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1.

Welcher Schutz besteht für Ausländer im Gewährleistungsbereich der so


genannten „Deutschen-Grundrechte“?
 Es gibt einige Grundrechte (z.B. Art. 12 Abs. 1, Art. 8 GG), deren
Gewährleistungsbereich sich ausdrücklich auf Deutsche i.S.d. Art. 116 GG bezieht.
 Für Ausländer gibt es in diesem Zusammenhang einige Besonderheiten zu beachten:
EU-Ausländer:
 Aufgrund des Diskriminierungsverbots aus Art. 18 AEUV ergibt sich ein
Verbot jeder Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Es muss eine
Gleichstellung von EU-Ausländern und Deutschen erfolgen. Wie diese
Situation dogmatisch erreicht werden kann, wird unterschiedlich beurteilt:

Eine Ansicht: Gegenansicht:


Deutschengrundrechte müssten Keine direkte Anwendung auf EU-
entgegen ihres Wortlauts auch auf Bürger, da Wortlaut eindeutig nur
EU-Bürger ausgedehnt werden. Deutsche erfasst.
Allerdings könnten EU-Bürger über
Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine
Handlungsfreiheit) ihren
Grundrechtsschutz geltend
machen. Das sogenannte
„Jedermann-Grundrecht“ aus Art. 2
Abs. 1 werde dann für EU-Bürger
europarechtskonform ausgelegt,
so dass diese einen den Deutschen
gleichwertigen Grundrechtsschutz
erfahren.
 Beide Ansichten kommen zu gleichem Ergebnis. Allerdings ist die zweite
Ansicht vorzugswürdig, da sie den Wortlaut des GG beachtet.

Nicht EU-Ausländer:
 Für Nicht-EU-Ausländer scheidet ein gleichwertiger Grundrechtsschutz
aus. Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut der Deutschengrundrecht.
 (Ihnen steht zwar auch das „Jedermann-Grundrecht“ zu, dieses
gewährleistet jedoch nicht einen den speziellen Grundrechten
vergleichbaren Schutz.)

2. Was ist das so genannte verfassungsrechtliche „Parteienprivileg“?


Art. 21 Abs. 2 GG (lesen!) regelt, dass eine Partei nur unter den genannten Gründen vom
Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden kann und verbindet gem. §
46 Abs. 3 S. 1 BVerfGG mit der Erklärung deren Auflösung und das Verbot. Die Vorschrift ist
abschließend und hat zwei Zielrichtungen: Auf der einen Seite zentriert sie die Kompetenz
zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer Partei beim BVerfG und verhindert so,
dass eine Partei willkürlich aus dem politischen Diskurs entfernt wird. Auf der anderen Seite
verhindert sie dennoch, dass sich diejenigen, die sich gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung1 stellen oder den Bestand der BRD gefährden, der Organisationsform der
Partei bedienen dürfen. Denn gerade die Organisation als Partei ermöglicht eine erhöhte
Wirkungsmöglichkeit, insbesondere eine verstärkte Einflussnahme auf den politischen
Willensbildungsprozess.
Wichtig ist, dass hierbei nicht darum geht eine bestimmte Meinung aus dem politischen
Diskurs zu entfernen. Vielmehr soll nur verhindert werden, dass bestimmte politische Ziele –
nämlich die Beeinträchtigung oder Beseitigung der der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung oder die Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland – auf
eine bestimmte Weise, d. h. als Partei (oder Vereinigung), zu verfolgen und sie vermittels der
Wahl von Vertretern dieser Ziele in staatliche Ämter, insbesondere zu Trägern
parlamentarischer Mandate, in die zur politischen Entscheidungsfindung berufenen
staatlichen Organe hineinzutragen.

3. Was bezeichnet die so genannte „Reservefunktion“ des Bundespräsidenten?


Dem Bundespräsidenten kommt eine Reservefunktion zu. Damit ist gemeint, dass er in einer
rechtlichen und politischen „Normallage“ in der Rolle eines Reservespielers bleibt und die
übrigen Bundesorgane im Rahmen ihrer Kompetenzen handeln. Tritt eine atypische Lage
ein, dann darf der Bundespräsident einspringen und die Aufgaben eines Organs
übernehmen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Bundesorgane handlungsunfähig
sind oder verfassungswidrig handeln.
Die Reservefunktion kann in eine rechtliche und in eine politische Reservefunktion unterteilt
werden:
Die rechtliche Reservefunktion entfaltet sich vor allem im Rahmen der Ausfertigung von
Gesetzen (Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG), der Ernennung des Bundeskanzlers und der Minister
(Art. 63, 64 GG) oder der Ausübung völkerrechtlicher Vertretungsmacht (Art. 59 Abs. 1 GG).
So kann der Bundespräsident beispielsweise die Ausfertigung evident verfassungswidriger
Gesetze verweigern (und damit streng genommen in die Kompetenz des
Bundesverfassungsgerichts eingreifen.)
Die politische Reservefunktion meint die Machtbefugnisse im politischen Kontext, wenn sich
etwa in einem neugewählten Bundestag keine Mehrheit für die Wahl eines Bundeskanzlers
findet (Art. 63 Abs. 4 GG) oder der Bundestag dem Bundeskanzler das Vertrauen verweigert
(Art. 68 GG). Der Bundespräsident hat in diesen Fällen die letztinstanzliche
Entscheidungsmacht, kann also z.B. den Bundeskanzler benennen oder den Bundestag
auflösen. Vor dem Hintergrund der Ereignisse in der Weimarer Zeit kann der
Bundespräsident jedoch nicht die Regierungsmacht an sich bringen. Seine Befugnisse sind
immer nur darauf gerichtet eine handlungsfähige Regierung zu gewährleisten. Daher wird

1
Unter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fasst das BVerfG u.a. zusammen: Achtung der
Menschenrechte, Gewaltenteilung, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Verantwortlichkeit der Regierung ggü.
dem Parlament, Recht auf Opposition. Kurz: Eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und
Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des
Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt.
die Rolle des Bundespräsidenten auch vom Leitbild eines Schlichters, Mittlers oder
Mediators her gedacht.

4. Enttäuscht über die von den älteren Generationen vielfach als unverantwortlich
wahrgenommenen Politikpräferenzen junger Menschen und dem als unschicklich
angesehenen Verhalten einiger junger PolitikerInnen beschließen der Bundestag und
der Bundesrat mit einer Mehrheit von jeweils über 80 Prozent der Mitglieder bzw.
Stimmen die Regelung des Art. 38 Abs. 2 GG in der Weise zu ändern, dass das aktive
und passive Wahlrecht nunmehr erst ab der Vollendung des fünfundzwanzigsten
Lebensjahres zuerkannt wird.
Prüfen Sie bitte die Verfassungsmäßigkeit dieser Neuregelung.

I. Formelle Verfassungsmäßigkeit
- Grds. kann Art. 38 geändert werden
- Änderung mit 2/3 Mehrheit erforderliche, vgl. Art. 79 III GG (Art. 20 betroffen)
- Hier 80 Prozent, insoweit Kriterium erfüllt.

II. Materielle Verfassungsmäßigkeit


1. Verstoß gegen Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl
Mit der Änderung des aktiven und passiven Wahlrechts auf das vollendete fünfundzwanzigste
Lebensjahr könnte gegen die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 I GG verstoßen. Danach
werden die Abgeordneten des Bundestages in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und
geheimer Wahl gewählt. Die Erhöhung des Wahlalters könnte gegen den Grundsatz der
Allgemeinheit der Wahl verstoßen, welcher sichern soll, dass alle Deutschen die gleiche
Fähigkeit haben zu wählen und gewählt zu werden. Die Knüpfung des Wahlrechts an die
Erreichung einer bestimmten Altersgrenze verwehrt einem Teil der Bevölkerung den Zugang
zur Wahl und stellt damit einen Eingriff in den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl dar.
Dieser Eingriff könnte jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Dazu müssten
sachliche Gründe vorliegen, die durch die Verfassung legitimiert sind und von mindestens
gleichem Gewicht wie die Allgemeinheit der Wahl sind.
Ein Wahlrechtsausschluss könnte dadurch gerechtfertigt sein, dass erst ab einem bestimmten
Alter von einer Einsichtsfähigkeit eines Menschen ausgegangen werden kann, die die
Voraussetzung für die Teilnahme am Kommunikationsprozess zwischen Volk und
Staatsorganen notwendig ist. Den Teilnehmenden an der Wahl muss bewusst sein, mit
welchen Konsequenzen sie auch für die Gemeinschaft handeln. Da es keinen
allgemeingültigen Zeitpunkt gibt, ab welchem von der hierzu erforderlichen Verstandesreife
ausgegangen werden kann, ist eine typisierte Betrachtung vorzunehmen. In der
Vergangenheit wurde davon ausgegangen, dass dieser Zeitpunkt mit dem 18. Lebensjahr
typischerweise erreicht ist, da sich zu diesem Zeitpunkt ein hinreichendes politisches
Bewusstsein entwickelt habe.
Eine Anhebung des Wahlalters auf das 25. Lebensjahr könnte nur dann gerechtfertigt sein,
wenn Gründe für die Annahme vorliegen, dass Menschen erst ab diesem Zeitpunkt die
erforderliche Reife besitzen. Als Begründung wird angeführt, dass junge Menschen politische
Entscheidungen treffen, mit denen die ältere Generation nicht einverstanden ist. Es ist nicht
ungewöhnlich, dass es aufgrund des Alters zu einer Bündelung gleicher Interessen kommt.
Dies kann sich aus den vergleichbaren Lebenslagen, gleicher Interessenschwerpunkte und
politischer Präferenzen ergeben. Dass sich die Meinungen in einer Altersgruppe von solchen
einer anderen Altersgruppe unterscheiden, sagt nichts über die Verstandesreife derjenigen aus,
die diese Interessen vertreten.
Der Eingriff in den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl ist nicht gerechtfertigt.

2. Verstoß gegen die Parteienfreiheit


Die Erhöhung des Wahlalters könnte zudem einen Eingriff in die Parteienfreiheit darstellen.
Diese umfasst auch die Organisationsfreiheit in freier Entscheidung Menschen als
Wahlbewerbende aufzustellen, die sie für geeignet halten. Dadurch, dass Menschen bis zur
Erreichung des 25. Lebensjahres von den Parteien nicht als Wahlbewerber aufstellen können,
wird in die Parteienfreiheit eingegriffen.
Dieser Eingriff könnte gerechtfertigt sein. Ein Ausschluss der unter 25-Jährigen
Wahlbewerber wäre dann gerechtfertigt, wenn diese aufgrund ihrer Verstandesreife nicht die
Gewähr dafür bieten, die Konsequenzen aus ihrer Aufstellung zu erkennen. Wie bereits unter
I. erläutert lässt sich aus der Tatsache, dass junge Menschen Entscheidungen treffen, die
denen älterer Menschen widerspricht nicht auf eine verminderte Verstandesreife schließen.

Auch der Verstoß gegen die Parteienfreiheit ist nicht gerechtfertigt.

3. Verstoß gegen das Demokratieprinzip


Die Anhebung des Wahlalters könnte einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip darstellen.
Gem. Art. 20 II GG geht die Staatsgewalt vom Volke aus und wird in Wahlen ausgeübt. Die
demokratische Teilhabe wird ganz wesentliche durch die aktive und passive Teilnahme an
Wahlen gewährleistet. Ein Entzug des Wahlrechts bis zum 25. Lebensjahr schließt einen
bestimmten Personenkreis von dieser Art der demokratischen Teilhabe aus: Es ist ein
zentrales Merkmal des demokratischen Prozesses, dass sich unterschiedliche
Personengruppen mit ihren jeweiligen Ansichten positionieren können und diese auch im
politischen Diskurs berücksichtigt werden. Die Sichtweise der jungen Generation
berücksichtigt insbesondere Zukunftsfrage häufig stärker, von denen die ältere Generation
nicht mehr betroffen sein wird. Ein Wahlrechtsausschluss dieser Generation würde zu einer
Verdrängung dieser Themen aus dem politischen Diskurs führen. Von einem Willen, der vom
gesamten Volke ausgeht, könnte dann nicht mehr gesprochen werden. Ein Verstoß gegen das
Demokratieprinzip liegt vor.

Dieser könnte jedoch gerechtfertigt werden. Aufgrund der Wertigkeit des Demokratieprinzips
als Grundprinzip der Verfassung sind an die Rechtfertigung von Eingriffen hohe
Anforderungen zu stellen. Ein ein Ausschluss von Personen von der demokratischen Teilhabe
kann zu dem Zweck des Schutzes des demokratischen Prozesses stattfinden. Dies soll dann
der Fall sein, wenn Personen der verantwortlichen und selbstbestimmten Teilhabe am
politischen Willensbildungsprozess nicht fähig sind, weil ihnen das erforderliche Wissen zur
Beurteilung entscheidender Sachfragen und der von den verfassten Staatsorganen getroffenen
Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschläge fehlt. Ein solcher Wissensmangel für
Menschen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren lässt sich nicht aus den inhaltlichen
Entscheidungen der jungen Generation ableiten. Weitere Anhaltspunkte, die für einen
Wissensmangel sprechen, liegen nicht vor (s.o.). Der Eingriff ist nicht gerechtfertigt.

III. Ergebnis
Die Änderung des Art. 38 II GG mit dem Inhalt der Erhöhung des Wahlalters auf 25 Jahre ist
materiell verfassungswidrig.

5. Zur Entlastung der Verwaltungsgerichte in der Corona-Krise beschließt der


Bundestag in ordnungsgemäßer Form und unter Beachtung des vorgesehenen
Gesetzgebungsverfahrens die Verwaltungsgerichtsordnung in der Weise zu ändern, dass
ab 1. August 2022 Klagen gegen staatliche Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der
Corona-Krise erlassen worden sind und für die bislang die Verwaltungsgerichte
zuständig gewesen sind, nunmehr bei einem neu geschaffenen „Corona-
MaßnahmenÜberprüfungsausschuss“ einzureichen sind. Dieser ist organisatorisch bei
den Innenministerien der Länder eingerichtet und setzt sich aus jeweils drei vom
Minister/Ministerin zu bestimmenden MitarbeiterInnen des jeweiligen
Innenministeriums zusammen, welche die Große Juristische Staatsprüfung bestanden
haben und damit über die Befähigung zum Richteramt verfügen.
Prüfen Sie bitte die Verfassungsmäßigkeit dieser Neuregelung.

I. Formelle Verfassungsmäßigkeit der Änderung


Laut SV gegeben.

II. Materielle Verfassungsmäßigkeit


1. Verstoß gegen die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes
Aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt sich ein allgemeiner Justizgewährleistungsanspruch, der
wiederum die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes beinhaltet. Die Bürger sollen nicht
nur die Möglichkeit haben für ihre Rechte einzustehen, sondern es soll beispielsweise auch
gesichert sein, dass sie ihre Ansprüche in einem angemessenen Verfahren und in einer
angemessenen Zeit durchsetzen können. Die „Corona-Maßnahmen-Überprüfungsausschüsse“
sollen eingerichtet werden, um die Verfahrensdauer vor den Verwaltungsgerichten zu
verkürzen. Sie dienen der Verwirklichung der Rechte der Bürger in zeitlicher Hinsicht und
damit gerade dem effektiven Rechtsschutz.

2. Anspruch auf den gesetzlichen Richter


Die Verlagerung der Entscheidungen von den Verwaltungsgerichten auf den Ausschuss
könnten gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verstoßen. Danach darf niemandem der gesetzliche
Richter entzogen werden. Unter dem gesetzlichen Richter ist jemand zu verstehen, der
unabhängig von allen Verfahrensbeteiligten Recht spricht. Hier soll ein Ausschuss aus
Mitarbeitenden der Exekutive (Innenministerium) gebildet werden, die insoweit nicht als
unabhängig agieren. Dass diese die Befähigung zum Richteramt haben, ändert an ihrer
Abhängigkeit zur Exekutive nicht. Folglich sind in den Entscheidungen des Corona-
Maßnahmen-Ausschusses keine unabhängigen Entscheidungen eines Richters zu sehen, so
dass Art. 101 Abs. 1 S: 2 GG verletzt ist.

3. Verbot der Ausnahmegerichte


Zudem könnte gegen das Verbot der Ausnahmegerichte aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG
verstoßen worden sein.

Fraglich ist, ob ein Ausnahmegericht im Sinne der Vorschrift vorliegt. Das ist der Fall, wenn
ein Gericht entweder ad hoc (für konkreten Fall) oder ad personam (für einen individuell
bestimmten Fall) gebildet wird. Es soll verhindert werden, dass die Funktion des Gerichts als
unabhängige Entscheidungsinstanz durch Gerichtsmitglieder, die nach bestimmten Tendenzen
entscheiden, unterlaufen wird. Insbesondere sollen die Exekutive und die Legislative von der
Judikative unabhängig bleiben.

Bei dem Ausschuss des Innenministeriums soll es sich um eine Instanz handeln, die die
gerichtlichen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte ersetzt. Insoweit kann hier zumindest
von einer funktionalen Ähnlichkeit zu einem Gericht ausgegangen werden.
Dieses soll jedoch nicht durch unabhängige Richter besetzt werden, sondern durch
Mitarbeitende des Ministeriums. Bei diesen ist eine bestimmte Tendenz in ihren
Entscheidungen nicht ausgeschlossen, insbesondere, weil es sich um das Innenministerium
handelt, welches im Rahmen der Corona Maßnahmen eine entscheidende Rolle gespielt hat.
Die gerichtliche Unabhängigkeit wird dadurch nicht gewahrt, so dass bereits aus diesem
Grund ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG vorliegt.

Darüber hinaus handelt es sich auch nicht um ein Sachgericht, worunter gesetzlich festgelegte
Gerichte zu verstehen sind, die sich allgemein mit einer bestimmten sachlichen Materie
beschäftigen (z.B. die Finanzgerichte).
Das Gericht soll sich konkret mit den Coronafällen befassen und nicht allgemein und
unabhängig von konkreter Thematik mit einer sachlichen Materie.

6. Um die im Zuge der Corona-Krise deutlich angewachsene Staatsverschuldung in den


kommenden Jahren schneller abbauen zu können, beschließt der Bundestag in
ordnungsgemäßer Form und unter Beachtung des vorgesehenen
Gesetzgebungsverfahrens das Sozialgesetzbuch in der Weise zu ändern, dass alle
erwerbsfähigen Personen ab dem 1. Juli 2022 von der staatlichen Grundsicherung
ausgeschlossen sind und somit keine staatliche Unterstützung mehr erhalten. Die
gesetzliche Regelung ist zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2025.
Prüfen Sie bitte die Verfassungsmäßigkeit dieser Neuregelung.
Die Neuregelung ist verfassungsmäßig, wenn sie nicht gegen formelles oder materielles
Verfassungsrecht verstößt.

I. Formell

Laut Sachverhalt sind die formellen Anforderungen eingehalten.

II. Materiell

Die Regelung zum Ausschluss aller erwerbsfähigen Personen von der Grundsicherung könnte jedoch
materiell verfassungswidrig sein.

In Betracht kommt vorliegend die Verletzung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges
Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG). Danach ist der
Staat verpflichtet die materiellen Voraussetzungen zu schaffen, die jedem Hilfsbedürftigen die
physische Existenz und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und
politischen Lebens sichern.

Durch die Neuregelung ist es den erwerbsfähigen Personen nicht mehr möglich, ihre Existenz mit
Hilfe von staatlicher Unterstützung zu sichern. Der Gesetzgeber hat sich hier auf die erwerbsfähigen
Personen beschränkt, also solche, die zumindest potentiell aus eigener Kraft einer Erwerbstätigkeit
nachgehen könnten, um so ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Es könnte sich daher um einen
Personenkreis handeln, der bereits nicht unter den Begriff der Hilfsbedürftigen fällt und daher auch
keine Unterstützung des Staates in diesem Sinne benötigt. Denn es steht dem Gesetzgeber
grundsätzlich frei denjenigen, die leistungsfähig sind, auch eine Leistung abzuverlangen. Bei der
allgemeinen Erfassung aller „Erwerbsfähigen“ bleibt allerdings unberücksichtigt, dass auch diese
Personen von Arbeitslosigkeit betroffen sein können und aus diesem Grunde daran gehindert sind
ihren Lebensunterhalt selber zu bestreiten. Zudem sind einige Erwerbsfähigen Personen zur Pflege
von Angehörigen verpflichtet und können aus diesem Grund keiner Erwerbstätigkeit nachgehen.
Diese Beispiele zeigen, dass Hilfsbedürftigkeit auch bei einer Erwerbsfähigkeit vorliegen kann.
Insoweit die Regelung keine Ausnahmevorschriften für diese Fälle vorsieht, ist sie trotz der
vorgesehenen Befristung als unverhältnismäßig und damit als materiell verfassungswidrig zu
beurteilen.

Anmerkung: An dieser Stelle könnte auch an einen Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip, Art. 20 I
GG, gedacht werden. Danach ist die BRD ein sozialer Bundesstaat. Bei dem Sozialstaatsprinzip
handelt es sich jedoch lediglich um eine Staatszielbestimmung aus der sich isoliert betrachtet keine
Ansprüche und keine Grundrechte herleiten lassen. Insoweit halte ich es hier für sinnvoller sich auf
das menschenwürdige Existenzminimum zu fokussieren.

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