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des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,
Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek-
tronischen Systemen.
ISBN-13: 978-3-437-24170-3
ISBN-10: 3-437-24170-2
1.1 Anamnese
Die Anamnese soll Antworten auf folgende Fragen geben:
앫 Beschwerden und Strukturen: Können die geklagten Beschwer-
1 den Strukturen des Nervensystems zugeordnet werden?
앫 Verlauf und Ätiologie: Lässt die Verlaufsdynamik des Krank-
heitsprozesses eine ätiologische Eingrenzung zu?
앫 Psyche: Bestehen psychische Auffälligkeiten?
Tab. 1: Fortsetzung
Befund Interpretation
Gangstörungen 1
Schwäche beim Treppensteigen proximale Beinparese
vegetative Störungen
Harnretention mechanische Störung,
reflektorische Störung,
periphere Nervenläsion
Harn- und Stuhlinkontinenz spinale Läsion, evtl. zerebrale
Störung
Schweißsekretionsstörung Sympathikusläsion
Sehstörungen
akute monokuläre Sehstörung Optikusläsion, TIA
akute beidseitige Sehstörung okzipitale Läsion, beidseitige
Optikusläsion
einseitige Gesichtsfeldstörung postchiasmatische Sehbahnläsion
(vermehrtes Anstoßen an einer
Seite?)
visuelle Spontanwahrnehmungen okzipitales Reizphänomen,
Migräne (z. B. „helle Punkte“)
Hörstörungen
einseitige Hörstörung mit periphere Störung
Drehschwindel
einseitige Hörstörung mit Kleinhirnbrückenwinkelprozess
Gesichtsmissempfindungen,
evtl. Gesichtslähmung
Schwindel
Drehschwindel bei Übelkeit Vestibularisstörung
Schwankschwindel Hirnstammläsion
4 Neurologische Untersuchung
Tab. 1: Fortsetzung
Befund Interpretation
1 Doppelbilder
nebeneinanderstehende Abduzenslähmung
Doppelbilder
schräg zueinander stehende Okulomotoriusschädigung
Doppelbilder
rhythmisch bewegte Doppelbilder Nystagmus
Bewusstseinsstörungen – Begleitsymptome
Zungenbiss, Urinabgang, nach- epileptischer Anfall
folgende Müdigkeit, Muskelkater
Aura fokaler Anfall
Hinstürzen, Cyanose epileptischer Anfall
Zusammensacken, Blässe Kollaps
auffälliges Verhalten Dämmerzustand bei Anfallsleiden,
Basilarisdurchblutungsstörungen,
(Migräne)
Kopfschmerzen – Begleitsymptome
Nackensteifigkeit Meningitis, Subarachnoidal-
blutung
Bewusstseinstrübung zerebrale Raumforderung,
Enzephalitis, Intoxikation
Erbrechen zerebrale Raumforderung,
Migräne
Augentränen (ipsilateral) Cluster- Kopfschmerz
hohes Alter, hohe Senkung Arteriitis cranialis
1.1 Anamnese 5
1.1.3 Psyche
Psychische Auffälligkeiten können zwar einerseits den inhaltlichen
Wert anamnestischer Angaben einschränken, andererseits kann
durch ihre Analyse die Annahme einer Hirn(mit)erkrankung ge-
stützt werden.
Neben mangelnder Kontaktbereitschaft von Patienten leicht fest-
stellbar sind Störungen von Bewusstsein, Orientierung, Konzentra-
tion und Gedächtnis.
6 Neurologische Untersuchung
Kurztest
1. Frage Welches Jahr haben wir?
2. Frage Welcher Monat ist jetzt?
1 3. Frage
4. Aufforderung
Wo sind wir hier?
Merken Sie sich bitte folgende Adresse:
Johann Braun, Marktstraße 42, Frankfurt!
5. Frage Wie viel Uhr ist es?
6. Aufforderung Zählen Sie rückwärts von 20 bis 1!
7. Aufforderung Nenne Sie die Monate rückwärts!
8. Frage Wie war die Adresse?
Interpretation
Die Beantwortung des Tests beweist ein erhaltenes Bewusstsein.
1, 2, 3 und 5 prüfen die Orientierung.
Die Zeitangabe (5; ohne Blick auf die Uhr!) darf nicht mehr als 1 Stunde dif-
ferieren.
6 und 7 prüfen die Konzentration.
4 und 8 prüfen das Gedächtnis.
Störungen in allen 3 Bereichen beweisen ein dementielles Syndrom.
1.2 Hirnnerven
In der topischen Zuordnung von Hirnstammläsionen ist die kli-
nische Diagnostik den heute verfügbaren technischen Untersu-
chungsmethoden noch weitgehend überlegen.
1
1.2.1 Nervus olfactorius (I)
Prüfung
Aromatische Geruchsstoffe (Vanille, Zimt, Kaffee) erkennen lassen.
Gibt der Patient an, nichts zu riechen, Trigeminusreizstoffe (Am-
moniak, Essigsäure) anbieten.
Interpretation
앫 Wird auf alle Stoffe keine Geruchsempfindung angegeben, liegt
der Verdacht auf Simulation nahe, da N. olfactorius und N. tri-
geminus fast nie gemeinsam geschädigt werden.
앫 Anosmie kommt z. B. bei frontalen Hirntumoren, frontobasalen
Kontusionen und Gesichtsschädelfrakturen vor; deshalb soll bei
jedem Schädeltrauma der Geruchssinn geprüft werden.
Abb. 1: Gesichtsfeldprüfung
Prüfung
Bulbusstellung zuerst in Ruhe, danach bei Bewegungen in Zug-
richtung der einzelnen Augenmuskeln prüfen. Dazu soll ein vom
Untersucher in der Horizontalen und schräg nach oben und unten
jeweils temporal und nasal bewegter Gegenstand (Finger, Lampe)
vom Patienten mit den Augen verfolgt werden.
Bei dieser Untersuchung auch auf Nystagmus (s. u.) achten!
10 Neurologische Untersuchung
Interpretation
앫 Ruhestellung: Weicht ein Auge ab?
– Nach innen: Abduzensschädigung
– Nach nasal oben: Trochlearisschädigung, dabei häufig kom-
pensatorische Schiefstellung des Kopfes zur gesunden Seite
– Nach temporal unten: Okulomotoriusschädigung, dabei häu-
fig Ptose und Pupillenerweiterung (s. u.)
앫 Bestehen Doppelbilder?
– Stehen sie parallel zueinander? Hinweis auf Abduzensparese
– Stehen sie schräg zueinander? Hinweis auf Okulomotorius-
oder Trochlearisparese (selten)
앫 In welcher Blickrichtung sind die Doppelbilder am weitesten
voneinander entfernt? Das entspricht der Zugrichtung des ge-
lähmten Muskels. Beispiel: Abduzensparese links (siehe Abb. 4).
1.2 Hirnnerven 11
Abb. 4: Schema einer Abduzensparese links. Beim Blick nach links wird das
Bild im paretischen Auge auf den nasalen Anteil der Retina abgebildet; es
erscheint demnach ins temporale Gesichtsfeld projiziert.
Pupillenmotilität
Die Pupillengröße prüfen und ihre Reaktion auf Belichtung und
Konvergenz testen.
Tab. 3: Fortsetzung
Prüfung Interpretation
1 Inspektion (auffällige
Pupillengröße und/oder
• Länger bestehende Pupillendifferenzen
(Anamnese, Passbild) haben meist keine
Seitendifferenzen?) pathologische Bedeutung
• Ein Horner-Syndrom kann Ausdruck einer
zentralen oder peripheren (Lungenspit-
zentumor) Sympathikusschädigung sein
Inspektion • Entrundete Pupillen sind meist durch
(Formanomalien?) Erkrankungen der Regenbogenhaut
bedingt
• Selten können sie auch Symptom einer
Neurolues sein
Jedes Auge einzeln be- • Die Lichtreaktion läuft über den N. opti-
lichten; die Reaktionen cus bis zum Corpus geniculatum laterale,
beider Pupillen dabei weiter zum Mittelhirn, von dort über die
beobachten Nn. oculomotorii zu beiden Pupillen
• Ein Ausfall der indirekten Lichtreaktion
spricht demnach für eine Okulomotorius-
schädigung auf der Seite des nicht
belichteten Auges
• Ein Ausfall der Lichtreaktion beider
Augen bei Beleuchtung eines Auges
spricht für eine Optikusläsion auf der
Seite des belichteten Auges
Gegenstand zum • Als Robertson-Phänomen wird eine
Gesicht des Patienten überschießende Konvergenzreaktion bei
führen. Den Patienten träger bis fehlender Lichtreaktion
auffordern, diesen bezeichnet. Diese Pupillenstörung wird
Gegenstand zu fixieren. häufig bei Neurolues beobachtet
Dabei auf eine Ver- • Unter einem Adie-Syndrom versteht man
engung der Pupillen eine meist einseitige Pupillotonie bei
achten abgeschwächten bis fehlenden Bein-
reflexen. Die Ätiologie des Syndroms ist
unklar; sicher pathologische Bedeutung
hat es nicht
1.2 Hirnnerven 13
Abb. 5: Lichtreaktion
Primäre Augenstellung
Inspektion
Beide Augen sind konstant nach einer Seite gerichtet.
Interpretation
앫 Vermehrte Aktivität der frontalen Blickzentrums führt zur
Blickrichtung nach kontralateral, z. B. beim fokalen Anfall („Der
Patient blickt vom Herd weg.“).
앫 Verminderte Aktivität des frontalen Blickzentrums führt durch
Überwiegen des kontralateralen Blickzentrums zur Blickrich-
tung nach ipsilateral, z. B. bei Hirninfarkt („Der Patient blickt
seinen Herd an.“).
앫 Vermehrte Aktivität des pontinen Blickzentrums (selten!) führt
zu einer Blickrichtung nach ipsilateral, Aktivitätsminderung be-
wirkt eine Blickrichtung nach kontralateral.
앫 Die Zuordnung zu einem kortikalen oder pontinen Herd erfolgt
unter Berücksichtigung zusätzlicher Symptome: Eine begleiten-
de periphere Fazialisparese spricht für einen ipsilateralen ponti-
nen Herd, eine zentrale faziale Parese weist am ehesten auf eine
kontralaterale Hemisphärenschädigung hin.
Blickbewegungen
Tab. 4: Fortsetzung
Prüfung Interpretation
Langsame Blickfolgebewegungen: Eine Störung der Blickfolgebewe-
Der Untersucher bewegt einen gungen: Spricht für eine okzipitale
1
Gegenstand (Pendel) langsam vor Läsion
den Augen des Patienten. Der
Patient soll nur mit den Augen
(ohne Kopfbewegung!) dem
Gegenstand folgen
Vertikale Blickbewegungen: Läsionen im Bereich der Area
Der Untersucher fordert den praetectalis des Mittelhirns
Patienten auf, nach oben und (z. B. MS, degenerative Hirn-
unten zu blicken stammerkrankung, Basilaris-
thrombose)
Diskonjugierte Blickbewegungen: Der Ausfall der Konvergenzreak-
Der Untersucher bewegt einen tion spricht für mesenzephale
Gegenstand auf das Gesicht des Läsionen (Entzündungen, Tumo-
Patienten zu. Die Augenachsen ren)
des Patienten sollen dabei kon-
vergieren
Komplexe
Blickbewegungsstörungen
• Als internukleäre Ophthalmo- • Störung im Fasciculus longi-
plegie (INO) wird eine Adduk- tudinalis medialis
tionsparese eines Auges beim
Blick zur Gegenseite bezeichnet.
Dabei tritt zusätzlich ein dis-
soziierter Nystagmus des ab-
duzierenden Auges auf. Beim
Blick nach rechts bewegt sich
also das linke Auge nicht über
die Mittellinie nach rechts,
während auf dem rechten Auge
ein Nystagmus auftritt
16 Neurologische Untersuchung
Tab. 4: Fortsetzung
Prüfung Interpretation
1 • Beim „Eineinhalb-Syndrom“
kann ein Auge weder nach links
• Läsion des pontinen Blick-
zentrums und des Fasciculus
noch nach rechts aus der Mittel- longitudinalis medialis
linie geführt werden, während
das kontralaterale Auge zwar
abduziert, aber nicht adduziert
werden kann
Sensibilität
Prüfung
Schmerz- und Berührungsreize in den peripheren Trigeminusarea-
len und Sölderschen Zonen (siehe Zeichnung) auslösen.
Interpretation
앫 Läsionen im Bereich des Nerven führen zu Sensibilitätsstörun-
gen in den peripheren Arealen.
앫 Hirnstammherde mit Beteiligung des Trigeminuskerns äußern
sich in Sensibilitätsstörungen der Sölderschen Areale.
1
앫 „Druckschmerzhafte Nervenaustrittspunkte“ weisen auf eine
periphere Irritation des Nerven (z. B. Sinusitis) hin.
Kaumuskelfunktionen
Prüfung
Den Patienten auffordern, fest auf die Zähne zu beißen; dabei
vergleichend die Muskelbäuche des Masseters und des Temporalis
betasten und auf eine einseitige Atrophie achten.
Interpretation
Das Abweichen des Unterkiefers zu einer Seite beim Mundöffnen
kann durch eine Trigeminusläsion bedingt sein, die zu einer Parese
der Mm. pterygoidei führt.
Kornealreflex
Prüfung
Mit einem Papiertupfer oder einem Wattestäbchen die Konjunkti-
va im lateralen Augenwinkel reizen: Reflexantwort ist ein Lidschlag.
Eine Konjunktivareizung reicht wegen identischer Innervation
meist aus und verringert die Gefahr von Kornealläsionen.
Reflexbahn: Die Afferenz führt über V1 zum sensiblen Trigeminus-
kern und wird in der Brücke auf den N. facialis als efferenten
Schenkel umgeschaltet.
Interpretation
Eine Abschwächung des Kornealreflexes findet sich bei Trigemi-
nus-, Hirnstamm- oder Fazialisläsionen. Sicher verwertbar sind
nur Seitendifferenzen.
Masseterreflex
Prüfung
Einen Finger quer in die Grube zwischen Unterlippe und Kinn
des Patienten legen und den Patienten auffordern, den Mund
leicht zu öffnen. Ein leichter Schlag mit dem Reflexhammer von
18 Neurologische Untersuchung
oben auf den Finger des Untersuchers löst den Reflex aus. Re-
flexantwort ist eine Kontraktion der Kaumuskeln (M. masseter,
M. temporalis).
1 Reflexbahn: Der Reflex läuft über sensible Trigeminusanteile zur
Brücke, wird auf den motorischen Trigeminuskern umgeschaltet
und erreicht über die motorischen Trigeminusfasern die Unterkie-
ferschließmuskeln.
Eine Abschwächung des Reflexes ist nicht sicher festzustellen. Als
Steigerung wird eine Kieferschlussbewegung, die zu hörbarem
Zähneklappen (cave Gebiss) führt, angesehen.
Interpretation
Eine Reflexsteigerung spricht für eine Läsion des motorischen Neu-
rons oberhalb des motorischen Trigeminuskernes und kommt zum
Beispiel bei ALS oder Pseudobulbärparalyse vor.
Interpretation
앫 Ist der Augenschluss seitengleich?
Bei peripherer Fazialisparese kann das Auge auf der Seite der
Lähmung meist nicht ganz geschlossen werden. Als Bell-Phäno-
men wird hierbei das Abweichen des Augapfels nach oben außen
bezeichnet. Zusätzlich finden sich auf der Seite der Lähmung we-
niger ausgeprägte Stirnfalten.
앫 Ist eine Nasolabialfalte verstrichen?
Die verstrichene Nasolabialfalte ist meist ein geeigneteres Sym-
ptom als der „hängende Mundwinkel“, da der Mund nicht selten
zur gesunden Seite hinübergezogen wird!
앫 Bestehen Seitendifferenzen im Lidschlag?
Bei peripherer Fazialisparese ist der Lidschlag auf der gelähmten
Seite seltener.
앫 Werden Geschmacksstörungen einer Zungenhälfte angegeben?
1.2 Hirnnerven 19
Das Symptom spricht für eine Läsion der Chorda tympani und
damit für eine periphere Fazialislähmung.
Der Stirnast des N. facialis wird von beiden Hemisphären ver-
sorgt. Bei einseitiger Hemisphärenläsion („zentraler Fazialisläh-
mung“) kommt es dennoch zu keiner wesentlichen Störung des
1
Stirnastes, wohl aber des Mundastes, der nur von der kontrala-
teralen Hemisphäre versorgt wird. (siehe Abb. 7).
Nystagmus
In den meisten Fällen kann ein Nystagmus mit der Augenmoti-
litätsprüfung festgestellt werden.
Prüfung
Dabei besonders darauf achten,
앫 ob der Nystagmus spontan oder nur bei bestimmten Blickrich-
tungen oder Körperstellungen auftritt,
앫 ob er bei Positionsänderungen des Körpers seine Richtung än-
dert und
앫 ob er erschöpflich ist.
Interpretation
앫 Für einen vestibulären Nystagmus sprechen Konstanz seiner
Richtung unabhängig von Blickrichtung und Körperstellung,
gleichzeitige Hörstörungen, Schwindel, Gleichgewichtsstörun-
gen und vegetative Störungen (Erbrechen). Die langsame Kom-
ponente weist zur Seite des geschädigten Vestibularorgans.
앫 Für einen zentralen Nystagmus sprechen das Auftreten nur in
einer Blickrichtung oder Körperstellung, Fehlen von Schwindel
und vegetativen Symptomen in den meisten Fällen, dissoziierter
Nystagmus.
앫 Unter dissoziiertem Nystagmus versteht man einen monokulären
Nystagmus oder unterschiedliche Nystagmusrichtungen beider
Augen. Der Befund spricht für eine Läsion des Fasciculus longi-
1.2 Hirnnerven 21
Interpretation
앫 Pathologisch ist das Abweichen des Gaumensegels zu einer Sei-
te. Am besten orientiert man sich an der Bewegung der Zäpf-
chenbasis (nicht der Zäpfchenspitze!).
앫 Bei einseitiger Nervenläsion wird das Gaumensegel zur gesun-
den Seite hinübergezogen.
Würgereflex
Prüfung
Der Würgereflex wird als Fremdreflex durch Reizung der Rachen-
wand ausgelöst. Die Reflexbahn läuft über die sensiblen und moto-
rischen Fasern der Nervi glossopharyngeus und vagus. Die Um-
schaltung erfolgt im kaudalen Hirnstamm.
Interpretation
Abschwächung oder Ausfall des Reflexes können bei Hirnstammlä-
sionen, bei Myopathien, aber auch bei Gesunden vorkommen.
22 Neurologische Untersuchung
Interpretation
Eine Parese beider Muskeln kann eine Läsion im Bereich der Schä-
delbasis oder eine Myopathie bedeuten; eine isolierte Trapeziuspa-
rese ist meist durch eine Nervenschädigung im seitlichen Halsdrei-
eck bedingt.
Interpretation
Faszikulieren der Zungenmuskulatur spricht für einen Vorder-
hornprozess im Bereich des Hirnstammes (z. B. Bulbärparalyse).
1.3 Motilität 23
1.3 Motilität
Motorik des Patienten bereits beim Eintreten, Setzen, Sprechen,
Auskleiden beobachten! Möglichst nicht beim Auskleiden helfen!
1
Besonders beim Ankleiden (= nach „Beendigung der Untersu-
chung“) bewegt sich der Patient meist viel spontaner als vorher!
1.3.1 Kraftprüfung
Die Kraftprüfung soll feststellen,
앫 ob Paresen bestehen
앫 ob sich die Paresen dem u. a. Muster zuordnen lassen! Sie hat das
Verteilungsmuster der Paresen aufzudecken und soll deshalb im-
mer nach einem bestimmten Schema ablaufen.
Verteilungsmuster
앫 Peripher neurogen: Muskeln, die von einem Nerven versorgt
werden, sind paretisch, (z. B. Hand- und Fingerstrecker – N. ra-
dialis)
앫 Radikulär: Muskeln, die von einer Wurzel versorgt werden, sind
paretisch, (z. B. M. biceps, M. brachioradialis – C6)
앫 Spinal: alle Muskeln beider Beine sind (spastisch) paretisch –
thorakale Läsion; die Muskeln aller Extremitäten sind (spas-
tisch) paretisch – Läsion oberhalb C5
앫 Zerebral: die Muskeln einer Körperhälfte sind paretisch
앫 Myogen: proximale („Beckengürteltyp“) oder distale Muskel-
gruppen ohne Zuordnung zu einzelnen Nerven oder Wurzeln
sind paretisch.
Vorhalteversuch
Der Patient schließt die Augen und hält seine Arme in Pronations-
stellung parallel zum Boden. Die Beine werden im Liegen in Hüfte
24 Neurologische Untersuchung
1 Kraftgrade
Zur Quantifizierung von Paresen (Verlauf!) dienen die Kraftgra-
de.
Tab. 5: Kraftgrade
Kraftgrade
0 Paralyse
1 Anspannung der Sehne ohne Bewegungseffekt
2 Bewegung unter Ausschaltung der Schwerkraft
3 Bewegung gegen die Schwerkraft
4 Bewegung gegen Widerstand
5 volle Kraft
1.3.2 Muskelfunktionsprüfungen
Folgendes Schema hat sich zur Orientierung bewährt:
Arm
M. deltoideus
Arm seitlich über 15° abduzieren lassen (bis 15° M. supraspinatus);
prüft die Funktionen von M. deltoideus, N. axillaris und C5.
M. biceps
Arm im Ellenbogengelenk beugen lassen, der Unterarm steht dabei
supiniert; prüft die Funktionen von M. biceps, N. musculocutane-
us und C6.
M. brachioradialis
Arm im Ellenbogengelenk beugen lassen, der Unterarm steht dabei
in Mittelstellung; prüft die Funktionen von M. brachioradialis,
N. radialis und C6.
1.3 Motilität 25
M. triceps
Arm im Ellenbogengelenk strecken lassen; prüft die Funktionen
von M. triceps, N. radialis und C7 (C8).
1.3 Motilität 27
1 M. triceps
Parese
M. abductor pollicis brevis Interpretation
Normale Kraft Läsion des N. radialis
Normale Kraft Parese Läsion des N. medianus
Parese Parese C8-(C7-)Schädigung
M. adductor pollicis
Ein Blatt Papier zwischen gestrecktem Daumen und Zeigefinger ge-
gen Widerstand festhalten lassen (siehe Zeichnung). Froment-Zei-
chen: Beugung des Daumenendgliedes. Prüft die Funktionen von
M. adductor pollicis, N. ulnaris und C8.
Bein
M. quadriceps femoris
Bein im Kniegelenk strecken lassen; prüft die Funktionen von
M. quadriceps, N. femoralis und L3, L4.
M. tibialis anterior
Fuß heben oder Hackengang demonstrieren lassen; prüft die
Funktionen besonders von M. tibialis anterior, N. peronaeus und
1 L4.
M. glutaeus medius
Beine im Hüftgelenk abduzieren lassen; prüft die Funktionen von
M. glutaeus medius (beidseits), Nn. glutaei superiores und L5.
1.3 Motilität 31
M. triceps surae
Fuß im Sprunggelenk beugen oder Zehengang demonstrieren las-
sen; prüft die Funktionen von M. triceps surae, N. tibialis und S1.
1
Interpretation
Eine Atrophie spricht für eine Läsion des 2. Neurons oder der Mus-
kulatur; eine Hypertrophie kann Hinweis auf eine Myopathie sein.
Tonusanomalien
1
Prüfung
Handgelenk, Ellenbogengelenk oder Kniegelenk passiv durchbewe-
gen und den Patienten auffordern, locker zu lassen. Dabei auf den
Tonus der Muskulatur achten! Um eine Hypotonie festzustellen,
einzelne Extremitäten oder Muskelgruppen schütteln.
Interpretation
앫 Eine Hypotonie entsteht durch eine Läsion des 2. Neurons, eine
Myopathie, eine zerebelläre Schädigung oder im Rahmen eines
choreatischen Syndroms.
앫 Erhöht sich bei schnellen passiven Bewegungen der Tonus,
spricht man von spastischen Tonuserhöhungen („Taschenmesser-
phänomen“). Bei spastischen Tonuserhöhungen sind meist Py-
ramidenbahnzeichen nachweisbar (siehe S. 40ff.).
앫 Ein Rigor ist ein gleichbleibender „wächserner“ Widerstand. Un-
ter einem „Zahnradphänomen“ versteht man einen Rigor, in den
ein Tremor einschlägt.
앫 Eine Myotonie ist gekennzeichnet durch eine Störung der willkür-
lichen Muskelentspannung nach Kontraktionen. Der Patient kann
z. B. eine zur Faust geschlossene Hand nicht sofort wieder öffnen.
Hyperkinesien
Prüfung
Patienten beobachten. Bestehen die Hyperkinesien in Ruhe oder in
Bewegung? Wo sind sie lokalisiert?
Interpretation
앫 Choreatische H.: unsystematische rasche, kurzdauernde distale
Bewegungen.
앫 Athetotische H.: unregelmäßige, langdauernde Bewegungen mit
übermäßiger Flexion oder Extension der Gelenke.
앫 Ballistische H.: plötzliche proximale Schleuderbewegungen.
앫 Dystone H.: tonische, mehr oder weniger lang dauernde Kon-
traktionen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen.
34 Neurologische Untersuchung
Tremores
Prüfung
Patienten beobachten. Wann besteht der Tremor? Wodurch wird er
beeinflusst? Welche Frequenz hat er?
Interpretation
앫 Ruhetremor: regelmäßiger, kontinuierlicher Tremor, der durch
Aufregung verstärkt und durch Muskelanspannung vermindert
wird, mit Frequenzen von 4–7/sec, (meist Parkinsontremor).
앫 Intentionstremor: bei Zielbewegungen deutlicher (meist zere-
bellärer Tremor).
앫 Essentieller Tremor: Ruhe- und besonders Haltetremor mit Fre-
quenzen von 4–11/sec, der familiär gehäuft auftritt.
앫 Vegetativer Tremor: feinschlägiger Tremor mit Frequenzen von
8–13/sec, der häufig zusammen mit anderen vegetativen Zei-
chen auftritt und an eine Hyperthyreose, aber auch an eine Ent-
zugssymptomatik denken lassen muss.
앫 Psychogener Tremor: unterschiedlich in Frequenz und Ausprä-
gung, meist deutliche Verstärkung bei Zuwendung.
Feinmotorik
Prüfung (s. auch 1.6 Koordination)
Hinweise auf Störungen der Feinbeweglichkeit ergeben sich oft
schon aus der Anamnese und durch Beobachtung beim An- und
Ausziehen. Rasch aufeinanderfolgende Wechselbewegungen prüfen:
1.3 Motilität 35
Interpretation
Störungen der Feinmotorik können Hinweise auf Paresen, Sensibi-
litätsstörungen oder zerebelläre Schädigungen geben. Auch ein Tre-
mor kann die Feinmotorik beeinträchtigen.
36 Neurologische Untersuchung
1.4 Reflexe
Reflexauffälligkeiten sind Reflexausfall, -abschwächung und -stei-
1 gerung! Ziel ist es, sie festzustellen und ihr Verteilungsmuster zu er-
kennen.
Muskeleigenreflexe und Fremdreflexe untersuchen und die Auslös-
barkeit pathologischer (Reflex-) Phänomene prüfen!
1.4.1 Muskeleigenreflexe
Der Reflexbogen hat einen afferenten Schenkel (Muskelspindeln
bzw. Sehnenrezeptoren – peripherer Nerv – Hinterwurzel –
Rückenmark). Dort wird der Impuls auf den efferenten Schenkel
(motorische Vorderhornzelle – Vorderwurzel – peripherer Nerv –
motorische Endplatte – Muskel) umgeschaltet. Der efferente
Schenkel des Muskeleigenreflexes entspricht dem 2. motorischen
Neuron, das seine Impulse auch von der Pyramidenbahn erhält.
Das 1. Neuron (= Pyramidenbahn) hemmt die spinale segmentale
Reflextätigkeit. Ein Ausfall der Pyramidenbahn führt zu einer spi-
nalen Enthemmung, die als Reflexsteigerung sichtbar wird.
앫 Schädigung des 1. Neurons – Reflexsteigerung
앫 Schädigung des 2. Neurons – Reflexabschwächung
Prüfung
Bei leicht gebeugtem Ellenbogen auf die Bizepssehne schlagen (sie-
he Abb. 20).
Interpretation
앫 Abschwächung: C6- oder Musculocutaneus-Schädigung.
1.4 Reflexe 37
Prüfung
In Beuge- und Pronationsstellung des Armes gegen das distale Ra-
diusdrittel schlagen (siehe Abb. 21).
Interpretation
앫 Abschwächung: C6- oder Radialisschädigung
앫 DD: Bei C6-Schädigung meist auch Parese des M. biceps brachii.
Bei Radialisschädigung evtl. Parese des M. triceps brachii, Ab-
schwächung des TR
앫 Unterschiedliches sensibles Ausfallsmuster.
Prüfung
Bei gebeugtem Ellenbogen auf die Trizepssehne schlagen (siehe
Abb. 22).
Interpretation
앫 Abschwächung: C7- oder Radialisschädigung
앫 DD: Bei C7-Schädigung auch Parese der langen Fingerbeuger II
und III (N. medianus). Bei Radialisschädigung Abschwächung
des BRR
1
앫 Unterschiedliches sensibles Ausfallsmuster.
Prüfung
Bei leicht gebeugtem Knie auf die Quadrizepssehne unterhalb der
Patella schlagen (siehe Abb. 23).
Interpretation
앫 Abschwächung: L4- oder Femoralisschädigung
앫 DD: Bei L4-Schädigung meist auch Parese des M. tibialis anterior
(N. peronaeus)
앫 Unterschiedliches sensibles Ausfallsmuster.
Tibialis-posterior-Reflex, TPR
N. tibialis, N. ischiadicus, L5; Erfolgsorgan M. tibialis posterior.
1 Prüfung
Oberhalb des Malleolus medialis auf die Sehne des M. tibialis po-
sterior schlagen (siehe Abb. 24).
Interpretation
앫 Abschwächung: L5-, Tibialis- oder Ischiadikusschädigung
앫 DD: Bei L5-Schädigung meist auch Paresen des M. glutaeus
medius (Nn. glutaei sup.) und des M. extensor hallucis longus
(N. peronaeus). Bei Tibialisschädigung Abschwächung des TSR.
Bei Ischiadikusläsion außer TSR-Abschwächung auch Paresen
der Fußheber und -senker
앫 Unterschiedliches sensibles Ausfallsmuster.
Prüfung
Bei gebeugtem Knie auf die Achillessehne schlagen (siehe Abb. 25).
Die Untersuchung ist evtl. einfacher, wenn der Patient kniet.
Interpretation
앫 Abschwächung: S1-, Tibialis- oder Ischiadikusschädigung
앫 DD: Bei S1-Schädigung evtl. auch Parese des M. gluteus maxi-
mus (N. gluteus inferior). Bei Ischiadikusschädigung zusätzliche
Parese der Fußheber
1
앫 Unterschiedliches sensibles Ausfallsmuster.
TR und TSR lassen sich bei vielen Menschen auch unter physio-
logischen Bedingungen schwächer auslösen als die übrigen Mus-
keleigenreflexe.
1.4.2 Fremdreflexe
Fremdreflexe sind polysynaptisch, daher leichter erschöpflich als
Eigenreflexe. Reizort und Erfolgsorgan sind nicht identisch.
Bauchhautreflexe (BHR)
Afferenzen über die Bauchhaut der Segmente Th6–12, im Rücken-
mark Kreuzung der aufsteigenden sensiblen Bahnen, die dann bis
zur sensiblen Rinde ziehen. Umschaltung auf die Efferenz; von der
motorischen Rinde Reflexweg über die Pyramidenbahn, nach
42 Neurologische Untersuchung
Prüfung
Die Bauchhaut mit einem spitzen Gegenstand bestreichen: von la-
teral nach medial in den verschiedenen Segmenten. Reflexantwort
ist die Verschiebung der Bauchhaut und des Nabels zur gereizten
Seite hin (siehe Abb. 27).
Interpretation
Abschwächung: Pyramidenbahnläsion kontralateral oberhalb oder
ipsilateral unterhalb der Medulla oblongata. Selten Läsion des
Tr. spinothalamicus kontralateral.
1.4 Reflexe 43
Babinski-Phänomen
Prüfung
Den lateralen Fußrand mit einem scharfen Gegenstand bestrei-
chen. Reizantwort ist die Dorsalextension der Großzehe bei Plan-
tarflexion und Spreizung der restlichen Zehen (siehe Abb. 28).
Interpretation
Hinweis auf Pyramidenbahnläsion.
1 Troemner-Reflex
Prüfung
Mit den eigenen Fingerkuppen gegen die gebeugten Fingerendglie-
der des Patienten schlagen. Reizantwort ist die Beugung der Finger
(siehe Abb. 29).
Interpretation
Auch bei Normalpersonen häufig positiv. Pathologisch verwertbar
sind nur Seitendifferenzen oder positive Reflexantworten bei zu-
sätzlichen Zeichen einer zentralen Schädigung (Abschwächung der
BHR, spastische Tonuserhöhung, Babinski-Phänomen).
Rossolimo-Reflex
Prüfung
Mit den eigenen Fingerkuppen gegen die Zehenendglieder des Pa-
tienten schlagen. Reizantwort ist die Beugung der Zehen.
1.4 Reflexe 45
Interpretation
Auch bei Normalpersonen häufig positiv. Pathologisch verwertbar
sind nur Seitendifferenzen oder positive Reflexantworten bei zu-
sätzlichen Zeichen einer zentralen Schädigung (Abschwächung der
BHR, spastische Tonuserhöhung, Babinski-Phänomen).
1
1.5 Sensibilität
Eine ausgedehnte Untersuchung aller sensiblen Modalitäten über-
fordert meist Geduld und Aufmerksamkeit des Patienten (evtl.
auch des Untersuchers?!!). Deshalb bereits in der Anamnese ge-
1
klagte Sensibilitätsstörungen genau erfassen!
Stärkere Wahrnehmungen werden mit „Hyper-“, schwächere mit
„Hyp-“, unangenehme mit „Dys-“, reizinadäquate mit „All-“ästhe-
sie beschrieben. Bei allen Möglichkeiten handelt es sich um Wahr-
nehmungen äußerer Reize.
Prüfung
Zunächst immer Berührungs- (Ästhesie) und Schmerzempfindung
(Algesie) prüfen.
Interpretation
1.6 Koordination
Das koordinative System besteht aus Kleinhirn und Basalganglien
sowie dem Großhirn, dem Vestibularorgan, den Hintersträngen
und den peripheren Nerven. Es stimmt Teilinnervationen aufei-
1
nander und auf die jeweilige Ausgangssituation ab.
Störungen der Koordination äußern sich in Ataxie, Asynergie und
Dysmetrie.
Ataxie
Dysdiadochokinese (Asynergie)
Sie äußert sich in einer Störung des Zusammenspiels antagonisti-
scher Muskelgruppen bei schnellen Wechselbewegungen (Dysdia-
dochokinese).
Prüfung
Der Patient setzt nacheinander die einzelnen Finger auf den Dau-
men der jeweiligen Hand. Im Sitzen klopft er mit den Fußspitzen
abwechselnd in schneller Folge auf den Boden.
Interpretation
Eine Dysdiadochokinese kann durch zerebelläre Störungen, Pa-
resen oder eine sensible Ataxie bedingt sein. Eine Bradydiadocho-
kinese findet sich meist beim Parkinson-Syndrom.
Dysmetrie
Sie äußert sich in „Intentionstremor“, skandierender Sprache und
unsicheren Zielbewegungen.
Gangstörungen
Hemiparetischer Gang
Das paretische Bein steht in Spitzfußstellung (ist somit „zu lang“)
und wird um das gesunde Bein zirkumduziert. Der paretische Arm
wird weniger mitbewegt, Die Schuhsohlenspitze des paretischen
Beines ist oft abgenutzter. Ein hemiparetischer Gang ist meist durch
eine Hemisphärenläsion bedingt.
Paraspastischer Gang
Die gestreckten Beine werden in Adduktionsstellung nach vorne
geschoben. Die Knie reiben dabei meist aneinander. Da der Gang
durch Schlurfen gebremst ist, werden meist lebhafte Kompensa-
tionsbewegungen der Arme ausgeführt.
Ein paraspastischer Gang kann durch eine spinale Läsion im Brust-
oder Halsmarkbereich, eine Hirnstammläsion oder eine Schädi-
gung beider Hirnhälften bedingt sein.
Steppergang
Das Knie wird ungewöhnlich hoch gehoben. Die Fußspitze
„klatscht“ auf den Boden. Ein Steppergang kommt bei Peronaeus-
paresen oder Polyneuropathien vor.
Watschelgang
Das Becken sinkt beim Laufen zur Seite des Spielbeins ab (Trende-
lenburg-Phänomen). Meist werden kompensatorische Bewegungen
des Rumpfes zur Gegenseite ausgeführt. Diese Gangstörung kommt
bei Paresen der Beckengürtelmuskulatur, z. B. bei Myopathien vor.
1.6 Koordination 57
Ataktischer Gang
siehe oben
Hypokinetischer Gang
Der Patient geht gebeugt und kleinschrittig. Die Arme werden
1
kaum mitbewegt. Der kleinschrittige Gang ist typisch für das Par-
kinson-Syndrom.
Hinkender Gang
Das betroffene Bein wird durch kurze, vorsichtige Schritte mög-
lichst wenig belastet. Mit dem gesunden Bein werden schnelle, kräf-
tige Schritte durchgeführt. Diese Gangstörung kommt nicht nur
bei Schmerzschonung, sondern auch bei einseitigen Fußdeformitä-
ten oder Beinverkürzungen vor.
Gang-Apraxie
Der Kranke kann die Beine nicht voreinander bewegen („Magnet-
gang“), meist auch nicht alleine stehen. Im Liegen kann er alle Geh-
bewegungen mit den Beinen durchführen. Diese Gangstörung
kommt bei Frontalhirnläsionen vor. Zusätzlich findet sich meist ein
organisches Psychosyndrom, wodurch die Gang-Apraxie von einer
psychogenen Gangstörung unterschieden werden kann.
58 Neurologische Untersuchung
Analreflex
Prüfung
Die Analschleimhaut mit einem spitzen Gegenstand (z. B. Spitze
einer Büroklammer) reizen. Reizantwort ist die Kontraktion des
Spincter ani externus.
Interpretation
Eine einseitige Abschwächung spricht für eine Läsion des Conus,
der Cauda equina oder des N. pudendus.
Cremasterreflex
Prüfung
Die Oberschenkelinnenseite mit einem spitzen Gegenstand reizen.
Reizantwort ist die ipsilaterale Kontraktion der Hodenmuskula-
tur.
Interpretation
Bei normalem Reflex sind die Wurzel L1 und der N. genitofemora-
lis intakt.
1.7 Vegetatives System 59
Schweißsekretion
Prüfung
Betrachten und Betasten der Fußsohlen und Handinnenflächen.
1
Bei Unklarheiten Ninhydrin-Test (siehe unten) durchführen.
Interpretation
Einseitige Trockenheit oder vermehrte Verhornung der Haut spre-
chen für eine peripher neurogene Läsion. Radikuläre oder spinale
Läsionen führen nicht zu ausgeprägten Schweißsekretionsstörun-
gen, da die meist prävertebral verlaufenden sympathischen Fasern
sich den peripheren Nerven erst distal der Wurzeln anlagern.
Ninhydrin-Test
Prüfung
Hände oder Füße des Patienten je auf ein Blatt Papier drücken. Das
Papier dabei nur mit Handschuhen oder einer Klammer berühren
und anschließend in Ninhydrinlösung (10 g Ninhydrin in 1000 ml
Lösung mit 5 Tropfen Eisessig versetzt) wässern, dann an der Luft
trocknen.
Interpretation
Bei normaler Schweißsekretion färben sich die Abdrücke violett.
Verminderte Schweißsekretion spricht für eine periphere Läsion
distal der Nervenwurzeln.
60 Neurologische Untersuchung
Artikulationsstörungen
Prüfung
Störungen zeigen sich bei der Anamneseerhebung. Testwörter wie
„Liebe Lilli Lehmann“ oder „Dritte berittene Artilleriebrigade“
können Symptome verdeutlichen.
Interpretation
Eine kloßige, verwaschene Sprache findet sich bei bulbären Läsio-
nen. Ein unregelmäßiger Wechsel in Rhythmus und Lautstärke ist
Kennzeichen für eine zerebelläre Sprache („Sprache eines Betrun-
kenen“).
Aphasien
Prüfung
Die Spontansprache prüfen. Dabei auf Inhalt, Anstrengung, Flüs-
sigkeit, Entstellung von Wörtern, falsche Wortwahl, Wortneubil-
dungen, Umschreibungen, Grammatik und Verständnis achten.
Ergeben sich Hinweise für Verständigungsstörungen, wird der
Patient zu Handlungen aufgefordert (Schließen Sie die Augen!
Berühren Sie mit dem Zeigefinger Ihre Nase! Berühren Sie mit dem
Zeigefinger der rechten Hand Ihr linkes Ohrläppchen! Nehmen Sie
drei (angebotene) Münzen, legen Sie eine auf den Tisch, die zweite
geben Sie mir, die dritte behalten Sie in der linken Hand!).
Der Patient soll dargebotene Gegenstände benennen.
Interpretation
앫 Verminderte Sprachproduktion und phonematische (einzelne
Buchstaben in Wörtern werden vertauscht) Paraphasien spre-
chen für eine vorwiegende Broca-Aphasie.
1.8 Sprache und neuropsychologische Funktionen 61
Apraxien
Prüfung
Den Patient auffordern, einfache Handlungen (kämmen, winken,
Schlüssel benutzen, mit der Schere schneiden) durchzuführen. Da-
nach soll er komplexe Handlungen (mit Messer und Gabel essen,
telefonieren, Zigarette anzünden, sich ausziehen) vollbringen. Um
eine Sprachverständnisstörung auszuschließen, soll der Patient ihm
vorgeführte Handlungsabläufe imitieren. Schließlich wird er aufge-
fordert, aus dem Gedächtnis einfache Gegenstände (Haus, Baum,
Auto) zu zeichnen.
Interpretation
앫 Bei Störungen einfacher Handlungen liegt eine ideomotorische
Apraxie vor. Die Störung kann Ausdruck einer Läsion unter-
1 schiedlicher Strukturen in der dominanten Hemisphäre sein.
앫 Störungen des Ablaufes komplexer Handlungen (die sich z. B.
in Parapraxien = Handlungen in falscher Reihenfolge) äußern,
werden als ideatorische Apraxie bezeichnet. Meist liegen beidsei-
tige Parietallappenläsionen vor.
앫 Störungen der räumlichen Zuordnung (Tür wird z. B. neben das
Haus gezeichnet) nennt man visuokonstruktive Apraxie. Die Lä-
sion liegt in der Regel im nichtdominanten Parietallappen. Die
Störung kann sich auch darin äußern, dass Patienten sich in ge-
wohnter Umgebung nicht mehr zurecht finden.
앫 Bei Apraxien versteht der Patient die Aufforderungen, kann sie
wiederholen oder auch als richtig und falsch erkennen, wenn ein
anderer sie durchführt.
Agnosien
Prüfung
Hinweise ergeben sich aus Klagen der Patienten über Störungen des
Erkennens, wenn Läsionen der Sehbahn ausgeschlossen sind.
Störungen des Erkennens bei erhaltender Sinneswahrnehmung
kommen als optische Agnosien, sehr selten auch als akustische oder
Geschmacksagnosien vor.
Optische Agnosien für Gesichter werden geprüft, indem den Pa-
tienten gleichartige Bilder (Porträts) berühmter Persönlichkeiten
vorgelegt werden, die benannt werden sollen.
Interpretation
Schwierigkeiten beim Gesichtererkennen sprechen für eine Läsion
des basalen Temporallappens der dominanten Hemisphäre.
Schwierigkeiten bei der Abgrenzung können gleichzeitig bestehen-
de Aphasien oder Apraxien machen.
1.9 Psychischer Befund 63
Interpretation
앫 Bei nicht sinnvoll erscheinenden Antworten an psychogene
Störungen oder Psychosen denken. Auch eine sensorische Apha-
sie muss erwogen werden.
앫 Antwortet der Patient regelmäßig verzögert auf Fragen, müssen
leichte Bewusstseinsstörungen und Antriebsstörungen erwogen
werden.
앫 Bei ausbleibender verbaler Antwort ist, sofern keine psychogene
Störung (z. B. Mutismus) vorliegt, von einer Bewusstseinstrü-
bung auszugehen. Fremdanamnese und übriger interner und
neurologischer Untersuchungsbefund müssen hier die differen-
tialdiagnostischen Überlegungen leiten.
앫 Reagiert der Patient auch nicht auf Schmerzreize, kommt neben
einer Bewusstlosigkeit ein katatoner Stupor in Frage. Dann fin-
den sich keine neurologischen oder internen Auffälligkeiten. Die
Differenzierung muss immer die Fremdanamnese und Zu-
satzuntersuchungen in einer Klinik berücksichtigen.
앫 Patienten, die eine Bewusstlosigkeit vortäuschen, kneifen häufig
die Augen zu, wenn man die Pupillen untersuchen will!
Orientierung
Prüfung
Den Patient fragen, wer er ist, seit wann und weshalb er hier ist. Bei
Unklarheiten nach Datum und Ort fragen.
1.9 Psychischer Befund 65
Interpretation
앫 Am häufigsten ist die zeitliche Orientierungsstörung, die bei
leichter Ausprägung (und z. B. langer Krankheit) nicht immer als
pathologisch aufgefasst werden kann (Datum).
앫 Örtliche Orientierungsstörungen sind nur dann als patholo-
1
gisch zu werten, wenn der Patient auch über entsprechenden
Ortswechsel informiert wurde.
앫 Orientierungsstörungen zur Person kommen kaum vor und
sollten zunächst an Simulation denken lassen.
앫 Orientierungsstörungen können sowohl durch eine allgemeine
Hirnerkrankung als auch durch Temporallappenläsionen be-
dingt sein.
Gedächtnis
Prüfung
Nach aktuellen Nachrichten oder z. B. dem letzten Mittagessen fra-
gen. Auch nach Daten oder Erlebnissen (soweit bekannt) aus der
Kindheit des Patienten fragen.
Interpretation
Störungen des Neugedächtnisses sind häufig und kommen bei
Temporallappenläsionen (z. B. im Rahmen eines Morbus Alzhei-
mer oder einer Multiinfarktdemenz) vor. Störungen des Altge-
dächtnisses sprechen für ausgedehnte Temporallappenläsionen.
Antrieb
Prüfung
Anamnese (Fremdanamnese) erheben und Patienten beobachten!
Gezielt nach einer Interessenverarmung und nach seinen Tätigkei-
ten fragen: Ist er in seinen Tätigkeiten langsamer geworden? Tut er
weniger? Ist er auffällig aktiv?
Interpretation
Antriebsminderungen wie Antriebssteigerungen können zerebral
bedingt sein. Häufig findet sich eine Läsion des Frontallappens.
Antriebsminderung kommt bei Depression, aber z. B. auch bei ei-
nem Hirntumor vor. Antriebssteigerung findet sich bei der Manie,
aber z. B. auch bei der progressiven Paralyse.
66 Neurologische Untersuchung
Affekt
Prüfung
Auf die Angaben des Patienten achten und ihn beobachten! Nach-
1 fragen, ob er in der letzten Zeit häufiger ohne adäquaten Grund
weinen oder lachen müsse.
Interpretation
Affektlabilität kann Ausdruck eines Hirnstammprozesses sein. An-
fallsartige Affektstörungen oder chronisch dysphorische Verstim-
mungen finden sich bei Temporallappenläsionen.
Stimmung
Prüfung
Die Gesamtheit der Anamnese lässt meist ausreichende Rück-
schlüsse auf die Grundstimmung zu.
Interpretation
Depressive oder manische Verstimmungen können bei organischen
Hirnkrankheiten (z. B. Tumor, Enzephalitis, Parkinson) vorkom-
men.
Intelligenz
Prüfung
Den Patienten nach seiner Schul- und Berufsausbildung fragen.
Auf die Darstellungsweise seiner Vorgeschichte und seiner Be-
schwerden achten! Leichte Rechenaufgaben stellen und kurzen Le-
benslauf mit der Hand schreiben lassen!
Interpretation
Eine grobe Zuordnung wie „durchschnittlich intelligent“ oder
„deutlich minderbegabt“ ist meist aus der Anamnese möglich.
Auch die Frage, ob es sich um einen erworbenen oder angeborenen
Intelligenzmangel handelt, kann man meist aus der Anamnese be-
urteilen. Zur Objektivierung leichterer hirnorganischer Ausfälle
oder zur Dokumentation von Verlaufsbeobachtungen sind psycho-
metrische Tests nützlich.
2
Neurologische
Leitsymptome
akut einsetzender
Krankheitsbilder
2.1 Akute Sehstörung 68
2.2 Akute Fazialisparese 77
2.3 Akut auftretende Doppelbilder 80
2.4 Internukleäre Ophthalmoplegie (INO) 84
2.5 Horner-Syndrom 85
2.6 Akut einsetzender Schwindel 88
2.7 Akuter Gesichtsschmerz 94
2.8 Akuter Kopfschmerz 97
2.9 Plötzlich einsetzende abnorme Kopfhaltung 103
2.10 Akuter Schulter-Arm-Schmerz 105
2.11 Akute Kribbelparästhesien/Gefühlsstörungen
einer Körperseite 112
2.12 Akute Lähmung einer Körperseite 116
2.13 Akute Lähmung einer Hand 121
2.14 Akute Fußheberparese 126
2.15 Akute proximale einseitige Beinschwäche 133
2.16 Akute beidseitige Beinschwäche 136
2.17 Akute Kribbelparästhesien der Füße 141
2.18 Akute Lähmung aller Extremitäten 146
2.19 Akuter Verwirrtheitszustand 151
2.20 Progrediente Bewusstseinsstörung und Koma 157
2.21 Plötzlicher Bewusstseinsverlust und erster
epileptischer Anfall 165
2.22 Akute Sprachstörung 170
2.23 Akute Ataxie 175
68 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
2.1.1 Grundsätzliches
Klagt ein Patient über Sehstörungen, so muss zunächst der Cha-
rakter der Sehstörung durch gezielte Exploration und systemati-
sche Untersuchung erfasst werden. Explorativ müssen folgende
Punkte geklärt werden:
앫 Handelt es sich um eine flüchtige, intermittierend auftretende
2 oder konstant bestehende Sehstörung?
앫 Wie rasch ist sie aufgetreten?
– Rasches Auftreten, flüchtig rezidivierend oder konstant
→ vaskulär
– Langsam fortschreitender Beginn über Tage → entzündlich
– Langsam fortschreitender Beginn über Wochen → neoplas-
tisch
앫 Betrifft die Sehstörung ein Auge oder beide Augen?
Fragen
앫 Wie war die zeitliche Entwicklung der Sehstörung?
– Flüchtig, vollständige Rückbildung → Amaurosis fugax, Mi-
gräne
– Progredient persistierend → Neuritis Ni. optici
– Plötzlich einsetzend persistierend → AION
앫 Wie wird die Sehstörung qualitativ geschildert?
– „Flimmern und Zacken“ → Migräne
2
– „Sehen wie durch Milchglas“ → Neuritis Ni. optici
– „schwarzer Fleck“ → AION
– „herabsenkender Vorhang“ → Amaurosis fugax
앫 Welche begleitenden Symptome sind aufgetreten?
– Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen → Migräne
– Bulbusbewegungsschmerz und Blitze → Neuritis Ni. optici
– Unilateraler Dauerkopfschmerz → Arteriitis temporalis
(M. Horton)
앫 Wie sind Alter und Risikoprofil des Patienten?
– Unter 40, keine Vorerkrankungen → Migräne, Neuritis Ni.
optici
– Über 50, Herzrhythmusstörungen, vaskuläre Risikofaktoren
→ AION/M. Horton, Amaurosis fugax, Zentralarterienver-
schluss, Zentralvenenverschluss
– Arteriitis temporalis
– Panarteriitis nodosa
앫 Metabolisch
– Vit. B12-Mangel („Tabak-Alkohol-Amblyopie“)
앫 Genetisch bedingt
– Lebersche hereditäre Optikusneuropathie
– Leukodystrophien
앫 Infiltrativ
– Meningeosis carcinomatosa oder lymphomatosa
앫 Neoplastisch
– Retinoblastom
2
– Optikusgliom
– Meningeome des medialen Keilbeinflügels
앫 Traumatisch
Richtungsweisende Untersuchungsbefunde
앫 Ist die Lichtreaktion der Pupillen erhalten, so muss es sich um eine
Läsion nach dem Abgang der Fasern des Pupillenreflexbogens
(Sehstrahlung/Kortex) handeln. Besteht hingegen eine afferente
Pupillenstörung, liegt die Schädigung in der vorderen Sehbahn.
앫 Anosognosie → bei kortikaler Schädigung.
Lokalisation
Ätiologisch kommen neben einer akuten Schädigung der Retina
bds. bzw. beider Ni. optici (Rarität!) ein akuter Prozess im Chiasma
oder eine bilaterale Störung im Bereich der Sehrinde (Lobus occi-
pitalis) in Frage.
74 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Krankheitsbilder
Biokzipitale Funktionsstörung nach Angiographie
Beidseitige Infarkte im Posteriorstromgebiet
Psychogene Erblindung
Bilaterale Retina- oder Optikusschädigung
Krankheitsbilder
Diagnostik: Zunächst erfolgt eine Bildgebung mit MRT, das bei die-
ser Fragestellung am aussagekräftigsten ist (Erfassung und Ausdeh-
nung von Hypophysenprozessen, Nachweis von Infarkten und Blu-
tungen, Ausschluss von Gefäßmalformationen, optimierte Darstel-
lung von Chiasma und Tractus opticus etc.). Je nach Ergebnis er-
folgen dann die weiteren erforderlichen diagnostischen Schritte.
2.2 Akute Fazialisparese 77
Fragen
앫 Welche Begleitsymptome sind aufgetreten?
– Hyperakusis, (meist leichte) retromastoidale Schmerzen, 2
Taubheitsgefühl der Zunge oder Geschmacksstörungen
→ idiopathische Fazialisparese
– Starke Schmerzen und Bläschen im Bereich periaurikulär,
Schwindel und Hörstörungen (Hypakusis) → Zoster
– Erythema chronicum migrans → Neuroborreliose
앫 Ist ein Zeckenbiss oder eine flüchtige Hautrötung vorausgegan-
gen? → Neuroborreliose.
Krankheitsbilder
Idiopathische periphere Fazialisparese (Bell-Parese)
Neuroborreliose Stadium II
Zoster oticus
2 Idiopathische periphere Fazialisparese (Bell-Parese)
앫 Innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen progrediente Läh-
mung, die oft von einem retroaurikulärem Schmerz begleitet
wird
앫 Oft geringe sensible Störungen im Gesichtsbereich, die sich nicht
sicher zuordnen lassen
앫 Günstige Prognose mit Rückbildung in 95% der Fälle
앫 Liquor unauffällig
Neuroborreliose Stadium II
앫 Zusätzlich Erythema chronicum migrans in der Vorgeschichte
앫 Häufig bilateral
앫 Sonst klinisch keine signifikanten Unterschiede zu Bell-Parese
앫 Im Liquor mononukleäre Pleozytose.
Zoster oticus
앫 Häufig Beteiligung des N. vestibulocochlearis mit Innenohr-
schwerhörigkeit und heftigem Drehschwindel mit richtungsbe-
stimmtem Nystagmus
앫 Oft Schmerz im äußeren Gehörgang mit einzelnen typischen
herpetiformen Bläschen im Gehörgang oder auf der Ohrmu-
schel
앫 Im Liquor mononukleäre Pleozytose.
Fragen
앫 Ist der Patient schon älter und bestehen anamnestische Hinwei-
se auf vaskuläre Risikofaktoren und insbesondere einen Diabe-
tes mellitus? → Vaskulär oder diabetisch bedingte Hirnnerven-
mononeuropathie
앫 Eher jüngerer Patient mit u. U. begleitendem heftigem Kopf-
schmerz? → Hirnbasisarterienaneurysma
앫 Treten die Doppelbilder fluktuierend oder belastungsabhängig
auf? → Myasthenes Syndrom
앫 Vorausgegangenes Schädel-Hirn-Trauma? → Traumatisch be-
dingte Trochlearisparese, Orbitabodenfraktur.
Lokalisation
앫 Beim Auftreten von Doppelbildern liegt die Ursache meist im
peripheren Verlauf der okulomotorischen Hirnnerven, wesent-
lich seltener in ihren Kerngebieten und internukleären Verbin-
dungen im Hirnstamm.
앫 Bei Belastungsabhängigkeit und fluktuierender Symptomatik ist
an eine neuromuskuläre Übertragungstörung zu denken. 2
Krankheitsbilder
Isolierte Paresen der okulomotorischen Hirnnerven:
Idiopathische (vaskuläre? diabetische?) N. oculomotorius-Parese
Idiopathische (vaskuläre? diabetische?) N. abducens-Parese
N. abducens-Parese bei Hirndrucksteigerung
Traumatische N. trochlearis-Parese
Hirnstamminfarkt
Hirnbasisarterienaneurysma
Prozess im Sinus cavernosus
N. oculomotorius-Parese
앫 Bulbusdeviation nach außen unten
앫 Mydriasis
앫 Ptose.
N. abducens-Parese
앫 Bulbusdeviation nach medial
앫 Horizontal nebeneinanderstehende Doppelbilder, beim Blick
zur betroffenen Seite zunehmend.
Diagnostik: Untersuchung, Laborwerte, ggf. Liquor nach MRT.
Auch hier liegt am häufigsten eine vaskulär bedingte Mononeuropa-
thie des Nerven zugrunde. Aufgrund seines intrakraniellen Verlau-
fes ist der Nerv allerdings auch bei intrakranieller Drucksteigerung
2 (sogenanntes Klivuskantensyndrom) und Prozessen im Sinus caver-
nosus häufig betroffen.
Eine zusätzliche kontralaterale Hemisymptomatik oder eine be-
gleitende ipsilaterale Fazialisparese weisen auf eine Affektion des
Hirnstammes hin.
N. trochlearis-Parese
앫 Klinisch oft nur geringe Auffälligkeiten!
앫 Bulbushochstand des betroffenen Auges
앫 Doppelbilder beim Blick nach unten und medial (zur nicht be-
troffenen Seite)
앫 Hochtreten des Bulbus bei Neigung des Kopfes zur betroffenen
Seite (Bielschoffsky-Phänomen)
앫 Am häufigsten findet sich eine N. trochlearis-Parese aufgrund
des langen intrakraniellen Verlaufes im Rahmen von Schädel-
Hirn-Traumata.
Krankheitsbilder
Demyelinisierende Erkrankung (Multiple Sklerose)
Hirnstamminfarkt
Hirnstamminfarkt
앫 Meist ältere Patienten, vaskuläre Risikofaktoren
앫 Abrupt auftretend
앫 Stets einseitig (strikt lateralisierte Gefäßversorgung).
2.5 Horner-Syndrom 85
2.5 Horner-Syndrom
Ein Horner-Syndrom besteht aus einer meist gering bis mäßiggra-
dig ausgeprägten Ptose und einer begleitenden Miosis. Ein Enoph-
thalmus und Störungen der Schweißsekretion können hinzutreten.
Die Ausprägung ist oft gering, so dass die Symptomatik nicht in al-
len Fällen vom Patienten selbst bemerkt wird. Phänomenologisch
ist eine isolierte Ptose abzugrenzen.
Untersuchung 2
Erster Blick
앫 Männlicher Patient, ca. 40–50 Jahre alt → Cluster-Kopfschmerz
앫 Älterer Patient → Hirnstamminfarkt.
Fragen
앫 Welche weiteren Symptome sind aufgetreten?
– Heftige, rezidivierende frontotemporale Kopfschmerzen
→ Cluster-Kopfschmerz
– Schmerz im Halsbereich mit Ausstrahlung in die Schläfe
→ Karotisdissektion
– Weitere u. U. flüchtige neurologische Ausfallssymptome
→ Hirnstamminfarkt, Karotisdissektion
앫 Anamnestisch Nikotingebrauch und rezidivierende Bronchiti-
den? → Pancoast-Tumor
앫 Bagatelltrauma im Halsbereich? → Karotisdissektion
앫 Vaskuläre Risikofaktoren? → Hirnstamminfarkt.
Lokalisation
Zugrunde liegt eine Schädigung des zentralen oder peripheren
Sympathikus im Bereich des Dienzephalons, des Hirnstammes, des
Zervikalmarkes bis Th1, der sympathischen Halsganglien oder des
sympathischen Geflechts um die A. carotis interna.
Krankheitsbilder
Clusterkopfschmerz
2 Dissektion der A. carotis interna
Pancoast-Tumor
Hirnstamminfarkt
Pancoast-Tumor
앫 Ursächlich ist die maligne Infiltration des Ggl. stellatum im Be-
reich der Lungenspitze durch ein peripheres Bronchialkarzinom
앫 Anamnestisch sind Raucheranamnese und chronisch rezidivie-
rende Atemwegsinfekte hinweisend
2.5 Horner-Syndrom 87
2 versteht!
Die Diagnose ist meist nach Exploration und neurologischer Un-
tersuchung geklärt!
Untersuchung
Fragen
앫 Handelt es sich um einen Attackenschwindel oder einen anhal-
tenden Schwindel?
– Attackenschwindel → benigner paroxysmaler Lagerungs-
schwindel, Morbus Menière, psychogener Schwindel
– Anhaltender Schwindel → Labyrinthausfall, Kleinhirnin-
farkt, Hirnstamminfarkt
앫 Wie lange hält der Schwindel an?
– Sekunden bis unter einer Minute → benigner paroxysmaler
Lagerungsschwindel
– Stunden bis Tage → M. Menière
– Tage bis Wochen → Labyrinthausfall, Kleinhirninfarkt, Hirn-
stamminfarkt
– Wechselnd je nach Belastung → psychogener Schwindel
앫 Handelt es sich um einen gerichteten Drehschwindel („Wie auf
dem Karussell“)?
– Periphere Vestibulopathie → benigner paroxysmaler Lage-
rungsschwindel, akuter Vestibularisausfall, Morbus Menière
앫 Wann tritt der Schwindel auf, wie wird er provoziert?
– Beim Drehen im Bett → benigner paroxysmaler Lagerungs-
schwindel
– In typischen „belastenden“ Situationen (unter vielen Men-
schen, auf großen Plätzen etc.) → psychogener Schwindel
앫 Treten vegetative Begleitsymptome (Schwitzen, Übelkeit, Erbre-
chen) auf?
2.6 Akut einsetzender Schwindel 89
Krankheitsbilder
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
Akuter Vestibularisausfall
Morbus Menière
Ischämie oder Blutung im Bereich des Hirnstammes und des
Kleinhirns
Psychogener Schwindel
Akuter Vestibularisausfall
앫 Aus voller Gesundheit tritt ein anhaltender, heftiger, seitenkon-
stanter Drehschwindel auf, der sich nur langsam nach Tagen bes-
sert
앫 Vegetative Begleitsymptome (Übelkeit, Erbrechen, Schwitzen)
fehlen nie
앫 Die Patienten sind aufgrund der Übelkeit und der schweren
Gleichgewichtsstörung oft nicht mehr in der Lage aufzustehen
앫 Im neurologischen Befund findet sich ein richtungsbestimmter
horizontaler Spontannystagmus zur Seite des geschädigten Ve-
stibularorgans hin
앫 Innerhalb von Wochen kommt es zur zentralen Kompensation
des Schwindels.
Diagnostik: neurologische Untersuchung, Vestibularisprüfung.
Bei typischer Anamnese und klinischem Befund sind weitergehen-
de Untersuchungen – abgesehen von der Vestibularisprüfung –
meist nicht erforderlich. In seltenen Fällen kann allerdings auch ein
peripherer Vestibularisausfall durch eine Läsion im Bereich des ve-
stibulären Kerngebietes im Hirnstamm bedingt sein, so dass man
zumindest bei Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter und mit
2.6 Akut einsetzender Schwindel 91
Morbus Menière
앫 In unregelmäßigen Abständen rezidivierendes Auftreten eines
anhaltenden, meist heftigen, seitenkonstanten Drehschwindels,
der sich nur langsam innerhalb von Stunden (bis Tagen) bessert
앫 Häufig vegetative Begleitsymptome (Übelkeit, Erbrechen,
Schwitzen) 2
앫 „Druck im Ohr“ oder Ohrgeräusch und Hörminderung
앫 Im neurologischen Befund findet sich ein richtungsbestimmter
horizontaler Spontannystagmus zur Seite des gesunden Vestibu-
larorgans hin
앫 Tinnitus und Hörminderung persistieren häufig.
Psychogener Schwindel
앫 Diffuser, unsystematischer Schwindel oder Unsicherheitsgefühl
häufig in Kombination mit verschiedenen anderen psychosoma-
tischen Beschwerden
앫 Nystagmus und andere neurologische Symptome fehlen
앫 Vorkommen bei allen Kategorien psychischer Erkrankungen,
häufig bei Angsterkrankungen, somatisierter Depression und
dissoziativer Störung.
Diagnostik: neurologische Untersuchung.
Der psychogene Schwindel ist häufig! Wegweisend für die Diagno-
se ist die mangelnde Kongruenz mit den bekannten organischen
Schwindelerkrankungen, die Kombination mit anderen psycho-
somatischen Beschwerden und der psychopathologische Quer-
schnittsbefund.
2.6 Akut einsetzender Schwindel 93
Untersuchung
2 Fragen
앫 Wie sind der zeitliche Verlauf und die Charakteristik der
Schmerzen?
– Blitzartige Schmerzen → Trigeminusneuralgie
– Kurze Attacken oder längere Schmerzphasen → Glaukom,
Kiefergelenksarthropathie
– Anhaltend dumpf drückende Schmerzen → Sinusitis, atypi-
scher Gesichtsschmerz
– Anhaltende brennende Schmerzen → Zoster
앫 Lässt sich der Schmerz provozieren?
– „Triggerung“ z. B. durch Berührung, Essen → Trigeminus-
neuralgie
– Zunahme bei Kopftieflage → Sinusitis
– Auftreten beim Kauen → Kiefergelenksarthropathie
앫 Wo ist der Schmerz lokalisiert?
– Trigeminusversorgungsgebiet → V1: Zoster, V2/3: → Trige-
minusneuralgie
– Diffus im Mittelgesichtsbereich → atypischer Gesichts-
schmerz
– Über den Nebenhöhlen → Sinusitis
– Orbital und periorbital → Glaukom
– Von präaurikulär ausstrahlend → Kiefergelenksarthropathie.
Richtungsweisende Untersuchungsbefunde
앫 Finden sich Bläschen auf der Ohrmuschel oder im äußeren
Gehörgang? → Zoster ophthalmicus
앫 Druckschmerz über dem Kiefergelenk? → Kiefergelenksarthro-
pathie
앫 Druck- und Klopfschmerz über den Nebenhöhlen? → Sinusitis
앫 Schmerzprovokation bei Berührung im Trigeminusversor-
gungsgebiet? → Trigeminusneuralgie
2.7 Akuter Gesichtsschmerz 95
Krankheitsbilder
Sinusitis
Trigeminusneuralgie
Atypischer Gesichtsschmerz
2
Zoster ophthalmicus
Akutes Glaukom
Kiefergelenksarthropathie
Sinusitis
앫 Dumpf drückender Schmerz im Bereich des betroffenen Sinus
앫 Zunahme bei lokalem Druck (Nervenaustrittspunkte) oder
Kopftieflage
앫 Prodromal grippaler Infekt mit Schnupfen, verstopfter Nase und
Allgemeinsymptomen
앫 Im neurologischen Befund finden sich keine Auffälligkeiten.
Trigeminusneuralgie
앫 In der Regel ältere Patienten
앫 Blitzartiger Schmerz im Bereich des 2. und 3. Trigeminusastes
앫 Oft Serien von hellen einschießenden Schmerzen (initial kein
Dauerschmerz!)
앫 Meist Triggerung durch Berührung, Essen, Kämmen etc.
앫 Im neurologischen Befund finden sich keine Auffälligkeiten.
Atypischer Gesichtsschmerz
앫 Brennend-bohrender Dauerschmerz von diffuser Lokalisation
앫 Meist chronischer Schmerz von mäßiger Intensität
앫 Im neurologischen Befund finden sich keine Auffälligkeiten.
Zoster ophthalmicus
앫 Akut auftretender brennender Schmerz, meist im Bereich des
1. Trigeminusastes
앫 Die typischen herpetiformen Bläschen treten oft erst einige Tage
später zutage, so dass die diagnostische Zuordnung insbesonde-
re initial schwierig ist
앫 Dysästhesien und Hypästhesie im Bereich des 1. Trigeminus-
astes.
Akutes Glaukom
앫 Schmerz im Bereich des Auges, gelegentlich diffus ausstrahlend
앫 Sehstörung mit „Nebelsehen“ oder charakteristischen Farbrin-
gen
앫 Konjunktivale Injektion, matt-trübe Hornhaut, Mydriasis
앫 „Harter Bulbus“ bei Palpation.
Kiefergelenksarthropathie
앫 Stechend dumpfer Schmerz im Bereich des betroffenen Kiefer-
gelenks, oft auch ausstrahlend bis in die Stirn und die Schläfe
앫 Auslösung durch Bewegungen im Kiefergelenk oder Druck auf
das Gelenk oder die Kaumuskulatur
앫 Häufig nächtliches Zähneknirschen.
Untersuchung
Fragen
앫 Handelt es sich um einen rezidivierenden, gleichartig ablaufen-
den Kopfschmerz? → primäre Kopfschmerzen wahrscheinlich
앫 Wie lange hält der Kopfschmerz an?
– Wenige Minuten bis 3 Stunden → Cluster-Kopfschmerz
– Stunden bis Tage → Migräne, Spannungskopfschmerz
앫 Wie ist die Schmerzintensität?
– „Vernichtungskopfschmerz“ → SAB
– Starker Kopfschmerz → Cluster-Kopfschmerz, Migräne
– Mäßiger Kopfschmerz → Spannungskopfschmerz
앫 Wie ist die Schmerzcharakteristik?
– Klopfend und pulsierend → Migräne
– Stechend und bohrend → Cluster-Kopfschmerz
– Drückend → Spannungskopfschmerz
앫 Wie ist das Verhalten während der Kopfschmerzattacke?
– Pat. ist ruhig, kann seine Arbeit unverändert fortführen
→ Spannungskopfschmerz
– Pat. muss sich in abgedunkeltem Raum hinlegen → Migräne
– Pat. läuft schmerzgequält umher → Cluster-Kopfschmerz
앫 Welche Begleitsymptome treten auf?
– Übelkeit, Erbrechen, initial Flimmerskotome → Migräne
98 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Krankheitsbilder
Primäre Kopfschmerzen
앫 Spannungskopfschmerz
앫 Migräne
앫 Cluster-Kopfschmerz (Bing-Horton)
Symptomatische Kopfschmerzen
앫 Subarachnoidalblutung
앫 Meningitis
앫 Arteriitis temporalis (M. Horton)
앫 Sinusthrombose
앫 Zoster ophthalmicus
앫 Akutes Glaukom
앫 Postpunktioneller Kopfschmerz
앫 Depression
앫 Medikamentös induzierter Dauerkopfschmerz
2.8 Akuter Kopfschmerz 99
Primäre Kopfschmerzen
Spannungskopfschmerz
앫 Die häufigste Kopfschmerzform überhaupt
앫 Im typischen Fall bilateraler Kopfschmerz, in der Stirn oder im
Nacken-Hinterkopfbereich lokalisiert oder von okzipital nach
frontal ausstrahlend
앫 Meist nur mäßig ausgeprägte, dumpf-drückende Schmerzen, in
der Regel ohne Einschränkung der Arbeitsfähigkeit
앫 Kaum vegetative Symptome
앫 Oft zeitliche Bindung zu „Stresssituationen“. 2
Migräne
앫 Meist jüngere Patienten mit positiver Familienanamnese
앫 Oft einseitiger (seitenwechselnder) pulssynchroner „klopfender“
Kopfschmerz von heftiger Intensität und einer Dauer von weni-
gen Stunden bis 3 Tagen
앫 Übelkeit und Erbrechen, Lichtempfindlichkeit und Ruhebedürf-
nis
앫 Häufig den Kopfschmerzen vorausgehendes, im Gesichtsfeld
wanderndes Flimmerskotom (Migräne mit visueller Aura)
앫 Selten leichte neurologische Herdsymptome, die sich im Regel-
fall innerhalb einer Stunde wieder zurückbilden (z. B. Kribbeln
in Hand und Mundwinkel, leichte aphasische Störungen, Hemi-
anopsien). Man spricht dann von einer Migräne mit Aura oder
Migraine accompagnée.
Beim erstmaligen Auftreten neurologischer Herdsymptome im
Rahmen von Kopfschmerzen und auch dann, wenn diese länger an-
halten, sollte der Patient als Notfall betrachtet und unverzüglich
fachärztlich untersucht werden, da differentialdiagnostisch ein ze-
rebrales vaskuläres Geschehen ausgeschlossen werden muss!
Cluster-Kopfschmerz (Bing-Horton-Syndrom)
앫 Meist junge Männer
앫 Unerträgliche brennend-bohrende Schmerzen streng einseitig
im Augen-Schläfenbereich
앫 Im Anfall tränen des Auges, Nasenlaufen und HORNER-Syn-
drom
앫 Die Patienten laufen oft gequält und unruhig umher
100 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Symptomatische Kopfschmerzen
Subarachnoidalblutung Notfall!
앫 Akut auftretender, in Sekundenbruchteilen maximaler „Ver-
nichtungskopfschmerz“
앫 Nackensteifigkeit (fehlt selten)
Meningitis Notfall!
앫 Meist nach prodromaler grippaler Symptomatik auftretend
앫 Eher langsam einsetzender starker Kopfschmerz mit Fieber
앫 Nackensteifigkeit
앫 Fakultativ neurologische Herdsymptome bis hin zum Koma
(fehlen initial häufig!).
Sinusthrombose Notfall!
앫 Oft jüngere Frauen mit erhöhtem Thromboserisiko, Schwanger-
schaft!
앫 Dumpf-drückender anhaltender Kopfschmerz
앫 Häufig fokale epileptische Anfälle!
앫 Andere neurologische Herdsymptome mit langsam progredien-
ter Entwicklung.
2.8 Akuter Kopfschmerz 101
Zoster ophthalmicus
Siehe unter 2.7
Akutes Glaukom
Siehe unter 2.7
Postpunktioneller Kopfschmerz
앫 Nach Liquorpunktion oder Lumbalanästhesie auftretend
앫 Dumpf-stechender orthostatisch betonter Kopfschmerz, der
sich im Liegen rasch bessert
앫 Begleitend häufig Übelkeit, Erbrechen und diffuser Schwindel
2
앫 Meist keine wesentliche Nackensteifigkeit, kein Fieber (DD post-
punktionelle Meningitis!).
Depression
앫 Anhaltend dumpfer Kopfschmerz, drückend, „wie in einen
Schraubstock gespannt“
앫 Schlafstörungen, Antriebsminderung, herabgesetzte Stimmung.
Krankheitsbilder
Frühdyskinesie unter Neuroleptikatherapie
Idiopathischer Tortikollis spasmodicus
Vestibulookuläre Störung
2 Vestibulookuläre Störung
앫 Weitere Leitsymptome sind Schwindel, Gleichgewichtsstörun-
gen und Doppelbilder
앫 Bei Störungen im bulbomotorischen System (Hirnstamm und
Hirnnerven III, IV sowie VI) wird die abnorme Kopfhaltung zur
Vermeidung von Doppelbildern unwillkürlich eingenommen.
앫 Bei Störungen im zentralen vestibulären System kann es zu einer
Veränderung der subjektiven Vertikale kommen, so dass der
Kopf kompensatorisch schief gehalten wird.
2.10 Akuter Schulter-Arm-Schmerz 105
Krankheitsbilder
Karpaltunnelsyndrom
Lateraler Bandscheibenvorfall
Schleudertrauma
Neuralgische Schulteramyotrophie
Radikulitis (Zoster, Borreliose)
Metastatischer Tumor der HWS
Schmerzhafte Schultersteife
Karpaltunnelsyndrom
앫 Meist Frauen mittleren Alters
앫 Nächtliche Steigerung der Schmerzen und Missempfindungen
in der Hand, die bis in die Schultern ausstrahlen können. „Aus-
schütteln“ der Hände bessert die Beschwerden. Gelegentlich fin-
den sich als Ursache distale Radiusfraktur, Hypothyreose, Dia-
betes, Gravidität, Tätigkeit am PC
2.10 Akuter Schulter-Arm-Schmerz 107
Lateraler Bandscheibenvorfall
앫 Das Manifestationsalter liegt meist unter 50 Jahren. Häufig
anamnestisch rezidivierende Zervikobrachialgien. Die Schmer-
zen werden häufig zwischen den Schulterblättern geklagt. Sie
strahlen gelegentlich bis in die Finger aus.
앫 Bei der häufigen C7-Schädigung abgeschwächter Triceps-brachii-
Reflex; Schmerzen und Sensibilitätsstörungen, die bis in den
3. Finger ausstrahlen können, nicht selten auch eine Trizepspa-
rese.
앫 C6-Schädigung führt zu Schmerzausstrahlung in den Daumen,
Abschwächung des BR und/oder BRR und beim Vollbild zur
Brachioradialis- und/oder Bizepsparese
앫 Bei einer C8-Schädigung Triceps-Reflex ggf. abgeschwächt.
Schmerzen und Sensibilitätsstörungen strahlen meist bis in den
kleinen Finger aus. Paresen der kleinen Handmuskeln können
nachweisbar sein. In ausgeprägten Fällen findet sich ein Horner-
Syndrom.
Das Röntgenbild der HWS dient primär zum Ausschluss von Kno-
chendestruktionen. In den Schrägaufnahmen können die Forami-
na intervertebralia im Seitenvergleich beurteilt werden. Wenn eine
Liquordiagnostik wegen der Differentialdiagnose des entzünd-
lichen Prozesses geplant ist, empfiehlt sich ein Myelo-CT, in dem
sich Rückenmark und Bandscheiben meist noch klarer abgrenzen
lassen als im MRT. Ein EMG ist zur Frage des Ausmaßes der Schä-
digung notwendig. Bei der Frage der funktionellen Relevanz nach-
gewiesener Bandscheibenvorfälle kann ein pathologischer Befund
2 bei Ableitung der fraktionierten SEPs hilfreich sein.
Neuralgische Schulteramyotrophie
앫 Zunehmende – meist einseitige und nächtlich betonte – Schmer-
zen im Schulter- und Oberarmbereich, die innerhalb von Stun-
2
den bis Tagen ihr Maximum erreichen und mit dem Auftreten
von Lähmungen abklingen.
앫 Scapula alata
앫 Nach Paresen im Bereich des oberen Armplexus (Deltoideus,
Bizeps, Außenroller, Schulterblattmuskulatur) muss gefahndet
werden
앫 Sensibilitätsstörungen treten selten auf
앫 Der BR kann ipsilateral abgeschwächt sein.
Diagnostik: Liquor
110 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Schmerzhafte Schultersteife
앫 Häufig nach Immobilisation (Trauma, Hemiparese)
앫 Bewegungsabhängiger Schulterschmerz, der nicht durch HWS-
Rotation provoziert wird
앫 Die Kraft ist wegen schmerzbedingter Bewegungseinschränkung
meist nicht ausreichend zu prüfen
앫 In der Regel Inaktivitätsatrophie der Schultermuskeln
앫 Sensibilitätsstörungen oder Reflexabschwächungen fehlen.
Diagnostik: klinisch
2.10 Akuter Schulter-Arm-Schmerz 111
Weitere Ursachen
앫 entzündlich
– Polymyalgia rheumatica
앫 raumfordernd
– Syringomyelie
– Pancoast-Tumor
앫 mechanisch
– Thoracic-outlet-Syndrom
– Rotatorenhauben-Syndrom
앫 vaskulär
– Verschluss der A. subclavia
2
– Armvenenthrombose (Paget-v.Schroetter-Syndrom)
앫 bei Allgemeinerkrankungen
– übertragener Schmerz (Angina pectoris, Cholecystitis).
112 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
2 Fragen
Zunächst muss durch genaue anamnestische Rückfrage geklärt
werden, ob es sich um sensible Reizerscheinungen (Kribbeln,
„Ameisenlaufen“) oder um sensible Ausfallserscheinungen (Ge-
fühlsabschwächung, „taubes Gefühl“) handelt.
앫 Wie alt ist der Patient und welche Vorerkrankungen bestehen?
– Alter Patient mit vaskulären Risikofaktoren → vaskuläres Er-
eignis
– Mit unauffälliger Anamnese → Migräne, Multiple Sklerose
앫 Wie rasch ist die Gefühlsstörung aufgetreten?
– In Sekunden bis Minuten → zerebrale Ischämie, intrazere-
brale Blutung, sensible Anfälle, Migräne mit Aura
– Innerhalb von Tagen zunehmend → Multiple Sklerose
앫 Handelte es sich um flüchtige Gefühlsstörungen, die sich lang-
sam ausgebreitet haben?
– Mit nachfolgenden Kopfschmerzen → Migräne
– Mit stereotyper Wiederholung → sensible Anfälle.
Lokalisation
Die häufigen Läsionen der Großhirnhemisphären führen meist zu
einer Hemihypästhesie. Bei Läsionen im Thalamusbereich finden
2.11 Akute Kribbelparästhesien/ Gefühlsstörungen einer Körperseite 113
Intrazerebrale Blutung
앫 Oft Patienten im mittleren oder höheren Lebensalter mit Hyper-
tonie
앫 Akutes „apoplektiformes“ Auftreten
앫 Als isolierte Symptomatik nur bei kleinen intrazerebrale Blu-
tungen im Großhirnbereich
앫 Insgesamt bei isoliert sensibler Symptomatik sehr viel seltener
als ischämische Ursachen!
Diagnostik: CCT/MRT, kardiovaskuläre Diagnostik, Doppler- und
Duplexsonographie.
Beim Verdacht auf eine vaskuläre Ursache sollte zunächst ein CCT
durchgeführt werden, um eine Blutung sicher auszuschließen.
Ischämische Veränderungen sind computertomographisch insbe-
114 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Multiple Sklerose
앫 Junge Patienten
앫 Eher langsam in Stunden bis Tagen zunehmende Parästhesien
앫 Oft distal oder fleckförmig betonte Kribbelparästhesien wech-
2 selnder Intensität.
Diagnostik: MRT, evozierte Potentiale, Liquor
Das MRT des Gehirns zeigt auch bei klinischer Erstmanifestation
häufig bereits zahlreiche Entmarkungsherde. Dass es sich um de-
myelinisierende Herde und nicht um vaskuläre Läsionen handelt,
kann mit den evozierten Potentialen (VEP, SEP, MEP, AEP) nach-
gewiesen werden. Zumindest einmal ist eine Liquordiagnostik
erforderlich, um andere entzündliche Prozesse (Borreliose) aus-
schließen zu können und die Diagnose mit typischem Befund
(leichte Pleozytose, erhöhtes IgG, oligoklonale Banden positiv) zu
stützen.
Untersuchung
Erster Blick
앫 Alter Patient → vaskuläres Ereignis
앫 Junger Patient → Migräne, Multiple Sklerose.
Fragen
앫 Wie alt ist der Patient und welche Vorerkrankungen bestehen?
– Alter Patient mit vaskulären Risikofaktoren → vaskuläres Er-
eignis
– Junger Patient mit unauffälliger Anamnese → Migräne, Mul-
tiple Sklerose
앫 Wie rasch ist die Lähmung aufgetreten?
– In Sekunden bis Minuten → zerebrale Ischämie, intrazere-
brale Blutung, sensible Anfälle, Migräne mit Aura
– Innerhalb von Tagen zunehmend → Multiple Sklerose, Neo-
plasie
앫 Handelte es sich um eine flüchtige Lähmung, die sich langsam
ausbreitete und von Kopfschmerzen gefolgt wurde? → Migräne
앫 Ist die Lähmung nach einer Bewusstlosigkeit oder nach unwill-
kürlichen motorischen Entäußerungen aufgetreten? → Todd-
Parese nach fokalem oder sekundär generalisiertem Anfall.
Lokalisation
Rein motorische Lähmungen mit gleichartiger und proximal be-
tonter Störung an Armen und Beinen sprechen für eine lakunäre
2
Schädigung im Hirnstamm oder im Marklager des Großhirns.
Sensomotorische distal betonte Lähmungen, u. U. mit typischem
vaskulären Muster (brachiofazial betont = Versorgungsgebiet der
A. cerebri media, beinbetont = Versorgungsgebiet der A. cerebri
anterior) sprechen für eine kortikale Läsion.
Zusätzliche neuropsychologische Auffälligkeiten (Aphasie, Neg-
lect) finden sich – in der Regel – nur bei kortikalen Läsionen.
Krankheitsbilder
Zerebrale Ischämie
Intrazerebrale Blutung
Todd-Parese nach fokalen motorischen oder sekundär generali-
sierenden Anfällen
Migräne mit Aura
Hirntumor und Hirnmetastasen
Multiple Sklerose
Zerebrale Ischämie
앫 Meist ältere Patienten mit Gefäßrisikofaktoren
앫 Meist akutes „apoplektiformes“ Auftreten in Minuten bis Stunden
앫 Oft typisches Verteilungsmuster:
– Brachiofazial und distal betont bei Syndrom der A. cerebri
media
– Bein- und distal betont bei Syndrom der A. cerebri anterior
– Proximal betont und proportioniert bei Läsionen im Bereich
der Capsula interna oder der Hirnstammes
– Rein motorisch bei sogenannten lakunären Syndromen.
118 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Intrazerebrale Blutung
앫 Patienten im mittleren und höheren Lebensalter mit Hypertonie
앫 Akutes „apoplektiformes“ Auftreten
앫 Häufig untypisches Verteilungsmuster der Paresen und Ausfall-
symptome, ohne dass eine eindeutige Zuordnung zu einem vas-
kulären Versorgungsgebiet möglich ist
앫 Häufig bereits initiale Bewusstseinstrübung
앫 Häufig Kopfschmerzen.
Diagnostik: umfassend.
Beim ersten Auftreten einer Migräne mit Aura müssen selbstver-
ständlich alle vorgenannten DD sorgfältig ausgeschlossen werden!
Da dies insbesondere in Fällen ohne eindeutigen Migränekopf-
schmerz („Migraine sans migraine“) nicht sicher möglich ist, muss
die definitive Einordnung nach Durchführung der notwendigen
Ausschlussdiagnostik häufig offen bleiben.
Multiple Sklerose
앫 Junge Patienten
앫 Nur selten primäre Manifestation als akute Hemiparese
앫 Meist Entwicklung über einige Tage
앫 Vorausgegangene Schübe? Optikusneuritis?
앫 Entzündlich
– Enzephalitis
– Hirnabszess
앫 Vaskulitis
– Primäre ZNS-Vaskulitis
– Kollagenosen
– Arteriitis temporalis
앫 Bei infektiös entzündlichen Krankheiten (z. B. Zoster, Lues)
앫 Traumatisch
2 – Contusio cerebri
– Subdurales Hämatom
– Epidurales Hämatom
앫 Degenerativ (?)
– Chronisch subdurales Hämatom
앫 Zervikalmarkläsion
앫 Psychogen (sehr selten).
2.13 Akute Lähmung einer Hand 121
Krankheitsbilder
Radialisdruckschädigung
Infarkt der A. cerebri media
Migräne mit Aura
Postparoxysmale Lähmung
Multiple Sklerose
Psychogene Lähmung
2 Radialisdruckparese
앫 Meist nach dem Schlaf, häufig nach vorabendlichem Alkoholge-
nuss. Die Armposition während der Nacht (über der Bettkante,
unter dem Schlafpartner) kann die Druckschädigung erklären.
Die Lähmung ist nicht schmerzhaft
앫 Gelegentlich auch durch Druck nach Oberarmfrakturen verur-
sacht
앫 Paresen der Hand-, Finger- und Daumenstrecker. Eine Ab-
schwächung des BRR spricht für eine Schädigung am Ober-
arm
앫 Sensibilitätsstörungen werden vom Patienten in der Regel nicht
bemerkt und sind nur bei Untersuchung des Radialisautonom-
gebietes festzustellen.
Diagnostik: NLG, EMG
Mit der Elektroneurographie kann eine periphere Leitungsstörung
in der Regel nachgewiesen werden. Sichere Aussagen mit der Elek-
tromyographie über das Ausmaß der Nervenschädigung lassen sich
frühestens nach zwei Wochen machen. In den meisten Fällen hat
sich eine periphere Druckparese dann aber bereits wieder zurück-
gebildet.
Ein EMG ist frühestens 14 Tage nach der Schädigung bei persis-
tierenden Beschwerden sinnvoll!
Postparoxysmale Parese
앫 Gelegentlich ist ein Anfallsleiden bereits bekannt. Nach nächtli-
chem Zungenbiss oder Urinabgang sollte gefragt werden. Auch
124 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Multiple Sklerose
앫 Manchmal frühere Schübe mit Sehstörungen, Ataxie, Blasen-
störungen, Sensibilitätsstörungen oder Gangstörungen erfrag-
bar
앫 Papillenabblassung, Augenmotilitätsstörungen, Ataxie, Spastik
und Sensibilitätsstörungen möglich.
Diagnostik: MRT, evozierte Potentiale, Liquor
Im MRT lassen sich auch bei klinischer Erstmanifestation bereits
multiple Herde nachweisen. Verzögerungen der evozierten Poten-
tiale beweisen eine Demyelinisierung. Zumindest einmal sollten
andere Erkrankungen durch eine Liquordiagnostik ausgeschlossen
werden.
Psychogene Lähmung
앫 Manifestation meist nach Trauma oder akuter psychischer Belas-
tung
앫 Zum Teil dramatische Schilderung der Beschwerden. Bei ande-
ren Patienten Diskrepanz zwischen geringer subjektiver Beein-
trächtigung und scheinbar schwerem Funktionsausfall
앫 Paresen ohne Atrophie oder Tonusveränderung
앫 Seitengleiche Reflexe
앫 Falls Sensibilitätsstörungen angegeben werden, betreffen sie
meistens die gesamte Extremität
앫 Ein sichere lokalisatorische Zuordnung ist aus dem Befund in
der Regel nicht möglich.
2.13 Akute Lähmung einer Hand 125
Diagnostik: MEP, SEP, CCT (MRT) und ggf. EEG sollten zumindest
einmal durchgeführt werden, um eine beginnende Störung nicht
zu übersehen. Man sollte sich bemühen, klinisch die als gestört
demonstrierte Funktion nachzuweisen, ohne dabei den Patienten
bloßzustellen.
Weitere Ursachen 2
앫 Mechanisch
– Lokales Trauma
– Sehnenabriss
– Plexusanästhesie
앫 Neoplastisch
– Metastase im Armplexus
앫 Metabolisch
– Porphyrie
앫 Toxisch
– Bleiintoxikation.
126 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Krankheitsbilder
Lateraler Bandscheibenvorfall
Periphere Nervenschädigung
Diabetische Neuropathie
Beckenprozess
Spritzenlähmung
Ischämische Muskelnekrose
Hirninfarkt
Hirntumor
Lateraler Bandscheibenvorfall
앫 Besonders Rückenschmerzen im Bereich der LWS, die ins Bein
ausstrahlen. Meist anamnestisch bereits rezidivierende Lumbo-
ischialgien
앫 Beginn häufig bei Aufrichten oder schweren Heben, gelegentlich
auch subakut
앫 Bei der Untersuchung findet sich eine Bewegungseinschränkung
der LWS. Das Schober-Zeichen ist pathologisch. Ein positives
Lasègue-Phänomen läßt sich bei L5- und/oder S1-Schädigung
nachweisen. Paresen der Mm. extensor hall. longus und glut. med.
128 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Periphere Nervenschädigung
앫 Häufig treten Fußheberlähmungen auf, wenn der N. peronaeus
am Fibulaköpfchen durch den Druck eines Unterschenkelgipses
geschädigt wurde. Die Diagnose wird durch die Anamnese nahe-
gelegt. Eine zusätzliche Parese der Fußsenker beweist eine über
den N. peronaeus hinausgehende Schädigung.
앫 Ischiadikusschädigungen treten gelegentlich bei Oberschenkel-
frakturen, neoplastischen Prozessen im Beckenbereich oder
nach intraglutaealen Injektionen auf. Sie sind nahezu immer von
Schmerzen begleitet.
앫 Von einem Massenprolaps mit Schädigung der Wurzeln L5 und
S1 können sie dadurch differenziert werden, daß eine Schweiß-
sekretionsminderung der Fußsohle bei radikulären Schädigun-
gen niemals auftritt.
Diabetische/alkoholische Polyneuropathie
앫 Nicht selten ist ein Diabetes bis zum Nachweis einer Polyneuro-
pathie nicht bekannt.
앫 Im Rahmen einer Alkoholkrankheit tritt eine Polyneuropathie
meist erst auf, wenn sich aus dem klinischen Aspekt und den
Laborwerten deutliche Hinweise auf das Grundleiden ergeben. 2
앫 Schmerzen und Missempfindungen in den Füßen und Unter-
schenkeln werden regelmäßig initial auf „Durchblutungsstörun-
gen“ zurückgeführt.
앫 Im klinischen Befund weisen abgeschwächte Triceps-surae-Refle-
xe,vermindertes Vibrationsempfinden an den Malleolen und tro-
phische Störungen an den Füßen auf eine Polyneuropathie hin.
Beckenprozess
앫 Bei raumfordernden Prozessen im kleinen Becken treten zuerst
Schmerzen und/oder Sensibilitätsstörungen auf, dann die Pa-
rese. Gelegentlich ist die Beinplexusschädigung erstes Symptom
der Erkrankung.
앫 Bei akuter Symptomatik an retroperitoneales Hämatom durch
Trauma und/oder Antikoagulantienbehandlung denken.
Spritzenlähmung
앫 Typisch ist ein Sofortschmerz mit Parästhesien noch während
der Injektion.
앫 Paresen werden in der Regel erst später bemerkt, wobei die Fuß-
heber meist schwerer betroffen sind als die Fußsenker.
앫 Bei der Untersuchung ist die TSR-Abschwächung kaum hilfreich
zur Abgrenzung gegen ein S1-Syndrom.
앫 Beweisend sind die Sensibilitätsstörung im Autonomgebiet des
N. ischiadicus und eine Schweißsekretionsminderung unter der
Fußsohle.
Zerebrale Ischämie
앫 Typisch ist ein plötzliches Auftreten. Meist sind Hypertonus und
Diabetes aus der Vorgeschichte bekannt.
앫 Der Tonus des paretischen Beines ist zunächst schlaff. Ein Ba-
binski-Phänomen ist jedoch fast immer sofort nachweisbar. Eine
Reflexsteigerung tritt erst nach Tagen auf. Sensibilitätsstörungen
finden sich nicht regelmäßig. Eine – wenn auch geringe –
Störung der gleichseitigen Armmotorik beweist die zentrale Lä-
sion.
Diagnostik: CCT (MRT)
Ein isolierter Infarkt der A. cerebri anterior läßt sich im CCT meist
erst nach Tagen nachweisen. Die „Frühzeichen“ sind hier unzuver-
lässig. Im MRT lassen sich ein Anteriorinfarkt und auch lakunäre
Infarkte besser darstellen.
Hirntumor
앫 Gelegentlich „apoplektischer Beginn“ der Symptomatik. Meist
sind aber zumindest fremdanamnestisch bereits vorher psycho-
pathologische Auffälligkeiten nachweisbar
앫 Beinbewegung insgesamt plumper. Der TSR ist in der Regel be-
reits gesteigert. Sensibilitätsstörungen sind – falls vorhanden –
unscharf begrenzt
앫 Antriebsminderung oder Wesensänderung weisen auf eine fron-
tale Läsion hin.
2 Ein Hirntumor kann durch Kompression eines Gefäßes oder
Einblutung „apoplektisch“ beginnen!
Weitere Ursachen
앫 Entzündlich
– Zoster-Radikulitis
– Multiple Sklerose
– Poliomyelitis
앫 Degenerativ
– Amyotrophische Lateralsklerose
– Myotone Dystrophie
앫 Vaskulär
– Polyneuropathie vom Multiplex-Typ
– Spinale Durchblutungsstörung
앫 Traumatisch
– Wirbelsäulen- oder Beckenfraktur
– Schädel-Hirn-Trauma (Mantelkante)
앫 Epileptisch
– Postiktale Lähmung.
2.15 Akute proximale einseitige Beinschwäche 133
Untersuchung
Fragen
앫 Bestanden oder bestehen Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in
das betroffene Bein? → Wurzelschaden L3 oder L4 bei degene-
rativer LWS-Erkrankung
앫 Bestanden nächtlich betonte reißende Schmerzen? Liegt ein Dia-
betes mellitus vor? → Diabetische Amyotrophie
앫 Ist die Parese schmerzlos aufgetreten und ist der Patient mit
Antikoagulantien vorbehandelt? → Psoashämatom.
Lokalisation
Eine periphere proximale Lähmung kann durch eine Läsion der
peripheren Nerven (N. femoralis) des Plexus lumbalis, der Radizes
L2 bis L4 und schließlich (selten!) der Vorderhornzellen des Mye-
lons auf Höhe L2 bis L4 bedingt sein.
134 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Krankheitsbilder
Wurzelschaden L3 oder L4 bei degenerativer LWS-Erkrankung
Diabetische Amyotrophie
N. femoralis-Schaden bei Psoashämatom
Lumbale idiopathische Plexusneuritis
Diabetische Amyotrophie
앫 Meist ältere Patienten mit leichterem Diabetes mellitus
앫 Mit heftigem Oberschenkelschmerz beginnende, in wenigen Ta-
gen sich entwickelnde schlaffe proximale Beinparese, gelegent-
lich beidseitig
앫 Paresen von Hüftbeugern, Adduktoren, Kniestreckern in unter-
schiedlicher Ausprägung
앫 Geringe Hypalgesie im ventralen Oberschenkel
앫 Ausfall des Patellarsehnenreflexes
앫 Gute spontane Rückbildung in Wochen bis Monaten.
2.15 Akute proximale einseitige Beinschwäche 135
Lumbale Plexusneuritis
앫 Ähnlich dem Bild der diabetischen Amyotrophie
앫 Meist ohne fassbare Ursachen, gelegentlich para- oder postin-
fektiös oder als ischämische Plexopathie.
N. femoralis-Schaden
앫 Schmerzen und Taubheitsgefühl an der Vorderseite des Ober-
schenkels, über dem Knie und an der Innenseite der Unter-
schenkels
앫 Lähmung von Hüftbeugung und Kniestreckung
앫 Ausfall des Quadrizepsreflexes
2
앫 Häufig bei retroperitonealer Einblutung im Rahmen einer Mar-
cumarbehandlung.
앫 Beinreflexe
– abgeschwächt → Polyneuritis, Myositis
– gesteigert → Rückenmarksprozess
앫 Paresen
– proximal → Myositis, Polyneuritis
– distal → medialer Bandscheibenvorfall
앫 Sensibilitätsstörungen
– dissoziiert → intraspinaler Prozess
앫 Blasenstörungen → spinaler Prozess, Kaudaschädigung.
2
Krankheitsbilder
Spinale Raumforderung
Multiple Sklerose
Medialer Bandscheibenvorfall
Polyneuritis
Querschnittsmyelitis
Spinale Durchblutungsstörung
Myositis
Spinale Raumforderung
앫 Trauma und/oder Antikoagulantienbehandlung in der Anamne-
se können Hinweise auf eine raumfordernde Blutung sein; bak-
terieller Infekt oder Endokarditis sprechen eher für einen spina-
len Abszess
앫 Rückenschmerzen sind nicht obligat, radikuläre Schmerzen sind
Ausdruck einer extramedullären Raumforderung
앫 Bei Entzündung oder Destruktion ist die Wirbelsäule lokal
klopfschmerzhaft.
앫 Eine Spastik der Beine spricht gegen einen ganz akuten Prozess.
앫 Blasenstörungen fehlen selten. Die Bestimmung einer sensiblen
Obergrenze kann unzuverlässig sein.
Diagnostik: Rö-Wirbelsäule, spinales MRT, Tibialis-SEP, Liquor
Destruktionen oder Erweiterungen der Foramina intervertebralia
können im Röntgen-Nativbild erkannt werden.Aufnahmen der BWS
und HWS werden selbst bei unauffälliger LWS meist nicht durchge-
führt. Auch das MRT der LWS reicht nicht zum Ausschluss einer spi-
nalen Raumforderung. Möglichst soll klinisch entschieden werden,
in welcher Höhe bildgebende Diagnostik durchgeführt werden muss.
138 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Multiple Sklerose
앫 Meist jüngere Patienten oder bereits mehrere Schübe in der
Anamnese. Ein Infekt vor der akuten Manifestation ist häufig
앫 Schmerzen stehen in der Regel nicht im Vordergrund
2 앫 Initial schlaffe Paraparese mit früh nachweisbaren Pyramiden-
bahnzeichen. Bauchhautreflexe meist nicht auslösbar. Monoku-
lare Sehstörungen, Doppelbilder, Nystagmus, Ataxie oder zere-
belläre Sprache in der Anamnese oder bei der Untersuchung
machen die Diagnose wahrscheinlich.
Diagnostik: MRT, evozierte Potentiale, Liquor
Das MRT des Gehirns zeigt auch bei klinischer Erstmanifestation
häufig bereits zahlreiche Entmarkungsherde. Dass es sich um de-
myelinisierende Herde und nicht um vaskuläre Läsionen handelt,
kann mit den evozierten Potentialen (VEP, SEP, MEP, AEP) nach-
gewiesen werden. Zumindest einmal ist eine Liquordiagnostik er-
forderlich, um andere entzündliche Prozesse (Borreliose) oder Ent-
markungserkrankungen ausschließen zu können.
Medialer Bandscheibenvorfall
앫 Meist bestanden bereits früher LWS-Beschwerden.
앫 Im Vordergrund steht der Schmerz. Er verstärkt sich durch Hus-
ten und Nießen.
앫 Pathologisches Schober-Zeichen als Ausdruck der „Lendenstei-
figkeit“
앫 Triceps-surae-Reflexe können beidseits abgeschwächt sein
앫 Paresen der Fuß- und Zehensenker, der Glutaealmuskulatur und
Sphinkterlähmung.
Polyneuritis
앫 Häufig geht ein grippaler Infekt voraus. Auch Vorinfektionen
mit Epstein-Barr-Virus, Cytomegalie, Camphylobacter jejunii, 2
Mykoplasma pneumoniae, Masern, Varizellen oder Impfungen
sind typisch. Oft werden initial distale Extremitätenmissempfin-
dungen geklagt.
앫 Reflexe abgeschwächt oder ausgefallen. Proximale Paresen
äußern sich z. B. darin, dass die Patienten sich nicht vom Stuhl
erheben können. Die Paresen können innerhalb von Stunden
zunehmen.
Diagnostik: Liquor, Elektroneurographie, Atemzugvolumen
Der Liquor kann initial noch normal sein. Typisch ist ein erhöhtes
Eiweiß bei normaler Zellzahl. Elektroneurographisch kann man in
manchen Fällen schon früh verzögerte F-Wellen nachweisen. Ob-
ligat ist die Bestimmung des Atemzugvolumens, da der Prozess in-
nerhalb von Stunden die Atemmuskulatur befallen und eine Beat-
mung erforderlich machen kann.
Querschnittsmyelitis
앫 Der akute lokale Schmerz steht meist ganz im Vordergrund.
Nach Herzgeräuschen, einem pathologischen Lungenbefund
oder allgemeinen Infektzeichen muss gefahndet werden.
앫 Initial schlaffe Paraparese mit positiven Pyramidenbahnzeichen
앫 In der Regel eindeutige sensible Obergrenze.
Spinale Durchblutungsstörung
앫 Anamnestisch meist intermittierende radikuläre Schmerzen
앫 Initial beidseitige Hüftschmerzen oder von den Füßen anstei-
gende Schmerzen. Innerhalb von Sekunden bis Minuten ent-
wickelt sich eine Paraparese
앫 Initial schlaffe Paraparese
앫 Sensibilitätsstörung für Schmerz- und Temperatur mit Aus-
sparung des Sakralbereiches
앫 Bereits bei Beginn der Symptomatik Harn- und Stuhlinkontinenz.
2 Diagnostik: Rö-BWS (HWS), MRT, Liquor, Oberbauchsonogra-
phie, spinale Angiographie
Das Röntgenbild soll Destruktionen der Wirbelsäule ausschließen.
Im MRT muss der differentialdiagnostischen Frage einer Raum-
forderung nachgegangen werden. Auch der Liquor sollt zum Aus-
schluss einer entzündlichen Erkrankung erfolgen. In der Ober-
bauchsonographie kann gelegentlich ein Aortenaneurisma als Ur-
sache nachgewiesen werden. Eine spinale Angiographie ist nur bei
Verdacht auf eine Gefäßfehlbildung indiziert.
Akute Myositis
앫 In Anschluss an einen fieberhaften Infekt auftretende Muskel-
schmerzen
앫 Meist proximale Paresen bei erhaltenen Reflexen und ungestör-
ter Sensibilität.
Diagnostik: Labor (CK), EMG
Typisch ist eine deutliche CK-Erhöhung im Serum. Elektromyo-
graphisch lassen sich frühestens nach zwei Wochen Zeichen einer
floriden Myositis nachweisen.
Weitere Ursachen
앫 traumatisch
– Wirbelsäulentrauma mit spinalem Schock
– Spinale Blutung (traumatisch, Antikoagulantien)
앫 medikamentös
– Kortikoide, Lipidsenker
– Intrathekale Injektionen
앫 vaskulär
– Operationen mit Abklemmung der Aorta.
2.17 Akute Kribbelparästhesien der Füße 141
Untersuchung
Erster Blick
앫 Blässe, schlechter Allgemeinzustand → Funikuläre Spinaler-
krankung, paraneoplastische Polyneuropathie
앫 Fallfuß beidseits → Polyneuropathie, Kaudatumor
앫 Lendensteife → Lumbalkanalstenose.
Polyneuropathie
앫 Von Patienten (und Ärzten) häufig als Durchblutungsstörungen
oder vertebragene Beschwerden fehlinterpretiert
앫 Abgeschwächte Triceps-surae-Reflexe und strumpfförmige Sen-
sibilitätsstörungen (eventuell zusätzlich an den Händen) sind
meistens Ausdruck einer Polyneuropathie, insbesondere, wenn
keine Rückenschmerzen bestehen
앫 Paresen besonders an den Fuß- und Zehenhebern
앫 Proximal betonte Paresen (Patient kann nicht vom Stuhl aufste-
hen) sind suspekt auf eine Polyneuritis (Guillain-Barré-Syn-
drom/GBS).
Die Polyneuritis ist ein neurologischer Notfall, bei dem der Pa-
tient innerhalb von Stunden beatmungspflichtig werden kann!
Lumbale Spinalkanalstenose
앫 Vorwiegend bei älteren Patienten.
앫 Initial häufig Wadenkrämpfe
앫 Bds. Lumboischialgie beim Gehen
앫 Später bei längerem Laufen sensible und im weiteren Verlauf auch
motorische Störungen, die mehreren Wurzeln entsprechen.
2 Spinale Arachnopathie
앫 Nach Bandscheibenoperationen, aber auch nach Traumata oder
Subarachnoidalblutungen treten progrediente narbige Ver-
dickungen der Arachnoidea auf, die zur Einschnürung einzelner
oder mehrerer Wurzeln führen können.
앫 Intitiale Parästhesien, später auch sensible Ausfällen und Pa-
resen.
Diagnostik: MRT
Die MRT bietet als einzige diagnostische Methode eine sichere Dif-
ferenzierung zu einem Rezidivprolaps.
Funikuläre Spinalerkrankung
앫 Meist ältere Patienten, Vegetarier, Magenleidende oder -operier-
te. Häufig besteht eine Anämie, gelegentlich wird seit langem
Kalium eingenommen.
앫 Lagesinn und Vibrationsempfinden sind besonders an den unte-
ren Extremitäten gestört
앫 Muskulatur meist eher hypoton, Reflexe abgeschwächt oder ge-
steigert
앫 Im Verlauf immer Pyramidenbahnzeichen.
Spinaler Tumor
앫 Rückenschmerzen sind nicht obligat
앫 Häufig Potenz- und Blasenstörungen als Frühsymptome
앫 Im Verlauf in der Regel Gangstörungen
앫 Bei extramedullären Tumoren ist als Frühsymptom gelegentlich
eine „Interkostalneuralgie“ erfragbar
앫 Bis in die Füße ausstrahlende Schmerzen sprechen für einen Ko-
nus- oder Kaudaprozess
앫 Eine Reflexsteigerung an den Beinen spricht für einen Prozess
oberhalb des Rückenmarkssegments L4, eine Reflexabschwä-
chung der TSR für ein Konus- oder Kaudasyndrom. Typisch sind
2
hierbei perianale Sensibilitätsstörungen und Sphinkterinsuffi-
zienz
앫 Durch eine genaue Sensibilitätsprüfung lässt sich in der Regel
eine sensible Obergrenze bestimmen, die auf die Lokalisation
der Läsion hinweist.
Diagnostik: Rö-WS, Tibialis-SEP, MRT
Röntgenbilder der BWS und HWS werden in der Regel nicht
durchgeführt, obwohl extramedulläre Prozesse, die zuerst die Bah-
nen für die unteren Extremitäten beeinträchtigen, nachweisbar sein
können. Methode der Wahl ist das spinale MRT. Zur Differen-
zierung einer intramedullären Raumforderung von einer Demye-
linisierung sind Tibialis-SEPs indiziert.
Untersuchung
Fragen
앫 Ist dem Auftreten des Symptomatik ein (Bagatell-) Trauma vor-
ausgegangen? → Traumatisch bedingtes Querschnittssyndrom
앫 Sind der Querschnittssymptomatik heftige Rücken- bzw.
Nackenschmerzen vorausgegangen?
2 – Mit radikulärer Austrahlung → Bandscheibenvorfall
– Mit Fieber → Querschnittsmyelitis, epiduraler Abszess
앫 Finden sich in der Vorgeschichte Auffälligkeiten?
– Durchfallerkrankung, Impfung → Polyneuritis
– Fieberhafter Infekt → Querschnittsmyelitis
– Antikoagulation → epidurale Blutung
– Rezidivierende neurologische Ausfälle → Multiple Sklerose
앫 Wie rasch hat sich die Symptomatik entwickelt?
– Perakut → epidurale Blutung, Trauma
– Akut → Bandscheibenvorfall, Querschnittsmyelitis, Polyneu-
ritis
– Subakut → Polyneuritis
– Subchronisch → Multiple Sklerose
앫 Hat die Symptomatik mit „Kribbeln“ von Füßen und Händen
begonnen? → Polyneuritis
앫 Handelt es sich um eine belastungsabhängig auftretende Schwä-
che? → Neuromuskuläre Übertragungsstörung.
Krankheitsbilder
Traumatisches Querschnittssyndrom
Zervikaler medialer Bandscheibenvorfall
Querschnittsmyelitis
Multiple Sklerose
Spinale epidurale Blutung
Spinaler epiduraler Abszess
Akute idiopathische Polyneuritis (Guillain-Barré-Syndrom)
Traumatisches Querschnittssyndrom
앫 Im Rahmen der Unfallanamnese meist unschwer zu diagnosti-
zieren.
Querschnittsmyelitis
앫 Oft rasch progredientes meist hochgradiges Querschnittssyn-
drom mit initial schlaffen Paresen, querschnittsförmig begrenz-
2 ter Sensibilitätsstörung und Sphinkterlähmung
앫 Die Muskeleigenreflexe können anfangs fehlen (spinaler Schock!)
앫 Häufig Schmerz im Schulterblattbereich und vorausgegangene
Infekte.
Multiple Sklerose
앫 Meist langsam progrediente, asymmetrische und überwiegend
sensible Querschnittssyndrome.
Epiduraler Abszess
앫 Fieber, Allgemeinsymptome, fokale septische Erkrankung (z. B.
Pneumonie)
앫 Heftigster umschriebener Rückenschmerz
앫 Subakut einsetzende Querschnittssymptomatik.
앫 Dyskaliämische Lähmungen
앫 Chronische Hypokaliämie
2
2.19 Akuter Verwirrtheitszustand 151
Fragen an Begleiter
앫 Suchterkrankung → Entzugsdelir
앫 Vorinfekt → Herpesenzephalitis
앫 Apoplektiformer Beginn → Basilarisspitzen-Syndrom
앫 Trauma → Posttraumatische Psychose
앫 Diabetes → Hypo-/Hyperglykämie
앫 Schilddrüsenerkrankung → Hypo-/Hyperthyreose
앫 Medikamente → Intoxikation.
Krankheitsbilder
Delirium tremens
Hirnblutung
Enzephalitis
2 Epileptischer Dämmerzustand
Intoxikation
Posttraumatische Psychose
Stoffwechselstörungen
Demenz
Delirium tremens
앫 Meist nach Alkoholenzug (z. B. Krankenhausaufenthalt!), selten
auch nach Alkoholexzessen.
앫 Initial Schlafstörungen, Reizbarkeit, motorische Unruhe, Herz-
rasen, Schweißneigung und Zittern
앫 Vegetative Stigmata, Foetor alcoholicus, motorische Unruhe,
häufig Logorrhoe, Desorientiertheit mit Konfabulationen, illu-
sionäre Verkennungen, Halluzinationen, zusätzlich Tachykardie,
Tachypnoe, Hyperhidrosis, Mydriasis.
Hirnblutung
앫 Meist ältere Menschen, in der Regel mit bekanntem Hypertonus.
Die Symptomatik entwickelt sich innerhalb von Minuten.
앫 Bewusstseinstrübung, motorische Unruhe, häufig Erbrechen
und Halbseitenstörungen, die nicht dem typischen Bild eines
Mediainfarktes entsprechen.
앫 Kopfschmerzen stehen (außer bei der Subarachnoidalblutung)
nicht im Vordergrund.
Diagnostik: CCT
Das CCT ist in der Regel die sicherste und schnellstmögliche Me-
2
thode zur Diagnosestellung.
Enzephalitis
앫 Gelegentlich ist ein Vorinfekt eruierbar. Die Symptomatik ent-
wickelt sich innerhalb von Stunden.
앫 Subfebrile Temperaturen, Vigilanzminderung, Orientierungs-
störung, motorische Unruhe, fehlende Kohärenz des Denkens
und bei Herpesenzephalitiden im typischen Fall eine Aphasie.
Epileptischer Dämmerzustand
앫 Die Diagnose kann sehr schwierig sein, da der Patient für den
Anfall eine Amnesie hat. Fremdanamnestisch ggf. Hinweise auf
einen stattgehabten Anfall, ein bekanntes Anfallsleiden oder ein
früheres Schädel-Hirn-Trauma
앫 Zeichen einer früheren Schädelverletzung oder Halbseitenzei-
chen (faziale Parese, Hemiparese, Reflexdifferenzen) nachweis-
bar (sofern der Patient dies zulässt)
154 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Intoxikation
앫 Bei älteren Menschen muss immer an eine Medikamenteninto-
xikation gedacht werden, da hohe Dosierungen und eine Exsik-
kose ein hirnorganisches Psychosyndrom hervorrufen können.
Auch Suizidversuche, Drogenabhängigkeit, chronische Schmerz-
syndrome oder Depressionen in der (Fremd-)Anamnese können
richtungsweisend sein
앫 Neben der Fremdanamnese genaue Überprüfung der Medika-
mente und Dosierungen anhand der Roten Liste erforderlich
앫 Äußerliche Verwahrlosung als Hinweis auf Sucht oder chroni-
sche Psychose. Narben können Hinweise auf Verletzungen oder
Eingriffe geben
앫 Enge Pupillen sprechen bis zum Beweis des Gegenteils für eine
Intoxikation. Eine depressive Symptomatik muss an einen Sui-
zidversuch denken lassen.
Diagnostik: EEG, Medikamentenspiegel, Drogenscreening
Das EEG liefert schnell und zuverlässig Hinweise auf Benzodiazepin-
und Barbituratintoxikationen. Medikamentenspiegel sind bei be-
kannten Medikamenten auch hilfreich, wenn sie erst nach Stunden
oder Tagen erhältlich sind. Ein Drogenscreening der gängigen Sub-
stanzen ist in größeren Laboren in der Regel durchführbar.
2.19 Akuter Verwirrtheitszustand 155
Posttraumatische Psychose
앫 Gelegentlich nach Schädel-Hirn-Trauma (oder auch Trauma
mit direkter operativer Versorgung unter Narkose)
앫 Angstzustände, motorische Unruhe, inadäquates Verhalten oder
auffällige Verlangsamung
앫 Äußere Zeichen eines Schädeltraumas beachten!
앫 Neurologischer Befund in der Regel ohne zusätzlichen Auffällig- 2
keiten.
Diagnostik: Beobachtung, CCT
Meist klingt die Symptomatik innerhalb weniger Stunden ab. Bei
Persistenz muss eine traumatische Blutung durch CCT ausge-
schlossen werden.
Stoffwechselstörungen
앫 Mögliche Ursachen sind Diabetes, Schilddrüsen- oder Elektro-
lytstörungen, Leber- oder Nierenfunktionsstörungen, Porphyrie
und Hypophseninsuffizienz
앫 Myoklonien sprechen für Urämie, Leberkoma oder Elektrolyt-
störungen
앫 Vegetativer Tremor bei Hyperthyreose, „Flapping Tremor“ bei
Leberschädigungen
앫 Fehlende Achselbehaarung in Kombination mit auffälliger Bläs-
se kann Ausdruck einer Hypophyseninsuffizienz sein.
Diagnostik: Laborwerte
Blutzucker, Elektrolyte, Leber- und Nierenfunktionswerte werden
im Routinelabor überprüft. Bei unauffälligen Befunden und Hin-
weisen auf eine metabolisches Koma sollten die Schilddrüsenwer-
te, Porphyrine und zumindest Cortisol bestimmt werden.
Demenz
앫 Von zentraler Bedeutung ist die Fremdanamnese, wenn auch
Angehörige gelegentlich zur Bagatellisierung neigen
앫 Erste Auffälligkeiten besonders nach interkurrierenden Erkran-
kungen, Operationen oder nachts. „Kleine Schlaganfälle“ in der
Vorgeschichte sind typisch für eine vaskuläre Demenz
156 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Die Antikörper von Borrelien und Lues bilden sich nach Wochen
im Serum zurück. Sie sind dann nur noch im Liquor nachweis-
bar!
Weitere Ursachen
앫 Entzündlich
– Meningitis
앫 Vaskulär
– Subarachnoidalblutung
– Basilarisspitzensyndrom
– Zerebrale Vaskulitis
앫 Neoplastisch
– Hirnmetastasen
– Paraneoplastische Enzephalitis.
Richtungsweisende Untersuchungsbefunde
Bei Bewusstlosigkeit müssen die Vitalfunktionen (Atmung, Kreis-
lauf, Blutdruck) erhalten werden. Danach ist zu klären, ob es sich
158 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Ein Koma kann bedingt sein durch eine supratentorielle oder in-
fratentorielle Läsion, eine diffuse Hirnschädigung (enzündlich,
hypoxisch), eine metabolische Störung oder eine Intoxikation.
Krankheitsbilder
Intoxikation
Subarachnoidalblutung
(Meningo-)Enzephalitis
Schädel-Hirn-Trauma
Zerebrale Raumforderung
Metabolische Störung
Wernicke-Enzephalopathie
Basilaristhrombose
Sinusthrombose
Intoxikation
앫 Anamnestische Hinweise sind Suchterkrankung, Suizidalität,
Zunahme der Bewusstseinsstörung in Minuten bis Stunden
앫 Bei der Untersuchung auf Einstichstellen, Leberzeichen, Pupil-
lenweite und Augenmotilität achten.
Diagnostik: EEG, Blut- und Urinuntersuchung
Das EEG kann Hinweise auf eine Benzodiazepin- oder Barbiturat-
vergiftung geben. Zum qualitativen Drogennachweis stehen
Schnelltests zur Verfügung.
Subarachnoidalblutung
앫 Typisch ist der plötzlich auftretende „rasende“ Kopfschmerz in
„nie gekannter Intensität“. Neben spontanem Auftreten kann
körperliche Anstrengung (z. B. Pressen beim Stuhlgang) zum
Platzen eines Aneurysmas führen.
2.20 Progrediente Bewusstseinsstörung und Koma 161
Schädel-Hirn-Trauma
앫 Die (vom Begleitpersonal erhobene) Anamnese ist nur dann
nicht eindeutig, wenn eine primär zerebrale Erkrankung (Anfall,
Subarachnoidalblutung) zu dem Trauma geführt hat.
Zerebrale Raumforderung
앫 Typische fremdanamnestische Hinweise sind Wesensänderung,
2 progrediente Halbseitenstörung, epileptische Anfälle
앫 Stauungspapillen (Hirndruck), Pupillendifferenzen, Reflexdiffe-
renzen, Spastik.
Diagnostik: CCT, (MRT)
Für die Notfalldiagnostik ist das CCT in den meisten Fällen ausrei-
chend. Bei Verdacht auf einen Prozess in der hinteren Schädelgru-
be oder nahe der Schädelbasis ist ein MRT unabdingbar.
Metabolische Störung
앫 Fremdanamnestisch ist nach Hinweisen auf Diabetes, Leber-,
Nieren- oder Schilddrüsenerkrankungen zu fahnden
앫 Typischer Geruch möglich
앫 Myoklonien können bei urämischem oder hepatischem Koma
vorkommen
앫 Auffälligkeiten der Körpertemperatur lassen an eine Schilddrü-
senfunktionsstörung denken.
Diagnostik: Laborwerte
Der Blutzucker gibt Hinweise auf eine Hypo- oder Hyperglykämie,
erhöhte Leberwerte und ein Anstieg des Ammoniak sprechen für
eine Leberfunktionsstörung. Bei einer Urämie sind die Nieren-
retentionswerte deutlich erhöht. Die Schilddrüsenfunktionswerte
sind zum Nachweis einer Hypo- oder Hyperthyreose erforderlich.
Wernicke-Enzephalopathie
앫 Der äußere Aspekt und gegebenenfalls die Fremdanamnese
sprechen für einen chronischen Alkoholismus.
Sinusthrombose
앫 Anamnestisch sind Schwangerschaft, Exsikkose, Sepsis, bekann-
te Hyperkoagulabilität und/oder neu aufgetretene epileptische
Anfälle möglich
앫 Bewusstseinsstörung, zerebrale Mono-, Hemi- oder Tetraparesen
앫 Häufig positives Babinskiphänomen und Stauungspapillen
앫 Das klinische Bild kann entsprechend dem befallenen Sinus sehr
variabel sein.
Diagnostik: MRT, Liquor
Im MRT kann eine Sinusthrombose in den meisten Fällen eindeu-
tig dargestellt werden. Im Zweifelsfall spricht eine Liquorpleozyto-
se mit Erythrozyten für die Diagnose.
164 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Krankheitsbilder
Synkopaler Anfall
Idiopathischer epileptischer Anfall in der Adoleszenz
Idiopathischer epileptischer Anfall im Senium
Frühkindlicher Hirnschaden
Alkoholismus und „unvollständiges Alkoholdelir“
Z. n. Hirninfarkt oder intrazerebraler Blutung
Posttraumatische Anfälle
Anfälle bei Hirntumoren
166 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Komplex-partieller Anfall
2 Diese Art von Anfällen geht mit einer Bewusstseinsstörung und
einer Amnesie für das Ereignis einher. Der Patient erlebt zu Be-
ginn des Anfalls häufig eine Aura. Dann setzt die Bewusstseins-
störung ein, und es kommt zum Auftreten stereotyper motorischer
Schablonen wie Nesteln, Kauen, Schmatzen. Nach wenigen Minu-
ten sistieren diese und der Betroffene kommt langsam wieder zu
sich.
DD: plötzlicher Bewusstseinsverlust, amnestische Episode.
Generalisierter Anfall
Der Patient verliert abrupt das Bewusstsein. Kommt es vorher zu
einer Aura, so spricht dies für einen fokalen Beginn des Anfalls. Im
Anfall folgt einer tonischen Phase mit tonischer Verkrampfung der
Muskulatur eine klonische Phase mit rhythmischen Zuckungen der
Extremitäten. Der Anfall dauert in der Regel weniger als 5 Minuten.
Posttraumatische Anfälle
앫 Meist partielle, komplex-partielle oder sekundär generalisierte
Anfälle
앫 Häufig in den ersten Monaten oder Jahren nach SHT Grad II
oder III, sehr selten auch Spätmanifestationen.
앫 vaskuläre Demenz
앫 Demenz vom Alzheimertyp
앫 primäre zerebrale Vaskulitis
앫 zerebrale Beteiligung bei Vaskulitiden und Kollagenosen
앫 virale Enzephalitis
앫 virale oder bakterielle Meningoenzephalitis.
2
170 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Krankheitsbilder
Linkshirniger Infarkt der A. cerebri media
Hirntumor oder- abszess
Herpesenzephalitis
Postparoxysmaler Zustand
Migräne mit Aura
Sinusthrombose
Herpesenzephalitis
앫 Typischerweise kommt es nach einem Infekt zu plötzlichem Fie-
ber, epileptischen Anfällen und aphasischen Störungen
앫 Motorisch unruhige, meist vigilanzgestörte Patienten
앫 Globale oder gemischte Aphasie
앫 Bei ausgedehnteren Prozessen Hemi- oder Tetraparese.
Postparoxysmaler Zustand
앫 Ein stattgehabter Anfall kann meist nur fremdanamnestisch aus-
reichend sicher festgestellt werden. Gelegentlich können die Pa-
tienten (nachträglich) eine ihnen bereits bekannte Aura schildern.
앫 Kurz nach dem Ereignis aphasische Störung und meist Vigilanz-
minderung
앫 Positives Babinski-Phänomen oder armbetonte Hemiparese
sind vorübergehend möglich.
2.22 Akute Sprachstörung 173
Sinusthrombose
앫 Meist bei Frauen im gebärfähigen Alter
앫 Initial Kopfschmerzen und epileptische Anfälle
앫 Neurologische Ausfallserscheinungen entwickeln sich innerhalb
von Stunden
앫 Aphasie, kortikale Mono- und Hemiparesen, Hemianopsie,
Apraxie, Antriebsminderung, Vigilanzstörung und Fieber mög-
lich.
Diagnostik: MRT (CCT), ggf. Liquor, EEG
Der Nachweis einer Sinusthrombose gelingt im MRT nahezu im-
mer, im CCT dagegen selten. Entzündliche Prozesse in den Sinus
174 Neurologische Leitsymptome akut einsetzender Krankheitsbilder
Weitere Ursachen
앫 Anarthrie bei Hirnstammprozess oder beidseitigem Operkular-
syndrom
앫 Mutismus bei Schizophrenie oder Depression.
2
2.23 Akute Ataxie 175
Krankheitsbilder
2 Kleinhirnblutung/-infarkt
Intoxikation
Multiple Sklerose
Vestibuläre Störung
Wernicke-Enzephalopathie
Polyneuritis mit Hirnnervenbeteiligung
Postinfektiöse Enzephalitis
Kleinhirnblutung /-infarkt
앫 Initial Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und meistens auch
Bewegungseinschränkung im Nacken
앫 Spontannystagmus, verwaschene Sprache, Fallneigung und Ata-
xie in den Zeigeversuchen
앫 Eine Stauungspapille läßt sich in der Regel erst nach etwa 24 h
nachweisen.
Intoxikation
앫 Gelegentlich können Begleitpersonen über akute Konflikte oder
Verlusterlebnisse berichten. Meist erhält man bereits durch das
Begleitpersonal richtungsweisende Informationen. Nicht selten
findet sich auch ein Abschiedsbrief
앫 Neben Suizidversuchen müssen aber auch unbeabsichtigte Me-
dikamentenüberdosierungen oder -interaktionen erwogen wer-
den. Eine diesbezügliche Prüfung in der Roten Liste muss in un-
klaren Fällen erfolgen
앫 Insbesondere bei älteren Menschen kann neben medikamentö-
sen Einwirkungen eine begleitende Exsikkose die Symptomatik
2
verschlimmern. Intoxikationen durch berufliche Exposition
sind selten
앫 Bei der Untersuchung besonders auf Foetor alcoholicus, Ein-
stichstellen (Drogenintoxikation), vegetative Störungen (Hyper-
hidrosis, besonders häuig bei Alkoholkrankheit) und beinbeton-
te Ataxie (spricht eher für eine länger bestehende toxische Stö-
rung) achten.
Diagnostik: Spiegelbestimmung der vermuteten Intoxikationsstoffe.
Alkohol- und Medikamentenspiegelbestimmungen machen in der
Regel keine Probleme. Drogen können meist durch Screeningtests
zumindest qualitativ nachgewiesen werden. Der Nachweis indu-
strieller Gifte ist meist sehr zeitaufwändig zumal er in der Regel nur
in Speziallabors möglich ist.
Multiple Sklerose
앫 Meist jüngere Erwachsene, häufig anamnestisch frühere Schübe
앫 Optikusatrophie, Augenmotilitätsstörungen (besonders eine in-
ternukleäre Ophthalmoplegie), Spastik und/oder Wesensände-
rung sind möglich.
Bei 95% der Patienten findet sich eine Erhöhung der Titer für
Masern, Röteln und Zoster (MRZ) im Liquor!
Vestibuläre Störung
2 앫 Gelegentlich finden sich anamnestisch prodromale Infekte oder
Stresssituationen
앫 Drehschwindel und Fallneigung zur betroffenen Seite
앫 Meist mit bloßem Auge sichtbarer Nystagmus zur gesunden
Seite
앫 Übelkeit und Erbrechen sind obligat.
Wernicke-Enzephalopathie
앫 Anamnestisch finden sich meist ein langjähriger Alkoholismus
oder eine chronische Malnutrition.
Postinfektiöse Enzephalitis
앫 Betroffen sind fast ausschließlich Kinder. Anamnestisch sind
Varizellen, Masern oder entsprechende Impfungen richtungs-
weisend.
앫 Die neurologische Symptomatik tritt meist in der ersten Woche
nach dem Exanthem auf
앫 Gelegentlich epileptische Anfälle
앫 Ataxie, Nystagmus und meist Bewusstseinstrübung.
Diagnostik: Liquor
Beweisend ist eine Zellzahlerhöhung. Ein Erregernachweis gelingt
in den seltensten Fällen.
B D
Babinski-Phänomen 43, 44 Dämmerzustand,
Bandscheibenvorfall epileptischer 153
Index 183
Dauerkopfschmerz, Prüfung 54
medikamentöser 101 Störung 56
Delirium tremens 152 Gedächtnis 65
Demenz 155 Gesichtsfeld
Depression 101 Ausfall 8
Dermolexie 48 Prüfung 7, 8
Dissektion, A. carotis interna 86 Gesichtsschmerz 94
Doppelbilder 80 atypischer 95
Durchblutungsstörung, Schleudertrauma 108
spinale 140 Glasgow-Coma-Score 63
Dysdiadochokinese 55 Glaukom 96
Dysmetrie 55 Guillain-Barré-Syndrom 148
E H
Eineinhalb-Syndrom 16 Harndrang,
Enzephalitis 153, 161 imperativer 58 3
Herpes- 172 Harninkontinenz 58
postinfektiöse 179 Harnretention 58, 142
Epiduralabszess 148 Herpesenzephalitis 172
Epiduralblutung 148 Hirnabszess 171
Erblindung 73 Hirnblutung 113, 118, 153
psychogene 74 Anfall 168
Hirninfarkt 113, 117, 131
Anfall 168
F Hirnnerven 7
Faszikulation 34 Hirnschaden,
Faszikulieren 22 frühkindlicher 167
Fazialisparese 77 Hirnstamminfarkt 84, 87
Feinmotorik 34 Hirnstammischämie 91
Ferse-Knie-Versuch 53 Hirntumor 119, 132, 171
Fibrillieren 34 Anfall 168
Finger-Nase-Versuch 53 Horner-Syndrom 85
Fremdreflex 41 Hyperkinesie 33
Froment-Zeichen 28
Frühdyskinesie 103
Fußheberparese 126
I
Infarkt
A. cerebri media 122, 171
G Hirnstamm 87
Gang Kleinhirn 176
Apraxie 57 Retina 71
184 Index
S T
Sakkaden 14 Taschenmesserphänomen 33
Scapula alata 109 Temperaturempfindung 47
Schädel-Hirn-Trauma 161 Tibialis-posterior-Reflex 40, 41
Schleudertrauma 108 Todd-Parese 118
Schmerz Tonusanomalie 33
Empfindung 47 top of the basilar embolus 74
Gesichts- 94, 108 Tortikollis spasmodicus 104
Kopf- 97 Tremor 34
Schulteramyotrophie, Triceps-surae-Reflex 40, 41
neuralgische 109 Trigeminusneuralgie 95
Schulter-Arm-Schmerz 105 Trizepsreflex 37, 38
Schultersteife, Troemner-Reflex 44
schmerzhafte 110 Tumor
3 Schweißsekretion 59
Schwindel 88
Gehirn 119, 132, 168, 171
HWS 110
psychogener 92 Pancoast 86
Sehstörung 68 spinaler 145
Sensibilität
Prüfung 47
Störung, einseitige 112
U
Sinusitis 95 Unterberger Tretversuch 54
Sinusthrombose 100, 163, 173 Untersuchung
Söldersche Zonen 16 Affekt 66
Spannungskopfschmerz 99 Agnosie 62
Sphinkterlähmung 138 Antrieb 65
Spinalerkrankung, funikuläre 144 Aphasie 60
Spinalkanalstenose, lumbale 143 Apraxie 61
Sprachstörung Atrophie 32
akute 170 Augenhintergrund 7, 9
postparoxysmale 172 Augenmotilität 9
Spritzenlähmung 130 Babinski-Phänomen 43
Steppergang 56 Bauchhautreflex 41
Stereognosie 48 Feinmotorik 34
Stimmung 66 Fremdreflexe 41
Stoffwechselstörung 155 Gedächtnis 65
Störung Hirnnerven 7
metabolische 162 Hyperkinesie 33
vestibuläre 178 Intelligenz 66
vestibulookuläre 104 Koordination 53
Subarachnoidalblutung 100, 160 Kornealreflex 17
Index 187
Kraftprüfung 23 W
Masseterreflex 17
Muskeleigenreflex 36 Wallenberg-Syndrom 87
Nystagmus 20 Watschelgang 56
Orientierung 64 Wernicke-Aphasie 61
Pupillenmotilität 11 Wernicke-Enzephalopathie 162,
Reflexe 36 178
Sensibilität 47 Wimpernzeichen 19
Stimmung 66 Würgereflex 21
Tonusanomalie 33 Wurzelschaden L3, L4 134
Tremor 34
Würgereflex 21
Z
Zahnradphänomen 33
V Zentralarterienverschluss 70
Verwirrtheitszustand, akuter 151 Zentralvenenverschluss 70
Vestibularisausfall 90 Zoster ophthalmicus 96 3
Vibrationsempfindung 48 Zoster oticus 78
Vorhalteversuch 23 Zosterradikulitis 109