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Arbeiten in Deutschland - attraktiv für

ausländische Fachkräfte?
Deutschland sucht Arbeitskräfte aus dem Ausland - 400.000 pro Jahr. Doch ist
Deutschland für gut ausgebildete Ausländer überhaupt interessant? Für manche
scheint vor allem die deutsche Sprache abschreckend.

Begehrt: ausländische Fachkräfte für die Arbeit in deutschen Unternehmen

31 Jahre alt, ein Bachelor in Betriebswirtschaft, neun Jahre Berufserfahrung in


verschiedenen Banken. Vielleicht wäre Jessica James jemand, den Deutschland als
Fachkraft gebrauchen könnte - angesichts des leer gefegten Arbeitsmarktes? Die junge Frau
lebt derzeit in Islamabad, der Hauptstadt Pakistans. Doch sie will ihre Heimat verlassen.
"Ich bin Christin und Pakistan ist ein muslimisches Land. Das ist der Hauptgrund, warum
ich nach Europa möchte", sagt sie der DW am Telefon.

Also vielleicht nach Frankfurt, an einen der weltweit wichtigsten Finanzplätze? Nein, sagt
James, Deutschland komme nicht in Frage. Um dort einen Job zu finden, müsse man
Deutsch lernen - und das sei schwer. "Außerdem ist Deutschland ziemlich strikt, was die
Vergabe von Visa angeht. Und ich habe gehört, dass die Deutschen recht schroff zu
Menschen mit brauner Hautfarbe sind, gegenüber Einwanderern insgesamt." Die junge
Bankerin will deshalb in die Niederlande auswandern.

OECD sieht großes Potential

Die Menschen abweisend, die Sprache schwierig, ein Visum kaum zu kriegen? Klingt, als sei
Deutschland kein Land, in das es Fachkräfte aus dem Ausland zieht. Doch, sagt Thomas
Liebig, Deutschland sei attraktiv. Der Experte für Migration bei der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sieht "ein großes Potential an
hochqualifizierten Kräften im Ausland, die sich für Deutschland interessieren". In Studien
und Umfragen unter internationalen Fachkräften hat Deutschland in der Vergangenheit
meist recht gut abgeschnitten - wenn auch oft hinter englischsprachigen Ländern wie
Australien, Kanada oder den USA.

Liebig und seine Kolleginnen haben nun knapp 30.000 Menschen befragt, die das
Internetportal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland besuchten. Also
Menschen, die bereits Interesse an einem Job in Deutschland haben und sich über die
Möglichkeiten dazu informieren. Größte Hürde für sie ist, dass sie nicht wissen, wie sie an
einen Job in Deutschland kommen - sei es, weil sie deutsche Stellenanzeigen nicht lesen
können oder weil Hilfe bei der Bewerbung fehlt. Die meisten könnten sich vorstellen, nach
Deutschland zu kommen, weil es hier gute Arbeits- und Karrieremöglichkeiten für sie gibt.
Zwei von drei Befragten nennen die hohe Lebensqualität in Deutschland als Grund für Ihr
Interesse.

So wie Adrian Oku. "Ich suche hier eine Arbeit, weil ich gerne in Deutschland leben
möchte", sagt er der DW. "Ich mag Deutschland. Deutschland ist mein Traum." Oku kommt
aus der Stadt Kavaja in Albanien, etwa 20 Kilometer westlich der Hauptstadt Tirana
gelegen. Dort hat er nach seiner Ausbildung als Anlagenmechaniker und Installateur für
Heizungs-, Sanitär- und Klimatechnik gearbeitet.

Nun sitzt der 24-jährige Oku im Welcomecenter Hessen in Frankfurt am Main. Als zentrale
Anlaufstelle für das Bundesland Hessen berät das Welcomecenter internationale Fachkräfte
auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Kiswahili. Oku hat Jeansjacke und Wollmütze
anbehalten, es wird nicht viel geheizt derzeit in deutschen Büros. Mit Neonröhren an der
Decke, grauem Teppichboden und kanariengelb gestrichenen Wänden sieht das
Welcomecenter auf den ersten Blick so einladend aus wie eine Behörde.

Bewerbung: Adrian Oku aus Albanien sucht einen Job als Installateur
Doch diesen Eindruck weiß Alberto Coronado zu zerstreuen. Coronado, einer von drei
Projektkoordinatoren hier, eilt lächelnd von Büro zu Büro. Er will alles daransetzen,
ausländischen Fachkräften den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. "Im Ausland
ist immer erst einmal alles neu", sagt er. "Selbst die klügsten Leute sind deshalb erst einmal
überfordert. Und wir sind dafür da, es ihnen leichter zu machen."

Deutsch: "schwierig, aber schön"

Coronado begutachtet Okus Lebenslauf. "Hier solltest Du noch dazu schreiben, dass Du als
Elektriker in dieser Firma gearbeitet hast", erklärt er dem jungen Mann. Zwei Firmen in der
Region fallen ihm auf Anhieb ein, die Interesse an Oku haben könnten. Der Bedarf an
Installateuren ist schließlich groß. Deutschland setzt auf Wärmepumpen, und die muss
irgendwer fachgerecht anschließen. "Wir müssen jetzt erst mal Deinen Lebenslauf
verschicken", sagt Coronado und blickt zu Oku. "Aber es sieht gut aus."

Beratung: Alberto Coronado hilft Fachkräften aus dem Ausland

Die größte Hürde für Oku dürfte wohl die deutsche Sprache sein. Er lässt sich Zeit mit den
Wörtern, überlegt ganz genau, was er sagen möchte. Deutsch sei in der Tat sehr schwierig,
meint er schließlich. "Aber auch sehr schön."

In der OECD-Studie nennen vier von zehn Befragten die deutsche Sprache als Hemmnis,
das sie davon abhält, einen Job in Deutschland anzutreten. Man spricht meist Deutsch in
den Werkshallen, den Laboren und Konferenzräumen hierzulande. Was den meisten
Deutschen selbstverständlich erscheint - ist das ein Faktor, der Deutschland im
internationalen Wettbewerb um Arbeitskräfte schwächt?

Begrüßung: das Welcomecenter in Frankfurt heißt Menschen aus aller Welt willkommen
Fragt man Chris Pyak, dann lautet die Antwort auf diese Frage ganz klar: ja. Pyak berät
Bewerber, die einen Job in Deutschland suchen - was Coronado für das Bundesland Hessen
macht, macht Pyak als Ein-Mann-Unternehmen in Düsseldorf im Bundesland
Nordrhein-Westfalen. 25.000 internationale Fachkräfte haben seinen Newsletter abonniert,
erzählt er der DW am Telefon. "Das Haupthindernis für internationale Fachkräfte, nach
Deutschland zu kommen, sind nicht die Einwanderungsregeln oder die Anerkennung der
Abschlüsse", sagt er. "Es ist die Tatsache, dass in ganz Deutschland nur vier Prozent aller
Stellen auf Englisch ausgeschrieben werden."

"Wir müssen uns bemühen"

Dabei könne man die meisten Jobs, die heute nachgefragt werden, gut auf Englisch
ausüben, meint er und nennt als Beispiel Softwareentwickler. "In Tausenden von
Unternehmen auf der ganzen Welt ist das ganz selbstverständlich so."

Deutschland brauche eine neue Kultur Einwanderern gegenüber, meint Pyak. "Wenn wir
wollen, dass die besten zu uns kommen, dann müssen wir uns um sie auch bemühen. Sonst
kommen nur die, die keine Wahl haben." Das "Rumgeschraube" am Einwanderungsgesetz
und den teilweise komplizierten Regelungen für Arbeitsvisasei dagegen gar nicht so wichtig,
meint Pyak. Es soll Bewerbern in Zukunft ermöglichen, ohne anerkannten Abschluss eine
Arbeit in Deutschland aufzunehmen und die Anerkennung nachzuholen.

Bald im neuen Job: Hamdi Zerguine will als Ingenieur bei Tesla durchstarten

Sprache und Kultur in Deutschland waren auch für Hamdi Zerguine aus Algerien der
wichtigste Faktor seiner Migrations-Entscheidung. Allerdings haben sie ihn nicht
abgeschreckt, sondern nach Deutschland gebracht. "Ich mag die deutsche Sprache und auch
die Mentalität hier", sagt er der DW. Dass die Deutschen als etwas unterkühlt und
arbeitsam gelten? Ihm gefalle das, sagt Zerguine. "Und wenn man hört, dass etwas in
Deutschland hergestellt wurde, dann ist das ein Synonym für Qualität."

Der 38-Jährige ist Diplom-Ingenieur mit Schwerpunkt Elektronik und Automatisierung. Er


bringt zehn Jahre Berufserfahrung mit. "Und ich bin ehrgeizig", sagt er. "Ich möchte in
Deutschland Karriere machen." Dazu wird Zerguine bald Gelegenheit haben. Nach einigen
Bewerbungen hat er gerade eine Zusage bekommen. Wenn alles gut geht, wird er im Januar
als Ingenieur beim Autohersteller Tesla in der Nähe von Berlin anfangen.

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