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Walter Haase
Patrick Teuffel
Der vorliegende Artikel gibt eine grundlegende Übersicht über adap- ordneten Steuerungs-Regelungsprozeß aktiviert werden.
tive Systeme. Dabei werden zunächst die elementaren Grundlagen Der Steuerungs-Regelungsprozeß selbst wiederum be-
vorgestellt und die Funktionsweisen adaptiver Systeme erläutert. zieht seine Eingangssignale von Sensoren, also Elemen-
Daran anschließend werden die sich bei der Einführung adaptiver ten, die physikalische Zustände oder deren Veränderung
Systeme in das Bauwesen ergebenden Möglichkeiten am Beispiel erkennen können.
adaptiver Gebäudehüllen und adaptiver Tragwerke aufgezeigt.
Im idealen Fall können die Einzelemente Sensorik,
Aktuatorik, Steuerungs-Regelungsprozeß und Struktur
Adaptive systems. This paper provides a basic overview over adap-
tive systems. Fundamental basics are presented as well as an expla-
integrativ verschmolzen werden, so daß selbsttätig erken-
nation of the functionality of adaptive systems. The implementation of nende, regelnde und manipulierende Teile einer Struktur
adaptive systems into the field of architecture and civil engineering die Selbstanpaßbarkeit des Gesamtsystems gewährleisten.
creates new possibilities which are demonstrated with two examples: Man spricht hier auch, wobei wir diese Bezeichnungs-
adaptive enclosures and adaptive structures. weise nicht favorisieren, von „intelligenten“ Werkstoffen
(teilweise auch als „smart materials“ bezeichnet), intelli-
genten Bauteilen oder intelligenten Konstruktionen.
Die Idee einer Selbstanpaßbarkeit von Menschen-
1 Einleitung hand hergestellter Systeme insgesamt ist nicht neu.
Jedoch erst die technisch-wissenschaftlichen Entwick-
Unsere gebaute Umwelt ist statisch, im Gegensatz zur lungen der letzten Jahre lassen die Verwirklichung der
lebenden Natur antwortet sie nicht auf die Veränderun- Idee in greifbare Nähe rücken [1], [2]. Das Bauschaffen
gen ihrer Umgebung. Andererseits wäre es naheliegend, muß sich aktiv an diesen Entwicklungen, die auch die
tragende Konstruktionen zu konzipieren, welche die in gebaute Umwelt der Zukunft entscheidend verändern
ihnen entstehenden Beanspruchungszustände unter ver- werden, beteiligen. Neben den zu erbringenden tech-
schiedenen Einwirkungen auf der Basis selbststeuernder nisch-wissenschaftlichen Entwicklungen sind dabei auch
Prozesse so manipulieren, daß Spitzenbeanspruchungen architektonische und soziologische Aspekte zu berück-
einzelner Bauteile oder Bauteilbereiche zugunsten einer sichtigen. Der zugehörige Diskurs ist deshalb interdiszi-
Homogenisierung der Beanspruchungsverteilung insge- plinär zu führen.
samt vermieden werden. Eine ingenieurmäßige Analyse Nachfolgend werden, im Sinn eines spezifischen
dieser Überlegung zeigt, daß auf diese Weise in teilweise Beitrags zu diesem Diskurs, einige elementare Grund-
erheblichem Maße Eigengewicht einer Konstruktion ein- lagen und Überlegungen zu selbstanpassenden Systemen
gespart, Verformungen reduziert und Schwingungen unter aus technisch-wissenschaftlicher Sicht dargelegt.
dynamischer Beanspruchung gedämpft werden können.
Allein die Einführung adaptiver Tragwerke in den Leicht- 2 Elementare Grundlagen
bau käme einer bautechnischen Revolution gleich. 2.1 Adaptronik
Vergleichbare Überlegungen lassen sich auch auf Die Adaptronik umfaßt den gesamten, von der Entwick-
weitere Bereiche des Bauens übertragen, beispielsweise lung über die Herstellung bis zur Verwendung adaptiver
auf die Hüllsysteme der Gebäude, welche auf Verände- Systeme reichenden Technologiebereich. Sie verfolgt das
rungen der Außen- wie der Innenwelt aufgrund ihrer kon- Ziel, mechanische, optische, akustische und andere Sy-
stanten physikalischen Eigenschaften nur durch – eigent- steme mit Hilfe von Sensoren und Aktuatoren in einem
lich immer wieder unbefriedigende – Maßnahmen reagie- Regelkreis zu verschalten, um auf diese Weise äußeren
ren können. Würde man es sich zum Ziel setzen, eine physikalischen Einwirkungen auf das System in einer als
selbstgesteuerte Anpassung der Gebäudehülle in ihren geeignet oder sogar optimal erachteten Weise entgegen-
bauphysikalischen Eigenschaften allgemein, d. h. bei- zutreten. Idealerweise bestehen Aktuator und Sensor
spielsweise in ihrer Lichttransmission, ihrer Schallab- durch Einsatz multifunktionaler Werkstoffe nur noch aus
sorption, ihrer Energiereflektion etc., zu implementieren, einem Element.
so würde man zu einer Hüllenlösung gelangen, die für
unterschiedlichste Umgebungssituationen stets optimale 2.2 Sensorik
Innenraumsituationen herbeiführt. Unter einem Sensor versteht man ein Bauteil, das infolge
Systeme, die sich mit Hilfe selbstgesteuerter oder der Einwirkung oder der Veränderung einer Einfluß-
selbstorganisierter Vorgänge aktiv verändern, bezeichnet größe ein Signal abgibt. Einflußgrößen sind beispiels-
man als adaptive Systeme. Adaptive Systeme bestehen weise Weggrößen und deren zeitliche Veränderungen,
aus einer mit ihrer Umgebung in Wechselwirkung ste- Druck, Wellen unterschiedlichster Frequenz oder Fre-
henden Struktur. Anpassungsvorgänge der Struktur er- quenzbereiche (Infrarotwellen, Mikrowellen etc.). In vie-
544 folgen durch sog. Aktuatoren, die durch einen überge- len Fällen können die Einflußgrößen über Distanzen und
berührungslos gemessen werden, wodurch auch Ver- Die einfachsten Arten von Aktuatoren sind Hy-
schleißfreiheit gegeben ist. Darüber hinaus ermöglicht draulik- und Pneumatikzylinder sowie elektrische Stell-
die Sensortechnologie bereits heute sehr kompakte Bau- antriebe. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von
weisen, so daß Sensoren von extremer Kleinheit nicht kleineren, robusteren und wesentlich wartungsärmeren,
mehr als Besonderheit gelten. teilweise sogar wartungsfreien Aktuatoren, von denen die
Ein Bauteil, das zumindest teilweise aus einem wichtigsten nachfolgend kurz skizziert werden sollen.
„smart material“ besteht und das infolge der Einwirkung Piezoelektrische Aktuatoren (Bild 1) verwenden den
einer Einflußgröße eine Antwort freisetzt, kann ebenfalls umgekehrten piezoelektrischen Effekt: Das Anlegen
als Sensor bezeichnet werden. einer Spannung verformt die Dipole und verursacht eine
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Sensortech- Dehnung des Materials. Piezokeramiken und Piezopoly-
nologien. Zu den wichtigsten gehören die faseroptischen mere können zur Herstellung von piezoelektrischen
Sensoren, die piezoelektrischen Sensoren und die Senso- Aktuatoren verwendet werden. Bekannte Beispiele für
ren auf CMOS-Basis. Materialien mit diesen Eigenschaften sind Blei-Zirko-
Faseroptische Sensoren werden verwendet, um phy- nium-Titanat (PZT) als keramischer Werkstoff und Poly-
sikalische Eigenschaften in Systemen zu messen. Neuer- vinyliden-Fluorid (PVDF) als Polymer.
dings werden sie auch zur Messung chemischer Eigen- Verschiedene Parameter beeinflussen die Längen-
schaften verwendet. änderung von piezoelektrischen Aktuatoren: die elek-
In den meisten Fällen können faseroptische Senso- trische Feldstärke, die Länge, die auf den Aktuator wir-
ren gleichzeitig als Signalgeber und als kommunizieren- kende Kraft und die piezoelektrischen Materialeigen-
des Medium verwendet werden. Die Technologie der schaften. Hinsichtlich der Druckbelastbarkeit von Piezo-
faseroptischen Sensoren ist relativ weit entwickelt, und keramik unterscheidet man zwischen der mechanischen
speziell das Zusammenwirken von Signalen, die infolge und der praktischen Langzeitbelastbarkeit. Die Bruch-
von Temperatur und Dehnungen hervorgerufen werden, spannungen liegen bei Werten bis zu 250 N/mm2, in der
ist bekannt. praktischen Anwendung sollten die Spannungen 20 bis
Piezoelektrische Sensoren werden primär im Be- 30 % der mechanischen Belastbarkeit nicht überschrei-
reich der Dehnungsmessung eingesetzt. Der piezoelektri- ten, um eine Depolarisation zu vermeiden. Die Zugbe-
sche Effekt bezeichnet die Fähigkeit eines Materials, lastbarkeit beträgt aufgrund der Sprödheit des Materials
mechanische Spannungen in ein elektrisches Feld umzu- nur ca. 5 bis 10 % der Druckbelastbarkeit. Zugbean-
wandeln und umgekehrt. Er basiert auf dem Zusammen- spruchte Aktuatoren werden daher in der Regel mecha-
hang zwischen der elastischen Verformung eines Werk- nisch vorgespannt.
stoffs und der zugehörigen Umorientierung der elektri- Ein weiterer Effekt, der den Zusammenhang zwi-
schen Dipole in der Kristallstruktur des Werkstoffs. Der schen elektrischer und mechanischer Spannung kenn-
Effekt wurde erstmals 1888 von Jacques und Pierre zeichnet, ist die Elektrostriktion. Sie tritt in allen Werk-
Curie beobachtet. Der piezoelektrische Effekt tritt bei stoffen auf. Im Gegensatz zu piezoelektrischen Materia-
Piezokeramiken und Piezopolymeren auf. Die Entwick- lien sind elektrostriktive Materialien nicht polarisiert. Bei
lung der Technologie piezoelektrischer Sensoren ist weit ihnen tritt durch Anlegen einer Spannung, unabhängig
fortgeschritten und in der Literatur umfassend darge- vom Vorzeichen, immer eine Verlängerung, deren Betrag
stellt. Wichtige Weiterentwicklungen werden auf dem proportional zum Quadrat der angelegten Spannung ist,
Gebiet der piezoelektrischen Verbundwerkstoffe, z. B. in auf. Besonders ausgeprägt ist der elektrostriktive Effekt
Kombination mit glas- oder kohlefaserverstärkten Kunst- bei Blei-Mangan-Niobat:Blei-Titanat (PMN:PT).
stoffen, erwartet. Hierbei ist es möglich, ein künstliches Piezoelektrische und elektrostriktive Materialien ha-
Nervensystem in das Bauteil zu integrieren, das z. B. ben einiges gemeinsam: Bei beiden Arten handelt es sich
Schäden am Bauteil registrieren kann. In einer Reihe von um keramische Materialien mit schnellen Reaktions-
Anwendungen haben sich Piezopolymere, wie Polyvinyl- zeiten; die Steifigkeiten betragen jeweils 50 000 N/mm2
fluorid (PVF), als Alternative zu piezokeramischen Sen- bis 100 000 N/mm2. Bei elektrostriktiven Materialien tre-
soren bewährt. ten jedoch geringere Dehnungen auf als bei piezoelektri-
Die CMOS-Technik (Complementary Metal Oxide schen Materialien; des weiteren arbeiten sie in einem
Silicon) erlaubt die Herstellung von Mikrosensoren, mit kleineren Temperaturbereich. Piezoelektrische Polymere
denen der Druck von Flüssigkeiten und Gasen, Tempe- eignen sich aufgrund ihrer geringen Steifigkeit weniger
raturen, Luftströmungen, Feuchtigkeit, Wärmefluß, Be- für Aktuatoren, sondern mehr für sensorische Aufgaben.
schleunigungen, magnetische Felder sowie Licht in allen Die Bauformen von piezoelektrischen Aktuatoren
Spektralbereichen gemessen werden können [6]. können im wesentlichen in drei Kategorien eingeteilt
werden: Stapel-, Laminar- und Biegeaktuatoren (Bild 1).
2.3 Aktuatorik Um den Nachteil der geringen Stellwege auszugleichen,
Aktuatoren sind Bauteile, die bei Beanspruchung durch sollte auf Hebelmechanismen zurückgegriffen werden.
Einwirkungen (wozu beispielsweise elektrische, magne- Häufig werden Aktuatoren bereits mit integrierten Hebel-
tische, thermische oder chemische Anregungen gehören) übersetzungen angeboten.
ihre Geometrie und/oder ihre mechanischen Eigenschaf- Magnetostriktive Aktuatoren basieren auf dem ma-
ten verändern. Damit können sie als Stellelemente ver- gnetostriktiven Phänomen, das die Volumenänderung von
wendet werden, mittels derer die Geometrie und/oder Materialien infolge der Einwirkung eines magnetischen
der Beanspruchungszustand in einer Struktur manipu- Feldes beschreibt. Man spricht von positiver Magneto-
liert werden können. striktion bei einer Expansion des Materials und von ne- 545
Bild 6. Modell des Entwurfes eines Zentrums für audiovisuelle Medien, Metafort in Aubervilliers, Paris. Isometrie mit (links) und
ohne Gebäudehülle (rechts). Architekten: Finn Geipel und Nicolas Michelin, Paris. Ingenieure: Werner Sobek Ingenieure, Stuttgart
Fig. 6. Model of the center for audiovisual technologies, Metafort in Aubervilliers, Paris. Isometric view on top of the cover (left)
and without cover (right). Architects: Finn Geipel und Nicolas Michelin, Paris. Engineers: Werner Sobek Ingenieure, Stuttgart
4 Selbstanpassende Tragwerke
4.1 Systeme zur Beeinflussung der resultierenden – adaptive Stellflügel bei weitgespannten Brücken, ins-
Einwirkung besondere Hänge- und Schrägseilbrücken, mittels derer
4.1.1 Passive Systeme die Windumströmung des Brückendecks beeinflußt wird
Die passiven Systeme zur Beeinflussung der resultieren- – adaptive Türme, die einen aerodynamisch besonders
den Einwirkung sollen hier zur Abgrenzung gegenüber effektiven bzw. günstigen Querschnitt besitzen, der je-
den aktiven Systemen erwähnt werden. Man unterschei- weils in die Windrichtung gedreht wird
det mehrere Methoden: – adaptive Tragflügel, die durch Querschnittsverände-
rung auf unterschiedliche Anstellwinkel und/oder Flug-
Passive Formadaption geschwindigkeiten reagieren mit dem Ziel, stets optima-
Die Struktur ändert ihre Geometrie lokal und/oder glo- le aerodynamische Eigenschaften zu erzielen. Hierdurch
bal. Ein Beispiel hierfür wäre die sich in die Windrich- kann einerseits die Flugsicherheit erhöht und anderer-
tung drehende Struktur, was beispielsweise bei Türmen seits der Treibstoffverbrauch verringert werden.
in gewissem Umfang denkbar wäre. – adaptive Rotorblätter: Rotorblätter erleiden in ihrem
Betrieb sehr hohe Beanspruchungen durch aerodyna-
Passive Massendämpfer mische Turbulenzen. Um den unterschiedlichen Strö-
Diese Systeme werden typischerweise zur Dämpfung von mungsverhältnissen bei vorlaufendem und rücklaufen-
Schwingungen eingesetzt, die durch dem Blatt gerecht zu werden, werden herkömmliche
– bewegte Maschinen Rotorblätter während jedes Umlaufs verdreht. Adaptive
– sich bewegende Personen Rotorblätter mit eingebetteten Sensoren und Aktuatoren
– Wind können die tatsächlich auftretenden Beanspruchungen
– Erdbeben messen und darauf reagieren und somit die Strömungs-
hervorgerufen werden. Je nach Problemstellung werden verhältnisse optimieren.
unterschiedliche Lösungen eingesetzt, die sich von ihrer
prinzipiellen Funktionsweise jedoch nur geringfügig un- Aktive Massendämpfer (Bild 8)
terscheiden. Ziel ist es stets, zusammen mit den infolge Hierbei werden Ein- oder Mehrmassensysteme so in
einer dynamischen Beanspruchung der Konstruktion Bewegung, üblicherweise in Schwingung, versetzt, daß
entstandenen Schwingungen Ein- oder Mehrmassensy- äußere dynamische Lasten in ihrer Wirkung auf die
steme so in Bewegung, üblicherweise in Schwingung, zu Struktur abgeschwächt oder ausgelöscht werden. Man
versetzten, daß durch die (zumeist zusätzlich gedämpf- unterscheidet:
ten) Schwingungen des Massensystems die Schwingun-
gen der Struktur abgeschwächt oder ausgelöscht werden. Hybride Massendämpfung
Die Kombination von passiven und aktiven Massedämp-
Energiedissipierende Systeme fern wird als hybride Massendämpfung bezeichnet. Ein
Energieabsorbierende oder dissipierende Systeme wer- derartiges System ist üblicherweise kostengünstiger als
den zumeist zur Schwingungsreduktion verwendet. Hier- ein aktives System und bietet darüber hinaus den Vorteil,
zu gehören die im „seismic engineering“ verwendeten auch während eines Ausfalls der Energieversorgung noch
Konzepte der „base isolation“ (z. B. bewehrte Neoprene- eine Restwirksamkeit zu besitzen. Im einzelnen lassen
Lager), Stoßdämpfer zur Dämpfung winderregter Quer- sich differenzieren:
schwingungen von Seilen oder viskoelastische Dämpfer – Active Tuned Mass Damping
in Konstruktionen des Leichtbaus oder des Hochhaus- – Active/Passive Composite Tuned Mass Damping
baus, wo beispielsweise im World Trade Center in New
York mehr als 10 000 Dämpfer pro Gebäude eine Kom-
fortsteigerung durch Reduktion winderregter Schwin-
gungen herbeiführen.
Formadaption
Die Struktur ändert ihre Geometrie lokal und/oder glo- Bild 8. Verschiedene Dämpfungssysteme
550 bal. Beispiele hierfür sind: Fig. 8. Different damping systems
a) b)
c) d)
Bild 11. Normalkraftverteilung, Lastfälle 1 bis 10; a) Untergurtelement, b) Obergurtelement, c) Pfostenelement, d) Diagonalelement
Fig. 11. Axial force distribution, loadcases 1–10; a) bottom cord element, b) top cord element, c) vertical element, d) diagonal
552 element
aus. Deutlich zu sehen ist dies bei Element 4 in Bild 13b. Anwendungen bestehen unter anderen darin, in den
Dieses Element ist im Ausgangssystem in Lastfall 1 nicht Stützen von Rahmentragwerken kontrolliert Biegemo-
belastet, in Lastfall 2 jedoch hoch beansprucht: Durch mente einzubringen, die den auftretenden Belastungen
die Umverteilung der Steifigkeiten lassen sich die Bean- entgegenwirken. Bautechnisch wäre dies durch das paar-
spruchungen für beide Lastfälle angleichen. weise Anbringen von Aktuatoren an bzw. zwischen den
Kopf- und Fußpunkten von Stützen möglich [7].
Kontrolle der Biegemomente
Die Möglichkeit einer aktiven Steuerung der Beanspru- Wie unsere Untersuchungen zeigen, sind die durch eine
chungen ist natürlich nicht auf Fachwerke beschränkt, aktive Beeinflussung von Kraftzuständen entstehenden
das Prinzip läßt sich beispielweise auch auf biegebean- Einsparpotentiale in bezug auf das Gewicht der Trag-
spruchte Bauteile übertragen. Sich hieraus ergebende struktur beträchtlich. Dies eröffnet nicht nur vollkom-
a) b)
c) d)
Bild 12. Fachwerk mit ASS-Elementen; a) Statisches System, b) Lastfall 1, c) Lastfall 2, d) Lastfall 3
Fig. 12. Truss with ASS-Elements; a) structural system, b) loadcase 1, c) loadcase 2, d) loadcase 3
a) b)
men neue und weitreichende Ansätze auf dem Gebiet des unbedingte Ausfallsicherheit im Sinn einer safe-life-Aus-
Leichtbaus, sondern ist infolge des Einsparpotentials im legung herbeigeführt werden muß oder ob ein teilweiser
Energie- und Ressourcenverbrauch auch von erheblicher und temporärer Systemausfall im Sinn einer fail-safe-
volkswirtschaftlicher Bedeutung. Auslegung möglich ist [4].
Safe-life-Konzeptionen bedingen entweder eine ent-
4.2.2.2 Beeinflussung der Verformungen sprechend hochwertige Auslegung und ggf. Wartung des
Neben der Kontrolle der Kraftzustände innerhalb einer kritischen adaptiven Bauteils oder eine Mehrfachausle-
tragenden Struktur ist es natürlich auch möglich, das gung, typischerweise im Sinn von parallel geschalteten
Verformungsverhalten dieser Struktur aktiv zu beeinflus- Systemen. Fail-safe-Auslegungen lassen den Ausfall ein-
sen. Die bereits diskutierten Mechanismen und Über- zelner adaptiver Bauteile im Sinn eines gesamten Bauteil-
legungen werden lediglich auf eine andere Zielfunktion, ausfalls und damit den Verlust von dessen Tragfähigkeit
die Verformungsbeeinflussung, ausgerichtet. Für verfor- zu, oder sie basieren lediglich auf der Annahme und
mungssensitive Anwendungen wie Brücken für Hochge- Akzeptanz eines Ausfalls der Adaptivität, ohne daß dabei
schwindigkeitszüge, Masten für Richtfunkantennen oder die Tragfähigkeit des Bauteils insgesamt verloren geht.
Produktionsstätten der Mikro- und Nanotechnologie
kommen deshalb adaptive Systeme genauso in Betracht 5 Ausblick
wie für komfortsteigernde Maßnahmen im Bereich Woh-
nen und Arbeiten. Adaptive Systeme und Mechanismen werden in wenigen
Jahren ein fester Bestandteil des täglichen Lebens sein.
4.2.2.3 Beeinflussung des Schwingungsverhaltens Automatische, selbstlernende Abstandsregelungen bei
Die Beeinflussung des Schwingungsverhaltens als einer Automobilen sind bereits heute verfügbar, adaptive Herz-
zeitvarianten Verformung kann als die komplexere Vari- schrittmacher, die nicht mit einer konstanten Frequenz
ante der Verformungsbeeinflussung angesehen werden. arbeiten, sondern auf äußere physiologische Randbedin-
Neben den bereits diskutierten Methoden zur Beein- gungen wie Bewegungen reagieren sind genauso in der
flussung der (Trag-)Systemantwort kommen jetzt noch Entwicklung wie aktive Prothesen und aktive Implan-
die ADS (Aktive Dämpfungssteuerung) sowie die AMS tate mit sensorischen Funktionen und Aktuatoren. Die
(Aktive Massensteuerung) hinzu. Mit den damit zur Ver- Raumfahrt arbeitet an adaptiven Fachwerkstrukturen,
fügung stehenden Methoden lassen sich vielfältigste bei denen aktive (z. B. piezokeramische) Elemente ver-
Schwingungsprobleme gezielt reduzieren oder sogar auch wendet werden, um eine genaue Positionierung oder
auslöschen. Schwingungsisolierung von Satellitenreflektoren zu er-
Mit einer aktiven Massensteuerung können, u. U. reichen.
zusammen mit einer Steifigkeits- und/oder Geometrie- Adaptive Systeme zur Geräuschreduktion und Glä-
steuerung, auch die Eigenfrequenzen einer Struktur zeit- ser mit variabler Lichttransmission werden im Bauwe-
variant verändert werden. sen genauso selbstverständlich werden wie die aktive
Ausgeführte Beispiele von Systemen zur aktiven Beeinflussung von Kraftzuständen, Verformungen und
Schwingungsbeeinflussung gibt es bereits eine ganze Schwingungen, insbesondere bei den Tragwerken des
Reihe [9]. Aussteifende Stabelemente mit variabler Stei- Leichtbaus.
figkeit wurden in Japan eingesetzt, um die Eigenfrequenz
eines Gebäudes aktiv zu beeinflussen. Damit wurde es
möglich, die Gebäudeeigenfrequenz von der Erreger-
frequenz (Wind oder Erdbeben) zu entkoppeln und den
Resonanzfall zu vermeiden. In einem Versuchsbau in Literatur
Tokyo wurden aktive hydraulische Elemente als ausstei-
[1] Clark, R. L., Saunders, W. R., Gibbs, G. P.: Adaptive Struc-
fende Diagonalelemente in einem sechsgeschossigen
tures – Dynamics and Control. New York: John Wiley & Sons,
Rahmentragwerk verwendet. Im Falle einer äußeren
1998.
Erregung durch Wind oder Erdbeben üben sie gezielte [2] Gandhi, M. V., Thompson, B. S.: Smart Materials and
Kraftwirkungen auf das Tragwerk so aus, daß auftretende Structures. London: Chapman & Hall, 1992.
Schwingungen gezielt reduziert werden [8]. [3] Sobek, W., Haase, W., Köhnlein, J.: Smart Materials,
Recherche und Dokumentation. Universität Stuttgart: Institut
4.3 Fragen der Auslegung und Sicherheitsaspekte für Leichte Flächentragwerke, Forschungsbericht 2/98.
Beim Entwurf und der Konstruktion adaptiver Tragwerke [4] Sobek, W.: Entwerfen im Leichtbau. Bauingenieur 70
kommt den Fragen der Ausfallsicherheit des Systems (1995), S. 323–329.
insgesamt sowie dem damit verwandten Problem des [5] Weingardt, F.: Hüllenstrukturen. Diplomarbeit. Universität
Verhaltens des Steuer-Regelungskreises beim Auftreten Stuttgart: Institut für Leichte Flächentragwerke, 11/1999.
[6] Korvink, J.-G., Schlaich, M.: Autonome Brücken – ein
bisher nicht erfaßter bzw. nicht für möglich gehaltener
Blick in die ferne Zukunft des Brückenbaus. Der Bauinge-
Zustände eine besondere Bedeutung zu. Prinzipiell soll-
nieur 75 (2000), S. 29–34.
te zunächst dahingehend differenziert werden, ob die [7] Zuk, W., Clark, R. H.: Kinetic Architecture. New York: Van
Adaptivität des Systems die Standsicherheit der Kon- Nostrand Reinhold Company, 1970.
struktion als solcher erst herbeiführt oder ob sie lediglich [8] Janocha, H. (Ed.): Adaptronics and Smart Structures. Ber-
zum Aufbau der erforderlichen Sicherheitsmargen oder lin: Springer, 1999.
zur Gewährleistung oder Steigerung der Gebrauchsfähig- [9] Culshaw, B.: Smart Structures and Materials. Boston, Lon-
554 keit dient. Davon abhängig kann entschieden werden, ob don: Artech House, 1996.
[10] Sobek, W., Haase, W.: Transluzent/Transparent/Selbst- [17] Davies, M.: Eine Wand für alle Jahreszeiten: die intel-
anpassend. Industriebau-Praxisreport ’98. Wien: Österreichi- ligente Umwelt erschaffen. 104 ARCH+ (Juli 1990), S. 46 ff.
sche Studiengemeinschaft für Industriebau 1998. S. 130–138. [18] Hanselka, H., Mayer, D., Vogl, B.: Adaptronik für struk-
[11] Sobek, W., Haase, W.: Selbstanpassende Systeme in der turdynamische und vibro-akustische Aufgabenstellungen im
Gebäudehülle. Das Bauzentrum 5/98. S. 70–75. Leichtbau. Stahlbau 69 (2000), H. 6, S. 441–445.
[12] Köhnlein, J.: Smart materials – Intelligente Werkstoffe.
Stahlbau 69 (2000), H. 6, S. 430–440.
[13] Haase, W.: Flüssigkristalle als elektrooptische Materialien.
Stahlbau 69 (2000), H. 6, S. 480–482. Autoren dieses Beitrages
[14] Haase, W.: Optische und energetische Charakterisierung, Prof. Dr.-Ing. Werner Sobek, Universität Stuttgart, Leiter des Insti-
Systementwicklung und -bewertung eines adaptiven Gebäu- tuts für Leichte Flächentragwerke, Pfaffenwaldring 14, 70569 Stutt-
dehüllenelements auf Flüssigkristallbasis. Dissertation in Vor- gart, sowie des Zentrallabors des Konstruktiven Ingenieurbaus,
bereitung. Universität Stuttgart. Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart, Dipl.-Ing. Walter Haase, Wissen-
[15] Boller, C.: Smarte Werkstoffe und Strukturen und ihre schaftlicher Mitarbeiter, Universität Stuttgart, Zentrallabor des
Anwendung in der Luft- und Raumfahrt. Stahlbau 69 (2000), Konstruktiven Ingenieurbaus, Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart,
H. 7, S. 556–567. Dipl.-Ing. Patrick Teuffel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität
[16] Rechenberg, I.: Evolutionsstrategie ’94. Stuttgart: From- Stuttgart, Institut für Leichte Flächentragwerke, Pfaffenwaldring 14,
mann-Holzboog, 1994. 70569 Stuttgart
Mit mehr als 550 Teilnehmern aus Eu- Werkstoffe, die im Verfahren der Feuer- ren etablierten Beschichtung von Zink-
ropa und Übersee erreichte die INTER- verzinkung eine ideale Symbiose einge- überzügen mit flüssiger Farbe gewinnt
GALVA 2000 (4. bis 9. Juni 2000) in Ber- hen. Im Mittelpunkt seiner Ausführun- das Pulverbeschichten von feuerver-
lin eine Rekordbeteiligung; sie war die gen standen Aussagen zur Nachhaltig- zinktem Stahl einen immer größeren
bislang größte Veranstaltung in dieser keit und uneingeschränkten Recycling- Anteil. Mehrere Vorträge befaßten sich
alle drei Jahre stattfindenden Kongreß- fähigkeit des Stahls. mit den technischen Aspekten und Ent-
reihe. Die für Feuerverzinker und die Die einzelnen Themenblöcke die- wicklungen in diesem Bereich.
Zulieferindustrie des Feuerverzinkens ses Kongresses gingen u. a. auf neue In einem interessanten Kongreß-
konzipierte Veranstaltung informierte Zinklegierungen ein, die einerseits die block berichteten namhafte Architekten
über Entwicklungen, Verfahrenstechni- technischen Eigenschaften der Zink- und Planer über ihre Erfahrungen mit
ken sowie Umwelt- und Marktfragen überzüge verbessern werden, die ande- der Feuerverzinkung bei großen Bau-
zum Feuerverzinken. Insbesondere wur- rerseits jedoch auch das bislang stets projekten (Brücken, Bahnhöfe, Trans-
den aktuelle Forschungsergebnisse und schwierige Feuerverzinken reaktiver portsysteme usw.). Hier wurde ein Bo-
neueste Erkenntnisse über die Nachhal- Stähle erleichtern. Reaktive Stähle – das gen gespannt, der Korrosionsschützer
tigkeit von Zink und Zinküberzügen, sind solche mit kritischen Gehalten an und Anwender in einen Dialog bringt.
über innovative Entwicklungen in der Silicium und Phosphor – führen beim Die Konferenzblöcke der INTER-
Anlagentechnik sowie neu entwickel- Feuerverzinken zu relativ dicken und GALVA wurden von einer informati-
te Zinklegierungen, die die Eigenschaf- vielfach auch spröden und optisch un- ven Fachausstellung begleitet. Auf rund
ten des Zinküberzuges verbessern und ansehnlichen Zinküberzügen. Neue Le- 1000 m2 Ausstellungsfläche präsentier-
den Zinkverbrauch reduzieren, erstmals gierungen sollen das einheitliche Aus- ten insgesamt 32 Unternehmen und Fir-
einem größeren Publikum öffentlich sehen des Zinküberzuges, unabhängig mengruppen aus Europa und Übersee
vorgestellt. vom verwendeten Stahl, verbessern. Erzeugnisse, Materialien und Maschi-
Die INTERGALVA 2000 war ein In der Anlagentechnik wurden Ent- nen für die Feuerverzinkungsindustrie.
Joint-Venture zwischen der European wicklungen und Forschungsergebnisse Damit war das Who-is-who der Zuliefe-
General Galvanizers Association dargestellt, die sich mit einer Optimie- rerindustrie für die Feuerverzinkungs-
(EGGA) und dem Institut Feuerver- rung der Vorbehandlung befassen und betriebe der westlichen Welt unter ei-
zinken GmbH. Die EGGA vertritt als in deren Mittelpunkt sowohl eine Ver- nem Dach vertreten. Neben optimierten
europäischer Dachverband die Feuer- besserung des Prozesses als auch die Zinklegierungen zur Verbesserung des
verzinkungsindustrie in 17 Ländern. Reduzierung der Abfallmengen und die Korrosionsverhaltens und der optischen
Eröffnet wurde die Konferenz durch Verbesserung von umweltfreundlichen Erscheinung von Zinküberzügen gehö-
den deutschen Präsidenten der EGGA, Kreislaufführungen in Prozeßlösungen ren innovative Technologien zum Re-
Herrn Eberhard Hoffmann, Nürnberg. stand. Die Nachhaltigkeit von Verfah- duzieren, Reinigen, Recyceln und Rück-
Der Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. ren und Produkt stand dabei im Vor- führen von Abluft, Abwasser, Abfällen
Dieter Ameling, Präsident der Wirt- dergrund. und Abwärme sowie Neuerungen im
schaftsvereinigung Stahl und Vorsitzen- Immer mehr gewinnt das zusätz- Bereich EDV und Logistik für Verzinke-
der des Vereins Deutscher Eisenhütten- liche Beschichten von feuerverzinktem reien zu den Schwerpunkten der Fach-
leute, befaßte sich mit Stahl als einem Stahl an Bedeutung (sog. Duplex-Sy- ausstellung.
modernen, umweltfreundlichen Metall stem). Überwiegend aus gestalterischen Die INTERGALVA 2003 findet in
und schlug dabei die Brücke zum Zink. Gründen setzen Architekten und Inge- Amsterdam statt.
Er verband auf diese Weise die beiden nieure vor allen Dingen im Baubereich
traditionellen und doch hochmodernen Zink plus Farbe ein. Neben der seit Jah- 555