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11 Anleiten, Informieren,

Beraten und Edukation

Ein erfolgreicher Lernprozess setzt zudem voraus, zu er-


kennen: Wie lernt dieser Mensch am besten, welchem Lern-
typ entspricht er? Eine angemessene und damit verstehbare
Sprache ist ebenfalls unerlässlich, außerdem konstruktives
11.1 Einführung Feedback.
Beratung (S. 18) unterscheidet sich vom Anleiten, da es
! Merke Zentrale Aufgaben nicht so sehr darum geht, Allgemeingültiges zu vermitteln.
Das subjektive Erleben von Ratsuchenden ist das Thema in
Kommunikation, Anleiten, Informieren, Beraten und Edukation sind
der Beratung.
wesentliche Aufgaben von Pflegefachkräften, v. a. in der Alten- und
Edukation (S. 19) verbindet Anleiten, Informieren und Be-
Langzeitpflege.
raten. Sie möchte Pflegeempfangende und ihre Angehörigen
zu Experten der Erkrankungen, Pflegeschwerpunkten und
Anleiten bedeutet, dass Pflegeempfänger mit Einschränkun-
gesundheitsrelevanten Aspekten machen. Ein Beispiel für
gen befähigt werden, sich ganz oder teilweise selbst zu ver-
Orte, an denen Edukation stattfindet, sind z. B. Pflegestütz-
sorgen. Es ist eine professionelle und ressourcenerhaltende
punkte.
Alternative zur Vollübernahme pflegerischer Interventio-
nen. Es geht immer auch darum, Lernprozesse anzustoßen.
Dies ist besonders wichtig im Bereich Alten- und Langzeit-
pflege, weil die Pflegeempfänger dort häufig zunehmende
11.2 Anleiten
Einschränkungen im kognitiven Bereich haben, es gleichzei-
tig aber wichtig ist, dass sie trotzdem möglichst lange ihre
Eigenständigkeit behalten. Gleiches gilt für Angehörige. Beispiel Anleitung bei Diabetes
Auch sie benötigen u. U. Wissen über die Erkrankung und
ihre Behandlung (Informieren), um z. B. ihre Partner zu un- Frau Ette* (83 Jahre alt) befindet sich auf einer internistischen
terstützen. Station im Akutkrankenhaus. Der Verdacht auf Diabetes melli-
Ob ein Lernprozess erfolgreich verläuft, hängt auch davon tus Typ II wurde diagnostisch bestätigt und Frau Ette sofort mit
ab, wie Pflegefachkräfte die Situation gestalten. Wichtig ist Insulin eingestellt. Nach dem Krankenhausaufenthalt möchte
z. B., zu motivieren. Wenn Pflegeempfangende verstehen, Frau Ette zurück in ihr Landhaus im Schwarzwald, wo sie mit
warum sie etwas machen sollen, steigt meist die Complian- ihrem Ehemann lebt. Sie möchte zukünftig die Blutzuckermes-
ce. Es kann auch hilfreich sein, Lehrmaterial wie Filme, Gra- sung und die Insulininjektionen selbst übernehmen. Ihr Ehe-
fiken oder Bilder einzusetzen, denn sie fördern das Verste- mann möchte sie unterstützen – das Ehepaar braucht also An-
hen. leitung durch das Pflegefachpersonal.
*Fallgeschichte fiktiv; Name frei erfunden

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Motivierend anleiten ▶ S. 14
Anleiten
Anleitung von Angehörigen ▶ S. 14

Informieren Ablauf der Information ▶ S. 15

5 Schritte der Beratung ▶ S. 18


Beraten
Beratungsformen ▶ S. 18

Das Kapitel vermittelt


Edukation in Pflegestützpunkten ▶ S. 19
Kompetenzen im KB II
Edukation
(va. II.1 und II.2)
Gesetzliche Verankerung von Edukation ▶ S. 19

Definition Anleiten ● Am Adressaten orientieren: Pflegefachkräfte sollten die


Anleiten heißt: Pflegeempfänger durch Zeigen oder gezielte Anwei- anzuleitende Person in ihrer Lebensrealität verstehen. Bei-
sungen in die Lage zu versetzen, sich ganz oder teilweise selbst zu spielsweise brauchen Pflegeempfänger mit demenziellen
versorgen. Anleiten ist gewissermaßen der Gegenspieler zur Voll- Erkrankungen eine andere Anleitung als Menschen ohne
übernahme von (pflegerischen) Interventionen. Anleiten bedeutet kognitive Einschränkungen. Die Wahl einer angepassten
außerdem Lernprozesse anzustoßen. Kommunikation ist deshalb sehr wichtig.
● Wertschätzen und akzeptieren: Die anzuleitende Person
Pflegefachpersonen finden im beruflichen Alltag viele Anlei- hat ein Kompetenzdefizit, das die Anleitung möglichst
tungssituationen. Wenn diese sinnvoll genutzt werden, pro- ausgleichen soll. Wichtig ist, die anzuleitende Person nicht
fitieren nicht nur Pflegeempfänger und deren Angehörige, zu bewerten, weil sie ein Defizit hat bzw. etwas nicht weiß
sondern auch Pflegende. Ziele des Anleitens: oder kann – Anleitende wählen eine unvoreingenommene
● Pflegeempfänger sollten angeleitet werden, um ihre Res- Haltung.
sourcen zu nutzen, aufrechtzuerhalten und so möglichst ● Geduld: Auch wenn die anzuleitende Person sich schwer-
eigenständig ihre (pflegerische) Versorgung zu überneh- tut, muss die anleitende Person geduldig bleiben und Wie-
men. derholungen anbieten. Ansonsten ist der Lernerfolg ge-
● Angehörige sollten angeleitet werden, um sie in die Pflege fährdet.
der Pflegeempfänger einbeziehen zu können. ● Rückversichern und wiederholen: Bei der Anleitung sollte
sich die anleitende Person (z. B. die Pflegefachkraft) rück-
! Merke Vorteile von Anleitung versichern, ob die angeleitete Person (z. B. der Pflegeemp-
fänger) verstanden hat, was zu tun ist – manchmal ist
Anleitung stärkt die Selbstständigkeit und das Selbstwertgefühl von
Wiederholung ratsam. Rückmeldung ist nötig, um heraus-
Pflegeempfängern, sie integriert Angehörige sinnvoll und entlastet
zufinden, was die angeleitete Person benötigt, um mög-
die Pflegepersonen.
lichst selbstständig zu werden.
Ob eine Anleitungssituation erfolgreich ist, hängt maßgeb-
lich davon ab, wie und in welchem Kontext sie stattfindet. ! Merke Anleitung bei Demenz
Anleitungen sollten diese Kriterien berücksichtigen: Vor allem bei Menschen mit demenziellen Erkrankungen sind Wie-
● Am Bedarf orientieren: Die anzuleitende Person wird nur derholung und Geduld äußerst wichtig, da die kognitiven Einschrän-
zu den Belangen angeleitet, die nötig sind. Anleitung, die kungen die Merkfähigkeit stark beeinträchtigen können.
nicht dem individuellen Bedarf entspricht, kann zu negati-
ven Gefühlen und Frust führen.

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11 Anleiten, Informieren, Beraten und Edukation

11.2.1 Motivierend anleiten 11.2.2 Anleitung von Angehörigen


Wenn Menschen pflegebedürftig werden, sind auch die An-
gehörigen oft mit betroffen. Je nach dem, was der Grund für
Beispiel Anleitung bei Diabetes – Fortsetzung die Pflegebedürftigkeit ist, sind Angehörige sehr belastet
(z. B. bei Krebsdiagnosen). Gefühle wie Hilflosigkeit, Angst
Für Frau Ette war die Diagnose Diabetes mellitus ein richtiger und Aggression können die Folge sein. Nicht selten werden
Schock. Zunächst dachte Frau Ette an ihren früheren Nach- Pflegefachkräfte Opfer von emotionalen Entladungen der
barn, der auch an Diabetes mellitus litt und gravierende Folge- Angehörigen. Teil der Professionalität von Pflegefachkräften
erkrankungen hatte. Frau Ette dachte, sie könne nie wieder üp- ist es, diese Emotionen einzuordnen und nicht persönlich zu
pige Speisen genießen. Nun, da der Schock verdaut ist, kann nehmen.
sich Frau Ette mit ihrer Erkrankung auseinandersetzen und sich Während dieser emotionalen Ausnahmezustände macht
auf die Anleitung zur Blutzuckermessung und Insulininjektion Anleitung – auch für Angehörige – keinen Sinn. Nachdem
einlassen. Die Pflegefachkraft, die die Anleitung durchführt, sich allerdings emotionale Ausnahmezustände etwas abge-
lässt sich dabei Zeit und achtet darauf, die beiden nicht zu flacht haben, ist nicht nur die Anleitung von Pflegeempfän-
überfordern. Man spürt, wie die beiden Eheleute aufatmen und gern sehr wichtig, sondern auch die der Angehörigen.
Vertrauen fassen, dass sie die Aufgabe gemeinsam meistern Mithilfe von Anleitung können Angehörige lernen:
können. ● Was sie für Ihren geliebten Menschen, der Pflege benötigt,

tun können (z. B. seelischer Beistand)


● Wo sie Hilfe in Anspruch nehmen können (z. B. Seelsorge
Bei Anleitungen ist das Motivieren enorm wichtig, um das
für Angehörige, Pflegeberatung etc.)
Interesse aufrechtzuerhalten oder gar zu steigern: Warum
● Wie sie möglichst zur Normalität zurückkehren können
sollte ein Ziel verfolgt werden und weshalb ist diese Anlei-
(z. B. Reisen trotz dialysepflichtiger Niereninsuffizienz)
tung sinnstiftend? Wer begreift, warum eine Anleitung nö-
tig ist, dessen Motivation steigt. Fühlt sich eine angeleitete
Angehörige sind i. d. R. sehr dankbar, wenn Pflegekräfte sich
Person jedoch überfordert, verliert sie die Motivation.
Zeit für sie nehmen und ihnen zuhören. Hier können Ängste
Dabei sollte die Anleitung Schritt für Schritt erfolgen und
und Nöte verbalisiert werden – es darf nicht unterschätzt
von positiven Rückmeldungen begleitet sein. So unterstützt
werden, welche Bedeutung dies für Angehörige hat. Durch
man die Motivation, das Zutrauen, dass man die Aufgabe
eine aktivere Rolle der Angehörigen in der Gestaltung der
meistern kann und vermeidet Überforderung.
Pflege Ihrer Familienmitglieder, fühlen sich Angehörige
mehr gebraucht und weniger hilflos und schuldig. Die Bezie-
Wohlbefinden herstellen • Damit Anleitung gelingen kann,
hung zwischen Angehörigen und Pflegeempfänger kann
braucht es außerdem ein Mindestmaß an Wohlbefinden,
aufrechterhalten werden oder sich gar intensivieren. Dies
wobei die Anstrengungen, die unternommen werden müs-
stellt ein Gewinn für Pflegeempfänger dar. Auch die Bezie-
sen, um beim Pflegeempfänger dieses Wohlbefinden herzu-
hung zwischen Pflegefachkräften und Angehörigen kann so
stellen, sehr verschieden sein können. Menschen, die z. B.
gestärkt werden. Aus ursprünglich „schwierigen“ Familien-
Schmerzen oder emotionale Belastungen haben, können
angehörigen, können wichtige Partner der Pflegefachkräfte
sich auf Anleitung kaum einlassen – ihnen fällt es in ihrer Si-
werden.
tuation schwer, sich zu fokussieren und zu konzentrieren.
So müssen Pflegefachkräfte ein Gefühl dafür entwickeln,
wann Pflegeempfänger für eine Anleitung bereit sind, ggf. WISSEN TO GO
kann auch nachgefragt werden.
Auch Druck und Stress wirken kontraproduktiv bei Anlei-
tung und Lernen. Pflegefachkräfte können Eselsbrücken, Anleiten
Anekdoten oder z. B. Humor nutzen, um die Situation auf- ● Anleiten:
zuhellen und eine lernfreundliche Stimmung zu erzeugen. – Anweisungen, um Pflegebedürftige in die Lage zu ver-

! Merke Motivation setzen, sich selbst zu versorgen.


– Angehörige miteinbeziehen
Freude am Lernen fördert die Motivation. ● Anleiten erfordert:
– Orientierung am Bedarf und Adressaten
Lernaufgabe Freude am Lernen – wertschätzen und akzeptieren
Überlegen Sie, welches die schlimmste Lernsituation in Ihrer schu- – Geduld
lischen Biografie war. Was hat diese Situation für Sie unangenehm – rückversichern und wiederholen
gemacht? Überlegen Sie dann, wie die Situation für Sie hätte besser ● Wie anleiten?
sein können. Nutzen Sie Ihre Erfahrungen, um Anleitungssituationen – Motivieren ist enorm wichtig, da es Interesse und Ver-
für die Adressaten angenehm zu gestalten. ständnis fördert.
– Information geeignet strukturieren, z. B. über Schritt-
für-Schritt-Anleitung
– Verständnis über Medien fördern (z. B. Bilder, Filme)
– Lerntyp finden und ansprechen, z. B. über Hören, Se-
hen, Fühlen

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Informieren

11.3 Informieren Lerntypen ansprechen


Jeder Mensch lernt anders. Manche Menschen lernen am
besten, in dem sie zuhören (auditive Lerntypen), andere
Menschen lernen am effizientesten, wenn sie zuschauen
Beispiel Anleitung bei Diabetes – Fortsetzung 2 können (visuelle Lerntypen). Und wiederum andere Men-
schen, müssen die Dinge selbst – mit ihren eigenen Händen
Die zuständige Pflegefachkraft bespricht mit Frau Ette, wann – durchführen (taktil-haptische Lerntypen). Aufgabe für die
ein realistischer Zeitpunkt ist, dass sie die Blutzuckermessung Pflegefachkraft ist, durch Beobachten herauszufinden, wel-
und die Insulininjektion beherrscht. Sie berücksichtigt Frau Ettes chem Lerntyp der von ihr betreute Pflegempfänger am
Selbsteinschätzung. Dabei verfährt sie so, dass sie ihr erst er- ehesten zuzuschreiben ist.
klärt, wie sie eine subkutane Insulininjektion durchführt, bevor
sie ihr beschreibt, was Insulin ist und wie sie mit dem Medika-
ment umgeht.
Abb. 11.1 Schlüssel-Schloss-Prinzip.

Definition Informieren
Bei dieser Maßnahme werden Pflegeempfänger über Fakten, die bei- Zelle
spielsweise ihren Gesundheitszustand betreffen, in Kenntnis gesetzt,
sodass sich der Pflegeempfänger informiert fühlt.

Das „Wie“ der Informationsvermittlung entscheidet über


den Lernerfolg. Wichtig ist, dass der Pflegeempfänger eine
Struktur erkennen kann. Meist sind chronologische Hand-
lungsschritte ein sinnvoller roter Faden. Generell ist sinnvoll,
zuerst eine Ist-Analyse vorzunehmen. Danach wird ein Infor-
mations-Ziel gesetzt und dann erst folgt die eigentliche In-
formationsvermittlung:

11.3.1 Ablauf der Information Glucose


IST-Standerhebung
Gemeinsam mit dem Pflegeempfänger sollte geklärt wer- Insulin
den:
● Welche Vorkenntnisse liegen vor?
● Welche Vorerfahrungen liegen vor?
● Welche besonderen Ressourcen und Probleme liegen vor,

die beim Anleiten und Lernen mitgedacht werden müs-


sen?
Blutbahn

ZIEL-Vereinbarung
Auch beim Lernen soll die Zielsetzung klar sein. So sollte im-
mer geklärt werden, welche Kompetenz(en) der Pflegeemp-
fänger erwerben soll. Ziele sollten:
● gemeinsam formuliert werden
● positiv formuliert sein („… ist in der Lage …“ statt

„… macht nicht mehr den Fehler, dass …“)


● konkret und gleichzeitig realistisch formuliert sein
● messbar und damit überprüfbar sein
Zelle

Informationsvermittlung
Das Schlüssel-Schloss-Prinzip ist ein Beispiel für ein Bildgleichnis,
Wer Informationen vermittelt, sollte unterschiedliche „Ka-
das komplexe Vorgänge (hier: die Pathophysiologie von Dia-
näle“ des Lernenden ansprechen. Videomaterial, Bild- und
betes mellitus und die Wirkweise von Insulin) so erklärt, dass
Anschauungsmaterialien können die Information untermau-
Pflegeempfänger diese gut verstehen können.
ern. Dies erhöht nachweislich den Lerneffekt.

Beispiel Anleitung bei Diabetes – Fortsetzung 3


Das Ehepaar Ette hat noch nicht so recht verstanden, was Insu-
lin im Körper bewirkt, wie gespritzt wird und was die Erkran-
kung Diabetes mellitus ist. Das Ehepaar bittet die zuständige
Pflegefachkraft um Informationen. Diese greift zu einem Bild-
modell (▶ Abb. 11.1), mit dem das Ehepaar die Erkrankung
leichter verstehen kann.
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11 Anleiten, Informieren, Beraten und Edukation

nicht nur die Wortwahl, sondern auch paraverbale (z. B.


Stimmlage) und nonverbale Sprache (z. B. Mimik und Ges-
Beispiel Anleitung bei Diabetes – Fortsetzung 4 tik) gemeint.

Frau Ette hat schon mehrfach zugesehen, wie Pflegefachkräfte Feedback


bei ihr die Blutzuckermessung durchführen. Sie hat sich auch
Feedback sollte die Lernprozesse begleiten – z. B. Rückmel-
schon einige Erklärungen angehört. Nun fragt die Pflegefach-
dungen zum Fortschritt einer zu erlernenden Kompetenz.
kraft, ob sie nun schon allein injizieren könne. Frau Ette sagt:
Damit wissen Pflegeempfänger, wo sie sich im Lernprozess
„Nein, ich glaube nicht. Ich muss die Dinge immer erst ein
befinden und was sie ggf. anpassen sollten, um das verein-
paarmal selbst probieren, um zu begreifen, wie die einzelnen
barte Lernziel zu erreichen.
Schritte funktionieren“. Die zuständige Pflegefachkraft ver-
Beginnt ein Feedback mit positiven Aspekten, erhält der
steht, dass Frau Ette ein taktil-haptischer Lerntyp ist.
Lernende ein positives Gefühl und öffnet sich dem Gespräch.
Er kann dann gut konstruktive Kritik annehmen und ver-
Lernprozess 4-stufig gestalten werten. Der Abschluss mit Positivem lässt den Lernenden
mit einem guten Gefühl aus dem Gespräch gehen, das ihn
Soll eine neue Fertigkeit erworben werden, ergibt es Sinn,
motiviert, die konstruktive Kritik umzusetzen.
den Lernprozess bzw. die Anleitung in 4 Stufen zu planen
Diesen Aufbau eines sinnvollen und zielführenden Feed-
(▶ Abb. 11.2). Beim Anleiten und Informieren ist es zudem
backs kann man sich am Beispiel des sogenannten „Feed-
wichtig, eine angemessene Sprache einzusetzen. Damit ist
back-Burgers“ veranschaulichen. (▶ Abb. 11.3).

Abb. 11.2 4 Stufen des Lernprozesses.

a b

c d

a Stufe 1: Bei der Hospitation hat der Lernende eine passive Rolle. Er verschafft sich lediglich einen Eindruck über die zu erlernende
Tätigkeit. (Im Fallbeispiel: Frau Ette sieht der Pflegefachkraft zunächst nur zu, wie sie die subkutane Insulininjektion durchführt.)
b Stufe 2: Bei der Assistenz assistiert bzw. unterstützt der Lernende den Anlernenden bei der entsprechenden Tätigkeit. Der Lernen-
de ist nun aktiv involviert, jedoch nicht allein. (Im Fallbeispiel: Frau Ette lässt die Pflegefachkraft die Insulininjektion durchführen,
allerdings assistiert sie, indem sie die Pflegefachkraft bei einzelnen Schritten unterstützt – z. B. beim Einstellen des PENs mit den
verordneten Insulineinheiten.)
c Stufe 3: Bei der Ausführung übernimmt der Lernende eigenständig die zu erlernende Tätigkeit. Der Anlernende beaufsichtigt die
Ausführung und gibt ein Feedback. (Im Fallbeispiel: Frau Ette führt unter Aufsicht der Pflegefachkraft die Insulininjektion selbst
durch.)
d Stufe 4: Eigenverantwortlichkeit: Ohne jegliche Beaufsichtigung übernimmt der Lernende die Tätigkeit und trägt auch die Ver-
antwortung für sein Handeln. (Im Fallbeispiel: Frau Ette führt – ohne jegliche Aufsicht – die Insulininjektion selbst durch.)
Foto: K. Oborny, Thieme

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Informieren

Konstruktive Kritik funktioniert über Ich-Botschaften. Abb. 11.3 Feedback-Burger.


Eine Ich-Botschaft verdeutlicht, dass es sich um die subjekti-
ve Empfindung des Senders einer Botschaft handelt. Ein Bei-
Feedback beginnt immer
spiel für eine Ich-Botschaft lautet: „Ich finde du solltest ein-
mit einem oder mehre-
fühlsamer auf Frau Ette eingehen.“. Dadurch kann Kritik for- Lob
ren positiven Aspekten.
muliert werden, ohne dabei bedrohliche oder verletzende
Aussagen zu treffen. Generalisierte Aussagen wie z. B. „Du
Konstruktive Kritik mit
hast im Umgang mit Patienten kein Einfühlungsvermögen.“, Tipp Verbesserungsvor-
sollten möglichst vermieden werden.
schlägen folgt.
Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass die erste Vari-
ante (Ich-Botschaft) einen wesentlich konstruktiveren und Feedback endet mit
weniger bedrohlichen Charakter aufweist. Lob einem oder mehreren
positiven Aspekten.

Der Feedback-Burger visualisiert, wie Feedback aufgebaut sein


Beispiel Anleitung bei Diabetes – Fortsetzung 5 sollte.

Frau Ette injiziert sich heute das erste Mal Insulin unter Aufsicht
einer Pflegefachkraft. Sie ist sichtlich nervös, zittert ein wenig
und ist sehr hastig. Sie vergisst zunächst das Anheben einer WISSEN TO GO
Hautfalte an der Injektionsstelle am Oberschenkel, auf was sie
ihr Ehemann hinweist. Nach der Injektion fragt Frau Ette die
Informieren
zuständige Pflegefachkraft: „War das so okay?“.
Die Antwortet lautet: „Frau Ette, toll, dass Sie sich überwun-
4-stufiger Lernprozess
den haben, sich selbst zu spritzen. Sie haben das schon sehr
● 1. Stufe Hospitation: Lernende bleiben passiv
gut gemacht. Ich hatte den Eindruck, dass Sie sehr nervös sind
● 2. Stufe Assistenz: Lernende werden unterstützt
– das ist natürlich verständlich. Es ist wichtig, dass Sie eine
● 3. Stufe Ausführung: Lernende übernehmen Tätigkeit
Hautfalte an der Injektionsstelle bilden, da Sie sonst uner-
unter Aufsicht
wünscht in den Muskel spritzen könnten. Sie und Ihr Ehemann
● 4. Stufe Eigenverantwortlichkeit: Lernende überneh-
scheinen ein gutes Team zu sein. Mit ein bisschen Übung ha-
men Tätigkeit ohne Aufsicht
ben Sie das Handling schon sehr bald verinnerlicht. Sie haben
nahezu alle Handlungsschritte fehlerfrei durchführen können“. Feedback geben
● begleitet konstruktiv den Lernprozess
● gleicht Lernprozess für beide Seiten ab
● beginnt und endet möglichst mit positiven Rückmeldun-

gen
● enthält Ich-Botschaften

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11 Anleiten, Informieren, Beraten und Edukation

Im Fallbeispiel: Frau Ette ist nun bewusst geworden, dass


11.4 Beratung sie mit Blutzuckermessungen und mit der Wahrnehmung
von körperlichen Anzeichen, eine Hyper- oder Hypoglykä-
Definition Beratung mie erkennen kann. Ihr Ehemann ist auch fast immer bei
Beratung beschreibt die Vermittlung von Informationen, die zur Be-
ihr und unterstützt sie. Ihr Nachbar, der ebenso Diabetes
wältigung von Problemen beitragen.
mellitus hat, kennt sich zur Not auch bestens mit der Er-
krankung aus.
Beratung unterscheidet sich grundlegend vom Anleiten und ● Schritt 5: Problem lösen. Mit den gewonnenen Ideen und
Informieren, da es nicht so sehr darum geht, Allgemeingülti-
Einschätzungen, kann der Ratsuchende aktiv werden. Er
ges zu vermitteln. Vielmehr steht das subjektive Erleben der bringt seine Lösungen auf den Weg und geht das Problem
Ratsuchenden im Mittelpunkt von Beratungsgesprächen.
somit an.
Beratung geht von subjektiv empfundenen Problemen
Im Fallbeispiel: Frau Ette möchte sich nun schlau machen,
aus. Sie bietet Hilfe, damit der Ratsuchende mithilfe seiner
welche körperlichen Anzeichen für eine Blutzuckerentglei-
Ressourcen sein Problem lösen kann. Beratung ist ein kom- sung sprechen. Somit kann sie im Zweifel Fehler bei der
plexer Prozess, der auf 5 wesentliche Schritte herunter-
Insulintherapie bei sich erspüren. Ihr Ehemann und ihren
gebrochen werden kann (▶ Abb. 11.4).
Nachbarn möchte Frau Ette ebenso in ihre Ängste einwei-
hen und bereits frühzeitig um Hilfe bitten.
11.4.1 Die 5 Schritte der Beratung
● Schritt 1: Vertrauensvolle Beziehung aufbauen. Nur wenn 11.4.2 Beratungsformen
eine wechselseitige Akzeptanz und Wertschätzung vor-
Beratung ist Teil des Pflegeprozesses. Ohne den Dialog zwi-
liegt, kann die Beratung funktionieren. schen Pflegefachkraft und Pflegeempfänger ist Pflege nicht
Im Fallbeispiel: Frau Ette mag Pfleger Klaudio nicht, da er
möglich. Das Selbstbestimmungsgebot von Pflegeempfän-
nicht auf ihre Bedürfnisse eingeht. Frau Ette wünscht sich
gern gibt vor
eine Beratung zum Diabetes mellitus, aber Klaudio wird ● Wahlmöglichkeiten anzubieten und
sie nicht fragen. Sie hofft, dass die Pflegefachfrau Hermine ● individuelle Entscheidungs- und Lösungsansätze zu res-
morgen wieder im Dienst ist. Mit ihr hat sie eine vertrau-
pektieren.
ensvolle Beziehung aufgebaut und bei ihr kann sie sich
vorstellen, Rat zu suchen. Probleme und Ressourcen sowie der Mensch selbst sind die
● Schritt 2: Problem erkennen. Thema des Konflikts heraus-
drei Eckpfeiler, die bei der Beratung berücksichtig werden
finden. Ratsuchenden in einem einfühlsamen Gespräch
müssen.
unterstützen, seine Probleme zu benennen. Grundsätzlich lassen sich 2 Formen der Beratung unter-
Im Fallbeispiel: Pflegefachfrau Hermine ist wieder im
scheiden: die fachliche Beratung und die persönliche Bera-
Dienst und Frau Ette hat die Möglichkeit, ihren Rat zu su-
tung (▶ Tab. 1.1).
chen. Durch gezielte Fragen hilft Hermine Frau Ette dabei,
Ängste wegen der Insulintherapie auszusprechen.
● Schritt 3: Problem analysieren. Das Problem wird genau
analysiert, z. B.: Seit wann besteht das Problem? Was hat
das Problem ausgelöst? Was verstärkt das Problem?
Beispiel Anleitung bei Diabetes –
Im Fallbeispiel: Die Pflegefachfrau Hermine stellt Frau Ette Negativbeispiel
einige Fragen. Frau Ette äußert, dass sie Angst habe, zu
Hause einen Fehler mit dem Insulin zu machen, der ge- Klaudio, der Pflegefachmann, den Frau Ette nicht gut leiden
fährlich für ihr Leben sein könne. Dieses Problem sei neu kann, sagt zu Frau Ette: „Die Pflegerin Hermine hat mir erzählt,
und werde durch die bevorstehende Entlassung verstärkt. dass Sie Angst vor Insulinfehlern haben. Ich würde Ihnen raten,
● Schritt 4: Lösung suchen. Ist das Problem konkretisiert, einen mobilen Pflegedienst zu engagieren. Sie sind alt und
kann der Ratsuchende Schlussfolgerungen ziehen – z. B. möglichweise schon bald vergesslich. Stellen sie sich vor, was
Zusammenhänge erkennen, Vergleiche ziehen oder Abwä- alles passieren kann“. Frau Ette fühlt sich gekränkt, bevormun-
gungen formulieren. det und so, als hätte sie eine verbale Ohrfeige bekommen.

Abb. 11.4 Die 5 Schritte der Beratung.

1. Beziehung aufbauen 3. Problem analysieren 5. Problem lösen

2. Problem erkennen 4. Lösung suchen

Eine erfolgreiche Beratung läuft schrittweise ab und endet mit der Problemlösung.

18
Edukation

Tab. 1.1 Die 2 Formen der Beratung.

fachliche Beratung persönliche Beratung

● thematisiert Sachprobleme, die durch bestimmte Maßnahmen ● Hier geht es um individuelle Lebenswirklichkeiten, bei denen es
gelöst werden können, z. B. keine handfeste Lösung gibt, z. B. beim Umgang mit Krankheit
– Hilfsmitteleinsatz und Tod.
– angepasste Einrichtung der Wohnung bei Pflegebedürftigkeit ● Es soll vermittelt werden, dass sich der Ratsuchende verstanden
● Klare Informationen sind hier wichtig. fühlt und seine Ängste, Probleme und Sorgen aussprechen kann.
● Ratschläge sind erwünscht, solange dem Pflegeempfänger bzw. ● Informationsgabe und Ratschläge sind sensibel einzusetzen –
den Angehörigen die Entscheidung selbst obliegt. denn: „Auch Ratschläge können Schläge sein“.

§ 7b Abs 1 und 2 SGB XI – Beratungsgutscheine


11.5 Edukation ●
● § 7c SGB XI – Pflegestützpunkte, Verordnungsermächti-
gung
Definition Edukation ● § 8 SGB XI – gemeinsame Verantwortung
Edukation verbindet Anleiten, Informieren und Beraten. Sie hat das ● Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) regelt Anspruch,
Ziel, Pflegeempfangende und deren Angehörige zu Experten von Er-
Umfang und Erstattung der Maßnahmen und des Materi-
krankungen, Pflegeschwerpunkten und gesundheitsrelevanten As- als der Patientenedukation im ambulanten Bereich
pekten zu machen. ● § 33 SGB V – Verordnung Hilfsmittel
● § 37 SGB V – Anspruch auf häusliche Krankenpflege
11.5.1 Edukation in ● § 132a SGB V – Vergütung häuslicher Krankenpflege

Pflegestützpunkten Die Paragrafen können Sie im Original-Wortlaut nachlesen


Ein möglicher Ort für Pflegeempfangende und ihre Angehö- unter: www.gesetze-im-internet.de/volltextsuche.html
rigen Edukation zu erhalten sind die in allen Regionen (Suchwort: SGB)
Deutschlands vorzufindenden Pflegestützpunkte. Ihre Ar-
beit wird wie folgt beschrieben:
„In einem Pflegestützpunkt werden die Beratung und die
Vernetzung aller pflegerischen, medizinischen und sozialen Beispiel Anleitung bei Diabetes – Ende
Leistungen gebündelt. Der Pflegestützpunkt bildet das ge-
meinsame Dach, unter dem sich die Mitarbeiterinnen und Frau Ette besucht eine Schulung für Diabetes mellitus in einem
Mitarbeiter der Pflege- und Krankenkassen, der Altenhilfe Patienten-Informations-Zentrum (PIZ). Hier erlernt sie in einer
und der Sozialhilfeträger untereinander abstimmen und Hil- professionellen pädagogischen Umgebung, alle relevanten As-
fe suchenden Betroffenen ihre Sozialleistungen erläutern pekte bzgl. ihrer Erkrankung und den alltäglichen Umgang mit
und mit Rat zur Seite stehen. Anspruchsberechtigte können Diabetes mellitus. Frau Ette lernt sehr viel und wird zum Exper-
die Pflegeberatung auch in einem Pflegestützpunkt wahr- ten ihrer Erkrankung. Nun steht Frau Ette nichts mehr im Wege,
nehmen (Bundesministerium für Gesundheit 2021).“ einen Lebensabend in ihrem Landhaus im Schwarzwald zu ge-
nießen – trotz Diabetes mellitus.
ACHTUNG
Edukation von Pflegeempfängern setzt wesentliche Ressourcen vo-
raus, so z. B. kognitive Fähigkeiten, die neue Lerninhalte erfassen
können. WISSEN TO GO

11.5.2 Gesetzliche Verankerung von Beratung

Edukation ● vermittelt nicht Allgemeingültiges


● geht aus von subjektiv empfundenem Erleben und Pro-
Das Sozialgesetzbuch regelt in unterschiedlichen Paragrafen blemen
diverse Ansprüche und Grundlagen von Edukation für Pfle- ● ist Teil des Pflegeprozesses – fachliche und persönliche
geempfänger und deren Angehörige: Beratung
● § 7a SGB XI – Pflegeberatung ● Pflegestützpunkte bündeln Beratung und Vernetzung al-
● § 17 Absatz 1a SGB XI – Richtlinien der Pflegekassen ler pflegerischen, medizinischen und sozialen Leistungen
● § 37 SGB XI – Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen
● § 12 SGB IX – Maßnahmen zur Unterstützung der frühzei-
5 Schritte der Beratung
tigen Bedarfserkennung
● vertrauensvolle Beziehung aufbauen
● Problem erkennen
● § 40 SGB XI – Hilfsmittelversorgung
● Problem analysieren
● § 81 SGB XI – Verfahrensregelung
● Lösung suchen
● §§ 88–92 SGB X – Sozialverwaltungsverfahren
● Problem lösen
● § 94 Absatz 1 Nummer 8 SGB XI – personenbezogene Da-

ten bei den Pflegekassen Edukation


● § 46 Abs. 3 Satz 1 SGB XI – Verwaltungskosten der Pflege-

kassen
● Edukation: verbindet Anleiten, Informieren und Beraten
● § 123 SGB XI – Beratung Pflegebedürftiger und ihrer Ange-
● Ziel: Pflegeempfangende und Angehörige werden zu Ex-
hörigen perten von Erkrankungen, Pflegeschwerpunkten und ge-
sundheitsrelevanten Aspekten.

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