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Behandlung von

ADHS
&
Störung des Sozialverhaltens
Dr. med Stefanie Fekete

Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie,


Psychosomatik und Psychotherapie
Direktor: Prof. Dr. M. Romanos
Offenlegung

Interessenskonflikte:
 keine

Forschungsförderung:
 BMBF
 BfArM
 IZKF

Mitglied der AGNP:


 AG ‚Therapeutisches Drug-Monitoring‘
 AG ‚Kinder- und Jugendpsychiatrische Psychopharmakologie‘
Lernziele: ADHS

 Klinisches Bild

 Epidemiologie

 Problembereiche & Komorbiditäten


ADHS – 3 Kardinalsymptome

unaufmerksam hyperaktiv-impulsiv

Dr. Heinrich Hoffmann Struwwelpeter 1844


ADHS

Aufmerksamkeitsstörung

motorische Hyperaktivität

erhöhte Impulsivität
Symptomatik

Video

Video: K. Skrodzki, Aufmerksamkeitsgestörte, hyperaktive Kinder und Jugendliche im Unterricht


Symptomatik

Video

Lehrfilm von K. Skrodzki


Formen von ADHS nach ICD-10

Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F90.0)

Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F98.8)


Diagnose-Kriterien nach ICD-10

 Beginn < 7. Lebensjahr

 mind. 6 Monate

 situationsübergreifend

 beeinträchtigend

 Ausschluss anderer Ursachen


Problembereich „Hausaufgaben“

www.adhs.aok.de
ADHS-Diagnosen in Deutschland

Göbel et al., Journal of Health Monitoring, 2018


ADHS-Prävalenz weltweit

Polanczyk et al., 2007


Prävalenzentwicklung

Polanczyk et al., 2014


Komorbiditäten

Taurines et al.,
ADHD, 2011
N=222; 7-17 Jahre
Entwicklungskomorbidität

Taurines et al., 2010


MEMO - ADHS

3 Kardinalsymptome der ADHS


 Problembereiche: Schule, unter Gleichaltrigen, Familie
 epidemiologische Prävalenz stabil um 5%
 komorbide Störungen sind häufig
Lernziele: AHDS

Ätiologie und Neurobiologie


Biopsychosoziale Modell: ADHS

 70-80% der Symptomatik genetisch

 viele Gene beteiligt

 Umweltfaktoren während Schwangerschaft oder Perinatalzeit

 familiäre Umwelteinflüsse können Ausprägungsgrad beeinflussen

Faraone Neurosci Biobehav Rev. 2021


Familiarität

ADHS
subklinisch
Kein ADHS
unbekannt

Romanos et al, Mol Psychiatry, 2008


Umweltrisiken

 Rauchen und Alkoholkonsum während der Schwangerschaft

 Frühgeburtlichkeit und geringes Geburtsgewicht

 Belastung durch Stress und Trauma

 Umwelttoxine (Blei oder Quecksilber)


ADHS - Involvierte Hirnregionen

Faraone et al., Nature Reviews, 2015


Exekutivnetzwerk – Belohnungsnetzwerk

Faraone et al., Nature Reviews, 2015


Neurotransmitter

Faraone et al., Nature Reviews, 2015


MEMO: Ätiologie und Neurobiologie ADHS
 hohe Erblichkeit
 Umweltfaktoren
 bestimmte Hirnregionen sind involviert (z.B.
präfrontaler Kortex)
 Dysfunktion in Regelkreisen (Exekutiv- und
Belohnungsnetzwerk)
 Störung von Neurotransmittersystemen (Dopamin,
Noradrenalin)
Lernziele: Störung des Sozialverhaltens

 KlinischesBild
 Biopsychosoziale Modell
 Epidemiologie
Störung des Sozialverhaltens

„Der Friederich, der Friederich,


das war ein arger Wüterich!
Er fing die Fliegen in dem Haus
Und riß ihnen die Flügel aus.
Er schlug die Stühl’ und Vögel tot,
Die Katzen litten große Not.
Und höre nur, wie bös er war:
Er peitschte seine Gretchen gar!“

Dr. Heinrich Hoffmann Struwwelpeter 1844


Symptomatik – Störung des Sozialverhaltens

wiederholendes und anhaltendes dissoziales,


aggressives, aufsässiges Verhalten

mindestens 6 Monate

grundlegende Rechte anderer und altersentsprechende


soziale Erwartungen werden verletzt
Formen der Störung des Sozialverhaltens nach ICD-10

Hyperkinetische oppositionell aufsässiges Verhalten


Störung des
Sozialverhaltens aggressives, delinquentes, kriminelles Verhalten
auf familiären Rahmen
beschränkt

ohne soziale Bindungen


Störung des
Sozialverhaltens
ADHS mit sozialen Bindungen

und der
Emotionen Depressionen & Angst
Sucht
Störung des Sozialverhaltens
Symptome der Störung des Sozialverhaltens

nach Lösel & Runkel (2009), S. 455


Störung des Sozialverhaltens
Biopsychosoziale Modell: SSV
Neurobiologie

Genetische Aspekt Prä- & perinatale Einflüsse Neurophysiologie

Testosteron,
Neurotransmitter Impulsives Temperament
Cortison
Psychosoziale

Negative Bindungserfahrung Sozialstatus der Eltern Erziehungsverhalten


Ursachen

der Eltern

Persönlichkeitsmerkmale der Eltern Dissoziale Peergroup

DGKJP (2016) S3-Leitlinie Störung des Sozialverhaltens


Störung des Sozialverhaltens
Mangelnde Empathie

 keine Schuldgefühle, keine Reue

 gewisse Gefühlskälte, mangelnde Empathie dem Opfer gegenüber

 kaum zu beeindrucken – auch die drohende Gefängnisstrafe


beeindruckt wenig

 Affekt ist eher flach und wenig mitfühlend


Hypoaktivität Amygdala bei SSV

White et al., Am J Psychiatry, 2012


Baker et al., CNS Spectrum, 2015
Epidemiologie- SSV

 eine der häufigsten Ursachen für Inanspruchnahme der KJPPP

 Prävalenzzahlen reichen von 1 bis 15 % bei Kindern und Jugendlichen


in Europa

 3-5 Jungen : 1 Mädchen


MEMO - SSV

 oppositionellesVerhalten eher bei Kindern


 delinquentes Verhalten eher bei Jugendlichen
 komorbide Störungen sind häufig (z.B. ADHS, Depressionen,
Sucht)
 Biopsychosoziales Modell
 epidemiologische Prävalenz variiert 1-15%, m>w
Lernziele – Diagnostik

 Überblick Diagnostik
S3-Leitlinien ADHS und SSV

DGKJP (2017) DGKJP (2016)


Wer diagnostiziert?

 FachärztIn für Kinder und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

 Psychologischer Psychotherapeut mit Zusatzqualifikation

 Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Erfahrung und


Fachwissen in der Diagnostik von ADHS

DGKJP (2016), S.11


Diagnostik

 Anamnese (incl. Eigen- Familien- und Fremdanamnese)

 Verhaltensbeobachtung

 Psychopathologischer Befund

 Körperlich-neurologische Untersuchung

 Testpsychologische Untersuchung

 Differenzialdiagnostik
Lernziele – Therapie

 Multimodale Therapie ADHS & SSV


Therapie: ADHS

 Psychoedukation

 ADHS-Medikament

 Psychotherapie

 Elterntraining

 Schulzentrierte Maßnahmen
Therapie: Störung des Sozialverhaltens

 Psychoedukation

 Psychotherapie

 Elterntraining

 Schulzentrierte Maßnahmen

 Jugendhilfemaßnahmen
Psychoedukation: Quiz für Kinder

D. Grasmann, C. Stadler (2009)


„Verhaltenstherapeutisches Intensivtraining
zur Reduktion von Aggression“
Psychoedukation ADHS: Stärken und Ressourcen

Aufmerksamkeitsstörung Risikobereitschaft

Hört nicht zu Hyperfokussiertheit

Denkt nicht nach


Enthusiastisch
Motorische Unruhe
Energie
Störenfried
Neugierde
Nervt

Impulsivität Kreativität

Unberechenbar Soziale Art

Geissler, Romanos, Zwanzger, & Jans (2016) Hogrefe-Verlag


Pharmakotherapie der ADHS

Stimulanzien Nicht-Stimulanzien
Methylphenidat Atomoxetin

Amphetamin, Dexamphetamin Guanfacin ret.


ADHS-Medikation
Methylphenidat am Dopamintransporter
ADHS-Medikation
Methylphenidat am Dopamintransporter
Behandlungseffekt
Therapieprogramme

Döpfner, Geissler, Romanos, Aebi et al. 2011


Schürmann, Zwanzger, & Jans
Frölich, 2013 (2016)

DGKJP (2016)
Elterntraining-Verhaltensplan

Video

www.adhs.aok.de
Therapie – Schulzentrierte Interventionen

 klare Struktur & Routine

 Visualisierung

 kleine Lerngruppen

 Pausen

 positive Verstärkung!

 offene Kommunikation
Geissler, Romanos, Zwanzger & Jans Therapiemanual (Würzburg 2016) Therapie der ADHS bei Jugendlichen
Therapie - Schulzentrierte Intervention

Geissler, Romanos, Zwanzger & Jans Therapiemanual (Würzburg 2016) Therapie der ADHS bei Jugendlichen
Jugendhilfemaßnahmen

 sozialeGruppenarbeit (CAVE: Soziale Trainingsgruppen, die


aus dissozialen Jugendlichen besteht)
 ambulante Beratung
 Erziehungsbeistand
 Sozialpädagogische Familienhilfe
 teilstationäre Jugendhilfemaßnahme
 stationäre Jugendhilfemaßnahme (offen, geschlossen)
Memo: Multimodale ADHS-Therapie

Psycho-
edukation

Psycho-
therapie Patient Umwelt

Pharmako-
therapie
Komorbiditäten
Memo: Multimodale SSV-Therapie

Psycho-
edukation

Psycho-
therapie Patient Umwelt

Jugendhilfe
Komorbiditäten
Lernziele – Persistenz & Prognose

ADHS & SSV


Persistenz: ADHS

Faraone et al., 2015


Lebensqualität ADHS
erhöhte Mortalität
Einschränkungen Übergewicht, Bluthochdruck
der Gesundheit
Delinquenz, Substanzmissbrauch, Sucht
Lernstörungen, Defizite in Handlungsplanung- und Kontrolle
Soziale
Sozialverhaltensstörungen, Depression, Angst, Tic, Autismus
Beeinträchtigung
Eheprobleme, Scheidung
Entwicklungsstörungen Motorik, Sprache
Rechtliche Probleme, Inhaftierung
Psychologische Defizite in sozialen Kompetenzen, gestörte familiäre Interaktion, soziale Ausgrenzung
Einschränkungen
Suizidgedanken,-versuche, Suizid
Einschränkungen Niedrige Lebensqualität, niedriges Selbstbewusstsein
in Bildung und Motivationsprobleme, Defizite in der Gefühlsregulation
Beruf Förderbedarf, Klassenwiederholung, Arbeitslosigkeit, niedriger
Schulwechsel, Schulausschluss sozioökonomischer Status
Risikoverhalten Ungeplante Schwangerschaften
Unfälle, Verletzungen, Verkehrsunfälle, Führerscheinverlust
Faraone et al., Kindheit > Jugend > Erwachsenenalter
Nature Reviews, 2015
Verlaufsformen Störung des Sozialverhaltens

Beginn <10 Jahre =


peer
group schlechtere Prognose
dissoziales Verhalten

Familie / Biologie

Alter Odgerset al., 2008


Moffitt et al., 2008
Prävention: Kinder mit expansivem Verhalten

 Zielgruppe: Eltern & Erzieher*innen

 Stärkung der Erziehenden selbst

 Stärkung der positiven Interaktion

 Stärkung der Beziehung

 Hohe Effektstärke DGKJP, 2016, S. 41

Plück et al. 2006


Video
Memo: Prognose ADHS und SSV

 ADHS persistiert zu etwa 50% ins Erwachsenenalter

 Lebensqualität kann erheblich beeinträchtigt sein

 SSV: schlechtere Prognose bei frühem Beginn

 Prävention
 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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