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12 Persönlich Nr.

292 / Dezember 2022

Einzigartiges Projekt für eigenen Strom


Seit Frühjahr 2014 wohnt er in seinem
Haus an der Allmeindstrasse. Diego Hag-
mann macht sich Gedanken darüber, wie
sicher die Energieversorgung in Zukunft
sein wird. In Kürze wird er diesbezüglich
völlig unabhängig sein.

Von Urs Roth

Der 14. Oktober war eine Art Freuden-


tag für Diego Hagmann, den pensionierten
Frauenarzt. Die Baubewilligung für sei-
ne Solarstrom-Speicheranlage war einge-
troffen. Doch schon lang bevor von einer
Energienotlage die Rede war, hat der 75-Jäh-
rige, der noch im 50-Prozent-Pensum in der
Notfallpraxis für Gynäkologie in Zürich-
Stadelhofen arbeitet, Massnahmen in An-
griff genommen, um sein Haus von der Lie-
ferung von Energie unabhängig zu machen.
«Die Schweiz bezieht 60 Prozent des Stroms
aus Stauseen», sagt er. «Jahr für Jahr geht
der Bestand an Gletschern zurück und damit
die Wasserreserve für das Sommerhalbjahr, Produziert der Umwelt zuliebe und zur eigenen Sicherheit Foto: zVg
das ohnehin immer trockener wird. Wasserstoff: Diego Hagmann.

In Zukunft werden die Stauseen auch im en, erst die zweite dieser Art in der Schweiz. wie sein Name und sein chemisches Sym-
Sommer für die Wasserversorgung des Lan- «Power to Gas» heisst das Produkt, das es bol «H2» sagt, ist Wasserstoff vor allem in
des statt für die Stromproduktion im Winter erlaubt, Wasserstoff herzustellen, diesen zu Wasser gebunden. Wasserstoff wird mit
herhalten müssen.» Die Schweiz müsse sich lagern und bei Bedarf wieder in Strom um- Strom im Elektrolyseverfahren erzeugt.
nach anderen Reserven für den Winter umse- zuwandeln. Dabei wird Wasser in Wasserstoff und
hen. Wasserstoff sei eine Alternative – «und Sauerstoff aufgespalten. Verwendet man
erst noch ökologisch unproblematisch.» Was ist Wasserstoff? dabei ausschließlich Strom aus regenerati-
Also hat er sich nach reiflicher Überlegung Wasserstoff steckt in fossilen Rohstoffen ven Quellen, zum Beispiel aus Sonnenergie,
und nach intensiven Abklärungen entschlos- wie Erdgas und Erdöl sowie in über der gilt der Wasserstoff als CO2-frei (anders ist
sen, in seinem Haus eine Anlage einzubau- Hälfte aller bekannten Mineralien. Und es, wenn Wasserstoff mittels Dampfrefor-
mierung aus Erdgas produziert wird, was
ebenfalls eine Methode zur Wasserstoffge-
winnung ist). Lagern kann man den Was-
serstoff in Druckflaschen. Will man aus
dem Wasserstoff nun Strom gewinnen, geht
man den umgekehrten Weg: Der Wasserstoff
wird mit Sauerstoff aus der Umgebungsluft
mit einer Brennstoffzelle zu Wasser und
Strom aufgespalten, es entstehen Strom und
Wärme und man hat den Strom zur Verfü-
gung und kann ihn nutzen. Eigentlich eine
einfache Sache, und man fragt sich, warum
das Verfahren nicht schon längst weiter-
entwickelt und weitherum in Gebrauch ist.
Zumal das erste Wasserstofffahrzeug bereits
vor über 200 Jahren gebaut wurde.

Aus Überschuss wird Wasserstoff


Diego Hagmann heizt sein Haus mit zwei
Erdsonden (70 m plus 180 m). Den Strom
bezieht er über eine starke Solaranlage auf
dem Hausdach und an der Fassade, deren
Zellen zu zwei Dritteln praktisch senkrecht
stehen, um auch im Winter Wirkung zu er-
zielen («ich habe festgestellt, dass die Haus-
Künftig ist das Haus von der Energie unabhängig. Im Vorder- Foto: Kevin Wittmann/EKZ dächer in Amden während rund zwölf Wo-
grund das Lager für den Wasserstoff (wird noch verkleidet). chen schneebedeckt sind»). Diego Hagmann
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rechnet vor: Für die elektrischen Geräte des Diego Hagmann:


Hauses benötigt er pro Jahr rund 4‘000 Kilo- Drei Fragen – drei Antworten Zu vermieten
wattstunden (kWh), für die Erdsonde (Hei-
zung und Warmwasser) 3‘000 kWh und für Ammler Zitig: Von wem stammt die Amden Dorf, Nähe Bushaltestelle
das E-Auto 3‘000 kWh, total somit 10‘000 Solarspeicheranlage in deinem Haus?
kWh. «Produzieren kann ich mit meiner Diego Hagmann: Die Anlage kommt von 2 1/2 Zimmer Ferienwohnung
Anlage rund 15‘000 kWh, habe also einen HPS, einem Start-up-Unternehmen in für 2 Personen
jährlichen Überschuss von 5‘000 kWh.» Berlin, Vertriebspartner für die Schweiz
Mit dieser Menge stelle er Wasserstoff her, ist das Elektrizitätswerk des Kantons Vom 17.12.22 bis 31.3.23
den er bei Bedarf als Strom beziehe – dies Zürich (EKZ). Es ist erst die zweite An- mit Gartensitzplatz und Aussen-
natürlich vorwiegend im Winter, wenn we- lage dieser Art in der Schweiz. Das EKZ parkplatz.
niger Solarstrom produziert werde und Hei- ist sehr innovativ bei der Lösung von
zung und Elektroauto mehr Strom brauchen. Energiefragen. Ich erinnere an die Ver- Fr. 1‘250.— monatlich inkl. NK
Gelagert ist der Wasserstoff in 80 Druckfla- suche mit Solarpanels im ehemaligen
schen ausserhalb des Hauses, als Kubus ge- Steinbruch am Walensee vor etwa sechs TEL. 076 424 74 47
staltet und versehen mit einer holzfarbenen Jahren.
Verkleidung. Die durch den Prozess entste-
hende Abwärme wird im Solartank gespei- Wie hoch sind die Kosten der Anlage?
chert und geht so nicht verloren. Die Anlage allein kostet rund 190‘000
Franken. Zusammen mit weiteren Kosten
Mehr als ein Nullenergiehaus für Bauarbeiten, Leitungen, Umgebungs-
Ist sein Haus nun vollständig autark, das gestaltung etc. komme ich auf etwa eine
heisst unabhängig von Energielieferung? Viertelmillion Franken. Ein ansehnlicher
«Mehr als das», antwortet Diego Hagmann. Betrag. Doch ich fühle mich verpflichtet,
«In meiner Berechnung enthalten ist – im das für die Umwelt zu tun. So wie wir
Gegensatz zu einem konventionellen Null- in unseren Breitengraden leben, beuten
energiehaus – auch das Elektroauto. Irgend- wir einerseits die Erde, anderseits auch
wann wird es nur noch Elektroautos geben andere Völker aus. Kommt hinzu, dass
und ein solches wird zum Haus beziehungs- die Vollkostenrechnung beim Strom so-
weise zum Haushalt gehören. Also muss es wieso nicht stimmt. An sich müssten wir
nach meinem Empfinden auch in die Be- mit dem Strompreis auch den Rückbau
rechnung für den Energiebedarf.» der Atomkraftwerke berappen. Das wird
nicht möglich sein, und so wird die Öf-
Eigentlich müsste die Anlage bereits in Be- fentlichkeit das finanzieren müssen.
trieb sein. Doch die Baubewilligung liess
auf sich warten – die kantonale Behörde Hat ein allfälliger Stromunterbruch,
verlangte unter anderem ein geologisches wie er zurzeit diskutiert wird, für dich
Gutachten. Und möglicherweise verursachte keine Folgen?
das nicht alltägliche Vorhaben auch einiges Nein. Wer eine Solaranlage betreibt,
Kopfzerbrechen bei den Behörden. «Doch muss sich bewusst sein, dass seine Anla-
zum Glück haben sich die Zeiten etwas ge- ge bei einem Stromunterbruch nicht mehr
ändert und man begrüsst innovative Projek- läuft. Bei mir ist es so, dass das Haus
te», schmunzelt Diego Hagmann. «Im Jahr bei einem Stromunterbruch sofort vom
1989 hat mir die Baubehörde von Langnau Stromnetz getrennt wird und die Anlage
a.A. ein Baugesuch für Sonnenkollektoren mit eigenem Strom und drei Batterien
und eine Wärmepumpe abgelehnt.» Die An- für die Kurzspeicherung weiterbetrieben
lage in Amden werde, nachdem die Baube- wird.
willigung nun vorliege, wohl noch vor Ende
Jahr den Betrieb aufnehmen.

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