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FALLBESPRECHUNGEN ZUM VERFASSUNGSRECHT

Grundlegende, mit Verfassungsrang ausgestattete Rechte des Individums und


juristischer Personen, die von einem Staat verbindlich und einklagbar garantiert werden
(vgl. Art. 1 III GG).

Grundrechte im Mehrebenensystem:

• National
o Bundesebene:
Grundrechte des GG
o Länderebene:
Grundrechte der Landesverfassungen

• Supernational
o Grundfreiheiten des AEUV
o Grundrechte (Grundrechte-charta der EU)

• International
o EMRK (Europarat)
o Weitere völkerrechtliche Abkommen ( z.B. UN-Menschenrechtspakte)
Systematisierung der Grundrechte I

Grundrechte

• Geregelt im 1.Abschnitt des GG


• Art.1 bis 19 GG

grundrechtsgleiche Rechte

• Die in Art.93 I Nr. 4a GG genannten Rechte :

o Art. 20 IV, 33, 38, 101, 103 und 104

o Keine Grundrechte im eigentlichen Sinne (diese sind im 1. Abschnitt geregelt),


werden aber wie diese behandelt

Systematisierung der Grundrechte II

Freiheitsrechte
o Handlungsfreiraum (positiv und negativ)
• Speziell : z.B. Art.1 I ; Art.2 II !; Art.12 I, Art. 14 I GG
• Allgemein : Art. 2 I GG

Gleichheitsrechte
o Gleichbehandlung
• Speziell : z.B. Art.3 II, III; Art.33 II GG
• Allgemein : Art. 3 I GG

Justizgrundrechte
o Rechtsschutz
• Z.B. Art. 19 IV; 103 GG
Grundrechtsfunktionen

A. Subjektiv-rechtliche Funktionen

• Abwehrrechte (status negativus)


"Freiheit vom Staat"
(i) Klassische und nach wie vor wichtigste Dimension
(ii) Verfassungswidrige Eingriffe in grundrechtlichen geschützte
Positionen sind zu unterlassen

• Leistungs- und Teilhaberechte (status positivus)


"Freiheit durch den Staat"
(i) Der Einzelne ist für die Schaffung und Erhaltung seiner freien Existenz
auf statliche Leistungen und Vorkehrungen angewiesen
(ii) Im GG diese Dimension schwæcher ausgeprægt ( Beispiele: Art.6 IV;
19 IV GG)

• Mitwirkungsrechte (status activus)


"Freiheit im und für den Staat"
(i) Seltene Anwendungsfælle (z.B. 38 II GG)

B. Objektiv-rechtliche Funktionen

• Ausstrahlungsfunktion (Drittwirkung der Grundrechte;


verfanssungskonforme Auslegung)
(i) Wegen Art. 1 III GG grdsl. keine unmittelbare (Dritt-)Wirkung der Gre
zwichen Privaten (Ausnahme: z.B. Art.9 III 2 GG)
(ii) BVerfG (Lüth): Gre sind verfassungsrechtliche Grundentscheidungen
("objektive Wertordnung") und strahlen in sæmtliche Rechtsgebiete
aus, also auch ins Privatrecht
(iii)Grundrechte entfalten mittelbare Drittwirkung auf das Privatrecht:
§ Privatrechtsgesetzgeber hat Grundrechte zu beachten
§ Zivilrechter müssen bei der Auslegung der Gesetze die
Grundrechte beachten ( "verfassungskonforme Auslegung")
§ "Einbruchstellen" für Grundrechte im Privatrecht sind vor
allem Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe

• Staatliche Schutzpflicht
a) Staat muss nacht nur eagene verfassungswadrage Eangraffe an
Grundrechte unterlassen, sondern auch dae Grundrechtstræger vor
Eangraffen von dratter Seate schützen ("Dreaeckskonstellataon")

aa) Aktaves Tun


aaa) Waeter Spaelraum des Gesetzgebers

• Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren


• Einrichtungsgarantien

Grundrechtsberechtigung - natürliche Personen

• Grundsætzlich sind alle natürlichen Personen grundrechtsfæhig.


• Jedermanngrundrechte
a. Stehen jedem zu; keane Beschrænkung am Adressatenkreas
aa. z.B. Art.1 I, 2 I und II, Art. 5 I 1 GG

• Deutschengrundrechte
i. -Stehen nur Deutschen iSv Art. 116 GG zu
ii. -Unionsbürger sind aufgrund des Diskriminierungsverbots aus Art.18
AEUV Deutschen gleichgestellt (bislang allerdings explizit nur für
juristische Personen vom BVerfG bestætigt; für natürliche Personen
noch str.)
iii. z.B. Art. 8 I, 9 I, 12 I GG
Grundrechtsberechtigung vor der Geburt und nach dem Tod

• Grundsætzlich beginnt der Grundrechtsschutz mit Vollendung der Geburt und


endet mit dem Tod des Grundrechtstrægers
• Hinsichtlich einzelner Grundrechte gibt es Ausweitungen nach beiden Seiten:
§ Vor der Geburt : Die Menschenwürde nach Art.1 I und das Recht auf
Leben nach Art.2 II 1 GG gelten auch für das ungeborene Kind
("nasciturus")
§ Nach dem Tod: Postmortales Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 I GG
schützt den allgemeinen Achtungsanspruch der Person vor
Herabwürdigung oder Erniedrigung sowie deren sittlichen, personalen
und sozialen Geltungswert

Grundrechtsmündigkeit

§ Fähigkeit, Grundrechte geltend zu machen


§ Ist die Grundrechtsmündigkeit an Altersgrenzen festzumachen?
§ Theorie der starren Altersgrenze: Gesetzgeber hat Befugnis,
Altersgrenzen festzulegen
§ Theorie der gleitenden Altersgrenze: individuelle Einsichts- und
Entscheidungsfæhigkeit maßgeblich (" Grundrechtsreife")

Grundrechtsberechtigung - juristische Personen

Juristische Personen des Privatrechts


§ Art.19 III GG : Grundrechte gelten auch für jurisctische Personen des
Privatrechts, soweit diese
§ inlændisch sind +
§ die Grundrechte wesenmæßig anwendbar sind.
Juristische Personen des öffentlichen Pechts
§ Grundsætzlich nicht grundrechtsberechtigt ( nicht "wesensmæßig" anwendbar,
vgl. Art.19 III GG)
§ Ausnahmen :
§ Hochschulen/Universitaten
§ Rundfunk
§ Religionsgemeinschaften

Grundrechtsverzicht und -verwirkung

Grundrechtsverzicht
§ Ein Verzicht auf Grundrechtsschutz ist nicht möglich.
§ Ein "Verzicht" im Sinne einer Einwilligung in einen Eingriff ist dagegen
möglich.
§ Für eine wirksame Einwilligung, ist es erforderlich,
o dass diese freiwillig erfolgt und
o dass eine Grundrechtsposition verzichtbar ist (jedenfalls nicht bei Würde
oder Leben)

Grundrechtsverwirkung
§ Art.18 GG: Grundrechte können verwirkt werden, wenn sie zum Kampf gegen
die freiheitlich-demokraitsche Grundordnung missbraucht werden.
§ Über die Verwirkung entscheidet (allein) das Bundesverfassungsgericht (Art 18
II GG).
§ Bislang ist es noch kein einziges mal zu einer Entscheidung des BVerfG über
die Verwirkung von Grundrechten gekommen.
Grundrechtsverpflichtung

§ Art.1 III GG : Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt (


=Exekutive / Verwaltung) und Rechtsprechung (sowohl auf Bundes- als auch
auf Lænder- und Gemeindeebene!)

§ Grundrechtsbindung besteht auch für privatrechtliches Handeln der Verwaltung


(gilt sowohl für Fiskalverwaltung (verwaltungsprivatrecht) als auch für
privatrechtliche Hilfsgeschäfte!)

Die Grundrechtsprüfung - Freiheitsrechte

Ein (Freiheits-) Grundrecht ist verletzt, wenn durch das staatliche Handeln ein Eingriff
in den Schutzbereich eines Grundrechts vorliegt und dieser Eingriff nicht gerechtfertigt
ist!
I. Schutzbereich
II. Eingriff
III. Rechtfertigung

Schutzbereich
Persönlich
§ Wer wird geschützt?
§ Deutschengrundrecht oder Jedermanngrundrecht
§ Juristische Person nach Art. 19 III geschützt?

Sachlich
§ Welches Rechtsgut oder welches Verhalten wird von dem Grundrecht geschützt
(z.B. Würde, Leben, Wohnung, Eigentum)?
§ Begriffe auslegen!
Eingriff

Klassischer Eingriffsbegriff
§ Final und nicht als bloß unbeabsichtigte Nebenfolge
§ Unmittelbar, also ohne weitere Zwischenakte
§ Regelnd, also mit Rechtswirkung und nicht bloß faktisch
§ Imperativ, also mit Befehl und Zwang angeordnet und durchgesetzt

Moderner Eingriffsbegriff
§ Jedes staatliche Handeln, das die Grundrechtsausübung erschwert oder ganz oder
teilweise unmöglich macht.
§ Also auch nicht beabsichtigte, mittelbare oder faktische Maßnahmen umfasst
(Problem: Uferlosigkeit).
§ Bagatellschwelle (Eingriff- Belästigung)

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

§ Ein Eingriff in ein Grundrecht führt nicht automatisch zu dessen Verletzung.


Der Eingriff kann gerechtfertigt sein
§ Das Grundgesetz gewährt nämlich nicht nur Grundrechte, sondern erlaubt auch
deren Einschränkungen durch oder aufgrund von Gesetzen (sog.
"Gesetzesvorbehalte" oder "Schranken")
§ Ein Eingriffsrechtfertigung setzt u.a. Folgende Punkte voraus:
• Das Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage als Grundrechtsschranke
• Die formelle Rechtmäßigkeit des Gesetzes
• Die materielle Rechtmäßigkeit des Gesetzes (hier von überragender
Bedeutung : Verhältnismäßigkeitsgrundsatz)
• Ggf. die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Anwendung des
Gesetzes im konkreten Einzelfall ( etwa behördliche oder gerichtliche
Entscheidung)
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
• Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (auch “Übermaßverbot") folgt aus dem
Rechtsstaatsprinzip (nicht im GG normiert)
• Gilt für Eingriffe der gesamten Staatsgewalt (Legislative, Exekutive, Judikative)
• Steht das Mittel (=Eingriff) zum angestrebten Zweck in einem angemessenen
Verhältnis bzw. Nicht außer Verhältnis ("Zweck- Mittel- Relation") ?
• "Nicht mit Kanonen auf Spaten schießen"

Zweistufige Prüfung
• 1.Legitimer Zweck
• 2.Verhältnismäßigkeit (im weiteren Sinne)
A. Geeignetheit
B. Erforderlichkeit
C. Angemessenheit ("Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne")

Legitimer Zweck
• “Legitim ist grundsätzlich jedes öffentliche Interesse, das
verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist.„ (BVerfGE 124, 300, 331).
• Zweck ist durch Auslegung zu ermitteln
• Gesetzgeber verfügt über weiten Spielraum („Einschätzungsprärogative“)

Geeignetheit: Geeignet ist eine gesetzliche Regelung, wenn sie tauglich ist, das
erstrebte Ziel zu erreichen.

Erforderlichkeit: Erforderlich ist die gesetzliche Regelung, wenn es kein milderes


Mittel gibt, mit dem der erstrebte Zweck in gleich wirksamer Weise erreicht werden
kann.

Angemessenheit: Angemessen ist die Regelung, wenn bei einer Abwægung zwschen
der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und Dringlickeit der ihn rechtfertigenden
Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist.
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Grundrechtsschranken
• Drei Arten von Grundrechtsschranken
o Einfacher Gesetzesvorbehalt
o Qualifizierter Gesetzesvorbehalt
o Verfassungsimmanente Schranke

Formelle Rechtmäßigkeit
• Ist ein formelles Gesetz erforderlich („durch Gesetz“) oder ist ein materielles
Gesetz ausreichend („auf Grund eines Gesetzes“)? Wichtig hierbei :
Wesentlichkeitstheorie!
• Zuständigkeit ( Art. 70 ff. GG)
• Verfahren (Art. 76 ff. GG bzw. Art. 80 GG)
• Form : Ausfertigung, Verkündung
• Verbot des Einzelfallgesetzes, Art.19 I 1 GG
• Zitiergebot, Art. 19 I 2 GG

Materielle Rechtmäßigkeit (sog. Schranken- Schranken)


• Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
• Wesengehaltsgarantie, Art.19 II GG.
• Kein sonstiger Verstoß gegen das GG (bspw. Rückwirkungsverbot;
Bestimmtheitsgrundsatz).

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