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1. Dienstag 04.10.: Was ist Klinische Psychologie? RNM
2. Dienstag 11.10.: Diagnostische Klassifikation psychischer Störungen JR
3. Dienstag 18.10.: Epidemiologische Beiträge zur KP RNM
4. Dienstag 25.10.: Kennen Sie die Grundlagen für diese VO? – Quiz mit den Online verfügbaren
Karteikarten: https://lehrbuch-psychologie-springer-com.uaccess.univie.ac.at/karteikarten/5648/1
5. Dienstag 08.11.: kurzer Überblick Therapieverfahren; Störungen im Zusammenhang mit
psychotropen Substanzen und abhängigen Verhaltensweisen I JR
6. Dienstag 15.11.: Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und abhängigen
Verhaltensweisen II JR
7. Dienstag 22.11.: Affektive Störungen RNM
8. Dienstag 29.11.: Somatoforme Störungen und stressabhängige körperliche Beschwerden RNM
9. Dienstag 06.12.: Angststörungen I JR
10. Dienstag 13.12.: Angststörungen II JR
11. Dienstag 10.01.: Posttraumatische Belastungsstörung; Zwangsstörung RNM
12. Dienstag 17.01.: Psychotische Störungen und Schizophrenie JR; Evaluation
13. Dienstag 24.01.: Persönlichkeitsstörungen RNM
14. Dienstag 31.01.: 1. Prüfungstermin
VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 2
https://ufind.univie.ac.at/de/course.html?lv=200019&semester=2022W
Übersicht & Lernziele
1. Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
2. Zwangsstörung
Lernziele:
1. Sie kennen die zentralen Kennzeichen und Diagnosekriterien der beiden
Störungen.
2. Sie verstehen, was ein Trauma ist und welche Konsequenzen es haben
kann.
3. Sie verfügen über Kenntnisse zu ätiologischen Modellen der PTBS und der
Zwangsstörungen.
4. Sie haben eine Einschätzung zu empfohlenen Therapieverfahren.
VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 3
Posttraumatische Belastungsstörung
(PTBS)
Maercker et al. (2018). ICD-11 Prevalence Rates of Posttraumatic Stress Disorder and Complex Posttraumatic Stress Disorder in a
German Nationwide Sample
Maercker et al. (2018). ICD-11 Prevalence Rates of Posttraumatic Stress Disorder and Complex Posttraumatic Stress Disorder in a German
Nationwide Sample
VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 9
10
5-30%
*
0-15%
Nach mehreren Monaten
* Üblicherweise nach
wenigen Monaten bis zu 2
Jahren
15-25%
35-65%
Aus: Hoyer, J. & Knappe, S., Klinische Psychologie und Psychotherapie, 3. Aufl.,
doi.org/10.1007/978-3-662-61814-1, © Springer-Verlag 2020
PTBS im ICD-11
Aus: Hoyer, J. & Knappe, S., Klinische Psychologie und Psychotherapie, 3. Aufl.,
doi.org/10.1007/978-3-662-61814-1, © Springer-Verlag 2020
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Aus: Hoyer, J. & Knappe, S., Klinische Psychologie und Psychotherapie, 3. Aufl.,
doi.org/10.1007/978-3-662-61814-1, © Springer-Verlag 2020
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Definition: Dissoziation
Als Dissoziation bezeichnet man die Desintegration psychischer Prozesse (z. B.
Wahrnehmung, Motorik, Emotion, Gedächtnis), die üblicherweise integriert
ablaufen.
Peritraumatische Dissoziation, d. h. Dissoziation während des Traumas, erhöht
das Risiko für die Entwicklung einer PTBS.
Posttraumatische dissoziative Symptome treten im Rahmen der PTBS häufig
auf, z. B. in Form von dissoziativen Flashbacks, aber auch Symptomen der
Depersonalisation (Reduktion oder Verlust des Kontaktes zum Selbst, z. B.
Erinnerungen, Gefühle, Körperempfindungen) und/oder Derealisation
(Reduktion oder Verlust des Kontaktes zur Umgebung). Sie werden klinisch
häufig als automatische Form der Vermeidung aversiver Erinnerungen, Gefühle
oder Gedanken betrachtet. Differenzialdiagnostisch ist dies von dissoziativen
Störungen zu unterscheiden, bei denen dissoziative Symptome als Leitsymptom
auftreten.
Aus: Hoyer, J. & Knappe, S., Klinische Psychologie und Psychotherapie, 3. Aufl.,
doi.org/10.1007/978-3-662-61814-1, © Springer-Verlag 2020
Akute Belastungsreaktion
(kein krankheitswertiges Störungsbild)
Komorbide
Störungen bei
ca. 88%
(v.a. Angststörungen,
affektive Störungen,
Substanzabhängigkeiten)
-> als Vulnerabilität und/
oder (häufiger) als Folge
Trotz höherer Prävalenz kann die Anzahl betroffener Personen in einzelnen Fällen geringer ausfallen als bei Störungen
mit geringerer Prävalenz, weil sich die Schätzungen bei den einzelnen Störungen auf unterschiedliche Altersgruppen
beziehen können
Aus: Hoyer, J. & Knappe, S., Klinische Psychologie und Psychotherapie, 3. Aufl.,
doi.org/10.1007/978-3-662-61814-1, © Springer-Verlag 2020
Epidemiologie (1-Monats-Prävalenz) nach ICD-11
Maercker et al. (2018). ICD-11 Prevalence Rates of Posttraumatic Stress Disorder and Complex Posttraumatic Stress Disorder in a
German Nationwide Sample
Aus: Hoyer, J. & Knappe, S., Klinische Psychologie und Psychotherapie, 3. Aufl.,
doi.org/10.1007/978-3-662-61814-1, © Springer-Verlag 2020
Ätiologie: Duale Repräsentationstheorie
(Brewin et al., 1996, 2010)
• Traumatische Erinnerungen werden in 2 verschiedenen
Gedächtnissystemen/Erinnerungsarten gespeichert:
1. verbally accessible memory (VAM), contextual memory representation
-> narrativer, bewusster Teil; intentional abrufbar und in andere autobiografische
Erinnerungen integriert
2. situationally accessible memory (SAM), sensory-bound memory representation
-> nicht bewusst zugänglich; automatisch aktiviert durch assoziative internale oder
externale (Trauma-)Reize; keine Informationen zum Kontext der Erinnerung ->
Flashbacks, Albträume, „Hier-und-Jetzt“ Erleben
• Bei hohem Stress/ hoher Erregung (Trauma) Hemmung des Hippocampus
-> verhindert detaillierte und lückenlose Encodierung der Traumainhalte
im VAM; eingeschränkte kognitive Kapazität fördert gleichzeitig
Encodierung im SAM
• Aktivierung des SAM in der Therapie und Integration/Verknüpfung beider
Erinnerungs-Repräsentationen
VO Klinische Psychologie, Nater-Mewes & Randerath Seite 22
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Aus: Hoyer, J. & Knappe, S., Klinische Psychologie und Psychotherapie, 3. Aufl.,
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Aus: Hoyer, J. & Knappe, S., Klinische Psychologie und Psychotherapie, 3. Aufl.,
doi.org/10.1007/978-3-662-61814-1, © Springer-Verlag 2020
Behandlung der PTBS: Schlüsselempfehlungen
Aus: Hoyer, J. & Knappe, S., Klinische Psychologie und Psychotherapie, 3. Aufl.,
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Aus: Hoyer, J. & Knappe, S., Klinische Psychologie und Psychotherapie, 3. Aufl.,
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Zwangsstörung
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Fallbeispiel
Frau M. (31 Jahre alt) berichtet, dass sie fast den ganzen Tag mit Putzen und Aufräumen
beschäftigt sei und zu nichts anderem mehr komme.
Sie habe große Angst davor, sich oder ihre Familie mit HIV zu infizieren und würde deshalb
insbesondere in Bad und Küche mehrfach täglich saubermachen und einmal am Tag die
Böden wischen. Als gelernte Krankenschwester sei ihr eigentlich klar, dass diese Angst
„etwas übertrieben“ sei, aber sie könne das Risiko einfach nicht eingehen.
Wenn sie das Haus verlasse, vermeide sie es, mit anderen Menschen in Berührung zu
kommen (z. B. Händeschütteln), Dinge anzufassen, die von anderen Personen berührt
wurden (z. B. Türgriffe, Haltegriffe in der U-Bahn) oder sich in öffentlichen Verkehrsmitteln
hinzusetzen. Zuhause würde sie sich anschließend trotz des Vermeidungsverhaltens
ausführlich Hände und Gesicht reinigen, um Keime und Verunreinigungen zu beseitigen.
Neben den Wasch- und Reinigungszwängen beschreibt Frau M. Ordnungszwänge. Sie habe
die Befürchtung wichtige Dokumente, aber auch alltägliche Haushaltsgegenstände nicht
mehr finden zu können bzw. ins Chaos zu verfallen. Sie würde daher viel Zeit für das
Ordnen und Aufräumen verwenden. Beispielsweise käme es häufig vor, dass sie beim
Ausräumen der Spülmaschine die Küchenschränke neu ordnen müsse, weil sonst alles
durcheinander käme.
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Kernsymptome: Gedanken
Zwangsgedanken:
• aufdringliche, wiederkehrende und unangenehme Gedanken, Bilder oder
Impulse
• der Inhalt der Zwangsgedanken ist deutlich übertrieben
• lösen Angst, Unruhe, Scham oder Ekel aus
• Gedanken drehen sich typischerweise um potenzielle Gefahren, die durch
Unachtsamkeit oder Fehler dazu führen, sich oder andere zu verletzen oder zu
infizieren
• Verbotene oder tabuisierte Inhalte, wie sie bei sexuellen, religiösen oder
aggressiven Zwangsgedanken auftreten, stehen im Konflikt mit den
Überzeugungen und Werten der Person
• werden als eigene Gedanken erkannt und typischerweise besteht eine gewisse
Einsicht, dass die Gedanken übertrieben sind
• die Betroffenen versuchen die Gedanken zu ignorieren oder zu unterdrücken
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Kernsymptome: Verhalten
Zwangshandlungen:
• Verhaltensweisen (auch Gedanken), die in Reaktion auf die Zwangsgedanken
ausgeführt werden, um Gefahren abzuwenden bzw. die Unruhe zu reduzieren
• sind typischerweise übertrieben in Relation zum angestrebten Ziel
• Sind mit einem erheblichen Zeitaufwand im Tagesablauf verbunden (nach
ICD-11 und DSM-5 mind. 1 Stunde/Tag)
• folgen häufig einer sehr individuellen Logik, die für Außenstehende
schwer nachvollziehbar ist, und werden über die Zeit automatisiert bzw.
nehmen ritualhafte Züge an
Vermeidungsverhalten, um Situationen auszuweichen, die
Zwangsgedanken oder -handlungen auslösen könnten
Rückversicherungsverhalten
Neutralisieren in Gedanken oder im Verhalten, um Befürchtungen
auszugleichen oder aufzuheben
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32
Symptombereiche
90% Komorbidität
(Angststörungen, affektive
Störungen, Impulskontroll-
störungen, Sucht);
Zwangsstörung beginnt in 80%
später als die komorbide
Störung
Trotz höherer Prävalenz kann die Anzahl betroffener Personen in einzelnen Fällen geringer ausfallen als bei Störungen
mit geringerer Prävalenz, weil sich die Schätzungen bei den einzelnen Störungen auf unterschiedliche Altersgruppen
beziehen können
Verlauf
• Beginnt typischerweise vor dem 35. Lebensjahr; durchschnittlich bei
19,5 Jahren
• Bei 75% Beginn vor dem 21. Lj., dann durchschnittliches Alter bei
Störungsbeginn 11 Jahre
• Bei Beginn nach dem 21. Lj. durchschnittl. Alter bei Störungsbeginn 23
Jahre
• Beginnt meistens schleichend und verläuft dann chronisch mit
durchschnittlicher Erkrankungsdauer von 9-10 Jahren
• Früher Beginn eher bei Männern; assoziiert mit höherer
Symptomschwere und häufigeren komorbiden Störungen im
Zwangsspektrumsbereich
• Kann (selten!) durch Streptokokken-Infektion in der Kindheit ausgelöst
werden, dann Besserung durch Behandlung der Infektion
Ätiologie
Familiäre Häufung:
• Lebenszeitprävalenz bei Verwandten 1. Grades bei 10-12%; Odds Ratio ist
für diese Gruppe um das 5-fache erhöht im Vergleich zu Verwandten 1.
Grades von Gesunden
• Bei Zwangsstörungen im Kindesalter sogar noch höher: 22,5%
Lebenszeitprävalenz bzw. OR bei 32,5
• Erblichkeit bei 48%
Neurobiologische Faktoren:
• Hyperaktivität im orbitofrontalen Kortex und Striatum aufgrund einer zu
geringen Hemmung des Thalamus durch Veränderungen in der
Signalübertragung kortiko-striato-thalamo-kortikaler Schaltkreise (sehr
robuster Befund bei Zwangsstörungen); aber offen ob kausaler Faktor oder
Korrelat
• Hyperaktivität in anterioren cingulären Cortex und in der Amygdala ->
gestörte Handlungsüberwachung & stärkere Bewusstwerdung von Fehlern
Ätiologie
Umwelteinflüsse:
• Komplikationen rund um die Geburt und erhöhtes Alter der Eltern
• Kritische Lebensereignisse
• Schwangerschaften und die Phase nach der Geburt gehen mit erhöhtem
Risiko für die Entwicklung einer Zwangsstörung einher, auch bei Vätern
• … insgesamt nur wenige gesicherte Befunde da häufig kleine Stichproben
und retrospektive Designs
Kognitive Verzerrungen:
• Perfektionismus
• Gefahrenüberschätzung
• Überbewertung von Gedanken
• Überhöhte Verantwortlichkeit
• Niedrige Unsicherheitstoleranz
• Unvollständigkeitsgefühle und „nicht-ganz-richtig-Erfahrungen“
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Aus: Hoyer, J. & Knappe, S., Klinische Psychologie und Psychotherapie, 3. Aufl.,
doi.org/10.1007/978-3-662-61814-1, © Springer-Verlag 2020
Behandlung