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Analogsignale aufgedröselt: Die effektive Rauschbandbreite bei Delta-Sigma-ADCs


(Teil 3)
27.08.19 | Autor / Redakteur: Bryan Lizon* / Kristin Rinortner

In den vorangegangenen Teilen der Serie


„Analogsignale aufgedröselt“ habe ich
erklärt, was man unter der äquivalenten
(effektiven) Rauschbandbreite (ENBW)
versteht, welchen Nutzen die Angabe der
ENBW hat und woraus die ENBW eines
Systems resultiert. Jetzt lernen Sie, wie
man die ENBW berechnet.

Im diesem Teil werde ich mich weiter mit


jenen Aspekten der effektiven
Rauschbandbreite befassen, die für Delta-
Sigma-A/D-Wandler und das Systemdesign
Äquivalente Rauschbandbreite: Wie relevant sind. Anhand eines einfachen
berechnet man die ENBW bei Delta-Sigma-
Beispiels, eines zweistufigen Filters, zeige
ADCs?(Bild: beholdereye –
ich, wie man die ENBW berechnet.
stock.adobe.com)

In diesem Beispiel soll es um ein einfaches,


zweistufiges Datenerfassungs-System gehen. Wie in Bild 1 zu sehen ist, schließt sich an
den eingangsseitigen Anti-Alias-Filter ein Delta-Sigma-ADC mit integriertem SINC-Filter
an. Ich konzentriere mich auf diese beiden Filtertypen, weil sie in der Regel den größten
Einfluss auf die ENBW haben. Dennoch lässt sich die Analyse auf jede Art und Anzahl
weiterer Filter anwenden.

Als Anti-Alias-Filter soll hier ein RC-Filter mit einer Polstelle dienen, da ich bereits im
letzten Teil beschrieben habe, wie sich die ENBW dieses Filtertyps berechnen lässt
(Gleichung 1 gibt die Berechnungsweise noch einmal wieder). Hinzu kommt, dass ein
Delta-Sigma-ADC in der Regel nur einen einfachen RC-Filter benötigt, um ein
hinreichendes Anti-Aliasing zu erreichen. In diesem Beispiel benutze ich zwei
Widerstände mit 500 Ω und einen Kondensator mit einer Kapazität von 100 nF, aber es
können selbstverständlich auch andere Kombinationen verwendet werden. Die
Grenzfrequenz bei –3 dB beträgt 1590 Hz
Nachdem die Werte der passiven Bauelemente festgelegt sind, lässt sich mithilfe von
Gleichung 1 die ENBW des Anti-Alias-Filters berechnen:

ENBWeinpoliger RC-Filter = 1,57 * f–3dB = 1,57 * 1590 Hz = 2500 Hz(Gleichung 1)

Anschließend kann wie in Bild 2 gezeigt der Frequenzgang des Anti-Alias-Filters grafisch
dargestellt werden. Dabei gibt der rot hinterlegte Bereich die ENBW des Filters wieder.

Nachdem Sie jetzt mit dem Frequenzgang des Anti-Alias-Filters vertraut sind, können Sie
im nächsten Schritt den Frequenzgang des SINC-Filters des A/D-Wandlers bestimmen.
Für dieses Beispiel habe ich den rauscharmen 32-Bit-A/D-Wandler ADS1262 gewählt, ist
die beschriebene Analyse ist aber generell auf jeden Delta-Sigma-ADC anwendbar. Ich
benutze in diesem Fall den SINC4-Filter des ADS1262 mit einer Datenrate von 50
Sample/s. In Bild 3 ist das im Datenblatt enthaltene Diagramm des Frequenzgangs dieses
Filters mit diesen Einstellungen wiedergegeben (erstellt mit dem Konfigurationswerkzeug
des ADS1262).

Unterschiede im Frequenzgang der Filter


Ein zwar subtiler, aber gleichwohl bedeutender Unterschied zwischen diesen beiden
Filter-Frequenzgängen ist, dass das Diagramm zum SINC-Filter (Bild 3) eine lineare
Teilung für die Frequenz aufweist, während die Frequenzachse des zum Anti-Alias-Filter
gehörenden Diagramms (Bild 2) eine logarithmische Teilung besitzt. Dieser Unterschied
erklärt sich aus der geringen Datenrate der meisten Delta-Sigma-ADCs, die die
Darstellung der Frequenz über mehrere Dekaden hinweg meist entbehrlich macht. Leider
erschwert diese Wahl jedoch das Kombinieren beider Filter in einem Diagramm.

Darüber hinaus muss man sich in Erinnerung rufen, dass sich der Frequenzgang eines
SINC-Filters unendlich oft wiederholt und nicht einfach bei 300 Hz „anhält“, wie man bei
einem Blick auf Bild 3 vermuten könnte.

Berücksichtigt man beide Aspekte und gibt den Frequenzgang des SINC-Filters auf einer
logarithmischen Achse über einen deutlich größeren Frequenzbereich wieder, erhält man
ein Ergebnis, das deutlich anders aussieht als die Diagramme, die man in den meisten
Datenblättern zu A/D-Wandlern findet (Bild 4).

Mit einer bis 10 MHz reichenden, logarithmisch geteilten Frequenzachse erkennt man die
hochfrequenten Spitzen, an denen der sich wiederholende Frequenzgang des Filters
deutlich wird. Weshalb ist dies wichtig? Durch diese Wiederholung erhält man bei der
Integration unter dieser Frequenzgang-Kurve des SINC-Filters eine unendliche ENBW
(das Integral des SINC-Filters divergiert gegen unendlich). In Bild 5 sind die
Frequenzgänge des Anti-Alias-Filter und des SINC-Filters und die ENBWs beider Filter
dargestellt.
Wie führt man diese Analyse nun angesichts der unendlichen ENBW des SINC-Filters
fort? Sie müssen Grenzwerte für die Integration vorgeben. Üblicherweise ist ein Vielfaches
(1 oder 2) der Frequenz des Modulators akzeptabel, im vorliegenden Fall lässt sich der
Anti-Alias-Filter als Grenze verwenden.

Die ENBW des Gesamtsystems


Da beide Filter nun als Amplitudendiagramm (in dB) mit dem gleichen Maßstab auf der x-
Achse dargestellt sind, lassen sich beide addieren, um die ENBW des Gesamtsystems zu
ermitteln. Hierbei erhält man den in Bild 6 gezeigten Filter-Frequenzgang. Die Integration
des kombinierten Frequenzgangs des RC- und des Digitalfilters ergibt nunmehr eine
ENBW von 14 Hz. Diese ist also um einige Größenordnungen kleiner als die der beiden
Filter einzeln.

Die geringere ENBW erklärt sich daraus, dass der Anti-Alias-Filter die Rauschleistung des
SINC-Filters bei höheren Frequenzen dämpft, sodass weniger Rauschen in das System
gelangt. Dies erklärt ebenfalls, weshalb man den unendlichen Frequenzgang des SINC-
Filters nicht unbedingt berücksichtigen muss. Der Anti-Alias-Filter beseitigt bereits einen
Großteil der Rauschleistung bei hochfrequenten, bei Vielfachen von fMOD, auftretenden
Spitzen, die sonst in das Durchlassband zurückgefaltet würden. Viele Analogentwickler
sind der Ansicht, der erklärte Zweck des Anti-Alias-Filters sei das Entfernen von
niederfrequentem Rauschen. Dies liegt aber üblicherweise in der Zuständigkeit des
digitalen Filters des Delta-Sigma-ADCs.

Würde man dieser Ansicht folgen und den Versuch machen, ein Anti-Alias-Filter mit sehr
niedrig angesetzter Grenzfrequenz zu entwerfen, müssten Sie mit sehr großen
Widerstands- und Kapazitätswerten arbeiten. Passive Bauelemente mit großen Werten
verlängern jedoch die Signal-Einschwingzeit, was man meist vermeiden will. Doch auch
wenn Sie bereit sind, eine Verlängerung der Einschwingzeit hinzunehmen, können
Leckströme am Eingang des A/D-Wandlers an großen Filterwiderständen zu erheblichen
Spannungsabfällen führen, die Ungenauigkeiten auf der Systemebene verursachen. Für
das System ist es deshalb tatsächlich günstig, wenn man Anti-Alias-Filter für
hochfrequentes Rauschen konzipiert, da sich mit kleineren passiven Bauelementen die
soeben angesprochenen Probleme vermeiden lassen.

Wie wirken sich Änderungen am System auf die ENBW aus?


Nehmen wir einmal an, Sie wollten die Abtastrate des A/D-Wandlers oder die
Grenzfrequenz des Anti-Alias-Filters verändern. Welche Auswirkungen hätte dies auf die
ENBW? Grundsätzlich würde man zu der Einschätzung neigen, dass der Filter mit der
niedrigeren Grenzfrequenz die ENBW-Berechnung dominiert, wie ich es bereits gezeigt
habe.

Im Allgemeinen trifft dies auch zu. Zur Verdeutlichung enthält Tabelle 2 eine Übersicht
über alle verfügbaren Digitalfilter-Ausgangsdatenraten des ADS1262 sowie die
entsprechende System-ENBW für einen Bereich von Grenzfrequenzen des Anti-Alias-
Filters. In Tabelle 1 angegeben ist ebenfalls der –3dB-Punkt des ADC, der im Prinzip
seiner Grenzfrequenz entspricht.

Die farbigen Markierungen in Tabelle 1 haben folgende Bedeutung: Grün = Die ENBW
des Systems weicht um maximal ca. 10 % vom -3-dB-Punkt des A/D-Wandlers ab. Blau =
Die ENBW des Systems weicht um maximal ca. 10 % von der Grenzfrequenz des Anti-
Alias-Filters ab. Gelb = Die ENBW des Systems weicht um mehr als 10 % vom –3-dB-
Punkt des A/D-Wandlers und der Grenzfrequenz des Anti-Alias-Filters ab.

Diese Zusammenhänge zwischen der System-ENBW und den Grenzfrequenzen der


einzelnen Filter geben Ihnen die Möglichkeit, die System-ENBW durch Näherungen zu
ermitteln, anstatt komplexe Integrationen auszuführen. Voraussetzung hierfür ist, dass
eine der in den Gleichungen 2 und 3 ausgedrückten Bedingungen erfüllt ist:

f3dB (ADC) fC (AA filter) → ENBWSystem f 3dB (ADC)(Gleichung 2)

f f → ENBW f (Gleichung 3)
3dB (ADC) C (AA filter) System C (AA filter)

fC bezeichnet die Grenzfrequenz. Ist keine der beiden Bedingungen erfüllt und liegt f3dB

somit relativ nah an f , müssen die in diesem Abschnitt skizzierten


(ADC) c (AA filter)
Integrationen durchgeführt werden. Abgesehen davon würden diese Bedingungen auch
generell auf eine beliebige Anzahl zusätzlicher Filterstufen zutreffen, sofern ihre
Grenzfrequenzen deutlich größer sind als die des ADCs oder des Anti-Alias-Filters. In
diesen Fällen wäre es nicht notwendig, ihre ENBWs zu berechnen, sodass sich die
Analyse weniger komplex gestalten würde.

Im nächsten Artikel der Reihe „Analogsignale aufgedröselt” werde ich die Signalkette
durch integrierte und externe Verstärker ergänzen.

Das sollten Sie sich merken:

Die ENBW wird in der Regel vom Filter mit der niedrigsten Grenzfrequenz dominiert.
Dies ist bei Delta-Sigma-ADCs meist ein Anti-Alias-Filter oder ein digitaler Filter.
Anti-Alias-Filter werden eingesetzt, um das Rauschen bei hohen, und nicht etwa bei
niedrigen Frequenzen zu entfernen.
Man kann die ENBW entweder durch direkte Integration berechnen, oder aber in den
meisten Fällen mit dem –3-dB-Punkt des A/D-Wandlers oder der Grenzfrequenz des
Anti-Alias-Filters näherungsweise ermitteln.
Analogsignale aufgedröselt: Die
effektive Rauschbandbreite bei Delta-
Sigma-ADCs (Teil 1)
03.07.19 - Das Rauschen von A/D-
Wandlern kann selbst erfahrensten
Analog-Entwicklern echte Rätsel
aufgeben. Geht es dann auch noch
darum, das Gesamtrauschen in einem
System abzuschätzen, wird es
kompliziert. Hier hilft die effektive
Rauschbandbreite weiter. lesen

Analogsignale aufgedröselt: Die


effektive Rauschbandbreite bei Delta-
Sigma-ADCs (Teil 2)
10.07.19 - Im ersten Teil des Beitrags
„Analogsignale aufgedröselt“ habe ich
erklärt, was man unter der äquivalenten
Rauschbandbreite versteht. Im zweiten
Teil werde ich erläutern, wozu man die
äquivalente Rauschbandbreite
verwenden kann und welche Teile eines
Systems dazu beitragen. lesen

*Bryan Lizon arbeitet als Product Marketing Engineer bei Texas Instruments in Dallas /
USA.
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Äquivalente Rauschbandbreite: Wie berechnet man die ENBW bei Delta-Sigma-ADCs? (beholdereye –
stock.adobe.com)
Äquivalente Rauschbandbreite: Wie berechnet man die ENBW bei Delta-Sigma-ADCs? (beholdereye –
stock.adobe.com)
Bild 1: Vereinfachtes Blockschaltbild des Datenerfassungs-Systems. Links ist der Anti-Alias-Filter und
rechts der digitale Filter des A/D-Wandlers zu sehen. (TI)

Bild 2: Frequenzgang des Anti-Alias-Filters mit rot markierter ENBW. (TI)


Bild 3: Frequenzgang des SINC-Filters des ADS1262 – mit linearer Frequenz-Achse, fmax = 300 Hz. (TI)

Bild 5: ENBW von SINC- und Anti-Alias-Filter. (TI)


Bild 6: System-Frequenzgang aus der Summe SINC- und Anti-Alias-Filter. (TI)
Tabelle 1: Auswirkungen der ADC-Datenrate und der Grenzfrequenz des Anti-Alias-Filters auf die
System-ENBW (hergeleitet mit dem Berechnungswerkzeug des ADS1262). (TI)

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