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Juni 1945
Februar 1949
Colli schlägt Einaudi die Übersetzung eines der Werke Nietzsches vor: der
Dionysos-Dithyramben oder der Nachgelassenen Schriften aus der Basler Zeit.
[Brief an F. Balbo v. 2.2.1949]
Januar 1950
Neuer Vorschlag einer Übersetzung der Nachgelassenen Schriften aus der Basler
Zeit [Brief an C. Pavese vom 16.1.1950], »die noch nicht übersetzt worden
sind, die aber sehr wichtig sind.« Abschlägige Antwort von F. Balbo. [Brief an
Colli v. 27.1.1950]
Frühjahr 1950
September 1952
Gespräch mit Giulio Einaudi. Es wird mit Colli, zusätzlich zur Leitung der Reihe
»Klassiker der Philosophie« (gemeinsam mit Balbo und Bobbio) die Übersetzung
der Nachgelassenen Schriften Nietzsches aus den Jahren 1869-1876 vereinbart
(wofür Colli ab Oktober 1952 ein monatliches Honorar erhält). Colli schreibt
zwei Jahre später: »Vor zwei Jahren hatte ich Herrn Dr. Einaudi versprochen,
bis heute sechs Werke zu liefern, und zwar ... Nietzsche, Nachgelassene
Schriften 1869 – 1876 ...« [Brief an Luciano Foà vom 23. 9. 1954].
Unter Collis Titelvorschlägen für die Reihe »Klassiker der Philosophie« findet
sich: Nietzsche, Nachgelassene Schriften 1868-1875; der Titel wird auch von
Balbo in die offizielle Liste übernommen und an G. Einaudi weitergeleitet. Auch
in Collis Vorschlägen für die »Bibliothek philosophischer Bildung«, ebenfalls im
September 1952, tritt das Interesse für Nietzsche wieder hervor. Unter anderem
wird »ein Werk über Nietzsche« vorgeschlagen, »das ich schreiben würde, oder,
wenn Ihr einverstanden seid könnte es der Bertram* sein.« [*F.
Bertram, Nietzsche. Versuch einer Mythologie, 1918.]
Oktober 1954
Im Protokoll des Treffens wegen der Reihe »Klassiker der Philosophie« am 13.
Oktober, an dem Balbo, Bobbio, Colli und A.C. Solmi teilnehmen, erscheint
unter den Büchern, die bis Juni 1955 im Verlag eintreffen sollen, auch:
Nietzsche, Nachgelassene Schriften aus der Basler Zeit.
September 1956
Colli beginnt mit der Niederschrift »eines Buches über unsere Krise«,
hauptsächlich Nietzsche gewidmet [vgl. La ragione errabonda, S. 83-112].
Diese Texte werden später wieder aufgegriffen und bilden die Grundlage für sein
Buch Nach Nietzsche (1974).
Juli 1958
Brief an den Verlag Einaudi, angeregt durch Luciano Foà, mit dem Vorschlag
einer Kritischen Nietzsche-Ausgabe, oder, alternativ, einer vollständigen
italienischen Ausgabe auf der Grundlage der besten bereits vorhandenen
deutschen Ausgaben [Brief an Foà vom 3.7.1958]. Ablehnende Antwort
bezüglich der Kritischen Ausgabe; dagegen Einverständnis bezüglich der
vollständigen italienischen Ausgabe, die in der Reihe »I Millenni« erscheinen
soll. [Brief von Luciano Foà vom 17.7.1958]
Oktober 1958
November 1958
Januar 1959
Anfang des Monats besprechen Colli und G. Einaudi den Plan der Vollständigen
Werke Nietzsches. Mündliche Einigung. [Brief von Colli v. 28.1.1959]
Februar 1959
Colli schickt dem Verlag einen Vertragsentwurf, der von G. Einaudi mit
geringfügigen Änderungen angenommen wird. Bei dieser Gelegenheit erwähnt
Colli die Ernennung von M. Montinari zum Mitherausgeber der Ausgabe. [Brief
von Colli v. 1.2.1959 und Antwort von Foà v. 5.2.1959].
Juni 1959
Colli schreibt: »Die Vorarbeiten für den Nietzsche kommen gut voran, wenn
auch mühsam – denn ich will mich vorab der Arbeit der Übersetzer
versichern...«. [Brief v. 19.6.1959].
Januar 1960
Einaudi schließt mit Sossio Giametta einen Vertrag für die Übersetzung
von Menschliches, Allzumenschliches ab, mit Ferruccio Masini für Morgenröthe,
Fröhliche Wissenschaft und die zugehörigen nachgelassenen Schriften. Colli
plant, die Herausgabe der vollständigen Werke mit diesen Bänden zu beginnen,
und nicht mehr mit den nachgelassenen Schriften der späten Jahre, die zu Der
Wille zur Macht gehören, denn dort treten schwerwiegende philologische
Probleme auf. [Brief von Colli v. 26.1.1960]
Juni 1960
Juli 1960
Vertrag zwischen Einaudi und Mario Carpitella für die Übersetzung der
nachgelassenen Schriften aus der Basler Zeit, Vorlesungen und philologische
Schriften. [Brief von Colli an Foà v. 11.7.1960]
September 1960
April 1961
Mai 1961
Aufgrund der Ergebnisse der Arbeit in Weimar, die die Notwendigkeit einer auf
die Originalhandschriften gegründeten Ausgabe der Nachgelassenen
Schriften erweist, schlägt Colli dem Verlag Einaudi abermals die bereits in
seinem Brief vom 3.7.1958 skizzierte Kritische Nietzsche-Ausgabe vor, findet
damit aber wahrscheinlich keine große Zustimmung.
Juni 1961
Colli ist ungeduldig, aber der Verlag Einaudi nimmt sich Zeit [Collis Brief v.
11.6.1961 und Antwort von Foà v. 19.6]. Colli bittet um ein Treffen mit G.
Einaudi; Foà antwortet ihm in einem privaten Brief: »Bezüglich des deutschen
Nietzsche [die Kritische Ausgabe, Anm. d. Red.] herrscht eisige Kälte...«, und
teilt ihm mit, dass er Ende des Monats den Verlag Einaudi verlassen wird. [Collis
Brief v. 26.6.1961 und Antwort von Foà v. 6.7.1961]
Herbst 1961
Die Begegnung zwischen Colli und Einaudi findet statt; Einaudi lehnt eine große
verlegerische Gelegenheit ab: die Kritische Ausgabe der Werke Nietzsches, die
später von Colli und Montinari verwirklicht wird und auf Französisch, Italienisch,
Deutsch, Japanisch und Englisch erscheinen wird. Später wird Colli das
Gespräch so schildern: »Er sagte, er sei daran nicht interessiert...« DOSSENA:
»Also ist es nicht wahr, dass Einaudi jene Nietzsche-Ausgabe geplant hatte, die
nun bei Adelphi erscheint. Und wie kam es zum Bruch?« COLLI: »Es muss etwas
passiert sein«. Colli spielt im Laufe des Gesprächs auf einen Widerstand von
Delio Cantimori an, aber er nimmt dazu nicht Stellung, und fährt fort: »Im Juli
1961 verließ Foà den Verlag Einaudi. Bei meinem Gespräch mit G. Einaudi hatte
ich Foàs Unterstützung nicht. Im Herbst 1961 bestätigte mir Einaudi, dass er
am zweiten, im Mai von mir vorgeschlagenen Plan, den gesamten Nietzsche
herauszugeben, nicht interessiert sei, und er sagte mir, dass er auch am ersten
Plan nicht länger interessiert sei, für den wir 1959 einen Vertrag abgeschlossen
hatten, zu dem bereits mehrere Übersetzungen vorlagen und zwei Bände
bereits gesetzt waren... Ich erhielt den deutlichen Eindruck einer wohl
überlegten Entscheidung, die keineswegs durch einen persönlichen,
launenhaften Sinneswandel Einaudis bestimmt war. Damit endeten alle meine
Verbindungen zu Einaudi und seinem Verlag.« [Gespräch mit Colli von G.P.
Dossena, in L’Espresso, a.a.O.].
Mai-Oktober 1961
Mittlerweile war eine für das Italien jener Jahre typische »Kulturpolemik«
ausgebrochen. Cesare Vasoli, »Garins wichtigster Assistent« [Brief von Colli an
Solmi v. 24.4.1956, in dem von Vasoli in äußerst positiver Form die Rede ist],
prangerte in einem im Mai 1961 in der Zeitschrift »Itinerari« erschienenen
Artikel die Tatsache an, dass sich in der philosophischen Kultur Italiens
irrationalistische Themenkomplexe immer mehr verbreiteten, die sich »nach
einer neuen Flucht aus der Realität und aus der Geschichte« richteten. Als
Beispiele für »irrationalistische Dekadenz« wurden sowohl die Ausgabe
Nietzsches sämtlicher Werke, als auch die bei Boringhieri erscheinende
»Enzyklopädie der Klassiker« angeführt. Es war ein gegen Colli gerichteter
Angriff. Vasoli (oder gewissermaßen Garin selbst) hatte Colli (den Colli der
Aristoteles-und Kant-Ausgaben wohlgemerkt) im Jahre 1956 um seine
Fürsprache bei Einaudi gebeten, um in der Reihe »Klassiker der Philosophie«
den lateinischen Giordano Bruno herauszugeben; Vasoli (oder Garin) warf Colli
im Jahr 1961 vor, er würde »uns die Lektüre des konsequentesten reaktionären
Philosophen [Nietzsche] zumuten, verbunden mit ‚geflügelten’ lobpreisenden
Einleitungen«. Der Angriff beeinflusste mit Sicherheit die Entscheidungen des
Beirats im Verlag Einaudi. D. Cantimori – einer der einflussreichsten Berater
Einaudis – veröffentlichte in derselben Zeitschrift »Itinerari« eine sehr
ambivalente Entgegnung, ungeachtet der Kommentare durch Montinari und, in
dessen Gefolge, durch Giuliano Campioni. Er sagte, dass die Kenntnis
Nietzsches nicht etwa zur Erweiterung der eigenen Weltsicht dienlich sei,
sondern vielmehr dazu, gefeit zu sein gegen »die furchtbarsten Auswirkungen
des zeitgenössischen Irrationalismus«, und schloss: »Natürlich werde ich
Nietzsche nicht in dasselbe Regal stellen, wo Einaudis Gramsci, Einaudis und
Feltrinellis Salvemini stehen, auch nicht dorthin, wo Laterzas Nitti, oder Marx,
oder Plato stehen; werde ich ihn zu den Dichtern und Tragikern und
Romanschreibern tun, ins Regal der Monstrositäten oder der Astrologen?«. Für
die akademische Kultur Italiens (die Rede ist von Garin und Cantimori!) ist es
noch zu früh, um Nietzsche aus dem Regal der Monstrositäten zu holen. In
Frankreich sieht das anders aus.
Juni 1962
Luciano Foà gründet den Adelphi Verlag, nach Verhandlungen zur Finanzierung
mit Roberto Olivetti und Paolo Boringhieri. Adelphi ist entschlossen, die Kritische
Nietzsche-Ausgabe zu verwirklichen, sucht aber einen ausländischen (möglichst
einen deutschen) Verlag, um sich mit diesem die Kosten zu teilen.
Verhandlungen mit Gallimard in Paris sind bereits angelaufen. In Frankreich ist
bereits ein beachtliches Interesse an Nietzsche vorhanden.
August 1962
Vertragsabschluss mit Gallimard. Die Kritische Ausgabe der Werke und der
Nachgelassenen Schriften Nietzsches beginnt dank zweier nichtdeutscher
Verlage: Adelphi und hauptsächlich Gallimard; mit der Merkwürdigkeit, dass
zwei Übersetzungen erscheinen, die auf der Grundlage eines neu etablierten
aber noch nicht veröffentlichten kritischen Textes ausgeführt werden. Colli
»schickt seine Männer nach Weimar« noch bevor er vom glücklichen Ausgang
der Verhandlung erfährt [Brief von Foà v. 13.8.1962]. Während der ersten Jahre
wird Montinari von S. Giametta und M. L. Pampaloni unterstützt. Die Arbeit an
der Nietzsche-Ausgabe beginnt.
November-Dezember 1962
1963
Oktober 1963
Aus einem Brief von D. Cantimori an K. Löwith, den dieser uns vorgelegt hat,
geht die Einstellung des italienischen Historikers gegenüber Colli und seinem
»Projekt Nietzsche« nachträglich klar hervor. Cantimori schreibt: »… der
Ausbruch ist durch die Wut verursacht, die bei mir die von Prof. Colli
angeführten nietzscheanisch-platonischen Ästheten auslösen…« [Brief von
Cantimori vom 15.10.1963]. Damit wird Collis Eindruck vom Herbst 1961
bestätigt, Cantimori habe die Nietzsche-Ausgabe bei Einaudi verhindert. Oder
lag es doch an Garin?
1964
Die Suche nach einem deutschen Verleger geht weiter. Gallimard vermittelt
Verhandlungen mit Rowohlt, Luchterhand, später mit Nijhoff. Es bestätigt sich
die von Colli in seiner Rezension von Goetz 1950 sowie in seinem Brief v.
3.7.1958 an Foà ausgedrückte Vorahnung: Die Deutschen sind noch nicht reif
für Nietzsche und trauen zwei »unbekannten« Italienern nicht.
Januar 1964
In der Vorschau auf die Reihe »I classici Adephi« erscheint: »Die Werke
Friedrich Nietzsches. Erste auf der Grundlage der veröffentlichten und der
nachgelassenen Handschriften durchgeführte Ausgabe« von G. Colli und M.
Montinari. Der erste, allgemeinere Teil ist von Colli, der folgende, eher
technische Teil von Montinari.
Juli 1964
Juni 1966
Dezember 1966
Colli vermerkt in seinem Tagebuch: »Eine Pause in der Arbeit … noch immer
über Nietzsche. Ich bearbeite allein den dritten Band und habe bereits 390
Seiten des Nachlasses transkribiert. Ende März muss er vollständig
abgeschlossen sein… Andere Ideen kommen zum Vorschein; noch ist der Plan
nicht entschieden, auch die »Briefe« Nietzsches herauszugeben. Mazzino wird in
einigen Tagen nach Berlin fahren, um die Verhandlungen mit de Gruyter wieder
aufzunehmen. Aber dieser Plan begeistert mich nicht.« [La ragione errabonda,
a.a.O., S. 600]. Das »Projekt Nietzsche« ist für Colli so gut wie abgeschlossen.
Er hat bereits anderes im Sinn.
1967
1967
Vertragsabschluss mit Gallimard, de Gruyter und Adelphi über die Ausgabe der
Briefe Nietzsches.
Mai 1968
Bei Gallimard erscheint der erste Band der französischen Ausgabe: Le gai
savoir. Fragments posthumes 1881-82.
1969
1972
Der Verlag Barral Editores in Barcelona interessiert sich für eine spanische
Ausgabe der Werke. Die Verhandlungen bleiben ergebnislos.
Juli 1974
Bei Adelphi erscheint Dopo Nietzsche. Damit wird jenes durch den deutschen
Denker inspirierte »Buch über unsere Krise« verwirklicht, an dem Colli 1957 zu
schreiben begonnen hatte.
6. Januar 1979
Tod Collis.
Oktober 1980
April 1987
Colli und Montinari erhalten (in memoriam) den Preis der Wheatland Foundation
in New York für die Kritische Gesamtausgabe der Werke F. Nietzsches.
1995
Bei Stanford University Press, Stanford, California erscheinen die ersten Bände
der Complete Works of F. Nietzsche based on the edition by G. Colli and M.
Montinari.