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Demenz und hirnorganische Verwirrtheitszustände

Hermann Neugebauer
03.05.2022

Neurologische Klinik und Poliklinik


Direktor: Prof. Dr. J. Volkmann
Agenda

„ Epidemiologie
„ Diagnostische Einordnung und Differentialdiagnose
„ Leichte kognitive Störung (MCI)
„ Degenerative Demenzen
§ Alzheimer-Erkrankung (AD)
§ Lewy-Körperchen Erkrankung (DLB)
§ Parkinson Demenz (PDD)
§ Frontotemporale Demenzen (FTD)
§ Vaskuläre Demenz (VaD)
„ Delir

2
IMPP
Fragen 1 Frage 2
In Ihrer psychiatrischen Praxis wird Ihnen ein 81-jähriger Patient von seiner Eine 78-jährige Patientin verstirbt bei einer seit Langem bestehenden Demenz im
Ehefrau vorgestellt. Laut Angaben der Ehefrau ist es in den letzten 12 Monaten Pflegeheim an einer Pneumonie. Zur Sicherung der Todesursache wird eine
schleichend zu immer mehr Problemen gekommen. So habe ihr Ehemann klinische Obduktion durchgeführt. Bei der neuropathologischen Untersuchung
mehrfach den Schlüssel verlegt und auch nicht mehr wiedergefunden, sodass sie des Gehirns werden Veränderungen festgestellt, die sich am ehesten mit dem
dieses Jahr schon 3-mal das Schloss habe auswechseln lassen müssen. Des
Vorliegen eines M. Alzheimer vereinbaren lassen.
Weiteren habe es einen Polizeieinsatz gegeben, weil ihr Mann an einem kalten
Wintertag den Weg nach Hause nicht mehr gefunden habe.
Der Patient selbst äußert auf Ihre Nachfrage, seine Frau übertreibe, er sei ein „ Welche der folgenden Aussagen zur Pathogenese des M. Alzheimer trifft
wenig vergesslich in letzter Zeit, aber sonst gehe es ihm gut. am wahrscheinlichsten zu?
Hausärztliche Kontrollen finden regelmäßig statt. Der Patient nimmt keine
Medikamente ein. Der neurologische Untersuchungsbefund ist regelrecht.

Ein 63-jähriger Mann fällt der Familie seit Monaten durch ein inadäquates
„ Welche Diagnose ist am wahrscheinlichsten?
Sozialverhalten auf. Er erzählt ”schmutzige Witze” bei Familienfeiern, singt
„ Welche der nachfolgenden Aussagen zum Mini-Mental-State-Test (MMST) unvermittelt Schlager und zeigt kaum noch Empathie. Er hat seine Tätigkeit als
trifft am besten zu?
Unternehmensberater aufgeben müssen, weil seine Kunden mit den Leistungen
„ Welche Untersuchung ist im Rahmen der weiteren
schon seit Längerem unzufrieden waren und sich wegen der verworrenen
differenzialdiagnostischen Abklärung am wenigsten sinnvoll?
Berichte und mangelhaften strategischen Ratschläge beklagt hatten. Die
„ Welcher der genannte Faktoren ist kein Risikofaktor für die
sonstige psychiatrische Vorgeschichte ist unauffällig.
Verdachtsdiagnose einer Alzheimer-Erkrankung?
„ Welcher Parameter ist in der laborchemischen Demenzdiagnostik am
ehesten verzichtbar? „ Welche Diagnose ist am wahrscheinlichsten?

https://next.amboss.com/ 3
Epidemiologie - Prävalenz

World Alzheimer Report 2018; GBD 2015 Lancet Neurol 2017 4


Epidemiologie – Disability Adjusted Life Years (DALY)

GBD 2015 Lancet Neurol 2017 5


Epidemiologie - Prävention

Livingston et al. Lancet 2020 6


Klinische Definition von Demenzen nach ICD-10

„ „Demenzerkrankungen sind definiert als erworbene Beeinträchtigung


höherer kognitiver Funktionen und Alltagskompetenzen. Bei den
meist chronisch-fortschreitenden Verläufen kommt es zu
Beeinträchtigungen vieler kortikaler Funktionen einschließlich
Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen,
Lernfähigkeit, Sprache, Sprechen und Urteilsvermögen. Gewöhnlich
begleiten Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des
Sozialverhaltens oder der Motivation die kognitiven Einbuße.“

Oedekoven C, Dedel R. Neurologie up2date 2019 7


Klassifikation von Demenzen ab 2022 nach ICD-11

„ Neurokognitive Störung
§ Delir (akuter Verwirrtheitszustand)
§ Milde neurokognitive Störung (erhaltene Alltagskompetenz; NIA-AA, Albert et al. 2011)
§ Amnestische Störung (stabil, nicht fortschreitend)
§ Demenz (zstl. Kodiert nach Schweregrad und frühem Beginn <65. LJ)
• Alzheimer Erkrankung (NIA-AA / IWG-2, Dubois et al. 2014)
• Zerebrovaskuläre Erkrankung (NINDS-AIREN, Roman et al. 1993)
• Lewy-Körper-Erkrankung (LKD-Kriterien, McKeith et al. 2017)
• Frontotemporale Demenz (Rascovsky et al. 2011; Gorno-Tempini et al. 2011)
• Psychoaktiver Substanzen
• Andernorts klassifizierter Erkrankungen (z.B. PDD-Kriterien Goetz et al. 2008)
• Andere Ursache
• Unbekannt

https://icd.who.int/ 8
Ursachen von Demenzen

Clarfield et al. Arch Intern Med. 2003 Urban Neuroradiologie Scan et al. 2012 9
Topografie

Bild: Quelle unbekannt 10


Neuropathologie

Bürger et al. Nervenarzt 2017 11


Fazit 1

„ Klinisches Syndrom mit progredienter kognitiver Beeinträchtigung

„ Zahlreiche Ursachen: klinische Diagnose Anlass für sorgfältige


Untersuchung

„ Topographie bestimmt den Phänotyp

„ Histopathologie bestimmt die Pathologie (Ätiologie)

Clinical Neurology, Scadding and Losseff, 4th edition, Hodder Arnold


12
Klinisches Assessment

„ Schlüsselfragen:
§ Organisch oder psychiatrisch?
§ Delirium, Demenz, beides oder keines?
§ Frühestes Symptom?
§ Länge der Krankengeschichte?
§ Tempo? Allmählich/ schrittweise/ progredient/ statisch-fluktuierend?
§ Einfluss auf soziale oder berufliche Funktionen?

„ Komplettierung Anamnese: Vorerkrankungen, kardiovaskuläre


Risikofaktoren, Substanzgebrauch, Familienanamnese
„ Neurostatus: begleitende neurologische Symptome?

Clinical Neurology, Scadding and Losseff, 4th edition, Hodder Arnold 13


Neuropsychologie Untersuchung

Oedekoven C, Dedel R. Neurologie up2date 2019 14


Kurztests: Mini-Mental-Status-Test und Uhrentest

15
CERAD-Plus-Testbatterie

Oedekoven C, Dedel R. Neurologie up2date 2019 16


Grobe Einteilung: Kortikale vs. Subkortikale Demenz
Kortikal Subkortikal

Kognitive Normal Langsam


Verarbeitungsgeschwindigkeit

Aufmerksamkeit Relativ intakt Beeinträchtigt

Gedächtnis Prominente Defizite Variabel


“Lost file“ „Lost filing system“

Exekutivfunktionen Weniger prominent Meist prominent

Verhalten/Affekt Meist normal Meist gestört

Sprache Aphasische Merkmale Wortabrufschwierigkeit

Beispiel Alzheimer-Erkrankung Vaskulär/Parkinson

Clinical Neurology, Scadding and Losseff, 4th edition, Hodder Arnold 17


Zusatzdiagnostik
„ Routine-Blutuntersuchung, inkl. Entzündung, Vitamine (B12), Schilddrüse, Syphilis-
Serologie
„ Erweiterte Blutuntersuchung wenn klinisch indiziert, z.B. HIV-Serologie, Endokrinopathien
„ Antikörperdiagnostik bei Systemerkrankungen oder rasch-progredienten Demenzen
„ Genetische Untersuchung selektiv bei positiver Familienanamnese
„ EEG unspezifisch außer bei rasch progredienten Demenzen
„ Lumbalpunktion z.A. Infektion und Inflammation und zum Nachweis spezifischer
Neurodegenerationsmarker
„ MRT obligat zum Ausschluss struktureller Läsionen und zum Nachweis spezifischer
Signalveränderungen und Atrophiemuster
„ FDG-PET zum Nachweis eines gestörten zerebralen Glukosemetabolismus
„ Liganden-PET zum Nachweis von Amyloid in Erprobung
„ Gewebebiopsie in Einzelfällen, z.B. Speichererkrankung, Mitochondriopathie, Variante CJD

Clinical Neurology, Scadding and Losseff, 4th edition, Hodder Arnold 18


Fazit 2

„ Abgrenzung von Demenzen im eigentlichen Sinn von kognitiven


Störungen aufgrund anderer Erkrankungen (sekundäre Demenzen)

„ Neben Kurztests sollten neuropsychometrische Testungen zum


Einsatz kommen

„ Laborchemische und apparative Basisdiagnostik inkl. MRT und LP in


der Regel ausreichend

Clinical Neurology, Scadding and Losseff, 4th edition, Hodder Arnold 19


Milde neurokognitive Störung (MCI)

Jessen et al. Alzheimer‘s & Dementia 2014 20


Milde neurokognitive Störung (MCI)

Demenz?

Gesund?
„ Prävalenz
§ 10-20% der Erwachsenen über 65 Jahre
§ Zunehmend mit Alter, ApoE e4 Genotyp, geringerer Bildung, kardiovaskuläre Risikofaktoren,
Schlafapnoe, C2, geringerem Vit-D und kritischen Erkrankungen (z.B. Sepsis), Medikamente
„ Definition
§ Besorgnis über nachlassende kognitive Leistungsfähigkeit
§ Objektivierbare Einschränkung in ≥ 1 Domäne (1-2 SD)
§ Keine Beeinträchtigung der psychosozialen- und Alltagskompetenzen (ADL)
§ Unterteilung: subjektives MCI, amnestisches MCI, nicht-amnestisches MCI

Langa et al. JAMA 2014; Bild: Thieme: DOI- 10.1055/b-0034-46173 21


Milde neurokognitive Störung (MCI)
„ Procedere
§ Zunächst neurologische Untersuchung, Behandlung von Risikofaktoren und Wiedervorstellung (6 Mo)
§ Ggf. MRT zum Ausschluss sekundärer Ursachen
§ Keine medikamentöse Therapie, dafür geistig und körperlich aktives Leben!

Konversion Alzheimer (nur?) ca. 5-10% / Jahr

Bild: https://www.idee-fuer-mich.de/ und https://www.familie-und-tipps.de/10.06.21 22


Risikostratifizierung?

Ebenau et al. Neurology 2020 23


Amnestische Störung

„ Im Wesentlichen isolierte
Gedächtnisstörung aufgrund
anderer neurologischen
Erkrankungen, z.B. Infekt, Infarkt,
Traumata, C2, etc.

„ Beispiel: 60-jährige Patientin nach


Herpes-Simplex-Enzephalitis

ICD-11; Bild: Institut für Neuroradiologie, Universitätsklinikum Würzburg 24


Alzheimer Erkrankung
Prävalenz und Risikofaktoren Phänomenologie und Schweregrad

„ Alois Alzheimer 1906 (Auguste Deter)


„ Häufigste primär neurodegenerative Demenz, ca.
2/3 > 65.LJ
„ Risikofaktoren: Alter, weibliches Geschlecht,
familiäre Belastung, ApoE e4 Genotyp (Risiko 2-8
fach erhöht), Bildungsniveau, zerebrale
Vorerkrankung, vaskuläre Risikofaktoren im
mittleren Lebensalter, Morbus Down
„ Früh häufig “Fassade“ und Bagatellisieren
„ Im Verlauf i.d.R. neuropsychiatrische Symptome
„ Spät häufig Myoklonien und Anfälle
„ Mittleres Überleben 6 Jahre ab Demenz
„ Tod häufig durch Aspirationspneumonie

Hufschmidt, Neurologie compact 7. Auflage, Diener, Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen
25 7. Auflage
Alzheimer Erkrankung

„ Atypische Präsentation
§ Posteriore Corticale Atrophie (Sehstörung, visuospatiale Defizite)
§ Sprachdominante Alzheimererkrankung (flüssig und nicht-flüssig)
§ Frontale Alzheimererkrankung (Verhaltensstörung)

„ Familiäre Alzheimererkrankung
§ 5-10% positive Familienanamnese mit vermeintlich auto-dom Erbgang
§ Jüngeres Erkrankungsalter, Myoklonien, Anfälle und Depression häufiger
• APP-Gen, Chromosom 21: 45. - 60. LJ
• Presenilin-1-Gen, Chromosom 14: 35. – 50. LJ
• Presenilin-2-Gen, Chromosom 1: variabel
§ „common-variants“ und ApoE: Risiko für sporadische Alzheimererkrankung
Clinical Neurology, Scadding and Losseff, 4th edition, Hodder Arnoldc 26
Alzheimer Erkrankung

Scheltens et al. Lancet 2021 27


Alzheimer Erkrankung

Selkoe & Hardy EMBO Mol Med 2016


Blennow, Leon, Zetterberg. Lancet 2006 28
Stadienmodel der Alzheimererkrankung (seeding – spreading)

Braak & Braak Acta Neuropathol. 1991; Jagust et al. Nature Neuroscience Review 2018 29
Zeitliche Entwicklung von Biomarkern Alzheimererkrankung

Thijssen et al. JAMA Neurol 2020 30


Hypothetisches Zeitmodell

Jack et al. Neuron 2013 31


„Towards a biological definition of Alzheimer´s disease“

Jack et al. Alzheimer`s Dement. 2018 und Ärzteblatt 2018; Scheltens et al. Lancet 2021 32
Liquor-Biomarker Profil

Bild modifiziert nach www.laborseelig.de 33


MRT und FDG-PET

Urbach & Egger Thieme Neurologie up2date 2020; Blennow, Leon, Zetterberg. Lancet 2006 34
Liganden-PET

„ 60 Jahre kognitiv unauffällig

„ 81 Jahre kognitiv unauffällig

Jack et al. JAMA 2019 35


Liganden-PET

„ 70 Jahre kognitiv unauffällig

„ 75 Jahre kognitiv unauffällig

„ 84 Jahre MCI

Jack et al. JAMA 2019 36


Zukunft Bluttest: Neurofilament-Leichtketten, Plasma-Tau?

Palmqvist et al. JAMA 2020 37


Therapie
„ Cholinesterase-Inhibitoren: Cholinerges
Defizit (Nucleus basalis Meynert)
§ Donepezil, Galantamin, Rivastigmin
§ UWA: Gastrointestinal, Schlafstörung, Übelkeit,
Muskelkrämpfe, Bradykardie
§ Leichte bis moderate Alzheimer-Erkrankung
§ moderate symptomatische Verbesserung der
kognitiven Funktion, ADL und Psych-Symptome
§ Verzögerung des kognitiven Abbaus, teilweise
auch Besserung der Kognition (bis 20%)
„ Memantine: NMDA-R-Antagonist –
Glutamat-Toxizität
§ UAW: Schwindel, Kopfschmerz, Obstipation,
erhöhter Blutdruck, Schläfrigkeit
§ Moderate bis schwere Alzheimer-Erkrankung
§ Geringerer aber signifikanter Effekt

Livingston et al. Lancet 2020; S3-Leitline Demenz AWMF-Reg-Nr: 038-013 38


Therapie

S3-Leitline Demenz AWMF-Reg-Nr: 038-013 39


Krankheitsmodifizierende Therapien: Aducanumab

ARIA-E

Bis zu 40%
Bis 10mgKG
Symptomatisch
10%

ARIA-H

Sevigny et al. Nature 2016 40


Aducanumab

41
Andere innovative Therapieansätze

„ Tyrosinkinasehemmer (Nilotinib, CML)


§ Proof-of-Concept-Studie: Abnahme von Amyloid, Verbesserung Kognition

„ Genspezifische Therapieansätze
§ Antisensoligonukleotide gegen Tau-mRNA (Mensch, Phase I/II)
§ Antisensoligonukleotide gegen Amyloid-beta-Region der APP-mRNA (Maus)

Turner et al. Ann Neurol. 2020; Feneberg & Otto Nervenarzt 2020 42
IMPP
Fragen 1 Fragen 2
In Ihrer psychiatrischen Praxis wird Ihnen ein 81-jähriger Patient von seiner Eine 78-jährige Patientin verstirbt bei einer seit Langem bestehenden Demenz im
Ehefrau vorgestellt. Laut Angaben der Ehefrau ist es in den letzten 12 Monaten Pflegeheim an einer Pneumonie. Zur Sicherung der Todesursache wird eine
schleichend zu immer mehr Problemen gekommen. So habe ihr Ehemann klinische Obduktion durchgeführt. Bei der neuropathologischen Untersuchung
mehrfach den Schlüssel verlegt und auch nicht mehr wiedergefunden, sodass sie des Gehirns werden Veränderungen festgestellt, die sich am ehesten mit dem
dieses Jahr schon 3-mal das Schloss habe auswechseln lassen müssen. Des
Vorliegen eines M. Alzheimer vereinbaren lassen.
Weiteren habe es einen Polizeieinsatz gegeben, weil ihr Mann an einem kalten
Wintertag den Weg nach Hause nicht mehr gefunden habe.
Der Patient selbst äußert auf Ihre Nachfrage, seine Frau übertreibe, er sei ein „ Welche der folgenden Aussagen zur Pathogenese des M. Alzheimer trifft
wenig vergesslich in letzter Zeit, aber sonst gehe es ihm gut. am wahrscheinlichsten zu?
Hausärztliche Kontrollen finden regelmäßig statt. Der Patient nimmt keine
Medikamente ein. Der neurologische Untersuchungsbefund ist regelrecht.

Ein 63-jähriger Mann fällt der Familie seit Monaten durch ein inadäquates
„ Welche Diagnose ist am wahrscheinlichsten?
Sozialverhalten auf. Er erzählt ”schmutzige Witze” bei Familienfeiern, singt
„ Welche der nachfolgenden Aussagen zum Mini-Mental-State-Test (MMST) unvermittelt Schlager und zeigt kaum noch Empathie. Er hat seine Tätigkeit als
trifft am besten zu?
Unternehmensberater aufgeben müssen, weil seine Kunden mit den Leistungen
„ Welche Untersuchung ist im Rahmen der weiteren
schon seit Längerem unzufrieden waren und sich wegen der verworrenen
differenzialdiagnostischen Abklärung am wenigsten sinnvoll?
Berichte und mangelhaften strategischen Ratschläge beklagt hatten. Die
„ Welcher der genannte Faktoren ist kein Risikofaktor für die
sonstige psychiatrische Vorgeschichte ist unauffällig.
Verdachtsdiagnose einer Alzheimer-Erkrankung?
„ Welcher Parameter ist in der laborchemischen Demenzdiagnostik am
ehesten verzichtbar? „ Welche Diagnose ist am wahrscheinlichsten?

43
IMPP

44
Frontotemporale Demenz (FTD)
Alzheimer-Erkrankung Frontotemporale Demenz

„ Hauptsymptom: Gedächtnisstörung „ Kernsymptom: Verhaltensstörung,


(Encodierung), visuospatiale Defizite, Orientierung Persönlichkeitsänderung, Sprachstörung

„ Alter > 65 „ Alter < 65

„ Temporomesiale und parietale Atrophie „ Frontotemporale Atrophie

„ Reduziertes ß-Amyloid 1-42, Erhöhtes Tau im „ Normale ß-Amyloid 1-42- und Tau-Werte im
Liquor Liquor

Bild: Universitätsklinik Ulm 45


Spektrum der Frontotemporalen Lobärdegeneration

PSP CBS PNFA bvFTD SD FTD-ALS

„ Progressive Supranukleäre Parese (PSP)


„ Corticobasales Syndrom (CBS)
„ Progressive nicht-flüssige Aphasie (PNFA)
„ Verhaltensvariante der FTD (bvFTD) Frontotemporale Demenz
„ Semantische Demenz (SD)
„ FTLD mit Amyotropher Lateralsklerose (FTLD-ALS)

Bürger et al. Nervenarzt 2017 46


Spektrum der Frontotemporalen Lobärdegeneration

PSP CBS PNFA bvFTD SD FTD-ALS

FTLD-Tau FTLD-FUS FTLD-TDP

MAPT PRG, C9orf72, TDP43

Nach Bürger et al. Nervenarzt 2017 47


Generelle Charakteristika

„ Kernsymptome:
§ Langsam progredient
§ Beginn < 65 LJ in den meisten Fällen, aber 20-25% > 65 LJ
§ Häufig positive Familienanamnese (20-50%)
§ Bildgebung zeigt frontotemporale Atrophie
§ CERAD meist unauffällig

„ Nicht konsistent:
§ Rascher Beginn
§ Postzentrale Veränderungen im MRT
§ Nachweis von Stoffwechsel- oder Entzündungskrankheiten

Clinical Neurology, Scadding and Losseff, 4th edition, Hodder Arnold 48


Epidemiologie

„ Varianten der FTD:


§ bvFTD: 70-80% (m > w)
§ SD: 10-20% (m > w)
§ PNFA: 5-10% (f > m)

„ Mittleres Überleben: 6-11 Jahre ab Symptombeginn, 3-4 Jahre nach


Diagnosestellung, in Assoziation mit ALS kürzer

„ Neuropathologie: 5% aller degenerativen Demenzen, nach der AD


zweithäufigste Demenz < 65 LJ

Clinical Neurology, Scadding and Losseff, 4th edition, Hodder Arnold 49


Morphologisches Korrelat

Bild: Quelle unbekannt 50


Diagnosekriterien
„ bvFTD: Verhaltensstörung, Apathie, Verlust von Mitgefühl und Empathie, Perseverationen, Stereotypien und
zwanghaftes Verhalten, Hyperoralität und Veränderung der Ernährung, Neuropsychologisch
Exekutivfunktionsstörung

„How high is this crane?“ Soziale Kognition

Stroop-Interferenz-Test
Rascovsky et al. Brain 2011; Gomo-Tempini et al. 2011; Bilder: Quelle unbekannt 51
Diagnosekriterien
„ bvFTD: Verhaltensstörung, Apathie, Verlust von Mitgefühl und Empathie, Perseverationen, Stereotypien und
zwanghaftes Verhalten, Hyperoralität und Veränderung der Ernährung, Neuropsychologisch
Exekutivfunktionsstörung

Rascovsky et al. Brain 2011; Gomo-Tempini et al. 2011; Straub et al. 52


Diagnosekriterien
„ bvFTD: Verhaltensstörung, Apathie, Verlust von Mitgefühl und Empathie, Perseverationen, Stereotypien und
zwanghaftes Verhalten, Hyperoralität und Veränderung der Ernährung, Neuropsychologisch
Exekutivfunktionsstörung

„ PNFA: Agrammatismus, angestrengtes und stockendes Sprechen, Sprachliche Entstellung (Sprachapraxie),


Sprachverständnisstörung bei komplexen Sätzen, Erhaltenes Sprachverständnis für Einzelwörter,
Erhaltenes Objektwissen

„ Sprachbox:

Rascovsky et al. Brain 2011; Gomo-Tempini et al. 2011; Sprachbox: Universitätsklinikum Ulm 53
Diagnosekriterien
„ bvFTD: Verhaltensstörung, Apathie, Verlust von Mitgefühl und Empathie, Perseverationen, Stereotypien und
zwanghaftes Verhalten, Hyperoralität und Veränderung der Ernährung, Neuropsychologisch
Exekutivfunktionsstörung

„ PNFA: Agrammatismus, angestrengtes und stockendes Sprechen, Sprachliche Entstellung (Sprachapraxie),


Sprachverständnisstörung bei komplexen Sätzen, Erhaltenes Sprachverständnis für Einzelwörter,
Erhaltenes Objektwissen

„ SD: Benennstörung (Anomia), gestörtes Sprachverständnis einzelner Wörter („what is a holiday?“),


gestörtes Objektwissen, Dyslexie und Dysgraphie, ungestörtes Nachsprechen, erhaltene und flüssige
Sprachproduktion

Rascovsky et al. Brain 2011; Gomo-Tempini et al. 2011 54


Diagnosekriterien
„ SD: Benennstörung (Anomia), gestörtes Sprachverständnis einzelner Wörter, gestörtes Objektwissen,
Dyslexie und Dysgraphie, ungestörtes Nachsprechen, erhaltene und flüssige Sprachproduktion

cookie box curtain

plate

cupboard

kitchen sink
stool

55
Diagnosekriterien
„ SD: Benennstörung (Anomia), gestörtes Sprachverständnis einzelner Wörter, gestörtes Objektwissen,
Dyslexie und Dysgraphie, ungestörtes Nachsprechen, erhaltene und flüssige Sprachproduktion

bag thing

thing

thing

bag
thing

56
Diagnosekriterien

Fish Ship

Wiederholen Sie „Ritterrüstung“


Zeigen Sie die „Ritterrüstung“

Hodges et al. Brain 2008; Gomo-Tempini et al. 2011 57


Diagnosekriterien
„ bvFTD: Verhaltensstörung, Apathie, Verlust von Mitgefühl und Empathie, Perseverationen, Stereotypien und
zwanghaftes Verhalten, Hyperoralität und Veränderung der Ernährung, Neuropsychologisch
Exekutivfunktionsstörung

„ PNFA: Agrammatismus, angestrengtes und stockendes Sprechen, Sprachliche Entstellung (Sprachapraxie),


Sprachverständnisstörung bei komplexen Sätzen, Erhaltenes Sprachverständnis für Einzelwörter,
Erhaltenes Objektwissen

„ SD: Benennstörung (Anomia), gestörtes Sprachverständnis einzelner Wörter, gestörtes Objektwissen,


Dyslexie und Dysgraphie, ungestörtes Nachsprechen, erhaltene und flüssige Sprachproduktion

„ Klinische Kriterien alleine: mögliche FTD


„ Klinische Kriterien plus Bildgebung: wahrscheinliche FTD
„ Klinische Kriterien plus Bildgebung plus Histopathologie oder Mutationsnachweis: gesicherte FTD

Rascovsky et al. Brain 2011; Gomo-Tempini et al. 2011 58


Therapie

„ Derzeit keine kausale Therapie

„ Nur symptomatische Therapie und nicht-medikamentöse Strategien

„ Studien für Mutationsträger geplant


§ Aktivierung der GRN-Expression
§ Hemmung der Tau-Aggregation

„ Überweisung von Patienten mit Mutation an Zentren

Bürger et al. Nervenarzt 2017 59


IMPP
Fragen 2 Fragen 3
Ein 63-jähriger Mann fällt der Familie seit Monaten durch ein inadäquates Bei einem 45-jährigen Mann ist seit mehreren Jahren eine HIV-Infektion bekannt.
Sozialverhalten auf. Er erzählt ”schmutzige Witze” bei Familienfeiern, singt Er nimmt seine antiretrovirale Medikation nicht regelmäßig ein. Jetzt stellt er sich
unvermittelt Schlager und zeigt kaum noch Empathie. Er hat seine Tätigkeit als bei seinem Hausarzt vor, da er unter zunehmender Vergesslichkeit leidet; dabei
Unternehmensberater aufgeben müssen, weil seine Kunden mit den Leistungen ist vor allem das Kurzzeitgedächtnis betroffen. Des Weiteren beeinträchtigt ihn
schon seit Längerem unzufrieden waren und sich wegen der verworrenen eine zunehmende depressive Stimmungslage, die sich innerhalb 1 Jahres
Berichte und mangelhaften strategischen Ratschläge beklagt hatten. Die kontinuierlich verstärkt hat. Die körperliche Untersuchung zeigt keine
sonstige psychiatrische Vorgeschichte ist unauffällig. Auffälligkeiten, mit Ausnahme eines erhöhten arteriellen Blutdruckes, der seit
einigen Jahren besteht. Bei der neurologischen Untersuchung lassen sich keine
fokalen Defizite erkennen, auch Seh- und Sprachstörungen werden vom
„ Welche Diagnose ist am wahrscheinlichsten?
Patienten verneint.

„ An welche der genannten Ursachen dieser Veränderungen muss am


ehesten gedacht werden?

60
Lewy-Körper-Erkrankung (DLB) und Parkinson-Demenz (PDD)

„ Dritthäufigste Ursache von späten Demenzen


„ PDD bei 40% im Verlauf der Parkinsonerkrankung (IPD)
§ Risikofaktoren: Alter, Krankheitsdauer, Behinderung, frühe visuelle
Halluzinationen, reduzierte Levodopa-Response und –Verwirrtheit
„ DLB
§ In der Regel sporadische Erkrankung, Überleben wie Alzheimer
„ Lewy-Körperchen (alpha Synuclein)
§ Phenotyp bestimmt durch Ausbreitungsmuster
§ Zudem häufig AD-Pathologie bei DLB: „Lewy-body-variant of AD“?
„ Klinisches und pathologisches Kontinuum (IPD-PDD-DLB)

Clinical Neurology, Scadding and Losseff, 4th edition, Hodder Arnold 61


Unterscheidungsmerkmale

DLB PDD
Vor oder innerhalb von 12 Monaten Beginn der Demenz relativ zur Später als 12 Monate
motorischen Störung

Bilateral, axial, Alexie, Anomie Klinische Phänomenologie Ruhetremor, mot. Fluktuationen

Visuelle Halluzinationen früh, Neuropsychiatrische Charakteristika Visuelle Halluzinationen spät (aufgrund


häufiger Wahnvorstellungen, bzw. nach Therapie) weniger
teils paranoid, Capgras-Syndrom Wahnvorstellungen

Synkopen unterstützendes Kriterium Autonome Störung Nicht in Diagnosekriterien

Psychosen nach Levodopa häufig, Medikamenteneffekt Effekt auf motorische Symptome


Neuroleptika-Überempfindlichkeit

60% Alzheimer-Pathologie Pathologie Neokortikal, subkortikal, begleitend


Alzheimer-Pathologie

Goldman et al. Mov Disord. 2014 62


DLB

„ Kernsymptome
§ Progrediente kognitive Beeinträchtigung
• Exekutivfunktionsstörung, Aufmerksamkeit, visuospatiale Defizite sowie Apraxie
§ Fluktuation
• Aufmerksamkeit, oft im 24-Rhythmus, quantitative oder qualitative Bewusstseinsänderung
§ Visuelle Halluzinationen
• Umschrieben, lebendig, stereotyp, nicht ängstigend, leise, Hintergrund/Dämmerlicht
§ Parkinsonismus
• Teilweise auch ohne Parkinsonismus

Clinical Neurology, Scadding and Losseff, 4th edition, Hodder Arnold 63


Diagnostik
„ MRT: globale Atrophie oder normal

McKeith et al. Neurology 2017 64


Diagnostik
„ SPECT:
§ FP-CIT: reduzierte Dichte striataler Dopaminrezeptoren (AD vs. DLB)

McKeith et al. Neurology 2017 65


Diagnostik
„ SPECT:
§ MIBG:
sympathische
Denervierung
des Herzens

McKeith et al. Neurology 2017 66


Diagnostik

„ FDG-PET: globale Reduktion, oft mit posteriorem Schwerpunkt

„ Liquor: häufig begleitende AD-Pathologie (40-50%)

McKeith et al. Neurology 2017 67


Behandlung

„ Motorisch Symptome
§ Levodopa CAVE: psychotische Symptome, kognitive Verschlechterung
§ Agonisten sollten vermieden werden
„ Kognitive Störung
§ Cholinesteraseinhibitoren off-label, außer Rivastigmin-Kapsel bei PDD
• Vergleichsweise besseres Ansprechen als bei AD
§ Memantine off-label
„ Psychische Störung, Verhaltensauffälligkeiten
§ Quetiapin, Clozapin
§ CAVE: vermeide andere Neuroleptika (lebensbedrohlich Rigor & Akinese)

Clinical Neurology, Scadding and Losseff, 4th edition, Hodder Arnold 68


Vaskuläre Demenz (VaD)
„ Keine Erkrankung und kein Syndrom; Oberbegriff

„ Vaskuläre Erkrankungen für sich wichtige Ursache von Demenzen

„ Vaskuläre Komorbidität trägt zur Ausprägung der Alzheimererkrankung bei

„ Prävalenz: 5-10% der Erwachsenen älter als 65 Jahre

„ Dementielles Defektsyndrom vs. kontinuierliche Verschlechterung

„ Rückgang der Demenz-Inzidenz durch bessere vaskuläre Prävention?

Dichgans et al. DGN 2017 69


Vaskuläre Demenz (VaD) und Vaskuläre Kognitive Beeinträchtigung (VCI)

Criterion AHA-ASA (2011)


Diagnosis of dementia ≥ 2 cognitive domains that
affect daily living
Cognitive domains assessed Executive/attention, memory,
language, visuospatial
function
Memory deficit required No
Diagnostic categories / Probable, possible VaD
certainty
Temporal relationship Yes (probable), No (possible)
between vascular event and
cognitive deficits
Radiologic evidence of Yes (probable), No (possible)
vascular disease
Co-existent neuro- No (probable), Yes (possible)
degenerative diseases
Exclusions Delirium, active drug / alcohol
abuse

Dichgans et al. S1-Leitlinie Vaskuläre Demenzen. DGN 2017; Goerlick et al. Stroke 2011 70
Klassifikation

„ Multiple Infarkte

„ Strategische Infarkte

„ Marklagerläsionen und
Lakunen
(„subkortikale ischämische VaD“)

„ Hirnblutungen

„ Seltene Ursachen
Dichgans & Leys Circ. Res. 2017 71
of these MRI- intensity as cerebrospinal fluid on both CT and MRI
actors, and their (figure 1). The sensitivity to detect infarcts is better for MRI
n and associated compared with CT because of the improvements in MRI
brain infarcts, techniques with stronger field magnets, thinner slices, and
ed as benign different pulse sequences. This greater sensitivity is
reaterMultiple
attention und strategische
particularly true for smallInfarkte
lesions located in the basal
erious effects of
A B

ber 2006 were


Med with the
“silent cerebral
s”, and “silent
populations and
bMed searches
searched in the
ns for further
s. We restricted
studies and did
es. We excluded
nal articles, they
ts separately, or Figure
Bild: Universitätsklinik Ulm1:und
T1-weighted MRI
Smith et al. showing
Lancet silent2012
Neurol. brain infarcts 72

A silent cortical infarct in the left temporo–occipital lobe (A). A silent lacunar infarct in the right thalamus (B).

611
ning Test; BNT, Boston Naming Test; CDT, Clock-Drawing Test; CVFT, Category Verbal Fluency Test; MMSE, Mini-Mental
Complex Figure test; SCWT-A, -B, -C, Stroop Color and Word Test-A, -B, -C; SDMT, Symbol Digit Modalities Test. aThe P-
oking ratio in the two groups was obtained using a Chi-square test. Values are mean ± s.d. The comparisons of
two groups were performed with independent two-sample t-tests. Po0.05 was considered significant.

Subkortikale Ischämische VaD


„ Sporadisch ehemals: „Subkortikale
arteriosklerotische Enzephalopathie“ (SAE)
„ Charakteristisches klinisches Bild neben
Vergesslichkeit:
§ Verlangsamung, Konzentrations-
Aufmerksamkeitsstörung
§ Antriebsstörung bis hin zur Apathie
§ Rasche geistige und körperliche
Erschöpfbarkeit
„ „Morbus Binswanger“, zusätzlich:
§ Gangstörung (frontale Gangapraxie)
§ Miktionsstörung (imperativer Harndrang)
§ Schlaganfallsymptome (minor strokes)
§ Pseudobulbärparese (Dysarthrie, Dysphagie)
§ Disinhibiertes Lachen und Weinen
„ Hereditär:
§ CADASIL (Notch3-Mutation)
§ CARASIL (HTRA1-Mutation)

ion Dichgans
of the DTI-based
et al. DGN structural
2017; Tangbrain network.
et al. JCBFM (A)Bild:
2015; White matter fibers reconstructed
Universitätsklinikum Würzburg by deterministic
73
AAL mask in the DTI native space. Each color represents a node of the DTI brain network. (C) The binary
sional representation of the anatomic brain network. AAL, automated anatomic labeling; DTI, diffusion
Hirnblutungen und Cerebrale Amyloidangiopathie

Bild: Universitätsklinikum Würzburg 74


Gemischte Demenz

VaD
Mikroangiopathie

20-50%!
Weitere Pathologien, z.B.
Hippocampussklerose,
TDP-43, ⍺-Synuclein?
AD
Temporallappenatrophie

Bild: Universitätsklinikum Ulm 75


Diagnostik - MoCA

„ Bildgebung: MRT
„ Gefäßdarstellung: Duplex, aber
auch MR-TOF oder CT-A
„ Labor in Analogie zum
Schlaganfall
„ Ggf. Liquor z.A. DDs
§ Unklar: L-Albuminquotient
§ Unklar: Neurofilamente
„ Ggf. Genetische Testung

http://mocatest.org; Dichgans et al. DGN 2017 76


Therapie

„ Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren & Sekundärprophylaxe


entsprechend der gültigen fachspezifischen Leitlinien

„ Cholinesteraseinhibitoren
§ bei gemischter Demenz wie bei AD
§ Experten empfehlen Donepezil bei VaD

„ Vermeide zentral anticholinerge Medikamente insb. Psychopharmaka


§ Depression: SSRI, SSNRI
§ Psychotische Symptome: Risperidon oder Quetiapin
§ Schlaf: Melperon, Dipiperon
Dichgans et al. DGN 2017 77
Andere Neurokognitive Störungen:

„ Parkinson-Demenz (s. DLB)


„ Chorea Huntington, PSP, MSA, CBD, teilweise SCA

„ Subduralhämatom (SDH)
„ Normaldruckhydrocephalus (NPH)

„ Creutzfeld-Jakob-Erkrankung (CJD)
„ HIV
„ Long Covid

78
Subduralhämatom (SDH)

„ Chronisches SDH
„ (Bagatell)Trauma, Alkohol,
Antithrombotische Therapie
„ Blutung aus kortikalen Venen
„ Häufig Kopfschmerz und
psychische Veränderung,
seltener epileptische Anfälle
„ Bohrlochtrepanation oder
Kraniotomie
„ Prognose gut (bis 90%)

Bild: Universitätsklinikum Würzburg 79


Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD)
„ Prion-Erkrankung (Spongiforme Enzephalopatie)
„ Mutation im Prion-Protein
„ 85% sporadisch, 15% autosomal dominant
„ Variante (vCJD): BSE
„ Klinisch: rasch progrediente Demenz plus
§ Myoklonien
§ visuelle oder cerebelläre Störung
§ pyramidale oder extrapyramidale Zeichen
§ akinetischer Mutismus
„ Überleben 3-6 Monate
„ EEG: 0,5-2/sec triphasische Wellen, Myoklonien
„ MRT: symmetrische Signalanhebung Stammganglien,
Striatum und Kortex, DWI > FLAIR
„ CSF: Tau +++, 14-3-3 positiv, PRNP-Analyse
„ Biopsie: Tonsillenbiopsie (vCJD)

Clinical Neurology, Scadding and Losseff, 4th edition, Hodder Arnold


Bild: Universitätsklinikum Ulm und http://cjd-goettingen.de/diagnostik/eeg/ 80
HIV
„ Dank cART seltener und milder
„ Korrelation mit CD4+ Zahlen
„ Multifokale Riesenzellenzephalitis
„ „Frascati“-Kriterien
„ Subkortikales Demenzprofil
„ Flächige subkortikale Läsionen
„ Entzündlicher Liquor + HIV-Last+
HIV-spezifische IgG-Produktion
„ 10% Viral-Escape-Phänomen
„ Resistenztestung
„ cART, Ggf. Memantine

Maschke. Neurologie up2date 2020 81


IMPP
Fragen 3 Fragen 4
Bei einem 45-jährigen Mann ist seit mehreren Jahren eine HIV-Infektion bekannt. Eine 76-jährige Patientin aus einem Seniorenheim wird von einer sie
Er nimmt seine antiretrovirale Medikation nicht regelmäßig ein. Jetzt stellt er sich versorgenden Altenpflegerin in die Ambulanz einer psychiatrischen Klinik
bei seinem Hausarzt vor, da er unter zunehmender Vergesslichkeit leidet; dabei gebracht. Die Altenpflegerin berichtet, dass die alte Dame seit 1−2 Tagen
ist vor allem das Kurzzeitgedächtnis betroffen. Des Weiteren beeinträchtigt ihn zunehmend unverständliches und „wirres Zeug“ rede, reizbar und sehr unruhig
eine zunehmende depressive Stimmungslage, die sich innerhalb 1 Jahres sei. Sie habe ihre Familienangehörigen mit falschen Namen angesprochen, und
kontinuierlich verstärkt hat. Die körperliche Untersuchung zeigt keine seit heute Vormittag rede sie so durcheinander, dass man sich mit ihr gar nicht
Auffälligkeiten, mit Ausnahme eines erhöhten arteriellen Blutdruckes, der seit mehr verständigen könne. Außerdem habe sie herumgeschrien und die anderen
einigen Jahren besteht. Bei der neurologischen Untersuchung lassen sich keine Senioren beschuldigt, dass diese sie bestohlen hätten. Bei der Untersuchung ist
fokalen Defizite erkennen, auch Seh- und Sprachstörungen werden vom die Patientin zeitlich, örtlich und situativ desorientiert. Sie spricht
Patienten verneint. unzusammenhängend. Es fallen eine deutliche psychomotorische Unruhe und
eine Affektlabilität mit wechselndem Schimpfen und Lachen auf.
„ An welche der genannten Ursachen dieser Veränderungen muss am
ehesten gedacht werden? Welche Diagnose ist in erster Linie anzunehmen?

82
Long Covid
„ Neurokognitive Störungen bei bis zu 40%
„ 12% Neudiagnosen
„ Pathogenese nicht ausreichend verstanden
§ Möglicherweise Mikrogliaaktivierung?
§ Mikorinfarkte?

„ Studie Freiburg 2021:


§ 29/41 hospitalisierten Patienten (70%)
§ MoCA mean 21.8/30
§ Memory & executive function
§ PET: fronto-parietaler Hypometabolismus (R2 0.62)
§ MRT hingegen nur gering auffällig

„ Häufig auch Angst, Depression und Fatigue

„ Therapie?

Hosp et al. Brain 2021 83


Delir (nicht Alkoholentzugsdelir!)

„ Akute Funktionsstörung des Gehirns


§ Kernsymptom Störung von Aufmerksamkeit und Bewusstsein
§ Fluktuation im Tagesverlauf
§ Weitere Symptome
• Gedächtnisstörung und Desorientierung
• Aufmerksamkeitsstörung und inkohärentes Denken
• Verkennung der Umwelt
• Teils wahnhafte inhaltliche Denkstörung und optische Wahrnehmungsstörungen
• Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus, teils vegetative Störung
§ Prinzipiell reversibel

Geschke InFo Neurologie + Psychiatrie 2020 84


Delir vs. Demenz

Geschke InFo Neurologie + Psychiatrie 2020 85


Formen des Delirs

Geschke InFo Neurologie + Psychiatrie 2020 86


Epidemiologie
„ Prävalenz:
§ Deutschland 2017: 46.580 vs. 2007: 33.282
§ Vermeintlich hohe Dunkelziffer aufgrund hypoaktiver Verläufe
„ Inzidenz bei über 65-jährigen:
§ 29-49% aller internistischer Patienten
§ 28-68% aller chirurgischer Patienten
§ 74% der Patienten mit Demenz
§ 26-100% auf Intensivstationen
„ Ursache:
§ Ungeklärt, Neurotransmitterstörung Schlüsselrolle
§ Prädisposition: Alter & Demenz, nicht modifizierbar
§ Auslösende Faktoren: Krankenhausbehandlung, modifizierbar!

Geschke InFo Neurologie + Psychiatrie 2020 87


Vulnerabilitäts-Stress-Modell

Geschke InFo Neurologie + Psychiatrie 2020 88


Iatrogene Verursachung

Machke Neurologie up2date 2021 89


Folgen

„ Unbehandelt hohe Morbidität und Mortalität (50% innerhalb 1 Jahr)

„ Zudem Komplikationen wie Infektionen, Stürze, Dekubitus, etc.

„ Gesteigerte Pflegebedürftigkeit

„ Erhöhung der Gesundheitskosten

Geschke InFo Neurologie + Psychiatrie 2020 90


Prävention

„ Delirprävention
§ HELP: Mehrkomponentenintervention, Delir -44%
• Alle Maßnahmen der nicht-medikamentösen Delirbehandlung
• Wissen um delirauslösende Faktoren
• Frühzeitige Einbindung von Angehörigen zur schnelleren Reorientierung
• Keine routinemäßige medikamentöse Delirprävention
• Operation:
- Möglichst kurze Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz
- Möglichst schonende OP-Verfahren
- Möglichst keine Prämedikation
- Narkosetiefe möglichst niedrig, wenn möglich Teilnarkose
- Differenziertes Wärmemanagement
- Bereits vor OP Umsetzung eines professionellen Schmerzmanagements

Geschke InFo Neurologie + Psychiatrie 2020 91


Screening

„ MMST
„ 3-Wörter-
Uhrentest
„ Delir
bekannt?
„ Rechtliche
Situation?

www.icudelirium/delirium/training-pages/German.pdf 92
Therapie

„ Multiprofessionell
„ Auslöser, z.B. Harnwegsinfekt, Hyponatriämie, Medikamente etc.
„ Nicht-medikamentöse, re-orientierende Maßnahmen wie o.g.
„ Bauliche und pflegerische Herausforderung
„ Medikamente symptomatisch als ultima ratio
„ Möglichst niedrige Dosierung, möglichst kurze Anwendung
„ Tägliche/übertägige Reduktion um 50% mit Abklingen des Delirs
§ Hyperaktiv: Risperidon 0,5– 0 – 0,5 mg (max. 2mg/d)
§ Schlafstörung/Unruhe: Melperon 0 – 0 – 25 – 50 mg oder 25 – 0 – 50 mg
§ Parkinson: Quetiapin 25 – 0 – 25 – 50 mg (max. 150 mg/d)

93
IMPP
Fragen 3
„ Eine 76-jährige Patientin aus einem Seniorenheim wird von einer sie
versorgenden Altenpflegerin in die Ambulanz einer psychiatrischen Klinik
gebracht. Die Altenpflegerin berichtet, dass die alte Dame seit 1−2 Tagen
zunehmend unverständliches und „wirres Zeug“ rede, reizbar und sehr
unruhig sei. Sie habe ihre Familienangehörigen mit falschen Namen
angesprochen, und seit heute Vormittag rede sie so durcheinander, dass
man sich mit ihr gar nicht mehr verständigen könne. Außerdem habe sie
herumgeschrien und die anderen Senioren beschuldigt, dass diese sie
bestohlen hätten. Bei der Untersuchung ist die Patientin zeitlich, örtlich und
situativ desorientiert. Sie spricht unzusammenhängend. Es fallen eine
deutliche psychomotorische Unruhe und eine Affektlabilität mit
wechselndem Schimpfen und Lachen auf.

„ Welche Diagnose ist in erster Linie anzunehmen?

94
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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