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Prof. Dr. med.

Karl Georg Häusler

Zerebrovaskuläre Erkrankungen I & II

Hauptvorlesung Neurologie, Universitätsklinikum Würzburg, 12.11. & 14.11.2019


Vaskuläre Neurologie

• Teilgebiet der Neurologie


• Schlaganfall, vaskuläre Demenz, Gefäßpathologien …
• Interdisziplinäre & transsektorale Versorgung
• „Vaskuläre Neurologie“ - rasche Entwicklung nach 1980
• Etablierung von Stroke Units seit 1994
• Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (gegründet 2002)
• Schlaganfallversorgung gemäß DRG seit 2005
• Zertifizierung Neurovaskulärer Netzwerke seit 2017
Hermann, Steiner, Diener (Hrsg.) Vaskuläre Neurologie, Thieme Verlag Stuttgart 2010; Busse et al., Nervenarzt 2013
Vaskuläre Neurologie

Vaskuläre Anatomie Kardiovaskuläre Intervent.


& Physiologie Risikofaktoren Medizin

Pathophysiologische Komplikationen &


Diagnostik
Veränderungen Folgeerkrankungen

Spezielle Symptome Multimodale


Krankheitsbilder & Syndrome Prävention

Spezifische Therapie
Diagnostik Rehabilitation
Allgemeine Therapie
Schlaganfall - Epidemiologie

• Ca. 266.000 Schlaganfälle pro Jahr in Deutschland


• ~ 85% aller Schlaganfälle durch Ischämie bedingt
• Ätiologie der zerebralen Ischämie gemäß TOAST:
• Makroangiopathie ~25 %
• Mikroangiopathie ~25 %
• Kardiale Embolie ~20 %
• Seltene Ursachen ~ 5 %
• „Kryptogen“ ~25 %
• ~ 10% aller Schlaganfälle: intrazerebrale Blutung

• ~ 5% aller Schlaganfälle: subarachnoidale Blutung


Heuschmann et al., Akt. Neurol. 2010; Adams et al., Stroke 1993; Hart et al., Lancet Neurol. 2014
Schlaganfall - Bildgebung

Zerebrales MRT ist der diagnostische Goldstandard


• Sicherer Nachweis einer intrazerebralen Blutung
• Nachweis einer Ischämie bereits nach wenigen Minuten
• Darstellung intrakranieller Gefäße auch ohne Kontrastmittel
• Darstellung extrakranieller Gefäße mit Kontrastmittel
• „DWI-Perfusion mismatch“ für klinisches Benefit nach
(mechanischer) Rekanalisation relevant
• „DWI-FLAIR mismatch“ für Wake-up Stroke relevant
• Für seltene Schlaganfallursachen relevant (Vaskulitis, Dissektion)

Hermann, Steiner, Diener (Hrsg.) Vaskuläre Neurologie, Thieme Verlag Stuttgart 2010; Albers et al. NEJM 2017; Thomalla et al., NEJM 2018
Schlaganfall - Bildgebung

Zerebrales CT
• Sicherer Nachweis einer intrazerebralen Blutung
• Bildgebung der Wahl bei Verdacht auf eine akute
subarachnoidale Blutung (SAB)
• Kein sicherer Nachweis einer zerebralen Ischämie innerhalb
der ersten Stunden nach Symptombeginn im Nativ-CT
• Darstellung intra- und extrakranieller Gefäße sowie des
Aortenbogens mit Kontrastmittel in hoher Auflösung
• „Perfusion mismatch“ für Benefit einer Rekanalisation relevant

Hermann, Steiner, Diener (Hrsg.) Vaskuläre Neurologie, Thieme Verlag Stuttgart 2010; Nogueira et al., NEJM 2018
Ischämischer Schlaganfall - Pathophysiologie

Dirnagl, Ann NY Acad Sci 2012; Abbildung: Prof. Dr. U. Dirnagl, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Schlaganfall - Aphasie

Aphasie-Typ Sprechen Verstehen Nachsprechen Benennen

Globale nicht flüssig schlecht schlecht schlecht


Broca (motor.) nicht flüssig gut schlecht schlecht
Wernicke (sens.) flüssig schlecht schlecht schlecht
Leitungs oft flüssig gut schlecht schlecht
Amnestische flüssig gut gut schlecht
Subkortikale nicht flüssig meist gut oft gut schlecht
Transkortikal
Gemischt nicht flüssig schlecht gut schlecht
Motorisch nicht flüssig gut gut schlecht
Sensorisch flüssig schlecht gut schlecht
Schlaganfall - Apraxie

Gestörte Durchführung erlernter Handlungsabläufe bei erhaltener


Kraft und Koordination

Ideomotorische Unfähigkeit zu gezielten Bewegungen


Apraxie Bukkofaziale Apraxie (Augen getrennt
schließen, Nase rümpfen, …)
Apraxie der Arme (Winken, Klavierspielen…)
Apraxie der Beine (Fuß abstreifen...)
Ideatorische Unfähigkeit zu logischen Abläufen. Richtige
Apraxie Handlung in der falschen Situation oder am
falschen Objekt (z.B. Zahnpasta wird auf den
Finger ausgetragen)
Schlaganfall - Neglect

Nichtbeachtung bzw. Vernachlässigung einer Körper- oder


Raumhälfte

Visueller z.B. vorgezeichnete Strecken halbieren,


Neglect einfache geometrische Figuren zeichnen,
vorgelegte Bilder beschreiben lassen
Auslösch- Sensibel: z.B. simultane Berührung
phänomene Visuell: simultane Fingerbewegungen im GF

Akustisch: z.B. Fingerreiben vor beiden Ohren


Motorisch: z.B. Armvorhalteversuch bds.

Cave: Abgrenzung Hemianopsie und (senso-)motorische Hemiparese


Schlaganfall - Agnosie

Störung des Erkennens trotz intakter Funktion der Sinnesorgane

Optisch-räumliche Räumliche Beziehung von


Agnosie Gegenständen
Objekt- & personen- Prosopagnosie
bezogene Agnosie (physiognomonische Agnosie)
Farbagnosie Störung der Farberkennung &
Farbvorstellung
Schriftzeichen-Agnosie reine Alexie
Taktile Agnosie Astereognosie
Störung des Autotop-Agnosie
Körperschemas
Ischämischer Schlaganfall - Defizit gemäß Lokalisation

Arteria cerebri media Arteria cerebri anterior

• Sensible und motorische • Beinbetonte,


armbetonte überwiegend motorische
Halbseitensymptomatik Hemisymptomatik
• oft Blickwendung zur (Halbseitenlähmung)
betroffenen Seite • neuropsychologische
• neuropsychologische Ausfälle Ausfälle:
– dominante Hemisphäre: Antriebslosigkeit,
Aphasie Lidheberapraxie
– Nicht-dominante Hemisphäre: • Inkontinenz (frontales
Apraxie, Neglect, Anosognosie Blasenzentrum)
• Gesichtsfeldausfälle möglich • Frontalhirnsyndrom bei
• Schläfrigkeit beidseitigem Verschluss
Ischämischer Schlaganfall - Defizit gemäß Lokalisation

Arteria cerebri posterior A. choroidea anterior


• (Fluktuierende) senso-
• Sehvermögen: motorische Hemiparese
– Hemianopsie, bei bilateralem • Dysphagie & Dysarthrie
Ausfall cortikale Blindheit
– selten visuelle Halluzinationen A. vertebralis
• Neuropsychologische
Symptome: • Schwindel, Nystagmus,…,
– Alexie, Agraphie bei Läsion der Ataxie, Hirnnervenausfälle
dominanten Hemisphäre
– amnestische Aphasie
A. basilaris
– Anomie für Farben • Hemi-/Tetraparese,…,
– visuelle Agnosie Hirnnervenläsionen
• evtl. Gedächtnisstörungen • Vigilanz-, Atemstörung
Ursachen eines ischämischen Schlaganfalls

Herzrhythmusstörungen
Herzinsuffizienz
Arterielle Hypertonie
Alter
Fettstoffwechselstörung
Geschlecht Diabetes mellitus
Genetische Disposition Nikotinkonsum
Ethnische Zugehörigkeit Alkoholkonsum
Infektionen
Ungesunder Lebensstil
Hermann, Steiner, Diener (Hrsg.) Vaskuläre Neurologie, Thieme Verlag Stuttgart 2010
Ursachen eines ischämischen Schlaganfalls

Makroangiopathie ~ 20-25 % „Seltene“ Ursache ~ 5-10 %


arterio-arterielle Embolie Dissektion hirnversorgende Gefäße
in situ-Thrombose Antiphospholipid-Antikörper Syndrom
hämodynamisch bei höhergradiger
Vaskulitis mit zerebraler Beteiligung
Stenose der hirnversorgenden Gefäße
Morbus Fabry
Mikroangiopathie ~ 20 % CADASIL, MELAS
Mikroatherome, Lipohyalinose Drogenkonsum (Heroin, Kokain)

Kardiale Embolie ~ 20-25 %


„kryptogen“ ~ 25 %
Vorhofflimmern, Vorhofflattern
Embolic stroke of undetermined source
Herzinsuffizienz
Peristierendes Foramen ovale Insuffiziente Diagnostik

Endokarditis Konkurrierende Ätiologien

Adams et al. Stroke 1993; Hart et al., Lancet Neurology 2014; Hermann, Steiner, Diener (Hrsg.) Vaskuläre Neurologie, Thieme Verlag Stuttgart 2010
Sekundärprävention nach ischämischem Schlaganfall

Evidenzniveau A

• TEA bei symptomatischer Karotisstenose


• Thrombozytenfunktionshemmung (bei fehlendem Hinweis für
ein paroxsymales, persistierendes oder permanentes Vorhofflimmern)

• Cholesterinsenkung
• Blutdrucksenkung (unter Vermeidung hypotensiver Werte)
• Antikoagulation bei Vorhofflimmern
• Interventioneller Verschluss eines persitierenden
Foramen ovale (nach kryptogenem Schlaganfall bei 18-60 jährigen
Patienten mit zumindest moderatem Shunt-Volumen auf Vorhofebene)

AWMF-Leitlinie 2015 & Hankey, Lancet 2017; Diener et al., Aktuelle Neurologie 2018
Intrazerebrale Blutung

Ursachen Therapie
• Alter • Aufnahme auf eine
• Genetische Disposition Überwachungsstation
• Ethnische Zugehörigkeit • Antihypertensive Therapie
• Arterielle Hypertonie • Substitution von
• Diabetes mellitus Gerinnungsfaktoren bzw.
• Ischämischer Schlaganfall Antagonisierung bei
• Gefäßfehlbildungen Antikoagulation
• Alkoholabusus • Operative Therapie gemäß
• (Sympathomimetische) Drogen Einzelfallentscheidung bei
• Gerinnungshemmer relevanter Raumforderung
• Koagulopathien • Ventrikeldrainage bei
• Traumata Liquoraufstau
Hermann, Steiner, Diener (Hrsg.) Vaskuläre Neurologie, Thieme Verlag Stuttgart 2010
Subarachnoidale Blutung (SAB)

Ursachen Therapie bei SAB


• Aneurysmaruptur (Art. • Interventionelle oder
Hypertonie, Nikotin-, Alkoholabusus) operative Therapie bei
• Trauma Aneurysmaruptur
• Gefäßfehlbildung • Ventrikeldrainage bei
Liquoraufstau
Asymptomatisches • Aufnahme auf eine
Aneurysma - Therapie Überwachungsstation
• Interventionelle oder operative • Antihypertensive Therapie
Therapie bei hohem Blutungsrisiko
• Substitution/Antagonisierung
gemäß Größe/Lokalisation des A.
• Antihypertensive Therapie bei Antikoagulation
• Nikotinverzicht • Prophylaxe/Therapie eines
• Verlaufsbeurteilung (MRT) Vasospasmus
Hermann, Steiner, Diener (Hrsg.) Vaskuläre Neurologie, Thieme Verlag Stuttgart 2010
Kardiale Komplikationen nach Schlaganfall

Zerebrale SAB ICB


Ischämie
Herzrhythmusstörungen 8 - 25 % 4 - 30 %
Herzinsuffizienz 13 - 29 % 3 - 26 %
Hypertensive Entgleisung 7,5 - 15 % ~40 % 15 - 20 %
Myokardinfarkt 0,5 - 3,6 % 0,4 - 2 %
Troponin-Erhöhung 5 - 34 % 20 - 86 %
Repolarisationsstörung 15 - 40 % 40 - 80 % 60 - 70 %
Takotsubo-Kardiomyopathie 1,3 % (4,5%) 1,2 %

Häusler et al. Thieme Verlag 2015

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