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Studienkolleg Coburg DSH-Prüfung 10.

Januar 2014
Teil 1: Verstehen und Verarbeiten eines Hörtextes

„Wasser ist unser Leben“ (beim ersten Mal Titel nicht vorlesen!)
Es kommt aus Hähnen und Flaschen, fällt vom Himmel und stürzt in Flussläufen zu Tal;
es verdunstet, versickert im Boden oder überschwemmt Städte und Landschaften. Wir
Menschen schützen uns davor mit Regenschirmen und erfrischen uns darin in Badehosen.
Es verspricht Glückszustände in der Freizeit, zerstört aber durch längeres Ausbleiben oder
übermäßiges Auftreten die Existenzgrundlage von Mensch und Tier.
Es ist das wichtigste Lebensmittel überhaupt und wird von uns Menschen täglich
gebraucht und verbraucht. Fürs Überleben muss es in ausreichender Menge und Qualität
verfügbar sein oder aufbereitet werden. Nicht überall auf der Welt ist das selbstverständ-
lich oder überhaupt möglich. Den Preis dafür zahlen wir als Konsumenten in Euro und als
Verschwender hoffentlich wenigstens mit einem schlechten Gewissen. Ohne
ausreichenden Zugang zu sauberem Wasser zahlen wir in einer anderen Währung: mit
gesundheitlichen Problemen und mancherorts sogar mit Krieg und Vernichtung.
Täglich verbrauchen wir Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen. In Europa halten wir
das für normal. Nur wenn wir direkt dafür bezahlen müssen oder müssten, ist oder wäre
uns der tatsächliche Wert des Wassers bewusst. Aber der Wasserverbrauch jedes
Einzelnen von uns ist in Wirklichkeit noch viel höher, denn Wasser wird natürlich bei der
Herstellung vieler Nahrungsmittel und Konsumgüter verbraucht, ohne dass man es den
Produkten ansieht. Man spricht dabei von „virtuellem Wasser“, das in eine ehrliche Bilanz
unseres Wasserverbrauchs mit eingerechnet werden muss.
In der heutigen Vorlesung blicken wir zuerst auf die Versorgungssituation auf unserem
Planeten und den Umgang mit der knappen Ressource Wasser vor allem in Deutschland.
Im Anschluss daran geht es um etwas relativ Neues: „virtuelles Wasser“ und wie es uns
helfen kann, die Nutzung des vorhandenen Wassers global zu verbessern. Am Ende folgt
ein kurzer Ausblick auf das, was wir in den kommenden Wochen unter die Lupe nehmen.
Auf den ersten Blick bietet der „blaue Planet“ Wasser in Hülle und Fülle, schließlich
bedecken Ozeane und Meere über 70 Prozent der Erdoberfläche. Doch im Vergleich zu
diesen riesigen Mengen an ungenießbarem Salzwasser ist der Anteil von nutzbarem
Süßwasser mit nur 2,5 Prozent sehr gering. Hinzu kommt, dass der allergrößte Teil des
Süßwassers in Gletschern, Eis oder als Bodenwasser mehr oder weniger unzugänglich
gebunden ist.
So haben wir Menschen nur Zugriff auf etwa 0,3 Prozent der gesamten Süßwasservorräte
auf Erden - vor allem in Flüssen, Seen und Talsperren - etwa 213 Kubikkilometer Wasser.
Theoretisch reicht diese Menge für die Versorgung der Weltbevölkerung aus. Doch große
Unterschiede bei den saisonalen und jährlichen Niederschlagsmengen führen dazu, dass
viele Regionen regelmäßig unter Wasserknappheit leiden, während andere Gebiete, wie
Deutschland, Wasser im Überfluss haben. In den ohnehin benachteiligten Ländern
verschärft sich der Mangel an Wasser häufig durch das Bevölkerungswachstum, einen
steigenden Pro-Kopf-Verbrauch und vor allem die zunehmende Verschmutzung des
verfügbaren Trinkwassers.
In einigen Entwicklungsländern müssen die Menschen mit fünf Litern Wasser am Tag aus-
kommen, das obendrein oft von minderer Qualität ist. Zum Vergleich: In Europa liegt der
durchschnittliche Wasserverbrauch pro Kopf und Tag bei etwa 200 Litern, in Deutschland
aktuell bei circa 120 Litern. Berücksichtigt man jedoch zusätzlich das sogenannte „virtuelle
Wasser“, fällt der Vergleich zwischen verschiedenen Regionen noch viel drastischer aus.
Studienkolleg Coburg 1 Dr. Bernhard Melchior
Nach Angaben des World Wide Fund For Nature (WWF) hinterlässt jeder Deutsche aktuell
einen Wasser-Fußabdruck von rund 2.784 Litern pro Tag. Wie kommt es zu dieser
schockierenden Zahl?
„Virtuelles Wasser“ quantifiziert, welche Menge Wasser in einem Produkt oder einer
Dienstleistung enthalten ist oder zur Herstellung und Bereitstellung verbraucht wird. Für
ein Kilogramm Kartoffeln braucht man 255 Liter Wasser, für ein Kilo Reis 2.500 Liter:
Wasser für die Aufzucht der Pflanzen auf dem Feld, zum Reinigen der Früchte nach der
Ernte und zur Herstellung von Transport- und Verkaufsverpackungen. Bis ein Kilogramm
Hühnerfleisch auf den Tisch kommt, sind schon 3.900 Liter Wasser „hineingeflossen“ und
für jedes Kilo Rindfleisch sind 15.000 Liter Wasser verbraucht worden: beim Anbau des
Viehfutters und dem Tränken der Tiere, für die Reinigung des Fleisches im Schlachthof,
die Herstellung der Verkaufsverpackung und so weiter – alles Voraussetzungen, ohne die
dieses Kilo Fleisch nicht existieren würde und folglich nicht in einer Pfanne landen könnte.
Bei Obst und Gemüse gilt Ähnliches: Für die weltweit beliebten Bananen werden in Mittel-
und Südamerika, Zentralafrika und Südostasien je Kilo 859 Liter Wasser verbraucht.
Beispiel Tomaten: Im Durchschnitt kauft jeder Deutsche 11 kg frische Tomaten pro Jahr.
Eine 70 Gramm leichte Tomate steht für 13 Liter virtuelles Wasser, hinter den 11 kg
stecken also rund 2.000 Liter Wasser. Jedoch werden nur 6 % dieser Tomaten hier
produziert. Ein großer Teil der importierten Tomaten wird mithilfe künstlicher Bewässerung
im wasserarmen Süden Spaniens angebaut. Das Verbraucherverhalten bei uns und die
wirtschaftlichen Interessen der Produzenten dort lassen ökologischer Vernunft also kaum
eine Chance.
Dieses Beispiel verdeutlicht den Nutzen des so genannten „Wasserfußabdrucks“, den ein
Produkt oder eine Dienstleistung hat. Mit ihm lassen sich einerseits die ökologische
Situation der Produktionsbedingungen bestimmen und andererseits die tatsächlichen
Kosten im Sinne einer Ökobilanz ermitteln. Der Anbau von Obst und Gemüse in heißen
Klimazonen ist zwar heute durch moderne Bewässerungssysteme technisch möglich,
erfordert aber deutlich mehr Wasser als in gemäßigten Zonen. Über den „Wasserfuß-
abdruck“ können folglich internationale Wasserbeziehungen abgebildet werden. Ein häufig
übersehener Aspekt der Globalisierung ist nämlich, dass viele Industriestaaten ihren
steigenden Ressourcenbedarf auf ärmere Länder abwälzen und somit ihren „ökologischen
Fußabdruck“ teilweise oder sogar überwiegend dort hinterlassen. Zum Beispiel wurde für
Großbritannien berechnet, dass 62 Prozent des genutzten Wassers als "virtuelles Wasser"
in Form von Reis, Fleisch und Industriegütern importiert wird, nur 38 Prozent des in Groß-
britannien konsumierten Wassers stammt aus dem Land selbst. Entsprechende Zahlen für
Deutschland liegen noch nicht vor – ein spannendes Thema für eine Diplomarbeit.
Nächste Woche werden die Chancen und Risiken des technischen Fortschritts für den
Wasserverbrauch im Zentrum stehen; anschließend beschäftigen wir uns mit den
wirtschaftlichen und politischen Interessen; zum Abschluss geht es um Wasser in den
darstellenden Künsten, der Literatur und der Musik.
Eine erfolgreiche Woche … vielleicht ohne Tomaten!

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Quellen:
1) http://www.unesco.de/weltwasserbericht4_kernaussagen.html
2) http://virtuelles.wasser.de (Vereinigung Deutscher Gewässerschutz e.V.)
3) http://www.heizsparer.de/spartipps/wasser-sparen/wasserverbrauch

Studienkolleg Coburg 2 Dr. Bernhard Melchior

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