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[- Sch rift Schriftbitd


Buchstaben halten Sprache fest und sind gLeichzettrg grafische
Zeichen lhre FormenvieLfalt ist enorm. lm BtLderbuch treffen
Schriften auf Zeichnungen. Schrift und BiLd geTneinsam zu
gestalten, ist deshatb die zentraLe Herausforderung in diesem
Medium Doch:wann wird Schrift zu Bild und BiLd zu Schrift?
Ein Essay von Agnös Laube

Typografle ist eine hochspezialisierte Disziplin, aber nur wenn uns schlecht
gestalteter satz am Lesen hindert, ärgern wir uns über die schrift. Sonst reden
wir selten über die Bildhaftigkeit von Schriftzeichen, das Schrifihild Dabei sind
Buchstaben und Bilder zweidimensionale Repräsentationen, die in ihren wur-
zeln nicht so scharf getrennt waren wie heute - denken wir etwa an die Hie-
roglyphen oder die figürlichen Initialen der mittelalterlichen stundenbücher'

BILDERSCHRIFT. Eines der bekanntesten Beispiele fär Bilderschriften sind die Agyptische Hierogtyphen

ägyptischen Hieroglyphen. Dieses Zeichensystem bestand ursprünglich aus


Bildzeichen und Begriffszeichen. Später kamen Sprachlaute dazu. Die Zeichen
wurden linear, meist mit Zwischenstegen angeordnet und das in wechselnder
Laufrichtung, vertikal oder horizontal. - Beim cornic handelt es sich zwar
auch um Bilder, die in Abläufen angeordnet werden und die mair ein Sttick
weitlesen kann. In sich sind die einzelnen Bilder (im Comic Paneis genannt)
jedoch meist wieder komplex und nicht-linear'.

voM zEIcHNEN ZUM SCHREIBEN. Bilcler sind eine erste Abstraktionsstufe realer
Adaption v0n Agnös Laube [AL) zum >Lesen<
objekte in die Fläche; Schrift eine weitere. wobei mit Schrift Gesprochenes von comics
festgehalten und Bilder beschrieben werden können. - Kleine Iünder zeichnen
und malen mit vollem Körpereinsatz, sie schießen Linien aus der l(örpermit-
te, dem Schulter- und Ellbogengelenk aufs Papier. Zwischen zwei und vier
beginnen sie sich für das Schreiben zu interessieren' Sie kritzelt grobe Zeilen
oder ahmen Buchstabenartiges nach. Die Skizzen sind noch bedeutungslos
und frei auf der Bildfläche verteilt. Zeichnung und >Schriftartiges< liegen in d

dieser Phase noch nahe beieinander'. NV


c "-\^ir.'ütNVt'
wAHRNEHMUNGSUNTERSCHIEDE. Bilder sind szenisch, geben keine Leserich-
tung vor'. Ihre Wahrnehmung ist ein simultaner Feldprozess. Unsere Augen 5chriftkritzele en
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tasten lüeuz und quer über die Fläche, jedes Detail wird mit andelen abgegli-
chen. Ie länger wir schauen, desto tiepr wird der Bildeindnrck. Der räumliche )oa oo
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Aspekt überwieg!.B|lder zeigen etwas, man kann sie nicht lesen, höchstens Ein-
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drücke sammelLr. Schrift zreht einzelne Elemente aus dem Bild heraus, benennt
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diese eindeutig und setzt sie auf die Zeile. Ein Begriff folgt dem anderen, es ^
>er-zählen< - Skizze von nach Vitdm Ftusser
entsteht eine Er-Zählung und damit eine (lineare) Geschichte. Historizität'
AL

scHREIBRICHTUNG! Der Prozess vom gestischen Malen und Zeichnen hin zum
Schreiben von Buchstaben geht bei Kindern zuerst noch spielerisch - das
MO MNRh
heißt bildgeshiLtzt - vor sich. Irgendwann müssen sie akzeptieren, dass die
Buchstaben abstrakte Zeichen ftir Wortlaute sind (und nicht frir Objekte)'
'
ßurvT EFIBIL
Ernst wircl es, wenn in der Grundschule die Buchstaben genau auf die Zeile
gesetzt werden müssen, was nicht wenigen Kindern Mühe bereitet. zuerst
geschieht das einzeln, dann gruppiert: zu Silben, Worten, Sätzen' Nach viel
übung gelingen längere Texte, die oben li'ks anfangen und unten rechts auF eu \L'[\J
hören. - Die I(nder sitzen nun still am Tisch, feinmotorisch bewegen sie nur nnhi nterlegter Text, Buchstaben teils
5i
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noch das Handgelenk und die Finger. Je nach Schule erhalten sie vorlinierte noch seitenverkehrt
Blätter, etwa zur neuen Deutschschweizer Basisschrift, die aufdrei Zeilen ba- AUS DER ZEIT GEFALLEN. Kein buchgestalterischer Bereich ist so stark von typo-
KLMNOPQRS siert. Das Schreibenlernen ist ein mühsamer Akt, der viel Disziplin verlangt. grafischen Traditionen und Konventionen geprägt, wie die Gestaltung von
TUVWXUZ In dieser Zeit verlieren die Kinder oft die Lust am willhirlichen, freien Zeich- Bilderbüchern. Wie ist das entstanden? Einerseits aus drucktechnischen Grün-
nen ... Ziel ist das fehlerfreie, normgerechte und ja, auch schöne Schreiben, den: Über eine lange Phase wurden Bilder und Texte in nacheinandergelager-
obcdrfghijkLm als wichtige Voraussetzung ftir eine erfolgreiche Schul- und Arbeitskarriere. ten Prozessen gedruckt. Texte in Bilder zu integrieren, war aufiaändig. So
Vorlage zum Lernen der Deutschen Basisschrift Neben dem Rechnen. wurden sie von den Illustrationen getrennt, ihnen auf leeren Seiten gegen-
(www.basissch rift.ch) übergestellt oder unterhalb der Bilder platziert. Auch im vierfarbigen Offset-
VON DER HAND- ZUR SATZSCHRIFT. Bevor es in Blei setzbare Drucktypen gab, druck war es günstiger, den Text nicht auf allen Platten zu {tihren, sondern
wurden alle Schriftstticke von Hand geschrieben: Briefe, Notizen, Urkunden nur auf der schwarzen. Man denke an die Sprachwechsel und daran, dass
und ganze Bücher. Je nach gewähltem Schreibmittel - Pinsel, Feder oder Iünderbücher nicht viel kosten dürfen. - Andererseits verstanden sich Illustra-

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Scriptura rursiva (Staatsbibtiothek Berlin, Hand-
Gänsekiel - ergab sich ein unterschiedlicher Schriftduktus. Es entstanden auf-
recht-runde, spitz-gebrochene oder schräg-fließende Schriftbilder. Sie hatten
gediegenen, repräsentativen Charakter für Bibelkopien, Urkunden oder Ge-
betbücher oder sie waren schnell oder gar schludrig hingeworfen. Schräg nach fi
tor*innen als Künstler*innen, die mit dem Satz und der Gesamtgestaltung der
Bücher nichts zu tun haben wollten. Wichtig war, dass die Schrift ihre Werke
nicht negativ beeinträchtigte. Den Satz der Texte übernahmen Typografen
und Buchgestalterinnen, die ftir oder in Verlagen arbeiteten und die klassi-
Aldo schaut ein Bitderbuch an
(Bitd: Evetyne Laube)
sch riftena btei Iu ng )

rechts geneigte Schriften nennt man Kursivel. Im 15. Jahrhundert wurden aus schen Regeln auf das Bilderbuchdesign übertrugen.
p"ifu Ä.räaÄ,v& it&iüetu| Lä,r".o handschriftlichen Vorlagen die ersten Drucktypen abgeleitet und nach geome-
ry yh* d dc a nsr.. aq1t4,p11s 61qgu trischen Grundsätzen bereinigt. DIDAKTISCHE ügfRfOnfvlUNG. Weiter gab und gibt es pädagogische Vorstel-
r*.fi,u nfu anr. IyE n adt ytw q$?
,yaaxn. qu eut{ lallnw lungen davon, was ktndergerechte Schriften sind: Sie haben ldar voneinander
tryu d*umü nwrr
mfwarlqqav. Lb ihw rnllrtw üso& wf NUR DEKO? Händisch gezeichnete Schriften gehören heute nach gängigen abgrenzbare Formen mit großen Binnenräumen und Serifen, sind mindestens Pfui
aepow,tÄyazfue innft nte,&W 1\" Schriftklassiflzierungssystemen zu den dekoratiyen Schriften und eignen sich 14Punlrt groß und mit viel Zeilenabstand gesetzt. Oder sie sollen im Gegenteil
Karolingische MinuskeI von Johannes Canaparius gemäß professionellen Tlrpografen nicht fir
längere Texte, sondern allenfalls sehr klein sein, weil Kinder große Schriften angeblich schlecht erfassen kön-
IHerzog Auqust Bibtiothek Wotfenbüttet) flir Plakate, Covertitel, Comics oder Bilderbücher. Ihnen würden die ein-
heitlichen, formalen Stilmerkmale von echten (!) Satzschriften fehlen, weil
sie individuelle Merkmale aufiMeisen, sozusagen personalisiert seien. - Lange
nen. Es gibt so viele Meinungen wie Akteure . .. - Solche Deflnitionsversuche
sind ein Ausdruck von großer Unsicherheit gegenüber der Doppelnatur des
Mediums und seiner unkontrollierbaren Rezeption durch das kelpublilatm
t
Die Deutschschweizer Basisschrift ersetzt ab
lernten die Kinder eine zusammenhängend geschriebene Schulschrift, in der
Schweiz Schnürlischnfi genannt. Auf dieser Basis entwickelte sich die indivi-
duelle Handschrift. Seit 2014 vermittelt unser Bildungssystem zu Beginn der
Grundschule Schrift in seiner abstralftesten Form, der Skelettschrift. Das sind
Kind. - Bilderbücher sind flir Kleinkinder große und sperrige Objelde, d.h.
ein physisches Ereignis. Sie packen sie, werfen sie umher. Sie drehen und
wenden sie, klappen sie auf und zu. Sie schauen sie von hinten nach vorne
durch, mal sind sie mit der Nase nah an Bild und Text, mal weiter weg. Mal
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2014 die Schutschrift, auch >Schnürtischrift< lesen die Eltern vor, später versuchen sie es selber. Fakt ist: Die didaktische
die einfachen, )neutralen( Kernlinien der aufrechtstehenden Großbuchstaben
genannt. Das wichtiqste Argument:
DerZwang, die Buchstaben zu verbinden, des Alphabets. Sie bilden auch die Basis frir den Ent'wurf von Druckschriften. Überformung davon, welche Schriften flir Kinder passen, behinderte über
fatte weg Iwww.basisschrift.ch) Jahrzehnte die zeitgenössische, freiere Gestaltung von Kinderbüchern. Heute
BUCHSTABENKönpEn. Das lateinische Alphabet besteht seit dem 17. Jahrhun- sind diese Prämissen nicht mehr haltbar, da Kinder lange vor der Grundschule
dert aus 26 Buchstaben, deren innere Struktur sich nicht verändert hat. Ihren mit (digitalen) Schriften in vielen Formen und mit wildesten, auch animierten ))
typischen Charakter erhalten diese erst durch das Fleisch, das diesem Skelett Satzarten in Kontakt kommen. Im Graflkdesign, v.a.bei der Plakatgestaltung,
satzbuchstaben und -fräqmente ats Bitd.
angezogen wird. Das nennt sich dann Schriftgestaltung bzw. Fontdesign. Die ging die Erinnemng an die neue typografie und die mit Buchstaben spielenden (Visualisierung des Bauern nach Kurt Schwitters
Möglichkeiten, den Ausdruckscharakter von Schriften zu beeinflussen, sind Dadaisten nie ganz verloren. 'Die
Scheuche< durch AL)
Sketettschrift IVisuatisierung von AL)
äußerst vielgestaltig. Es gibt dicke, dünne, schmal- oder breitlaufende Fonts.

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Geradestehende oder kursive; solche mit Füsschen (Serifen) und solche ohne NEUE TYP0GRAFIE, NEUER SCHAUWERT. In den 1920er Jahren setzte man Lese-
(Groteskschriftenl.Echte Druck- bnr'. Satztypen sind diejenigen, die in langwie- texte in serifenlosen Schriften, linksbündig und asymmetrisch, in Broschüren
rigen Prozessen von namhaften Schrifthandwerkern frir den Bleisatz bzw. heu- etc. wurden sie auch schräg gestellt oder gedreht. Vor allem aber wurden Pub-
te ftir Screens entworfen wurden: Jeder Buchstabe einzetn, jeder Schriftschnitt likationen als ganzheitlicher Raum betrachtet, die Doppelseiten als Bühne, auf Das ist der
Schriftgestattung heißt: Fteisch auf das Sketett einzeln, dazu die Kursiven, Zahlen und Sonderzeichen. Das waren mehrere der die typografischen Elemente in spannungsvollem, spielerischem Verhält- eingemittete
(Visualisierung von AL)
tausend Zeichen flir ein einzelnes Alphabet; eine enorme Fleißarbeit! Für diese nis zueinander positioniert wurden. Im Vordergrund stand nicht immer nur Titel
Tlrpografen galt das Alphabet, d.h. die Capitalis Majestatis als das >Maß aller die Lesbarkeit, sondern die Schaulust. Moderne Tlrpografen wie Jan Tschichold Atrtorin Illustratorin

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Dinge<, im wörtlichen Sinn.
>Die Schrift unserer Zeit kann nicht aus der Schreibschrift kommen. (...) Unsere
Druckschrift ist der maschinel.te Abdruck maschine[[ hergeste[[ter lvleta[[[ettern, die
und Wassily Kandinsky u.a. mischten verschiedene Schrifttypen in unter-
schiedlichen Dicken und Größen. Und sie brachten die Farbe ins Spiel. Teils
ergab das experimentelle Schriftbilder und Layouts. Die Dadaisten trieben das

EASX mehr Lesezeichen a[s Schriftzeichen sind.< PauI Renner


Dass Schriften auf rein geometrischer I(onstruktion basieren, ist allerdings
eine ideologische Behauptung. (Selbst die Futura von Paul Renner, eine der
Spiel mit Buchstabenformen und Satzfragmenten auf die Spitze.

SCHRIFT lN AKT|ON.In dieser Zeit gab es auch experimentelle Bilderbücher, er-


Die römische Capitatis Majestatis basiert
auf Quadrat, Kreis und Viereck geometrischsten aller Schriften wurde optisch korrigiert, weil die gleichmäs- innern wir uns etwa an die >Scheuche( von Kurt Schwitters, der aus Satzbuch-
(www. Ietterfou nta in.com) sige Strichdicke an gewissen Stellen zu unschöner Klumpenbildung frihrte.) staben und -fragmenten Bilder formte. Doch wie andere Errungenschaften der
Schriftentwürfe entstanden oft aus Schreibschriften und bewegen sich zu- Moderne konnten sich diese Experimente in der Nachkriegszeit nicht breit
dem - wie viele lcinstlerische und kreative Phänomene - in Wellen zwischen durchsetzen. Es gab zwar immer wieder typo-grafisch mutig gestaltete Kinder-
humanistisch-weicher und mathematisch-strengeren Formenkanonen hin bücher, die Schrift gar als zentrale Akteurin einsetzten. Trotzdem halten sich
Verlagslogo
und her. Dies meist im Kontext gesellschaftlicher und technischer Entwicklun- alte Konventionen zäh, allen voran der zentrierte Satz. AufBuchumschlägen
gen. Jugendstilschriften waren fließend-ornamental, Industrieschriften tech- wird der Titel meistens oberhalb der ebenfalls eingemitteten Sujets platziert. Stereotyisches Coverdesign (Schema von AL)

nisch-hart. Schriften ohne Füsschen gelten als modern, solche mit Füsschen Es stellt sich die Frage, ob die Motive bereits mit einer Schereim l(opf ausge-
als ldassisch undlesbarer. Wurden und werden sie deshalb so gerne nicht nur wählt werden. Mit Zentralsatz wird Harmonie erzeugt, obwohl er schlecht
bei Schul- sondern auch bei Bilderbüchern eingesetzt? lesbar ist und keinen Bezug zum Buchformat aufnimmt. Böse gesagt dient
Zentralsatz auch dazu, gestalterisch mutigere Entscheidungen zu umgehen.
Korrektur an der Futura von Pau[ Renner: [inks
die optisch korrigiefte Variante, [echts die rein
Viele Cover sind zudem überfrillt und weisen naive und kitschige Schriften
34 geornetrische. (Visuatisierung von AL) auf, mit denen sich Erwachsene beim Zielpublilcum Kind anbiederten.2 35
+{ t KINDER ERNST NEHMEN. Doch seit gut 20Jahren bröckeln diese Konventionen. Ab
den 1990erJahren entstanden Verlage wie ddition MeMo, Kunstanstifter, Planeta
Anmerkungen
1 von mitteltateinisch cursiyus >fließend, Kinder sind ziemtich strapazierfähig, was
Agnös LAUBE, Zürich & Stuttgart, arbeitet ats
Gestatterin, Autorin und Dozentin. Zurzeit

Hlilt ttl"D
*
Tangerina u.a. Sie betrachten Kinderbücher als Gesamtwerke uncl finden, man
solle Kinder in ihrer Wahrnehmungskompetenz nicht unterschätzen. Und dass
getäufig<, gebi[det zu tateinisch cursare
>mmer weitertaufen<, dieses wurde wie-
Schriften und Satztypen betrifft, Gemäß
einer der wenigen, breit angelegten Studien
unterrichtet sie an der HochschuLe Luzern im
Departement Design & Kunst.

"t= lJvtn auch sie den Anspruch aluf schöne Bücher haben. Sie legen nicht nur Wert auf
derum gebildet zu [ateinisch (urrere )eiten,
la ufen<).
dazu, haben sie einzig Mühe mit zu schma-
[en, eng gesetzten Schriften und mit zu

-r(
i, das Bilderbuch als durchgestaltetes Gesamtobjekt (Buch-Einheit), sondern auch
verschnörketten. (Studie Watke0.

darauf, wieder vermehrt Handschriften einzusetzen. Denn - so befinden sie -


4Nl rJTqNq zqt tfßfN diese passen oft besser zum Duktus der Illustrationen. Sie platzieren wieder ver-
AqF dvr fßDF
mehrt Texte in die Bilder oder arbeiten mit Illustrator*innen zusammen, die ihre EINIGE POSITIONIERUNGSSTRATEGIEN VON TEXT IM BITDERBUCH
Handschrift passt... (0tiver Jeffers: >Hier sind wir<,
Bilder integral mit Texten - oft der eigenen Handschrift - kombinieren. - Mit
Handschrift von lsabetle Foltath, NordSüd 2018]
der digitalen Gestaltungssoftware ist die Schriftintegration nun auch technisch
einfach möglich und eigene Handschriften können mittels Fontprogrammen di-
gitalisiert werden. Für einige Gestalter*innen ist die Schrift integraler Teil einer

R#F*HH gesamtheitlichen Gestaltung, so etwa frir Oliver Jeffers, der mit den Verlagen
vertraglich festhält, dass seine Schrift verwendet werden muss. Auch in anders-
,,,,,r ai" BiR.f, IIIAGER sprachigen Ausgaben.

und ist kindgerecht (Titet des gteichnamigen LEBENDIG. Hier schließt sich der Kreis: Weil Zeichnungen oft nicht scharfkantig
Buches von Lotte Bräuning, Attantis 2019)
sind (außer bei der ligne claire), sondern diffirs, schattiert, wolkig oder tonig,
passen Handschriften, die ähnlich unperfekte oderbesser gesagt: lebendige Eigen-
schaften aufiueisen, besonders gut zu ihnen. Ihre Zunahme im Bilder- und auch
Diekleine Zauherhue
im Jugendbuch schließt ein Sttick weit den Bogen zu den Schriftkritzeleien der
>L e lzLeLwe Z. a vtb erh exe Kleinkinder. Man könnte behaupten, dass Handschriften deshalb besonders kind-
Dtu IsIu in" Z artb gerechte Schriften sind. Und das wäre ein Argument dafür, sie öfter einzusetzen.
"rhu*u Wichtig ist jedoch, dass es sich um qualitativ hochstehende Schriften handelt,
Die kfeine Zaabethexe )
Diekleine Zauberhexe
Veispiett, überdekoriert, zu weni g Laufweite,
schlechtzu lesen, ,.. r nichtjede Schrift ist
wohtgeformt
denn nicht jede lllustratoren-Schrift ist wohlgeformt und flir die Anwendung im
Bilderbuch geeignet.

KEIN ENTWEDER-ODER. Die Anwendung von Handschriften schließt die Kombi


nation mit Satzschriften nicht aus. Wobei bei Büchern, die im 21. Jahrhundert
herausgegeben werden, auch zeitgenössische Schrift entwtirfe gewählt werden
l I t ,\

;',':;Tj;,;'";:..,"" .. sollten. Es geht jedoch immer um den spezifischen Kontext, den Inhalt der
";.;;;;ij'.11 Geschichte, die Zeit ihrer Entstehung; um die Textmengen und die Differenzie- l. Bi[d und Text werden getrennt und auf separate Seiten gesetzt: 4. Text wird zwischen lnsetitlustrationen positioniert: Eine der gängigs-
Die ktassische N4ethode kann statisch und traditi0ne[[ wirken. aber ten Formen, die sich gut für SprachwechseI eignet (nur WechseI der
rung von Textsorten. Grundlegend gilt: Die Illustrationen, ihre Beschaffenheit,
auch ruhig und elegant. Schwa rz-Ptatte)
ihr Stil und ihr Ausdruck sind die Basis flir die Schriftwahl bzw. -gestaltung. 2. Texte werden ober- 0der unterhatb von großflächigen ltlustrationen 5.

'*twt[[{l'r
DerText wird in voltflächige bzw. dichte lltustrationen integriert:
Weiter geht es darum, eine Haltung zu finden: Soll die Schrift die Illustrationen platziert: Die Bitd-Text-Trennung ist weicher; der Text begleitet die Er wird in eine hette Ftäche gesetzt oder in ein narratives Bi[de[ement
Bi[der und kann flüssiger getesen werden. Iteinwand o.ä.). Wichtjg ist, von Beginn weg Ptatz für den Text
unterstützen, herausfordern oder bewusst kontrastieren? Das muss von Fall zu
3. Das Bitd [äuft über den Bund: Die Restfläche ist weiß oder wird

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y\! ! /*cn ßt tllT f ! .;3
Fall sorgfältig abgewogen werden. Rezepte gibt es keine, außer dass sich die
Grafiker*innen intensiv mit der gegebenen Bildsprache befassen, sich in Schrift-
monochrom eingefärbt und für die Textpositionierung gedacht.
Diese Abgrenzung kann scharf oder weicher sein.
6.
mitzudenken.
Die Srhrift a[s gteichberechtigtes oder eigenständiges E[ement:
Sie wird zur Erzähterin

geschichte auskennen und sich regelmäßig über neue Fonts informieren sollten.
':'J
#Ir:,.".:'i ;,:.lirtc dr. !.rd'cn
b,r---..
Die Anwendung von Handschriften schtießt die GESAMTBILD. Hier wurde vor allem über die Schrift und ihre Ausdrucksqualitäten
Kombination mit Satzschriften ntcht aus (Text- gesprochen und nicht über ihre Anwendung im Buchraum. Schrift bezeichnet die
gestaltung in >Die Schtacht von Karlawatsch< von
Heinz lanisch und Atjoscha Btau, Attantis 2018)
Formen der Buchstaben, Typografie ist ihre Anordnung in Zeilen und Blöcken. Bei -*'

Bilderbüchern handelt es sich oft um kurze Zeilen. Und vielfach ist der Zeilenfall -
insbesondere bei Versen - von den Autorinnen und Autoren vorgegeben. Diese Kulturelle Vietfalt
Art von Satz nennt man lyrischen Flattersatz oder Gedichtsatz. Das Bilderbuch

7re [;ti J*. C f wird durch Illustrationen geprägt, der Text ist Beigabe. Beim Layouten stellt sich ,l
j
Von unterschiedlichen Formen kultureller
a
Gedichte wie in >Planetenspatzen( von
die Frage, wie man den Text zu und allenfalls in die Bilder stellt. Die feinltihlige Aneignung aufvielen Feldern ist derzeit viel Andrea Karimd und Raffaela Schöbitz
K"^ i
Formung und Positionierungvon Textabschnitten ist dabei noch wichtiger als die I die Rede, die neue Ausgabe des Kolibri will ' oder die Autobiographie von Barack
I
,rrd Wahl des Schrifttyps. Die bei der Buchgestaltung sonst üblichen Seitenränder, dagegen kulturelle Vielfalt an alle Orte brin- a Obama >Ein amerikanischer Traum<. An-
Satzspiegel und Spalten sind hier nur bedingt nützlich. Je weniger Text in einem gen, wo gelesen wird. 69 Bücher aus der & regendflir Leser:innen und Literaturver-
Buchraum steht, desto mehr Aufmerksamkeit erhält er. Bilderbuchgestaltung ist alduellen Produktion hat die Redaktion zusam- mittler:innen. (red)
li anspruchsvoll, denn der Text muss meist nach kompositorischen Gesichtspunk- mengestellt, Titel, die andere Lebenswelten und Welt-

ürUililR*.'' lmro$rm
ten gestaltet und platziert werden. Gute Bilderbücher sind vom Cover via Vor-
satzpapier bis zum Rücken durchgestaltet. Die Schrift bzw. der Text werden zum
integralen Teil des Gesamtbildes, d.h. von jeder Doppetseite und in der Gesamt-
sichten thematisieren, zum Perspektivenwechsel an-
regen und damit einen Beitrag zur interkulturellen
Verständigung leisten wollen. Die Auswahl umfasst
Xolibti 202212023. Kulturette Vietfalt in Kinder- und Jugendbücher.
Herausgegeben von Baobab Books. Base[ 2022 (29. Ausgabe), 92 5.,
broschiert | € 4,50 Schutzgebühr (zzgt. Versand)
mNs! Bezug in Deutschland und Österreich: Arbeitskreis für Jugendtiteratur
dramaturgie. In textlastigen Büchern soll die Typografle der Lesbarkeit dienen, Bücher ftir alle Altersgruppen und aus allen Genres:
e.V. im lnternet unter wwwjugendliteratur.org
d.h. möglichst nicht auffallen. Im Bilderbuch soll und will sie in manchen Fällen Jugendromane wie Angeline Boulleys >Firekeeper's
auffallen. Und das nicht nur auf den Umschlägen. Denn eine unverwechselbare
Die aktuetten Empfehlungen sind - neben zahlreichen ätteren Titeln -
Daughter<, Bilderbücherwie Elzbietas >Floris & Maja<,
bereits in der Kotibri 0ntine-Datenbank zu finden:
Schrift trägt zum eigenständigen Gesamteindruck, zur Unverwechselbarkeit ei- Comics wie >Ching Chang Stop< von Dian Gohring, www.baobabbooks.ch/kotibri/datenbank/
Auf das Gesamtbitd kommt es an nes Bilderbuches bei. Sie will schreien, hüpfen, zittern oder umgarnen. Sie will
36 (ZusammenstettunqAL) uns nicht nur etwas sagen und zeigen, sondern uns etwas flihlen lassen. 37

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