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Anja Steinwender 23.10.

2019

Der juristische Fall als Einstieg in das Recht – Prof. Jürgen Pirker

Was ist Recht? (Ideensammlung von Studenten)

• Schutz (für Schwächere)


• Ordnung /Struktur
• Frieden
• Grundlage für Miteinander, Chancengleichheit
• Struktur für Vergesellschaftung/Staatsbildung
• Kulturbezogen
• Durchsetzung → Richtlinien → festgehalten („Papier“) → Sanktionen (≠Moral),
Konsequenzen
• Sammlung von Regeln für alle Bürger verbindlich / angewendet
• Spielraum für Moral im Recht
• Anpassungsfähig, zeitabhängig
• Recht ≠ Gerechtigkeit
• Selbst-auferlegt
• Willkür
• Manchmal durch Vernunft beschlossen (vgl. ABGB §16)

Rechtsnormen

• Rechtsnormen = Normen, deren Existenz sich auf bestimmte staatliche Autorität


zurückführen lässt
• Recht normiert Gebote, Verbote und Ermächtigungen
• Sachverhalt unter Rechtsnorm einordnen = subsumieren (→ Rechtsfolge)
• Andere Normen: Moral, Sitte, Gebräuche, Religion → Unterschied: Durchsetzung mittels
staatlichen Zwangs
• „oder“ = Tatbestandsvarianten
Anja Steinwender 23.10.2019

Rechtskategorien

• Privatrecht
o Regelt Rechtsbeziehungen zwischen Privaten (juristische oder natürliche Personen)
o Gleichrangigkeit
• Öffentliches Recht
o In der Regel eine Seite mit Hoheitsgewalt (z.B. Staat)
• Strafrecht
o Strafanspruch des Staates an Täter

Fall 1 (Privatrecht)

• Tatbestand (BSP §75 StGB):


o Tatobjekt („anderer“)
o Tatsubjekt („wer“)
o Tathandlung („töten“)
• Rechtsfähigkeit = Fähigkeit im Rechtssinne Rechte und Pflichten zu tragen
o Natürliche Personen: Beginn mit vollendeter Lebendgeburt → volle Rechtsfähigkeit
o Ausnahme: §22 ABGB → schon das ungeborene Kind ist bedingt und beschränkt
rechtsfähig (=nasciturus)
o Ende mit Tod / Todeserklärung
• Vertrag=Rechtsgeschäft
o Tatbestand, der ein oder mehrere Willenserklärungen enthält und Rechtsfolgen
auslöst
o Konsens: übereinstimmende Willenserklärungen

o Ein-/zweiseitig
o (un-)entgeltlich
o Schenkung = einseitig verpflichtend + unentgeltlich
• Handlungsfähigkeit=Fähigkeit, sich im jeweiligen rechtlichen Zusammenhang durch eigenes
Handeln zu berechtigen und zu verpflichten (§24 Abs 1 ABGB)
o Voraussetzung: Entscheidungsfähigkeit (ab Vollendung des 18. LJ vermutet)
o 2 Kategorien:
▪ Geschäftsfähigkeit
▪ Deliktsfähigkeit
• Geschäftsfähigkeit=Fähigkeit, durch eigenes Handeln Rechte und Pflichten zu begründen
(Prüfung!)
o Kinder 0-7 Jahre → voll geschäftsunfähig
o Unmündige Minderjährige 7-14 Jahre → beschränkt geschäftsfähig
o Mündige Minderjährige 14-18 Jahre → beschränkt geschäftsfähig
Anja Steinwender 23.10.2019

• Kinder < 7 Jahren


o Voll geschäftsunfähig
o Gesetzlicher Vertreter für rechtsgeschäftliche Handlungen erforderlich
o Eigene Willenserklärung des Kindes absolut nichtig
o Ausnahmen:
▪ § 170 Abs 3 ABGB → Taschengeldparagraf
• Alterstypische, geringfügige Alltagsgeschäfte durch Erfüllung
rückwirkend rechtswirksam
▪ § 865 Abs 2 ABGB → bloß zum Vorteil gemachte Versprechen
• z.B. Schenkung
• !!! neue Rechtslage seit 1.7.2018
• → Elvira kann Julia das Sparbuch schenken. Julia kann das Geschenk gemäß § 865 Abs 2
ABGB auch selbst annehmen
• Schokoriegelkauf → § 170 Abs 3 ABGB
o Altersüblich
o Geringfügig
o Alltagsgeschäft
o Erfüllung

→ Vertrag ist rückwirkend wirksam

• Blockflötenkauf → § 170 Abs 3 ABGB


o Altersüblich
o Geringfügig

→ Vertrag ist nicht wirksam zustandegekommen

• Unmündige Minderjährige 7-14 Jahre


o Beschränkt geschäftsfähig § 865 Abs 4f ABGB
o Übernahme von Lasten:
▪ Vertrag schwebend unwirksam
▪ Hinkendes Rechtsgeschäft
▪ Angemessene Frist für Erklärung des gesetzlichen Vertreters
▪ Setzung einer angemessenen Frist durch den Geschäftspartner
o Alterstypische, geringfügige Altersgeschäfte (§ 170 Abs 3 ABGB)
o Annahme bloß zum Vorteil gemachter Geschäfte
• Mündige Minderjährige
o Beschränkt geschäftsfähig
o Übernahme von Lasten:
▪ Vertrag schwebend unwirksam
▪ Alterstypische, geringfügige Alltagsgeschäfte
▪ Annahme bloß zu ihrem Vorteil gemachter Geschäfte
▪ Einkommen aus eigenem Erwerb/zur freien Verfügung überlassene
Gegenstände, sofern Befriedigung der Lebensbedürfnisse nicht gefährdet
▪ Dienstverträge (§ 171 ABGB), nicht allerdings Lehr- und Ausbildungsverträge
Anja Steinwender 23.10.2019

Vertrag

• Mindestinhalt = „essentialia negotii“


o Wesentliche Punkte des abzuschließenden Vertrages
o Bei Kaufvertrag: Ware + Preis
• Formerfordernisse
o Mündlichkeit / Schriftlichkeit
• Kaufvertrag
o Zweiseitig + entgeltlich
• Eigentumserwerb
o Titel (Rechtsgrund, z.B. Kaufvertrag, Schenkungsvertrag) + Modus (Erwerbungsart,
Übergabe bei beweglichen Sachen, Eintragung ins Grundbuch bei unbeweglichen
Sachen)
o ! Erwerber muss Eigentümer sein, um wirksam Eigentum zu übertragen !

Anspruchsprüfung / Subsumtion

• WER will
• WAS von
• WEM
• WORAUS?
(auf welcher Grundlage)

Fall 2 (Öffentliches Recht)

• Stufenbau
1. Baugesetze der Verfassung
2. Bundesverfassungsrecht
3. Landesverfassungsrecht
4. Bundes-/Landesgesetze
5. Verordnungen
6. Einzelfallentscheidungen
• Grundprinzipien der Verfassung
o Grundprinzipien = Baugesetze = leitende Grundsätze der Verfassung
o Gravierende Veränderung = „Gesamtänderung“ von Bundesverfassung
(Volksabstimmung + erhöhte Quoren nötig)
1. Demokratisches Prinzip
• Österreich = repräsentativ-parlamentarische Demokratie
• Demokratie: jene Herrschaftsform, bei der das Recht vom Volk
ausgeht
2. Republikanisches Prinzip
• Österreich = Republik, keine Monarchie
• Staatsoberhaupt: Staatspräsident
o Vom Volk auf bestimmte Zeit gewählt
o Politisch und rechtlich verantwortlich
3. Bundesstaatliches Prinzip
• Verteilung der staatlichen Funktionen zwischen Bund und Ländern
(Kompetenzverteilung)
• Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung (Bundesrat)
Anja Steinwender 23.10.2019

4. Rechtsstaatliches Prinzip
• Vollziehung (Exekutive, Judikative) ist an Gesetze gebunden,
Legalitätsprinzip (Art. 18 Abs 1 B-VG: „Die gesamte staatliche
Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.“)
• Gegen staatliches Handeln bestehen effektive
Rechtsschutzeinrichtungen
5. Gewaltentrennendes Prinzip
• Trennung der Staatsgewalten: Gesetzgebung (Legislative),
Verwaltung (Exekutive) und Gerichtsbarkeit (Judikative)
• Ausführung von verschiedenen, voneinander unabhängigen Organen
6. Liberales Prinzip
• Sichert Grundrechte der Bürger
• Selbsteinschränkung des Staates

Gesetzgebungskompetenz

• Privat- und Strafrecht (einschließlich Strafprozessrecht und Zivilverfahrensrecht)


o Bundesgesetzgeber
o Gesetzgebende Körperschaft (Parlament)
Nationalrat in Verbindung mit dem Bundesrat
• Verwaltungsrecht
o Kompetenzverteilung (1925): Bund oder Land zuständig? → im B-VG geregelt
o Bundesgesetzgeber (Parlament) z.B. Gewerberecht, Schulunterricht
o Landesgesetzgeber (Landtag) z.B. Jugendschutz, Leichen-/Bestattungswesen

Vollziehung der Gesetze

• Gesetze aus dem Straf-/Privatrecht


o Ordentliche Gerichte
o Bund zugeordnet
o Organe der Gerichte (Richter) sind in ihrer Ausübung des Amtes unabhängig
• Gesetze aus dem Verwaltungsrecht
o Verwaltungsbehörden
o Weisungsgebunden

Verwaltung

• Oberste Organe der Verwaltung:


o Bundespräsident (Sonderstellung: Staatsoberhaupt)
o Bundesregierung
o Bundesminister und Staatssekretäre
o Landesregierung
• Nachgeordnete Verwaltungsbehörden:
o z.B. Bezirksverwaltungsbehörden
Anja Steinwender 23.10.2019

Warum ist Jugendschutz in den Bundesländern unterschiedlich?

• Kompetenzverteilung durch B-VG (Art. 10 bis 15 B-VG)


• Jugendschutz ist „Landessache“ → Bundesländer dürfen Angelegenheiten des
Jugendschutzes regeln
• Zur Vereinheitlichung:
o Gliedstaatsvertrag (Art. 15a B-VG)
o Verfassungsänderung

Europarecht

• Europäische Gesetze = Verordnungen und Richtlinien


• Primäres Unionsrecht
o Gründungsverträge, Änderungsverträge einschließlich der Beitrittsverträgt
o Allgemeine Rechtsgrundsätze
• Sekundäres Unionsrecht
o Auf Grundlage des Primärrechts erlassenes Recht
o Verordnungen: gelten unmittelbar in Mitgliedstaaten
o Richtlinien: müssen umgesetzt werden
o Beschlüsse
• Anwendungsvorrang
o Vorrang des gesamten unmittelbar anwendbaren Unionsrechts vor nationalem Recht
(außer vor Grundprinzipien der Verfassung) → Nationales Recht tritt dadurch aber
nicht automatisch außer Kraft!
• EU = supranationale Organisation
o Österreich seit 1995 Mitglied (1994 Volksabstimmung)
o 2007 Vertrag von Lissabon (2009 In-Kraft-Treten)
o 2 Grundverträge:
▪ EUV (Vertrag über die Europäische Union)
▪ AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union)
• Organe der EU
o Europäischer Rat:
▪ Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten und Präsident der
Europäischen Kommission
▪ Aufgaben: Festlegung von Leitlinien und Zielen der europäischen Politik
o Rat der EU (Ministerrat):
▪ Je nach Politikfeld – die jeweiligen Fachminister der nationalen Regierungen
der Mitgliedstaaten
▪ Aufgaben: der Ministerrat beschließt gemeinsam mit dem europäischen
Parlament die europäische Rechtsakte (insbesondere Verordnungen und
Richtlinien)
▪ !!! Europarat = Völkerrechtliche Organisation (vgl. Menschenrechte) ≠ EU
o Europäisches Parlament
▪ 751 Parlamentarier
▪ Wahlen der Abgeordneten des europäischen Parlaments werden im
nationalstaatlichen Rahmen abgehalten
▪ Aufgaben: beschließt gemeinsam mit Ministerrat europäische Rechtsakte
Anja Steinwender 23.10.2019

o
Europäische Kommission
▪ 28 Kommissare aus den Mitgliedstaaten
▪ Aufgaben: „Regierung“ der EU (jeder Kommissar ist für einen Politikbereich
zuständig); u.a. berechtigt, die europäischen Rechtsakte vorzuschlagen
o Europäischer Gerichtshof (EuGH)
▪ Oberstes rechtsprechendes Organ der Europäischen Union (Gerichtsbarkeit)
▪ Aufgaben: „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der
Verträge“; entscheidet u.a. auf Antrag der einzelstaatlichen Gerichte über
die Auslegung des Unionsrechts (Vorabentscheidungsverfahren)
o Europäische Zentralbank
o Europäischer Rechnungshof
• Wichtige Bereiche im Europarecht:
o Schaffung eines funktionierenden Binnenmarktes mit 4 Grundfreiheiten (freier
Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, freier Zahlungs-/Kapitalverkehr, freier
Dienstleistungsverkehr
o Abbau von Zöllen
o justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen

Völkerrecht

• primärer Regelungsgegenstand: zwischenstaatliche Beziehungen


• primäre Rechtssubjekte: Staaten
• keine strikte Unterordnung unter eine zentrale Hoheitsgewalt
• wichtige nichtstaatliche Akteure: Vereinte Nationen, Europarat, NGOs
• wichtige Gerichte: Internationaler Gerichtshof, Europäischer Gerichtshof für
Menschenrechte

Welche Handlung setzen die Polizisten?

• Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt (AuvBZ)


o Akt einer Verwaltungsbehörde: Polizisten als Exekutivorgane der Sicherheitspolizei
o Hoheitlicher Verwaltungsakt: einseitige Anordnungsbefugnis („Imperium“)
o Individualität: Eingriff in Rechtssphäre individueller bestimmter Personen
o Unmittelbarkeit: ohne Bescheid/Richterbefehl
o Fehlende Förmlichkeit: keine gemeinsamen, äußeren Merkmale

Verwaltungsrecht und Verwaltungsstrafverfahren

• Allgemeines Verwaltungsrecht
o Grundsätze des Verwaltungshandelns
o Instrumente des Verwaltungshandelns
o Organisationsrecht
• Besonderes Verwaltungsrecht
o Gesamtheit aller Verwaltungsvorschriften (Materiengesetze)
Anja Steinwender 23.10.2019

Fall 3 (Strafrecht)

• Objektiver Tatbestand:
o Tatsubjekt: Julia
o Tatobjekt: Schülerausweis
o Tathandlung: Fälschen des Schülerausweises
o Taterfolg: gefälschter Ausweis
• Subjektiver Tatbestand:
o Julia wusste, dass in dem Lokal oft kontrolliert wird und fälschte dann vorsätzlich
ihren Ausweis.
• Ist der Vater strafbar?
o Nein, gemäß §7 Abs 1 StGB ist er nicht strafbar, weil er nicht vorsätzlich gehandelt
hat.
• Strafmündig: ab vollendetem 14. LJ
o Besondere Regelungen im Rahmen des Jugendstrafrechts/Jugendgerichtsgesetz für
jugendliche Straftäter (14-17 Jahre) und junge Erwachsene (18-21 Jahre)
• Hat Julia auch einen Qualifikationstatbestand erfüllt?
o Vgl. §224 StGB
o Inländische öffentliche Urkunde
o Vorsatz auf die Qualifikation
--> Julia ist strafbar gemäß §§ 223 Abs 2, 224 StGB
• Strafrecht vs Verwaltungsstrafrecht
o Strafrecht:
▪ Tat mit größerem Unwert (Tadelswert)
▪ Gericht
▪ Schwerste Straftaten
▪ Entscheidung durch Urteil
o Verwaltungsstrafrecht
▪ Verwaltungsbehörde
▪ Delikte minderer Sozialschädlichkeit
▪ Entscheidung durch
Organmandat/Anonymverfügung/Strafverfügung/Strafbescheid
• Fährlässige Körperverletzung?
o Objektive Sorgfaltswidrigkeit
o Subjektive Sorgfaltswidrigkeit
o Zumutbarkeit (rechtmäßigen Verhaltens)
• Schaden am Moped?
o Schaden → Privatrechtlicher Anspruch des Felix gegen Julia
o Zuständigkeit: grundsätzlich Zivilgericht

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