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Grundzüge des Erbrechts

Literaturempfehlungen

Leipold, Erbrecht, 22., neu bearbeitete Auflage. 2020


Brox/Walker, Erbrecht, 29., vollständig neu bearbeitete Auflage. 2021
Olzen/Looschelders, Erbrecht, 6. Auflage. 2020

Grundprinzipien

In sprachlicher Hinsicht sind das Erbrecht in einem objektiven und einem subjektiven
Sinn zu unterscheiden.

objektives Erbrecht subjektives Erbrecht

Alle privatrechtlichen Vorschriften, die Alle Rechte und Pflichten, die dem
den Übergang des Vermögens von Erben mit dem Erbfall aus dem
Todes wegen von einem Menschen auf objektiven Erbrecht erwachsen.
einen Rechtsnachfolger regeln.

Das Erbrecht ist verfassungsrechtlich, insb. grundrechtlich, durch Art. 14 Abs. 1 GG


garantiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2009, Az. 1 BvR 909/08, BVerfGE
91, 346):

“Das Erbrecht hat die Funktion, das Privateigentum als


Grundlage der eigenverantwortlichen Lebensgestaltung mit
dem Tode des Eigentümers nicht untergehen zu lassen,
sondern seinen Fortbestand im Wege der Rechtsnachfolge zu
sichern. Die Erbrechtsgarantie ergänzt insoweit die
Eigentumsgarantie und bildet zusammen mit dieser die
Grundlage für die im Grundgesetz vorgegebene private
Vermögensordnung.”

In weiteren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht den


verfassungsrechtlichen Schutz in Bezug auf die Testierfreiheit und das passive
Erbrecht konkretisiert (vgl. bspw. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25. März
2009, Az. 1 BvR 909/08, NJW-RR 2010, 156).
Die Ausgestaltung bleibt nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG im Einzelfall dem einfachen
Gesetzgeber vorbehalten und erlaubt auch ungeachtet dieser grundsätzlichen
Garantie Beschränkungen (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1995, Az. 2 BvR 552/91,
BVerfGE 93, 165-179):

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- Erbschaftsteuer, solange sie nicht konfiskatorisch wirkt (Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetz, neugefasst durch Bek. v. 27.2.1997 I 378)
- Pflichtteilsrecht als Beschränkung der Testierfreiheit.

Das - objektive - Erbrecht ist im Wesentlichen im fünften Buch des BGB geregelt;
ergänzende Regelungen finden sich

- in anderen Büchern des BGB (vgl. § 857 BGB und § 1371 BGB.
- im Lebenspartnerschaftsgesetz (§ 10 LPartG; § 6 LPartG iVm § 1371 BGB)
zum gesetzliches Erbrecht des überlebenden Lebenspartners.
- im HGB (§ 22 HGB) zur Fortführung der Firma (Handelsname).
- im sog. Höferecht (Landesrecht gem. Art. 64 EGBGB, Landesgesetz über die
Höfeordnung (HO - RhPf) in der Fassung vom 18. April 1967, zuletzt geändert
durch Gesetz v. 26. 9. 2000 (GVBl. S. 397).
- zu Verfahrensregelungen im BGB sowie (seit 2009) im FamFG (G. über das
Verfahren in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit), BeurkG.
- für das Internationales Erbrecht - zur Bestimmung des anwendbaren Rechts
bei Erbfällen mit internationalem Bezug - in Art. 25 EGBGB und in der EU-VO
über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die
Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen
sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom 4.7.2012 -
EuErbVO (gilt seit 17.8.2015). Daneben sind allerdings auch multi- und
bilaterale Staatsverträge (vgl. den Konsularvertrag zwischen der Türkischen
Republik und dem Deutschen Reiche v. 28.5.1929) zu berücksichtigen.

Es wird von drei Prinzipien beherrscht:

● Universalsukzession

Mit dem in § 1922 BGB geregelten Prinzip der Universalsukzession ist gemeint, dass
das Erbrecht jedem Menschen einen Rechtsnachfolger gibt, der in alle das
Vermögen betreffenden Rechte und Pflichten des Verstorbenen eintritt. Nur für ganz
wenige Bereiche sieht das Gesetz Sonderrechtsnachfolgen bei Tod vor, wie zB. die
in einigen Bundesländern geltende Höfeordnung (HöfeO). Darüber hinaus hat die
Rechtsprechung vereinzelte Rechts als nicht vererbbar anerkannt.

● unbeschränkte Verwandtenerbfolge

Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten bricht in fast allen Rechtsordnungen


irgendwo ab, während es in Deutschland keine Einschränkungen kennt. Dabei
schließen nähere Verwandten entferntere Verwandte von der Erbfolge aus, es gibt
aber keinen Verwandtschaftsgrad, der nicht wenigstens theoretisch noch zur
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Erbfolge berechtigen könnte. In der Praxis kann das zu erheblichen Schwierigkeiten
bei der Erbenermittlung führen.

● Testierfreiheit

In Deutschland ist der Erblasser dagegen frei, die Rechtsnachfolge nach seinem Tod
durch letztwillige Verfügung zu gestalten. Diesen Grundsatz nennt man
Testierfreiheit, ein Element der Privatautonomie, so wie die Vertragsfreiheit. Im
französischen Recht und vielen mit diesem verwandten Rechtsordnungen lässt sich
die eigentliche Erbfolge nicht testamentarisch regeln. Dort enthalten Testamente nur
Zuwendungen von Todes wegen. (Deus solus heredes facit.)

A. Erbfolge

1. Erbfall, Gesamtrechtsnachfolge

Wenn ein Mensch stirbt, hört er auf, Rechtssubjekt zu sein und wird als Erblasser
bezeichnet: Eine natürliche Person, durch deren Tod (Erbfall, § 1922 BGB) die
Erbschaft auf den oder die Erben übergeht. Für Zweifelsfälle1 hat der Gesetzgeber
das Verschollenheitsgesetz (vom 04.07.1939, gerade rechtzeitig für eine größere
Zahl von Zweifelsfällen) geschaffen. Von praktischer Bedeutung ist die sog.
Kommorientenvermutung nach § 11 VerschG, hiernach wird vermutet, dass von
mehreren gestorbenen oder für tot erklärten Menschen alle gleichzeitig gestorben
sind, wenn nicht bewiesen werden, dass der eine den anderen Menschen überlebt
hat; Bedeutung hat dies für die Erbfolge nach Ehegatten, wenn diese bspw. bei
einem Unfall versterben.

Soweit seine Rechte und Pflichten nicht mit dem Erblasser aufhören zu existieren,
bedarf es einer Regelung der Rechtsnachfolge. § 1922 Abs. 1 BGB stellt den
Grundsatz auf, dass alle zum Vermögen gehörenden Rechte und Pflichten - eben
das gesamte Vermögen - im Augenblick des Todes auf einen Rechtsnachfolger
übergeht. Diesen automatischen Vermögensübergang im Augenblick des Todes
bezeichnet man als Erbfall, das übergegangene Vermögen Erbschaft oder
Nachlass und den Rechtsnachfolger Erben. Es kann mehrere Erben geben, die je
zu einem Teil berufen sind. Jeder erhält dann ein Erbteil, auf das nach § 1922 Abs. 2
BGB die für die Erbschaft geltenden Vorschriften entsprechend anwendbar sind.
Zwischen mehreren Erben entsteht eine Erbengemeinschaft.
§ 1923 Abs. 1 BGB bestimmt, dass nur Erbe sein kann, wer zum Zeitpunkt des
Erbfalls lebt, nämlich rechtsfähig ist. Ein noch nicht geborenes Kind kann daher
noch nicht erben (§ 1 BGB). Hier hilft aber § 1923 Abs. 2 BGB: Ein Kind, das im
Zeitpunkt des Erbfalls bereits gezeugt, aber noch nicht geboren war (nasciturus), erbt

1
Die im Einzelfall nicht unheikel sein können:
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/rumaenien-gerichtsurteil-fuer-tot-erklaerter-mann-wieder-lebendig-a-1216654.html
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auf Grund einer Fiktion, wenn es später lebend geboren wird. Es gilt dann als vor
dem Erbfall geboren. Auf diese Weise entsteht kein Zeitraum, währenddessen das
Kind noch nicht am Erbe beteiligt war (ein höchstens neunmonatiger
Schwebezustand, in dem seine Beteiligung noch nicht feststeht). Eine Erweiterung
erfährt die Erbfähigkeit auch durch § 2101 Abs. 1 BGB, wonach eine zZ. des Erbfalls
noch nicht gezeugte Person, die als Erbe eingesetzt werden soll, als Nacherbe gilt,
sofern das nicht dem Willen des Erblassers entgegensteht.
Auch eine juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft kann Erbe sein.
Sie muss dazu grundsätzlich beim Erbfall schon existieren. Hier sieht § 2101 Abs. 2
BGB ebenfalls eine Erweiterung für die juristische Person vor, die erst nach dem
Erbfall zur Entstehung gelangt. Der durch Testament erst gegründeten Stiftung hilft §
84 BGB mit einer Fiktion.
Die in der allgemeinen Berichterstattung beliebte Einsetzung von Tieren als
Begünstigte ist damit mangels einer gesetzlichen Regelung zur Rechtsfähigkeit, auch
nur ergänzend zur Erbfähigkeit, rechtlich nicht unmittelbar möglich. Maßgeblich ist
hier die Auslegung der letztwilligen Regelung in jedem Einzelfall; ggf. bietet es sich
an, die Versorgung des Tieres als Auflage für einen aus dem Testament zu
ermittelnden Erben zu interpretieren.

Nicht zur Erbmasse gehören:

● Persönlichkeitsrechte, denn sie sind untrennbar mit der Person verbunden;


sie erlöschen grundsätzlich mit dem Tod, vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1968,
Az. I ZR 44/66, BGHZ 50, 133-147 “Mephisto”:

“Es ist nicht entscheidend, daß das Persönlichkeitsrecht ...


als höchstpersönliches Recht unübertragbar und unvererb-
lich ist.”

Ausgenommen hiervon sind allerdings die vermögenswerten Bestandteile des


Persönlichkeitsrechts, vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1968, Az. I ZR 44/66,
BGHZ 50, 133-147 “Mephisto” und BGH, Urteil vom 01. Dezember 1999, Az. I
ZR 49/97, BGHZ 143, 214-232 “Marlene Dietrich”:

“Andererseits ist aber allgemein anerkannt, daß der


Verstorbene nicht nur übertragbare materielle Werte
hinterläßt, sondern daß auch immaterielle Güter seinen Tod
überdauern, die verletzbar und auch nach dem Tode noch
schutzwürdig sind …”

“Die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeits-


rechts bestehen nach dem Tode des Trägers des
Persönlichkeitsrechts jedenfalls fort, solange die ideellen
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Interessen noch geschützt sind. Die entsprechenden
Befugnisse gehen auf den Erben des Trägers des
Persönlichkeitsrechts über und können von diesem
entsprechend dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen
Willen des Verstorbenen ausgeübt werden.”

Als Anwendungsfälle nennt der Bundesgerichtshof hier ausdrücklich als


vermögensrechtlich relevante Ausnahmefälle das Recht am eigenen Bild nach
§ 22 KUG und das Namensrecht nach § 12 BGB.
Schmerzensgeldansprüche sind nach § 1922 BGB, der insofern kein
Einschränkung kennt, grundsätzlich vererbbar. Allerdings werden Ausnahmen
für die Fälle gemacht, in denen das Opfer kurz nach der Verletzungshandlung
verstirbt oder der Anspruch auf Verletzung von Persönlichkeitsrechten beruht.
Schmerzensgeldansprüche sind nichts anderes sind als Schadensersatz-
ansprüche für immaterielle Schäden (vgl. § 253 BGB). Wird hingegen ein
Persönlichkeitsrecht verletzt, soll das Schmerzensgeld nach der Recht-
sprechung des BGH (Urteil vom 23.05.2017, Az. VI ZR 261/16) vor allem
“Genugtuung” bieten; ein Erfolg, der allerdings nur beim Verletzten eintreten
kann. für einen Erben handelt es sich lediglich um Geld.

● unvererbliche Vermögensrechte (zB. der Nießbrauch, § 1061 S. 1 BGB)

● das Recht der Totensorge, also die Frage, was mit dem Leichnam, der kein
vermögenswertes Gut und damit auch nicht vererbbar ist, geschieht. Diese
wird gewohnheitsrechtlich von den nächsten Angehörigen ausgeübt. Grenzen
der Ausübung finden sich allerdings immer im Willen des Verstorbenen.
Spezielle Regelungen finden sich im Transplantationsgesetz (vgl. §§ 3, 4,
TPG - Organentnahme mit Zustimmung des Verstorbenen bzw. anderer
Personen). Bezüglich der Bestattung findet sich den §§ 1968, 844 BGB nur
eine Kostenregelung findet, da das Bestattungsrecht Teil des öffentlichen
Rechts mit der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder ist (vgl.
Bestattungsgesetz (BestG) vom 4. März 1983, zuletzt geändert durch Gesetz
vom 19.12.2019 (GVBl. S. 341), Landesverordnung zur Durchführung des
Bestattungsgesetzes vom 20. Juni 1983, zuletzt geändert durch Verordnung
vom 15.04.2020 (GVBl. S. 126)).

● Rechtspositionen, die das Gesetz einer Sonderrechtsnachfolge unterwirft


(zB. ein Wohnraummietverhältnis, wenn die Voraussetzungen von §§ 563,
563a BGB vorliegen).

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird mit dem Tod eines Gesellschafters
aufgelöst (§ 727 Abs. 1 BGB), die Gesellschafterposition ist also nicht im eigentlichen
Sinne vererblich. Vererbt werden nur die Rechte und Pflichten, die aus der Auflösung der

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Gesellschaft entstehen. Meist enthalten Gesellschaftsverträge aber eine
Nachfolgeklausel, was § 727 Abs. 1 BGB zulässt. In diesem Fall vollzieht sich die
Nachfolge in die Gesellschafterposition außerhalb des Erbrechts (also als
Sonderrechtsnachfolge), und zwar auch dann, wenn der Gesellschaftsvertrag den Erben
zum Nachfolger bestimmt. Obwohl kein Recht im eigentlichen Sinne, ist der Besitz
vererblich (§ 857 BGB). Damit soll sichergestellt werden, dass die Besitzschutzrechte (§§
858 ff. BGB) auch in der Zeit zwischen dem Tod eines Menschen und der Inbesitznahme
der Erbschaft durch die Erben nicht leer laufen. Der - im Grunde genommen rein fiktive -
Erbenbesitz an einem Nachlassgegenstand endet, sobald irgendjemand ihn tatsächlich in
Besitz nimmt.

Dabei gilt bei der Erbfolge der Grundsatz des sog. Vonselbsterwerbs, § 1942 BGB:
Die Erbschaft geht auf den oder die Erben ohne Weiteres über.
Niemand ist verpflichtet, einem anderen nachzufolgen. Deshalb muss die Erbschaft
angenommen werden. Allerdings hängt die Erbenstellung hiervon nicht ab. Erbe ist
auch, wer die Erbschaft noch nicht angenommen hat. Will er dies ändern, muss er
sie ausschlagen. Die Ausschlagung erfolgt nach § 1945 BGB durch einseitige,
empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht
(amtsempfangsbedürftige Erklärung). Sie muss in öffentlich beglaubigter Form
erfolgen, wenn sie nicht unter Anwesenden (zu Protokoll des Gerichts)
vorgenommen wird. Stellvertretung ist möglich, doch ist die Vollmacht formbedürftig
(§ 1945 Abs. 3 BGB).
Wer angenommen hat, kann nicht mehr ausschlagen (§ 1943 BGB). Die Annahme
ist formlos möglich, auch durch konkludente Handlung, zB. die Verwendung von
Nachlassgegenständen zu eigenen Zwecken. Reine Notverwaltungsmaßnahmen am
Nachlass (auch die schlichte Inbesitznahme) lassen jedoch noch nicht auf einen
Annahmewillen schließen. Es gilt als Annahme, wenn der Erbe die
Ausschlagungsfrist von sechs Wochen (§ 1944 BGB) versäumt.
Sowohl die Annahme als auch die Ausschlagung unterliegen den Vorschriften der
§§ 119 ff. BGB über Willensmängel mit den in §§ 1954 bis 1957 geregelten
Besonderheiten. Auch die Annahme durch Fristversäumung kann danach - (obwohl
nur Fiktion eines Rechtsgeschäfts) - angefochten werden. Die Anfechtung der
Annahme gilt als Ausschlagung und umgekehrt. Die Ausschlagung wirkt auf den
Zeitpunkt des Erbfalls zurück (§ 1953 Abs. 1 BGB). Wer zwischenzeitlich als Erbe
gegolten hat und es nun rückwirkend nicht mehr ist, wird hinsichtlich der von ihm
vorgenommenen Verwaltungshandlungen wie ein berechtigter Geschäftsführer ohne
Auftrag behandelt, § 1959 BGB, §§ 677 bis 687 BGB. Hiernach kann der zeitweilige
Erbe zum einen Ersatz seiner Aufwendungen von dem oder den Erben verlangen,
hat diesen aber auch durch die Verwaltung Erlangtes herauszugeben; darüber
hinaus treffen den zeitweiligen Erben als “Geschäftsführer ohne Auftrag” Pflichten,
für deren Verletzung er ggf. Schadensersatz schuldet.

Die Erbfolge kann entweder vom Erblasser durch Verfügung von Todes wegen
geregelt werden oder sie ist dem Gesetz zu entnehmen. Man spricht
dementsprechend entweder von gewillkürter Erbfolge nach § 1937 BGB oder von
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(dispositiver) gesetzlicher Erbfolge nach § 1924 BGB. Die gewillkürte verdrängt die
gesetzliche Erbfolge, so weit sie reicht; wird testamentarisch ein Erbe nur für einen
Bruchteil eingesetzt, wird der Rest des Nachlasses im Wege der gesetzlichen
Erbfolge verteilt, § 2088 BGB. Die gewillkürte Erbfolge durch Verfügung von Todes
wegen unterscheidet zwischen der einseitigen Verfügung (Testament, letztwillige
Verfügung) und der vertraglichen Verfügung, dem sog. Erbvertrag. Eine Stellung
etwas außerhalb dieses Systems hat das sog. Pflichtteilsrecht nach § 2303 BGB, das
eingreift, wenn ein gesetzlicher Erbe durch Verfügung von Todes wegen von seinem
gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen wird. Der Pflichtteilsberechtigte wird daher
auch nicht Erbe, insb. nicht Mitglied einer Erbengemeinschaft, er erwirbt lediglich
einen schuldrechtlichen Anspruch auf Auszahlung des “Pflichtteils” gegen den oder
die Erben.

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Erbrecht

gesetzliches Erbrecht gewillkürtes Erbrecht


§ 1924 BGB § 1937 BGB

Pflichtteilsrecht einseitige Verfügung vertragliche Verfügung


§ 2303 BGB (Testament) (Erbvertrag)

2. Gesetzliche Erbfolge

Als gesetzliche Erben kommen in Betracht:

● die Verwandten (vgl. § 1589 BGB), begründet durch die Abstammung (§ 1591
BGB) oder Annahme als Kind (§§ 1754, 1770 BGB
● der (nicht als voll- oder halbblütige Geschwister verwandte, § 1307 S. 1 BGB!)
Ehegatte und
● der Lebenspartner des Erblassers.

a) Verwandtenerbfolge

Die Verwandtenerbfolge ist dadurch geprägt, dass die Verwandten zunächst in


Ordnungen (Parentelen, deswegen auch Ordnungs- oder Parentelsystem) eingeteilt
werden. Das deutsche Recht hat sich dabei nicht für ein sog. Gradualsystem
entschieden, bei dem der jeweils in niedrigsten Grad verwandte Erbberechtigte alle
weiteren Erbberechtigten ausschließt.

Erben Erben Erben Erben Erben


1. Ordnung 2. Ordnung 3. Ordnung 4. Ordnung 5. Ordnung

§ 1924 BGB § 1925 Abs. 1 § 1926 Abs. 1 § 1928 Abs. 1 § 1929 Abs. 1

Abkömmlinge Eltern des Großeltern des Urgroßeltern Ururgroßeltern


des Erblassers Erblassers und Erblassers und des Erblassers des Erblassers
deren deren und deren und deren
Abkömmlinge Abkömmlinge Abkömmlinge Abkömmlinge

Kinder, Enkel, Eltern, Großeltern, Urgroßeltern,


Urenkel etc. Geschwister Cousins, Großcousins,
Cousinen -cousinen

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§ 1930 BGB bestimmt, dass immer nur die Verwandten einer Ordnung erben können.
Ist auch nur ein einziger Verwandter einer bestimmten Ordnung vorhanden, schließt
er demnach die Verwandten aller höheren Ordnungen von der Erbfolge aus. So
lange also noch irgendein noch so ferner Abkömmling eines Elternteils des
Erblassers (2. Ordnung) lebt, können die Großeltern des Erblassers (3. Ordnung)
nichts erben, selbst wenn sie näher verwandt sind. Der Urgroßneffe (5. Grad)
schließt den Onkel (3. Grad) von der Erbfolge aus.

Innerhalb der ersten drei Ordnungen gilt, dass das Erbe nach Linien und
Stämmen verteilt wird (§§ 1924 Abs. 2 - Abs. 4, 1925 Abs. 2, Abs. 3, 1926 Abs. 2 -
Abs. 5 BGB):

Zunächst erhält jede Erblinie einen gleichen Anteil. Die Anzahl der Linien bestimmt
sich nach den in der Parentel zuoberst vorhandenen Personen. In der 1. Ordnung
existiert nur eine Linie (die des Erblassers), in der 2. Ordnung sind es normalerweise
zwei (die väterliche und die mütterliche), in der 3. Ordnung gibt es normalerweise vier
Linien (nämliche eine je Großelternteil). Erst wenn eine Linie vollkommen erloschen
ist, wird sie nicht mehr berücksichtigt.

Die Erbfolge nach Stämmen bedeutet: Ein lebender Verwandter schließt alle seine
Nachkommen von der Erbfolge aus. Er erbt als Repräsentant seines ganzen
Stammes (Repräsentationsprinzip, § 1924 Abs. 2 BGB). An die Stelle eines
vorverstorbenen Verwandten treten dessen Nachkommen (Eintrittsrecht, § 1924 Abs.
3, 1925 Abs. 3 S. 1, 1926 Abs. 3 und 4 BGB). Dabei teilt sich sein Stamm zugleich
wieder in ebenso viele Stämme auf, wie er direkte Nachkommen hat. Auch diese
Stämme können wieder aufgeteilt sein. Nur wenn ein Stamm vollständig erloschen,
also das letzte lebende Stammesmitglied verstorben ist, wird er bei der Erbfolge nicht
mehr berücksichtigt.

Die Erbteilung nach Linien ist hin und wieder kompliziert zu berechnen, wenn voll-
und halbbürtige Verwandte vorhanden sind, da die vollbürtigen Verwandten ja
gleichzeitig zu zwei Linien gehören.

Die Ermittlung der Anteile erfolgt nach dieser “Checkliste”:

1. Welche Erbordnung kommt zum Zuge (§ 1930 BGB)?

2. Wie wird innerhalb der Ordnung verteilt?

a. gleiche Erbanteile, § 1924 Abs. 4 BGB unter Berücksichtigung des


Repräsentations- und Eintrittsprinzips, § 1924 Abs. 2 und 3 BGB)
b. innerhalb der zweiten und dritten Ordnung:
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i. Eltern erben alleine und zu gleichen Teilen, § 1925 Abs. 2 BGB.
ii. Eintritt von Abkömmlingen eines vorverstorbenen Elternteils,
sind keine Abkömmlinge vorhanden, erbt der überlebende
Elternteil alleine, § 1925 Abs. 3 BGB.
iii. Eintritt von Abkömmlingen eines vorverstorbenen
Großelternteils, sind keine Abkömmlinge vorhanden, erbt der
überlebende Großelternteil alleine, § 1926 Abs. 3 BGB.

3. Sonderfall: Bei Zugehörigkeit zu mehreren Stämmen wird jeder Stammesanteil


gesondert behandelt, § 1927 BGB. Das Gleiche gilt für einen verwandten
Ehegatten, § 1934 BGB

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Erblasser E hat ein formgültiges Testament errichtet, wonach sein Freund


F die Hälfte seines Vermögens erben soll. Zur Zeit des Erbfalls leben noch
Vater V, die Schwester S und ein Halbbruder B, wobei B und E über die
väterliche Linie verwandt sind.

Die gewillkürte Erbfolge geht gemäß § 1937 BGB der gesetzlichen vor.
Laut Testament erbt F aber nur die Hälfte des Vermögens, d.h. auch nur
insoweit wird die gesetzliche Erbfolge verdrängt, § 2088 Abs. 1 BGB.

Einen Ehegatten gibt es nicht.

Erben erster Ordnung liegen nicht vor.

Erben zweiter Ordnung sind Vater und Mutter des E, § 1925 Abs. 1 BGB.
Sie erben zu gleichen Teilen, § 1925 Abs. 2 BGB. V erbt also 1/4 . Da die
Mutter nicht mehr lebt, tritt ihr Abkömmling S an ihre Stelle, § 1925 Abs. 3
S. 1 BGB. S bekommt also ebenso 1/4.

Halbbruder B ist in der Linie des V durch den noch lebenden V


ausgeschlossen (Repräsentationsprinzip), § 1925 Abs. 2 BGB. In der Linie
der Mutter des E kann B nicht gemäß § 1925 Abs. 3 S. 1 BGB eintreten,
da er nicht Abkömmling der Mutter ist.

F erbt ½, V und S jeweils ¼.

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E stirbt kinderlos. Sie war das zweite gemeinsame Kind von M und F, die
beide schon verstorben sind. Das andere gemeinsame Kind war ihre
vorverstorbene Schwester S, die vier Kinder (S1, S2, S3 und S4)
hinterließ. Außerdem hatte ihr Vater aus erster Ehe noch die beiden
Söhne B1 und B2 und ihre Mutter aus einer vorehelichen Beziehung die
Tochter T.

Einen solchen Fall kann man nur durch streng logisches Vorgehen in der
entsprechenden Reihenfolge lösen:

Einen Ehegatten gibt es nicht. Erben erster Ordnung existieren nicht, lediglich Erben
zweiter Ordnung.

Zuerst existieren zwei Linien, die von M und die von F. Jeder Linie steht die Hälfte
des Nachlasses zu. Die Linie von M teilt sich in die Stämme B1, B2 und S
gleichmäßig auf, also je zu 1/6 der gesamten Erbschaft. Die Linie von F teilt sich in
die Stämme von S und T, je zu 1/4 der Erbschaft. Der Stamm von S erhält also in der
einen Linie 1/6, in der anderen Linie 1/4, zusammen 5/12 der Erbschaft. Diese 5/12
teilen sich S1, S2, S3 und S4 gleichmäßig, erhalten also jeweils 5/48 der Erbschaft.

Also erben:

S1 bis S4 - jeweils 5/48, zusammen 20/48


B1 und B2 - jeweils 1/6 = 8/48, zusammen 16/48
T –¼ 12/48

Das addiert sich auf 48/48.

Überprüfen Sie am Ende Ihrer Vorüberlegungen immer die rechnerische Richtigkeit!


Ist die Summe der Anteile nicht 1, haben Sie irgendwo einen Fehler, den Sie finden
sollten, bevor Sie Ihren Lösungsvorschlag ausformulieren.

§ 1927 BGB regelt den seltsamen Spezialfall, dass jemand nicht in mehreren Linien,
sondern in mehreren Stämmen zur Erbfolge berufen ist. Auch dann erhält er beide
Anteile und sie addieren sich zu einem einzigen Erbteil:

E ist Vater von M, B1 und B2. Außerdem ist er der Vater der I, die er im
Inzest mit M gezeugt hat. Nun stirbt E, wobei M schon vorverstorben ist.
Da er vier Kinder hinterlässt, teilt sich sein Erbe in vier Stämme (den von
M, B1, B2 und T). B1, B2 und T erhalten also je 1/4. T ist aber außerdem -
kraft Eintrittsrechts - auch als Nachkomme von M berufen. Ist sie deren
einziges Kind, erhält sie folglich auch den kompletten Anteil dieses

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Stammes. Im Ergebnis erbt sie also die Hälfte, wobei dies nach § 1927 S.
2 BGB als ein einheitlicher Erbteil angesehen wird.

-------------------------------------------

Erblasser E ist verstorben. Er hatte vier Kinder, K1, K2 und K4 sind


vorverstorben, K2 hatte drei Kinder, K4 hat ein Kind und drei Enkel.

Es erben die Erben erster Ordnung, das Erbe verteilt sich auf die drei
Stämme von K2 bis K 4. Der Stamm von K1 ist bereits ausgestorben und
damit nicht zu berücksichtigen. K2 ist vorverstorben, es erben zu gleichen
Teilen dessen drei Kinder zu gleichen Teilen (Eintrittsprinzip). K3 erbt den
Anteil seines Stammes. K4 ist vorverstorben, es tritt an seine Stelle sein
Kind, das die drei Enkel des K4 und Urenkel des E ausschließt
(Repräsentationsprinzip).

Die Quoten lauten im Einzelnen:

K1 -> vorverstorben
K2 -> E1 bis E3 : ⅓ x 3 = 1/9
K3 -> ⅓
K4 -> E4 : ⅓, U1 bis U3 werden ausgeschlossen

In der vierten Ordnung und den noch höheren Ordnungen wird dagegen nach
Gradesnähe verteilt (Gradualsystem, §§ 1928 Abs. 2, Abs. 3, 1929 Abs. 2 BGB):

Nur derjenige Verwandte, der innerhalb der Ordnung mit dem Erblasser im nächsten
Grad verwandt ist, erbt. Mehrere gleich nahe Verwandte teilen sich das Erbe nach
Köpfen.

Zur Illustration des Unterschieds:

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Hinterlässt ein Erblasser als nächste Verwandte die Kinder seiner beiden
Geschwister (2. Ordnung), wobei sein Bruder vier, seine Schwester ein Kind hat, so
sind Erben in zwei Stämmen vorhanden. Es wird also zunächst in zwei Hälften
geteilt. Die eine Hälfte teilen sich die Kinder des Bruders, die andere erhält das Kind
der Schwester, so dass sich eine höchst ungleiche Verteilung ergibt (einmal 1/2 und
viermal 1/8). Lebte einer der fünf Enkel auch nicht mehr, würden dessen Kinder in
seinen Anteil eintreten. Hinterlässt der Erblasser hingegen als einzige Verwandte die
vier Kinder eines Großcousins und das Kind einer Großcousine (4. Ordnung), so
erben diese als gleich nahe Verwandte und teilen nach Köpfen, erhalten also je 1/5
der Erbschaft. Ist einer der fünf nicht mehr am Leben, erben die anderen je 1/4, auch
wenn der vorverstorbene Verwandte Kinder hinterlassen hat.

b) Ehegatte und Lebenspartner

Das Erbrecht des Ehegatten ist in §§ 1931 bis 1934 und 1371 Abs. 1 BGB geregelt.
Entsprechendes gilt für das Erbrecht des Lebenspartners. Es hängt vom Güterstand
ab.

Der Ehegatte erbt immer neben den Verwandten der ersten beiden Ordnungen
(Abkömmlingen und Eltern) oder Großeltern. Er verdrängt alle entfernteren
Verwandten (auch die Nachkommen der Großeltern, sprich Onkel und Tanten) von
der Erbfolge (§ 1931 Abs. 2 BGB).

Voraussetzungen für das Ehegattenerbrecht sind

- eine wirksame und bestehende Ehe bzw. Lebenspartnerschaft zum


Zeitpunkt des Erbfalls. Daran fehlt es bei einer rechtskräftigen Aufhebung
nach §§ 1313 ff BGB bzw. einer Scheidung nach §§ 1564 ff BGB.
Entsprechendes gilt für die Aufhebung der Lebenspartnerschaft nach §§ 15 ff
LPartG.
- es dürften keine Voraussetzungen für die Vorverlagerung der Beendung
der Ehe bzw. der Lebenspartnerschaft nach § 1933 BGB bzw. nach § 10 Abs.
3 LPartG vorliegen. Die Wirkungen der Beendung der Ehe werden
vorverlagert, wenn zur Zeit des Erbfalls die Voraussetzungen für die
Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung
beantragt oder ihr zugestimmt hatte. § 167 ZPO2 ist nicht anwendbar.

Ansonsten gilt:

§ 253 ZPO Erhebung der Klage: (1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

§ 167 ZPO Rückwirkung der Zustellung: Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen
oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der
Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

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● Neben den Erben erster Ordnung erbt der Ehegatte : ¼
zweiter : ½
weiterer : Alleinerbe

● Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft erhält der Ehegatte


neben Verwandten der 1. Ordnung damit die Hälfte, neben Verwandten der 2.
Ordnung 3/4 (§§ 1931 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB). Zu dem
erbrechtlichen Anteil tritt ein pauschalierter, güterrechtlicher Zugewinn-
ausgleich von ¼ (erbrechtliche Lösung). Ohne Bedeutung ist hierbei, ob die
Ehegatten während der Ehezeit tatsächlich Zugewinn erzielt haben bzw. wie
hoch der tatsächliche, nach den §§ 1373 bis 1390 BGB zu ermittelnde
Zugewinnausgleich ist Die Erhöhung um ¼ erfolgt also pauschal und
unabhängig von einer tatsächlich bestehenden Zugewinnausgleichsforderung
des überlebenden Ehegatten. Bestand die Ehe noch nicht allzu lange Zeit
oder war das Anfangsvermögen sehr hoch, ist diese Lösung in der Regel
vorteilhafter für den überlebenden Ehegatten als die Berechnung des konkre-
ten Zugewinnausgleichs.
● Daneben besteht die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen, den Pflichtteil (§
1371 Abs. 3 BGB) zu verlangen und die güterrechtliche Auseinandersetzung
zu betreiben (§ 1371 Abs. 2 BGB, güterrechtliche Lösung). Das wäre dann zu
empfehlen, wenn der erbrechtlich zu ermittelnde Anteil in seinem Umfang
deutlich hinter dem Pflichtteil (der Hälfte des gesetzlichen Erbteils) und dem
güterrechtlichen Ausgleich zurückbleibt, wenn also mit einem außerordentlich
hohen Zugewinnausgleich zu rechnen ist. Das setzt in der Beratung - sowie
der Klausurbearbeitung - eine sorgfältige Berechnung des Ergebnisses beider
Lösungswege voraus.
Finden Sie in einem Sachverhalt keine Angaben zum Güterstand, überprüfen
Sie zunächst, ob der Güterstand tatsächlich relevant ist, wenn er das ist,
gehen Sie von der Zugewinngemeinschaft aus, da es gerade der gesetzliche
Güterstand ist, der bei Fehlen einer güterrechtlichen Vereinbarung
anzuwenden ist.
● Sind beide Ehegatten gleichzeitig verstorben, kann keiner den anderen
beerben, § 1923 Abs 1, auch nicht als Nacherbe, §§ 2108 Abs 1, 2160. Für
die erbrechtliche Lösung ist daher kein Raum, ebensowenig für die
güterrechtliche Lösung: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
wird der Zugewinn im Rahmen des § 1371 Abs. 2 BGB nur zu Gunsten des
überlebenden Ehegatten ausgeglichen, nicht aber zu Gunsten der Erben des
verstorbenen Ehegatten (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1978, Az. IV ZR 47/77,
BGHZ 72, 85-92).
● Bestand beim Erbfall Gütertrennung, so erhält der Ehegatte neben
Verwandten 1. Ordnung ebensoviel wie jedes Kind (bzw. jeder kindliche

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Stamm), mindestens aber 1/4, neben anderen Verwandten die Hälfte (§ 1931
Abs. 1 1, Abs. 4 BGB). Ein güterrechtlicher Ausgleich findet nicht statt.
● Bestand Gütergemeinschaft, so erbt der Ehegatte neben Verwandten der 1.
Ordnung 1/4, neben anderen Verwandten die Hälfte (§ 1931 Abs. 1 BGB).
Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass ihm die Hälfte des Gesamtguts
ohnehin zufällt, zum Nachlass also nur das Vorbehaltsgut des Verstorbenen
(das nur dem Ehegatten persönlich zusteht) und die andere Hälfte gehört.
Wird die Gütergemeinschaft nach dem Tod fortgesetzt, so wird der Ehegatte
an der zum Nachlass gehörenden Hälfte des Gesamtguts gar nicht beteiligt (§
1483 Abs. 1 3 BGB). Ist der Ehegatte neben Großeltern zur Erbfolge berufen,
erbt er nach § 1931 Abs. 1 2 BGB außerdem (zusätzlich) die Erbteile, die auf
Abkömmlinge von Großeltern fallen würden, wenn kein Ehegatte vorhanden
wäre. Das ist eine seltsame Regel mit zT. kuriosen Ergebnissen, doch sind
Konstellationen dieser Art ohnehin ausgesprochen selten.

Ist der Ehegatte gleichzeitig als Verwandter zur Erbfolge berufen, erhält er zwei
getrennte Erbteile (§ 1934 BGB). Das kann (auf legalem Wege) vorkommen, wenn
Onkel und Nichte (bzw. Tante und Neffe) oder Adoptivgeschwister (vgl. § 1308 Abs. 2
BGB) einander geheiratet haben, zulässig ist auch eine Heirat zwischen Cousin und
Cousine.
Das Erbrecht des Ehegatten entfällt, wenn die Ehe noch vor dem Tod des
Erblassers durch rechtskräftiges Scheidungs- oder Aufhebungsurteil beendet wird.
Bestand ein Anspruch des überlebenden Ehegatten auf nachehelichen Unterhalt, so
haftet hierfür der Nachlass bis zur Höhe des Betrages weiter, den der frühere
Ehegatte hätte als Pflichtteil verlangen können, wenn die Ehe noch bestünde (§
1586b BGB).
Ist zur Zeit des Erbfalls ein Scheidungs- oder Aufhebungsverfahren anhängig,
kann es - als persönliches Verfahren - nicht mehr fortgesetzt werden. Doch genügt
auch dies schon zum Wegfall des Ehegattenerbrechts, wenn der Antrag begründet
war und der verstorbene Ehegatte ihn gestellt oder ihm zugestimmt hatte (§ 1933
BGB).
Das Erbrecht des Lebenspartners ist in § 10 LPartG geregelt. Es entspricht im
Ergebnis dem des Ehegatten. Es kann nur nicht durch Aufhebbarkeit ohne
Antragstellung entfallen, weil eine § 1318 Abs. 5 BGB entsprechende Norm fehlt.

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Exkurs: Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruches

Ehepartner 1 Ausgleichsanspruch: Ehepartner 2


§ 1378 Abs. 1 BGB: 15.000 €

Endvermögen: 50.000 € Zugewinn Überschuss


40.000 € 30.000 €

Zugewinn 10.000 € End-


10.000 € vermögen

Eheschließung

Anfangs- 10.000 € 0€ Anfangs-


vermögen: vermögen

Der gesetzliche Güterstand ist die Zugewinngemeinschaft; bei der Klausur ist er
immer dann zu Grunde zu legen, wenn er ausdrücklich vereinbart wurde, der
Sachverhalt feststellt, dass keine Vereinbarung getroffen wurde oder der Sachverhalt
keine Aussage zum Güterstand trifft. Bei der Zugewinngemeinschaft bleibt jeder
Ehegatte Eigentümer seines Vermögens bzw. des Erwerbs im Laufe der Ehezeit,
sofern nicht ausdrücklich zum Miteigentum erworben wurde. Der Gesetzgeber geht
allerdings davon aus, dass der Vermögenserwerb eines Ehegatten immer durch die
Leistungen des anderen Ehegatten begünstigt wurde, so dass ein Ausgleich am
Ende der Ehe durchzuführen ist.
Bei der Berechnung des Anspruches auf Zugewinnausgleich wird für jeden
Ehegatten getrennt die Höhe des Zugewinns in der Dauer der Ehe durch Subtraktion
des Anfangs- vom Endvermögen ermittelt. Danach wird von dem höheren Zugewinn
der geringere Zugewinn abgezogen, das Ergebnis ist der Überschuss, den der
wirtschaftlich erfolgreichere Ehegatte erzielen konnte. Die Hälfte davon hat er seinem
Ehegatten auszugleichen.

Ehepartner 2 hat hier einen Zugewinnausgleichsanspruch nach § 1378 Abs. 1 BGB


in Höhe von 15.000 € gegen Ehepartner 1.

Exkurs: Ende

Bei der Ermittlung der Anteile nach Erb- und Güterrecht ist ein mehrstufiges
Vorgehen zwingend (!) erforderlich:

1. Ermittlung der erbberechtigten Verwandten


Von der Existenz, dem Verwandtschaftsgrad und der Anzahl der Erben hängt
die Höhe der Erbquote des Ehegatten ab, § 1931 BGB, § 10 LPartG.

2. Ermittlung des Güterstandes

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Bei der Zugewinngemeinschaft erfolgt eine pauschale Erhöhung des
güterrechtlichen Anteils des Ehegatten nach § 1931 BGB bzw. § 6 LPartG
iVm. § 1371 BGB; ggf. kann auch eine güterrechtliche Lösung gewählt
werden. Bei der Gütertrennung gilt § 1931 Abs. 4 BGB bzw. § 10 Abs. 2 S. 2
LPartG.

3. Bestimmung der Höhe des Ehegatten-/Lebenspartneranteils

4. Bestimmung der Quoten der übrigen Erben


durch Multiplikation der Erbquote mit dem nach Abzug des
Ehegatten-/Lebenspartneranteils verbleibenden Bruchteils.

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Hier finden Sie noch einen allgemeinen grafischen Ablaufplan zur
Vorgehensweise zur Ermittlung der Anteile bei dem Zusammentreffen von
Ehegatten und Verwandten:

Die “Quoten der einzelnen Verwandten” bzw. die Summe von Ehegatten- und
Verwandtenerbteilen muss jeweils 1 ergeben.

Für den geschiedenen Ehegatten gilt, dass dieser keine Erbberechtigung als
gesetzlicher Erbe hat - unberührt bleibt ein Erbrecht auf Grund einer
verwandtschaftlichen Beziehung; Entsprechendes gilt in der Folge für ein
Pflichtteilsrecht, § 2303 Abs. 2 BGB. Im Zweifel gibt es auch keine Erbberechtigung
nach gewillkürtem Erbrecht aus Testament (§ 2077 BGB) oder Erbvertrag (§ 2279
Abs. 2 BGB).
Für den Fall, dass es nach § 1933 BGB zu einer Vorwirkung der beantragten
Ehescheidung kommt, hat der - noch rechtskräftig zu scheidende - Ehegatte einen
Unterhaltsanspruch gegen den oder die Erben, §§ 1933 BGB iVm. §§ 1569 bis
1586b BGB sowie einen Güterrechtsausgleich wegen der Beendung der Ehe durch
Tod nach § 1371 Abs. 2 BGB.

Eine weitere Besonderheit regelt § 1963 BGB: Der oder die Erben schulden der
werdenden Mutter eines Erben den Unterhalt.

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E hinterlässt einen Ehegatten und zwei Kinder. Der Nachlasswert beträgt
einer Mio. €, die sämtlich während der Ehe erarbeitet wurden. Der
überlebende Ehegatte hat kein Vermögen erarbeitet.

Was raten Sie dem Ehegatten?

Erbrechtliche Lösung:

Ehegatte erbt nach §§ 1931 Abs. 1 und 3, 1371 Abs. 1 BGB neben Erben
erster Ordnung ¼ des Nachlasses (= 250.000 €) auf erbrechtlichem Weg,
ein weiteres Viertel im Wege des pauschalierten Zugewinnausgleichs von
Todes wegen (= 250.000 €). Der Ehegatte hat hier einen Anspruch auf die
Hälfte des Nachlasses, insgesamt 500.000 €. Die Kinder erben jeweils zur
Hälfte die verbleibende Hälfte des Nachlasses, jedes Kind also 250.000 €.

G : erbrechtllich, § 1931 Abs. 1 ¼ = 250.000 €


güterrechtlich, § 1371 Abs. 1 ¼ = 250.000 €
Gesamt ½ = 500.000 €

K1erbrechtlich, § 1924 Abs. 1 ¼ = 250.000 €


K2erbrechtlich, § 1924 Abs. 1 ¼ = 250.000 €
Gesamt ½ = 500.000 €

Damit ist der gesamte Nachlass zur Verteilung gelangt.

Güterrechtliche Lösung

Der Ehegatte schlägt aus, er wird damit nicht Erbe, § 1953 Abs. 1 BGB. Er
macht den Pflichtteilsanspruch nach § 1931 Abs. 3 iVm. § 2303 BGB den
gesetzlichen Anspruch auf seinen Pflichtteil in Höhe der Hälfte des

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gesetzlichen Erbteils in Höhe von (½ x ¼ =) ⅛ und damit 125.000 €
geltend.

E Ausgleichsanspruch: G
§ 1378 Abs. 1 BGB
500.000 €

Endvermögen: 1.000.000 € Zugewinn Überschuss


1.000.000 € 1.000.000 €

Zugewinn 0€ End-
0€ vermögen

Eheschließung

Anfangs- 0€ 0€ Anfangs-
vermögen: vermögen

Daneben macht der Ehegatte einen Zugewinnausgleichsanspruch nach §


1378 Abs. 1 BGB geltend; da der Sachverhalt keine Angaben zum
Güterstand macht, ist vom gesetzlichen Güterstand auszugehen. Die
Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruches ergibt einen Betrag von
500.000 €. Dies ergibt für G unter Hinzurechnung des erbrechtlichen
Anteils einen Betrag von insgesamt 625.000 €.
Die Kinder erben jeweils den Rest zu je der Hälfte, insgesamt 375.000 €.

G : erbrechtllich, § 2303 Abs. 1 1/8 = 125.000 €


güterrechtlich, § 1378 Abs. 1 ¼ = 500.000 €
Gesamt ½ = 625.000 €

K1erbrechtlich, § 1924 Abs. 1 ¼ = 187.500 €


K2erbrechtlich, § 1924 Abs. 1 ¼ = 187.500 €
Gesamt ½ = 375.000 €

Damit ist der gesamte Nachlass zur Verteilung gelangt.

Ergebnis:

Dem Ehegatten ist hier die sog. güterrechtliche Lösung zu empfehlen, da


sich der Ehegatte um 125.000 € besser (!) steht. Dem Ehegatten ist daher
zu empfehlen, das Erbe auszuschlagen.

Exkurs: Die Auswirkungen des Erbschaftsteuerrechts

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Bei der güterrechtlichen Lösung liegt der erbrechtliche Anteil von 125.000 € unter
den Freibetrag nach § 16 des Schenkungs- und Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG)
von 500.000 € für Ehegatten, der güterrechtlich ermittelte Anteil ist
erbschaftsteuerfrei nach § 5 Abs. 2 ErbStG. Die Wahl dieser Gestaltungsweise ist
damit steuerunschädlich.

Der Anteil, der nach der erbrechtlichen Lösung ermittelt wurde, unterliegt der
Erbschaftssteuer, überschreitet hier allerdings auch nicht den Freibetrag. Der
güterrechtlich zu ermittelnde Ausgleichsbetrag bleibt hier nach § 5 Abs. 1 ErbStG
steuerfrei. Die Wahl dieser Gestaltungsweise ist damit steuerunschädlich.

Da in diesem Beispiel beide Modelle steuerunschädlich sind, kommt es auf die


steuerrechtliche Lage nicht an.

In der Praxis ist die erbrechtliche Beratung ohne Berücksichtigung der steuerrecht-
lichen Belange eine hochriskante und haftungsträchtige Angelegenheit, in der
Klausur werden entsprechende Ausführungen (ungefragt) nicht erwartet.

Exkurs: Ende

c) Aufgebot der Erben, Fiskus als Noterbe

Häufig stirbt niemand, ohne dass ein erbberechtigter Verwandter vorhanden ist. In
der Zeit einer stetigen Überalterung der Gesellschaft und zunehmenden Rückgänge
der Geburtenrate nehmen diese Fälle allerdings zu. Oft stößt dann die Ermittlung der
erbberechtigten Verwandten wegen des unbegrenzten Verwandtenerbrechts auf so
große praktische Schwierigkeiten, dass die Kosten hierfür den Nachlass aufzuzehren
drohen. Außerdem stellt sich dann die Frage, wer in der Zwischenzeit für die
Verwaltung des Nachlasses zuständig ist.
§ 1960 Abs. 1 S. 2 BGB sieht für den Fall, dass die Erben nicht bekannt sind, die
Bestellung eines Nachlasspflegers vor. Dieser hat die Aufgabe, die Erben zu
ermitteln. Zugleich verwaltet er den Nachlass als deren gesetzlicher Vertreter. Die
stetige Kostenüberwachung bei der Ermittlung der Erben sowie der Verwaltung des
Nachlasses sind eine haftungsträchtige Aufgabe der Nachlasspfleger, die nach § 317
Abs. 1 InsO auch zur Stellung eines Insolvenzantrags berechtigt und gegenüber den
Erben wohl auch verpflichtet, arg. aus § 1985 Abs. 2 S. 2 BGB.

Gelingt es innerhalb einer angemessenen Frist nicht, einen Erben zu ermitteln,


werden die Erben aufgeboten (§ 1965 Abs. 1 S. 1 BGB), es sei denn, dies ist wegen
der Geringwertigkeit des Nachlasses nicht sinnvoll (§ 1965 Abs. 1 S. 2 BGB). Bei
dem Aufgebot handelt es sich um eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung der
Erbrechte innerhalb einer bestimmten Frist; wird diese versäumt, bleibt ein Erbrecht
unberücksichtigt.
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Nach Ablauf der Anmeldefrist stellt das Nachlassgericht durch Beschluss nach §
1966 BGB fest, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist (§ 1964
Abs. 1 BGB). Von da an wird vermutet, dass der Erblasser durch den Staat beerbt
worden ist (§ 1964 Abs. 2 BGB). Erbe kann entweder ein Land oder der Bund oder
mehrere Länder zu gleichen Teilen sein (vgl. § 1936 BGB, dessen Formulierung
immer noch der Reichsverfassung von 1871 entspricht). Der Fiskus kann nach §
1942 Abs. 2 BGB nicht ausschlagen. Einen Ausgleich für die fehlende Möglichkeit
der Ausschlagung findet sich in Haftungserleichterungen zu Gunsten des Fiskus:
Zum einen in § 780 Abs. 2 ZPO3 und zum anderen kann der Fiskus - wie jeder Erbe
auch - die sog. Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB erheben, sofern deren
Voraussetzungen, die Ablehnung oder Aufhebung der Nachlassverwaltung oder der
Nachlassinsolvenz mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse,
vorliegen.

d) Wegfall des Erbrechts

Das Erbrecht kann auf vier Wegen wegfallen:

● durch Ausschlagung (§§ 1944 ff. BGB),


● durch Erbunwürdigkeit (§§ 2339 ff. BGB) und
● durch Erbverzichtsvertrag (§§ 2346 ff. BGB)
● durch Verfügung von Todes wegen - für das gesetzliche Erbrecht.

Die Folgen sind nicht identisch. Ausschlagung und Erbunwürdigkeit betreffen den
gesetzlichen Erben nur persönlich. Es wird so getan, als würde er nicht mehr leben.
Das Eintrittsrecht seiner Nachkommen bleibt erhalten (§§ 1953 Abs. 2, 2344 Abs. 2
BGB). Ein Erbverzicht, der nach § 2348 BGB der notariellen Beurkundung bedarf,
bewirkt dagegen, dass der Verzichtende so behandelt wird, als habe er nie gelebt.
Sein ganzer Stamm ist dann von der Erbfolge ausgeschlossen (§ 2349 BGB).

§ 780 ZPO Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung:


(2) Der Vorbehalt ist nicht erforderlich, wenn der Fiskus als gesetzlicher Erbe verurteilt wird oder wenn das Urteil über eine
Nachlassverbindlichkeit gegen einen Nachlassverwalter oder einen anderen Nachlasspfleger oder gegen einen
Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Nachlasses zusteht, erlassen wird.

Seite 22 von 48
3. Gewillkürte Erbfolge

Die Erbfolge kann grundrechtlich nach Art. 14 Abs. 1 GG zulässigerweise vom


Erblasser nach § 1937 ff BGB zu Lebzeiten sowohl durch einseitiges Rechtsgeschäft
(Testament) als auch durch Erbvertrag mit Vorrang vor dem gesetzlichen Erbrecht
geregelt werden.

Rechtsgeschäftliche Verpflichtungen, nicht oder in einer bestimmten Art und Weise


seine Nachfolge von Todes wegen zu regeln, sind nach § 2302 BGB ohne weiteres
unwirksam (“Ich verpflichte mich, meinen Neffen, den Norbert, als Alleinerben
einzusetzen”). Der Erbvertrag nach § 1941, 2273 BGB stellt keine Ausnahme von
diesem Verbot dar, da der Erbvertrag selbst die letztwillige Regelung enthält (“Ich
setze hiermit meinen Neffen, den Norbert, als Alleinerben ein.”)

a) Testament

Das Testament ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit
dem Tode des Erblassers wirksam wird. Die Vorschriften des Allgemeinen Teils über
Willenserklärungen werden allerdings stark modifiziert.

Die letztwillige Verfügung - durch Testament oder Erbvertrag - verlangt die materielle
und formelle Höchstpersönlichkeit der Abgabe, §§ 2064f., 2274 BGB und ist nach §
2253 BGB für den Erblasser frei widerruflich. Die Auslegung erfolgt nach § 2084
BGB unter Berücksichtigung des Erblasserwillens, nicht - wie andere
Willenserklärungen - nach dem objektiven Empfängerhorizont, § 157 BGB. Führt die
Auslegung des Wortlauts nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, sind für die
Auslegung außerhalb des Testaments liegende Umstände heranzuziehen, wie zB.
Äußerungen des Erblassers zu seinem Testament, Alter, Aussagen bei der
Testamentserrichtung anwesender Personen (Notar, Rechtsanwalt, überlebender
Ehegatte), berufliche Stellung des Erblassers, Beziehung des Erblassers zu im
Testament genannten Personen (familiäre, persönliche oder berufliche Beziehung),
Bildung des Erblassers, Einkommens- und Vermögensverhältnisse relevanter
Personen, Geschäftsgewandtheit des Erblassers, Mittelherkunft, mit dem ein
bestimmter Gegenstand erworben wurde, örtliche Umstände, Religion, Schriftstücke
des Erblassers (insbes. Testamentsentwürfe, widerrufene oder formungültige
Testamente), Verhalten des überlebenden Ehegatten (bei Ehegattentestament),
Vermögen: Herkunft, Höhe und die Verwandtschaft und Beziehung bedachter
Personen).

Der reiche Exzentriker E verfügt über eine Sammlung aus wertvollen


Inkunabeln des 17. Jhdts. bestehenden Büchern.

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Er verkauft dem K seine “Bibliothek” zu einem bestimmten Preis. Als E
verstirbt, verlangt K von der Alleinerbin S die Lieferung der “Bibliothek”
Zug um Zug gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises. S teilt dem
verdutzten K mit, dass sie sehr gerne den Weinkeller des E herausgeben
wird, der aus einigen Tüten “Südtiroler Bauerntrunk” und zwei Flaschen
Moselaner Liebfrauenmilch besteht. E habe - was zutreffend ist - seinen
Weinkeller immer als “Bibliothek” bezeichnet, seine Büchersammlung
hingegen immer als die “alten Schinken”. K besteht auf Lieferung der
Bücher

Kann K Lieferung der Bibliothek verlangen?

Abwandlung:

Der reiche Exzentriker E vermacht testamentarisch seinen Neffen, dem


nichtsnutzigen Norbert (N), seine “Bibliothek”, seine Schwester S setzt er
zur Alleinerbin ein. N verlangt von S die Herausgabe der “Bibliothek”.

Kann N Lieferung der Bibliothek verlangen?

Ausgangsfall:

K könnte einen Anspruch nach § 433 BGB haben, wenn zwischen K und E
ein entsprechender Kaufvertrag über eine “Bibliothek” zustande
gekommen ist, was äußerlich nach den Angaben im Sachverhalt auch der
Fall war. Ob dabei tatsächlich eine Einigung erfolgt ist, muss die
Auslegung der Erklärung des Begriffes “Bibliothek” erbringen, die nach §§
133, 157 BGB zu erfolgen hat; maßgeblich ist hier, was ein objektiver
Dritter aus dem Verkehrskreis der Parteien unter der Erklärung verstehen
musste, der sog. “objektive Empfängerhorizont”. Ein verständiger Dritter
hätte unter dem Begriff “Bibliothek” eine Büchersammlung verstanden,
nicht den Inhalt eines wie auch immer bestückten Weinkellers. Objektiv
haben sich E und K über den Verkauf der Büchersammlung verständigt.
Möglicherweise ist diese Willenserklärung des E nach § 119 BGB
anfechtbar, doch wurde eine Anfechtungserklärung nicht abgegeben, auch
dürfte eine jetzt noch erfolgende Anfechtungserklärung nicht mehr
fristgemäß nach § 121 BGB sein.
K kann daher von S die Lieferung der Büchersammlung nach § 433 Abs. 1
BGB verlangen.

Abwandlung:

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N könnte einen Anspruch auf Übereignung des Vermächtnisses gegen S
haben, wenn E ein Vermächtnis über seine Büchersammlung dem N
vermacht hat. Nach dem Wortlaut ist das nach den Angaben im
Sachverhalt der Fall. Fraglich ist, ob der Begriff auch nach §§ 133, 157
BGB entsprechend wörtlich auszulegen ist. Problematisch könnte hier
jedoch sein, dass nach § 2084 BGB bei der Auslegung der
testamentarischen Regelungen der immer so zu verfahren ist, dass der
wirkliche Wille des Erblassers zur Geltung kommt. Hier ist es so, dass der
Erblasser seinen “Weinkeller” als “Bibliothek” bezeichnet hat, so dass der
Auslegung der testamentarischen Regelung dieses Verständnis zu Grund
zu legen ist.
N hat lediglich einen Anspruch auf Übereignung einiger Tüten “Südtiroler
Bauerntrunk” und zweier Flaschen Moselaner Liebfrauenmilch gegen S.

Bei der Anfechtung erbrechtlicher Verfügungen ist der Vorrang des § 2078 BGB
gegenüber den Regeln des Allgemeinen Teils des BGB zu beachten. Insbesondere
gilt dabei, dass nach § 2078 Abs. 2 BGB jeder Motivirrtum erheblich ist, während §
119 Abs. 2 BGB lediglich den Motivirrtum für erheblich erklärt, der sich auf
“verkehrswesentliche Eigenschaften” einer Sache bezieht, nach allgemeinem
Verständnis auf Faktoren, die eine wertbildende Funktion haben.

Angriffe auf die Testierfreiheit führen zur Erbunwürdigkeit nach § 2339 Abs. 1 Nr. 1
bis 4 BGB.

Der nichtsnutzige Norbert macht dem todkranken Erbonkel E vor, sein


Pfleger P, den der E als Alleinerben einsetzen wollte, habe den E seit
Jahren bestohlen. E ändert daraufhin seinen Entschluss und setzt den N
als Alleinerben ein.

Der testamentarische Alleinerbe N erklärt dem E, das sei ja eine


hervorragende Idee, nunmehr den Pfleger P auf Grund dessen
jahrelanger aufopfernder Pflege zum Alleinerben einzusetzen. Er, N, habe
bereits einen Computerausdruck vorbereitet, den E nur noch
unterschreiben müssen, das sei dann auch alles absolut wirksam. E
vertraut auf diese Aussage, unterschreibt den Ausdruck und unternimmt
nichts weiter.

Die Erbunwürdigkeit wird durch Anfechtung des Erbschaftserwerbs nach dem Anfall
der Erbschaft - einem Nacherben gegenüber sobald die Erbschaft dem Vorerben
angefallen ist - innerhalb der in § 2082 bestimmten Fristen geltend gemacht. Sie ist
ausgeschlossen, sobald der Erblasser dem Erbunwürdigen “verziehen” hat, § 2343
BGB. Eine Verzeihung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor,
wenn der Erblasser nach außen zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Kränkung,
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die durch das in Rede stehende Verhalten hervorgerufen wurde, nicht mehr als
solche empfindet, er also das Verletzende der Kränkung als nicht mehr existent
betrachtet (BGH, Urteil vom 07. Juni 1961 – V ZR 18/60 –;BGH, Urteil vom 23. Mai
1984 – IVa ZR 229/82 –, BGHZ 91, 273-281). Diese Grundsätze geltend
entsprechend für die Verzeihung bei der Entziehung eines Pflichtteils nach § 2337
BGB.

Bei Leistungen im Hinblick auf die Inaussichtstellung einer Erbeinsetzung besteht die
Möglichkeit der Rückforderung dieser Leistungen gegenüber den Erben nach § 812
Abs. 1 S. 1 S. 2 Alt. 2 BGB iVm. § 1967 BGB.

Pflegerin P erbringt Pflegeleistungen im Wert von monatlich 2.000 € an


den schwerreichen Exzentriker E, der ihr im Gegenzug die Einsetzung als
Alleinerbin verspricht. Allerdings hat E auch dem Gärtner G sowie dem
Hausmeister H Entsprechendes versprochen und tatsächlich seinen
missratenen Neffen, den nichtsnutzigen Norbert, zum Alleinerben
eingesetzt. Vereinbarungen über eine bestimmte Regelung der Nachfolge
von Todes wegen sind unwirksam, § 2302 BGB - selbst wenn man von
einer solchen Vereinbarung zwischen P und E ausgehen wollte. P kann
daher keinen Erbanteil fordern. Allerdings besteht für P in den Grenzen
der Verjährung die Möglichkeit, den Gegenwert der Pflegeleistungen
wegen der Verfehlung eines Zwecks herauszuverlangen, §§ 812 Abs. 1 S.
1 S. 2 Alt. 2, 818 Abs. 2 BGB. Details der Zweckverfehlungskondiktion
sind umstritten, die Darstellung hier dient lediglich der Veranschaulichung,
nicht der Darlegung einer vollständigen Lösung.

Grenzen findet die Testierfreiheit in einer Reihe von Punkten:

● gesetzliche Verbote iSv § 134 BGB (zB § 14 HeimG)


● Pflichtteilsrecht (§§ 2303 ff BGB)
● Sittenwidrigkeit (§ 138 I BGB), vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Oktober 1993,
Az. IV ZR 231/92, BGHZ 123, 368-379 “Behindertentestament”:

“Eine Verfügung von Todes wegen, mit der Eltern ihr


behindertes, auf Kosten der Sozialhilfe untergebrachtes
Kind nur als Vorerben auf einen den Pflichtteil kaum
übersteigenden Erbteil einsetzen, bei seinem Tod ein
anderes Kind als Nacherben berufen und dieses zum
Vollerben auch des übrigen Nachlasses bestimmen,
verstößt nicht gegen BGB § 138 Abs 1, auch soweit
dadurch der Träger der Sozialhilfe Kostenersatz nicht
erlangt.”

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● Erfordernis der Testierfähigkeit (§§ 2229 ff BGB)

Testierunfähig ist abweichend von § 104 BGB, wer

● das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 2229 Abs. 1 BGB), oder
● wegen einer psychischen Störung nicht in der Lage ist, die Bedeutung
eines Testaments einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (§
2229 Abs. 4 BGB).

Wer noch nicht volljährig, aber testierfähig ist, kann ein Testament (nur) ohne
Mitwirkung seines (gesetzlichen) Vertreters errichten (§§ 2064, 2229 Abs. 2
BGB). Die Errichtung eines eigenhändigen Testaments bleibt allerdings
ausgeschlossen, § 2247 Abs. 4 BGB, ebenso wie die eines notariellen
Testaments durch Übergabe einer verschlossenen Schrift, § 2233 Abs. 1
BGB.

Bei einer Testierunfähigkeit wegen einer psychischen Störung muss diese -


nach § 130 Abs. 2 BGB - bei der Abgabe der Erklärung vorliegen, wobei aber
die Testierfähigkeit vermutet wird und das Vorhandensein einer relevanten
psychischen Störung zu beweisen ist.

Im Rahmen eines Erbvertrags muss der Erblasser voll geschäftsfähig sein, §


2275 Abs. 1 BGB, eine Ausnahme besteht nach § 2275 Abs. 2 BGB nur für
Ehegatten; für den Vertragspartner gelten die allgemeinen Vorschriften, §§
104 ff BGB.

● “Numerus clausus” der Verfügungsarten (§§ 1937 ff BGB)

Darunter versteht man, dass der Erblasser keine besonderen


Gestaltungsarten der erbrechtlichen Gestaltung erfinden darf, er muss sich der
Formen bedienen, die der Gesetzgeber vorgesehen hat.

Sachliche Begrenzungen:

Materielle Begrenzungen (§§ 1937 – 1941 BGB)


Erbeinsetzung, § 1937 BGB), §§ 2087 ff BGB
Enterbung, § 1938 BGB, §§ 2333 ff BGB
Vermächtnis, § 1939 BGB, §§ 2147 ff BGB
Auflage, § 1940 BGB, §§ 2192 ff BGB
Erbvertrag, § 1941 BGB, §§ 2274 ff BGB

Formelle Begrenzung
Wahrung der Formen der §§ 2231 ff BGB
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Zeitliche Begrenzungen:

Die Nacherbeneinsetzung nach § 2109 BGB sowie die Testamentsvoll-


streckung nach § 2210 BGB sind auf 30 Jahre beschränkt.

● Formvorschriften (§§ 2231 ff BGB)

Das Testament kann nur in bestimmten Formen errichtet werden. Man


unterscheidet zwei ordentliche und drei außerordentliche Testamentsformen:

Ein öffentliches Testament kann nach §§ 2231 Nr. 1, 2232 S. 1 Alt. 1 BGB durch
mündliche Erklärung gegenüber dem Notar errichtet werden. Der Notar fertigt
hierüber eine Niederschrift an. Das Beurkundungsgesetz regelt nähere Einzelheiten.
Möglich ist nach §§ 2231 Nr. 1, 2232 S. 1 Alt. 2 BGB auch die Übergabe einer
Schrift an den Notar, verbunden mit der Erklärung, dass diese den letzten Willen
enthalte. Beurkundet wird nur diese Erklärung. Die Schrift wird als Anlage zu der
Niederschrift über die Erklärung verwahrt. § 2232 S. 2 BGB stellt klar, dass dem
Notar zu diesem Zweck auch eine verschlossene Schrift übergeben werden kann.
Bei Minderjährigen ist die Übergabe einer verschlossenen Schrift, bei Personen, die

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nicht lesen können, ist die Übergabe einer Schrift überhaupt ausgeschlossen, § 2233
BGB. Die übergebene Schrift braucht weder vom Erblasser selbst zu stammen noch
im Übrigen einer besonderen Form zu genügen, selbst eine Unterschrift ist nicht
notwendig. Noch nicht einmal den Inhalt der Schrift muss der Erblasser kennen, es
genügt, dass er ihn hätte lesen können. Es kann jede Sprache und Schrift verwendet
werden, die der Erblasser versteht und lesen kann. Verwendet er einen Code, muss
er allerdings auch die Chiffre dem Notar übergeben. Blinde können durch Übergabe
einer in Blindenschrift gefertigten Schrift testieren.

Die zweite ordentliche Form ist das eigenhändige Testament des § 2247 Abs. 1
BGB. Um gültig zu sein, muss es vom Erblasser selbst geschrieben und
unterschrieben sein. Die Angabe von Ort und Datum ist nicht zwingend
vorgeschrieben, § 2247 Abs. 2 BGB, doch kann ihr Fehlen erhebliche
Beweisschwierigkeiten verursachen, da spätere letztwillige Verfügungen ggf als
Widerruf der früheren Verfügung zu deuten sind. Das Datum kann damit
entscheidend sein, wenn mehrere einander widersprechende Testamente existieren
und eine chronologische Einordnung anders nicht möglich ist. Die Angabe des Ortes
kann mit Rücksicht auf Art. 26 EGBGB von Bedeutung sein. Wenn sich auf Grund
fehlender Orts- oder Zeitangaben die Wirksamkeit des Testaments nicht feststellen
lässt, kann der Bedachte auf Grund der Beweislast leer ausgehen.
Eine Unterschrift muss das Testament räumlich abschließen, eine “Unterschrift” am
oberen Seitenrand führt so zu einem Formmangel. Der Erblasser soll mit vollem Vor-
und Nachnamen unterschreiben (§ 2247 Abs. 3 1 BGB). Für die Wirksamkeit genügt
es aber, dass sich der Aussteller auf anderem Wege zweifelsfrei ermitteln lässt
(„Euer Vater“). Die Unterschrift muss, wie immer sie aussieht, auf die Ernsthaftigkeit
der Erklärung schließen lassen4. Besteht das Testament aus mehreren Blättern,
müssen diese eindeutig verbunden oder einzeln unterschrieben sein. Zur eindeutigen
Verbindung genügt die durchlaufende Nummerierung der Seiten.
Eigenhändig ist das Testament nur geschrieben, wenn es mit der Hand (oder ggf.
mit einem anderen Körperteil wie zB. dem Fuß) auf die Unterlage gebracht wurde.
Die Zuhilfenahme anderer technischer Hilfsmittel als des Schreibgeräts ist nicht
erlaubt. Schreibmaschinen- oder gar Computertext kommt nicht in Frage. Ob Bleistift,
Füller oder Kugelschreiber verwendet wurden, ist nicht relevant. Es ist auch als
ausreichend angesehen worden, dass das Testament mit einem nicht
funktionierenden Stift unter Verwendung von Kohlepapier geschrieben wurde. Die
Unterlage muss insofern lediglich geeignet sein, das Testament dauerhaft zu
konservieren. Schreiben mit dem Stock in den Sand genügt daher nicht.
Minderjährige können kein eigenhändiges Testament errichten, § 2247 Abs. 4 BGB.
Dies kann auch nicht, wer das von seiner Hand Geschriebene nicht selbst lesen
kann. Blinde können daher ebenfalls kein eigenhändiges Testament errichten, da sie

4
Ein Kriterium, das ich bislang für unproblematisch hielt, bis mir kürzlich eine mit der Zeichnung eines Vogels unterschriebene
Klageschrift vorgelegt wurde.
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normale Schrift nicht lesen können und in Blindenschrift nicht ohne (weitere)
technische Hilfsmittel geschrieben werden kann.

Die außerordentlichen Testamentsformen sind für die Fälle gedacht, in denen der
Erblasser in Todesgefahr ist und einen Notar nicht rechtzeitig erreichen zu können
meint; die Besorgnis einer Testierunfähigkeit steht dabei der Todesgefahr gleich,
sofern zu besorgen ist, dass diese bis zum Eintritt des Todes für die Errichtung eines
ordentlichen Testamentes nicht hinreichend lange behoben wird.

Es gibt:

● das Nottestament vor dem Bürgermeister, § 2249 BGB,


● das Dreizeugentestament, § 2250 BGB und
● das Seetestament, § 2251 BGB.

Vor dem Bürgermeister kann mündlich testieren, wer einen Notar nicht rechtzeitig vor
seinem Tod erreichen zu können meint. Das kommt kaum noch vor, weil
Bürgermeister nach der Gebietsreform seltener sind als Notare. Maßgeblich ist, dass
das Vorliegen einer objektiven Notlage oder die subjektive Überzeugung des
Bürgermeisters - oder dessen Stellvertreters, nicht irgendeines
Gemeindebediensteten - von einer Notlage; die Aufassung des Erblassers ist
unerheblich.
Wer weder einen Notar noch den Bürgermeister erreichen zu können meint, kann vor
drei Zeugen mündlich testieren, die allerdings zumindest subjektiv die Notlage
annehmen müssen, auf die Einschätzung des Erblassers kommt es nicht an;
Wirksamkeitsvoraussetzung ist das objektive Vorliegen einer Notlage nicht (BGH,
Urteil vom 15. November 1951, Az. IV ZR 66/51, BGHZ 3, 372-381). Die an der
Errichtung Beteiligten dürfen durch das Testament nicht begünstigt werden; sind
mehr als drei Zeugen beteiligt, ist allerdings die Begünstigung einzelner Zeugen
unschädlich, solange drei nicht ausgeschlossene Zeugen verbleiben. Das
Seetestament setzt überhaupt nur voraus, dass sich der Erblasser bei sei der
Errichtung auf einem Schiff auf hoher See oder in einem ausländischen Hafen
befunden hat. Eine Notlage wird hier überhaupt nicht verlangt.
Die an der Errichtung Beteiligten dürften nicht durch das Testament begünstigt oder
als Testamentsvollstrecker eingesetzt werden. Aus § 2249 Abs 1 S. 3 Halbsatz 2
BGB iVm. § 7 Beurkundungsgesetz (BeurkG) und § 27 BeurkG ergibt, führt ein
Verstoß gegen dieses Hinzuziehungsverbot nicht zur vollständigen Unwirksamkeit
des Testaments, sondern nur zur Unwirksamkeit der Zuwendung an den Zeugen
bzw. seiner Einsetzung als Testamentsvollstrecker.

Außerordentliche Testamente haben aber eine begrenzte Gültigkeitsdauer. Sie


treten außer Kraft, wenn der Erblasser drei Monate nach ihrer Errichtung weder
gestorben ist noch vermisst wird, § 2252 BGB.
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Außerordentliche Testamente

Nottestament vor dem Nottestament vor drei Nottestament auf


Bürgermeister Zeugen See
§ 2249 BGB § 2250 BGB § 2251 BGB

Wirksamkeitsvoraussetzungen
- Testierfähigkeit des Erblassers - Testierfähigkeit des Erblassers - Testierfähigkeit des
- die Besorgnis des Ablebens des - Vorliegen einer Situation iSd. Erblassers
Erblassers oder der Erblasser ist § 2250 Abs. 1 oder 2 oder drei - Der Erblasser muss
gem. § 2250 Abs. 1 BGB abgesperrt Zeugen nahmen das Vorliegen sich auf einer Seereise
- mündliche Erklärung des letzten dieser Situationen an - auf einem deutschen
Willens des Erblassers, aber auch - Unmöglichkeit der Errichtung Schiff
in jeder anderen eines eigenhändigen Testa- - außerhalb eines inlän-
Verständigungsform, die mentes dischen Hafens befin-
beurkundungsrechtlich zuläs- sig ist, - der Erblasser erklärte seinen den
oder durch Übergabe einer offenen letzten Willen gegenüber den - im Übrigen Voraus-
oder verschlossenen Schrift drei Zeugen setzungen des § 2250
- vor dem Bürgermeister oder dessen - kein gesetzlicher Ausschluss Abs. 3 BGB
gesetzlichen Stellver- treter der eines der drei Zeugen von der - kein Außerkrafttreten
Gemeinde, in der der Erblasser sich Mitwirkung nach § 2252 BGB
gerade aufhält - die Anfertigung der Nieder-
- während der gesamten Verhandlung schrift des erklärten Willens in
der Bürgermeister und zwei Zeugen deutscher oder einer anderen
gleichzeitig anwesend sein Sprache
- kein gesetzlicher Ausschluss eines - in Anwesenheit aller drei Zeu-
der Beteiligten von der Mitwirkung gen während der gesamten
- Anfertigung einer Niederschrift Dauer der Errichtung der Nie-
- Verlesung der Niederschrift in derschrift
Anwesenheit des Testators, des - der Erblasser und die Zeugen
Bürgermeisters und der zwei müssen der Sprache der Nie-
Zeugen derschrift hinreichend kundig
- Genehmigung durch den Erblasser sein
- das Vorlesen der Niederschrift
- Die genehmigte Niederschrift muss gegenüber dem Erblasser
vom Erblasser, den Zeugen und - die vom Erblasser erklärte
dem Bürgermeister unterzeichnet Genehmigung
werden. Dabei ist die Unterschrift - die Unterzeichnung der
des Erblassers zwingend Nieder- schrift durch die
erforderlich. Errichtungs- zeugen
- Nach der Errichtung hat der - kein Außerkrafttreten nach §
Bürgermeister die Niederschrift in 2252 BGB
einen Umschlag zu nehmen, der mit - bei Formfehlern: § 2250 Abs.
dem Amtssiegel zu verschließen, zu 6!
beschriften und zu unterschreiben
ist, und unverzüglich in die
besondere amtliche Verwahrung
des Amtsgerichts zu geben.
- bei Formfehlern: § 2249 Abs. 6!

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Der Erblasser kann ein Testament jederzeit widerrufen, solange er testierfähig ist, §
2253 BGB. Der Widerruf kann in dreierlei Weise erfolgen:

● durch ein neues, formgültiges Testament (§ 2258 Abs. 1 BGB),


● durch schlüssiges Handeln in der Form der Vernichtung oder Veränderung
des Testaments (§ 2255 BGB), zB. durch Zerreißen oder Verbrennen oder das
Durchstreichen oder Schwärzen einzelner Passagen,
● durch Rücknahme des Testamentes aus der besonderen amtlichen
Verwahrung (§ 2256 BGB).

§§ 2255, 2258 Abs. 1 BGB lassen auch den teilweisen Widerruf - nämlich nur
mancher Bestimmungen - zu. Durch Rücknahme aus der besonderen amtlichen
Verwahrung wird das Testament dagegen immer ganz widerrufen.

Nur die willentliche Zerstörung des Testaments nimmt ihm die Wirkung. Durch eine
unbeabsichtigte, zufällige oder im Zustand der Testierunfähigkeit vorgenommene
Zerstörung des Testaments wird seine Wirksamkeit nicht beeinträchtigt. Es kann
dann allerdings sehr schwierig sein, seine Errichtung und seinen Inhalt zu beweisen.

Der durch Testament erklärte Widerruf kann seinerseits widerrufen werden, dann lebt
das widerrufene Testament wieder auf (§§ 2257, 2258 Abs. 2 BGB), in den anderen
Fällen hilft nur die Neuerrichtung.

Das öffentliche Testament wird vom beurkundenden Notar immer in besondere


amtliche Verwahrung (§§ 2258a, 2258b BGB) gegeben. Bei eigenhändigen
Testamenten kann der Erblasser dies tun (§ 2248 BGB). Die Verwahrungsstelle
unterrichtet das Standesamt am Geburtsort des Erblassers hierüber. Wenn dann
später sein Tod in das Geburtsregister eingetragen wird, unterrichtet der
Standesbeamte das zuständige Nachlassgericht darüber, dass und wo ein Testament
verwahrt wird. Auf diese Weise erfährt das Nachlassgericht ganz automatisch von
verwahrten Testamenten.
Das von der Bundesnotarkammer geführte Zentrale Testamentsregister für
Deutschland hat am 1. Januar 2012 den Betrieb aufgenommen. Es enthält die
Verwahrangaben zu sämtlichen erbfolgerelevanten Urkunden, die vom Notar
errichtet werden oder in gerichtliche Verwahrung gelangen. Das Register wird in
jedem Sterbefall von Amts wegen auf vorhandene Testamente und andere
erbfolgerelevante Urkunden geprüft. Die Bundesnotarkammer informiert daraufhin
das zuständige Nachlassgericht, ob und welche Verfügungen von Todes wegen zu
beachten sind.

Nicht amtlich verwahrte Testamente müssen nach § 2259 BGB beim Nachlassgericht
abgeliefert werden, sobald derjenige, der in ihrem Besitz ist, vom Tod des Erblassers
erfahren hat. Ob dies auch bei aus ihrer Wahrnehmung heraus nicht (hinreichend)
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berücksichtigten Personen immer der Fall sein wird, bleibt der Fantasie überlassen.
Will der Erblasser sicherstellen, dass ein Testament nicht unterdrückt wird, bleibt ihm
nur, es in Verwahrung zu geben.

Die Auslegung von Testamenten folgt § 133 BGB. Nicht der vom Erblasser gewählte
Ausdruck ist wichtig, sondern wie er ihn selbst verstanden wissen wollte. Dabei sind
seine laienhaften Vorstellungen von der Rechtslage nach Möglichkeit in Formen zu
gießen, die ihnen zum Erfolg verhelfen. § 2084 BGB stellt klar, dass Zweifel immer zu
Gunsten einer wirksamen Verfügung aufzulösen sind. § 2085 BGB kehrt auch die
Regel des § 139 BGB für Testamente um: Im Zweifel führt Teilunwirksamkeit nicht zur
Unwirksamkeit des gesamten Testamentes.

Die §§ 2066 bis 2076 und 2087 bis 2095 BGB helfen über viele Zweifel durch
zahllose Auslegungsregeln hinweg. So ist zB. ein Testament, durch das A 60%, B
30%, C 20% und D der Rest der Erbschaft zugewendet wird, wirksam. Es wird nach
§§ 2090, 2092 BGB dahin ausgelegt, dass A zu 6/13, B zu 3/13 und C und D zu je
2/13 Erben sein sollen. Auch nicht im Gesetz vorgesehene Fälle lassen sich häufig
„retten“. So kann zB. ein Testament, in dem E „seinen geliebten Rottweiler Rüdiger“
zur Alleinerbin einsetzt, dahin ausgelegt werden, dass er seinen gesetzlichen Erben
die Auflage erteilt hat, das Vermögen (soweit überhaupt möglich) zu Gunsten des
Tieres zu verwenden.

Bei objektiv mehrdeutigen Erbeinsetzungen gilt zunächst auch nur das, was der
Erblasser sich wirklich gedacht hat. Ist das nicht zu ermitteln, wäre die Erklärung
nach normalen Regeln wegen Widersprüchlichkeit nichtig. Im Testament ist sie
dagegen nach § 2073 BGB dahin wirksam, dass alle Personen, die gemeint sein
können, zu gleichen Teilen erben.

Ein Testament kann nach § 2078 BGB angefochten werden, wenn der Erblasser

● sich bei seiner Errichtung in einem Erklärungs- oder Inhaltsirrtum befand


(§ 2078 Abs. 1 BGB - diese Vorschrift geht als speziellere Norm § 119 BGB
vor),
● widerrechtlich durch Drohung zur Testamentserrichtung bestimmt wurde
(§ 2078 Abs. 2 Alt. 2 BGB, der spezieller als § 123 BGB ist) oder
● das Testament nur deshalb errichtet hat, weil er irrig einen Umstand für
eingetreten bzw. nicht eingetreten gehalten bzw. seinen Eintritt oder
Nichteintritt irrig erwartet hat (§ 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB - vorrangig vor § 119
Abs. 2 BGB).

Damit ist letztlich jeder nachgewiesene Motivirrtum beachtlich – in Abweichung von


§ 119 Abs. 2 BGB, nach dem nur der Motivirrtum über bestimmte,
verkehrswesentliche Tatsachen beachtlich ist. Der Nachweis ist allerdings alles
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andere als einfach, denn oft wird es kaum möglich sein aufzuklären, welche
Vorstellungen einen Erblasser zur Testamentserrichtung bewogen haben. Dass er
sich über bestimmte Dinge keine Gedanken gemacht hat, genügt (genau wie bei §
119 Abs. 2 BGB) gerade nicht, es sei denn, es handelte sich um eine „mitbewusste
Vorstellung“, von der wie selbstverständlich ausgegangen wird, ohne dass dies voll
ins Bewusstsein gelangt. Hat der Erblasser von seinem Irrtum lange vor dem Erbfall
erfahren und sein Testament trotzdem nie geändert, kann das ein wichtiges Indiz
dafür sein, dass der betreffende Umstand für ihn kein entscheidendes Motiv war. Am
Günstigsten ist es freilich, wenn der Erblasser die Motive für seine Verfügungen im
Testament benennt.

Zwei der wichtigsten Fälle des Motivirrtums sind indessen gesetzlich geregelt:

● Ein Testament ist nach § 2079 BGB anfechtbar, wenn beim Erbfall ein
Pflichtteilsberechtigter (nämlich: Abkömmling, Elternteil, Ehegatte oder
Lebenspartner; siehe dazu § 2303 BGB und § 10 Abs. 6 LPartG, aber auch
§ 2308 BGB) existiert, von dessen Existenz der Erblasser bei
Testamentserrichtung noch nichts wusste, es sei denn, dass dieser
Pflichtteilsberechtigte im Testament bedacht ist oder feststeht, dass der
Erblasser auch bei Kenntnis von ihm kein anderes Testament errichtet hätte.
Wer seine ehelichen Kinder zu Erben einsetzt und nicht weiß, ob er noch
uneheliche Kinder hat, tut daher gut daran, vorsorglich klarzustellen, dass
diese nicht erben sollen, auch wenn sie existieren sollten.
● Ein Testament ist ohne weiteres (ipso iure) nichtig, wenn es den Ehegatten
begünstigt und die Ehe vor dem Erbfall aufgelöst wurde oder einer der
Umstände vorlag, unter denen das gesetzliche Ehegattenerbrecht entfällt (§
2077 Abs. 1 BGB). dasselbe gilt für ein Testament zu Gunsten des Verlobten
(§ 2077 Abs. 2 BGB) und des Lebenspartners (§ 10 Abs. 5 LPartG). Eine
Rückausnahme enthält § 2077 Abs. 3 BGB, falls anzunehmen ist, dass der
Erblasser seine Verfügung auch in diesem Fall getroffen hätte - die Beweislast
hierfür trägt allerdings der (ehemalige) Ehegatte.

Die Anfechtung eines Testaments erfolgt durch Erklärung desjenigen, der von dem
Wegfall der angefochtenen Verfügung direkt begünstigt wird (§ 2080 BGB). Sie
muss dem Nachlassgericht gegenüber in der durch §§ 2081, 2082 BGB bestimmten
Form und Frist erfolgen. Der Erblasser kann das Testament (zu Lebzeiten, später
wird das ohnehin praktisch schwierig) nicht anfechten, da er es ohnehin jederzeit frei
widerrufen kann.

b) Erbvertrag

Verträge über das Erbe sind von jeher moralischen Bedenken ausgesetzt. Das BGB
nimmt hierzu eine sehr liberale Haltung ein. Es verbietet nur Verträge über den
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Nachlass eines noch lebenden Dritten (§ 311b Abs. 4 S. 1 BGB) und erlaubt sogar
diese, wenn sie unter künftigen gesetzlichen Erben über den Erbteil eines von ihnen
geschlossen werden (§ 311b Abs. 5 BGB). Ein bereits angefallenes Erbe kann
dagegen insgesamt veräußert werden (sog. Erbschaftskauf, vgl. § 2371 BGB),
ebenso der Anteil eines Miterben (Erbteilskauf, vgl. § 2033 BGB). Lediglich Verträge
mit dem Inhalt in einer bestimmten Art und Weise verfügen zu wollen, sind
unwirksam.
Umfassend erlaubt das Gesetz schließlich den Erbvertrag, der zwischen dem
(künftigen) Erblasser und einem anderen über den Nachlass geschlossen wird. Der
Erbvertrag kann alle Arten von Verfügungen von Todes wegen enthalten, auch eine
Erbeinsetzung. Dabei wird derjenige, der sich in dem Erbvertrag zum Erben
einsetzen lässt, als Vertragserbe bezeichnet. Der Erbvertrag kann auch
Vermächtnisse, Auflagen und andere Bestimmungen enthalten und es kann sich der
andere Teil zu einer ganz außerhalb des Erbrechts liegenden Gegenleistung
verpflichten.

Erblasser E hat ein gespanntes Verhältnis zu seinen Kindern. Er schließt


einen Erbvertrag mit der Nachbarin N. Er setzt N darin zur Alleinerbin ein,
diese verpflichtet sich im Gegenzug zur Erbringung von Pflegeleistungen.

Während der testamentarisch bestimmte Erbe nicht mehr als eine vage Aussicht auf
die Erbschaft hat, muss der Vertragserbe darauf bauen können, dass er die
Erbschaft auch erhält. Deshalb bestimmt § 2289 BGB, dass Testamente des
Erblassers insoweit unwirksam sind, als sie die Rechte des Vertragserben
beeinträchtigen würden, gleichgültig, ob sie vor oder nach dem Vertragsschluss
errichtet wurden.

E versöhnt sich wieder mit seiner Tochter T. E setzt die T in einem


formgültigen Testament zur Alleinerbin ein. Das Testament ist unwirksam,
da es die Rechte der Vertragserbin N schmälerte. Der T bleibt daher nur
der Pflichtteil.

Etwas anderes gilt, wenn die Parteien eine Verfügung in dem Erbvertrag als
einseitige Verfügung dieser Bindung entzogen haben (§ 2299 BGB). Gegen
lebzeitige Verfügungen des Erblassers ist der Vertragserbe dagegen nur sehr
eingeschränkt geschützt (§§ 2286 f. BGB).

E bereut den Erbvertrag, nachdem er sich wieder mit T versöhnt hat. Nach
eingehender anwaltlicher Beratung verschenkt er an T das Haus auf
Mallorca. Allerdings kann N nach § 2287 BGB die Herausgabe des
Hauses nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung
verlangen, wenn E die Schenkung in der Absicht vorgenommen hat, N zu
benachteiligen.
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c) Gemeinschaftliches Testament

Zwischen dem Erbvertrag und dem Testament ist das gemeinschaftliche


Testament angesiedelt, das nur Ehegatten (§ 2265 BGB) und Lebenspartner (§ 10
Abs. 4 LPartG) errichten können. Während der Erbvertrag nur in notariell
beurkundeter Form geschlossen werden kann (§ 2276 BGB), steht für das
gemeinschaftliche Testament jede der Testamentsformen zur Verfügung, wobei es
beim eigenhändigen Testament genügt, wenn es von einem der Partner geschrieben
und von beiden unterschrieben wird.
Das gemeinschaftliche Testament entfaltet zu Lebzeiten der Partner nur die
Wirkungen eines normalen Testamentes. Es ist für jeden von ihnen jederzeit
widerruflich, allerdings setzt der Widerruf einer sog. wechselbezüglichen Verfügung
voraus, dass er dem anderen gegenüber erklärt wird. Sobald aber einer der
Partner stirbt, wird das gemeinschaftliche Testament hinsichtlich der
wechselbezüglichen Verfügungen bindend und entfaltet dann in etwa dieselben
Wirkungen wie ein Erbvertrag (§§ 2286 f. BGB werden analog angewendet).
Wechselbezüglich sind alle Verfügungen, die der eine nicht getroffen haben würde,
wenn nicht auch der andere bestimmte Verfügungen getroffen hätte. Welche das sein
sollen, stellt man am Besten in dem Testament ausdrücklich klar. Für die in § 2270
Abs. 2 BGB genannten Verfügungen wird Wechselbezüglichkeit vermutet. Alle
anderen Verfügungen sind im Zweifel nicht wechselbezüglich. Die Bindung tritt nur
ein, wenn die Verfügung, auf die sich die wechselbezügliche Verfügung bezieht,
wirksam wird. Der überlebende Ehegatte kann sich daher notfalls durch
Ausschlagung einer ihn begünstigenden Verfügung der Bindung auch nach dem Tod
des anderen noch entziehen.

4. Erbeinsetzung unter einer Bedingung, Ersatzerbe, Vor- und Nacherbschaft

Das Testament kann - wie grundsätzlich jedes Rechtsgeschäft - Bedingungen und


Befristungen enthalten. Völlig problemlos sind Bedingungen, deren Eintritt bis zum
Erbfall erfolgen soll, denn erst zu dieser Zeit wird das Testament wirksam, so dass
seine Rechtsfolgen ohne weiteres sofort eintreten. So kann zB. jemand „alle
Nachkommen von X, die dieser bis zum Tage meines Todes gezeugt hat und die an
diesem Tag noch leben“ zu Erben einsetzen, oder auch „Norbert, falls es ihm am Tag
meines Todes gelungen sein sollte, verheiratet zu sein“.
Streng genommen steht - wegen § 1923 Abs. 1 BGB - jede Erbeinsetzung schon
kraft Gesetzes unter der Bedingung, dass der Eingesetzte den Erblasser überlebt.
Damit aber ist eine der Schwierigkeiten der gewillkürten Erbfolge aufgezeigt: Der
Erblasser weiß bis zuletzt nicht, ob sie Erfolg hat. Es muss eine Regelung für den
Fall existieren, dass der testamentarische Erbe vor dem Erbfall verstirbt. Trifft das
Testament selbst eine solche Regelung, spricht man von Ersatzerbschaft.

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Der Ersatzerbe erbt unter einer Bedingung, deren Eintritt im Zeitpunkt des Erbfalls
feststeht, nämlich dass der eingesetzte Erbe nicht Erbe wird. § 2096 BGB stellt klar,
dass der Ersatzerbe im Zweifel für alle Wegfallsgründe eingesetzt ist, nämlich auch
für den Fall der Ausschlagung der Erbschaft oder Erbunwürdigkeit. § 2097 BGB
erweitert diese Auslegungsregel noch einmal beträchtlich. Weitere Auslegungsregeln
enthalten §§ 2069, 2098, 2102 BGB.
Fehlt ein Ersatzerbe, kommt es darauf an, ob der Erblasser einen oder mehrere
Erben eingesetzt hat. Bei mehreren findet bei Wegfall eines von ihnen im Zweifel
Anwachsung ihrer Erbteile statt (§ 2094 BGB), dh. der Anteil des vorverstorbenen
Erben wird auf die übrigen Erben im Verhältnis von deren Anteilen verteilt.

Erbonkel E verfügt: Ich setze meine Neffen A, B und C zu gleichen Teilen


als Erben meiner Bierdeckelsammlung ein. Die Sammlung enthält 3000
Teile, dh. A, B und C erhalten jeweils 1000. Verstirbt A vor E und enthält
das Testament für diesen Fall keine Regelung, erhalten B und C jeweils
1.500 (= 1000 + 1000/2) Bierdeckel.

Ist die Anwachsung testamentarisch ausgeschlossen, § 2094 Abs. 3 BGB, oder


fallen alle eingesetzten Erben ersatzlos weg, gilt wieder die gesetzliche Erbfolge.
Es ist auch zulässig, die Erbeinsetzung unter eine Bedingung zu stellen, die erst
nach dem Erbfall eintreten kann. Hierdurch entsteht die Vor- und Nacherbschaft.
Nacherbe ist nach § 2100 BGB, wer erst erbt, nachdem zuvor ein anderer Erbe
geworden ist, also unter einer aufschiebenden Bedingung zum Erben nach einem
anderen - dem Vorerben - eingesetzt worden ist. Wohlgemerkt ist auch der Nacherbe
ein Erbe des Erblassers, nicht etwa des Vorerben (vgl. § 2139 BGB). Der Vorerbe ist
Inhaber zweier verschiedener Vermögensmassen, nämlich seines eigenen
Vermögens und des Nachlasses. Stirbt er, werden diese beiden Vermögensmassen
wieder getrennt. Der Nachlass fällt an den Nacherben, sein eigenes Vermögen an
seine Erben. Bedeutung hat diese Unterscheidung nicht zuletzt auch für Fragen der
Erbschaftssteuer.
Der Nacherbfall, also der Zeitpunkt, zu dem die Erbschaft beim Nacherben anfällt,
tritt ein, sobald die testamentarisch hierfür festgesetzte Bedingung eintritt. Schweigt
das Testament, gilt nach § 2106 Abs. 1 BGB der Tod des Vorerben als Nacherbfall.
Es kann aber auch jedes andere, feststellbare Ereignis zum Nacherbfall erklärt
werden, so lange es innerhalb der in § 2109 BGB genannten Höchstfrist eintritt.
Normalerweise ist spätestens 30 Jahre nach dem Erbfall die Vor- und Nacherbschaft
beendet, weil dann entweder der Nacherbfall eingetreten ist oder nach § 2109 Abs. 1
BGB nicht mehr eintreten kann. Von der Höchstfrist ausgenommen sind
Bestimmungen der in § 2109 Abs. 2 BGB genannten Art. Der Nacherbe braucht den
Nacherbfall nicht zu erleben, denn das Nacherbenrecht ist gemäß § 2108 Abs. 2
BGB im Zweifel vererblich. Deshalb ist es auch unschädlich, wenn der Nacherbfall
erst mit oder nach dem Tod des Nacherben eintritt. Ebenso wird die Rechtsstellung
des Vorerben vererbt, wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben noch nicht
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eintritt. Der Nacherbe muss erst im Zeitpunkt des Nacherbfalles feststehen. Deshalb
ist es zB. zulässig, den Tod des Vorerben zum Nacherbfall zu bestimmen und die zu
dieser Zeit lebenden Kinder des Vorerben zu Nacherben zu bestimmen. Wer
Nacherbe ist, steht im Zeitpunkt des Nacherbfalles fest. dass es zur Zeit des
Erbfalles noch völlig offen sein kann, ist unschädlich.
Auch unter einer auflösenden Bedingung ist die Erbeinsetzung möglich. Oft ist das
nur eine Frage der Formulierung. Hat der Erblasser überhaupt nur angeordnet, dass
jemand unter einer bestimmten Bedingung erben oder sein Erbrecht verlieren soll,
spricht man von konstruktiv von einer Vor- und Nacherbschaft. Die nicht
bezeichneten Vor- oder Nacherben sind dann die gesetzlichen Erben (§§ 2104, 2105
BGB).
Zulässig ist grundsätzlich auch die Erbeinsetzung unter einer Potestativbedingung,
also der Bedingung, dass sich der Eingesetzte in einer bestimmten Art und Weise
verhält. Im Zweifel ist das nach § 2075 BGB als Vorerbeneinsetzung zu begreifen.
Die Potestativbedingung darf nicht gegen § 138 Abs. 1 BGB verstoßen; in diesem fall
ist sie nichtig und die Erbeinsetzung gilt unbedingt. Je stärker die
Verhaltensbedingung in höchstpersönliche Entscheidungsfreiheiten des Erben
eingreift, desto stärker muss sie durch Interessen des Erblassers gerechtfertigt sein.
So ist es zB. sittenwidrig, den Sohn nur unter der Bedingung einzusetzen, dass er
eine bestimmte Frau heiratet. Dagegen ist es zulässig, der Verlobten des Sohnes
etwas unter der Bedingung zu hinterlassen, dass sie diesen heiratet. Freilich ist hier
§ 2076 BGB zu beachten: Die Verlobte darf das Zugewandte behalten, wenn der
Sohn sich weigert, sie zu heiraten. Kontrovers beurteilt werden hier vor allem die in
Adelsfamilien häufigen Klauseln, wonach das Erbrecht eines Familienmitgliedes
entfällt, wenn es eine Ehe eingeht, die vom Familienoberhaupt missbilligt wird.
Völlig unproblematisch sind Zuwendungen unter der Bedingung, dass jemand
überhaupt heiratet. Die umgekehrte Zuwendung unter der Bedingung, dass jemand
nicht heiratet, schränkt die Eheschließungsfreiheit stark ein. Sie ist höchstens
erlaubt, wenn es sich um eine Zuwendung an den überlebenden Ehegatten handelt,
denn dann spiegelt sie das legitime Interesse des verstorbenen Ehegatten wieder,
sein Vermögen eher an seine eigenen entfernten Verwandten als an den neuen
Partner seines Ehegatten fallen zu sehen.

Der Vorerbe unterliegt gewissen Verfügungsbeschränkungen (§§ 2113 ff. BGB).


§ 2136 BGB lässt es zu, dass der Erblasser ihn von einigen dieser Beschränkungen -
nicht von allen - im Testament befreit. Hierzu enthält § 2137 BGB wieder eine
Auslegungsregel. Stehen die Verfügungsbeschränkungen einer ordnungsgemäßen
Verwaltung des Nachlasses im Wege, hat der Vorerbe gegen den Nacherben einen
Anspruch auf Mitwirkung (§ 2120 BGB). Mit Zustimmung des Nacherben sind alle
Verfügungen gültig. Steht der Nacherbe noch gar nicht fest (weil zB. die noch nicht
gezeugten Kinder des Vorerben zu Nacherben bestimmt sind), wenn eine solche
Verfügung vorgenommen werden soll, kann in seinem Namen ein Pfleger nach §
1913 BGB zustimmen bzw. - im Fall des § 2120 BGB - auf Zustimmung verklagt
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werden. Die Beschränkungen fallen weg, wenn feststeht, dass der Nacherbfall nicht
mehr eintreten kann oder die Frist für seinen Eintritt aus § 2109 BGB abgelaufen ist.

B. Belastungen und Beschwerungen des Erben

Auf Grund des Grundsatzes der Universalsukzession gehen auf den Erben nicht nur
die Wertgegenstände über, sondern er tritt auch in die Pflichten ein, die der Erblasser
bis zu seinem Tod hatte, insb. erbt man auch die Schulden. So kann sich der Erbe
vielfältigen Belastungen und Beschwerungen ausgesetzt sehen.

1. Vermächtnis

Enthält das Testament – oder der Erbvertrag – Zuwendungen an bestimmte


Personen, die nicht als Erbeinsetzung begriffen werden können, so handelt es sich
um Vermächtnisse. Dabei entscheidet wiederum der durch Auslegung ermittelte
Inhalt der Verfügung, nicht die gewählte Bezeichnung. Steht im Testament, dass X
„meine Geige erbt“, so ist damit ein Vermächtnis gemeint (vgl. § 2087 Abs. 2 BGB),
denn X soll ja nicht Universalrechtsnachfolger sein. Anders kann das sein, wenn der
einzelne Gegenstand bedeutender ist als der Rest des Vermögens. In dem
Testament „A vermache ich mein Haus, B erbt den Rest“ kann daher eine
Erbeinsetzung von A und B liegen, wobei sich die Erbteile nach dem Wertverhältnis
des Hauses zum Rest der Erbschaft bestimmen (Teilungsanordnung). Unter
Umständen ist sogar nur A Erbe und B Vermächtnisnehmer, wenn der „Rest“ ein paar
völlig unbedeutenden Habseligkeiten sind.
Durch Vermächtnisse werden nur Ansprüche iSd. § 194 BGB begründet (§ 2174
BGB). Der Begünstigte (Vermächtnisnehmer) erwirbt einen Anspruch auf
Übertragung des vermachten Gegenstandes. Dieser Vermächtnisanspruch steht
dem Vermächtnisnehmer gegen denjenigen zu, der mit dem Vermächtnis beschwert
ist. Beschwert sein kann nur jemand, der seinerseits aus dem Nachlass etwas erhält,
nämlich ein Erbe oder Vermächtnisnehmer (§ 2147 S. 1 BGB).
Auch das Vermächtnis kann ausgeschlagen werden (§ 2180 BGB). Hierfür besteht
meist kein echtes Bedürfnis, da ja den Vermachten keine Pflichten treffen; es reicht
im Allgemeinen aus, wenn der Anspruch nicht geltend gemacht wird. Nur für den Fall,
dass das Vermächtnis mit einem weiteren Vermächtnis belastet ist (§ 2186 BGB),
kann die Ausschlagung für den Vermächtnisnehmer sinnvoll sein.

Als Gegenstand des Vermächtnisanspruchs kann praktisch jeder Vermögenswert


sein, insbesondere:

● ein bestimmter, zum Nachlass gehörender Gegenstand (Stückvermächtnis),

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Erbonkel E verfügt: Mein Neffe N soll das Bild der Urgroßtante U erhalten,
das in der Eingangshalle hängt.

● ein nur der Gattung nach bestimmter Gegenstand (Gattungsvermächtnis),

Erbonkel E verfügt: Mein Neffe N soll eines der Bilder in der Eingangshalle
erhalten.

● ein Gegenstand, den der Beschwerte erst mit Mitteln des Nachlasses
beschaffen soll (Verschaffungsvermächtnis)

Erbonkel E verfügt: Meinem Neffen V vermache ich ein in Öl gemaltes Bild


des Wörthersees, weil ihm als Kind der Wörthersee so gut gefallen hat.
Leider ist mein Bild schon vor Jahren zerstört worden. Mein Erbe soll mit
Mitteln aus dem Erbe ein solches Bild besorgen.

● eine Summe Geldes (Geldvermächtnis).

Erbonkel E verfügt: Ich setze meinen Neffe N als Erben ein. Mein Cousin
C soll 10.000,00 € erhalten.

Das Recht der Leistungsstörungen wird durch §§ 2147 ff. BGB modifiziert.
objektive Unmöglichkeit führt zur Nichtigkeit des Vermächtnisses (§ 2171 Abs. 1
BGB). Unwirksam ist ein Vermächtnis auch, wenn bei einem Stückvermächtnis die
Erfüllung nur subjektiv unmöglich ist und nicht eindeutig ein
Verschaffungsvermächtnis beabsichtigt war (§ 2169 Abs. 1 BGB). Stand dem
Erblasser an einem vermachten Gegenstand nur ein Besitzrecht zu, aber kein
Eigentum, so ist im Zweifel auch nur dieses Besitzrecht vermacht (§ 2169 Abs. 2
BGB).
Auch Vermächtnisse können unter Bedingungen oder Befristungen zugewendet
werden (§ 2177 BGB). Auch in der Form des Ersatz- oder Vor- und
Nachvermächtnisses kann ein Gegenstand zugewendet werden (§§ 2190, 2191
BGB). All das wirkt aber nicht dinglich, sondern lässt entsprechende Ansprüche
entstehen oder wieder erlöschen.

Das BGB kennt außerdem zwei gesetzliche Vermächtnisse als schuldrechtlichen


Anspruch des Ehegatten gegen den oder die Erben, § 1932 Abs. 2 BGB, § 10 Abs.
1 S. 5 LPartG:
Wird der Ehegatte gesetzlicher Erbe, so kann er als Voraus die dem Erblasser
gehörenden Haushaltsgegenstände aus dem Nachlass verlangen (§ 1932 BGB, § 10
Abs. 1 S. 3 - 5 LPartG). Dasselbe gilt für andere dingliche Rechte, die dem Erblasser
an solchen Gegenständen zustehen (zB. ein Miteigentumsanteil oder eine
Anwartschaft). dasselbe Recht steht dem Lebenspartner zu, der gesetzlicher Erbe
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wird (§ 10 Abs. 1 3 LPartG). Der Voraus des Lebenspartners ist jedoch
eingeschränkt, wenn er neben Abkömmlingen des Erblassers zur Erbfolge berufen
ist (§ 10 Abs. 1 4 LPartG).

Wer mit dem Erblasser als dessen Familienangehöriger in einem Haushalt gelebt
und von ihm Naturalunterhalt erhalten hat, kann den Dreißigsten verlangen (§ 1969
BGB), nämlich noch für genau einen Monat ab dem Erbfall all die Leistungen, die der
Erblasser ihm bis zum Tode gewährt hat. Ob den Erblasser eine Pflicht zur
Gewährung von Unterhalt traf, ist für den Dreißigsten nicht entscheidend.

2. Auflage

Die Auflage unterscheidet sich vom Vermächtnis dadurch, dass

● sie einen konkreten Begünstigten nicht zu benennen braucht und


● einem eventuell Begünstigten kein Anspruch auf Vollzug der Auflage zusteht.

Diesen Anspruch hat nach § 2194 BGB vielmehr

● der Alleinerbe (falls er ausnahmsweise nicht der Verpflichtete ist),


● jeder Miterbe des Verpflichteten,
● derjenige, dem es unmittelbar zustatten käme, wenn der mit der Auflage
Beschwerte als Begünstigter wegfiele (also zB. der als Ersatzerbe des
Verpflichteten benannte), und
● die zuständige Behörde, wenn die Erfüllung der Auflage im öffentlichen
Interesse liegt (zB. eine „Schenkung an die Armen“ zur Auflage gemacht
wurde).

Wird die Auflage trotz Verurteilung und Fristsetzung nicht vollzogen, muss der
Beschwerte dasjenige, was er dadurch erspart, an den herausgeben, dem der
Wegfall seines Erbrechts zustatten gekommen wäre.

3. Testamentsvollstreckung

Der Erblasser kann durch Anordnung der Testamentsvollstreckung in seinem


Testament dafür sorgen, dass sein Nachlass auch über den Erbfall hinaus als
gesondertes Vermögen erhalten bleibt. Es gehört dann zwar dem Erben, die
Verfügungsbefugnis über alle Nachlassgegenstände liegt jedoch ausschließlich beim
Testamentsvollstrecker, bis dessen Amt endet.
Der Erblasser kann den Testamentsvollstrecker selbst ernennen, die Auswahl aber
auch anderen oder dem Nachlassgericht überlassen (§§ 2198 - 2200 BGB). Das Amt
beginnt jedoch erst mit der Annahme, die dem Nachlassgericht gegenüber zu
erklären ist (§ 2202 BGB).
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Der Testamentsvollstrecker übt ein privates Amt aus. Er handelt nicht in Vertretung
des Erben, sondern im eigenen Namen als Testamentsvollstrecker. Der Nachlass
wird dadurch zum echten Sondervermögen, das rechtlich weder zu dem Vermögen
des Erblassers noch zu dem des Testamentsvollstreckers zählt. Nur die
Nachlassgläubiger haben uneingeschränkten Zugriff. Gläubiger des Erben können
nur auf diejenigen Ansprüche zugreifen, die dem Erben gegen den Nachlass
zustehen.

Normalerweise dient die Testamentsvollstreckung drei Zielen, nämlich

● der Abwicklung der Nachlassverbindlichkeiten,


● der Erfüllung der im Testament enthaltenen Vermächtnisse und Auflagen und
● der Verteilung des Nachlasses unter mehrere Miterben.

Sind alle diese Aufgaben erledigt, endet das Amt des Testamentsvollstreckers. Er
muss den Nachlass dann an den Erben herausgeben. Der Erblasser kann aber auch
Dauervollstreckung bis zu einem weit hinausgeschobenen Zeitpunkt anordnen
(§ 2209 BGB), längstens für 30 Jahre oder bis zum Tod des Erben oder des
Testamentsvollstreckers.

4. Pflichtteilsansprüche

Das Gesetz gesteht dem Erblasser das Recht zu, die Erbfolge von den gesetzlichen
Vorschriften vollständig abweichend zu regeln. Der einzige Erbe, der nicht enterbt
werden kann, ist der Fiskus, der allerdings nur erbt, wenn kein Erbe mehr vorhanden
ist. Auf diesem Weg wird ein herrenloses Vermögen verhindert. Es ist sogar ein
Testament gültig, das den schlichten Inhalt der Enterbung aller gesetzlichen Erben
hat, es bewirkt den unmittelbaren Anfall der Erbschaft an den Fiskus. Nach der
gesetzgeberischen Vorstellung führt das in manchen Fällen zu einem als ungerecht
empfundenen Ergebnis, da eine gewisse moralische Verpflichtung zur Versorgung
der nächsten Angehörigen bestehen soll. Deshalb räumt das Gesetz einigen
gesetzlichen Erben für den Fall, dass sie übergangen werden, schuldrechtliche
Ansprüche gegen den Nachlass ein, die es als Pflichtteil bezeichnet. Das ist
indessen ein missverständlicher Ausdruck, denn einen Anteil am Erbe garantiert das
Pflichtteilsrecht gerade nicht, sondern nur die wertmäßige Beteiligung am Nachlass
durch einen Zahlungsanspruch.

Pflichtteilsberechtigt sind:

● Abkömmlinge (§ 2303 Abs. 1 1 BGB),


● Eltern (§ 2303 Abs. 2 1 BGB) und

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● der Ehegatte (§ 2303 Abs. 2 S. 1 BGB) oder Lebenspartner (§ 10 Abs. 6 S. 1
LPartG) des Erblassers soweit sie zur gesetzlichen Erbfolge berufen gewesen
wären.

Alle anderen gesetzlichen Erben haben keine Pflichtteilsansprüche.

Der Anspruch geht auf die Hälfte des Wertes, den der gesetzliche Erbteil des
Berechtigten gehabt hätte (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB).

Schließt der unverheiratete Erblasser seinen einzigen Abkömmling vom Erbe aus
und setzt den Träger des örtlichen Tierheims zum Alleinerben ein, kann der
Abkömmling nach § 2303 Abs. 1 S. 1, S. 2 BGB den halben Nachlasswert von dem
Träger verlangen, da er bei gesetzlicher Erbfolge den gesamten Nachlass erhalten
hätte.

Verkompliziert wird die Rechnung dadurch, dass nach § 2303 Abs. 2 2 BGB die
Regelung des § 1371 BGB „unberührt“ bleiben soll. Hier gilt:

● Ist der Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer, so steht ihm nach
§ 1371 Abs. 2 BGB ein Pflichtteil nur aus dem „normalen“ Erbteil des § 1931
BGB zu (sog. kleiner Pflichtteil). Dafür kann er Zugewinnausgleich wie bei
einer Scheidung verlangen.
● Ist er dagegen Miterbe oder steht ihm ein Vermächtnis zu, berechnen sich alle
ihm aus dem Pflichtteilsrecht zustehenden Rechte nach dem gemäß § 1371
Abs. 1 BGB erhöhten Erbteil (sog. großer Pflichtteil) und er kann keinen
Zugewinnausgleich verlangen.

Um die Rechtsfolge des § 1371 Abs. 2 BGB herbeizuführen, hat ein Ehegatte immer
das Recht, die Erbschaft auszuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen, was
normalerweise nicht geht, weil derjenige, der eine Erbschaft ausschlägt, nicht „durch
letztwillige Verfügung“ von ihr ausgeschlossen ist.
Ist ein Pflichtteilsberechtigter zwar Erbe geworden, aber nur mit einem Anteil, der
kleiner ist als die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils, hat er wegen der Wertdifferenz
wiederum einen als Zusatzpflichtteil bezeichneten Ausgleichsanspruch gegen den
Nachlass (§ 2305 BGB).
Ist er nur mit einem Vermächtnis bedacht worden, gibt ihm § 2307 BGB die Wahl,
entweder das Vermächtnis auszuschlagen und den vollen Pflichtteil zu verlangen
oder die Wertdifferenz als Zusatzpflichtteil geltend zu machen.
Der pflichtteilsberechtigte Erbe, der entweder nur Vor- oder Nacherbe geworden oder
durch Testamentsvollstreckung beschwert ist, kann die Erbschaft ausschlagen und
statt ihrer den Pflichtteil verlangen (§ 2306 Abs. 1 BGB). Gleiches gilt, wenn der
Pflichtteilsberechtigte (lediglich) als Nacherbe eingesetzt wurde (§ 2306 Abs. 2 BGB).

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Der Erblasser hinterlässt eine Ehefrau, einen Sohn und eine Tochter. In
seinem Testament bestimmt er die Ehefrau zur alleinigen Vorerbin, den
Sohn und die Tochter zu Nacherben und zwar den Sohn zu 1/8 und die
Tochter zu 7/8.
Jede von ihnen kann die Erbschaft ausschlagen und stattdessen den
Pflichtteil verlangen. Schlägt der Sohn - da er lediglich Nacherbe wird, §
2306 Abs. 2 BGB - aus, steht ihm gegen die Erbengemeinschaft ein
Pflichtteilsanspruch in Höhe von ⅛ des Nachlasswerts zu. Schlägt die
Tochter aus - da sie lediglich Nacherbin wurde, § 2306 Abs. 2 BGB -, steht
ihr gegen die Erbengemeinschaft ein Pflichtteilsanspruch (ebenfalls) in
Höhe von ⅛ des Nachlasswertes zu. Für die Tochter wäre es damit
wirtschaftlich ggf. sinnvoller abzuwarten und den höheren Anteil als
Nacherbin einzustreichen. Für den Sohn sind beide Lösungen
gleichermaßen schlecht, ein Anspruch nach § 2305 BGB besteht nicht, da
sein Erbteil nicht geringer ist als der Pflichtteil.
Schlägt die Ehefrau aus - da sie lediglich Vorerbin ist und eine Nacherbin
angeordnet wurde, § 2306 Abs. 1 BGB -, erbt die Kinder - soweit sie nicht
selbst ausschlagen - sofort. Die Mutter kann ggf. einen konkret
berechneten Zugewinnausgleich verlangen und hat überdies einen
Pflichtteilsanspruch in Höhe von ⅛ des (übrigen) Nachlasswertes
(güterrechtliche Lösung).

Damit der Erblasser Pflichtteilsrechte nicht dadurch entwerten machen kann, dass er
sein Vermögen zu Lebzeiten verschenkt, geben die §§ 2325 ff. BGB den
Pflichtteilsberechtigten Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen des Wertes von
Schenkungen, die der Erblasser innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall gemacht
hat: Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der
Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den
sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass
hinzugerechnet wird. Der Berechtigte ist finanziell so zu stellen, als wäre er zwar
enterbt worden, die Schenkung aber nicht erfolgt. Der Anspruch richtet sich
grundsätzlich gegen den Nachlass, ausnahmsweise aber auch gegen den
Beschenkten (§ 2329 BGB), wobei dieser nur nach Maßgabe der Vorschriften über
ungerechtfertigte Bereicherungen haftet (eine sog. Rechtsfolgenverweisung auf die
§§ 818, 819 BGB).

C. Erbengemeinschaft

Das Gesetz regelt zunächst als „Normalfall“ den Anfall der Erbschaft in der Person
eines einzelnen Erben (Alleinerben). Das ist in der Praxis aber die Ausnahme. Meist
erben mehrere Personen als Miterben.
Zwischen ihnen entsteht eine besondere Art der Personenverbindung, die
Erbengemeinschaft. Sie wirft ähnliche Rechtsfragen auf wie andere
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Personenverbindungen, nämlich die nach der Natur der Mitgliedschaftsrechte, der
Geschäftsführungs- und der Vertretungsbefugnis und nach ihrer Abwicklung.

1. Gesamthand am Nachlass

Auch durch das Entstehen einer Erbengemeinschaft bleibt der Nachlass vom
Erbenvermögen getrennt. Er ist ein Sondervermögen, das den Miterben in
gesamthänderischer Bindung zusteht. Die Erbengemeinschaft ist nicht rechtsfähig.
Sie ist nur eine Gesamthandshandsgemeinschaft. Die Folgen sind jedoch denen der
Gründung einer Gesellschaft ganz ähnlich:

● Die zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände gehören vollständig


und ausschließlich der Gesamthand. Nur alle Erben gemeinsam können über
sie verfügen (§ 2040 Abs. 1 BGB). Ausnahmsweise kann ein Miterbe dies
alleine, wenn es sich um einen Akt echter Notgeschäftsführung handelt
(§ 2038 Abs. 1 2 Alt. 2 BGB), jedoch auch dann mit Wirkung für und gegen die
gesamte Erbengemeinschaft.
● Dem einzelnen Miterben gehört weder der einzelne Nachlassgegenstand noch
ein Anteil an ihm, er kann daher auch keinen solchen Anteil veräußern
(§ 2033 Abs. 2 BGB). Wohl aber kann jeder Miterbe die Teilungsversteigerung
eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks betreiben (§ 180 Abs. 1 ZVG).
Über seinen Anteil an der Erbengemeinschaft als solchen kann der Miterbe
dagegen verfügen (§ 2033 Abs. 1 BGB). Den anderen Miterben steht ein
gesetzliches Vorkaufsrecht zu (dazu Abs. 1.E. § 2034 f. BGB).

Verfügungen über Nachlassgegenstände betreffen den Nachlass.


Konsequenterweise ordnet das Gesetz daher auch in weitem Umfang dingliche
Surrogation an: Was die Erben aus einem den Nachlass betreffenden
Rechtsgeschäft erwerben oder auf Grund eines Verlustes an Nachlasssubstanz,
gehört wieder zum Nachlass (§ 2041 BGB). Es ist nicht notwendig, dass den Erben
dies bewusst ist.
Die Nutzungen des Nachlasses stehen den Erben - nach Maßgabe ihres Erbteils -
gemeinsam zu (§§ 2038 Abs. 2 1, 743 BGB). Die Verteilung der Gebrauchsvorteile
an den Nachlassgegenständen regeln sie durch Beschluss, wobei jeder auf eine
zweckentsprechende Verteilung Anspruch hat (§§ 2038 Abs. 2 1, 745 Abs. 2 BGB).
Die Früchte werden grundsätzlich erst bei der Erbauseinandersetzung verteilt
(§ 2038 Abs. 2 2 BGB), bis dahin thesauriert, dh. sie fallen zunächst in den Nachlass.
Nur wenn der Anspruch auf die Auseinandersetzung für länger als ein Jahr
ausgeschlossen ist (dazu §§ 2043 bis 2045 BGB), ist am Ende jeden Jahres der
Reinertrag unter den Erben zu teilen (§ 2038 Abs. 2 3 BGB).
Die Lasten des Nachlasses tragen die Miterben ebenfalls gemeinsam nach
Maßgabe ihres Erbteils (§§ 2038 Abs. 2 1, 748 BGB). Sie sind freilich in erster Linie

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aus dem Nachlass zu tragen. Nur wenn er dazu nicht hinreicht, besteht eine
entsprechende Einlagepflicht.

2. Verwaltung und Vertretung des Nachlasses

Das Gesetz unterscheidet drei verschiedene Stufen, auf denen Verwaltungshandeln


vorkommen kann und unterwirft sie einem jeweils unterschiedlichen System:

● Die Erben können alle Arten von Verwaltungshandlungen gemeinschaftlich


vornehmen (§ 2038 Abs. 1 1 BGB).
● Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses können sie
mehrheitlich beschließen (§§ 2038 Abs. 2 S. 1, 745 Abs. 1 S. 1 BGB). Der
Umfang des Stimmrechts bestimmt sich nach dem Anteil am Nachlass
(§§ 2038 Abs. 2 S. 1, 745 Abs. 1 S. 2 BGB). Wer Miterbe zu 3/4 ist, kann über
Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung damit nach Anhörung der
anderen allein entscheiden. Erweist sich eine Maßnahme als für die
ordnungsgemäße Verwaltung erforderlich (nämlich: weil ihr Unterlassen
keine ordnungsgemäße Verwaltung wäre), steht jedem Miterben ein Anspruch
auf Mitwirkung bei dieser Maßnahme gegen die anderen Miterben zu (§ 2038
Abs. 1 2 Alt. 1 BGB).
● Schließlich kann jeder Miterbe Maßnahmen alleine vornehmen, wenn sie zur
Erhaltung des Nachlasses schlechthin notwendig sind (§ 2038 Abs. 1 S. 2
Alt. 2 BGB). Das setzt voraus, dass sie nicht aufgeschoben werden können,
bis der Anspruch aus § 2038 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB gegen die anderen
Miterben durchgesetzt werden kann.

Eine besondere Regelung gilt für die Geltendmachung einer zum Nachlass
gehörenden Forderung. Jeder Miterbe kann sie im eigenen Namen gerichtlich
geltend machen, sofern er Leistung an alle Miterben (nämlich: an den Nachlass)
fordert (§ 2039 BGB). Das ist ein Fall gesetzlicher Prozeßstandschaft (die
prozessrechtliche Befugnis, ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend zu
machen). Der klagende Erbe macht eine fremde (nämlich: dem Nachlass als
Sondervermögen gehörende) Forderung im eigenen Namen geltend.
Das Gesetz regelt die Vertretung des Nachlasses nicht. Daraus folgert die hM.,
dass sie (wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts) der
Geschäftsführungsbefugnis folgt.

Im Übrigen muss zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften unterschieden


werden:

Verpflichtungsgeschäfte können, soweit sie sich im Rahmen ordnungsgemäßer


Verwaltung halten, von einer Mehrheit der Erben nach außen wirksam vorgenommen
werden. Die Minderheit kann dies, wenn die übrigen Erben zur Mitwirkung
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rechtskräftig verurteilt sind, da deren Erklärung dann nach § 894 ZPO fingiert wird.
Bei Geschäften, die den Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung sprengen, können
dagegen nur alle Erben gemeinschaftlich den Nachlass wirksam verpflichten.
Verfügungsgeschäfte können für gewöhnlich nur von allen Erben gemeinsam
wirksam vorgenommen werden (so eindeutig § 2040 Abs. 1 BGB). Es genügt wegen
§ 185 Abs. 1 BGB freilich auch, wenn ein Erbe zu ihrer Vornahme von den anderen
ermächtigt wird. Die Ermächtigung ist formlos möglich, gleichgültig, worum es sich
bei der Verfügung handelt (§ 182 Abs. 2 BGB).
Im Fall der Notgeschäftsführung nach § 2038 Abs. 1 2 Alt 2. BGB kann der
handelnde Miterbe den Nachlass auch nach außen wirksam vertreten. Das gilt dann
auch für Verfügungen über einen Nachlassgegenstand, wie zB. für die Übereignung
im Fall des Notverkaufs verderblicher Waren.

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