigkeit gelten (OLG Stuttgart NJW 1971, 1815; krit. Fischer Rn. 22a);
jedoch wirken solche Vorkehrungen strafmildernd, wenn der Täter ihretwegen
weniger damit rechnen musste, im Rausch rechtswidrige Taten zu begehen (OLG
Karlsruhe NStZ-RR 1996, 198; Haubrich DAR 1980, 359). Vorsätzliches
Berauschen ist für sich allein im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot
(→ § 46 Rn. 45) kein tauglicher Strafschärfungsgrund (BGH StV 1992, 230; OLG
Karlsruhe NStZ-RR 1996, 198 (200)). Auch generalpräventive Strafschärfung, die
an die Rauschtat anknüpft, ist – mindestens idR – unzulässig (BGH bei Dallinger
MDR 1972, 198).

6. Die Tat ist eigenhändiges Delikt (Haft JA 1979, 165; aM Paeffgen in NK-StGB 17
Rn. 66; → § 25 Rn. 3). Daher scheidet mittelbare Täterschaft aus (hM; Geppert
Jura 2009, 40 (47); anders Spendel in LK-StGB, 11. Aufl. 1992, Rn. 264–267).
Auch Teilnahme (namentlich des Gastwirts) an der Tat des § 323a dürfte allgemein
auszuschließen sein, weil es Sinn dieser Vorschrift ist, die Pflicht zur
Selbstkontrolle nur dem Täter aufzuerlegen (Otto StrafR BT § 81 Rn. 20; aM
Geisler, Zur Vereinbarkeit objektiver Bedingungen der Strafbarkeit mit dem
Schuldprinzip, 1998, S. 413; Geisler in MüKoStGB Rn. 69, 70; Fahl JuS 2005,
1076 (1081); Hilgendorf in Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf StrafR BT § 40 Rn. 35;
Maurach/Schroeder/Maiwald StrafR BT II § 96 Rn. 23; im Übungsfall Schroeder
JuS 2004, 312 (316); Rengier StrafR BT II § 41 Rn. 26; Joecks/Jäger StGB

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Rn. 31; Hecker in Schönke/Schröder Rn. 24; krit. Neumann, Zurechnung und
„Vorverschulden“, 1985, S. 88). Beteiligung (Täterschaft und Teilnahme) an der
Rauschtat ist dagegen möglich; meist wird mittelbare Täterschaft in Frage
kommen (→ § 25 Rn. 2–5).

7. a) Beim Zusammentreffen des Vollrausches mit einer volldeliktischen Straftat 18


liegt idR Tatmehrheit vor (ebenso Geisler in MüKoStGB Rn. 74); Tateinheit kommt
jedoch in Frage, wenn ein Dauerdelikt (zB verbotener Sprengstoffbesitz) ohne
Zäsur von der Straftat zur Rauschtat iSd § 323a (→ Rn. 6) übergeht (BGH NJW
1992, 584; NStZ-RR 1999, 8; anders Fahl JuS 2005, 1076 (1080), nach dem die
Subsidiaritätsklausel eingreifen soll; zw.). Bei mehreren im selben Rausch
begangenen Rauschtaten liegt nur eine Tat nach § 323a vor (KG BeckRS 2016,
119951).

b) Ist die Rauschtat als actio libera in causa (alic, → § 20 Rn. 25–29) strafbar, so 19
scheidet § 323a aus (hM; vgl. etwa Hecker in Schönke/Schröder Rn. 31, 32:
subsidiär; ebenso Geppert Jura 2009, 40 (48); anders Paeffgen ZStW 97 (1985),
513). Begeht der Täter im Rausch neben einer alic eine andere Rauschtat, so steht
§ 323a mit der als alic strafbaren Tat in Tateinheit (BGHSt 17, 333 = NJW 1962,
1830; Geppert Jura 2009, 40 (48)); ebenso wenn im Rausch eine Handlung
begangen wird, die als fahrlässige alic strafbar ist, zugleich aber eine vorsätzliche
Rauschtat bildet (BGHSt 2, 14 = NJW 1952, 353; OLG Zweibrücken VRS 81, 282;
Fahl JuS 2005, 1076 (1080); Streng in MüKoStGB § 20 Rn. 145). Beachte die
neuere Rspr. zu Straßenverkehrsdelikten, die die alic dort nicht mehr anwendet
(BGHSt 42, 235 = NJW 1997, 138; → § 20 Rn. 25, 28; → § 315c Rn. 11).

8. Entziehung der Fahrerlaubnis § 69 (sa OLG Oldenburg NJW 1962, 693). 20


Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus § 63 (→ § 63 Rn. 3), in
einer Entziehungsanstalt § 64. Einziehung → § 74 Rn. 3, 5. Zuständigkeit OLG
Stuttgart MDR 1992, 290. Vollrausch bei Ordnungswidrigkeiten § 122 OWiG.
Sicherungsverwahrung § 66 III (→ § 66 Rn. 10a–10e). Nebenklage des durch die
Rauschtat Verletzten ist nur möglich, wenn dieser eine Veruretilung wegen
§§ 211 ff., §§ 223 ff. anstrebt (BGH NStZ-RR 2019, 353).

Zitiervorschläge:
Lackner/Kühl/Heger/Heger StGB § 323a Rn. 1-20
Lackner/Kühl/Heger/Heger, 30. Aufl. 2023, StGB § 323a Rn. 1-20

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