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Gerhard Mehlhorn (Hrsg.

Handbuch Brücken
Gerhard Mehlhorn (Hrsg.)

Handbuch
Brücken
Entwerfen, Konstruieren, Berechnen,
Bauen und Erhalten

Mit Beiträgen von


Francesco Aigner, Hugo Bachmann, Manfred Curbach, Annette Detzel,
Eva-Maria Eichinger-Vill, Ekkehard Fehling, Ursula Freundt, Gerhard Girmscheid,
Masaaki Hoshino, Thomas Jahn, Manfred Keuser, Johann Kollegger,
Ulrike Kuhlmann, Ulf Lichte, Ingbert Mangerig, Gerhard Mehlhorn,
Christian Menn, Harald Michler, Joachim Naumann, Thomas Petraschek,
Günter Ramberger (†), Peter Ruse (†), Silke Scheerer und Jürgen Stritzke

2., erweiterte und bearbeitete Auflage

123
Professor Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Gerhard Mehlhorn
Eichholzweg 7
34132 Kassel
Deutschland
gu.mehlhorn@t-online.de

ISBN 978-3-642-04422-9 e-ISBN 978-3-642-04423-6


DOI 10.1007/978-3-642-04423-6
Springer Heidelberg Dordrecht London New York

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Vorwort zur zweiten Auflage

Das große Interesse an der 2007 erschienenen ersten Auflage des Buchs rechtfertigt die
zweite Auflage nach nur drei Jahren. Dabei wurden die aktualisierten Fassungen der DIN-
Fachberichte, die Ausgaben des DIN-FB 100, 2005 und der DIN-FBe 101-104, 2009 eben-
so wie verschiedene aktualisierte Regelwerke berücksichtigt. Das Buch entspricht hin-
sichtlich der Regelwerke damit dem Stand vom Sommer 2009.
Neben der gründlichen Überarbeitung der ersten Auflage des Buchs wird im aktuali-
sierten Kap. 1 zusätzlich auf die neuere Entwicklung der Verwendung von Ultra-Hoch-
leistungsbeton (Ultra High Performance Concrete – UHPC) im Brückenbau eingegangen.
Des Weiteren ist im Kap. 1 ein neuer Abschnitt Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe,
Brückenbaupreise aufgenommen worden. Als Autor dieses Abschnitts konnte Herr Minis­
terialrat Dipl.-Ing. Joachim Naumann, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung, Referat S 18, Bonn, gewonnen werden. In den Jahren 2006 und 2008 wurden,
unter der Schirmherrschaft der Bundesverkehrsministeriums für Verkehr, Bau und Stad-
tentwicklung, Berlin, vom Verband Beratender Ingenieure (VBI), Berlin, und von der
Bundesingenieurkammer, Berlin, ausgelobte Brückenbaupreise vergeben. Über die von
den Preisrichterkollegien ausgewählten, für die Preisvergaben nominierten und ausge-
zeichneten Brücken wird in Abschn. 1.6.8 von den maßgeblichen Entwurfsverfassern
berichtet. Ihnen sei dafür gedankt.
In Kap. 11 wurden zwei neue Abschnitte, nämlich Schäden an Stahl- und Verbundbrü-
cken, verfasst von Francesco Aigner, und Kontinuierliche, rechnergestützte Dauerüber­
wachung, verfasst von Eva-Maria Eichinger-Vill und Johann Kollegger, aufgenommen.
Das zuletzt genannt Thema wird häufig auch Monitoring genannt.
Zur Zielstellung, zum Inhalt und zur Einteilung des Buches wird auf das Vorwort zur
ersten Auflage verwiesen. Vom Vorgenannten abgesehen hat sich daran nichts geändert.
Die im Buch enthaltenen Zahlenbeispiele wurden aber entsprechend dem aktualisierten
Stand der Regelwerke überarbeitet.
Den Rezensenten zur ersten Auflage des Buchs und für die Zuschriften, genannt seien
hier insbesondere Frau Dr.-Ing. Doris Greiner-Mai, Schriftleiterin der Bautechnik, Herr
Dipl.-Ing. Erich Fiedler, Kleinmachnow, mein Bruder, Prof. Dr.-Ing. Dieter-Jürgen Mehl-
horn, Kiel, und Herr Dipl.-Ing. Eberhard Pelke, Hessisches Landesamt für Straßen- und
Verkehrswesen, Wiesbaden, danke ich ganz herzlich für ihre Hinweise.
Dem Herausgeber obliegt die traurige Bekanntgabe, dass einer der maßgeblichen Au-
toren des Buchs, Herr Prof. Dipl.-Ing. Dr.-Ing. Günter Ramberger im Februar 2009 gestor-
ben ist. Günter Ramberger wird den Autoren des Buchs und mir stets in bester Erinnerung
bleiben. Er war ein besonders angesehener, erfolgreicher und liebenswerter Kollege,
Hochschullehrer und Ingenieur. Mit ihm und Herrn Professor Kollegger habe ich 1999
anlässlich meiner Gastprofessur an der Technischen Universität Wien die Grundkonzep-
tion des Buchs und die Auswahl der Autoren für die einzelnen Kapitel vorbesprochen.
VI Vorwort

Wir beklagen auch den unerwarteten Tod von Herrn Dipl.-Ing. Peter Ruse, der im
August 2009 gestorben ist. Auch er wird den Autoren des Buchs und mir stets in bester
Erinnerung bleiben. Er war maßgeblich an der Ausarbeitung des zweiten Kapitels be-
teiligt.
Den Autorinnen und Autoren des Buchs, den Kollegen von le-tex publishing services
GmbH Leipzig, hier sei Herr Patrick Waltemate genannt, und vor allem dem Springer-
Verlag, hier besonders Herrn Dipl.-Ing. Thomas Lehnert und Frau Sigrid Cuneus, beide
Berlin, und Frau Cornelia Kinsky, Heidelberg, sei dafür gedankt, dass das Buch in der
vorliegenden Fassung erscheinen kann. Möge es von den Lesern wiederum gut aufgenom-
men werden und Anregungen zur Gestaltung guter Brücken geben.
Schließlich danke ich ganz besonders meiner lieben Frau Ursel für ihre stets wertvolle,
ideelle und aktive Unterstützung und für das Verständnis, dass ich viel Zeit in die Entste-
hung des Buchs verwendet habe.

Kassel, Januar 2010 Gerhard Mehlhorn


Vorwort zur ersten Auflage

Das Buch soll dem mit dem Bau von Brücken befassten Bauingenieur und der Bauinge­
nieurin in weitestgehendem Umfang einen Überblick über das erforderliche Grund- und
Fachwissen für das Entwerfen, Konstruieren, Berechnen, Bauen und Erhalten von Brü-
cken nach heutigem Kenntnisstand geben. Auch für Studierende des Bauingenieurwesens
soll es ein Lehrbuch zum Brückenbau sein und einen Überblick über mögliche Problem-
lösungen geben, und es mag auch als Ergänzung zu den an den Universitäten und Fach-
hochschulen gebotenen Vorlesungen, Übungen, Studien- und Diplomarbeiten dienen.
Einige Kapitel dürften auch für am Brückenbau und seiner Entwicklung Interessierte, die
nicht Bauingenieure sind, lehrreich sein.
Dabei ist es die Überzeugung des Herausgebers, der Autorinnen und der Autoren des
Buchs, dass die Probleme des Brückenbaus nicht vorrangig materialspezifisch sind. Sie
sind bei Verwendung verschiedener Materialien in mehrfacher Hinsicht die gleichen,
wenn sich auch bezüglich der konstruktiven Ausbildung, insbesondere der Detail­lösungen,
der Fertigung im Werk und der Herstellung vor Ort, also auf der Baustelle, bei der Ver-
wendung verschiedener Materialien durchaus unterschiedliche Problemlösungen erge-
ben. Natürlich gibt es materialspezifisch auch bei den Berechnungen und Bemessungen
der Brücken teilweise unterschiedliche Vorgehensweisen.
Um Ingenieure, die sich im Brückenbau vielfach als Ingenieurbaukünstler erwiesen
haben, aus der Anonymität herauszuholen, wird in diesem Buch auch darauf Wert gelegt,
wenn bekannt, die für Entwürfe und den Bau der Brücken verantwortlichen Ingenieure,
beteiligte Architekten sowie Baufirmen und Unternehmen zu nennen.
Das Buch ist in dreizehn Kapitel unterteilt. Im ersten Kapitel wird ein Überblick über
die Entwicklung des Brückenbaus vom Altertum bis zum modernen Brückenbau gegeben.
Es ist uns ein Anliegen, auf die ausgezeichneten Brücken der vergangenen Jahrhunderte,
ja Jahrtausende, zurückzublicken und von den Ingenieuren, die diese Bauwerke entwarfen
und bauten, zu lernen und uns zu bemühen, auf deren grundlegenden Ideen aufbauend
den modernen Brückenbau mit den heute vielfältig besseren Möglichkeiten laufend wei-
terzuentwickeln und ganz neue Lösungen zu finden.
Im zweiten Kapitel wird auf die verschiedenen Aufgaben, vom Entwurf bis zur Erhal-
tung und Ertüchtigung der Brücken, der in den Bauverwaltungen, Ingenieurbüros, Un-
ternehmungen und Baufirmen im Brückenbau tätigen Ingenieure eingegangen.
Im dritten Kapitel wird das Entwerfen der Brücken, das für den Bau, die Kosten,
das Erscheinungsbild mit ihrer Einbindung in die Umwelt und die Dauerhaftigkeit
der Brücken von ausschlaggebender Bedeutung ist, behandelt. Es wird dabei zunächst
auf die zu beachtenden Grundlagen und die Ziele des Entwerfens eingegangen. An­
schließend werden im Abschnitt 3.8 von zwölf eingeladenen Ingenieuren beispielhaft die
von ihnen gewählten Entwurfskonzepte für ausgewählte, besonders gelungene Brücken
erläutert.
VIII Vorwort

In den Kapiteln 4 und 5 werden die Querschnittsgestaltungen und die Systeme der
Haupttragwerke der Überbauten behandelt. Diese sind sowohl vom System und der Funk-
tion als auch vom für den Bau der Brücke verwendeten Werkstoff abhängig und dement-
sprechend unterschiedlich. Auch in diesen Kapiteln werden verschiedene Entwicklungen
des Brückenbaus aufgezeigt.
Im sechsten Kapitel wird die Lagerung der Brücken, die die Überbauten mit den Un-
terbauten verbindet, erläutert. Es wird dabei unter anderem sowohl auf die Aufgaben der
Lagerung (einschließlich der Erdbebenisolation), die Wahl der Lagerung, Grundsätzliches
zur Ermittlung der Kräfte und Bewegungen, die Lagerwiderstände als auch auf Mes-
sungen von Lagerkräften und Bewegungen und auf Besonderheiten beim Einbau von
Lagern eingegangen. Im darauf folgenden siebten Kapitel werden die Unterbauten (Grün-
dungen, Widerlager und Pfeiler) und die mit den Unterbauten zusammenhängenden
Fragen behandelt.
Im achten Kapitel wird Grundlegendes zur Berechnung sowohl der Über- als auch der
Unterbauten der Brücken ausgeführt und an zahlreichen Beispielen die Berechnungen
verschiedener, ausgewählter Probleme, wie sie bei Brücken aus Stahl, Beton und im Ver-
bundbau auftreten, erläutert. Auch Berechnungsbeispiele von Unterbauten sind enthalten.
Auf spezielle Probleme des Brückenbaus, wie Temperatur-, Schwingungs- und Erdbeben-
beanspruchung, wird ebenfalls eingegangen.
Bereits beim Entwerfen, aber auch bei der konstruktiven Bearbeitung ist es unabding-
bar, den Bau der Brücke, d. h. den Herstellungsvorgang im Werk und auf der Baustelle, zu
berücksichtigen, weshalb den für den Brückenbau besonders wichtigen Herstellungs- und
Ausführungsmethoden im neunten Kapitel breiter Raum geschenkt wird.
Im zehnten Kapitel werden die Brückenausrüstungen erläutert, also die Fahrbahnaus-
bildung und Dichtung, die verschiedenen Arten der Lager, die Fahrbahnübergänge,
Schutzeinrichtungen, Kappen, Geländer, die Brückenentwässerung, die Beleuchtung, die
Unterbringung der Versorgungsleitungen und schließlich die Lärmschutzanlagen.
Zu den wichtigsten Aufgaben im heutigen Brückenbau zählen bereits heute die Über-
wachung, Bewertung, Beurteilung, Erhaltung und Brückeninstandsetzung sowie in Ein-
zelfällen die Ertüchtigung der bestehenden Brücken, und sie werden zunehmend noch
größere Bedeutung erlangen. Auf diese Problematik wird deshalb in den abschließenden
drei Kapiteln 11 bis 13 ausführlich eingegangen. Wichtig ist dabei, den nötigen Umfang
und die Zeitabstände der erforderlichen Bauwerksüberprüfungen festzulegen und deren
einheitliche Qualität zu formulieren. Der weiteren Entwicklung von zerstörungsfreien
Prüfverfahren kommt dabei eine große Bedeutung zu. Dabei sind Ergebnisse von gemes-
senen Formänderungen mit den vorausberechneten Werten zu vergleichen, um qualita-
tive und quantitative Aussagen über den Bauwerkszustand geben zu können.
Auch wenn der Herausgeber dieses Buches von Anfang an und während der Entste-
hung der einzelnen Kapitel stets bemüht war, die Inhalte aufeinander abzustimmen und
diese aus seiner Sicht zum Teil zu beeinflussen, liegt die Verantwortung für die Inhalte der
verschiedenen Kapitel und Abschnitte bei den jeweiligen Autorinnen und Autoren. Das
Buch ist über einen Zeitraum von sieben Jahren erarbeitet worden. Deshalb entsprechen
die in den verschiedenen Texten angegebenen Versionen der Regelwerke den Zeitpunkten
der Fertigstellungen der einzelnen Kapitel und Abschnitte. Die Regelwerke befinden sich
in laufender Fortschreibung, so dass sich manche Regelwerke bereits in einigen Details
geändert haben können und auch in Zukunft laufend den neueren Erkenntnissen ange-
passt werden. Es ist deshalb notwendig, bei den konstruktiven Durchbildungen und Be-
Vorwort IX

rechnungen der Brücken stets die dem aktuellen Stand der Technik entsprechenden Re-
gelwerke zu beachten.
Den Autorinnen und Autoren des Buchs, den Kollegen, die zum Abschnitt 3.8 bei­
getragen haben, allen, die Bilder zur Verfügung gestellt haben, den Herren Reinhold
Schöberl, Peter Grumbach und Gerhard Hopfenmüller von der Fotosatz-Service Köhler
GmbH und vor allem dem Springer-Verlag, hier besonders Herrn Dipl.-Ing. Thomas
Lehnert und Frau Sigrid Cuneus, sei dafür gedankt, dass das Buch in der vorliegenden
Fassung erscheinen kann. Möge es von den Lesern gut aufgenommen werden und An­
regungen zur Gestaltung guter Brücken geben.
Abschließend danke ich ganz besonders meiner lieben Frau Ursel für ihre stets wert-
volle, ideelle und aktive Unterstützung während meines gesamten Berufslebens und auch
für das Verständnis, dass ich, sicher aus ihrer Sicht über viele Jahre zu viel Zeit in die
Entstehung des Buchs verwendet habe.

Kassel, August 2006 Gerhard Mehlhorn


Inhaltsverzeichnis

Autorenverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . XVII 1.6.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . 108


1.6.2 Baukultur .. . . . . . . . . . . . . . . 110
1 Brückenbau auf dem Weg 1.6.3 Initiative Baukultur
vom Altertum zum modernen und Stiftung Baukultur . . . 111
Brückenbau .. . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.6.4 Gestaltungsmöglichkeiten
1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 für Brücken .. . . . . . . . . . . . . 112
1.2 Brücken im Altertum .. . . . . . 2 1.6.5 Planungswettbewerbe
1.2.1 Brücken in China . . . . . . . . . . 2 im Brückenbau .. . . . . . . . . . 114
1.2.2 Brücken in Griechenland, 1.6.6 Deutscher
in den persischen Brückenbaupreis . . . . . . . . . 117
Großreichen und 1.6.7 Gewinner und Nominierte
in Mesopotamien .. . . . . . . . . . 9 für den Deutschen
1.2.3 Römische Brückenbaupreis 2006
Brückenbaukunst .. . . . . . . . . 14 und 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . 120
1.3 Brücken im Mittelalter . . . . 23 1.6.8 Beschreibung der für den
1.4 Brücken von der Brückenbaupreis 2006
Renaissance bis und 2008 nominierten
zur Gegenwart . . . . . . . . . . . . 31 Bauwerke . . . . . . . . . . . . . . . . 131
1.4.1 Steinbrücken .. . . . . . . . . . . . . 31
1.4.2 Holzbrücken . . . . . . . . . . . . . . 37 2 Ingenieuraufgaben
1.4.3 Eisen- und Stahlbrücken .. . 41 im Brückenbau . . . . . . . . . . . . . 165
1.4.4 Bogen-, Balken- und 2.0 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . 165
Rahmenbrücken aus Beton . 74 2.1 Genereller Entwurf .. . . . . . 166
1.4.5 Moderne 2.1.1 Vorplanung . . . . . . . . . . . . . . 166
Schrägkabelbrücken . . . . . . . 90 2.1.2 Entwurfsfindung im
1.5 Aktuelle Entwicklungen, offenen oder eingeladenen
Bemerkungen zur Realisierungswettbewerb .. 168
Gestaltung von Brücken und 2.2 Entwurfsplanung . . . . . . . . . 169
zu besonderen Bedeutungen .  96 2.2.1 Vorschriften . . . . . . . . . . . . . 169
1.5.1 Aktuelle Entwicklungen .. . . 96 2.2.2 Randbedingungen . . . . . . . . 171
1.5.2 Bemerkungen zur 2.2.3 Baubetrieb und
Gestaltung von Brücken . . . 99 Baustelleneinrichtung .. . . . 173
1.5.3 Brücken mit besonderer 2.2.4 Entwurfselemente,
Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . 104 Hilfsmittel und statische
1.6 Gestaltung von Vorberechnung .. . . . . . . . . . 173
Brücken, Wettbewerbe, 2.2.5 Hinweise zur
Brückenbaupreise . . . . . . . . 108 Bauwerksgründung . . . . . . . 174
XII Inhaltsverzeichnis

2.2.6 Hinweise zu den 2.12.3 Verstärkung von


Unterbauten . . . . . . . . . . . . . 174 Brückenbauwerken . . . . . . . 191
2.2.7 Hinweise zu Lagerung 2.12.4 Austausch oder
und Beweglichkeit .. . . . . . . 175 Verbreiterung von
2.2.8 Hinweise zu Tragwerksteilen oder
Brückenentwässerung von ganzen Tragwerken .. . 192
und Abdichtung .. . . . . . . . . 176 2.12.5 Abbruch von
2.2.9 Hinweise zu Bau- und Brückenbauwerken . . . . . . . 193
Herstellungsverfahren . . . . 176
2.3 Genehmigungsplanung .. . . 178 3 Entwurf .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
2.4 Ausschreibung . . . . . . . . . . . 178 3.1 Entwurfsgrundlagen . . . . . . 195
2.4.1 Ausschreibung mit 3.2 Bauwerkspezifische,
Mengenermittlung .. . . . . . . 178 ­v erkehrstechnische
2.4.2 Randbedingungen ­Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . 196
für Sonderentwürfe .. . . . . . 180 3.3 Ortspezifische
2.4.3 Funktionale ­R andbedingungen . . . . . . . . 197
Ausschreibung . . . . . . . . . . . 180 3.4 Funktionelle
2.4.4 Verpflichtung ­A nforderungen .. . . . . . . . . . 197
zur Eindeutigkeit .. . . . . . . . 180 3.4.1 Tragsicherheit .. . . . . . . . . . . 197
2.5 Angebotsbearbeitung . . . . . 181 3.4.2 Gebrauchstauglichkeit . . . . 198
2.6 Submission . . . . . . . . . . . . . . 182 3.4.3 Dauerhaftigkeit . . . . . . . . . . 201
2.7 Vergabe .. . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3.5 Kulturelle Anforderungen . 202
2.8 Ausführungsplanung .. . . . . 183 3.5.1 Kosten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
2.9 Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3.5.2 Ästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
2.10 Bauausführung, 3.6 Ziel der Entwurfsarbeit .. . 209
Bauüberwachung, 3.7 Überlegungen beim
Abrechnung .. . . . . . . . . . . . . 184 ­k onzeptionellen Entwurf .. 210
2.10.1 Bauausführung .. . . . . . . . . . 184 3.8 Ausgewählte Brücken .. . . . 216
2.10.2 Örtliche Bauüberwachung . 185 3.8.1 Sunnibergbrücke, Schweiz . 216
2.10.3 Bauoberleitung .. . . . . . . . . . 185 3.8.2 Fußgängerbrücke Kelheim,
2.10.4 Bauüberwachung Deutschland . . . . . . . . . . . . . 218
bei funktional 3.8.3 Osormort Viaduct,
ausgeschriebenen Spanien .. . . . . . . . . . . . . . . . . 220
Brückenbauwerken . . . . . . . 187 3.8.4 Sacramento river trail
2.10.5 Abrechnung .. . . . . . . . . . . . . 187 ­p edestrian bridge, USA .. . 222
2.10.6 Nachträge .. . . . . . . . . . . . . . . 188 3.8.5 Puente de la Barqueta,
2.11 Objektbetreuung Spanien .. . . . . . . . . . . . . . . . . 224
und Dokumentation . . . . . . 188 3.8.6 Falkensteinbrücke,
2.12 Ingenieuraufgaben Österreich . . . . . . . . . . . . . . . 226
im Brückenbestand .. . . . . . 189 3.8.7 Le Pont de Brotonne,
2.12.1 Überwachen, Bewerten Frankreich .. . . . . . . . . . . . . . 228
und Beurteilen 3.8.8 Donaukanalbrücke
von Brücken . . . . . . . . . . . . . 189 in Wien, Österreich . . . . . . 230
2.12.2 Instandsetzung und 3.8.9 Mangfallbrücke,
Ertüchtigung von Brücken . 190 Deutschland . . . . . . . . . . . . . 232
Inhaltsverzeichnis XIII

3.8.10 The Normandie Bridge, 5.3.3 Rahmenbrücken


Frankreich .. . . . . . . . . . . . . . 234 als Verbund- und
3.8.11 Rheinbrücke Bendorf, Mischkonstruktionen . . . . . 360
Deutschland . . . . . . . . . . . . . 236 5.4 Bogen- und
3.8.12 Schrägseilbrücke Stabbogenbrücken .. . . . . . . 362
Dubrovnik, Kroatien . . . . . 238 5.4.1 Steinbrücken .. . . . . . . . . . . . 362
5.4.2 Betonbogenbrücken . . . . . . 375
5.4.3 Stahlbrücken .. . . . . . . . . . . . 384
4 Querschnittsgestaltung . . . . . . 241 5.4.4 Verbund- und
4.1 Querschnittsgestaltung Mischkonstruktionen . . . . . 396
in Abhängigkeit von 5.5 Schrägkabelbrücken . . . . . . 410
System und Funktion .. . . . 241 5.5.1 Konstruktionsgrundsätze . 410
4.1.1 Allgemeines .. . . . . . . . . . . . . 241 5.5.2 Konstruktionselemente . . . 414
4.1.2 Allgemeine 5.5.3 Lagerbedingungen .. . . . . . . 421
Erläuterungen zu den 5.5.4 Aerodynamisches
Hauptquerschnittstypen .. . 244 Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . 423
4.1.3 Querschnitte für 5.5.5 Konstruktive Gestaltung
Straßenbrücken . . . . . . . . . . 246 der Konstruktions­­
4.1.4 Querschnitte für elemente .. . . . . . . . . . . . . . . . 424
Bahnbrücken .. . . . . . . . . . . . 247 5.5.6 Ergänzungen zu Verbund-
4.1.5 Querschnitte für und Mischkonstruktionen . 443
Fußgänger- und 5.6 Hängebrücken .. . . . . . . . . . . 450
Radwegbrücken . . . . . . . . . . 248 5.7 Spannbandbrücken . . . . . . . 456
4.1.6 Sonderquerschnitte .. . . . . . 249 5.7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 456
4.2 Querschnittsgestaltung 5.7.2 Tragwirkung . . . . . . . . . . . . . 457
in Abhängigkeit vom 5.7.3 Bauverfahren .. . . . . . . . . . . . 459
verwendeten Werkstoff . . . 249 5.7.4 Beanspruchungen . . . . . . . . 460
4.2.1 Betonbrücken . . . . . . . . . . . . 249 5.7.5 Wirtschaftlichkeit . . . . . . . . 461
4.2.2 Stahlbrücken .. . . . . . . . . . . . 261 5.7.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 461
4.2.3 Verbundbrücken . . . . . . . . . 271
4.2.4 Holzbrücken . . . . . . . . . . . . . 281 6 Lagerung .. . . . . . . . . . . . . . . . . 463
6.1 Überblick .. . . . . . . . . . . . . . . 463
5 Haupttragwerke 6.2 Aufgaben und Beurteilung
der Überbauten . . . . . . . . . . . . 291 ­d er Lagerung .. . . . . . . . . . . . 467
5.1 Beton-Plattenbrücken .. . . . 291 6.3 Wahl der Lagerung
5.2 Balkenbrücken . . . . . . . . . . . 302 und Anordnung der Lager . 470
5.2.1 Beton-Balkenbrücken .. . . . 302 6.4 Ermittlung der Kräfte
5.2.2 Stählerne Balkenbrücken . 335 und Bewegungen .. . . . . . . . 476
5.2.3 Balkenbrücken als 6.4.1 Allgemeines .. . . . . . . . . . . . . 476
Verbundbrücken oder 6.4.2 Beispiel zur Ermittlung der
Mischkonstruktionen . . . . . 340 Kräfte und Bewegungen
5.3 Rahmenbrücken .. . . . . . . . . 350 und der Nachweisführung
5.3.1 Rahmenbrücken für bewehrte
aus Beton .. . . . . . . . . . . . . . . 350 Elastomerlager . . . . . . . . . . . 477
5.3.2 Rahmenbrücken aus Stahl . 358 6.5 Lagerwiderstände .. . . . . . . . 487
XIV Inhaltsverzeichnis

6.6 Planungsunterlagen .. . . . . . 487 8.1.4 Einwirkungen aus der


6.7 Messungen von Kräften Bauwerks­nutzung .. . . . . . . . 528
und Bewegungen 8.1.5 Einwirkungen aus der
an Lagern .. . . . . . . . . . . . . . . 489 Bauwerks­u mgebung . . . . . . 534
6.8 Inspektion und 8.1.6 Bauzustände . . . . . . . . . . . . . 535
Instandhaltung der Lager 8.2 Systeme, Tragverhalten,
und Lagerungen .. . . . . . . . . 492 Schnittgrößen .. . . . . . . . . . . 536
8.2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 536
7 Unterbauten . . . . . . . . . . . . . . 495 8.2.2 Überbauten . . . . . . . . . . . . . . 540
7.1 Überblick .. . . . . . . . . . . . . . . 495 8.2.3 Unterbauten . . . . . . . . . . . . . 554
7.2 Widerlager .. . . . . . . . . . . . . . 495 8.2.4 Gesamtsysteme .. . . . . . . . . . 559
7.2.1 Definition, Aufgaben 8.3 Berechnung von
und Konstruktionsprinzip . 495 Stahlbrücken .. . . . . . . . . . . . 560
7.2.2 Anordnung von 8.3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 560
Widerlagerwand und 8.3.2 Ausgewählte Probleme .. . . 564
Flügeln – Widerlagerarten . 497 8.4 Ausgewählte Nachweise
7.2.3 Konstruktion der Bauteile . 500 bei einer Verbundbrücke .. 590
7.2.4 Entwurf von Widerlagern . 504 8.4.1 Allgemeines .. . . . . . . . . . . . . 590
7.3 Stützen und Pfeiler .. . . . . . 507 8.4.2 Steifigkeit der
7.3.1 Definition, Aufgaben und Fahrbahnplatte .. . . . . . . . . . 591
Konstruktionsprinzip .. . . . 507 8.4.3 Verbundtragwirkung .. . . . . 593
7.3.2 Anordnung und 8.4.4 Nachweise im
Querschnitts­g estaltung Grenzzustand der
von Pfeilern .. . . . . . . . . . . . . 508 Tragfähigkeit .. . . . . . . . . . . . 595
7.3.3 Anordnung und 8.4.5 Ermüdungsnachweis .. . . . . 602
Querschnitts­g estaltung 8.4.6 Nachweis im Grenzzustand
von Stützen . . . . . . . . . . . . . . 510 der Gebrauchstauglichkeit . 605
7.3.4 Pfeiler- oder Stützenkopf . 511 8.5 Betonbrücken . . . . . . . . . . . . 606
7.3.5 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . 513 8.5.1 Vorspannung
7.3.6 Pylone .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 von Betonbrücken .. . . . . . . 606
7.4 Gründungen . . . . . . . . . . . . . 514 8.5.2 Schnittgrößen infolge
7.4.1 Aufgaben und Überblick .. 514 Vorspannung .. . . . . . . . . . . . 609
7.4.2 Flachgründungen .. . . . . . . . 514 8.5.3 Einleitung konzentrierter
7.4.3 Pfahlgründungen .. . . . . . . . 517 Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624
7.4.4 Auswahlkriterien und 8.5.4 Vorspannkraftverluste
Entwurf der Gründung . . . 519 infolge des Kriechens und
Schwindens des Betonsund
8 Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . 521 der Relaxation des
8.1 Einwirkungen auf Spannstahls . . . . . . . . . . . . . . 629
Brücken . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 8.5.5 Schnittgrößenum­
8.1.1 Allgemeines .. . . . . . . . . . . . . 521 lagerungen bei
8.1.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 525 Systemänderungen und
8.1.3 Einwirkungen aus dem abschnittsweisem Bauen . . 636
Bauwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 8.5.6 Bemessungsgrundlagen . . . 640
Inhaltsverzeichnis XV

8.5.7 Berechnungsbeispiel, über 9.3.3 Einfluss des Bauablaufs .. . 948


drei Felder durchlaufende, 9.3.4 Systemabhängige
vorgespannte Bauabläufe .. . . . . . . . . . . . . . 954
Plattenbrücke . . . . . . . . . . . . 660
8.6 Berechnung 10 Brückenausrüstung .. . . . . . . . . 959
von Unterbauten . . . . . . . . . 692 10.1 Fahrbahnausbildung
8.6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . 692 und Dichtungen .. . . . . . . . . 959
8.6.2 Berechnung von 10.1.1 Fahrbahnen von
Widerlagern . . . . . . . . . . . . . 692 Straßenbrücken . . . . . . . . . . 959
8.6.3 Berechnung von Pfeilern 10.1.2 Oberbau von
und Stützen .. . . . . . . . . . . . . 710 Eisenbahnbrücken .. . . . . . . 962
8.6.4 Berechnung 10.2 Lager .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966
von Gründungen . . . . . . . . . 720 10.2.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . 966
8.7 Spezielle Probleme . . . . . . . 731 10.2.2 Verformungslager . . . . . . . . 966
8.7.1 Temperaturbeanspruchung . 731 10.2.3 Stahllager .. . . . . . . . . . . . . . . 974
8.7.2 Schwingungsprobleme . . . . 754 10.2.4 Topflager . . . . . . . . . . . . . . . . 976
8.7.3 Erdbebenbeanspruchung . 778 10.2.5 Kalottenlager .. . . . . . . . . . . . 978
10.2.6 Festhaltekonstruktionen
und Führungslager . . . . . . . 979
9 Herstellung und 10.2.7 Sonderlager .. . . . . . . . . . . . . 980
Ausführungsmethoden .. . . . . . 795 10.2.8 Einbau und Austausch
9.1 Betonbrücken . . . . . . . . . . . . 795 der Lager . . . . . . . . . . . . . . . . 980
9.1.1 Herstellung auf 10.3 Fahrbahnübergänge .. . . . . . 981
Lehrgerüst . . . . . . . . . . . . . . . 795 10.3.1 Allgemeines .. . . . . . . . . . . . . 981
9.1.2 Herstellung auf 10.3.2 Fahrbahnübergänge
Vorschubrüstung . . . . . . . . . 813 für Straßenbrücken .. . . . . . 982
9.1.3 Freivorbau . . . . . . . . . . . . . . . 825 10.3.3 Schienenauszugs­
9.1.4 Taktschieben .. . . . . . . . . . . . 839 vorrichtungen .. . . . . . . . . . . 991
9.1.5 Segmentbauweise .. . . . . . . . 849 10.4 Schrammborde,
9.1.6 Schrägkabelbrücken . . . . . . 878 Schutzeinrichtungen,
9.2 Stahlbrücken .. . . . . . . . . . . . 900 Kappen und Geländer . . . . 992
9.2.1 Werkstattfertigung . . . . . . . 900 10.4.1 Kappen von
9.2.2 Montage vorgefertigter Straßenbrücken . . . . . . . . . . 992
Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 904 10.4.2 Kappen auf
9.2.3 Freivorbau . . . . . . . . . . . . . . . 910 Eisenbahnbrücken .. . . . . . . 993
9.2.4 Längseinschub 10.4.3 Geländer und
(Lancieren) . . . . . . . . . . . . . . 915 Leiteinrichtungen . . . . . . . . 994
9.2.5 Spezielle Verfahren .. . . . . . 918 10.5 Brückenentwässerungen . . 996
9.3 Brücken in Verbund- 10.6 Beleuchtung .. . . . . . . . . . . . . 998
und Mischbauweise .. . . . . . 935 10.7 Versorgungsleitungen .. . . 1000
9.3.1 Fertigung und Montage 10.8 Lärmschutzanlagen .. . . . . 1002
Stahlüberbau .. . . . . . . . . . . . 935 10.8.1 Überblick .. . . . . . . . . . . . . . 1002
9.3.2 Schalung und Fertigung 10.8.2 Lärmschutzanlagen auf
Betonfahrbahnplatte .. . . . . 938 Brücken . . . . . . . . . . . . . . . . 1003
XVI Inhaltsverzeichnis

11 Überwachung, Prüfung, 11.7.3 Messgrößen und


Bewertung und Beurteilung zugehörige Sensoren .. . . . 1063
von Brücken . . . . . . . . . . . . . . 1009 11.7.4 Aufzeichnung der
11.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1009 Messdaten . . . . . . . . . . . . . . 1066
11.2 Ursachen für Schäden 11.7.5 Aufbereitung und
an Betonbrücken . . . . . . . . 1009 Verarbeitung der
11.2.1 Allgemeines .. . . . . . . . . . . . 1009 Messdaten . . . . . . . . . . . . . . 1067
11.2.2 Schäden am Beton .. . . . . . 1010
11.2.3 Schäden am 12 Brückeninstandsetzung
Bewehrungsstahl . . . . . . . . 1015 und -sanierung .. . . . . . . . . . . 1069
11.2.4 Schäden an den Fugen 12.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1069
und Lagern . . . . . . . . . . . . . 1021 12.2 Betonbrücken . . . . . . . . . . . 1069
11.3 Schäden an Stahl- und 12.2.1 Planung von
Verbundbrücken . . . . . . . . 1024 Instandsetzungs- und
11.4 Überwachung und Prüfung Sanierungsmaßnahmen . 1069
von Brückenbauwerken . 1035 12.2.2 Vorbereitende
11.4.1 Grundlagen zur Maßnahmen . . . . . . . . . . . . 1071
Überwachung von 12.2.3 Durchführung der
Brückenbauwerken . . . . . . 1035 Instandsetzungs- und
11.4.2 Prüfung von Sanierungsmaßnahmen . 1075
Betonbrücken . . . . . . . . . . . 1036 12.3 Stahlbrücken .. . . . . . . . . . . 1083
11.4.3 Prüfung von Stahl- 12.3.1 Korrosionsschutz .. . . . . . . 1083
und Verbundbrücken . . . . 1045 12.3.2 Niete und Schrauben . . . . 1083
11.4.4 Prüfung der 12.3.3 Instandsetzung von
Brückenausstattung .. . . . . 1052 Abrostungen . . . . . . . . . . . . 1084
11.4.5 Prüfung der 12.4 Fahrbahnbeläge . . . . . . . . . 1084
Brückenausrüstung . . . . . . 1053
11.5 Zustandsbewertung 13 Brückenverstärkung . . . . . . . . 1087
und -beurteilung 13.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1087
von Brücken . . . . . . . . . . . . 1054 13.2 Betonbrücken . . . . . . . . . . . 1087
11.5.1 Allgemeines .. . . . . . . . . . . . 1054 13.2.1 Geklebte Kohlenstofffaser­
11.5.2 Verfahren zur verbundwerkstoffe .. . . . . . 1087
Zustandsbewertung 13.2.2 Externe Vorspannung .. . . 1096
von Brücken . . . . . . . . . . . . 1055 13.2.3 Querschnittsergänzung . . 1100
11.6 Brückenmanagement . . . . 1059 13.3 Stahl- und
11.6.1 Allgemeines .. . . . . . . . . . . . 1059 Verbundbrücken . . . . . . . . 1104
11.6.2 Brückenmanagement­ 13.3.1 Fahrbahnverstärkung . . . . 1106
systeme .. . . . . . . . . . . . . . . . 1060 13.3.2 Systemverstärkung .. . . . . . 1107
11.7 Kontinuierliche 13.3.3 Systemänderung .. . . . . . . . 1112
rechnergestützte
Dauerüberwachung .. . . . . 1062 Literatur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1115
11.7.1 Allgemeines .. . . . . . . . . . . . 1062 Brückenverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . 1171
11.7.2 Festlegung eines Personen- und Firmenverzeichnis . . . . 1181
Konzepts für die Dauer­ Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1185
überwachung .. . . . . . . . . . . 1062
Autorenverzeichnis

Prof. Dipl.-Ing. Dr.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Gerhard Girmscheid


Francesco Aigner Institut für Bauplanung und Baubetrieb
Institut für Tragkonstruktionen/Stahlbau ETH Zürich
TU Wien
Prof. Dr.-Eng. Dr.-Ing., M.Eng.
Prof. em. Dr. techn. Dr.-Ing. e.h. Masaaki Hoshino
Hugo Bachmann Dept. of Transportation Engineering
Institut für Baustatik und Konstruktion and Socio-Technology,
ETH Zürich Nihon University Tokyo/Japan

Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach Prof. Dr.-Ing. Thomas Jahn


Institut für Massivbau Fachbereich Bauwesen/Industriebau
TU Dresden Hochschule für Technik, Wirtschaft und
Kultur, Leipzig
Dr.-Ing. Annette Detzel
Instituut voor Bouw en Bedrijfskunde, Prof. Dr.-Ing. Manfred Keuser
Hogeschool Rotterdam Institut Konstruktiver Ingenieurbau/
Massivbau
Dipl.-Ing. Dr. techn. Universität der Bundeswehr München
Eva-Maria Eichinger-VILL
Bundesministerium für Verkehr, Prof. Dipl.-Ing. Dr.-Ing., M.Eng.
Innovation und Technologie Johann Kollegger
Infrastruktur-Straße Institut für Tragkonstruktionen/Betonbau
Abteilung II/St2-Technik, Wien TU Wien

Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Fehling Prof. Dr.-Ing. Ulrike Kuhlmann


Institut für Konstruktiven Ingenieurbau Institut für Konstruktion und Entwurf/
Fachgebiet Massivbau Stahlbau und Holzbau
Universität Kassel Universität Stuttgart

Prof. Dr.-Ing. Ursula Freundt Dr.-Ing. Ulf Lichte


Fachgebiet Verkehrsbau Ingenieurbüro Lichte, München
Bauhaus-Universität Weimar und Leipzig
XVIII Autorenverzeichnis

Prof. Dr.-Ing. Ingbert Mangerig Dipl.-Ing. Dr. techn.


Institut Konstruktiver Ingenieurbau/ Thomas Petraschek
Stahlbau ÖBB Infrastruktur Betrieb AG,
Universität der Bundeswehr München Infra Service, Technik Nord, Linz

Prof. i. R. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Prof. em. Dipl.-Ing. Dr.-Ing.


Gerhard Mehlhorn Günter Ramberger †
Mehlhorn und Vier Ingenieurgesellschaft ehemals Institut für Tragkonstruktionen/
mbH, Kassel; Stahlbau
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau TU Wien
Fachgebiet Massivbau
Universität Kassel Dipl.-Ing. Peter Ruse †
ehemals BUNG, Heidelberg
Prof. em. Dr. techn. Dr.-Ing. E. h.
Christian Menn Dipl.-Ing. Silke Scheerer
Institut für Baustatik und Konstruktion Institut für Massivbau
ETH Zürich TU Dresden

Dr.-Ing. Harald Michler Prof. i. R. Dr.-Ing. Jürgen Stritzke


Institut für Massivbau Institut für Massivbau
TU Dresden TU Dresden

Ministerialrat Dipl.-Ing.
Joachim Naumann
Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung
Referat S 18
Bonn
1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum
zum modernen Brückenbau
Gerhard Mehlhorn und Masaaki Hoshino

1.1 Einführung in die Natur sind Brückenbauwerke einzu-


fügen. Leonhardt hat auf die besondere Be-
Ivo Andric, 1961 mit dem Nobelpreis für deutung der Gestaltung unserer Umwelt
Literatur ausgezeichnet, schrieb [Andric, und ganz besonders die Bedeutung der
1971]: Schönheit der Umgebung, in der der
Von allem, was der Mensch in seinem Le- Mensch lebt, für die seelische Gesundheit
benstrieb errichtet und erbaut, scheint mei- hingewiesen [Leonhardt, 1970] (s. auch
nen Augen nichts besser und wertvoller zu [Leonhardt, 1974]). Der Ingenieur muss
sein als die Brücken. Sie sind wichtiger als sich dieses Sachverhalts und der daraus re-
Häuser, heiliger, weil gemeinsamer, als Kir- sultierenden Verantwortung bei der Gestal-
chen. Allen gehörig und allen gleich nützlich, tung seiner Bauwerke stets bewusst sein. Es
immer sinnvoll errichtet an dem Orte, an ist darauf zu achten, dass die Bauwerke
dem die meisten menschlichen Bedürfnisse nicht nur tragfähig und wirtschaftlich kon-
sich kreuzen, sie sind ausdauernder als ande- struiert werden, sondern dass sich die Bau-
re Gebäude und dienen keinem heimlichen werke harmonisch in ihre Umgebung ein-
oder bösen Zweck … alle sind sie im Grunde fügen. Gerade im Brückenbau, der ja in
eines und gleicherweise unserer Aufmerk- ganz besonders hohem Maße fast allein von
samkeit wert, denn sie zeigen den Ort, wo Ingenieuren zu gestalten und zu verantwor-
der Mensch auf Hindernisse stieß und sich ten ist, muss der Ingenieur dies stets beach-
doch nicht aufhalten ließ, sondern sie über- ten. Die hervorragenden Brückenbauten
wand und überbrückte, wie er es eben ver- des Altertums und des Mittelalters sollen
mochte, je nach seiner Auffassung, seinem uns Ansporn sein, künftigen Generationen
Geschmack und den Verhältnissen, von de- von der hohen Gestaltungskunst der Inge-
nen er umgeben war. nieure unserer Zeit Zeugnis zu geben.
Es ist sicher eine Frage des persönlichen Robert Maillart, ein Ingenieur aus der
Standpunkts, wenn man die Frage der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und des
Wichtigkeit der Häuser, Brücken und Kir- Anfangs der Stahlbeton-Bauweise, hat die-
chen zu vergleichen hat. Diese Frage soll se Kunst in hervorragendem Maße be-
hier nicht vertieft werden. Wesentlich ist, herrscht. Im Bild 1.1-1 ist seine wohl be-
dass Brücken zu den wichtigsten Bauwer- deutendste Brücke, die Salginatobelbrücke
ken der Kulturgeschichte zählen. Brücken bei Schiers im Prättigau, exemplarisch ge-
dienten und dienen stets der Verbindung, zeigt. Man sieht, mit welchem Einfühlungs-
sei es zur Begegnung von Menschen oder vermögen Maillart diese Brücke in die
zum Transport von Handelsgütern. So hat- Landschaft eingefügt hat. Der Unsymme­
ten Brücken für den Menschen stets eine trie des Tals begegnet Maillart auch bei der
besondere Bedeutung. Komposition der Brücke. Dabei hat Maillart
Oft stehen Brücken an markanten Stel- auch ästhetische Gesichtspunkte beachtet,
len unserer Städte und Verkehrswege. Auch denn diese Brücke ist nicht nur schön in die
2 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.1-1   Salginatobel­
brücke (Foto aus dem
Jahr 1978)

Landschaft gefügt, sondern sie ist auch ein hier in verschiedenen Kapiteln, insbeson-
hervorragendes Zeugnis der Ingenieurbau- dere im Kapitel 3, auf Entwurfs- und Ge-
kunst (s. auch Abschnitt 1.4.4, Bilder 1.4-44 staltungsprobleme einge­gangen, siehe auch
bis -46 und Abschnitt 3.7, Bild 3-2). Abschnitt 1.6.
Diese wenigen Hinweise zur besonde-
ren Verantwortung des Ingenieurs vor den
ästhetischen Gefühlen der Mitmenschen 1.2 Brücken im Altertum
und der Gestaltung der Umwelt mögen ge-
nügen. In [Bonatz/Leonhardt, 1960] ist eine 1.2.1 Brücken in China
Zusammenstellung sehr gut gestalteter
Brücken enthalten. Dieses Buch von Bo- China gehört zu den ältesten Kulturen der
natz/Leonhardt, das Buch von Max Bill Geschichte. Zu den ersten technischen Bau-
über Maillart [Bill, 1969], die Bücher [Brüh- werken gehören einfache Brücken. Als Vor-
wiler/Menn, 2003], [Billington, 1979], [Bil- bilder dienten sicher ein zufällig über einen
lington, 1990], [fib, 2000] [Holgate, 1997], Bach gestürzter Baumstamm und eine ein
[Leonhardt, 1982], [Pauser, 2002] und die Gewässer überbrückende Steinplatte. Ge-
Kataloge zu Ausstellungen über die Bauten naue Kenntnis über die Anfänge der Ent-
von Robert Maillart [Marti/Honegger, wicklung des Brückenbaus haben wir nicht.
1996], die Bauten von Christian Menn Glücklicherweise gibt uns aber das wert-
[Vogel/Marti, 1997] sowie die Bauten von volle Buch [Mao Yisheng, 1986], einen um-
Jörg Schlaich und Rudolf Bergermann fangreichen Überblick über alte Brücken in
[Bögle et al., 2003] werden jedem Brücken- China. Daraus wissen wir, dass die erste
bau-Ingenieur und am Brückenbau Interes- Brücke, deren Existenz anhand der antiken
sierten zur Lektüre empfohlen. Auch auf Literaturquellen als gesichert betrachtet
das Buch von Dr.-Ing. Kunio Hoshino, ei- werden kann, die Schiffsbrücke (von Ufer
nes japanischen Kollegen, zum Problem zu Ufer nebeneinander verankerte Boote,
der Gestaltung von Brücken [Hoshino, die über einen Bretterbelag verbunden
1972] wird hingewiesen. Das Buch, aus ja- wurden) über den Fluss Wei, einem Neben-
panischer Sicht geschrieben, ist für den um fluss des Gelben Flusses, war. Im Shijing,
Gestaltungsprobleme ringenden Ingenieur dem zwischen 780 und 476 v. Chr. geschrie-
lesenswert. Selbstverständlich wird auch benem Gedichtbuch, findet sich eine Ode,
1.2 Brücken im Altertum 3

nach der der Gründer der Zhou-Dynastie und Han-Zeit (221–207 v. Chr. und 205 v.
bereits 1134 v. Chr. diese Brücke dort bau- bis 220 n. Chr.) gab es in der damaligen
en ließ, um seine Braut zu empfangen. In Hauptstadt Xianyang drei berühmte Holz-
einer anderen Literatur­quelle steht, dass balkenbrücken über den Fluss Wei, näm-
541 v. Chr. ein im Quin-Königreich leben- lich die östliche Weibrücke, die mittlere
der vermögender Mann eine provisorische Weibrücke und die westliche Weibrücke.
Schiffsbrücke über den Gelben Fluss be- Die zwischen 305 und 251 v. Chr. (das ge-
nutzt hat, um, aus Angst um seinen Kopf, naue Jahr des Baus der Brücke ist nicht be-
vor seinem Neffen zu ­flüchten. kannt) von Prinz Zhao Xiang in Auftrag
Die erste über eine längere Zeit beste- gegebene und von Quin errichtete mittlere
hende, verbürgte große Schiffsbrücke über Weibrücke mit 68 Öffnungen war die ältes-
den Gelben Fluss war die 257 v. Chr. unter te und größte der drei Brücken. Ihre Länge
dem Herrscher Zhao Xiang Wang von Quin betrug 524 m und ihre Breite 13,8 m.
errichtete Pujin Brücke, die in Liedern und Mit dem Bau von Schifffahrtskanälen im
Hymnen verschiedener Epochen besungen Osten Chinas im ersten Jahrhundert n. Chr.
und auch noch 840 von dem japanischen wurden dort mehrere Holzbrücken gebaut.
Mönch Ennin erwähnt wurde. Es kann Genaueres darüber wissen wir nicht. In
deshalb angenommen werden, dass sie Reiseberichten wurden aber häufig große
mindestens ca. 1000 Jahre bestanden hat. Holzbrücken bewundernd erwähnt. Mehr-
Danach wurden mehrere Schiffsbrücken fach wurde die Brücke bei Sian genannt,
über den Gelben Fluss gebaut. Die erste von der bekannt ist, dass sie eine Holzbal-
Schiffsbrücke über den Fluss Changjiang kenbrücke auf Pfeilern aus Stein war. Die
(Yangtse), die Jiangguan (Huya)-Brücke, Pfeiler standen auf einer Steinplatte und am
wurde im Jahre 35 n. Chr. errichtet. Bei Pfeilerkopf war ebenfalls eine Steinplatte
allen großen Schiffsbrücken wurden Mate- angeordnet, die einen auskragenden Holz-
rialien für Reparaturzwecke (Holz, Anker, balken trug, auf dem die Holzträger des
Taue und sogar Ersatzschiffe) vorgehalten. Brückenüberbaus auflagen. Die bei zuvor
Bewegliche Brückenteile wurden ausge- errichteten Brücken verwendeten Holz-
fahren, damit Schiffe die Stelle, an der sich pfeiler waren im Wasser stehend im Über-
die Brücke befand, passieren konnten. gangsbereich vom Wasser zur Luft im Lau-
Im antiken China gab es schon eine Viel- fe der Zeit dem Verfaulen ausgesetzt. Ihre
falt von Brückentypen. Dazu zählen die Lebensdauer war deshalb sehr begrenzt.
Holzbalkenbrücken. Im von Li Daoyuan Die Pfeiler aus Stein hatten natürlich eine
(496–527) geschriebenen Geografiebuch bedeutend längere Lebensdauer.
Shuijingzhu ist eine auf 30 Holzpfeilern Auch Holzkragträgerbrücken gab es
(Durchmesser der Pfeiler: 1,25 m) gelagerte schon früh in den südlichen und westlichen
Holzbalkenbrücke erwähnt, die zwischen Teilen Chinas, wo Holz reichlich vorhan-
557–531 v. Chr. über den Fluss Fenshui in den war und wegen der tiefen Täler und des
der Provinz Shanxi gebaut wurde. Im Shiji, gewaltigen Hochwassers Brückenpfeiler
das von Sima Qian um 91 v. Chr. geschrie- nur schwer im Fluss errichtet werden konn-
ben wurde, ist eine Geschichte über einen ten. Es ist zu vermuten, dass bereits im
Mann enthalten, der sich um 450 v. Chr. 2. Jahrhundert Holzkragträgerbrücken ge-
unter einer Brücke versteckte, um den Tod baut wurden. Im Shuijingzhu ist eine Brü-
seines Herrn zu rächen. Die Brücke mit der cke aus dem 4. Jahrhundert an der Grenze
Gesamtlänge von 135 m und der Breite von zwischen Gansu und Xinjiang Weiwuer er-
19,2 m hatte mehrere Öffnungen und über- wähnt. Ihre Länge betrug 48 m. Sie bestand
spannte den Fluss Fenshui. In der Quin- aus den aus beiden Ufern vorkragenden
4 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Holzbalken, die in drei Schichten überei- -balken nebeneinander auf Pfeiler gelegt
nander gesetzt und auf Steinwiderlagern und bilden mit diesen und den Auflager-
verankert wurden. Das Prinzip der Holz- steinen an den Ufern eines Flusses das Brü-
kragträgerbrücken (Bild 1.2-1) ist, dass an ckentragwerk. Bei längeren Brücken über
beiden Ufern bis zur Höhe des häufig auf- mehrere Felder bestehen die Flusspfeiler
tretenden Wasserstands Steinwiderlager aus behauenen Steinen, die übereinander
errichtet werden. Darauf werden jeweils geschichtet werden, oder die Pfeiler beste-
nebeneinander liegende, miteinander ver- hen jeweils aus einem vertikal im Flussbett
bundene Rundhölzer oder Holzbalken so aufgestellten Steinbalken. Auf die Peiler
gelegt, dass sie über die Widerlager zum und Widerlager werden die Steinplatten
Wasser hin etwas auskragen. Auf die Hölzer aufgelegt. Der Vorteil der Steinplattenbrü-
wird eine Schicht Steine aufgelegt, um sie cken gegenüber Holzbrücken liegt in der
zu beschweren. Danach folgen sukzessive längeren Haltbarkeit, die den höheren Auf-
mehrere dieser mit Steinen beschwerten, wand beim Bau rechtfertigte. Was den Auf-
etwas über die darunter befindlichen Holz- wand betrifft, muss bedacht werden, dass es
lagen auskragender Hölzer, bis die verblei- ja die uns heute zur Verfügung stehenden
bende Öffnung mit einem Holzträger über- modernen Hebezeuge für den Transport
brückt werden konnte. Über breite Flüsse und die Montage der schweren Steine
wurden nach diesem Prinzip auch Brücken noch nicht gab. Die älteste Überlieferung
über mehrere Felder gebaut, wobei man bei über eine vermutliche Steinplattenbrücke
den Flusspfeilern nach beiden Seiten aus- stammt aus einer Ode etwa aus dem Jahr
kragende Holzkragträger nach dem eben 1000 v. Chr. Danach soll eine 900 m lange
beschriebenen Prinzip herstellte und die Steinbrücke über den Min-Fluss etwa 1040
dann verbleibenden Öffnungen über­ v. Chr. vorhanden gewesen sein. Sie exis-
brückte. tiert heute nicht mehr. Um das Prinzip der
Zur Vielfalt der in China charakteri- Steinplattenbrücken zu veranschaulichen
stischen Brückentypen zählen die Stein- ist im Bild 1.2-2 die heute noch benutzte
plattenbrücken [Wölfel, W., 1999]. In ihrer Anping-Brücke, die im 12. Jahrhundert ge-
einfachsten Form zur Überbrückung eines baut wurde, gezeigt.
Bachs bestehen sie nur aus einer einzelnen Im alten China erfolgte der Warenver-
Steinplatte, die an den beiden Ufern auf kehr vorwiegend auf Wasserstraßen. Zur
Auflagersteinen aufliegt, oder es werden Querung der Wasserstraßen durch Fuß-
mehrere Meter lange Steinplatten oder gänger wurden Steinbogenbrücken haupt-

Bild 1.2-1   Beispiel einer


Holzkragträgerbrücke,
Zamalong-Brücke bei
Xining (Bild aus [Ding,
1993])
1.2 Brücken im Altertum 5

Bild 1.2-2   Anping-Brücke
(Bild aus [Wölfel, W., 1999])

sächlich mit einem Bogen und steilen Ram- Erde und Schotter. Die Außenwände und
pen gebaut. Die Bogenspannweiten betru- die Zwischenfüllung der Rampen bilden
gen bis zu 9 m. Die etwas konkav zuge- einen zusammenwirkenden Verbundkör-
schnittenen schlanken Steine des Gewölbes per, was durch aus den Außenwänden aus-
wurden ohne Mörtel auf einem Lehrgerüst kragende Bindersteine, die als Verzahnung
versetzt und ihre gegenseitigen Verschie- tief in die Zwischenfüllung einbinden, ge-
bungen durch eiserne Verbindungsdübel währleistet ist. Charakteristisch für die frü-
auf unschädliche, sehr kleine Relativver- hen chinesischen Steinbogenbrücken, de-
schiebungen begrenzt. Die Gewölbedicke ren Entstehung ja nicht viel später als die
beträgt nur etwa 1/40 bis 1/30 der Bogen- der römischen Steinbogenbrücken begann,
spannweite (die tragenden Gewölbe der sind (Bild 1.2-3):
römischen Steinbogenbrücken, die ja auch
• das verhältnismäßig schlanke Gewölbe,
größere Belastungen aus dem Fahrverkehr
das häufig nur aus einer Steinlage be-
mit Wagen unterworfen waren, sollten da-
steht,
gegen mindesten 1/10 der Bogenspannwei-
• vertikale Steinplatten auf beiden Seiten
te betragen). Auf beiden Seiten des Bogens
des Bogens,
innerhalb des Blocksteinmauerwerks sind
• kräftige Brückenrampen auf beiden Sei-
vertikale Steinplatten (im Bild 1.2-3 gut zu
ten der Brücke mit Ansichtsflächen aus
erkennen) angeordnet. Die vertikalen
Blocksteinmauerwerk.
Steinplatten trennen das tragende Gewölbe
vom Rampenbereich, leiten einen Teil der Es ist davon auszugehen, dass Steinbogen-
Lasten des Bogens in die Gründung und brücken bereits spätestens zum Ende der
stützen den Bogen horizontal gegen die Östlichen Han-Zeit (25–220) vorhanden
schweren Rampen ab. Die Rampen beste- waren, weil für die halbkreisförmige Bo-
hen aus beidseitigen Außenwänden aus genkonstruktion die damals für Grabge-
Blocksteinen mit dazwischen eingefüllter wölbe üblichen Ziegel aus gebrannter Erde
6 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.2-3   Charakteristikum der frühen chinesischen Steinbogenbrücken (Bild aus [Wölfel, W.,
1999]), Gründung im Schnitt dargestellt

verwendet wurden. Die erste in der Litera- gesamt sehr ähnlich. Erste dieser Steinbo-
tur erwähnte chinesische Steinbogenbrücke genbrücken mit mehreren Feldern sollen
war die Luren Brücke aus dem Jahr 282 in schon in den ersten Jahrhunderten n. Chr.
Luoyang, die nach fünfmonatiger Bauzeit am Gelben Fluss in der Provinzhauptstadt
von 75000 Arbeitern gebaut wurde. Seit der Luoyang und ihrer Umgebung gebaut wor-
Jin-Zeit (265–420) verbreitete sich der Bau den sein. Der japanische Mönch Ennin be-
von Steinbogenbrücken vor allem im nörd- richtet 840, dass die vielen Brücken in Chi-
lichen China. Neben den genannten Stein- na bereits damals ständig gewartet wurden,
bogenbrücken mit einem Bogen und steilen sehr gepflegt wirkten und regem Verkehr
Rampen als Fußgängerbrücken gab es im ausgesetzt waren. Die 806 als Steinbogen-
Alten China auch schon Steinbrücken mit brücke gebaute Baodai Brücke bei Suzhou
halbkreisförmigen dickeren Gewölben, oft in der Provinz Jiangsu mit 53 Bogen und
mit mehreren Bogen. Sie wurden für Fluss- einer Gesamtlänge von 317 m (Bild 1.2-4)
querungen durch Fahrverkehr mit im Ver- quert den Fluss Dai-Dai und dient noch
gleich zum Fußgängerverkehr größeren heute dem Verkehr. Damit auch größere
Lasten gebaut, bei breiteren Flüssen mit Schiffe unter der Brücke durchfahren kön-
mehreren Bogen. Die Gewölbesteine hat- nen, befinden sich in der Mitte des Flusses
ten, wie die römischen Steinbogenbrücken, drei Bogen mit größeren Bogendurchmes-
radialen Fugenschnitt. Sie waren den römi- sern. Die Perfektion ihrer Konstruktion
schen Steinbrücken (s. Abschnitt 1.2.3) ins- und Ausführung setzt eine lange Entwick-

Bild 1.2-4   Baodai Brücke bei Suzhou (Bild aus [Wölfel, W., 1999])
1.2 Brücken im Altertum 7

Bild 1.2-5   Anji Brücke (Bild aus [Ding, 1993])

lungszeit voraus, weshalb sie bestimmt Xiache ist die weltweit erste Segment­
nicht der Prototyp dieses Brückensystems bogenbrücke (der Ponte Vecchio in Florenz,
sein kann. Es ist deshalb wahrscheinlich, die erste Segmentbogenbrücke in Europa,
dass es schon viele Vorgängerbrücken über wurde erst im 14. Jahrhundert gebaut) und
den Gelben Fluss gab. zugleich die älteste erhaltene durchbro-
Die im 11. bis 19. Jahr der Regierungs- chene Steinbogenbrücke [Ding, 1993]. Ihre
zeit Kaihuan aus der Sui Dynastie (581– Spannweite beträgt 37 m, der Radius des
618), Ende des sechsten Jahrhunderts von Bogens 27,7 m, die Pfeilhöhe 7,23 m und
Li Chun entworfene und gebaute Anji Brü- die veränderliche Dicke des Bogens bis zu
cke (Bilder 1.2-5 und -6) über den Fluss 1,03 m, die Fahrbahn ist ungefähr 10 m

Bild 1.2-6   Kämpfer der Anji Brücke (Bild aus [Ding, 1993])


8 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

breit. Das Verhältnis der Pfeilhöhe zur vorgenommene umfangreiche Reparatur


Spannweite ist damit ungefähr 1 : 5. Die erfolgte 1955 bis 1958. Dabei wurde festge-
größte Steigung der ausgerundeten Brü- stellt, dass noch ein Drittel der x-förmigen
ckenfahrbahn ist 6,5%. Der Segmentbogen Eisenklammern gut erhalten waren. Bei der
ist aus 28 parallelen, stumpf aneinandersto- letzten Instandsetzung wurden durch fünf
ßenden, etwa 1,03 m dicken Einzelbogen, eiserne Verankerungsstäbe mit Gewinde-
die jeweils aus 43 Steinen mit unterschied- köpfen auch die Verbindung der Einzelbo-
lichen Breiten zwischen 25 und 40 cm und gen miteinander verbessert.
unterschiedlichen Längen zwischen 0,7 Die Fachleute sind sich heute darüber
und 1,09 m bestehen, zusammengesetzt. einig, dass die Wiege der Hängebrücken
Die Gesamtbreite des Segmentbogens be- im Himalaya liegt. Die Seile der ältesten
trägt am Kämpfer 9,6 m und im Scheitel dieser Brücken wurden aus geflochtenen
knapp 9 m. Die Vorstellung, dass die gerin- Natur­fasern hergestellt. Man kann jedoch
ge Abnahme der Bogenbreite vom Kämpfer nicht, wie bei anderen Brückenbauarten,
zum Scheitel die Querstabilität (durch ho- fest­stellen, seit wann diese Bauart exis­
rizontale Bogenwirkung, Verhältnis des tierte. Aus einigen Schriften ergibt sich,
horizontalen Bogenstichs zur Spannweite dass im Himalaya mehrere Hängebrü-
etwa 1 : 123 und dünne Bogenrippen) ge- cken schon im 1. Jahrhundert v. Chr. vor-
währleistet, hat sich, aus unserer heutigen handen waren. Fa Xian, der wegen bud-
Sicht erwartungsgemäß, nicht bestätigt. dhistischer Heiligenschriften im Jahr 399
Zwischen 1368 und 1911 sind an der West- nach Indien pilgerte, berichtete über einige
seite der Brücke fünf der 28 Einzelbogen solcher Hängebrücken. Es ist möglich, aber
und an der Ostseite der Brücke drei Einzel- noch nicht bestätigt, dass sogar bereits
bogen wiederholt eingestürzt und mussten 206 v. Chr. eine eiserne Ketten-Hänge­
erneuert werden. Dabei erhielten die Steine brücke über den Fluss Fan in der Provinz
eine Riffelung in Schrägrichtung, und in Shanxi gebaut worden war. Im Bild 1.2-7
Längsrichtung wurden jeweils zwei Steine ist eine Hängebrücke in Nepal gezeigt, bei
mit Eisenklammern verbunden (Bild 1.2-6), der ein Holzsteg an über die Schlucht ge-
um das Zusammenwirken der Bogensteine spannten durchhängenden Seilen ange-
und Einzelbogen zu verbessern. Die zuletzt hängt ist.

Bild 1.2-7   Hänge­
brücke in Nepal (Bild aus
[Wölfel, W., 1999])
1.2 Brücken im Altertum 9

Bild 1.2-8   An-Lan
Brücke (Bild aus [Ding,
1993])

Es ist bekannt, dass eine der im Südwes- 1.2.2 Brücken in Griechenland,


ten Chinas vorhanden gewesenen sieben in den persischen Großreichen
Brücken, die An-Lan Brücke war, eine Seil- und in Mesopotamien
brücke (unter Seilbrücken seien auf durch-
hängenden Seilen aufliegende Holzstege Die Griechen gehören zu den ältesten
verstanden, die fest mit den Tragseilen ver- Kulturvölkern des Mittelmeerraums. Die
bunden wurden) mit zehn aus Bambusfa- kretisch-mykenische Kultur (2600–
sern geflochtenen, zur Begrenzung des 1150 v. Chr.) wies schon einen hohen tech-
Durchhangs vorgespannten Tragseilen, nischen Entwicklungsstand auf, es gab z. B.
zwei Stabilisierungsseilen und seitlich je schon Wagen mit Rädern und auch Fes-
fünf weiteren Seilen, die als Geländer dien- tungsmauern aus Kyklopenmauerwerk
ten, die der als der Baumeister des Douji- (unvermörteltes Mauerwerk aus größeren
ang-Wehrs berühmte Li Bing 251 v. Chr. im Steinblöcken). Die Kragsteinbrücke war zu
Kreis Guan, Provinz Sichuan, gebaut hat. dieser Zeit die häufigste Brückenkonstruk-
Nach der Literatur hat sie mindestens 600 tion. Bei der Burg von Mykene wurden Res-
Jahre lang existiert. Sie wurde mehrmals te einer großen Steinbrücke aus grob be-
erneuert. Nach [Ding, 1993] wurde sie hauenen Kalksteinen gefunden, die wahr-
1803 wieder in den ursprünglichen Zustand scheinlich schon 1400–1200 v. Chr. ent-
versetzt (Bild 1.2-8). Mit 8 Feldern hat sie standen ist [Wölfel, W., 1997]. Hier wurde
eine Gesamtlänge von ca. 340 m, die Spann- in einen Steindamm eine Brücke mit einer
weite des größten Felds beträgt 61 m. Die kragsteinartigen Öffnung eingefügt. Später
vorgespannten Seile müssen in regelmä- bauten die Griechen vor allem Kragstein-
ßigen zeitlichen Abständen kontrolliert, brücken aus sorgfältig behauenen Quader-
gegebenenfalls nachgespannt und ausge- steinen. Es wurden zunächst an beiden Sei-
wechselt werden. ten der Brückenöffnung lotrechte Wände
aufgemauert. Die Steinschichten im Be-
reich des Bogens kragen nach oben schicht-
weise jeweils etwas vor. So näherten sich die
10 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

noch vorhandenen Balken sind an den


Längskanten Dübelverbindungen erkenn-
bar.
Die Assyrer überschritten bereits im
9. Jahrhundert v. Chr. auf ihren Kriegszü-
Bild 1.2-9   Schema der griechischen Kragstein-
gen gegen das Königreich Uratru (östliches
brücken (Bild aus [Wölfel, W., 1997]]) Anatolien) Gebirgsflüsse auf Pontonbrü-
cken. Auf dem im British Museum in Lon-
don befindlichem Türbeschlag des könig­
Wände allmählich bis sich die obersten lichen Palastes in Balawat ist eine der im
Schichten berührten oder die verbleibende Auftrag des assyrischen Königs Salmanas-
Öffnung durch einen Stein überdeckt wur- saar III. (858–824 v. Chr.) von Pionieren
de, s. Bild 1.2-9. erbauten Pontonbrücken dargestellt [Wöl-
Auch Plattenbrücken wurden als Brü- fel, W., 1999].
ckentyp gefunden. Eine sehr interessante In Babylon ließ König Nabopolassar um
dieser Plattenbrücken ist in Assos an der 600 v. Chr. zur Verbindung der beiden
Westküste Kleinasiens (Bild 1.2-10), die im Stadtteile beiderseits des Euphrats eine zwi-
4. Jahrhundert v. Chr. gebaut wurde [Wöl- schen den Widerlagern ca. 125 m lange
fel, W., 1997]. Die Strompfeiler mit Achsab- Holzbrücke mit sechs gemauerten Pfeilern
ständen von 2,7 m bis 3,7 m aus sorgfältig aus gebrannten Ziegeln über den Euphrat
behauenen Steinblöcken mit rhombischem errichten. Die Abstände der Pfeiler vonei­
Grundriss sind nahezu parallel zu den nander betrugen 7 m bis 9 m. Sie gilt als
Ufern verlaufend hergestellt worden. Zur erste historisch gesicherte feste Straßenbrü-
Sicherung gegen das Verschieben der Stein- cke auf massiven Strompfeilern [Wölfel, W.,
schichten durch die Strömung des Flusses 1997]. Die Spannweite des Endfelds am
sind in den Horizontalfugen Stufen einge- rechten Ufer soll 19,4 m gewesen sein. Eine
arbeitet. Die Platte besteht aus nebeneinan- Erklärung für diese Spannweite, die man
der liegenden Steinbalken, die 44 cm bis aus den 1910/1911 von Koldewey gefunde-
64 cm breit und 34 cm dick sind. An den nen Pfeilerstellungen (Bild 1.2-11) vermu-

Bild 1.2-10   Griechische Steinplattenbrücke aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., Brücke in Assos an der
Westküste Kleinasiens (Bild aus [Wölfel, W., 1997])
1.2 Brücken im Altertum 11

Bild  1.2-11   Von Koldewey freigelegte Pfeiler (Draufsicht) der um 600 V. Chr. gebauten Euphrat
Brücke in Babylon (Bild aus [Wölfel, W., 1997])

tet, ist nicht bekannt. Möglicherweise war querten. Mandroklos ließ von dieser Brü-
das große Endfeld wegen der Schifffahrt cke ein Bild anfertigen, das er der Göttin
erforderlich und wurde mit einer aus­ Hera als Weihgabe stiftete. Der Perserkönig
fahrbaren Schiffsbrücke überbrückt. Zur Xerxes ließ 480 v. Chr. eine Schiffsbrücke
Errichtung der Strompfeiler wurde der über den Hellespont errichten. Weil die
Euphrat in einen extra dafür gegrabenen Brücke kurz nach ihrer Fertigstellung durch
Kanal umgeleitet, um die Pfeiler in trocke- einen Sturm zerstört wurde, ließ er die Brü-
nen Baugruben herstellen zu können. Die ckeningenieure enthaupten. Er beauftragte
an der Auflagerung des Überbaus 9 m danach den Astronom Harpalos mit dem
­breiten und 21 m langen und nach unten Bau einer neuen Brücke. Harpalos und sei-
konisch zunehmenden sechs Pfeiler mit ne Brückeningenieure wussten, was ihnen
11,8 m Breite und 23,8 m Länge verengten drohen würde, wenn es ihnen nicht gelang,
den Durchfluss des Euphrats beträchtlich eine sichere, den stärksten Stürmen wider-
und erzeugten durch den Pfeilerstau bei stehende Brücke zu bauen. Es wurden 674
Hochwasser die Gefahr der Pfeilerunter- Galeeren in einer Doppelreihe angeordnet
spülung. Die Brücke ist aber nicht einge- und verankert. In jede Richtung gab es eine
stürzt, sondern sie wurde wegen der Fluss- Fahrbahn. Zur festen Verbindung der Schif-
verlegung des Euphrat nicht mehr benötigt, fe wurden über jede der Galeerenreihen
sie hatte also ihren Zweck verloren. Die zwei Hanfseile und zusätzliche Papyrusseile
Pfeiler waren in vielen Jahrhunderten durch gelegt. Quer über die Seile wurden dicht
Sandstürme begraben und somit konser- nebeneinander Holzplanken gelegt und
viert worden. Von Archäologen freigelegt, ­befestigt. Auf diese Holzplanken wurden
gibt sie uns eine Vorstellung dieser bedeu- Zweige und Äste aufgelegt und diese mit
tenden Brücke der Antike. Erde abgedeckt. Über diese Brücke sollen
Herodot berichtete über persische 150 000 persische Krieger, [Jurecka,1979]
Schiffsbrücken über den Bosporus [Wölfel, nennt sogar 700 000 Krieger, den Bosporus
W., 1999]. Der Ingenieur Mandroklos er- überschritten haben.
richtete im Auftrag von Dareios I. 493 v. In den persischen Großreichen sind
Chr. eine aus zahlreichen nebeneinander zahlreiche Steinbrücken gebaut worden,
liegenden, seitlich verankerten Schiffen ge- deren Existenz durch Aufzeichnungen be-
bildete Brücke mit einem Holzüberbau, legt ist [Wölfel, W., 1999]. Als besonders
über die zahlreiche Krieger, [Jurecka,1979] unter Dareios (522–484 v. Chr.) der Stra-
nennt 600 000 Krieger, den Bosporus über- ßenbau forciert wurde, sind bereits viele
12 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Steinbrücken gebaut worden. Diese alten bauern dieses bedeutende Bauwerk der
steinernen Flussbrücken wiesen schon ­Antike. Der Bau erfolgte in den aufein­
­damals eine persische Besonderheit auf. anderfolgenden Bauphasen I und II, s.­
Die Brücke wurde mit einem Staudamm Bild 1.2-12.
kombiniert, wobei das durch den Damm In der Bauphase I wurde zunächst der
gestaute Wasser in Kanälen den Feldfluren Umleitungskanal ausgeschachtet und der
zur Bewässerung zugeleitet wurde. Diese Bogen des Karun durch die Herstellung­
kombinierten Staudammbrücken, in der des im Bild 1.2-12a mit A bezeichneten
Literatur auch Brückenbauwehre genannt, Fangedamms trocken gelegt, bei B war be-
wurden auch in späteren Jahrhunderten reits ein zur Wasserregulierung dienendes
bei fast allen Flussbrücken Persiens als Wehr vorhanden, um Bewässerungswasser
­persische Brückenbauweise, zum Teil bis­ in den Dariun-Kanal zu leiten. Dieses bei­
in die Neuzeit angewendet und weiterent- B vorhandene Wehr wurde deshalb zum
wickelt. Fangedamm in entgegengesetzter Richtung
Nach der Zeitwende wurden von den umgebaut. Das Wasser des Karun fließt
persischen Brückenbauern Steinbogenbrü- nun durch den Umleitungskanal. Im tro-
cken römischen Typs (im Abschnitt 1.2.3 cken gelegten Bogen des Karun wurde­
beschrieben) übernommen und weiterent- das im Bild 1.12-12a mit C bezeichnete
wickelte Staudammbrücken mit römischen Verteilerwehr Bend-e-Mizam hergestellt
Bogen gebaut, wobei die Perser aber den und dadurch der Abfluss des Gärgär-­
Halbkreisbogen am Scheitel in eine flache Kanals ausgebaut. Der Gärgär-Kanal
Spitze übergehen ließen, was als charakte- ­mündet 50 km flussabwärts zurück in den
ristisch für persische Bogenbrücken gilt. Karun.
Die bedeutendste Staudammbrücke ist die In der Bauphase II wurde der Fange-
im 3. Jahrhundert n. Chr. über den Karun damm A wieder entfernt und der Fange-
bei Schuschtar errichtete, die viele Jahrhun- damm D (s. Bild 1.2-12b) gebaut. Dadurch
derte überdauerte und an den noch heute war der Umleitungskanal gesperrt. Der
vorhandenen Ruinen die römische Bau- Fangedamm B wurde wieder als Wehr in
technik deutlich erkennbar ist [Wölfel, W., Fließrichtung des Flusses rückgebaut. Das
1999]. Schapur I. (241–272) wollte die im Wasser des Karun wurde nun vollständig­
3. Jahrhundert bedeutenden Städte Ktesi- in den Gärgär-Kanal umgeleitet. Damit­
phon und Pasargadeh durch eine Straße war der Karun flussabwärts des Fange-
verbinden. Dazu mussten die Flüsse Kark- damms B trocken gelegt. Die Staudamm-
heh, Dez und Karun überbrückt werden. brücke konnte nun im Trockenen gebaut
Als erste wurde die Staudammbrücke über werden.
den Karun bei Schuschtar gebaut. Aus den Der 500 m lange und 15 m breite, massi-
vorhandenen Ruinen lässt sich der römi- ve Wehrkörper, der auf Sandsteinschichten
sche Einfluss der Bauweise erkennen. Da gegründet ist und gleichzeitig als Bankett
Schapur I. ein römisches Heer besiegt und für die Pfeiler der Bogenbrücke dient, wur-
etwa 70 000 Kriegsgefangene gemacht­ de aus Beton und Steinen ausgeführt. Er ist
hatte, ist anzunehmen, dass sich unter den mit behauenen Quadersteinen verkleidet,
Gefangenen auch römische Pioniere und die durch Eisenklammern verbunden sind.
Ingenieure befanden, die wahrscheinlich Auf dem Wehrkörper wurde eine 3,5 m
am Entwurf und Bau der bedeutendsten breite Bogenbrücke mit 40 Bogen ausge-
Staudammbrücke Schuschtar beteiligt wa- führt (Bilder 1.2-13 und -14). Die 9 m lan-
ren. Die persischen Wasserbauer schufen gen und 6 m hohen Pfeiler mit gegenseiti-
zusammen mit den römischen Brücken- gen Abständen von 13 m bis 14 m sind 6 m
1.2 Brücken im Altertum 13

a b
Bild 1.2-12   Baufolge der Staudammbrücke bei Schuschtar, a) Bauphase I, b) Bauphase II (Bild aus
[Wölfel, W., 1999])

Bild 1.2-13   Staudammbrücke bei Schuschtar (Bild aus [Wölfel, W., 1999])

Bild 1.2-14   Bauwerksruine der Staudammbrücke bei Schuschtar (Bild aus [Wölfel, W., 1999])
14 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

dick, damit sie dem Strömungsdruck bei werden. Über die massiven Pfeiler wurde
höheren Wasserständen standhalten. Bei nun zunächst der Überbau aus Holz errich-
Hochwasser über dem Stauspiegel fließt tet. Der Holzüberbau kam nicht mit dem
Wasser über die Wehrkrone durch die Wasser und Boden in Kontakt, hatte des-
­B ogenbrücke ab. Die Bogenbrücke, die halb eine längere Lebensdauer und konnte
über mehrere Jahrhunderte dem Verkehr einfach ausgebessert werden. Genannt sei
diente, wurde mehrfach ausgebessert und hier nur der im 7. Jahrhundert v. Chr. ge-
schließlich dem Verfall preisgegeben. Die baute Pons Sublicius, eine Holzbrücke auf
noch vorhandenen Bogen und Pfeiler Pfeilern aus Stein, dem damals einzigen fes-
­zeugen vom hohen Stand der antiken ten Übergang zur Tiberinsel in Rom. Die
­Baukunst. Der noch völlig intakte Wehr- Brücke wurde 62 v. Chr. bei der Verteidi-
körper dient heute noch dem Bewässe- gung Roms gegen die Etrusker zerstört, er-
rungssystem. neut, diesmal als Steinbrücke, gebaut, fiel
aber bereits 23 v. Chr. einem Hochwasser
zum Opfer. Es dauerte danach 163 Jahre bis
1.2.3 Römische Brückenbaukunst eine neue Steingewölbe-Brücke die Tiber­
ufer an dieser Stelle wieder verband. Diese
Die ersten Brücken der Römer waren na- Brücke überlebte bis in die Neuzeit und
türlich Holzbrücken, wie überall in der An- wurde 1877 durch einen gusseisernen
tike. Holz stand fast überall zur Verfügung Überbau ersetzt.
oder ließ sich leicht beschaffen. Ein Vorteil Stabbogenförmig angeordnete Holz-
der Holzbrücken im Vergleich zu den ge- sprengwerke, die sich zwischen Steinpfei-
wölbten Steinbrücken ist, dass sie bei Hoch- lern spannen, wurden von den Römern in
wasser den Abflussquerschnitt nicht so gra- den folgenden Jahrhunderten, vor allem in
vierend einengen wie die Steinbrücken. Das ihren Kolonien, verwendet. Dabei wurden
Bearbeiten des Holzes und das Rammen mit übereinander parallel angeordneten
von Holzpfählen war bereits im 1. Jahrtau- Mehrfachsprengwerken Spannweiten bis
send v. Chr. möglich. [Vitruv, 1796] be- 30 m erreicht. Die im ersten Jahrhundert,
schrieb schon ca. 30 v. Chr. ausführlich im etwa 30 m oberhalb der heutigen Theodor-
9. Kapitel des 2. Buches die verschiedenen Heuss-Brücke zwischen Mainz und Kastell
Hölzer, ihre Eigenschaften und ihre Vor- auf einem Holzpfahlrost (Bild 1.2-15),
und Nachteile bei der Verwendung als Steinpfeilern und mit einem Holzüberbau
­Bauholz. Die Römer imprägnierten bereits als Sprengwerk gebaute römische Rhein-
das Bauholz mit Ölen und Harzen, und sie brücke ist ein bemerkenswertes Beispiel
wussten auch Qualitäten nach dem Anwen- dafür (Bild 1.2-16) und auch die Rhein­
dungszweck zu unterscheiden und speziell brücke bei Köln (4. Jahrhundert) ist zu
für Unterwasser-Pfahlgründungen Hölzer ­nennen [Deinhard, 1964]. Die im Bild­
mit besonderer Lebensdauer wie Eiche und 1.2-15 gezeigte Holzpfahlrost-Gründung
Esche auszuwählen. Trotzdem war die der Römer­brücke zwischen Mainz und
­verhältnismäßig geringe Lebensdauer des Kastell wurde etwa 1880 zur Verbesserung
Holzes der größte Nachteil der Holzbrü- der Schifffahrt beseitigt und vorüber­
cken, insbesondere faulten die im Wasser gehend im Innenhof des kurfürstlichen
und Boden stehenden Pfähle. Schlosses aufgestellt, wovon das Foto
Nach der Entwicklung des im Wasser stammt. Schließlich ist vor allem wegen ­der
erhärtenden Betons von den Römern konn- bemerkenswert kurzen Bauzeit von ­nur
ten die Fundamente und Pfeiler der Brü- zehn Tagen (einschließlich Holzbeschaf-
cken massiv aus Stein und Beton hergestellt fung) noch die 350 m lange „Römerbrücke“
1.2 Brücken im Altertum 15

Bild 1.2-15   Pfahlgrün­
dung der Mainzer Brücke,
Foto vom Bild aus dem
Landesmuseum Mainz.

Bild 1.2-16   Modell der


im ersten Jahrhundert
gebauten römischen Rhein-
brücke bei Mainz, Foto
vom Modell aus dem Lan-
desmuseum Mainz.

Bild 1.2-17   Unter Caesar


55 v. Chr. über den Rhein
bei Neuwied errichtete
Holzbrücke Bild aus [Wöl-
fel, W., 1997]

Caesars über den Rhein bei Neuwied (Bild brücke bei Neuwied gibt Caesar in seinen
1.2-17), die als Behelfsholzbrücke aus Büchern „De bello Gallico“.
­hölzernen Streckbalken mit querliegenden Im Bild 1.2-19 wird noch die sehr be-
Belaghölzern bestand, wobei die Streckbal- merkenswerte von Apollodorus unter Tra-
ken auf gespreizten Jochen auflagen und jan ca. 105 erbaute Donaubrücke bei Turnu
diese miteinander verbunden haben Severin in Rumänien, die einen auf steiner-
­[Heinzerling, 1871], zu nennen. Eine Be- nen Pfeilern gestützten Holzüberbau als
schreibung vom Bau ­der hölzernen Rhein- Sprengwerk hatte, gezeigt. Die von Apollo-
16 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

dorus erbaute Donaubrücke ist auf einem


Reliefband an der 113 erbauten Trajansäu-
le, Bild 1.2-18, dargestellt.
Die von den Römern, die sich im Alter-
tum als wahre Meister der Brückenbau-
kunst erwiesen, erbauten Steinbrücken sind
vor allem als in vollem Halbkreis oder in
einem davon wenig abweichendem Seg-
mentbogen gewölbte Bogenbrücken ausge-
führt worden. Den Gewölbebau erlernten
die Römer von den Etruskern, die aber nur
Bogenbrücken mit kleinen Spannweiten
bauten. Die Römer entwickelten die Bogen-
konstruktionen zu Brücken mit größeren
Spannweiten und gelten deshalb zu Recht
als die Erfinder der Steinbogenbrücke. Mit
dem von den Etruskern übernommenen
Steinbogen, dem von den Griechen über-
nommenen Quadersteinbau und von den
Römern erstmals angewendeten Beton
(opus caementitium) wurde der römische
Brückenbaustil entwickelt. Die bestimmen-
de Grundform der römischen Brücke ist
der gewölbte Halbkreis der Durchlassöff-
nung. Dieser Halbkreis wird meistens auf
Fundamentbalken ausgeführt, damit die
Bild 1.2-18   Trajansäule in Rom Kämpferlinie des Bogens über dem Wasser-
spiegel liegt. Die Spannweiten der Bogen
bewegen sich bei den größeren Ausführun-
gen fast immer zwischen 20 m und 30 m.
Ebenso charakteristisch für römische Brü-
cken ist die geschlossene Durchführung
der seitlichen Brüstung und in späterer
Zeit, die die Durchlassöffnung umrah-
mende Archivolte (profilierte Frontseite
eines Bogens, meist auf einem Kämpfer auf-
sitzend). Die Herstellung der Fundamente
erfolgte häufig in Kastenfangedämmen
[Wölfel, W., 1997]. Dabei wurde zunächst
ein doppelwandiger, mit Zangen zusam-
men gehaltener Kasten aus waagerechten
Bohlen hergestellt. Der Kasten wurde an
eingerammten Holzpfählen befestigt. Die
Dichtung der Doppelwände erfolgte mit­tels
Bild 1.2-19   Von Apollodorus unter Trajan ca. in aus Sumpfgras geflochtenen Körben ein-
105 erbaute Donaubrücke, am Reliefband der gefüllten Ton oder Lehm (Bild 1.2-20).
Trajansäule Nach dem Einfüllen des Tons oder Lehms,
1.2 Brücken im Altertum 17

dem Christengott zugeschriebenem Sieg


Kaiser Konstantins. In den folgenden Jahr-
hunderten zogen alle vom Norden kom-
menden Heere über diese Brücke. Im zwei-
ten Weltkrieg hat sie noch den ganzen Etap-
penverkehr zunächst der italienischen und
deutschen, dann der alliierten Truppen mit
dem umfangreichen schweren Kriegsgerät
ausgehalten, wobei nur die Breite der Brü-
cke (etwa 6,7 m zwischen den Brüstungen),
ihre Tragfähigkeit jedoch nichts zu wün-
schen übrig ließ. Von den vier mittleren, in
der Hauptsache antiken Bogenöffnungen
zeigen zwei noch die ursprüngliche Struk-
tur mit Archivolten aus Travertin, während
bei den anderen beiden die Hausteinquader
teilweise durch Backsteinmauerwerk bei
einer durchgreifenden Restaurierung im
15. Jahrhundert ersetzt wurden. Als Folge
des zunehmenden Verkehrs wurden weite-
re Brücken über den Tiber erforderlich.
Deshalb wurde in der Nähe der Tiberinsel
Bild 1.2-20   Gründung eines Brückenpfeilers etwa 180 v. Chr. der Pons Aemilius gebaut.
Kastenfangedamm nach Vitruv (Bild aus [Wöl- Es war wahrscheinlich eine auf Pfeilern aus
fel, W., 1997] Stein errichtete Brücke mit einem Überbau
aus Holz, der etwa 40 Jahre später durch
Steinbogen ersetzt wurde. Die Brücke wur-
das sehr verdichtet erfolgte, wurde der de 1229 durch ein Hochwasser zerstört und
durch die Einfriedung umgrenzte Raum wieder aufgebaut. 1289 wurde sie erneut
trocken gelegt. Für das Trockenlegen em­ durch Hochwasser zerstört und nicht wie-
pfahl Vitruv Wasserschnecken und Wasser- der erneuert. Erhalten ist nur ein Bogen
räder oder Schöpfräder einzusetzen. der Brücke, der heutige Ponte Rotto (Bild
Die erste Steinbogenbrücke in Rom war 1.2-21).
der ca. 200 v. Chr. gebaute Ponte Mulvius. Um die Zeitwende entstehen in Rom
Seine Abmessungen sind nicht bekannt, die eine ganze Reihe weiterer Brücken als stei-
Brücke war bereits etwa 100 Jahre später nerne Bogen mit Spannweiten zwischen
baufällig, wurde abgerissen und durch eine 20 m und 30 m, die zum Teil bis in die heu-
völlig neue Brücke in besserer Qualität, tige Zeit erhalten geblieben sind. Genannt
heute Ponte Milvio oder Ponte Molle ge- seien der Ponte Cestio und der Ponte
nannt, ersetzt. Sie war im Zuge der Via Fla- Fabricio sowie nicht zuletzt der Ponte
minia, zweieinhalb Kilometer nördlich der St. Angelo (Pons Aelius), die Engelsbrücke,
Porta del Popolo die verkehrstechnisch erbaut etwa 130 unter Hadrian. Die älteste
wichtigste Brücke. Der Ponte Mulvius hat der in Rom noch erhaltenen römischen
historische Bedeutung. Hier endete am Brücken ist der 62 v. Chr. erbaute Ponte
28. Oktober 312 die bedeutsame Schlacht Fabricio (Bild 1.2-22). Er besteht aus zwei
zwischen Kaiser Konstantin und seinem halbkreisförmigen Durchlassöffnungen mit
Rivalen Maxentius mit dem endgültigem, je 20 m Spannweite und einem 18 m breiten
18 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

steigt, ist nach außen hin durch ein starkes


Profil gekennzeichnet, während spätere rö-
mische Brücken an dieser Stelle ein voll-
kommenes Gesims zeigen. Die Brüstung ist
durch den auf dem Profil stehenden Sockel,
die glatte Fläche und die Deckplatte dreige-
teilt, was auch später immer – mit fort-
schreitender Zeit zunehmend betont – wie-
derkehrt. Vor dem Pfeiler ist, mit diesem
nicht verbunden, eine Vorlage mit halb-
kreisförmigen Grundriss zum Schutz gegen
Bild 1.2-21   Erhaltener Bogen des Ponte Rotto die Strömung angeordnet. Der etwa 40
(Foto: Dipl.-Ing. Sylvia Mehlhorn) v. Chr. als Bogenbrücke mit einem Haupt-
bogen erbaute Ponte Cestio verbindet ge-
meinsam mit dem Ponte Fabricio über die
Tiberinsel noch heute die Innenstadt und
den Stadtteil Trastevere. Die beiden durch-
brochenen Uferpfeiler stammen aus dem
19. Jahrhundert. Die Brüstung, in der Mitte
horizontal geführt und nach beiden Seiten
mit ziemlich starker Neigung abfallend, ist
stärker betont als beim Ponte Fabricio. Der
Ponte Sant’ Angelo (Engelsbrücke), früher:
Pons Aelius, in Rom (Bild 1.2-23), eine der
neun Tiberbrücken der Römer, wurde etwa
Bild 1.2-22   Ponte Fabricio in Rom (Foto: 130 unter Hadrian erbaut und führt zum
Dipl.-Ing. Sylvia Mehlhorn) Grabmal Hadrians (heute: Castel Sant’ An-
gelo, Engelsburg). Die Engelsbrücke wurde
mit fünf Bogen errichtet, anlässlich der
Mittelpfeiler. Dieser Mittelpfeiler ist von ­Tiberregulierung im 19. Jhrh. ergänzt und
einem überwölbten Durchlass oberhalb des hat heute acht Bogen, von denen die drei
Wasserspiegels durchbrochen, der seitlich mittleren zur originalen Bausubstanz gehö-
von Pilastern – mit der Wand verbundene, ren und je 18,3 m überspannen. Die Brücke
aus ihr nur z. T. hervortretende Pfeiler – besticht durch ihre besondere Schönheit
eingefasst wird. Durch den Durchlass soll und Ausgewogenheit. Die auf der Brücke
ein eventuelles Hochwasser abfließen. Die- befindlichen zehn Engelsfiguren, als heilige
sen Durchbruch des Mittelpfeilers findet Versammlung, in der die Engel nacheinan-
man bei fast allen römischen Brücken, er der alle Werkzeuge des Martyriums Christi
entwickelt sich zu einem charakteristi- vorführen, wurden erst im 17. Jhrh. von
schem Motiv. Die Bogenquader im Scheitel Bernini, von Clemens IX. beauftragt, und
sind häufig etwas größer als an den Kämp- seinen Mitarbeitern aufgestellt. Die Engels-
fern, so dass sich als Einfassung des Bogens brücke wurde von Bernini damit als monu-
ein nach der Mitte zu anschwellender Halb- mentaler Kreuzzug gestaltet. Alle Engelsfi-
ring ergibt. Die Brüstung wird als geschlos- guren, die der Brücke ihren heutigen Na-
sene Mauerfläche in der Ebene des Unter- men geben, haben ihre Rückseite dem Fluss
baus durchgeführt. Die Lage der Fahrbahn, zugewandt. Der Engel mit der Schriftrolle
die nach der Brückenmitte zu leicht an- und der Engel mit der Dornenkrone, die
1.2 Brücken im Altertum 19

Bild 1.2-23   Engelsbrücke
in Rom

heute aber nur als Kopien auf der Brücke traut war. Ihm oblag auch die Pflege der
stehen, hat Bernini persönlich geschaffen. Brücken. Die Bezeichnung Pontifex ging
Die Originale dieser beiden Engelsfiguren nach der Anerkennung des Christentums
befinden sich in der Kirche Sant’ Andrea als Staatsreligion auf den Papst über. Noch
delle Fratte. heute ist der Papst der „Pontifex Maximus“,
Es sei noch erwähnt, dass die Kunst des der „größte Brückenbauer“ zwischen Gott
Brückenbaus bei den Römern in sehr ho- und den Menschen.
hem Ansehen stand, was dadurch belegt ist, Die mit 59 Bogen und mit 792 m wohl
dass sie zunächst dem obersten Priester, längste römische Brücke befindet sich in
dem „Pontifex“ (Brückenmacher) anver- Merida in der Provinz Badajoz im Südwes-
ten Spaniens. Sie ist 8 m breit, 12 m und
hoch und überquert seit dem Ende des
1. Jhrh. den Guadiana. Sie wurde mehrfach
repariert und bildet auch heute noch eine
wichtige Verkehrsverbindung von und nach
Westen.
Zur Versorgung der römischen Städte
mit Wasser aus Gebirgsquellen oder Ober-
flächenwasser bauten die Römer Freispie-
gelgefälle-Wasserleitungen und überbrück-
ten Täler oder andere Bodenunebenheiten
mit Aquädukten, das sind ein- oder mehr-
stöckige Bogenkonstruktionen zur Über-
führung der Freispiegel-Wasserleitungen
mit ca. 0,2% bis 0,5% natürlichem Gefälle.
Die erste römische Wasserleitung ist die be-
reits 312 v. Chr. von Appius Claudius er-
baute Aqua Appia, die das Wasser auf ei-
nem 16,5 km langem Weg von den Albaner
Bergen in die Stadt Rom führte.
Einer der bemerkenswerten der erhalte-
nen römischen Aquädukte ist der dreistö-
Bild 1.2-24   Pont du Gard bei Nimes (Foto: ckige, von Marcus Vispanius Agrippa er-
Mareike Wagner) baute Pont du Gard bei Nimes (Bild 1.2-24).
20
Tabelle 1.2-1   Auswahl von Bogenbrücken und Aquädukten der Römer
Ort Name Brücke Erbaut Anzahl Größte Länge ­ Schlankheit: Bei Aquäduk- Bemerkungen Literatur
oder der Bogen- des Verhältnis ten: Anzahl
Aquädukt ­Bogen spannweite Bau- von Bogen­ der Bogen-
oder lichte werks dicke zu stockwerke,
Weite Spannweite Höhe bis in m
Rom Pons Brücke 142 Die Brücke über den Tiber [Wölfel,
Aemilius, v. Chr. wurde 1229 durch Hochwasser W., 1997]
heute zerstört, wieder aufgebaut und
­Ponte 1289 durch eine Hochwasserka-
Rotto (die tastrophe erneut zerstört. Auf
zerstörte einen Wiederaufbau wurde nun
Brücke) verzichtet. Heute ist nur noch
ein Bogen erhalten, der Die 179
v. Chr. gebaute Vorgängerbrü-
cke war eine Holzbrücke auf
Steinpfeilern.
Bei Marcia Aquädukt ca. 140 5,95 m 10,4 km Überbrückt das Tal des Deglio [Wölfel,
Rom v. Chr. Archi und ist Teil der 91km lan- W., 1997]
gen Wasserleitung Aqua Marcia
Bei Tepula Aquädukt ca. 125 9,2 km 2–3 [Wölfel,
Rom v. Chr. W., 1997]
Rom Pons Brücke 104 7 23,7 m Die Anfang des 3. Jhrh. v. Chr. [Zucker,
Milvius v. Chr. erbaute Vorgängerbrücke ist 1921],
wahrscheinlich die erste von [Jurecka,
Römern gebaute Steinbrücke 1979]
gewesen. Zwei der vier mittleren
Bogen der 104 v. Chr. gebauten
zweiten. Brücke sind noch in der
Originalbausubstanz erhalten.
1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau
Bei Ponte del Brücke Ca. 90 Pfeiler zum Teil etruskischen [Jurecka,
Vulci/ Diavolo v. Chr. Ursprungs 1979],
Italien [Lamp-
recht,
1996]
Rom Pons Brücke 62 2 20 m Der Pons Fabricius ist die älteste [Zucker,
Fabricius v. Chr. erhaltene Brücke in Rom. Etwa 1921],
1.2 Brücken im Altertum

18 m breiter Mittelpfeiler mit [Menn,


überwölbtem Durchlass für 1986],
Hochwasser. [Wölfel,
Der Pons Fabricio verbindet W., 1997]
über die Tiberinsel gemeinsam
mit dem Pons Cestio die In­
nenstadt und den Stadtteil
­Trastevere.
Rom Pons Brücke 40 3 Der Pons Cestio wurde im [Jurecka,
­Cestio v. Chr. 19. Jhrh. abgetragen und durch 1979],
über den einen Neubau ersetzt. Die [Wölfel,
Tiber ­Brücke diente etwa 1800 Jahre W., 1997]
dem Verkehr.
Bei Pont du Aquädukt 19 24,5 m 269 m 3 Aus der Außenfront des Mauer- [Menn,
Nimes Gard v. Chr. 48,7m werks der Pfeiler und aus der 1986],
Gewölbeleibung kragen Steine [Wölfel,
aus, die zur Auflagerung der W., 1997]
Lehrgerüste dienten.
Rimini Brücke des Brücke 20 7 8,8 m 72 m 1:8,8 Eine der am besten erhaltenen [Jurecka,
Augustus Brücken. In der Mitte Ehren- 1979],
tempel in römischem Barock. [Wölfel,
W., 1997]
21
22
Tabelle 1.2-1   (Fortsetzung)
Ort Name Brücke Erbaut Anzahl Größte Länge ­ Schlankheit: Bei Aquäduk- Bemerkungen Literatur
oder der Bogen- des Verhältnis ten: Anzahl
Aquädukt ­Bogen spannweite Bau- von Bogen­ der Bogen-
oder lichte werks dicke zu stockwerke,
Weite Spannweite Höhe bis in m
Rom Ponte Sant Brücke ca. 130 7 19,2 m Die drei mittleren Bogen noch [Zucker,
Angelo, in der Originalbausubstanz 1921],
Engels­ erhalten [Jurecka,
brücke 1979]
Merida/ Brücke Brücke 1. Jhrh. 59 21 m 792 m Der noch bestehende römische [Wölfel,
Spanien über den 12m Brückenteil(die 10 Bogen vom W., 1997]
Guadiana Nordufer aus) sind noch antik
und fast 2000 Jahre alt.
Bei Nera­ Brücke 1. Jhrh. 4 32,1 m 1:17 Im 8. Jhrh. Teileinsturz und [Zucker,
Narnia brücke Wiederaufbau, 1054 Einsturz 1921],
durch Hochwasser. Nur der [Jurecka,
19 m weit gespannte Bogen am 1979]
linken Ufer und die Pfeiler sind [Wölfel,
noch antik. Der Torturm ist im W., 1997]
Mittelalter errichtet worden.
Verona Ponte Brücke 2. Jhrh. 5 Nur die zwei Bogen am linken [Zucker,
Pietra Ufer sind noch antik. In der 1921]
Renaissance drei Bogen als
segmentförmige Bogen ersetzt.
Ascoli- Römer­ Brücke 4 20 m Brücke über den Tronto mit [Zucker,
Piceno brücke vier gestelzten Halbkreisbogen, 1921]
16 m über dem Wasserspiegel
1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau
1.3 Brücken im Mittelalter 23

An den Bogenkämpfern und an den Bogen

W., 1997]

W., 1997]
[Zucker,

[Wölfel,

Brücke über den Guadalquivir. [Wölfel,


1921], selbst, die ohne Mörtel gemauert wurden,
sind hervorstehende Quadersteine zu se-
hen. Diese konstruktiven Elemente dienten
Pfeilerstaus kam es zu mehreren

der Auflagerung der Lehrgerüste zur Her-

querschnitts auf 62% und vieler

Nur einzelne Bogen im Uferbe-


der Reduktion des Durchfluss-

Reparaturen noch im Verkehr.


Pfeilereinstürzen. Im 17. Jhrh.

Trotz vieler Schäden als Folge


neu errichtet. [Zucker, 1921],
wurden neun Brückenbogen

stellung der Gewölbe. Sie wurden damals


Als Folge des beträchtlichen

(und auch noch häufig bei im 20. Jahrhun-

reich sind noch römisch.


nur 15 Bogen sind antik.

dert erbauten Natursteinbrücken) immer


mit besonderer Sorgfalt in die formale Ge-
staltung des Bauwerks einbezogen und
­steigern die Schönheit des Aussehens. Um
die Eigenlasten zu reduzieren, nehmen die
Bogenbreiten nach oben zu ab.
Insgesamt sind mehr als tausend römi-
sche Brücken nachgewiesen; viele davon
aus opus caementitium mit einer Schale in
Quadertechnik. Eine Auswahl ist in der
Tabelle 1.2-1 angegeben.

1.3 Brücken im Mittelalter

Mit dem Untergang der römischen Kultur


verfiel auch die Brückenbaukunst und erst
178,7 m

274 m

später, vor allem etwa vom 11. Jahrhun­


dert an, zeigt sich mit der Entwicklung des
Städtewesens wieder eine Periode der
Neubelebung, aus der mehrere technisch
9,5 m

und kunstgeschichtlich interessante Bau-


14 m

werke überliefert und erhalten sind. Im


Gegensatz zu den Brücken der Römer, bei
denen fast stets eine Folge von Halbkreis-
27

16

bogen gewählt wurde, unterscheiden sich


die Brücken des Mittelalters zum Einen
durch die Einbindung in die örtlichen
­Gegebenheiten und häufig in das Stadt-
bild, zum Anderen in der Variation der
Brücke

Brücke

Bogenformen, z. B. flacher Segmentbogen


und ovale Formen. Die im Mittelalter
­gebauten Brücken haben deshalb meist
eine individuelle Charakteristik. Beispiel-
Tormes-

Römer­
Brücke

brücke

haft seien von den Brücken des Mittel­


Cordoba Große

alters genannt:
• die im 9. Jahrhundert von den Mauren
manca

gebaute Puente de Alcántara über den


Sala-

Tajo in Toledo (Bild 1.3-1)


24 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

• die vermutlich 1135 bis 1146 erbaute Toledo, die Hauptstadt der Region Kasti­
Donaubrücke in Regensburg, Bild 1.3-2, lien-La Mancha, eine der ältesten Städte
die noch heute im Wesentlichen den und ehemals Hauptstadt des Königreichs
zwar ausgebesserten, ungeänderten Be- und zugleich, auch heute noch, kirchliches
stand aufweist Zentrum von Spanien, wird vom schlucht-
• die berühmte 1176 bis 1209 mit artigen Tal des Tajo in einer Schleife um-
19 Bogen gebaute Alte London Bridge, flossen. Nähert man sich der aus der Land-
die ca. 100 Jahre später beidseitig dicht schaft heraus ragenden Stadt, erkennt man
mit mehrstöckigen Häuserreihen be- den Zugang zur Stadt Toledo über die Brü-
setzt wurde. Sie wurde 1832 abge­ cken und die an den Enden der Brücken
rissen angeordneten Türme erst, wenn man sich
• die aus den Jahren 1173 bis 1222 stam- bereits in der Nähe der Ufer des Tajo befin-
mende Augustus-Brücke in Dresden, die det. Aus dem Mittelalter überspannen zwei
mehrmals zerstört und ersetzt wurde, Brücken, die Puente de Alcántara und die
von Pöppelmann 1727–1731 umgebaut, Puente de San Martín, den Tajo. Die mehr-
Bild 1.3-3, und an deren Stelle schließ- mals umgebaute Puente de Alcantára ist­
lich 1907/1910 eine Betonbrücke, Bild die ältere der beiden Brücken. Von den
1.3-4, errichtet wurde Mauren gebaut, stammt sie aus der zwei­
• die Ende des 12. Jahrhunderts erbaute ten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Vermutlich
Rhone-Brücke in Avignon mit 21 Seg- war sie während des Mittelalters zeitweise
mentbogen (Bild 1.3-5), von denen aber der einzige Zugang zur Stadt. Die Brücke­
nur noch vier erhalten sind, mit im Mit- (Bild 1.3-1) wurde im 15. Jahrhundert­
tel 33 m Öffnungsweite und 13 m Pfeil- im ­Mudéjar-Stil (Baustil in Spanien des
höhe 12.–15. Jahrhunderts, eine Verbindung
• die Krämerbrücke in Erfurt (als Stein- von maurischen und gotischen Formen)
Bogenbrücke 1325 fertig gestellt), Bild erneuert. Im gotischen Turm auf der­
1.3-6 Seite zur Stadt, im 13. Jahrhundert ge­
• die in Segmentbogen mit rund 30 m Öff- baut, be­findet sich ein Doppeltor durch das
nungsweite und 6 m Stich gewölbte Brü- der Zugang zur Stadt erfolgt. Das am an­
cke über den Arno (Ponte Vecchio, Bild deren Brückenende befindliche Tor im
1.3-8) in Florenz (Mitte des 14. Jahrhun- ­Barockstil wurde erst im 18. Jahrhundert
derts) errichtet.

Bild 1.3-1   Alcántara
Brücke über den Tajo in
Toledo
1.3 Brücken im Mittelalter 25

Bereits Karl der Große ließ etwa 100 m Hochwasserkatastrophen über bisher fast
stromabwärts von der heutigen, der Steiner- neun Jahrhunderte standhielten. Zum
nen Brücke, über die Donau in Regensburg Oberstrom gerichtet haben die Brücken-
eine Schiffsbrücke an diesem nördlichsten pfeiler keilförmige Eisbrecher-Vorköpfe.
Punkt der Donau errichten. Die heute noch Zum Unterstrom befinden sich niedrigere,
bestehende im 12. Jahrhundert gebaute auch im Grundriss kleinere Vorköpfe. Der
Steinerne Brücke im Zuge einer Gemein- durch die breiten Pfeiler der Brücke verur-
destraße ist die in Deutschland am besten sachte Wasserrückstau wurde früher für
erhaltene Brücke des Mittelalters. Sie wurde den Antrieb von Unterstrom befindlichen
wahrscheinlich von 1135 bis 1146 gebaut Mühlen genutzt, und die Brücke war damit
und war damals der einzige feste Donauüber­ eine nachweisbare frühe Wasserkraftanla-
gang zwischen Ulm und Wien. Regensburg ge. Heute sind von den 16 Bogen nur noch
zählte damals zu den bedeutendsten Han- 14 sichtbar, je einer ist an der Seite der
delsstädten. Die Brücke überquert den süd- Innenstadt in der Auffahrt zum Brückentor
lichen und nördlichen Arm der Donau in und auf der Gegenseite verbaut. Der Grund-
einem Zug und damit auch die beiden riss ist leicht geschwungen. Die Abwei-
dazwischen liegenden Inseln. Sie hatte 16 chung der Brückenachse von der Geraden
halbkreisförmige Bogen mit von 10,2 m auf wurde wahrscheinlich zur Ausrichtung der
16,7 m zur Mitte zunehmenden Spannwei- Fundamente gegen die Strömungsrichtung
ten und entsprechend anwachsenden Bo- der Donau gewählt. Im Aufriss ist die Brü-
genstichen. Die Bogen sind im Scheitel cke von beiden Seiten zur Mitte des sechs-
etwa 90 cm dick. Die Brücke war ursprüng- ten sichtbaren Bogens um ca. 5 m leicht
lich etwa 330 m lang, wovon insgesamt etwa ansteigend. Auf der Seite zur Innenstadt
30% auf die 5,8 m bis 7,6 m breiten Pfeiler befinden sich ein Brückenturm und eine
entfallen. Die Fahrbahnbreite auf der Brü- Hofanlage. Im 15. Jahrhundert wurde die
cke beträgt heute etwa 8 m. Die Pfeiler mit Brücke zweimal durch Hochwasser und im
Sandstein-Quadern außen, im Innern mit 16. Jahrhundert die Eisbrecher vor den
vergossenem Bruchsteinmauerwerk ausge- Brückenpfeilern durch schweren Eisgang
füllt bilden eine geschlossene Masse, die beschädigt. Im 30-jährigen Krieg wurden
den an der Donau häufig auftretenden zur Verteidigung während der schwedi-

Bild 1.3-2   Im 12. Jahr-


hundert gebaute Steiner-
ne Brücke in Regensburg
26 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

schen Belagerung 1633 ein Brückenbogen Brücken. In der ersten Hälfte des 16. Jahr-
abgebrochen, der erst Ende des 18. Jahr- hunderts wurde der Holzbrückenteil durch
hunderts wiederhergestellt wurde. In der einen Steinbogen mit einer Zugbrücke er-
Zwischenzeit war das fehlende Brückenfeld setzt und mehrere Bogen wurden zuge-
durch eine Zugbrücke geschlossen gewe- schüttet. Nach Bildern in [Löffler, 1956]
sen. Im April 1945 sprengten deutsche Sol- hatte die Brücke nun nur noch 20 Felder.
daten je zwei Bogen auf beiden Seiten der Trotz umfangreicher Ausbesserungsarbei-
Donau. Die Brücke wurde bis 1967 wieder ten entstanden im Laufe der Jahrhunderte
instandgesetzt und ist heute etwa 310 m solche Schäden, dass die Brücke baufällig
lang. Nach dem Dom ist die Steinerne Brü- wurde. Der sächsische Kurfürst August der
cke, die ein beeindruckender Zugang zur Starke beauftragte seinen Oberlandbau-
Innenstadt ist, das bedeutendste Wahrzei- meister Matthias Daniel Pöppelmann mit
chen Regensburgs und zugleich das älteste. dem Umbau der Brücke. Der Umbau er-
Bereits Ende des 11. Jahrhunderts be- folgte 1727–1731. Die Brücke wurde ver-
fand sich an der Stelle der heutigen Augus- breitert, was durch Ansatz seitlicher Krag-
tusbrücke an der bedeutenden Handels- steine geschah. Die Pfeilerköpfe, die zuvor
straße vom Westen nach Osten als Elbüber- nur bis zu den Kämpfern gingen, wurden
gang in Dresden eine Holzbrücke, die den bis zur Fahrbahn hochgemauert, wodurch
bis dahin regen Fährverkehr ersetzte [Löff- große Austritte auf der Brücke entstanden,
ler, 1956]. Am Brückenkopf wurde in der die mit Ruhebänken ausgestattet wurden.
Folge das Kastell (später zum Schloss er- Auf die Austritte wurden 48 schmiedeeiser-
weitert) des Markgrafen mit dem Haus- ne Laternen gesetzt, die nachts leuchteten
mannsturm gebaut. Die Brücke reichte bis und die Schönheit der Brücke auch bei
an die Außenmauer des Kastells, durch das Dunkelheit wahrnehmen ließen. Die Zug-
die Handelsstraße nach Osten verlief. An brücke wurde beseitigt. An der Altstädter
der Mauerpforte entstand später das Geor- Seite wurden Felder zugeschüttet, um für
gentor. Die Hauptansicht des Schlosses lag den Bau der Hofkirche Platz zu gewinnen.
damit von Anbeginn an der Elbe und der Die Brücke, Bild 1.3-3, hatte nun noch
Brücke zugewandt. Man kann sagen, dass 17 Bogen. Anfang des 20. Jahrhunderts er-
sich die Stadt Dresden von der Lage der wies sich die enge Pfeilerstellung und die
Brücke her entwickelte. Im 12. Jahrhundert geringe Höhe für die zunehmende Elb-
wurde die Holzbrücke durch Hochwasser schifffahrt als hinderlich. Deshalb wurde
und Eisschollen zerstört. Im darauf folgen- sie durch eine 1907–1910 gebaute mit Sand-
den Jahr wurde mit der Wiedererrichtung steinquadern verkleidete Betonbogenbrü-
einer Holzbrücke mit Pfeilern und der cke ersetzt. Es ist hervorzuheben, dass sich
Gründung aus Stein an der gleichen Stelle die Erbauer der neuen Augustusbrücke, mit
begonnen. Nach Unterbrechung des Baus den Baustoffen und den Erfordernissen
wurde von 1173 bis 1222 die Brücke kom- des Schiff- und Straßenverkehrs des be­
plett als Stein-Bogenbrücke gebaut. Auch ginnenden 20. Jahrhundert, in ihrer Schön-
sie musste im 14. Jahrhundert ersetzt wer- heit an die historische, zuletzt von Pöppel-
den. Diese Brücke hatte nach Bildern aus mann gestaltete besonders schöne Brücke,
dem Jahre 1570 [Löffler, 1956] 23 Bogen. angelehnt haben. Die neue Brücke hat 9 Bo-
Eins der mittleren Brückenfelder war aus gen mit ca. 18 m bis ca. 39 m lichter Weite,
Holz, um es bei der Verteidigung Dresdens die als Korbbogen ausgebildet sind, und sie
jederzeit schnell abbrennen zu können. Die ist knapp 330 m lang. Die Brücke wurde
Brücke galt im 14. Jahrhundert als eine der durch die Luftangriffe auf Dresden im Fe-
schönsten, bedeutendsten und längsten bruar 1945 und durch Sprengungen von
1.3 Brücken im Mittelalter 27

Bild 1.3-3   Augustusbrücke in Dresden (Foto vom Bild Bernardo Belottos, gen. Canaletto, Gemäl-
degalerie Alter Meister in Dresden)

deutschen Soldaten im Mai 1945 zum Teil lange Stein-Bogenbrücke über die Rhone in
zerstört und 1947/1949 wieder in dem Avignon, von der heute von ehemals 21 Bo-
Stand von 1910 aufgebaut und dient noch gen noch vier erhalten sind, hatte flache,
dem heutigen Verkehr. Inzwischen ist auch schlanke Bogen mit 33 m lichter Bogenwei-
die Frauenkirche im archäologischem Wie- te bei 13 m Bogenstich und etwa 8m breite
deraufbau vollendet und dadurch wieder Pfeiler, in denen sich nach dem Vorbild der
das herrliche Stadtbild von Dresden ent- Römerbrücken Durchflussöffnungen be-
standen (Bild 1.3-4). finden. Auf einem Pfeiler befindet sich eine
Die Ende des 12. Jahrhunderts von Saint Kapelle. Mit etwa 900 m Gesamtlänge war
Bénezet vom Orden der Brückenbrüder- die Brücke in Avignon lange die längste
schaft Frères pontiffes, gebaute etwa 900 m Brücke Europas. Der in Avignon von 1378

Bild 1.3-4   Augustusbrücke in Dresden, im Hintergrund die Kuppel der wiedererrichteten Frauen­


kirche
28 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.3-5   Erhaltener Teil der Ende des 12. Jahrhunderts erbauten Rhone-Brücke in Avignon
(Foto: Friedegart Wagner)

bis 1394 als Gegenpapst residierende Kle- durchfahrten wurden bis 1325 fertiggestellt
mens VII. ließ zu seiner Sicherheit mehrere [Vockrodt/Sander, 1989] und [Vockrodt et
Bogen zerstören, weitere Bogen stürzten im al., 2003]. Von den beiden Kirchen an den
17. Jahrhundert durch Hochwasser und Brückenköpfen ist die östliche, die Ägi-
starken Eisgang ein, so dass heute nur noch dienkirche, noch heute vorhanden, die
vier Bogen erhalten sind (Bild 1.3-5) und westliche wurde im 19. Jahrhundert abge-
Zeugnis vom Brückenbau des Mittelalters brochen. Die etwa 80 m lange Brücke hatte
ablegen. Die Brücke wurde sehr vielen sechs ca. 19 m breite Gewölbe aus Sandstein
Menschen wenigstens namentlich durch mit bis zu 7,8 m lichten Weiten. Einschließ-
das Lied Sur le Pont d’Avignon l’on danse lich der beiderseitigen je 20 m langen Ram-
tous en rond bekannt. pen betrug die Gesamtlänge des mit Häu-
Während des Mittelalters entwickelte sern bebauten Brückenzugs etwa 120 m.
sich Erfurt zu einer bedeutenden Handels- Auf der Brücke wurden für Krämer kleine
stadt. Die West- Ostverbindung des Mittel- Häuschen mit Läden gebaut. Auf der im
alters von Paris bis nach Kiew, die Via Re- Vergleich zur ehemaligen Holzbrücke brei-
gia, führte in Erfurt über Furten durch die teren Steinbrücke war auch leichter Fuhr-
Gera. Vermutlich wurde an der Stelle, wo verkehr möglich. Sperriger und schwerer
sich heute die Krämerbrücke befindet, be- Fuhrverkehr war nicht zugelassen und auch
reits um 1000 eine Holzbrücke gebaut, auf gar nicht möglich. In den Pfeilern, die mit
der wahrscheinlich auch damals bereits Breiten zwischen 3 m und 6,5 m unter-
von Krämern Geschäfte betrieben wurden. schiedlich breit sind, befinden sich Keller-
Häufige Brandschäden veranlassten die gewölbe. Von den sechs Gewölben waren
Stadtherren Ende des 13. Jahrhunderts die nur fünf Durchflussöffnungen. Das äußere
Holzbrücke durch eine steinerne Gewölbe- westliche Gewölbe war von Anfang an eine
brücke zu ersetzen. Diese Steinbrücke und Landöffnung, die zur Unterfahrung der
die darauf stehenden Fachwerkhäuser so- Brücke für schwere Fuhrwerke diente, um
wie die an den beiden Brückenköpfen ur- zur nördlich der Brücke befindlichen Furt
sprünglich vorhandenen Kirchen mit Tor- zu gelangen. Beim großen Brand 1472 in
1.3 Brücken im Mittelalter 29

Erfurt brannten auch Häuschen und Läden ab 1954 wieder aufgebaut wurden. Außer-
auf der Steinbrücke ab. Den Krämern wur- dem erfolgten anschließend weitere Rekon-
den danach auf der Brücke Wohnhäuser struktionen an den Hochbauten der Brü-
gebaut. Dafür musste die Brücke verbreitert ckenbebauung. Ab 1985 erfolgte dann eine
werden, was durch beiderseitigen Anbau umfassende Instandsetzung der Brücke mit
von Pfeilervorlagen mit dazwischen liegen- der Wiederherstellung der Tragfähigkeit.
den Holsprengwerken erfolgte, wodurch Dabei wurde insbesondere auf die weitest-
die Auskragung der Fachwerkhäuser über gehende Erhaltung der vorhandenen Bau-
die Gewölbebreiten hinaus möglich wurde. substanz in ihrer ursprünglichen Form und
Anfang des 18. Jahrhunderts siedelten sich bei der Ausführung der Rekonstruktionsar-
auf der Krämerbrücke Handwerker an. We- beiten darauf geachtet, dass die sichtbaren
gen Schäden an den Gewölben wurde die Brückenflächen den mittelalterlichen Cha-
Brücke 1816 für schweren Lastverkehr ge- rakter erhalten oder wieder herstellen.
sperrt. 1855 brannten fünf Häuser auf der Selbstverständlich wurden in den Berei-
Brücke ab. Der Brand und der schlechte chen der sichtbaren Teile nur traditionelle
Zustand der Brücke, die vermutlich Jahr- Baumaterialien verwendet. Beton und Stahl
hunderte lang nicht instandgehalten wurde wurde nur bei inneren, nicht sichtbaren
(am äußeren westlichen Gewölbe weist eine Teilen der Brücke verwendet. Eine ausführ-
im Gewölbescheitel angebrachte Jahreszahl liche Beschreibung über die vorgenomme-
1676 auf eine Gewölbeausbesserung hin), nen Arbeiten wird in [Vockrodt/Sander,
veranlassten die Regierung ein Wieder­ 1989] gegeben. 1986 war die Instandset-
aufbauverbot auszusprechen. Ende des zung der Brücke abgeschlossen. Die Krä-
19. Jahrhunderts wurde sogar überlegt, merbrücke in Erfurt (Bilder 1.3-6 und –7)
die Brücke abzubrechen. Glücklicherweise ist wegen ihrer historischen Funktion im
scheiterten diese Überlegungen, weil dafür Mittelalter und wegen ihrer interessanten
kein Geld zur Verfügung stand. In der Folge Baugestaltung ein zur deutschen Geschich-
wurde zunächst nur die Instandhaltung der te zählendes bedeutendes Ingenieurbau-
auf dem Brückenzug befindlichen Hoch- werk.
bauten vorgenommen. In den letzten Kriegs­ 1335 bis 1345 wurde von Taddeo Gaddi,
tagen des 2. Weltkriegs wurden 1945 durch ein Schüler Giottos, wahrscheinlich die er-
Artilleriebeschuss drei Häuser zerstört, die ste Segmentbogenbrücke in Europa mit

Bild 1.3-6   Krämerbrücke
in Erfurt (Foto von
MR Dr.-Ing. e.h. Dipl.-Ing.
Friedrich Standfuß)
30 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

weg wurde 1564 von Vasari im Auftrag


Cosimos I. ein überdachter Gang gebaut,
der die Uffizien und den Palazzo Pitti ver-
bindet und den Medici ermöglichte von
ihrer Residenz im Trockenen und ohne sich
der Öffentlichkeit zu zeigen den Arno zu
überqueren. Der Ponte Vecchio hat, wie die
Steinerne Brücke in Regensburg, die Krä-
merbrücke in Erfurt, die Karlsbrücke in
Prag und die Rialto Brücke (Abschnitt
1.4.1), einen prägenden Einfluss auf das
Stadtbild. Die Brücke musste insbesondere
als Folge von Hochwasserschäden wieder-
holt instandgesetzt werden.
In Prag stand bereits früher etwas strom-
aufwärts von der Stelle der heutigen unter
Karl IV. 1357 begonnenen, Anfang des
16. Jahrhunderts instandgesetzten und fer-
tiggestellten Karls-Brücke (Bild 1.3-9) be-
reits eine aus dem 12. Jahrhundert stam-
Bild 1.3-7   Einblick in das Treiben auf der Krä- mende Steinbrücke (die Judith-Brücke). Sie
merbrücke in Erfurt hatte enge, mit Halbkreisbogen überspann-
te Öffnungen, bestand bis ins 14. Jahrhun-
drei Bogen von etwa 30 m lichter Weite und dert und wurde durch Hochwasser zerstört.
dem Pfeilverhältnis von 1 : 5, der noch heu- Die im 14. Jahrhundert von Peter Parler ge-
te viel beachtete Ponte Vecchio (Bild 1.3-8) baute Karlsbrücke ist 505 m lang, hat 16
über den Arno in Florenz fertiggestellt nahezu halbkreisförmige Bogen mit lichten
[Zucker, 1921], [Jurecka, 1979] und [Straub, Weiten von ca. 18 m bis ca. 23 m. Die Pfei-
1992]. Auf ihr befinden sich mehrstöckige lervorlagen sind bis zur Brüstung hochge-
Häuser mit Läden in den Untergeschossen, zogen. Auf den Pfeilervorlagen stehen
hauptsächlich von Gold-, Silberschmieden Standbilder, z. T. als Einzel- und Gruppen-
und Juwelieren. Über die Wohnhäuser hin- figuren, die ab dem 17. Jahrhundert aufge-

Bild 1.3-8   Ponte Vecchio


in Florenz, dahinter
der Ponte Santa Trinità
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 31

Bild 1.3-9   Karlsbrücke
in Prag

stellt wurden. Die Brückenköpfe werden mus, der die wissenschaftlich-geistige Be-
durch Tortürme abgeschlossen, der beson- wegung in Europa bedeutet. Mit der Aus-
ders schöne Turm auf der Seite der Altstadt bildung neuer, an der Antike orientierter
wurde noch von Peter Parler gebaut. Die Kulturinhalte und -formen seit dem 15.
Karlsbrücke wurde einige Mal durch Hoch- Jahrhundert und mit der Loslösung aus der
wasser beschädigt und musste mehrmals mittelalterlichen Eingebundenheit in der
instandgesetzt werden. kirchlichen und feudalen Ordnung, ging
Auch die im Abschnitt 1.2.1 bereits ge- eine gesellschaftliche Umstrukturierung
nannte 591–599 erbaute Anji Brücke, eine einher, die neben Adel und Klerus das Bür-
durchbrochene Stein-Bogenbrücke in Chi- gertum zum Bildungsträger werden ließ
na (Bilder 1.2-5 und -6) sei hier erwähnt. und das Aufblühen von Kunst und Kultur
bewirkte. Naturgemäß bedeutet der Eintritt
der Renaissance für den Brückenbau nicht
1.4 Brücken von der Renaissance dieselbe Umwälzung und grundlegende Er-
bis zur Gegenwart neuerung wie innerhalb der sonstigen Ar-
chitektur. Mittelalterliche und Brückenfor-
1.4.1 Steinbrücken men der Renaissance sind nicht deutlich
voneinander zu trennen. Lediglich die Bau-
Das Geburtsland der Renaissance ist Italien. ten der frühen italienischen Renaissance
Die Renaissance begann im 15. Jahrhun- bevorzugten bewusst wieder das Halbkreis-
dert mit der Lösung der selbstbewussten bogenmotiv der Antike. Im späteren Ver-
Stadtrepubliken Nord- und Mittelitaliens lauf kann mit dem Fortschreiten der Zeit
von der feudalen und kirchlichen Ordnung ein allmähliches Schlankerwerden der Pfei-
des Mittelalters. Sie führte damit zu einer ler und eine allmähliche Streckung der Bo-
grundlegenden gesellschaftlichen Um- gen festgestellt werden. Die Verwendung
strukturierung und war damit ein bedeu- des Korbbogens und die Bevorzugung el-
tender Umbruch in der Geschichte. Sie ist liptischer Bogen bei geringerem Bogenstich
Bindeglied zwischen dem Mittelalter und wird zumindest ab der zweiten Hälfte des
der Neuzeit, gleichzeitig die geistige und 17. Jahrhunderts üblich. Das charakteristi-
kulturelle Wurzel für unsere Zeit und rich- sche Motiv der römischen Steinbrücken,
tungsweisend für die europäische Entwick- die Archivolte, wird bei Renaissancebrü-
lung. Die weltliche Ausprägung der Persön- cken mit Vorliebe wiederholt. Der Ponte
lichkeit des Menschen ist das wichtigste Santa Trinità in Florence (Bild 1.4-1), 1570
Merkmal der Renaissance. Der umfassende von Bartolommeo Ammannati gebaut, ist
Kultur- und Epochebegriff der Renaissance eine sehr elegant gestaltete Brücke mit drei
steht in Wechselbeziehung zum Humanis- Bogen und betont vorspringenden Pfeilern,
32 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-1   Ponte Santa


Trinità in Florenz

Bild 1.4-2   Rialto Brücke


in Venedig
(Foto: Dr. techn. Dipl.-Ing.
Eva Maria Eichinger)

vielleicht ist sie die schönste Brücke der hunderts errichtet worden sein und wurde
Hochrenaissance überhaupt. Sie hat sehr im 15. Jahrhundert mit Läden überbaut. Sie
flache Bogen mit lichten Weiten von 26 m musste regelmäßig repariert werden und
bis 29 m, deren untere Laibungen die For- wurde schließlich abgerissen. Die von da
men von Ellipsen haben. Sie ist auch auf Ponte 1588 bis 1592 an der schmalsten Stel-
dem Bild 1.3-8, hinter dem Ponte Vecchio le des Canale Grande als Steinbrücke ge-
zu sehen. baute Rialto Brücke (Bild 1.4-2) hat als Fuß-
Das Verkehrsnetz in Venedig wird in be- gängerbrücke stark ansteigende Rampen
sonderem Maße durch Kanäle und darüber mit langgezogenen Stufen. Die untere Lai-
führende Brücken bestimmt. Venedig hat bung besteht aus einem kreissegmentför-
etwa 400 Brücken. Sie wurden früher vor- migen Marmorbogen mit etwa 7 m Pfeil­
zugsweise aus Holz gebaut. Sie mussten re- höhe und einer lichten Weite von etwa
gelmäßig erneuert werden, weil sie natür- 28 m, sodass gerade Schiffe hindurchfahren
lich nicht besonders dauerhaft waren. Auch können. Die Breite der Brücke beträgt 22 m
an der Stelle der Vielen bekannten und auf- und die Brücke hat drei Gehwege mit zwei
fallenden, das Stadtbild von Venedig mit- dazwischen angeordneten, geschlossenen
prägende, von Antonio da Ponte gebauten Reihen mit Verkaufsständen, die im Be-
Rialto Brücke über den Canale Grande, reich des Scheitels der Brücke durch einen
stand früher eine Holzbrücke. Die Holz- Torbogen unterbrochen sind. Die Grün-
brücke soll in der ersten Hälfte des 13. Jahr- dung der treppenförmig abgestuften Fun-
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 33

Bild 1.4-3   Sternbrücke
in Weimar

damente der Widerlager erfolgte auf Pfahl- Goethepark. Die Brücke dient heute aus-
rosten, weil der Baugrund aus Schwemm- schließlich dem Fußgängerverkehr. Die
sand besteht. Die beiden Pfahlroste unter Gestaltung der Brücke in Verbindung mit
den Widerlagern sollen aus je etwa 6000 dem Goethepark und dem Schloss hat eine
dicht gerammten Pfählen bestehen. besondere städtebauliche Qualität.
Nach dem 30-jährigen Krieg wurde in Ebenfalls eine Brücke mit besonderer
Weimar von 1651 bis 1652 die Sternbrücke das Städtebild prägender Qualität ist die
(Bild 1.4-3) über die Ilm im Zusammen- nach einem Entwurf von Karl Friedrich
hang mit dem Bau des Stadtschlosses von Schinkel von 1822 bis 1824 gebaute und in
Johann Moritz Richter im Auftrag des Her- ihrer Gestaltung des äußeren Erscheinungs-
zogs Wilhelm IV. gebaut. Sie hatte ur- bilds erhaltene Schlossbrücke über die
sprünglich nur drei Bogen aus Kalkstein Spree in Berlin, deren Sandstein-Bogen der
mit lichten Weiten von etwa 11 m bis etwa Seitenfelder und wegen der Schifffahrt auf-
14 m. Die Bogen sind etwa 80 cm dick. In klappbare hölzerne Mittelöffnung ab 1912
den etwa 5 m breiten Pfeilern befinden sich bis 1938 nacheinander durch Stahlbeton-
nach römischem Vorbild ovale Öffnungen. bogen ersetzt wurden. Die Sichtflächen der
Die vierte Öffnung am östlichen Ende der Stahlbetonbogen der in der ersten Hälfte
Brücke, die den Leutragraben überbrückt, des 20. Jahrhunderts umgebauten Brücke
wurde später gebaut. Das ehemalige Brü- wurden mit Sandstein verkleidet, sodass
ckenende und die Stelle des angebauten äußerlich die Gestaltung der auf Schinkel
vierten Bogens erkennt man deutlich durch zurückgehenden Schlossbrücke erhalten
die erhaltenen Sandstein-Torpfeiler und die blieb. Bombenangriffe und die Kämpfe
Fuge zwischen der ursprünglichen Brücke 1945 in Berlin führten zu schweren Schä-
und der Ergänzung um den vierten Bogen den an der Schlossbrücke. Sie wurde wieder
mit reichlich 5 m lichter Weite. Das jetzige unter Erhaltung der auf Schinkel zurückge-
Geländer wurde nach einem Entwurf von henden Gestaltung 1950/1951 und zuletzt
Clemens Wenzeslaus Coudray gefertigt 1995/1997 als Stahlbeton-Bogenbrücke mit
und stammt aus der ersten Hälfte des 19. Verkleidung der Sichtflächen aus Sandstein
Jahrhunderts. Am östlichen Ende der ur- restauriert (Bild 1.4-4). Auf der Brücke ste-
sprünglichen Brücke ist ein Treppenauf- hen auf jeder Seite vier, insgesamt also acht,
gang angeordnet, der durch die dort be- Skulpturengruppen aus weißem Carrara-
findliche Pfeileröffnung auf die Brücke marmor im klassizistischen Stil, die auf
führt. Von der Brücke kommt man über Entwürfe von Schinkel zurückgehen und
diese Treppe und Böschungsrampen in den durch den Befreiungskrieg 1818 beeinflusst
34 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-4   Schlossbrücke
in Berlin

wurden. Die Skulpturengruppen spielen zig in Betrieb genommen. Leipzig war


auf Szenen der griechischen Mythologie an, damit 1841 der Eisenbahnknotenpunkt
Gottheiten sind als Schutzpatroninnen der Deutschlands, denn alle drei 1841 beste-
Soldaten dargestellt. Dekorativ sind auch henden Fernstrecken Deutschlands, Dres-
die schönen schmiedeeisernen Geländer den-Leipzig, Magdeburg-Leipzig und Ber-
mit ihren Durchbrechungen, die zusam- lin-Leipzig, führten nach Leipzig. Ansons-
men mit den geschlossenen hohen Steinso- ten existierten 1841 in Deutschland nur
ckeln, auf denen die Skulpturengruppen Eisenbahnteilstrecken ohne direkten Zu-
stehen, die monumentale Wirkung der Ge- sammenhang. Bereits seit 1836 gab es Plä-
samtkonzeption der Schlossbrücke stei- ne, eine Eisenbahnstrecke zwischen Leipzig
gern. und Bayern zu bauen, die ab 1839 forciert
Mit dem Bau der Eisenbahnen begann wurden. Nach dem 1841 von den Regierun-
ein großer Aufschwung des modernen Brü- gen der Königreiche Sachsen und Bayern
ckenbaus als Steinbogen- und vor allem als und dem Herzogtum Sachsen-Altenburg
Stahlbrücken. Nachdem es bereits seit dem abgeschlossenem Staatsvertrag wurde noch
Beginn des 18. Jahrhunderts Pferde-Eisen- im selben Jahr mit dem Bau der Teilstrecke
bahnen auf Schienen gab, wurden die ers- Leipzig-Altenburg begonnen. In Leipzig
ten Eisenbahnstrecken mit Dampflokomo- begann der Bau des Bayerischen Bahnhofs
tiven zur Güterbeförderung 1825 auf der als Kopfbahnhof, der 1844 fertig gestellt
Strecke Stockton-Darlington in England wurde. Über Altenburg hinaus wurde die
und zur Personenbeförderung 1830 auf der Strecke bis 1845 verlängert und für den
Strecke Liverpool-Manchester eröffnet. In Eisenbahnverkehr freigegeben.
Deutschland wurde danach 1835 auf der Als bedeutende Steinbogenbrücke der
6 km langen Strecke Nürnberg-Fürth die Sächsisch-Bayrischen Eisenbahnstrecke
erste Eisenbahnverbindung und zwischen Leipzig-Altenburg-Zwickau-Plauen-Hof-
1836 (zunächst die Verbindung Leipzig- Nürnberg ist hier die von 1846 bis 1851 ge-
Riesa) und mit ihrer Verlängerung 1839 baute viergeschossige Göltzschtalbrücke in
nach Dresden die erste längere Strecke der Nähe von Mylau/Vogtland im schwie-
(112 km) Leipzig-Dresden eröffnet. 1840 rigsten Teilabschnitt Reichenbach-Plauen,
wurde die Eisenbahnstrecke Magdeburg- wahrscheinlich die größte aus Ziegelmauer-
Leipzig über Köthen und Halle und 1841 werk und mit Gewölben aus Granit und
die Bahnstrecke Berlin-Wittenberg-Köthen Porphyr errichtete Brücke, zu nennen
mit Weiterführung über die bereits beste- [Beyer, 2001]. Das Göltzschtal musste auf
hende Verbindung von Köthen nach Leip- einer Länge von etwa 800 m überbrückt
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 35

Bild 1.4-5   Göltzschtalbrücke bei Mylau im sächsischen Vogtland

werden, wobei die Bahnstrecke etwa 80 m gängerinstitution der heutigen Technischen


über der Talsohle zu führen war. Neben der Universität Dresden, kam zum Ergebnis,
Göltzschtalbrücke war noch die kleinere dass keiner der eingereichten Entwürfe
Els­tertalbrücke (Länge etwa 270 m, Höhe direkt ausführbar war, jedoch aus vier von
über Tal etwa 70 m) in der Nähe von Jocketa ihnen ein brauchbarer entwickelt werden
zu bauen. Fachleute bezweifelten 1844 die könnte, einer einem Aquädukt ähnlichen
Ausführbarkeit der beiden Brücken und da- vierstöckigen Steinbrücke mit vielen Pfei-
mit die Realisierbarkeit des Bahnprojekts lern und Bogen, die nach Ansicht der Kom-
insgesamt. Es wurden unabhängige Gutach- mission die größte Stabilität und Wirt-
ter bestellt, die gewählte Streckenführung schaftlichkeit und für die Ausführung und
und die Ausführbarkeit der Brücken zu be- die Instandhaltung die Minimierung des
urteilen. Unter den Gutachtern waren eine Risikos verspricht. Ende 1845 wurde der
Gruppe belgischer Ingenieure und der be- nun von Johann Andreas Schubert und
kannte technische Leiter der bayrischen Ei- Robert Wilke, dem Bauleiter der Bahnstre-
senbahnkommission Friedrich August v. cke und auch der Oberbauleiter der beiden
Pauli. Alle Gutachter bestätigten, dass die Brücken, ausgearbeitete Ausführungsent-
Streckenführung sinnvoll gewählt wurde wurf für die Brücke angenommen und die
und die Brücken ausführbar sind. Die bel- Göltzschtalbrücke nach ihrem Entwurf ge-
gischen Ingenieure legten ihrem Gutachten baut, der aber während der Bauausführung
sogar einen von Splingard angefertigten mehrmals geändert werden musste. Baulei-
Entwurf eines dreistöckigen Viadukts mit ter der Göltzschtalbrücke wurde Ferdinand
Spitzbogen mit nach oben abnehmenden Dost. Die Grundsteinlegung für die
Spannweiten bei. Anfang 1845 wurde ein Göltzschtalbrücke erfolgte am 31. Mai 1846.
Wettbewerb für Entwürfe zur Überbrü- Bei der Ausführung der Schachtarbeiten für
ckung der beiden Täler ausgeschrieben. Es die Gründung des höchsten Pfeilers ergab
wurden 81 Entwürfe eingereicht. Die Prü- sich, dass in einer Tiefe von 15 m noch im-
fungskommission unter Vorsitz von Profes- mer kein tragfähiger Baugrund vorhanden
sor Johann Andreas Schubert von der Tech- war. Wilke wollte mit der Gründung nicht
nischen Bildungsanstalt Dresden, der Vor- noch tiefer gehen und schlug deshalb vor,
36 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

diesen Pfeiler entfallen zu lassen und zwi- Bogen und Pfeilerabständen führte zu einer
schen den beiden benachbarten Pfeilern in deutlichen Verbesserung der gestalterischen
der zweiten und vierten Etage die dadurch Qualität der Göltzschtalbrücke (Bilder 1.4-5
entstehenden größeren Öffnungen mit und 1.6-6). Sie ist 574 m lang und die Bahn-
weitgespannten Bogen zu überbrücken. In strecke liegt 78 m über dem Tal und der
der zweiten Etage wollte er einen Spannbo- Göltzsch. Die Konstruktion besteht aus
gen, in der vierten Etage einen Tragbogen Pfeilern und Bogen. Die Pfeiler der Regel-
anordnen. Die benachbarten Pfeilerabstän- felder (kleine Bogen) stehen in den drei un-
de und Bogenspannweiten wurden ver- teren Etagen gegenüber den Außenflächen
kleinert. Schubert stimmte diesem Vor- der Bogen vor, nur in der oberen Etage be-
schlag grundsätzlich zu, schlug aber unter finden sich die Außenflächen der Pfeiler
Bezugnahme auf seine von ihm entwickelte und Bogen in einer Ebene. Die Pfeiler­dicken
Gewölbetheorie vor, nur einen Bogen und betragen am Sockel maximal 22,7 m und
diesen als elliptisch überhöhten Tragbogen nahmen von unten mit Etagenabsätzen und
auszuführen. Diesem Vorschlag wider- Pfeileranläufen 1 : 48 nach oben auf 7,93 m
sprach Wilke, sodass zur Beseitigung der ab. Bei den Feldern mit den großen Bogen
Meinungsdifferenzen wieder unabhängige und den Koppelpfeilern befinden sich be-
Gutachter bestellt wurden, die die neuen tont stärker hervorstehende Pfeiler, deren
Lösungen grundsätzlich unterstützten und Breiten nach oben zu abnehmend von un-
die von Wilke vorgeschlagene Überbrü- ten bis zur Bahnstrecke reichen. Bis zu den
ckung der größeren Öffnungen mit zwei Bogenwiderlagern der ersten Etage beste-
Bogen, jedoch in der von Schubert vorge- hen die Pfeiler aus Naturstein, darüber im
schlagenen elliptisch überhöhten Bogen- Wesentlichen aus im Kreuzverband erstell-
form empfahlen. Diesem Vorschlag folgten tem Ziegelmauerwerk. Die tragenden Bo-
Schubert und Wilke. Seitlich der großen gen der jeweils obersten Etage bestehen je-
Bogenfelder wurden auf beiden Seiten ge- doch wegen der intensiveren Erschütte-
koppelte Pfeiler mit kleineren Bogen ange- rungen und Feuchteeinwirkung aus Natur-
ordnet, und die Brücke wurde schließlich so stein. Die Bogen der unteren drei Etagen
ausgeführt. Diese durch die Baugrundver- sind in der Querrichtung geteilt (Bild 1.4-6).
hältnisse erzwungene Abänderung vom ur- Beim größten Bogen (oberer Mittelbogen)
sprünglichem Entwurf mit lauter gleichen betragen die lichte Weite 30,9 m und die

Bild 1.4-6   Göltzschtal­
brücke, Schrägsicht
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 37

Scheitelhöhe 31,7 m. Insgesamt wurden hende Regionalfürsten, die Daimyos, die in


135 676 m³ Mauerwerk für den Bau der ihrer Region die Gerichtshoheit ausübten.
Brücke verarbeitet, davon 71 671 m³ Ziegel- Die Nihonbashi-Brücke war eine 12 m brei-
mauerwerk und 64 005 m³ Werkstein- und te Holzbrücke (Bild 1.4-7) mit einer Spann-
Bruchsteinmauerwerk [Beyer, 2001]. weite von 52 m. Im Bild 1.4-7 ist der pom-
pöse Start eines Daimyos zur Heimreise in
seine Region über die Nihonbashi-Brücke
1.4.2 Holzbrücken dargestellt.
Es gibt eine Überlieferung, dass immer,
Der Bau von Holzbrücken in der Renais- wenn der Shogun mit dem Schiff unter der
sance und in der Neuzeit ist vor allem his- Brücke durchfahren wollte, der Mittelteil
torisch zu betrachten. der Brücke entfernt worden sei. Die Brücke
In Tokyo ist die Nihonbashi-Brücke (Ja- brannte mehrere Male ab. Stets wurde sie
pan-Brücke) eine geschichtsträchtige Brü- wieder hergestellt. Im Jahr 1911 wurde
cke. Sie wurde erstmals im Jahr 1603 zum schließlich die bis heute erhalten gebliebene
Beginn der Edo-Zeit gebaut. Die Edo-Zeit Steinbogenbrücke mit zwei Öffnungen ge-
begann 1603 als der Tenno den japanischen baut. Die gesamte Länge der heutigen Brü-
Feldherrn Tokugawa Ieyasu zum Shogun, cke beträgt 52 m, und sie ist 30 m breit. Auf
japanischer Kronfeldherr, ernannte. Die der Brücke befindet sich auf der Fahrbahn
Würde war erblich, und die Shogun-Dyna- in Brückenmitte eine Bronzeplatte, die der
stie, die die militärische und zivile Macht Anfangspunkt der sieben (fünf in der Edo
anstelle des machtlosen Tennos ausübte, Ära) Hauptstraßen Tokyos angibt und von
dauerte bis 1867 als die Macht dem Tenno der aus man die Entfernungen misst.
zurückgegeben wurde. Bereits Tokugawa Holzbrücken, die schneller und billiger
Ieyasu, der erste Shogun, verlegte seine Re- als Steinbrücken zu errichten sind, wurden
sidenz nach Edo, dem heutigen Tokyo. Die und werden in Europa insbesondere in
Edo-Zeit war durch eine straffe Zentralre- Süddeutschland, Österreich und in der
gierung und ein stabiles Staatswesen mit Schweiz gebaut, weil hier wegen des Wald-
allgegenwärtiger Kontrolle geprägt. In der reichtums genügend Holz vorhanden ist.
Edo-Zeit gab es den Shogunen unterste- Wenn die Holzbrücken auch verhältnismä-

Bild 1.4-7   Foto von


­einem Bild von der alten
Nihonbashi-Brücke
aus dem 17. Jahrhundert
in Tokyo
38 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

ßig preiswert gebaut werden können, be- Die Platten gewährleisten auch die Schei-
dürfen sie aber sorgfältiger und kosten- benwirkung zur Horizontalaussteifung der
trächtiger Unterhaltung, was die Nachhal- Brücke, weshalb ein Windverband in der
tigkeit dieser Bauweise relativiert. Im Laufe Plattenebene nicht notwendig ist.
der Zeit hat der Holzbrückenbau deshalb Viele interessante ältere Brücken sind
an Bedeutung verloren. Trotzdem sind heute nicht mehr erhalten. Die noch erhal-
Holzbrücken insbesondere als Behelfsbrü- tenen stehen häufig unter Denkmalschutz.
cken und als Fußgängerbrücken auch heute In ihrer einfachsten Form bestehen die
noch üblich. In den USA werden schon seit Holzbrücken für kleine Spannweiten aus
ca. 30 Jahren Untersuchungen über einen Vollwand-Balken-Brücken, die auf hölzer-
verbesserten Holzschutz an freibewitterten nen oder steinernen Widerlagern und bei
Tragwerksteilen aus Holz vorgenommen mehreren Feldern der Brücke zusätzlich
und Brückenfahrbahnen aus verleimten auf Pfeilern aufliegen. Bei etwas größeren
Brettschichtpanelen entwickelt [Werren, Spannweiten haben sich Spreng-, Hänge-
1969]. Insbesondere in der Steiermark sind werke und unterspannte Balken für den
in den letzten Jahren verschiedene moder- Holzbrückenbau herausgebildet, die auch
ne Holzbrücken gebaut worden [Pischl, als Kombination beider zu Hängespreng-
1999]. An der Technischen Universität Graz werken entwickelt wurden. Für größere
werden von Gerhard Schickhofer in Zu- Spannweiten werden bevorzugt Fachwerk-,
sammenarbeit mit seinem Schweizer Kolle- Bogen-, Hänge- und Spannbandbrücken
gen Andrea Bernasconi Untersuchungen gebaut. Die Brücken werden als Deck-,
zu Holz-Fahrbahnplatten vorgenommen, Trogbrücken oder vor allem zum Witte-
die eine interessante Entwicklung für den rungsschutz als geschlossene Brücken er-
Holzbrückenbau versprechen. Zur Herstel- richtet. Brücken werden auch als Stahl-
lung der Fahrbahnplatten werden Holzla- Holz- und Beton-Holz-Verbundbrücken
mellen oder Holzwerkstofflamellen vertikal gebaut. Im Abschnitt 4.2.4 wird kurz auf die
angeordnet und durch Vernagelung, Ver- verschiedenen Varianten eingegangen, wo-
schraubung oder Verklebung mit oder ohne rauf verwiesen wird. Hier soll, wegen ihrer
Vorspannung oder alternativ nur durch Bedeutung für den Holzbrückenbau nur
Vorspannung zu einer Platte verbunden. noch die im Zusammenhang mit dem Be-
Wegen der verfügbaren Längen der Hölzer ginn des Eisenbahnbrückenbaus und der
sind in der Längsrichtung Stöße der Holz- verstärkten Erschließung Nordamerikas
teile nötig, die in der Regel mit versetzten erfolgte Entwicklung des Holzbrückenbaus
Stumpfstößen (Reduktion der rechneri- in den USA im 19. Jahrhundert gestreift
schen Tragfähigkeit im Vergleich zur unge- werden. Auch diese hat vorwiegend histori-
schwächten Holzplatte ist dabei erforder- sche Bedeutung.
lich) oder Keilzinkstößen erfolgen. Bei der Wegen der Trassierungsanforderungen
sogenannten QS-Platte wird die Erzeugung der Eisenbahnstrecken mit den geringen
der Plattenwirkung nur durch Vorspan- zulässigen Steigungen der Trassen und in
nung erreicht, was die wirtschaftlichste Art den USA zusätzlich mit der forcierten Er-
der Herstellung der Platte ist. Hierbei wer- schließung großer und von den bereits
den die Bretter oder Bohlen hochkant ne- dichter besiedelten Teilen weit entfernter
beneinander gestellt und mit Spanngliedern Gebiete war beim Bau der Eisenbahnen im
in Querrichtung zusammengespannt, wo- 19. Jahrhundert der Bau vieler Brücken
durch Relativverschiebungen zwischen den notwendig, die in möglichst kurzer Zeit zu
Lamellen auf unbedeutende Werte begrenzt bauen waren. Wälder und damit Holz als
werden und die Plattenwirkung entsteht. Baumaterial waren vor Ort in den betroffe-
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 39

nen Gebieten reichlich vorhanden und da- an den Bogen angehängt war. Zur Korrek-
mit schnell und preiswert zu beschaffen. tur der Höhenlage der Fahrbahn hatten die
Wegen der häufig zu überbrückenden wei- mittleren Hänger an ihren Enden Schraub-
ten Täler und breiten Flüsse wurden viele gewinde und Muttern mit Kontermuttern.
interessante Konstruktionen gebaut. Als Um der Brücke die nötige Steifigkeit zu ver-
Beispiel ist die von Burr konstruierte und in leihen, ordnete Burr zusätzliche Streben an.
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ge- Dadurch unterschied sich die Brücke von
baute Bogenbrücke mit angehängter Fahr- ihren europäischen Vorbildern. Die Brücke
bahn mit fünf Öffnungen mit 49 m bis 61 m diente zunächst ungefähr 40 Jahre dem
Spannweite über den Delaware bei Trenton Straßenverkehr und wurde im Zuge des
in New Jersey im Bild 1.4-8 gezeigt [Cul- Baus der Eisenbahn von New Jersey nach
mann, 1851]. Die Pfeilhöhen der tragenden Pennsylvania ohne Konstruktionsverstär-
Bogen betragen etwa 1/10 der Bogenspan- kung für den Eisenbahnverkehr umgerüs-
nweite. Die Querschnitte der Bogen waren tet.
Rechteckquerschnitte mit Abmessungen Bei Washington wurde die im Bild 1.4-9
von 40 cm × 94 cm, die aus übereinander dargestellte etwa 1,6 km lange Straßenbrü-
gelegten Bohlen gebildet wurden. Die cke über den Potomac mit lichten Weiten
Kämpfer der Bogen befanden sich direkt von 36,6 m gebaut, deren Farbahn etwa
unter der Fahrbahnebene, die über Hänger 7,6 m breit war. Die beiden Fachwerk-

Bild 1.4-8   In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gebaute Holz-Bogenbrücke über den Dela-
ware bei Trenton in New Jersey, Bild nach [Culmann, 1851]

Bild 1.4-9   Holz-Fachwerk-Straßenbrücke über den Potomac bei Washington, Bild nach [Culmann,
1851]
40 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Hauptträger mit 4,6 m Systemhöhe hatten


Ober- und Untergurte, die aus je drei
­Kanthölzern mit Abmessungen von etwa
15 cm/15 cm bestanden. Die Gurte umfass-
ten die beiden zweiteiligen Pfosten, deren
Abmessungen je etwa 25 cm/15 cm betru-
gen und die Abstände voneinander von
etwa 3,05 m hatten. Die zu den Aufla­
gern fallenden zweiteiligen Streben hatten
ebenfalls Abmessungen je 25 cm/15 cm.
Sie befanden sich in derselben Ebene wie Bild 1.4-10   Prinzip des Fachwerkträgers nach
die Pfosten und waren in diese eingelassen. dem System von Long
Die Zwischenräume zwischen den zwei­
teiligen Pfosten und Streben betrugen etwa
7,6 cm. In diesen Zwischenräumen befan- nung der Gurte, Pfosten und der beiden
den sich von den Köpfen jeder Strebe je- verschiedenen Streben am Obergurtknoten
weils in über den Pfeilern liegenden guss­ zu ersehen.
eisernen Schuhen (Detail a in Bild 1.4-9) Interessant sind auch die Holzbrücken
einbindende zusätzliche Streben mit Ab- nach den Systemen von Long und Howe.
messungen etwa 7,6 cm/30 cm. Damit der Beide Systeme sind Fachwerkträger mit
gusseiserne Schuh nicht in den Untergurt Pfosten und sich kreuzenden Diagonalen
eingelassen werden musste, waren an den als Ausfachungen zwischen den Gurten.
Schuhen über den Pfeilern jeweils ein Bei den Fachwerkträgern nach dem System
30 cm langes Kopfstück und zwischen den von Long (Bild 1.4-10) werden unter die
beiden Schuhen über den Pfeilern je ein Diagonalen am Untergurt Keile eingeschla-
Hartholzblock angeordnet worden. Aus gen, wodurch die Diagonalen eine Druck-
dem Detail b des Bilds 1.4-9 ist die Anord- vorspannung erhalten und die Pfosten ge-

Bild 1.4-11   Als Fachwerkträger nach dem System von Howe in Connecticut gebaute Eisenbahn-
brücke über den Chikapoe (Bild nach [Culmann, 1851])
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 41

zogen werden. Das Verkeilen muss so stark wichtige Voraussetzung für den Bau insbe-
sein, dass die Diagonalen unter der Vor- sondere von Stahlbrücken war deshalb,
spannung und den äußeren Einwirkungen dass gut ausgebildete Ingenieure zur Verfü-
stets auf Druck beansprucht bleiben, damit gung standen, um ausreichend sichere Bau-
sie sich nicht lockern. Die Träger müssen werke mit sparsamen Verbrauch des teuren
regelmäßig kontrolliert werden und gege- Baustoffs zu konstruieren und zu bauen. Bis
benenfalls müssen die Keile wieder ange- dahin wurden Brücken ja hauptsächlich
keilt werden. Die Tragwirkung des Systems unter Berücksichtigung überlieferter Er-
von Howe entspricht prinzipiell der des fahrungen gebaut.
Systems nach Long. Beim System nach Eisen in größeren Mengen herzustellen
Howe, das in Europa von den beiden Sys­ gelang etwa 1735 in Coalbrookdale in Eng-
temen bekanntere, werden aber die Verti- land. Dieses im Hochofen unter Verwen-
kalen durch eiserne Rundstangen ersetzt, dung von Steinkohle-Koks erschmolzene
die vorgespannt werden. Dadurch sind die Eisen enthielt viel Kohlenstoff und die da­
einzelnen Konstruktionsteile einfacher ge- raus hergestellten Gusseisen hatten ausge-
staltet, und die beim Long-Träger aufwen- prägt niedrige Zähigkeitseigenschaften und
digen passgenauen Zimmermannsarbeiten konnten vor allem auf Druck und nur sehr
nicht im selben Maße erforderlich. gering auf Zug und Biegung beansprucht
In Connecticut war eine Eisenbahnbrü- werden. Die erste Eisenbrücke, die guss­
cke über den Chikapoe als Fachwerkträger eiserne bogenförmige Brücke (Bild 1.4-12),
mit 54 m Spannweite nach dem System wurde in Coalbrookdale über den Severn
Howe gebaut worden (Bild 1.4-11). Auch 1776–1779 von Abraham Darby gebaut. Sie
der Horizontalverband der Brücke war als hat etwa 31 m Spannweite. Sie ist noch heu-
Träger nach dem System Howe ausgeführt te erhalten und wird als Fußgängerbrücke
worden. benutzt. Sie wurde als erstes Bauwerk von
der ASCE in die Liste der International His-
toric Civil Engineering Landmarks aufge-
1.4.3 Eisen- und Stahlbrücken nommen. In unmittelbarer Nähe der Brü-
cke ist die nach der Brücke genannte Stadt
1.4.3.1 Bogen-, Balken- und Rahmen­brücken Iron Bridge entstanden.
In den folgenden Jahrzehnten wurden in
Vergleichsweise zum Bau von Steinbrücken England zahlreiche gusseiserne Brücken
wurde mit dem Bau von Eisen- und Stahl- mit bogenartigen Formen gebaut und guss-
brücken erst vor einer verhältnismäßig kur- eiserne Brücken sogar bis nach Nordameri-
zen Zeit begonnen. Um Brücken aus Eisen ka verschifft. In Niederschlesien wurde be-
oder Stahl bauen zu können mussten zu- reits 1794 eine kleiner Steg ähnlicher Bauart
nächst zwei wichtige Voraussetzungen er- gegossen und 1796 als Straßenbrücke mit
füllt sein. Die wichtigste war natürlich, dass 13 m Spannweite bei Lazany (Laasan) in der
die technologischen Voraussetzungen ge- Nähe von Swidnica (Schweidnitz) über die
schaffen werden mussten, um Eisen und Stregomka (Striegauer Wasser) errichtet.
Stahl in der erforderlichen Menge und Güte Sie ist die erste eiserne Brücke auf dem
zur Verwendung als Baustoff zu erzeugen. europäischen Kontinent [Mehrtens, 1900].
Eisen und Stahl sind als Baustoff verhältnis- Die Gussteile wurden im Königlichen Ei-
mäßig teuer. Mit ihnen musste deshalb von senhüttenwerk in Malpane hergestellt.
Anfang an bei der Konstruktion von Brü- Ein verkleinertes Abbild der Brücke über
cken und anderen Bauwerken sparsam den Severn in Coalbrookdale mit 8 m
umgegangen werden. Die zweite genauso Spannweite (Bild 1.4-13) wurde etwa 1800
42 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-12   Brücke
über den Severn in Coal­
brookdale (Foto von
Prof. Dr.-Ing. Wieland
Ramm)

Bild 1.4-13   Wörlitzer
Brücke, verkleinertes
Ab­bild der Brücke über
den Severn in Coal­brook­
dale

im Wörlitzer Park nachgebaut. Der Wörlit- von Palladio), Stein und Eisen, die dem Be-
zer Park in der Nähe von Dessau wurde in sucher in pädagogischer Absicht die zur
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts un- damaligen Zeit verschiedenen Möglichkei-
ter der Regentschaft Leopolds III. Friedrich ten und die geschichtliche Entwicklung des
Franz von Anhalt-Dessau angelegt und Brückenbaus vermitteln sollen. Alle Brü-
später erweitert. Er wurde 2000 von der cken sind in gutem Zustand und als Fuß-
UNESCO in die Welterbeliste aufgenom- gängerbrücken nutzbar.
men. Im Park mit einer größeren Wasser- Die zweite o. g. Voraussetzung für den
fläche und vielen darin angelegten Kanälen Bau von Eisen- und Stahlbrücken war die
befinden sich neben dem verkleinerten Ausbildung fähiger Ingenieure in Ingeni-
Abbild der Brücke über den Severn in eur-Hochschulen. Die ersten Universitäts-
Coalbrookdale mehrere kleine Brücken aus gründungen erfolgten schon im Mittelalter,
Holz (z. B. eine Brücke nach dem Vorbild im 11. und 12. Jahrhundert. Nachdem in
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 43

den Universitäten zunächst die Wissen- raus schließlich Polytechnische Schulen die
schaften vor allem auf der Theologie, den sogenannten Polytechnika. Nachdem be-
Rechtswissenschaften, der Philosophie, der reits 1691 in Frankreich das Festungsbau-
Medizin und den Künsten beruhten, wur- Ingenieurkorps entstanden war, wurde
den in den folgenden Jahrhunderten auch 1716 die erste Ingenieurvereinigung ge-
die modernen Sprachen, die Mathematik gründet, das Corps des Ponts et Chaussees.
und die Naturwissenschaften einbezogen Das Corps war mit der Durchsetzung der
[Cardini/Beoni-Brocchieri, 1991]. Die Verkehrspolitik des Königreichs Frankreich
letztgenannten wurden zu wichtigen wis- beauftragt. 1744 folgte die Gründung des
senschaftlichen Grundlagen für die In­ Büros der Pariser Technischen Zeichner.
genieurwissenschaften, die zunächst aber Um die Arbeit des Corps durch qualifizier-
noch keine Rolle an den Universitäten te Mitarbeiter weiter zu verbessern, wurde
spielten. Aufbauend auf bereits im Alter- 1747 Jean-Rodolphe Perronet, der selbst
tum formulierten Gesetzen der Mechanik, Ingenieur des Corps des Ponts et Chaussees
wie dem Hebelgesetz, dem Auftriebsgesetz war, zum Leiter des Büros der Technischen
eines Körpers in einer Flüssigkeit, der Zeichner berufen. Er wurde eingesetzt, um
Schwerpunktslage eines Körpers, der Wir- die Anleitung und Überwachung der Geo-
kungsweise des Flaschenzugs und der kine- graphen und Zeichner von Landkarten und
matischen Kenntnisse entstand in der Re- Stadtplänen zu übernehmen, sie mit den
naissance, beginnend mit Galileo Galileis Wissenschaften und notwendigen Kennt-
Hauptwerk Discorse e Dimon­stratione Ma- nissen vertraut zu machen, damit sie die
tematiche, die Wissenschaft von der Me- Funktionen im Straßen- und Brückenbau-
chanik in moderner Betrachtung. Wesent- korps kompetent ausüben können. Diese
liche weitere Beiträge lieferten Johannes Verordnung wird als Gründungsurkunde
Kepler mit der Formulierung der kinema­ der École des Ponts et Chaussées angesehen
tischen Gesetze der Planetenbewegungen, [Chatzis, 1998]. Von Brückenbauingenieu-
Christian Huygens mit seinen Arbeiten zu ren wurden Ende des 18. Jahrhunderts die
den Schwingungen von Pendeln. Darauf Ausbildungsprinzipien der Schule in Frage
aufbauend entwickelte Isaac Newton in gestellt. Dabei ging es vor allem um den
­seinem 1867 erschienenem fundamentalen wissenschaftlichen Gehalt der Ausbildung.
Werk Philosophiae Naturalis Principa Die Diskussion führte 1794 zur Gründung
­Mathematica die Grundprinzipien der der École Centrale des Travaux Publics, die
­Mechanik, zu denen insbesondere das Gra- im darauffolgenden Jahr den Namen École
vitationsgesetz und der Impulssatz gehö- polytechnique erhielt. Die École polytechni-
ren. Aber auch die gleichzeitig von Gott- que vermittelte nun den zukünftigen Inge-
fried Wilhelm Leibniz und Isaac Newton nieuren eine allgemeine wissenschaftliche
entwickelte Infinitesimalrechnung, eine für Grundausbildung. Erst nach erfolgreichem
die mathematische Behandlung mechani- Abschluss der École polytechnique konn-
scher Probleme wichtige Grundlage, ist hier ten dann die Absolventen ihre fachspezifi-
zu nennen. Weitere wichtige Beiträge, auf sche Ausbildung an der École des Ponts et
denen aufbauend später die ingenieurwis- Chaussées fortsetzen [Chatzis, 1998]. An
senschaftlichen Grundlagen entwickelt der École polytechnique lehrten in der ers-
werden, leisteten insbesondere die Brüder ten Hälfte des 19. Jahrhunderts einige der
Bernoulli, Hooke und Euler. Ab dem 18. bedeutendsten Wissenschaftler der ingeni-
Jahrhundert entwickelten sich aus Mittel-, eurwissenschaftlichen Grundlagen der da-
Gewerbe-, Zeichenschulen und Akademi- maligen Zeit, unter anderen Lagrange,
en Technische Bildungsanstalten und da­ Poisson und Cauchy. Für die École des
44 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Ponts et Chaussées war besonders das Wir- der hintereinander als Einfeldbalken ange-
ken Naviers von Bedeutung. Insbesondere ordnet sind. Die Deck- und Bodenplatten
sein Beitrag zur Technischen Mechanik der wurden doppelwandig ausgeführt. Jeder
Balken, seine Beiträge zur Elastizitätstheo- Kasten war für den Betrieb einer Bahnstre-
rie, Materialfestigkeit und zu den Fließbe- cke vorgesehen, die Eisenbahnen fuhren im
wegungen sind auch heute noch von grund- Innern der Kästen. Eine solche Konstruk­
legender Bedeutung. Als Vorbild für die tion war bis dahin beispiellos. Erfahrungen
Technischen Hochschulen und Universitä- mit der Verwendung von schmiedbarem
ten, zumindest für Kontinentaleuropa, gel- Eisen im Brückenbau gab es noch nicht.
ten die bereits 1747 gegründete École des Nur die Schiffsbauer hatten damals Erfah-
Ponts et Chaussées, die 1804 eine neue Or- rungen mit der Verwendung von schmied-
ganisationsstruktur erhielt, zusammen mit barem Eisen für weitgespannte Konstrukti-
der 1794 eingerichteten École polytechni- onen. Die Überlegung war, wenn die eiser-
que. Damit war die o. g. zweite wichtige Vo- nen Dampfboote den Beanspruchungen der
raussetzung geschaffen, dass die Bauingeni- See und der Dampfmaschinen mit ihren
eure die erforderlichen wissenschaftlichen Stößen gewachsen sind, muss das Eisen
Grundlagen für den Entwurf und den Bau auch für den Bau von Brücken geeignet
moderner Brücken vermittelt bekamen. sein. Mit der Verwendung von Gusseisen
Wie bereits ausgeführt begann mit dem für Eisenbahnbrücken mit der stoßartigen
Bau der Eisenbahnen um 1825 ein großer Belastung hatte man schon schlechte Erfah-
Aufschwung des modernen Stahlbrücken- rungen gemacht. Stephenson wollte zu-
baus. Inzwischen war die technologische nächst die Kastenträger an einer Hänge-
Entwicklung bei der Eisenherstellung so konstruktion aufhängen, kam dann aber
weit fortgeschritten, dass nach dem Pud- zur Überzeugung, dass die Kastenträger al-
delverfahren schmiedbares Eisen, das so lein ausreichend tragfähig sind. Offene Fra-
genannte Schweißeisen, hergestellt werden gen sollten durch Versuche geklärt werden.
konnte. Ab dem Beginn des 19. Jahrhun- Es wurden zunächst Versuche zur Klärung
derts konnten auch bereits industriemäßig des Verhaltens des Schmiedeeisens und der
Stab- und Formeisen hergestellt werden. Bleche durchgeführt. Professor Eaton
Damit war der Weg frei, eiserne Balkenbrü- Hodgkinson schlug vor, zusätzliche Versu-
cken zu bauen. Der Stahlbrückenbau ver- che an einem Modellkasten im Maßstab 1: 6
drängte nun mit seinen Vorteilen, insbe- durchzuführen, was Stephenson aufgriff
sondere mit dem geringeren Gewicht der und die Versuche von dem Fabrikanten
Konstruktion und den daraus folgenden William Fairbirn, dem langjährigen Part-
Gründungskosten, aber auch wegen der ge- ner seines Vaters George Stephenson, des
ringeren Bauzeiten sukzessive die Natur- berühmten Eisenbahn- und Lokomotiven-
steinbrücken. Die erste weitgespannte ei- bauers, durchführen ließ. Die Versuchser-
serne Balkenbrücke war die von Robert gebnisse führten zu der Überzeugung, dass
Stephenson von 1846 bis 1850 gebaute Bri- sowohl das schmiedbare Eisen geeignet ist
tanniabrücke über die Menaistraße [Wer- als auch dazu, dass die unversteiften Kas­
ner, 1969], die in den beiden mittleren Fel- tenträger allein ohne Hängekonstruktion
dern die größten Spannweiten mit 140 m ausreichend tragfähig sind. Es wurden
hatte. Die Brücke bestand aus zwei getrenn- trotzdem pylonenartige gemauerte Pfeiler
ten und parallel geführten, aus schmiedeei- über die Kastenträger nach oben geführt,
sernen Blechen und Winkeln zusammen- um erforderlichenfalls die Balkenbrücke an
gesetzten vollwandigen Kastenträgern als Kabeln aufhängen zu können. Die Brücke
Nietkonstruktion, die jeweils über vier Fel- war bis 1970 unter Verkehr. Nach einem
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 45

Brandschaden wurde sie rückgebaut und Zu den wenigen Ingenieuren, die damals
durch Fachwerk-Bogenbrücken ersetzt diese Gabe hatten, zählte Carl Lentze, der
[Ramm, 2004]. Erbauer der ältesten weitgespannten Bal-
Die Hüttenwerke betrieben um die Mitte kenbrücke auf dem europäischen Konti-
des 19. Jahrhunderts große Anstrengungen, nent, der Dirschauer Weichselbrücke. Mit
um im flüssigen Zustand erzeugten Stahl, der fortlaufenden Entwicklung der Techni-
den sogenannten Flussstahl, als Massen- schen Hochschulen verbesserte sich die Si-
produkt herzustellen, was durch Erfin- tuation. Neben der Vermittlung guter theo-
dungen 1855 von Sir Henry Bessemer (Bes- retischer Kenntnisse wird an den Techni-
semer-Prozess), 1864 von Pierre Émile schen Hochschulen und Universitäten, an
Martin (Siemens-Martin-Verfahren, Stahl- der Baupraxis orientiert, großer Wert da­
erzeugung in dem von den Brüdern August rauf gelegt, dass den Studierenden rechtzei-
Friedrich und Carl Wilhelm Siemens ent- tig vermittelt wird, dass die Berechnung des
wickelten Regenerativofen) und 1879 von Bauwerks kein Selbstzweck ist, sondern
Sidney Gilchrist Thomas (Thomas-Verfah- eine wichtige Voraussetzung für eine gute
ren, Windfrischverfahren zur Herabset- Konstruktion mit dem eigentlichen Zweck
zung des Phosphorgehalts durch Einblasen unserer Arbeit, das Bauwerk zu errichten.
von Luft in die am Boden mit basischem Die heute noch zum Teil erhaltene Alte
Futter ausgekleidete Thomasbirne) gelang. Weichselbrücke Dirschau wurde im Zuge
Damit waren alle Voraussetzungen geschaf- des Baus der preußischen Ostbahn der
fen, um die vielen für den Eisenbahnbau Strecke Berlin-Königsberg als engmaschige
erforderlichen Stahlbrücken bauen zu kön- Gitterbalkenbrücke 1850–1857 über die
nen, beim Bau der Eisenbahntrassen waren Wisla (Weichsel) bei Tczew (Dirschau),
ja wegen der nur sehr geringen zulässigen etwa 30 km südsüdöstlich von Gdansk
Steigungen deutlich mehr Brücken erfor- (Danzig) errichtet (Wieland Ramm ist zu
derlich als bei den bis dahin vorhanden verdanken, dass diese Brücke uns heute
Verkehrswegen. wieder stärker in Erinnerung gebracht wur-
Beim Beginn des Eisenbahnbrücken- de). Als Randbedingung für den Brücken-
baus gab es nur wenige Ingenieure, denen bau war zu beachten, dass der Durchfluss-
der Konstruktions-Entwurf von eisernen querschnitt des Überflutungsgeländes bei
und stählernen Eisenbahnbrücken, ihr Bau Hochwasserführung der Weichsel und des
und ihre Unterhaltung zugetraut wurde. jährlichen Eisgangs möglichst wenig einge-
Deshalb begannen die Eisenbahnverwal- schränkt wird. Der mit dem Bau der Weich-
tungen Ingenieure an sich zu binden, denen selbrücke Dirschau und auch der in der
sie diese Aufgaben übertragen konnten. selben Baumaßnahme zu bauenden Brücke
Ausreichend dazu war nicht nur das theo- über die Nogat bei Marienburg beauftragte
retische Verständnis des Kraftflusses in ei- Carl Lentze beabsichtigte deshalb zunächst
ner Baukonstruktion, sondern ganz beson- die Dirschauer Brücke als Ketten-Hänge-
ders das erforderliche Verständnis für die brücke über fünf Felder mit je 158 m
Umsetzung in die konstruktive Durchbil- Spannweite zu bauen. Nach einer Studien-
dung einschließlich aller Details. Nur wer reise nach England mit Besichtigung der
die Theorie beherrscht und sie in eine gute Britanniabrücke, entschied er sich, die
Konstruktion umsetzt ist der wahre Bau- Dirschauer Brücke als Balkenbrücke zu
künstler [Mehrtens, 1900]. Dies gilt nicht bauen [Mehrtens, 1900]. Er wählte drei
nur für das 19. Jahrhundert, sondern ist hintereinander angeordnete Durchlaufträ-
auch heute und in der Zukunft von heraus- ger über jeweils zwei Felder mit je 131 m
ragender Bedeutung für den Ingenieurbau. Spannweite [Ramm, 2004]. Im Gegensatz
46 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

zur Britanniabrücke, die mit Vollwand- die Ausbildung des Balkens als engmaschi-
Blechwänden und -gurten als geschlossener ger Gitterträger die angreifende Windlast
Kastenträger ausgeführt wurde (s. o.), setzte geringer sei als bei einem Vollwandträger.
Lentze den torsionssteifen Hohlquerschnitt Wir wissen heute, dass dies nicht zutrifft.
aus 12 m hohen Gitterwänden (Bild 1.4-14) Die konstruktive Durchbildung und die
mit gegliederten Ober- und Untergurten, statische Berechnung erfolgte im Wesentli-
die durch engmaschige, sich unter 45° kreu- chen durch den Schweizer Ingenieur Ru-
zenden Diagonalen mit innen und außen dolph Eduard Schinz, der seine Ingenieur-
vertikal angeordneten Eisenwinkel sowie ausbildung in Paris an der École polytech-
zwei oberen Windverbänden und einem nique und der École des Ponts et Chaussées
unteren Windverband zusammen. Die Ab- erhalten hatte. Weil Lentze aber noch Zwei-
stände der vertikal zur Versteifung ange- fel hatte, ob die Tragfähigkeit des Überbaus
ordneten Winkel nehmen entsprechend tatsächlich wie berechnet gegeben sei, wur-
des Querkraftverlaufs zu den Auflagern hin de anfangs erwogen einen Probeträger im
ab. Lentze hatte die Vorstellung, dass durch Maßstab 1:1 im Werk in Dirschau hinsicht-

Bild 1.4-14   Gitterwände
der Alten Weichselbrücke
Dirschau (Foto: Prof. Dr.
Ing. Wieland Ramm)

Bild 1.4-15   Heutiger
Zustand (Ausschnitt) der
Alten Weichselbrücke
Dirschau (Foto: Prof. Dr.
Ing. Wieland Ramm)
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 47

lich seines Tragverhaltens zu prüfen [Mehr- Viadukte Neuvial und Rouzat der westlich
tens, 1900]. Ramm hat sehr ausführlich das von Vichy gelegenen Eisenbahnstrecke
Wissen über die Konstruktion, den Bau Commentry-Gannat der Orléans-Eisen-
und das Schicksal der Weichselbrücke bahngesellschaft (beide Brücken bestehen
Dirschau erarbeitet und das Ergebnis in ei- aus Stahl-Fachwerkträgern mit gekreuzten
nem lesenswerten Beitrag veröffentlicht Diagonalen zwischen vertikalen Pfosten für
[Ramm, 2004]. In dem von ihm herausge- den Überbau und Fachwerkstützen mit
gebenem Buch sind noch mehrere Beiträge vertikalen mit Beton gefüllten Gusseisen-
anderer Autoren enthalten, die das heutige rohren in den vier Ecken, die durch Ver-
Wissen über die Dirschauer Weichselbrü- bände ausgesteift sind), die 1877 fertigge­
cke abrunden. stellte Maria Pia Stahlbogenbrücke über
Gustave Alexandre Eiffels Ururgroßva- den Duoro bei Porto mit 160 m Spannweite,
ter stammte aus Marmagen in der Eifel und die 1880-1884 gebaute Garabit-Eisenbahn-
lebte seit 1710 in Frankreich. Seinen für brücke und die 1883 gebaute Straßenbrü-
Franzosen unaussprechlichen Familienna- cke von Cubzac über die Dordogne.
men Bönickhausen ersetzte er durch Eiffel. Im Zuge des Baus der Eisenbahnstrecke
Gustave Alexandre Eiffel wurde 1832 in Di- Beziers-Marvejols-Neussargues war die tie-
jon geboren. Nach Beendigung seiner Inge- fe Schlucht über den Truyère zu überque-
nieurausbildung mit Spezialisierung auf ren. Léon Boyer, der 1878 die örtlichen
Chemie 1855 an der École Centrale des Vermessungsarbeiten vornahm, schlug vor,
Arts et Manufactures in Paris trat er zu- die Schlucht mit einer Bogenbrücke zu
nächst in die Firma von Charles Nepveu überbrücken. Als Bild schwebte ihm die
ein, wodurch er früh mit dem Bau von Ei- von Eiffel entworfene und gebaute Maria
senbahnbrücken vertraut wurde [Bonet, Pia Stahlbogenbrücke über den Duoro bei
2003]. Eiffel verdankte es Charles Nepveu, Porto vor. Diese Brücke wurde von Ingeni-
dass er in das bedeutendste Eisenbahnun- euren der damaligen Zeit bewundert und
ternehmen Frankreichs jener Zeit wechseln hat die Bekanntheit Eiffels und den Auf-
konnte und dort angestellt wurde. Ihm schwung seiner Firma in besonderem Maße
wurde der Bau der Saint Jean Brücke über gefördert. Sein Ansehen und seine Erfah-
die Garrone in Bordeaux übertragen, die rung und die seiner Firma führten dazu,
von 1857 bis 1860 gebaut wurde. Statt die dass Gustave Alexandre Eiffel in freier Ver-
Brücke wie üblich als Vollwandbalken aus- gabe ohne Wettbewerb 1879 den Auftrag
zuführen, baute Eiffel den Überbau als erhielt, die Garabit-Brücke (Bild 1.4-16) zu
leichte Fachwerkkonstruktion, die Kon- bauen [Stiglat, 1997]. Die Garabit-Brücke
struktionsart, die er fortan bei allen seinen ist die bedeutendste Brücke, die Eiffel ge-
Brücken und anderen Ingenieurkonstruk­ baut hat und zählt zweifelsfrei auch zu den
tionen bevorzugte. Er wechselte als Kon- bedeutendsten Brücken des 19. Jahrhun-
struktionschef in das Ingenieurbüro Pau- derts. Die konstruktive Durchbildung und
vels & Cie. Im Alter von 34 Jahren gründete die statische Berechnung der Brücke führte
Gustave Alexandre Eiffel 1866 seine eigene Mau­rice Koechlin, ein Schweizer Ingenieur,
Stahlbaufirma in Paris. Er entwarf, kon- Schüler Karl Culmanns, aus. Die Baulei-
struierte und baute zahlreiche Brücken und tung hatten de Boissanger und Robaglia,
andere Stahlbauwerke. Von Letzteren seien für den Bauherrn war u. a. Léon Boyer zu-
nur das Traggerüst der Freiheitsstatue in ständig und Emile Nouguier oblag die Lei-
New York und der Eiffelturm in Paris ge- tung des gesamten Bauablaufs und der
nannt. Zu den von Eiffel gebauten Brücken Montage. Auf der Baustelle waren zeitweise
zählen u. a. die beiden 1867–1869 gebauten bis zu 500 Arbeiter tätig. Die Bauarbeiten
48 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-16   Garabit-
Brücke (Foto: Dr.-Ing.
Klaus Stiglat)

begannen im Januar 1880 mit der Herstel- Das Dorf Cubzac, nördlich von Bor-
lung der Widerlager und der Fundamente deaux gelegen, ist durch eine Landstraße
der Pfeiler. Der erste Pfeiler (die Pfeiler mit Bordeaux verbunden. Dabei ist die
wurden als Fachwerkkonstruktionen aus- Dordogne auf einer Brücke zu überqueren.
geführt) wurde im August 1882 errichtet. Ursprünglich erfolgte dies auf einer aus
Die vormontierten Fachwerkträger der dem Jahr 1837 stammenden Hängebrücke
Überbauten wurden von beiden Seiten von über mehrere Felder, die Ende des 19. Jahr-
den Widerlagern aus eingeschoben. Der hunderts durch eine neue Brücke ersetzt
Beginn der Bogenmontage war im Juni werden musste. Mit ihren Pfeilern aus
1883. Der Bogen wurde in zwei Teilen im Gusseisen, der Länge des Bauwerks und der
zurückgehängten Freivorbau hergestellt. großen Höhe über dem Wasser gehörte die
Die Rückhängeseile liefen über die Köpfe Hängebrücke zu den großartigsten Brücken
der über den Kämpfern befindlichen Pfeiler ihrer Zeit [Stiglat, 1997]. Im Vergleich zu
zu den Widerlagern und wurden dort ver- Mauerwerkspfeilern haben die gusseiser-
ankert. Der Scheitelschluss erfolgte im nen Pfeiler bedeutend geringere Eigenlas-
April 1884. Nachdem der Bogen, dessen ten, was besonders auch bei den Grün-
Spannweite 165 m beträgt, hergestellt war, dungsarbeiten zu Kostenersparnissen ge-
wurden die beiden Fachwerkträger des führt hatte. Ch. de Sansac, Ingenieur bei
Überbaus miteinander und mit dem sichel- Ponts et Chaussées, entwarf zunächst den
artigen Fachwerk-Zweigelenkbogen im Umbau der Hängebrücke. Um Kosten zu
Scheitel kraftschlüssig verbunden. Nach sparen und die Bauarbeiten zu beschleuni-
der Fertigstellung der Eisenbahnstrecke gen, wollte er die gusseisernen Pfeiler der
1888 erfolgten Belastungsversuche der Brü- alten Brücke unbedingt erhalten [Bonet,
cke. Unter der Belastung durch 22 Waggons 2003]. 1897 erhielt dann Eiffel den Auftrag
mit je 15 t Gewicht und einer 75 t wiegen- für den Umbau der Brücke, also die Aus-
den Lokomotive als ruhende Last hatte der führung des neuen Überbaus. Der Überbau
Bogen nur eine vertikale Verschiebung von mit acht Feldern wurde als geschlossenes
6 mm. Bei der dynamischen Belastung bei Stahlfachwerk ausgeführt. Nach der Mon-
Überfahren der Brücke mit Geschwindig- tage der jeweils drei vom Widerlager aus
keiten bis 55 km/h betrug die vertikale Ver- gesehen ersten Felder wurden die beiden
schiebung des Bogenscheitels etwa 4 mm Mittelöffnungen, die je etwa 73 m Spann-
[Stiglat, 1997]. weite haben, ohne Montagegerüst von bei-
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 49

Bild 1.4-17   Straßenbrü-
cke bei Cubzac über die
Dordogne (Foto: Dr.-Ing.
Klaus Stiglat)

den Seiten zum mittleren Pfeiler im Frei- spruchten Diagonalen außen beidseitig der
vorbau hergestellt. Nach der erfolgten mit Bindeblechen verbundenen auf Druck
Montage jeweils eines Vorbauabschnitts beanspruchten Diagonalen angeordnet
wurde der nächste montiert, wobei beim (Bild 1.4-18). Eiffel nahm für sich in An-
Anschluss des nun montierten Teils jeweils spruch, die Freivorbauweise in Frankreich
die berechneten und tatsächlich eingetrete- eingeführt zu haben. Die Verbindung der
nen Durchbiegungen kontrolliert und so von der abgebrochenen Hängebrücke aus
gesteuert wurden, dass nach der Fertigstel- dem Jahr 1837 verbliebenen gusseisernen
lung des kompletten Überbaus der Brücke Stützen mit dem aus dem Jahr 1897 stam-
dieser sich in der vorgegebenen Solllage be- menden Fachwerk-Überbau wirkt wider-
fand. Die vorhandenen gusseisernen Pfeiler sprüchlich. Eiffel empfand die durchbro-
wurden beim Umbau durch Kreuzverbän- chenen Gusseisenstützen von ganz und gar
de ausgesteift (Bild 1.4-17). Bei dem ge- eigentümlichem Aussehen.
schlossenem Fachwerk des Überbaus sind Die Talbrücke über die Wupper bei
die zweiteilig ausgebildeten auf Zug bean- Müngsten im Bergischen Land wurde im
Zuge des damaligen Neubaus der zweiglei-
sigen Eisenbahnstrecke Remscheid-Solin-
gen von der Königlichen Eisenbahndirekti-
on Elberfeld in Zusammenarbeit mit der
Preußischen Eisenbahn-Verwaltung ab
1889 geplant [Berg, 1997]. Für die Brücke
wurden drei Varianten in Erwägung gezo-
gen, eine Gerüst-(Fachwerkbalken), eine
Ausleger- und eine Bogenbrücke. Vier grö-
ßere deutsche Brückenbau-Firmen wurden
1891 von der König­lichen Eisenbahndirek-
tion Elberfeld gebeten, Entwürfe auszuar-
beiten und Kosten­angebote abzugeben. Die
Unternehmen durften dabei frei aus den
vorgenannten Varianten wählen. Für die
Gerüst- und die Auslegerbrücke gab es Vor-
Bild 1.4-18   Geschlossenes Fachwerk der Stra- gaben, von denen nur in geringem Maße
ßenbrücke bei Cubzac über die Dordogne (Foto: abgewichen werden durfte. Für die Entwür-
Dr.-Ing. Klaus Stiglat) fe der Bogen­brücke gab es kaum Vorgaben.
50 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Sie musste aber ausdrücklich ohne Scheitel-


gelenk ausgeführt werden, die Wahl der
Anordnung von Kämpfergelenken oder der
Verzicht auf solche war freigestellt. Alle An-
gebote sollten ausschließlich die eisernen
Überbauten beinhalten, nicht das Pfeiler-
mauerwerk und die Erdarbeiten. Vorzule-
gen waren eine statische Berechnung, eine
Entwurfszeichnung, ein Erläuterungsbe-
richt und die Kosten­ermittlung.
Drei der vier aufgeforderten Firmen ga-
ben Angebote ab. Das kostengünstigste An-
gebot wurde von der Maschinenbau-Ac-
tien-Gesellschaft Nürnberg mit einer unter
Leitung von Anton Rieppel entworfenen
filigranen Parabel-Fachwerkbogenbrücke
ohne Gelenke sowohl im Scheitel als auch
an den Kämpfern mit 170 m Bogenspann-
weite und einem Bogenstich von 71 m (es
wurde bei der Ausarbeitung des Angebots
vergleichsweise aber auch eine Variante mit
Kämpfergelenken untersucht) abgegeben.
Beim Ausführungsentwurf wurden Über-
legungen von Regierungsbaumeister
Carstanjen, Königliche Eisenbahndirektion
Elberfeld, berücksichtigt [Berg, 1997].
Bild 1.4-19   Müngstener Brücke, Schnitte (Bild nach [Grüning, 1929])

Carstanjen wurde gemeinsam mit Regie-


rungsbaumeister Rohlfs auch die Überwa-
chung der Bauarbeiten übertragen.
Auf dem Bogen ist ein parallelgurtiger
Fachwerkbalken auf Fachwerk-Pendel­
stützen aufgeständert, an den sich Fach-
werk-Parallelträger anschließen (auf der
Seite nach Remscheid: zwei Felder mit je
45 m Stützweite und ein über 30 m ge-
spanntes Randfeld; auf der Solinger Seite:
ein Feld mit 45 m und anschließenden zwei
Feldern mit je 30 m Stützweite; Anmerkung:
die Angaben beziehen sich als Feldlängen
zwischen den Stützen, s. Bild 1.4-19. Die
zweigleisige Eisenbahnbrücke ist damit ins-
gesamt 465 m lang. Zwischen den Gelän­
dern ist sie 8,5 m breit. Die Schienenober-
kante liegt 107 m über dem Wasserspiegel
der Wupper. Die vertikalen Gurtmittelab-
stände des Bogens betragen am Scheitel 4 m
und am Kämpfer etwa 12,2 m. Die Bogen-
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 51

breite beträgt am Scheitel 5 m und an den Main in den Rhein mündet) bei gleichzei-
Kämpfern etwa 25,7 m; die Neigung der Sei- tiger Gründung der Süddeutschen Brücken-
ten außen beträgt 1:7. Alle Ständer des bau A.-G., München. Die Süddeutsche Brü-
Fachwerkbogens sind durch Querriegel und ckenbau A.-G. wurde 1884 aufgelöst, und
Andreaskreuze (Fachwerk-Querscheiben) die Werkstätten wurden als Brückenbau-
verbunden, der Windverband des Bogens Anstalt Gustavsburg dem Stammwerk der
ist im Untergurt angeordnet [Mehrtens, Maschinenbau-Gesellschaft Nürnberg als
1900], weil der Untergurt breiter und damit Zweigwerk angegliedert. Später vereinigten
steifer ist als der Obergurt. Die Vorteile des sich die Vereinigte Maschinenfabrik Augs-
felsigen Baugrunds konnten durch die Kon- burg und die Maschinenbau-Gesellschaft
struktion des eingespannten Fachwerk­ Nürnberg zur Maschinenfabrik Augsburg-
bogens ausgenutzt werden. Der angebotene, Nürnberg AG (M.A.N.).
an den Kämpfern eingespannte Bogen ist Die die Fachwerkträger der seitlichen
damit konstruktiv völlig anders als der bei Felder stützenden vierstieligen räumlichen
der neun Jahre zuvor fertiggestellten Gara- Fachwerkstützen einschließlich der beiden
bit-Brücke mit dem sichelförmigen Bogen ebenfalls vierstieligen räumlichen Fach-
(165 m Bogenspannweite, Bogenstich 52 m, werkstützen über den Widerlagern des Bo-
Gurtmittelabstände des Bogens sowohl am gens wurden zuerst montiert. Alle diese
Scheitel als auch am Kämpfer: 4 m) entwor- Fachwerkstützen sind in Brückenlängsrich-
fen worden, was sich vor allem für die Mon- tung 15 m breit. In Querrichtung sind die
tage, die kein Montagegerüst erforderte, Stützen wie der Bogen 1:7 gegen die Lot-
vorteilhaft ist. Alle Lager der seitlichen rechte geneigt und haben oben einen Quer-
räumlichen Fachwerkstützen und des Bo- abstand von 5 m. Auf die Fachwerkträger
gens sind im Mauerwerk der Gründung wurden Drehkrane mit einer Ausladung
verankert, wobei die Verankerungen vorge- von 10 m aufgebracht, von denen gleichzei-
spannt sind. Die Maschinenbau-Actien- tig der Bogen im freien Vorbau, die über
Gesellschaft Nürnberg erhielt den Auftrag, dem Bogen befindlichen Fachwerkstützen
die Brücke nach ihrem Vorschlag zu bauen, als Pendelscheiben und die Fachwerkträger
wobei der Auftrag um die Erd- und Grün- über dem Bogen montiert wurden. Die Ein-
dungsarbeiten sowie die Herstellung des spannung des Bogens an den Kämpfern
Mauerwerks erweitert wurde, damit der hatte, wie bereits erwähnt, den Vorteil, dass
Bau der Brücke in einer Hand lag. die Montage des Bogens ohne Gerüst erfol-
1894 wurde mit dem Bau begonnen. Die gen konnte. Außerdem weisen bekanntlich
Eisenbauarbeiten, verwendet wurde Fluss- eingespannte Bogen im Vergleich zu Zwei-
eisen, und die Vormontage wurden in der oder Dreigelenkbogen eine günstigere Ma-
Brückenbau-Anstalt Gustavsburg der Ma- terialverteilung auf, die größeren Eisen-
schinenbau-Actien-Gesellschaft Nürnberg querschnitte sind an den Kämpfern erfor-
ausgeführt. Die Brückenbau-Anstalt Gus­ derlich und zum Scheitel verringern sich
tavsburg wurde 1860 anlässlich des Baus der die Querschnitte und damit die Mengen
Eisenbahnbrücke über den Rhein in Mainz des Flusseisens. Der Bogen wurde, wie der
als Zweigwerk der Maschinenfabrik und Bogen der 1888 fertiggestellten Garabit-
Eisen­gießerei Klett & Comp., Nürnberg, Brücke, mit Rückverhängung im freien
eingerichtet und danach beibehalten [Berg, Vorbau hergestellt. Während der Montage
1997]. Die Firma Klett & Comp. firmierte waren vorübergehend Gelenke an den
ab 1873 als Maschinenbau-Actien-Gesell- Kämpfern vorhanden, wodurch Verfor-
schaft Nürnberg mit den Werkstätten in mungs- und Neigungskorrekturen im Bau-
Gustavsburg (an der Mainspitze an der der zustand ermöglicht wurden.
52 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-20   Müngstener Brücke

Die mehrfeldrigen Fachwerkträger seit- lung, damals Kaiser-Wilhelm-Brücke ge-


lich des Bogens und über dem Bogen (hier nannt, der am weitesten gespannte Bogen
zur Bogenmitte nach 30 m und 15 m durch Europas. Nach einer Probebelastung mit
Fachwerk-Pendelstützen unterstützt) lau- zwei Zügen mit je drei Lokomotiven und
fen über die gesamte Brückenlänge durch. 18 mit Kies beladenen Wagen wurde der
Ihre Gurtabstände betragen vertikal 6 m Betrieb über die Brücke im Juli 1897
und horizontal 5 m unten bzw. 7,5 m oben. eröffnet.
Der Horizontalverband zur Aufnahme der Kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs
Wind- und Bremslasten ist durchlaufend in hat die Brücke ein Bombardement ohne
der Obergurtebene angeordnet und teilwei- großen Schaden überstanden. Vor den an-
se ist ein Windverband auch in der Unter- rückenden Truppen der Alliierten sollte sie
gurtebene des durchlaufenden Fachwerk- von deutschen Soldaten gesprengt werden,
trägers vorhanden. Die Aufnahme der ho- was durch Verzögerungstaktik von Offizie-
rizontalen Kräfte erfolgt in den beiden we- ren und Soldaten des Sprengkommandos
gen ihrer geringeren Höhe steiferen äuße- glücklicherweise verhindert wurde. Die
ren Stützen. In den Querebenen sind hier Brücke ist noch heute für den regionalen
Querrahmen zur Überleitung der horizon- Bahnverkehr in Betrieb. 1997 wurde ihr
talen Auflagerkräfte in die Lager angeord- 100-jähriges Bestehen gefeiert, und von der
net. Außerdem werden die Horizontalkräf- Deutschen Post wurde zu diesem Anlass
te auch über den Bogen in die Widerlager eine Sonder-Briefmarke mit dem Bild der
abgeleitet. Brücke im Wert von 100 Pfennigen heraus-
Die Netzteilungen der Fachwerke des gegeben. Seit dem Frühjahr 2006 befindet
Bogens und der durchlaufenden Fachwerk- sich am Solinger Ufer der Wupper als Aus-
träger wurden gleich gestaltet, was kon- flugsziel ein Brückenpark unterhalb der
struktiv vorteilhaft ist und sich zugleich Brücke. Eine Attraktion ist dort die Schwe-
auch ästhetisch gut auswirkt (Bild 1.4-20). befähre, eine auf Seilen schwebende Draisi-
Der Bogenschluss und die Fertigstellung ne, mit der man über die Wupper schweben
des über dem Bogen durchlaufenden Fach- kann.
werkträgers erfolgten im März 1897. Der Für die Wutachtal-Bahn, die im Süd-
Bogen war zum Zeitpunkt der Fertigstel- schwarzwald/Hegau um den Schweizer
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 53

Bild 1.4-21   Biesenbach-Viadukt (Foto: Dr.-Ing. Klaus Stiglat)

Bild 1.4-22   Auflagerung zweier benachbarter Fischbauchträger des Biesenbach-Viadukts auf einer


Fachwerkstütze (Bild nach Foto von Dr.-Ing. Klaus Stiglat)

Kanton Schaffhausen herumführt, mussten Französischen Krieg 1870/71 aus militär-


für den Bau des Mittelabschnitts zwischen strategischen Gründen gebaut wurde, wur-
Weizen und Zollhaus-Blumberg vier Brü- de sie für den Transport eines 140 t schweren
cken gebaut werden, die alle 1888 bis 1890 Geschützrohrs ausgelegt. Ihre Bedeutung
als Eisenkonstruktionen, montiert auf als strategische Umgehungsbahn der
Hilfsgerüsten, ausgeführt wurden. Zu ih- Schweiz und auch für den öffentlichen Per-
nen gehört der in der Nähe von Epfenhofen sonen- und Güterverkehr war gering. Im
befindliche mit einem Radius von 350 m zweiten Weltkrieg blieben die Brücken un-
horizontal gekrümmte Biesenbach-Viadukt versehrt. Da die Eisenbahnstrecke nach
[Stiglat, 1997]. Der Viadukt (Bild 1.4-21) dem Krieg praktisch nicht genutzt wurde,
besteht aus sieben Einfeld-Fischbauchträ- wurde sie auch nicht ausreichend unterhal-
gern auf Fachwerkstützen. Fünf Felder ha- ten und von 1955 an von der Deutschen
ben Spannweiten von 37,5 m, die beiden Bundesbahn schrittweise stillgelegt. Die
anderen Felder 30 m. Auf den Fachwerk- NATO verhinderte aber aus militärischen
stützen sind jeweils ein festes und ein be- Gründen den endgültigen Gleisabbau, re-
wegliches Lager angeordnet (Bild 1.4-22). novierte die Bahnstrecke und unterhielt sie
Da die Wutachtalbahn nach dem Deutsch- bis 1976, wonach sie endgültig stillgelegt
54 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-23   System der


Firth of Forth Brücke bei
Queensferry

wurde. Seit 1977 ist der Mittelteil der Stre- über drei Felder errichteten Brücke über
cke als Museumsbahn betriebsbereit und den St. Lorenz-Strom in Quebec/Kanada
diesem Umstand ist es zu verdanken, dass mit der Spannweite des mittleren Felds von
die Brücken uns als Zeugen der technischen 549 m übertroffen wurde. Allerdings gelang
Entwicklung insbesondere des Eisenbaus bei dieser Brücke erst der dritte Versuch ih-
von Ende des 19. Jahrhunderts erhalten res Baus. Bereits 1907 beim ersten Versuch
sind. des Baus der Brücke knickten beim Bau
Eine der weltweit bekanntesten Brücken Untergurtstäbe aus und führten zum Total­
überhaupt ist die Eisenbahnbrücke über einsturz einer Brückenhälfte [Scheer, 2000].
den Firth of Forth bei Queensferry in Nach der Verbesserung des konstruktiven
Schottland. Die Brücke wurde von John Entwurfs und dem zweiten Bau der Brücke
Fowler und Benjamin Baker als Fachwerk- stürzte der Einhängeträger beim Einheben
Gerberträger über vier Felder mit den in den Fluss. Erst danach konnte die Brücke
größten Spannweiten der Mittelfelder von 1917 fertiggestellt werden.
etwa 521 m entworfen und von 1883 bis Zu den landschaftlich schönsten Punk-
1890 gebaut. Das System der Brücke ist im ten Dresdens zählt der scharfe Bogen der
Bild 1.4-23 dargestellt. Die gewaltigen Aus- Elbe mit der anmutigen Geländeform des
legerträger wurden beim Bau jeweils von Elbhangs bei Loschwitz. Auf der linken Elb-
den 44 m und 79 m breiten Stahlfachwerk- seite liegt Blasewitz und auf der rechten
Pfeilern aus nach beiden Seiten vorgebaut. Loschwitz, die bis 1893 nur mit Fährbetrieb
Nach der Fertigstellung der Auslegerträger verbunden waren. Seit 1874 bemühten sich
wurden in den Mittelöffnungen an deren Bürger und die damals noch selbstständi-
Kragarmenden Einhängeträger aufgelegt, gen Gemeinden Loschwitz und Blasewitz
die mit Schiffen angeliefert und vom Was- mit Eingaben an das Königlich Sächsische
ser aus montiert wurden. Über die über Finanzministerium um Genehmigung ­zum
107 m gespannten Einhängeträger werden Bau einer Brücke über die Elbe zwischen
die Auslegeträger miteinander verbunden. Loschwitz und Blasewitz [Helas et al.,
Die Gurte der mächtigen Auslegerträger 1995].
wurden aus Blechen zu rohrförmigen Fach- Claus Koepcke, von 1869 bis 1872
werkstäben als genietete Konstruktion zu- Professor für Eisenbahn-, Wasser- und
sammengesetzt. Die äußeren scheiben­ Brückenbau und Vorstand der Ingenieur-
artigen Fachwerkwände sind zur Erhöhung abteilung am Polytechnikum in Dresden,
der Stabilität zu den Auflagern hin nach war zu dieser Zeit Technischer Referent am
außen gespreizt. Nach ihrer Fertigstellung Königlich Sächsischen Finanzministerium.
war die Firth of Forth Brücke lange Zeit mit Ihm war das gesamte Eisenbahnwesen un-
521,24 m Spannweite die am weitesten ge- terstellt. Schon 1861, im Alter von 30 Jah-
spannte Brücke bis sie 1917 mit dem Bau ren, damals war er mit dem Bau des Hafens
der ebenfalls als Fachwerk-Gerberträger und der Hafenbahn in Geestemünde be-
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 55

schäftigt, veröffentlichte Koepcke seine der Finanzierung zu beteiligen und zu haf-


umfangreichen Untersuchungen zum Bau ten haben. Gleichzeitig legt die Kommis­
von Ketten-Hängebrücken und wirft die sion einen Vorschlag für die zu erhebenden
Frage auf, durch welche Mittel das Schwin- Brückenzölle zur Finanzierung des Baus
gungsverhalten der Hängebrücken mini- der Brücke vor. Im Juli 1885 wird von der
miert werden kann. Er kommt zu dem Königlichen Wasserbaudirektion eine ver-
Schluss, dass dies am besten durch die von steifte Hängebrücke entworfen, und im
ihm so genannte versteifte Hängebrücke Oktober gehen der Kommission erste Aus-
erfüllt wird, bei der die hängenden Ketten arbeitungen der Wasserbaudirektion zu,
als Gurte von Fachwerken mit dem Fahr- die eine so genannte versteifte Hängebrü-
bahnbalken zu verbinden sind, wodurch cke für den Bau vorsieht. Im August 1886
steife fachwerkartige Scheiben entstehen, verordnete das Finanzministerium, dass
deren große Konstruktionshöhe die Ände- die Wasserbaudirektion die weitere Bear-
rungen der Durchbiegungen unter un­ beitung des Brückenentwurfs übernimmt.
symmetrischer und beweglicher Belastung Trotzdem beauftragte die Kommission im
so begrenzen, wie sie bei einem entspre- September 1886 die Firma Felten & Guille-
chend hohen Balkenträger auftreten wür- aume mit der Ausarbeitung eines zusätzli-
den. Koepcke beschäftigten dabei auch chen Entwurfs. Die Königliche Wasserbau-
besonders die Auswirkungen der Tempera- direktion legte für den Bau der Brücke u. a.
turänderungen der Konstruktion. Aus fest, dass die Brücke mindestens eine lichte
rechnerisch untermauerten Überlegungen Weite von 135 m der Stromöffnung und
schloss er, dass ebenso wie bei den gelenk- beidseitig mindestens 55 m breite Flutöff-
losen Massiv-Bogenbrücken Gelenke im nungen haben muss. Außerdem wurde vor-
Scheitel und an den Auflagerpunkten zur geschrieben, dass für die drei Hauptöffnun-
Vermeidung von Überbeanspruchungen gen statisch bestimmte Eisenkonstruktio-
aus Biegung zweckmäßig seien. Damit ist nen zu wählen sind. Im September wird der
sein Konzept für den Bau von Hängebrü- Brückenverband gegründet. Der von der
cken entwickelt. Firma Felten & Guilleaume eingereichte
1883 richteten nacheinander der Orts- Entwurf erfüllte mit einer Ausnahme, die
verein und der Gemeinderat Loschwitz an Brücke war statisch unbestimmt, alle von
das Königlich Sächsische Finanzministeri- der Wasserbaudirektion für den Bau der
um wiederum Petitionen für den Bau der Brücke festgelegten Bedingungen. Die
gewünschten Brücke über die Elbe und Kommission machte sich aber keine Illu­
legten diesmal ausgearbeitete Brückenent- sionen, dass dieser Entwurf, der den Bau
würfe bei, den Entwurf von der Königin- einer leichten und eleganten Drahtseilbrü-
Marien-Hütte aus Cainsdorf bei Zwickau cke vorsah und zudem billiger war als
mit einer Parabelträgerbrücke über sechs die konkurrierenden Entwürfe, bei dem
Felder mit einem Pfeiler in Flussmitte so- im Ministerium Verantwortlichen Claus
wie den Entwurf des Zivilingenieurs Kitzler Koepcke Chancen auf Verwirklichung ha-
mit einer Hängebrücke. Eine Staatsbeihilfe ben würde. Der Entwurf der Firma Felten
für den Brückenbau wird darauf 1884 in & Guilleaume wurde deshalb der vom Brü-
Aussicht gestellt, und im April 1885 wird ckenverband 1887 eingereichten neuen Pe-
die „Kommission zur Ausarbeitung eines tition zum Bau der Brücke nicht mit vorge-
Statutenentwurfs für den zu bildenden Brü- legt. 1890 erfolgte eine beschränkte Aus-
ckenverband“ gebildet. Die Kommission schreibung für den Bau der Brücke als ver-
legt die Aufteilung der Anteile fest, mit de- steifte Hängebrücke nach dem Entwurf
nen sich die 11 beteiligten Gemeinden an von Koepcke. Den Zuschlag zum Bau der
56 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-24   Loschwitzer
Elbebrücke in Dresden

Gelenk Pylon Pylon Gelenk


Scheitel-Mittelgelenk

61,8 m 146,7 m 61,8 m Bild 1.4-25   System der


Widerlager
Ankerkammer Rollenlager Widerlager Loschwitzer Elbebrücke
Ankerkammer (Bild nach [Raboldt, 1970])

Brücke erhielt die Königin-Marien-Hütte sich Bolzengelenke wegen der Reibungs-


Cainsdorf, nachdem sie einen deutlichen kräfte als unwirksam erwiesen hatten. Ab-
Preisnachlass auf ihr Angebot eingeräumt weichend von früheren Entwürfen legte
hatte. Nun konnte der Bau im April 1891 Koepcke das Mittelgelenk in die Höhe der
beginnen. Fahrbahn anstatt in den Obergurt. Dadurch
Die Loschwitz-Blasewitzer Elbebrücke, vergrößerte er nicht nur die Pfeilhöhe,
Bild 1.4-24, von der Dresdner Bevölkerung ­sondern erreichte vor allem eine torsions-
das Blaue Wunder genannt, hat Spannwei- arme Übertragung von Horizontalkräften
ten von 61,8–146,7–61,8 m [Raboldt, 1970]. zwischen den beiden Brückenhälften. Ein
Koepcke bezeichnete das System der Brücke zusätzlich angeordneter Versteifungsgurt
als eine versteifte Hängebrücke. Die Brücke nimmt die im Mittelbereich der Brücke
erscheint dem Laien zwar wie eine Hänge- ­auftretenden Biegebeanspruchungen auf.
brücke, das Mittelfeld ist aber tatsächlich ein Koepcke beabsichtigte durch die Kon-
äußerlich statisch bestimmter, zugbean- struktion der von ihm so genannten ver-
spruchter Dreigelenkbogen mit unten lie- steiften Hängebrücke die Schwingungen
gendem Scheitel-Mittelgelenk dessen Hori- der Brücke zu begrenzen. Anstatt mit den
zontalkräfte an den Pylonspitzen über die üblichen Hängern verband Koepcke den
Seitenfelder in die Widerlager geleitet wer- kräftigen Obergurt der Brücke mit dem
den (Bild 4.1-25). In den beiden Widerla- Unter- und Lastgurt durch eine rautenför-
gern untergebrachte Hebelwerke mit Ballast mige Ausfachung, so dass steife fachwerkar-
aus schwerem Schlackenbeton nehmen die tige Scheiben mit einem Mittelgurt zur
horizontale Auflagerkraft auf. Die Gelenke Aussteifung der Diagonalknoten entstan-
wurden als Federgelenke ausgebildet, weil den. Durch die Anordnung der Gelenke
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 57

wurde das System aber weich und damit O-Busse und Straßenbahnen in Schritt­
resonanzgefährdet. Um diese Wirkung zum geschwindigkeit für Fahrzeuge über 3 t
Teil auszugleichen, ordnete Koepcke soge- ­gesperrt, seit 1985 auch für den Straßen-
nannte Brückenbremsen am Mittelgelenk bahnverkehr. Danach wurden Instand­
der Brücke und an den Pfeilern jeweils zwi- setzungsarbeiten vorgenommen, u. a. wur-
schen den Untergurten der Seitenfelder den die Federgelenke in Brückenmitte
und des Mittelfelds an. Die Brückenbrem- durch den Einbau von Spanngliedern ver-
sen bestehen jeweils aus sich fingerartig stärkt. Die Brücke ist unter den ausge­
übergreifenden Stahlplatten, die von den wiesenen Nutzungseinschränkungen ver-
beiden Gurten ausgehend die Lücke am Ge- kehrstüchtig, wenn auch dem heutigen
lenkpunkt überbrücken, und aus neun Verkehrsaufkommen kaum gewachsen.
Schrauben mit Durchmessern von 35 mm, Wer sie im Berufsverkehr mit dem Auto
die in Langlöchern angeordnet sind. Durch benutzt braucht Geduld. Busse, Lastwagen
die Vorspannung dieser Schrauben wird und Autos stehen mehr als sie fahren und
zwischen den Platten Reibung erzeugt. Die das bereits bei der Anfahrt schon weit vor
Reibungskräfte verstärken die Dämpfung der Brücke.
der Brücke, sind aber zu gering, um bei Im Vergleich zu der Schönheit eleganter
Verformungen unter Last oder bei Tempe- Hängebrücken wirkt die Loschwitzer Brü-
raturänderungen zu Zwängungen zu füh- cke insgesamt nicht elegant, was durch die
ren. Der schräg zu den Hauptträgern ange- ästhetisch störende Versteifung des Mittel-
ordnete Trägerrost (die Querträger der gelenks durch aufgelegte Träger verstärkt
Fahrbahntafel sind unter 45° zur Brücken- wird. Die Brücke ist aber keineswegs plump,
achse angeordnet [Beyer, 1956], dort S. 625) im Gegenteil. Die Brücke unterstreicht die
sollte verhindern, dass beide Hauptträger schöne Landschaft des Elbbogens mit den
gleiche Schwingungen ausführen, und da- Dresdner Ortsteilen Loschwitz und Blase-
mit ebenfalls zur Dämpfung beitragen; witz. Von ausreichender Ferne wirken ihre
gleichzeitig dienen sie als unterer Windver- Linien klar, von der Nähe wie ein Gewirr
band. Nach Koepckes Aussagen verhinder- von Streben. Am schönsten wirkt sie, wenn
ten die angeführten Maßnahmen Resonanz­ man mit dem Elbdampfer vom Elbsand-
erscheinungen bei im Gleichschritt mar- steingebirge nach Dresden fährt. Man spürt
schierenden Kolonnen. Der heutige schwe- bei ihrem Anblick und dem der nördlichen
re Verkehr verursachte aber störende Elbhänge und südlich gelegenen Elbwiesen,
Schwingungen der Brücke. dass man das Elbsandsteingebirge, Pirna
1930 bis 1934 wurde die Brücke unter und Pillnitz hinter sich gelassen hat und in
der Leitung von Regierungsbaurat Dr. Kirs- Dresden angekommen ist. Die Brücke ist
ten und Professor Kurt Beyer verbreitert damit ein das Stadtbild prägendes Wahrzei-
und verstärkt. Koepcke hatte bereits beim chen Dresdens.
Bau der Brücke vorgesehen, dass die Brücke Die Spree hatte für die Gründung Berlins
verbreitert werden kann, sodass die Verle- und die frühere wirtschaftliche Entwick-
gung der Gehwege nach außen sehr einfach lung eine herausragende Bedeutung. Der
möglich war. Fluss in der Innenstadt, ehemals Verkehrs-
Im zweiten Weltkrieg durchschlugen weg, Warenumschlagplatz und Antrieb für
drei Bomben die Brückenfahrbahn und Mühlen hat diese Bedeutung heute verlo-
hinterließen erhebliche Zerstörungen. Die ren. Hauptsächlich Touristen- und Aus-
Brücke war Ende des 2. Weltkriegs für flugsboote zur Betrachtung der historischen
­Brückensprengungen vorbereitet. Diese und modernen Sehenswürdigkeiten Berlins
wurden glücklicherweise verhindert. Ab unter anderer Perspektive vom Wasser aus
1956 war die Brücke mit Ausnahme der­ nutzen heute die Spree. Insbesondere beim
58 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-26   Jungfern­
brücke über den Kupfer-
graben in Berlin

Umfahren der Spreeinsel auf der Spree und Bogen aus Sandstein und dem beweglichen
vor allem durch den Spree- und den daran Durchlass in der Mitte wurde ursprünglich
anschließenden Kupfergrabenkanal unter 1798 als Zug-Klappbrücke nach hollän-
der Gertraudenbrücke und der Jungfern- dischen Vorbildern gebaut, und sie wurde
brücke (Bild 1.4-26) hindurch mit der fol- Ende des 20. Jahrhunderts wieder instand-
genden Durchfahrt unter der Schlossbrücke gesetzt. Der mittlere Durchlass hat beweg-
(Bild 1.4-4), vorbei am Schlossplatz und liche Klappen, die ursprünglich aus Holz
Lustgarten mit dem Blick nach rechts auf bestanden, heute aber aus Stahlträgern mit
den Dom und links dem Zeughaus sowie Bohlenbelägen bestehen. Sie konnten mit
schließlich mit der Museumsinsel mit den Rollen, eisernen Ketten und Gegengewich-
auch von außen eindrucksvollen Museen ten bewegt werden. Die Jungfernbrücke ist
am nördlichen Ende wird deutlich, dass die als historisches Beispiel solcher Brücken er-
Spree als Fluss in der Innenstadt die Stadt halten, die es früher Lastkähnen mit Segeln
Berlin und ihr Stadtbild ganz besonders ge- ermöglichte durch die städtischen Wasser-
prägt hat. Die Jungfernbrücke mit zwei straßen zu fahren.

Bild 1.4-27   Weiden­
dammer Brücke in Berlin
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 59

Die Überquerung der Spree in der Fried- rhythmische Zunahme der Spannweiten
richstraße in Berlin erfolgt über die Weiden- zur Flussmitte und die vorgesetzten Pfeiler
dammer Brücke, Bild 1.4-27. Die Brücke als aus rotem Sandstein wirkt die Brücke sehr
Durchlaufträger mit veränderlicher Träger- harmonisch (Bild 1.4-28).
höhe über drei Felder mit Spannweiten von Zur Verbindung von Wiesbaden und
16,3 m – 38,5 m – 15,5 m wurde zunächst Mainz wurde 1961/62 die insgesamt 1180 m
von 1895 bis 1897 gebaut, mit dem U-Bahn- lange Schiersteiner Straßenbrücke über den
bau 1914 abgebaut und 1922 mit verbreiter- Rhein gebaut. Der Rhein ist an dieser Stelle
ter Fahrbahn und veränderter Gründung durch die Rettbergsaue in zwei Arme ge-
der Flusspfeiler wieder aufgebaut. Die Brü- teilt. Die beiden Strombrücken wurden als
cke sollte repräsentativ sein, weshalb Kunst- Stahl-Vollwandträger mit zweistegigen offe-
handwerker mit der Gestaltung der schmie- nen Querschnitten mit veränderlicher Trä-
deeisernen Brückengeländer und der neo­ gerhöhe jeweils über drei Felder durchlau-
barocken Laternenmasten beauftragt wur- fend und mit orthotroper Fahrbahnplatte
den. Nach Reparaturen in den 70er-Jahren ausgeführt. Die orthotrope Platte wird
wurde die Brücke umfassend saniert. durch in Längs- und Querrichtung ange-
Zwischen Mainz und dem rechtsrheini- ordnete Fachwerkträger unterstützt. Die
schen Vorort Castell, heute als Mainz-Kas- größte Spannweite der größeren der beiden
tel zu Wiesbaden gehörig, wurde bereits Strombrücken über den rechten Arm des
1883/85 eine Stahlbrücke über den Rhein Rheins beträgt 205 m (Bild 1.4-29) und die
gebaut. Die Brücke wurde über fünf Felder der kleineren 170 m. Diese Bauweise ist für
mit Spannweiten von 87 m – 99 m – 103 m die damalige Zeit typisch für Brücken dieser
– 99 m – 87 m als Fachwerk-Zweigelenk­ Spannweiten. Die Vorlandbrücken und der
bogen, in Querrichtung mit jeweils vier pa- zwischen den Strombrücken liegende Teil
rallelen Bogen, mit aufgeständerter Fahr- des Brückenzugs sind von den Strombrü-
bahn und einer Nutzbreite von 13,8 m er- cken getrennt und als Vollwandträger mit
richtet. 1931/33 wurde sie durch je zwei Stahlverbundplatten ausgeführt worden.
weitere parallele Bogen ergänzt und erhielt Jörg Schlaich hat einige Brücken als nur
damit eine Nutzbreite von 18,8 m. Im Krieg an einem Rand aufgehängte oder gestützte
wurde sie 1945 zerstört und 1949/50 in der Kreisringträger entworfen. Entwurfsgrund-
Form von 1933 wiederaufgebaut. Durch die lage ist dabei, die Erkenntnis aus der Me-

Bild 1.4-28   Theodor-
Heuss-Brücke über den
Rhein zwischen Mainz
und Mainz-Kastel
60 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

chanik, dass der im Grundriss kreisförmig Stelle des derzeitigen Lehrter Bahnhofs der
gekrümmte Träger und auch die entspre- neue Hauptbahnhof gebaut. Die oberir-
chende Kreissegmentplatte in Längsrich- dische Ost-West-Trasse der Schnell- und
tung nur entweder am inneren oder äuße- Eisenbahn mit insgesamt sechs Gleisen
ren seitlichen Rand gestützt werden muss. führt über den Humboldthafen. Dafür wur-
Über die erste von ihm auf dieser Grundla- den 1997/99 je zwei zweigleisige und ein-
ge entworfenen Brücke, die Fußgängerbrü- gleisige horizontal gekrümmte Brücken als
cke Kehlheim über den Main-Donau-Ka- Stahlrohr-Stabbogen als vertikale Doppel-
nal, berichtet er in diesem Buch selbst, Ab- bogen und mit oberen Betonplattenbalken
schnitt 3.8.2. Bei der 1997 gebauten Fuß- ausgeführt [Schlaich/Schober, 1999-2]. Die
gängerbrücke über den Rhein-Herne-Kanal Brücken folgen der sich stetig aufweiten-
in Oberhausen (Bilder 1.4-30 und -31) er- den Gleisführung. Die Stabbogen aus dick-
folgt im Gegensatz zur Fußgängerbrücke wandigen Rohren verlaufen zwischen den
Kehlheim, die am inneren Rand aufgehängt Widerlagern und den Anschlüssen in den
ist, die Unterstützung durch einen als Betonplattenbalken in vertikalen Ebenen
Raumkurve geformten Bogen mit 77 m (s. Abschnitt 1.6.8.7). Die größte Spann-
Spannweite auf dem Einzelstützen und V- weite beträgt 60 m. Die Verbindung der
Stützen den Gehweg mittig unterstützen Stabbogen mit den Betonplattenbalken er-
[Bögle et al., 2003]. folgt optisch besonders ansprechend durch
In Berlin wurde nach Entwürfen der Ar- Einbindung der Bogen in die Betonplatten-
chitekten von Gerkan, Marg und Partner an balken, wobei das Stahlrohr aber nicht im

Bild 1.4-29   Schiersteiner Brücke über den Rhein

Bild 1.4-30   Fußgängerbrücke über den Rhein-Herne-Kanal in Oberhausen (Bild von Schlaich


Bergermann und Partner, Stuttgart)
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 61

Bild 1.4-31   Fußgängerbrücke über den Rhein-Herne-Kanal in Oberhausen, Ausschnitt (Bild von


Schlaich Bergermann und Partner, Stuttgart)

Plattenbalken durchgeführt wird, sondern nach ließ Finley sein Konstruktionssystem


nach der Kraftübertragung im Beton en- patentieren. Bis 1810 wurden nach seinem
det. Die Verbindung der oberen Betonplat- Patent 50 Ketten-Hängebrücken errichtet.
tenbalken mit den Stahlrohr-Stabbogen Die größte dieser Brücken mit 100,4 m
und die ­Kraftübertragungen erfolgen über Spannweite war die über den Schuylkill in
Aufständerungen aus vertikalen Stahl- Philadelphia.
rohren in engem Abstand. Die Rohrknoten In England entwickelte Sir Samuel
wurden zum Teil geschweißt und zum Teil Brown statt Ketten verschiedene Augenstä-
als Stahlgussknoten (Bogenköpfe, Kämp- be für die Kabel der Hängebrücken. Die
fer, Kämpfer-Diagonalverbände) ausge- Union Brücke mit 137 m Spannweite und
führt. 5,5 m Breite über den Tweed bei Berwick
aus dem Jahr 1820 ist eine der Hängebrü-
cken deren Kabel aus Augenstäben herge-
1.4.3.2 Moderne Hängebrücken stellt wurden. Sie wurde bereits 1821 durch
Windwirkung zerstört. Die Hängebrücke
Obwohl in China sehr früh (spätestens im für die Werft in Brighton, die 1823 auch von
6. Jahrhundert) einige eiserne Ketten-Hän- Sir Samuel Brown erstellt wurde, war ein
gebrücken, meistens ohne Versteifungsträ- weiteres Beispiel nach dieser Bauweise. Sie
ger, vorhanden waren und sogar große war 347 m lang, 3,8 m breit und hatte vier
Ketten-Hängebrücken, wie z. B. die Luding Öffnungen (1836 wurde sie wegen der vom
Brücke mit 103 m Spannweite über den heftigen Sturm erregten Schwingungen fa-
Dadu He in der Provinz Sichuan aus dem tal zerrissen). In der Folgezeit wurden für
Jahr 1705, bekannt sind, kann man sagen, die Kabel bei fast allen Hängebrücken in
dass mit dem Bau der Jakobs Greek Ketten- England Augenstäbe verwendet, so z. B. bei
Hängebrücke in Pennsylvania die Ära der der Brücke über die Menaistraße mit 168 m
modernen Hängebrücken begann. Sie wur- Spannweite von Thomas Telford aus dem
de 1796 von J. Finley mit 21 m Spannweite Jahr 1826, bei der Clifton Brücke über den
und 3,8 m Breite erbaut. Sieben Jahre da- Avon bei Bristol mit 214 m Spannweite von
62 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Isambard Kingdom Brunel aus dem Jahr Suspension Bridges – A Century of Pro-
1864 usw. gress der John A. Roebling’ Sons Company,
In Frankreich und der Schweiz wurden Trenton/New Jersey Bezug genommen.
überwiegend Drahtseile für die Kabel ver- Johann August Röbling wurde 1806 in
wendet. Diese Technik hatte man schon Mühlhausen in Thüringen, geboren. Nach
1816 sowohl in England als auch in Ameri- Abschluss seiner Schulbildung, zunächst
ka für kleine Hängebrücken angewendet. am Gymnasium in Mühlheim und an-
Die Brüder Séguin (Marc und Camille schließend am Privat-Pädagogium in Er-
Séguin) und Louis Joseph Vicat sind als die furt, begann der 17-Jährige Röbling das
zur Entwicklung der Drahtseilbrücken in Studium am damaligen Königlich Poly-
Frankreich Maßgebenden zu nennen. Die technischem Institut Berlin. Er studierte
berühmteste Drahtseilbrücke in dieser Zeit Tief- und Brückenbau, Hydraulik und
war die von M. J. Joseph Chaley, einem Deichbau, Maschinenbau und Architektur.
französischen Ingenieur, hergestellte Brü- Sein Lieblingsfach war Brückenbau, das er
cke über die Saane in Fribourg in der bei Dietleyn studierte. Dietleyn machte sei-
Schweiz mit der lichten Weite von 273 m ne Studenten mit der damals neuen Brü-
aus dem Jahr 1835. Obwohl das Luftspinn- cken-Konstruktionsform der Hängebrücke
verfahren für die Montage der Kabel schon bekannt. Er erläuterte u. a. fünf kleinere
bekannt war und von Louis Joseph Vicat Hängebrücken, die gerade in England ge-
stark gefördert wurde, verwendete Chaley baut worden waren, bei denen die Fahr-
beim Grand-Pont über die Saane in Fri- bahn an Ketten aus gelenkig miteinander
bourg das herkömmliche Montageverfah- verbundenen Stäben aufgehängt war. Diet-
ren mit vorfabrizierten Paralleldrahtseilen. leyn wies darauf hin, dass zwei dieser Ket-
In Frankreich scheint damals eine Euphorie ten-Hängebrücken nach kurzer Zeit bei
für Kabelbrücken geherrscht zu haben, von Wind eingestürzt waren. Auch über die von
1830 bis 1850 sollen dort mehr als 200 Ka- Finley 1796 gebaute erste Ketten-Hänge-
belbrücken gebaut worden sein. Der Man- brücke moderner Konstruktionsform über
gel an genügender Steifigkeit verursachte den Jacobs Creek bei Greeburgh in Penn-
jedoch einige Einstürze von Brücken dieser sylvania und über die 1816 gebaute und im
Bauart, wie das Unglück der Basse-Chaîne selben Jahr bereits unter der Belastung aus
Brücke über den Fluss Maine bei Angers in Eis und Schnee eingestürzte Messingdraht-
Frankreich im Jahre 1850, wobei 226 von seil-Hängebrücke über die Wasserfälle des
487 auf der Brücke marschierende Soldaten Schuylkill in Philadelphia erfuhr Johann
ums Leben gekommen sind. Wegen solcher August Röbling schon während seines Stu-
Einstürze wuchsen in Europa Zweifel an diums von Dietleyn. Er war fasziniert von
der Sicherheit der Kabelbrücken so stark, dem neuen Konstruktionssystem für Brü-
dass danach zunächst nur wenige Brücken cken und wurde sich auch gleich früh der
dieser Bauart gebaut wurden. Gefahren bewusst, die durch mangelhafte
Eine wegweisende Bedeutung für den Entwürfe entstehen können. Er war zwar
Bau moderner Hängebrücken kommt Jo- von Hängebrücken begeistert, hatte aber
hann August Röbling zu. Deshalb wird in noch nie eine gesehen. Während seines Stu-
Würdigung seiner besonderen Verdienste diums hörte er 1824, dass in Bamberg über
auf ihn, seine Entwicklung und seinen Bei- die Regnitz gerade die erste Ketten-Hänge-
trag zum modernen Großbrückenbau be- brücke als Fußgängerbrücke in Deutsch-
sonders eingegangen. Dabei wird auf die land gebaut wird. Er fuhr nach Bamberg,
Bücher von David Bernard Steinman machte eine sorgfältige Studie über die Brü-
[Steinman, 1957] und David P. Billington cke, analysierte die Konstruktion bis zur
[Billington, 1985] sowie die Ausarbeitung Ermittlung des benötigten Materials. Er
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 63

Bild 1.4-32   Ehemalige
Kettenhängebrücke
in Bamberg (Foto: Hans
Möller, Urheberrecht:
Stadtarchiv Bamberg)

fasste alles zu einem Bericht zusammen vertraut. Diese dienten zur Verbindung von
und reichte diesen als seine Ingenieur-Ab- Wasserwegen an den Stellen, an denen die
schlussarbeit ein. Seine Begeisterung für Kanäle durch Gebirgszüge unterbrochen
den Entwurf, die Konstruktion und den waren. Gleise wurden an den Hängen des
Bau von Hängebrücken wurde er nie mehr dazwischen liegenden Bergs hinauf und hi-
los. Die Ketten-Hängebrücke wurde 1825 nunter geführt. Die auf schiefen Ebenen
fertiggestellt, bestand bis 1880 im Original- fahrenden Bergbahnen hatten beträchtli-
zustand, wurde durch einen Neubau in che Steigungen. Die Kanalkähne wurden
Bamberg (Bild 1.4-32) erneuert und dann zerlegt und auf Loren verladen, die Fracht
im Krieg zerstört. und die Reisenden in von auf dem höchsten
Das Studium schloss Johann August zu überbrückendem Punkt befindlichen
Röbling im Alter von 20 Jahren als Zivilin- Dampfmaschinen mit endlosen Hanfseilen
genieur ab, wie früher der Bauingenieur, auf einem Doppelgleis auf den Berg hoch-
heute noch so in Österreich, genannt wurde gezogen und auf der anderen Seite (ein Wa-
(engl.: Civil Engineer). Es ist schade, dass gen wurde hochgezogen, ein Wagen als
die frühere Bezeichnung nicht im ganzen Gegengewicht fuhr hinunter) bis an den
deutschen Sprachraum beibehalten wurde. nächsten Kanal wieder heruntergelassen.
Sie trifft die Berufsbezeichnung und die Dort wurden die Kanalkähne wieder zu-
Vielseitigkeit des Berufs treffender als die sammengebaut und die Fracht verladen.
heute übliche. 1831 wanderte Röbling nach Die Hanfseile scheuerten ständig durch,
Amerika aus. Er engagierte sich zunächst was häufig ohne Vorwarnung geschah.
mit dem Aufbau der Siedlung Saxonburg Wenn ein Hanfseil riss, zerschellten die
(zunächst Germania genannt) in Pennsyl- Wagen mit der Ladung. Weil die teuren
vania für die mit ihm Ausgewanderten und Hanfseile selbst dann, wenn kein Unglück
betätigte sich deshalb in der Landwirtschaft, eintrat, in kurzen Zeitabständen ersetzt
als Landwirt war Röbling aber nicht beson- werden mussten, verursachte dies laufend
ders erfolgreich. hohe Kosten. Röbling kam zur Erkenntnis,
Nach sechs Jahren kehrte er in den Inge- dass es besser sei die Hanfseile durch Draht-
nieurberuf zurück. Er wurde technischer seile zu ersetzen. Er erinnerte sich, dass in
Assistent für die Kanalisierung des Kanal- Sachsen bereits Drahtseile durch Zusam-
netzes im Staat Pennsylvania. Dabei wurde mendrehen von Drähten hergestellt wor-
er mit dem Betrieb von Seilschienenbahnen den sind. Er war entschlossen dies auch zu
64 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

tun. Diese Idee war die Geburtsstunde für gen entstanden. Er entwickelte deshalb das
den Aufbau der Drahtseil-Industrie, die auf Ideen von Henry Vicat aufbauende Ka-
den Großbrückenbau revolutionierte und bel-Luftspinnverfahren. Jeder Draht wird
auch für vielfältige andere Einsatzmöglich- dabei einzeln mit einer rollenden Vorrich-
keiten wegweisend war. Er stellte 1841 auf tung über die Pylone gezogen und in der
seinem Hof in Saxonburg sein erstes Draht- Luft in seiner erforderlichen Form aufge-
seil her und beantragte ein Patent über Ver- hängt Die aufeinander folgenden Drähte
fahren zu Anfertigung von Drahtseilen, das werden in der gleichen Länge mit dem glei-
ihm 1842 gewährt wurde. Bei der ersten chen Stich der Durchhängung aufgehängt
Versuchsvorführung auf einer der Gefäll- und erhalten damit zwangsläufig alle die
strecken des Pennsylvania Kanals wurde er gleiche Spannung. Danach wird eine be-
Opfer einer Sabotage. Jemand schnitt das stimmte Anzahl von Drähten zu einem Ka-
Drahtseil an, so dass es bei der Vorführung belstrang gebündelt und schließlich werden
riss. Nach der Ausbesserung der beschädig- die Stränge zu einem kompakten Kabel zu-
ten Stelle, tat das Drahtseil bei härtester sammengepresst. Das fertige Kabel wird
Beanspruchung lange seinen Dienst, es mit weichem ausgeglühtem Draht dicht
wurde ein voller Erfolg Röblings. Alle Seil- umwickelt (umsponnen) und außen mit
schienenbahnen wurden danach mit Draht- einem Farbanstrich versehen. Dadurch
seilen ausgerüstet. Vor allem die Gefahren wurde ein dichter Luftabschluss geschaffen
der Transporte über die Berge wurden ver- und das Eindringen von Feuchtigkeit in das
ringert, aber auch die Kosten wurden ge- Kabel verhindert. Das weiter entwickelte
senkt. Der große Bedarf an Drahtseilen, die Verfahren ist bis heute bei allen großen
auch in Bergwerken zur Förderung sowohl amerikanischen Hängebrücken angewen-
in senkrechten Schächten als auch im det worden. Gut vorbereitet, war er nun
Schrägbau, für Drahtseilbahnen und Bag- entschlossen sich um den Bau von Hänge-
ger sowie in der Schifffahrt eingesetzt wur- brücken zu bewerben. Bereits 1841, also
den, führte zum Aufbau seiner Firma zur gleichzeitig mit der Herstellung seines ers-
Herstellung von Drahtseilen, die er zu- ten Drahtseils, hat er die für die Entwick-
nächst in Saxonburg gründete und die lung des modernen Hängebrückenbaus
schnell und beständig wuchs. Sie wurde erste, grundlegende Arbeit [Roebling, 1841]
deshalb 1849 nach Trenton verlegt, und sie über den Bau von Hängebrücken veröffent-
besteht noch heute als John A. Roebling’ licht.
Sons Company Trenton, New Jersey. Er be- Im Winter 1843/44 wurde eine Kanal-
antragte ein weiteres Patent für Kabel mit brücke des Pennsylvania-Kanals über den
parallel angeordneten Drähten, das ihm Allegheny in Pittsburgh durch Eis stark be-
auch erteilt wurde. Durch die Entwicklung schädigt und sollte durch einen Neubau
des Drahtseils wuchs bei ihm die Überzeu- ersetzt werden. Johann August Röbling
gung, dass mit dem Draht die Lösung für schlug den Bau einer Kanal-Hängebrücke
den Bau von Brücken mit großen Stützwei- vor und erhielt den Auftrag, die Kanal­
ten gefunden worden war. Bei den zu dieser brücke in einer Frist von neun Monaten zu
Zeit bisher in Europa gebauten Drahtseil- bauen, was Röbling fristgerecht als Ingeni-
Hängebrücken legte man die einzelnen Ka- eur-Unternehmer erfüllte. Die Brücke hatte
bel entlang des Ufers aus, transportierte sie sieben Öffnungen mit je 49 m Stützweite.
so zur Brücke und hängte sie über die Pylo- Die beiden Drahtkabel hatten Durchmes-
ne. Röbling erkannte, dass bei dieser Her- ser von 18 cm und liefen ungestoßen girlan-
stellung die Verkrümmungen der einzelnen denförmig über die ganze Länge der Brücke
Kabel nicht so eingerichtet werden konn- durch. An ihnen wurde der Holztrog konti-
ten, dass in allen Drähten gleiche Spannun- nuierlich über Hänger aufgehängt. Zum
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 65

ersten Mal in der Geschichte des Brücken- nen verband. Die Anordnung der Kabel
baus wurden große Kabel für eine Hänge- war einzigartig. Zwei Kabel waren durch
brücke in ihrer endgültigen Lage an Ort Drahtseilaufhängungen unmittelbar mit
und Stelle hergestellt. der oberen Brückentafel verbunden, die
In den folgenden Jahren baute Röbling beiden anderen mit der unteren Brückenta-
weitere Kanalbrücken und die sehr leichte fel. Zur Versteifung und Erhöhung der
Monongahela-Brücke in Pittsburgh, bei der Windstabilität sowie zur Aufnahme eines
er zur Versteifung und Erhöhung der Wind- Teils der Belastung ordnete Röbling wieder,
stabilität erstmals zusätzliche Schrägkabel wie bei der Monongahela-Brücke, Schräg-
anordnete, die von den Köpfen der Pylone kabel an, die büschelartig (Definition nach
zu den hölzernen Versteifungsträgern lie- Feige s. Bild 5.2.1-35) von den Pylonen zu
fen. Bis 1850 hatte Johann August Röbling den beiden Fahrbahnen liefen. Die Brücke
in sechs Jahren sechs Hängebrücken, fünf wurde im März 1855 fertig gestellt. Die
Kanalbrücken und eine Straßenbrücke, die Brücke trug trotz ständig anwachsendem
Monongahela-Brücke in Pittsburgh, ge- Gewicht der Züge und Lokomotiven die
baut. Lasten von ihrer Inbetriebnahme 1855 bis
1847 wurde der Bau einer kombinierten 1897, also über 42 Jahre. Wegen des zuneh-
Eisenbahn- und Straßenbrücke über den menden Eisenbahnverkehrs, des im Ver-
Niagara etwa 3 km unterhalb der bekann- gleich zu ihrer Fertigstellung auf das Drei-
ten Wasserfälle ausgeschrieben. Johann fache angewachsenen Belastungsgewichts
August Röbling bewarb sich um den Auf- und des zusätzlichen Erfordernisses der
trag, den Zuschlag erhielt aber nicht er, Aufnahme von Straßenbahnen wurde die
sondern Charles Ellet, der aber nur bis zur Brücke 1897 abgebrochen und durch eine
Fertigstellung einer 2,30 m breiten Behelfs- breitere Konstruktion als Stahlbogenbrü-
brücke im Juli 1848 für die Arbeiter und cke ersetzt, die für größere Belastungen
den Transport von Material für die eigent- ausgelegt ist.
lichen Bauarbeiten kam. Die Behelfsbrücke 1857 erhielt Johann August Röbling den
wurde zunächst zehn Monate als Fußgän- Auftrag, in Pittsburgh eine weitere Hänge-
gerbrücke und nach einigen Verstärkungen brücke über den Allegheny zu bauen, die
einige Jahre auch für den Verkehr von leich- eine 40 Jahre alte, überdachte Brücke erset-
ten Fahrzeugen zur Überquerung des Nia- zen sollte. Beim Bau dieser Brücke wurde
gara genutzt. Für den Verkehr auf der für ihn ein Traum wahr. Sein ältester Sohn
schwankenden Brücke stand nur eine Fahr- Washington Roebling, der von 1854 bis
bahn zur Verfügung. Schließlich wurde sie 1857 am Polytechnischen Institut von
abgebrochen. Rensselaer in Troy/New York sein Ingeni-
Johann August Röbling erhielt nun 1851 eurstudium absolviert und einige Zeit in
den Auftrag zum Bau der kombinierten der Trentoner Fabrik gearbeitet hatte, kam
­Eisenbahn- und Straßenbrücke über den 1858 zu ihm nach Pittsburgh und arbeitete
Niagara. Die Niagara-Brücke wurde als mit ihm zusammen beim Bau dieser Brü-
Hängebrücke mit 247,5 m Stützweite mit cke, die 1860 fertiggestellt war.
vier Kabeln mit 25,4 cm Durchmesser aus Bereits seit 1839 war der Bau einer Brü-
schmiedeeisernem Draht als zweigeschos- cke über den Ohio von Covington nach
sige Brücke gebaut. Das Eisenbahngleis lag Cincinnati im Gespräch. Johann August
auf der oberen und die Straße auf der unte- Röbling hatte sich bereits seit 1846 damit
ren Brückenebene. Die Niagara-Brücke war beschäftigt und für die Brücke über den
die erste Hängebrücke mit voll wirksamen Ohio von Covington nach Cincinnati Pläne
5,5 m hohem Versteifungsträger, der als ausgearbeitet, die 1856 zum Auftrag die
Fachwerkträger die beiden Fahrbahnebe- Brücke zu bauen geführt hatten. Nach dem
66 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Beginn der Gründungsarbeiten für die bei- inzwischen schwereren Verkehrs 1896/1897
den Pylone wurden die Bauarbeiten zu- durch Ergänzung von zwei weiteren Kabel
nächst wegen Geldmangels eingestellt. We- mit 25,4 cm Durchmesser verstärkt werden
gen des Ausbruchs des Bürgerkriegs 1860 musste.
wurden die Arbeiten ganz gestoppt und erst Gut vorbereitet und erfahren bewarben
1863 wieder aufgenommen. Die Brücke sich Vater Johann August und Sohn Was-
über den Ohio von Covington nach Cincin- hington Roebling um den Entwurf und den
nati hat eine Spannweite von 322 m. Es war Bau der Brücke in New York über den East
bis dahin die größte Spannweite einer Brü- River zur Verbindung von Manhattan nach
cke. Die Hängekabel haben 32 cm Durch- Brooklyn. Der Bau der Brooklyn Brücke
messer und waren die Kabel mit dem größ- sollte sich zu einer tragischen Geschichte
ten Durchmesser bis dahin. Zunächst entwickeln. Bereits 1857 hatte Johann Au-
musste eine leichte Arbeitsbrücke gebaut gust Röbling in einem Brief dem New Yor-
werden. Das Ende des Drahtseils mit ker Bürgermeister die Möglichkeit der
63 mm Durchmesser als Doppelseil wurde Überbrückung des East Rivers als durch-
von den Verankerungs-Widerlagern auf führbar erklärt. 1865 arbeitete er Pläne für
der Seite von Cincinnati über den Pylon auf den Bau der Brücke aus, die er Vertretern
der Seite von Cincinnati gezogen, der Rest der Brooklyner Bürgerschaft vorlegte. Im
auf einen Kahn verladen und über den Dezember 1866 trafen Henry C. Murphy,
Ohio, auf den Grund des Flusses abgesenkt, William C. Kingsley und Alexander Mc Cue
zum gegenüber liegenden Ufer in Coving- die zielführenden Vorbereitungen dafür,
ton geschleppt. Mit einem dampfbetrie- dass die Gesetzgebende Versammlung des
benen Flaschenzug wurde das Doppelseil Staats New York im April 1867 den Be-
aus dem Wasser zum Kopf des Pylons auf schluss fasste, dass die Brooklyn Brücke
der Seite von Covington und in seinen er- gebaut werden soll. Einen Monat später
forderlichen Durchhang zwischen den bei- wurde die New Yorker Brückengesellschaft
den Pylonen nach oben gezogen und an als Körperschaft öffentlichen Rechts zur Er-
den Kabelverankerungs-Widerlagern kraft- richtung und Unterhaltung der Brücke über
schlüssig arretiert. Auf die Drahtseile wur- den East River zwischen den Städten New
den Holzquerbalken und darauf in Längs- York und Brooklyn gegründet. Mit dem
richtung Bodenbretter aufgelegt. Von dieser Entwurf und dem Bau der Brücke wurde
Arbeitsbühne konnten die weiteren Arbei- Johann August Röbling beauftragt. Sein
ten, vor allem das Spinnen der Kabel für­ Sohn Washington Roebling, der von An-
die Hängebrücke, vorgenommen werden. fang an am Entwurf der Brooklyn Brücke
Die Hängebrücke selbst erhielt wieder zur beteiligt war, fuhr daraufhin nach Europa,
Versteifung und Erhöhung der Windstabi- um sich auf den neuesten Stand des Wis-
lität Schrägkabel, die strahlenförmig von sens über verschiedene Probleme des Inge-
den Pylonen zum Versteifungsträger liefen. nieurbaus und insbesondere über Druck-
Als neues Konstruktionselement kamen je luftverfahren zur Absenkung der Caissons
zwei Paar in entgegengesetzter Richtung zur Herstellung von Fundamenten zu brin-
laufende Schrägkabel hinzu, die die Hänge- gen. Johann August Röbling bestimmte in-
kabel aussteifen. Ab 1865 bis zur Fertigstel- zwischen mit dem Vergleich verschiedener
lung der Brücke im Jahr 1867 unterstützte Linienführungen der Straßen mit ihren
Washington Roebling als Stellvertretender Rampenneigungen und der Verkehrsmög-
Chefingenieur seinen Vater bei der Fertig- lichkeiten die Lage der Brücke, stellte die
stellung des Baus der Brücke, die noch heu- Planungsunterlagen einschließlich der not-
te ihren Zweck erfüllt, allerdings wegen des wendigen Vermessungsarbeiten bis zum
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 67

September 1867 fertig und veranschlagte mussten amputiert werden. Nach zwei Wo-
die Kosten für den Bau der Brücke, die mit chen voller Schmerzen starb Johann August
486,3 m Spannweite der Haupt- und je Röbling, der geniale Ingenieur des 19. Jahr-
284,4 m der beiden Seitenöffnungen als hunderts, an den Folgen des Unfalls. Im
technisches Meisterwerk des 19. Jahrhun- August 1869 wurde der 32-jährige Wash­
derts und als Markstein in die Geschichte ington Roebling, der ja durch seine Mitar-
der Brückenbaukunst eingehen sollte. Röb- beit von Beginn an bestens mit dem Ent-
ling schlug innovativ vor, für die Hängeka- wurf, der Konstruktion und dem Bau der
bel erstmals kaltgezogenen Stahldraht an- Brücke vertraut war, zum Chefingenieur als
statt Eisendraht zu verwenden. Die Brook­ Nachfolger seines Vaters bestellt.
lyn Brücke war bahnbrechend für mehrere Für die Gründungen der neugotisch wir-
folgende Hängebrücken mit Spannweiten kenden Pylone aus Granit wurden Druck-
zwischen 400 und 600 m, wobei bei den luft-Senkkästen, damals ein neues Verfah-
nachfolgenden Brücken die erforderlichen ren für Gründungen in tiefem Wasser, ver-
Tragfähigkeiten wegen des zunehmenden wendet. Der Pylon auf der Brooklyner Seite
Verkehrs anwuchsen. Röblings Plan für den wurde in einer Tiefe von etwa 12 m, der auf
Bau der Brücke wurde vom Planungs- und der New Yorker Seite in einer Tiefe von
Vermessungsausschuss angenommen. Von etwa 24 m gegründet. Der obere Abschluss
namhaften Ingenieuren wurden aber Zwei- des zuerst ausgeführten, hölzernen, unten
fel geäußert, ob der Bau der weitgespannten offenen Senkkastens auf der Brooklyner
Brücke ausführbar sei. Zwei Kommissio- Seite war eine 4,5 m dicke aus Holzbalken
nen, eine der Beratenden Ingenieure und zusammen gesetzte Platte (beim Senkkas-
eine von Militär-Ingenieuren, befassten ten auf der New Yorker Seite war die Holz-
sich intensiv mit der Frage, besichtigten platte sogar 6,7 m dick). Die gezimmerten
u. a. die von Röbling bereits gebauten Hän- Holzwände waren oben 2,7 m dick und lie-
gebrücken über den Niagara und über den fen nach unten spitz zu einer Schneide zu,
Ohio zwischen Covington und Cincinnati. die aus einem abgerundeten und durch Ble-
Beide Kommissionen bestätigten schließ- che gepanzertem eisernen Gussstück als
lich im Mai und Juni 1869 in ihren Berich- Schuh bestand. Über den ganzen Caisson
ten die Durchführbarkeit des Baus der wurde ein fugenloses Zinkblech gelegt. Der
Brooklyn Brücke nach Röblings Plänen. Senkkasten wurde am Ufer auf Hellingen
Der Widerstand der Fachkreise war besei- gebaut und zur Gründungsstelle einge-
tigt und der Bau der Brücke über den East schwommen und abgesenkt. Die Aus-
River konnte endlich beginnen. schachtungsarbeiten im Caisson erfolgten
Aber welche Tragik sollte auf Johann in drei achtstündigen Schichten. Die Arbei-
August Röbling und seinen Sohn zukom- ter arbeiteten jeweils acht Stunden im Cais-
men. Bei abschließenden Vermessungsar- son. Die Arbeitsbedingungen im Caisson
beiten im Sommer 1869 übersah Johann waren aus heutiger Sicht unzumutbar. Bei
August Röbling, der bei der genauen Lage- Petroleumlicht mussten Morast, Treibsand
bestimmung des Pylons auf der Brooklyner und eine Unmenge Fels entfernt werden,
Seite auf den Dalben einer Fähranlegestelle zeitweise wurde sogar Dynamit zum Spren-
stand und in seine Arbeit vertieft war, ein gen von Fels eingesetzt. Die mit einem zu
einfahrendes Fährschiff. Das Schiff krachte langem Aufenthalt in komprimierter Luft
mit voller Wucht gegen den Fender, das verbundenen Gefahren (Caisson- oder
Fendergerüst drückte gegen den Pfosten Taucherkrankheit) waren damals noch un-
und Röblings Fuß wurde eingeklemmt und bekannt. Beim Absenken des Caissons für
zerquetscht. Die Zehen des rechten Fußes die Gründung des Pylons auf der Brook­
68 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

lyner Seite mit Luftüberdrücken bis 1,6 atü den Bau der Brücke erforderlichen Gebiete
traten, sieht man von vorübergehenden der Mathematik, das Verhalten von Kabel-
Wirkungen auf die Trommelfelle beim Ein- konstruktionen, das Materialverhalten und
und Ausschleusen ab, kaum Probleme bei Brückenvorschriften. Sie ließ sich von ih-
gesunden Arbeitern auf. Dies änderte sich rem Mann dessen Gedanken erläutern und
beim Senkkasten für die Gründung des Py- machte sich mit der Sprache der Ingenieure
lons auf der New Yorker Seite. Als hier der vertraut. Täglich ging sie zur Brückenbau-
Luftüberdruck über 1,7 atü anwuchs wur- stelle, um die fortlaufenden Arbeiten zu
den die Verbleibzeiten im Caisson sukzes- kontrollieren und die Anweisungen ihres
sive verringert, bis auf zwei Stunden bei Manns den Ingenieuren auf der Baustelle
Erreichen der Gründungstiefe mit 2,5 atü zu überbringen. Als kurz vor der Vollen-
Überdruck. Trotz zusätzlich getroffener dung des Baus der Brooklyn Brücke 1882
umfänglicher Vorbeugungsmaßnahmen Zweifel geäußert wurden, dass Washington
litt ein großer Teil der Arbeiter unter den Roebling wegen seines Gesundheitszu-
Folgen der Auswirkungen des Aufenthalts stands die Stelle des Chefingenieurs weiter-
in der komprimierten Luft. 110 Arbeiter hin ausfüllen könne (man beachte, dass
bedurften ärztlicher Behandlung, drei Ar- Roebling bereits seit zehn Jahren gelähmt
beiter starben. und trotzdem weiterhin als Chefingenieur
Weil er sich des Risikos der Arbeit im tätig war!), hielt Frau Emily Warren Roeb-
Druckluftkasten bewusst war und wusste, ling vor der Amerikanischen Gesellschaft
dass jeder geringfügige Fehler verhängnis- der Zivilingenieure (ASCE) ein so über­
voll werden konnte, war Washington Roeb- zeugendes Plädoyer, dass die Ablösung
ling selbst stets im Caisson, wenn es kritisch ihres Mannes als Chefingenieur verworfen
wurde. Er war mehr Stunden im Druckluft- wurde.
kasten als jeder Andere. Im Sommer 1872 Auf den ausbetonierten Caissons erho-
wurde er nahezu bewusstlos aus dem Cais- ben sich 1876 die mehr als 106 m hohen,
son gebracht, sein Tod wurde stündlich er- fertig gestellten Pylone aus Granit, die die
wartet. Er erholte sich nach einigen Tagen, Hängekabel tragen. Die Widerlager zur
brach dann aber wieder zusammen. Er Verankerung der Kabel waren ebenfalls fer-
blieb unter Schmerzen zeitlebens gelähmt, tig. Die Vorbereitungen für das Spinnen der
im Alter von 35 Jahren war er ein Opfer der Kabel liefen an. Im Prinzip erfolgte die Ka-
Caisson-Krankheit. Er war aber fest ent- belherstellung wie bei der Brücke über den
schlossen, trotzdem den Bau der Brücke als Ohio von Covington nach Cincinnati. Nur
Chefingenieur zu vollenden. Er saß zu Hau- wenige örtlich bedingte Änderungen wur-
se mit direktem Blick vom Fenster auf die den vorgenommen. Statt zwei, wie bei der
Brückenbaustelle. Weil er fürchtete, nicht Ohio-Brücke, waren bei der Brooklyn Brü-
mehr lange zu leben, schrieb, zeichnete er cke vier Kabel erforderlich. Diese hatten
fieberhaft und arbeitete bis ins Einzelne ge- auch größere Querschnitte (39,4 cm Durch-
hende Anweisungen für den Bau der Pylo- messer) als bei der Ohio-Brücke, und sie
ne, das Spinnen der Hängekabel und die waren erstmals bei einer Hängebrücke aus
Aufhängung des Stahldecks einschließlich verzinktem Stahldraht. Wie bereits zuvor
schwieriger und besonderer Montagevor- bei den Brücken über den Niagara und über
gänge aus. Er dirigierte mit einem Fernglas den Ohio wurden zusätzliche Schrägkabel
bewaffnet vom Fenster seines Hauses die angeordnet, die von den Köpfen der Pylone
Baustelle. Seine Frau, Emily Warren Roeb- büschelartig angeordnet zum Versteifungs-
ling, unterstützte ihn mit großem Einsatz. träger gespannt sind. Vor dem Beginn des
Sie studierte unter seiner Anleitung die für Spinnens der Kabel für die Hängebrücke
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 69

mussten Behelfskabel für die Montage der ner Promenade für Fußgänger, die längs in
endlosen Zugseile zum Spinnen der Kabel der Brückenmitte oberhalb der Ebenen der
und die erforderliche Arbeitsbühne von Fahrspuren angeordnet ist, ist noch heute
Ufer zu Ufer gespannt werden. Außerdem voll im Betrieb. David Bernard Steinman
wurden zwei Kabel als gegenläufig ge- erweiterte und ertüchtigte von 1944 bis
krümmte Umkehrkabel zwischen den bei- 1954 die Brücke für den heutigen Verkehr.
den Pylonen gespannt, die verhinderten, Dabei wurden der Bahnverkehr eingestellt
dass die leichten temporären Kabel und die und die Gleise für die Straßenbahnen ent-
Arbeitsbühne vom Wind emporgehoben fernt. Die Brücke (Bild 1.4-33) hat jetzt
wurden. Das Spinnen der Kabel war im Ok- sechs Fahrspuren für den Kraftfahrzeug-
tober 1878 beendet. Alle Stränge der Kabel verkehr und weiterhin die oberhalb der
wurden mit Pressen genau zylindrisch zu- Ebenen der Fahrspuren angeordnete Pro-
sammengezogen und die Kabel mit einem menade für Fußgänger.
ununterbrochenem Draht umwickelt, wo- Nachdem Wilhelm Ritter bereits 1883
bei der Wickeldraht durch eine rotierende seine Theorie zur Berechnung von Hänge-
Maschine auf Zug so vorgespannt wurde, brücken unter Berücksichtigung der Kabel­
dass die Reibung zwischen den Drähten so dehnungen [Ritter, 1883] veröffentlichte,
groß wurde, dass es unmöglich war einen stellte Joseph Melan 1888 sein auf der Lö-
Kabeldraht aus dem Bündel heraus zu zie- sung der Differentialgleichung basierendes
hen. Danach wurde der Versteifungsträger analytisches Verfahren „Theorie der eiser-
über die Hänger an die Hängekabel gehängt nen Bogenbrücken und Hängebrücken“
und danach die Schrägkabel eingebaut. Die vor [Melan, 1888]. Darin präsentiert er
Brücke wurde im Mai 1883, nachdem auch eine auf der Deformation des Tragwerks
die Brückenauffahrten fertiggestellt waren, beruhende grundlegende Berechnungs­
in Anwesenheit des Präsidenten der Verei- methode, die den Entwurf großer Hänge-
nigten Staaten Chester Arthur und vieler brücken wesentlich beeinflusst hat. Diese
Persönlichkeiten eröffnet. Die Brooklyn- Berechnungsmethode wurde erstmals von
brücke, ursprünglich mit vier Spuren für Leon Solomon Moisseiff beim Entwurf der
Pferdefuhrwerke, zwei Gleisen für die Stra- 1901 bis 1909 gebauten Manhattan-Brücke
ßenbahn (stattdessen von 1898 bis 1944: je in New York (auf Bild 1.4-33 im Hinter-
zwei Gleise für Straßenbahn und O-Busse grund), die eine Spannweite von 448 m
und zwei Spuren für Autoverkehr) und ei- Spannweite hat, angewendet und in die

Bild 1.4-33   Brooklyn
Brücke in New York
(Foto: Giesela Schmitz)
70 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Praxis eingeführt. Die Theorie wurde 1912 war Ammann Mitarbeiter im Ingeni-
­später u. a. von Stephen P. Timoshenko, eurbüro von F. C. Kunz und C. C. Schneider
Leon Solomon Moisseiff, David Bernard in Philadelphia. Hier verfasste er u. a. einen
Steinman und Kurt Klöppel/ Kuo Hao Lie Entwurf für den Wiederaufbau der Que-
verbessert und erweitert. bec-Brücke. 1912 wurde er Mitarbeiter im
Ein weiterer wichtiger Markstein für den Ingenieurbüro von Gustav Lindenthal in
Bau von Hängebrücken wurde von Othmar New York. Er wurde mit dem Entwurf­
Hermann Ammann gesetzt, weshalb auch der Hell Gate Brücke und den beim Bau
seine Entwicklung kurz gestreift wird. Hier- auftretenden technischen Fragen betraut.
bei wird auf [Stüssi, 1974] Bezug genom- Die Hell Gate Brücke ist eine Fachwerk-
men. Othmar Hermann Ammann wurde Zweigelenkbogenbrücke mit einer Spann-
am 26. März 1879 in Feuerthalen im Kanton weite von 298 m für Eisenbahnverkehr mit
Schaffhausen geboren. Als er sechs Jahre alt vier Gleisen. Zum Zeitpunkt ihres Baus
war, übersiedelte die Familie Ammann nach war sie die am weitesten gespannte Bo­
Kilchberg am Züricher See. Hier wuchs er genbrücke. Als Mitarbeiter von Gustav
auf. Er besuchte zunächst die Volksschule in ­Lindenthal war Ammann auch mit dem
Kilchberg und anschließend in Zürich die Entwurf für eine Hängebrücke über den
Industrieschule (technische Abteilung der Hudson in New York befasst. Dieser Ent-
Kantonsschule). Nach Abschluss seiner wurf in der Höhe der 57. Straße erwies sich
Schulbildung begann Ammann 1897 das als zu teuer und wurde nicht zur Ausfüh-
Studium des Bauingenieurwesens an der rung beauftragt.
Eidgenössischen Technischen Hochschule 1923 machte sich Othmar Hermann
in Zürich, das er 1902 mit dem Erwerb des Ammann selbstständig, er wollte einen ei-
Diploms abschloss. Sein wichtigster Lehrer genen Entwurf für eine Brücke über den
während seines Studiums war Wilhelm Rit- Hudson ausarbeiten. Im Dezember 1923
ter, der Baustatik und Brückenbau lehrte. übergab er dem Gouverneur von New Jer-
Nach zwei Jahren Ingenieurpraxis in einer sey George S. Silzer eine Ausarbeitung zum
Stahlbaufirma in Brugg und in einer Beton- Bedarf einer Querung des Hudson mit ei-
baufirma in Frank­furt/Main wanderte er ner Brücke im oberen Teil Manhattans.
1904 nach Amerika aus. Gouverneur Silzer leitet den Bericht nach
Othmar Hermann Ammann arbeitete Prüfung innerhalb von drei Tagen befür-
dort zunächst im Ingenieurbüro von Joseph wortend an die für New York zuständige
Mayer in New York, wo er an Entwürfen Port of New York Authority weiter. Der Be-
von mehreren stählernen Eisenbahnbrü- darf wurde von Ammann mit der zu er-
cken beteiligt war. Vor allem, um prakti­ wartenden raschen Zunahme des Verkehrs
sche Erfahrungen mit Ausführungen von mit Motorfahrzeugen begründet. Die ra-
Stahlbrücken zu gewinnen, wurde er von sche Zunahme des Verkehrs sicherte die
1905 bis 1909 Mitarbeiter der Pennsylvania solide Finanzierung. Die geplante Brücke
Steel Corporation. Hier war er zuerst Kon- im oberen Teil Manhattans in der Höhe der
strukteur und dann Assistent des Chefinge- 179. Straße und dem nördlichen Teil New
nieurs der Firma F. C. Kunz. Zu seinen Auf- Jerseys bei Fort Lee musste nach seiner
gaben zählten u. a. der Bau der Qeensboro Auffassung nicht für den Eisenbahnver-
Brücke in New York und die Unterstützung kehr, sondern sollte zunächst nur für den
seines Chefs bei der Ausarbeitung des Un- Straßenverkehr gebaut werden, weshalb­
tersuchungsberichts zur Klärung der Ursa- sie verhältnismäßig leicht und mit relativ
chen für den im Abschnitt 1.4.3.1 erwähn- geringen Kosten errichtet werden könne.
ten Einsturz der Quebec Brücke über den Die Brücke sollte zunächst sechs Fahr­
St.-Lorenz-Strom in Kanada. Von 1909 bis spuren für Fahrzeuge, auf beiden Seiten
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 71

etwa 3 m breite Gehwege haben und für tet werden, wie z. B. die Verhältnisse der
später die Möglichkeit offen lassen, dass Spannweite zum Durchhang der Kabel so-
die Anzahl der Fahrspuren auf acht erwei- wie zu den Höhen und Breiten des Verstei-
tert und in einer darunter anzuordnenden fungsträgers, die Querschnittsform des
Ebene vier Spuren für Schnellbahn- oder Versteifungsträgers (insbesondere Biege-
Kraftfahrzeugverkehr angeordnet werden steifigkeiten und Torsionssteifigkeit, Lage
können. des Drillruhepunkts, Windschlüpfigkeit),
Die ersten Aufträge für den Bau der Brü- der Horizontalverbände bei Fachwerk-Ver-
cke wurden 1927 erteilt. Die Brücke wurde steifungsträgern oder Versteifungsträgern
1931 fertig gestellt und George Washington mit offenen Querschnitten, die Höhen der
Brücke genannt. Die George Washington Eigenlasten der Kabel und des Verstei-
Brücke in New York (Bild 1.4-34) ist mit fungsträgers, das Verhältnis der auftreten-
1067 m Spannweite eine Hängebrücke mit den Windlast zur Eigenlast und die Eigen-
einem Versteifungsträger sehr geringer frequenzen der Konstruktion. Ammann
Steifigkeit. An der konstruktiven Durchbil- hatte sich vor dem Bau der George Wash­
dung und der Berechnung der Brücke war ington Brücke mit diesen Problemen sehr
Leon Solomon Moisseiff, der die bereits ge- gründlich befasst. 1960 wurde, wie von
nannte Manhattan Brücke in New York ge- Ammann vorgesehen, die untere Ebene zur
baut hatte, beratend beteiligt. Die George Ergänzung weiterer vier Spuren für Kraft-
Washington Brücke war die erste Brücke fahrzeugverkehr eingebaut, wodurch die
mit einer Spannweite über 1000 m und war Steifigkeit des Versteifungsträgers als ge-
bis zum Bau der von Joseph Baermann schlossener Fachwerkkasten deutlich er-
Strauss und Charles Alton Ellis und mit höht wurde. Immerhin hat die Brücke bis
Unterstützung durch Leon Solomon Mois- dahin fast dreißig Jahre ohne besondere
seiff entworfenen Golden Gate Brücke über Schwingungsprobleme mit dem Verstei-
die San Francisco Bucht (Bild 1.4-35), die fungsträger geringer Steifigkeit Ammanns
1937 mit 1280 m Spannweite fertiggestellt Auffassung bestätigt.
wurde, die am weitesten gespannte Brücke Danach war Othmar Hermann Ammann
und die bis dahin Einzige, die eine Spann- von 1933 bis 1939 Chefingenieur der Tribo-
weite über 1000 m hatte. Beim Bau von rough Bridge Authority, die Brücken in New
Hängebrücken mit geringer Steifigkeit des York finanzieren, bauen, unterhalten und
Versteifungsträgers, wie bei der George betreiben sollte. Während dieser Zeit baute
Washington Brücke im ersten Ausbau im er u. a. die Triborough Brücke (Hängebrü-
Jahr 1931, manche sprechen von einer cke mit 421 m Spannweite) und die Bronx-
Hängebrücke ohne Versteifungsträger, z. B. Whitestone Brücke (Hängebrücke mit
[Stüssi 1974], sollte unbedingt die Gesamt- 701 m Spannweite). Bei der Bronx-White­
konzeption der Struktur der Brücke beach- stone Brücke zeigten sich bei mittleren Wind­

Bild 1.4-34   George Washington Brücke in New York


72 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-35   Golden Gate


Brücke über die San Fran-
cisco Bucht

geschwindigkeiten hin und wieder unange- Narrows-Brücke (Bild 1.4-36), vorgesehen


nehme lotrechte Schwingungen, die zwar für zwei Fahrebenen (die untere Fahr­ebene
für die Tragwerkssicherheit unbedeutend wurde 1969 eingebaut), hat eine Spann­
waren, aber bei den Autofahrern Gefühle weite von 1298 m und als Versteifungs­
der Unsicherheit verursachten. Bei großen träger einen geschlossenen Fachwerk­
Windgeschwindigkeiten traten jedoch kei- kasten. Sie war zur Zeit ihrer Fertigstellung
ne unangenehmen Schwingungen auf. Die 1964 die Brücke mit der größten Spann­
bei den mittleren Windgeschwindigkeiten weite.
auftretenden störenden Schwingungen 1940 ereignete sich eine der spektaku-
konnten durch den Einbau von Schräg­ lärsten Katastrophen in der Geschichte des
kabeln von den Köpfen der beiden Pylone Brückenbaus überhaupt. Die Tacoma Nar-
zu den Versteifungsträgern und durch Blo- rows Brücke im Staat Washington/USA,
ckierung der Längsverschiebungen der Ver- deren Versteifungsträger wegen der sehr
steifungsträger verkleinert werden. geringen Breite von 11,9 m im Verhältnis zu
1939 gründete Othmar Hermann Am- ihrer Spannweite von 855 m und der leich-
mann sein eigenes Ingenieurbüro und wan- ten H-förmigen Querschnittsausbildung
delte dieses 1946 zusammen mit Charles S. eine äußerst geringe Torsionssteifigkeit hat-
Whitney in die Ingenieurpartnerschaft te, stürzte ein, nachdem gekoppelte Torsi-
Ammann & Whitney um. Die Ingenieur- ons-Biegeschwingungen, verursacht durch
partnerschaft Ammann & Whitney wurde den eher schwachen Wind (Geschwindig-
u. a. mit der Projektierung und dem Bau der keit: 19 m/s), auftraten und allmählich an-
Verrazano-Narrows-Brücke beauftragt. Sie wuchsen. Die Brücke hatte Leon Solomon
überbrückt den Eingang zum Hafen von Moisseiff entworfen, einer der erfahrends-
New York und verbindet die Stadtteile ten und fähigsten Brückeningenieure der
Brooklyn und Staten Island. Die Verrazano- damaligen Zeit. Nicht nur er, sondern auch

Bild 1.4-36   Verrazano-Narrows-Brücke
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 73

fast alle Brückeningenieure der damaligen • die Brücke über den Rhein in Kleve-
Zeit hatten keine genauen Kenntnisse über Emmerich, Deutschland (1966, 500 m),
die aerodynamischen Wirkungen des • der Ponte 25 de Abril über den Tejo in
Winds, obwohl ähnliche Einstürze wie bei Lissabon, Portugal (1966, 1013 m),
der bereits erwähnten Hängebrücke für die • die Tsingma Brücke in Hongkong (1997,
Werft in Brighton schon früher beim Publi- 1337 m),
kum für Aufregung gesorgt hatten. Dieser • sechs von zehn Hängebrücken zwischen
Zwischenfall des Einsturzes der Tacoma Honshu und Shikoku einschließlich der
Brücke veranlasste die Brückeningenieure Akashi Kaikyo Brücke in Japan (1998,
ausführliche Forschungen zur Windstabili- 1991 m Spannweite der Mittelöffnung,
tät der Hängebrücken durchzuführen, die Bild 1.4-37, derzeit die Brücke mit der
überwiegend durch Windkanalversuche größten Spannweite).
experimentell erfolgten. In Amerika, zuerst
Für die Kabelmontage der oben genannten
auch in Europa und später in Japan, wollte
Hängebrücken in Amerika und Europa
man mit der Verwendung von steifen Fach-
wurde das Luftspinnverfahren verwendet,
werkträgern dieser Problematik begegnen.
während für die Hängebrücken in Japan
Als Beispiele dafür seien einige exempla-
Montageverfahren mit vorfabrizierten Pa­
risch genannt:
ralleldrahtseilen bevorzugt wurden.
• die zweite Tacoma Narrows Brücke (im Mittlerweile wurde in Europa ein ande-
Jahr 1950, 853 m Spannweite), res, neues Konzept hinsichtlich der aero­
• die Brücke über die Makinac Straße im dynamischen Stabilität der Hängebrücken
Staat Michigan (1958, 1158 m), eingeführt. Die grundliegende Idee des
• die Verrazano Narrows Brücke über die Konzepts, die von Fritz Leonhardt aus dem
New York Bucht (1964, 1298 m, damals Jahr 1953 stammt [Leonhardt, 1982], s. dort
die Brücke mit der größten Spannweite), S. 290/291, ist, windschlüpfige Kastenträger
• die Tancerville Brücke über die Seine in mit aeroflügelähnlichem Querschnitt (an-
Frankreich (1958, 608 m), statt Fachwerkträger) als Versteifungsträger
• die Firth of Forth Straßenbrücke in zu verwenden, um die Windeinwirkung
Schottland (1964, 1006 m), weitestgehend zu dämpfen. Nachdem meh-

Bild 1.4-37   Akashi-
Kaikyo-Brücke (Bild von
Kawasaki Heavy Indus-
tries, Ltd.)
74 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-38   Zhoushan Xihoumen

rere Windkanalversuche durchgeführt und 1.4.4 Bogen-, Balken- und Rahmenbrücken


gute Ergebnisse daraus erhalten worden aus Beton
waren, wurde 1966 in Großbritannien erst-
mals nach diesem Konstruktionsprinzip Mit der Wiederentdeckung des Betons, be-
die Severn Brücke in Beachley mit 986 m reits die Römer hatten bekanntlich schon
Spannweite gebaut. Dann folgten unter an- Beton verwendet (s. Abschnitt 1.2.3), zum
derem die erste Bosporus-Brücke in der Ende des 18. Jahrhunderts und vor allem in
Türkei (im Jahr 1973, 1074 m Spannweite), der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
die Humber-Brücke in Kingston upon Hull, (Joseph Aspdin meldete 1824 das Patent
England (1981, 1410 m, zu dieser Zeit die der Erfindung des Portlandzements an)
Brücke mit der größten Spannweite), die konnten auch Massivbrücken mit im Ver-
Jiangyin-Changjiang-Brücke in der Provinz gleich zu Stahlbrücken verhältnismäßig
Jiangsu, China (1999, 1385 m), die Höga- kleinen Spannweiten wirtschaftlich gebaut
Kusten-Brücke in Schweden (1997, werden. Zunächst wurden Stampfbeton-
1210 m), die Storebælt-Brücke in Däne- brücken nach dem Vorbild der Naturstein-
mark (1998, 1624 m) und die Runyang- Gewölbebrücken gebaut. Wichtig für die
Changjiang-Brücke in der Provinz Jiangsu, Weiterentwicklung des Betonbaus war
China (2005, 1490 m). Außerdem sind zur- dann die Erfindung des Eisen- und Stahl­
zeit in China einige Großbrücken im Bau, betons. Der Amerikaner Thaddäus Hyatt
wie z. B. die Zhoushan Xihoumen in der führte bereits 1850 erste Versuche mit be-
Provinz Zhejiang, China (1650 m), Bild wehrten Betonbalken aus. In seinen be-
1.4-38, die auch mit windschlüpfigen wehrten Beton-Versuchsbalken war die
Kasten­trägern versteift werden sollen. Auch Bewehrung richtig in der Biegezugzone an-
ist eine Hängebrücke mit der Mittelöffnung geordnet und an den Auflagern verankert
ca. 2500 m über die Qiongzhou Haixia sowie in der Druckzone verankerte bügel-
(Meerenge) zwischen der Hainan-Insel und artige Bewehrung war vorhanden. Dies
dem Festland China geplant. zeugt davon, dass Thaddäus Hyatt schon
In der Tabelle 1.4-1 sind die 24 Hänge- ein gutes Verständnis vom Tragverhalten
brücken mit den zur Zeit größten Spann- des Stahlbetons ­hatte. Obgleich es bereits
weiten zusammengestellt. ältere Patentschriften von Joseph Louis
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 75

Tabelle 1.4-1   Hängebrücken mit den im Jahr 2008 größten Spannweiten


Größte
Jahr der
Name Spann­ Lage der Brücke Staat
Fertigstellung
weite in m
Akashi-Kaikyo-
1991 Kobe-Naruto Japan 1998
Brücke
Xihoumen 1650 Zhejiang Zhoushan China 2008
Storebælt-Brücke 1624 Korsor Dänemark 1998
südliche Runyang- Jiangsu Zhenjiang-
1490 China 2005
Brücke Yangzhou
Tsinglung-Brücke 1418 Hong Kong China 2007
Humber-Brücke 1410 Kingston-upon-Hull Großbritannien 1981
Jiangyin-Changjiang-
1385 Jiangsu China 1999
Brücke
Tsingma-Brücke 1377 Hong Kong China 1997
Verrazano-Narrows- Bucht von New York
1298 USA 1964
Brücke (Narrows)
San Francisco,
Golden-Gate-Brücke 1280 USA 1937
Kalifornien
Yangluo 1280 Hubei Wuhan China 2007
Höga-Kusten-Brücke 1210 Kramfors Schweden 1997
Verbindung über den
Brücke über die
1158 Huron- und Michigan- USA 1957
Mackinac-Straße
See, Michigan
Huangpu-Zhujiang-
1108 Guangdong Huangpu China 2007
Brücke
Minami Bisan-seto 1100 Kojima-Sakaide Japan 1988
Fatih-Sultan-Mehmet-
1090 Istanbul Türkei 1988
Brücke
Bosporusbrücke 1074 Istanbul Türkei 1973
George-Washington-
1067 New York, NY USA 1931
Brücke
3. Kurushimabrücke 1030 Onomichi-Imabari Japan 1999
2. Kurushimabrücke 1020 Onomichi-Imabari Japan 1999
Ponte 25 de Abril 1013 Lissabon Portugal 1966
Forth-Straßenbrücke 1006 Schottland Großbritannien 1964
Kita Bisan-seto 990 Kojima-Sakaide Japan 1988
Severnbrücke 988 Bristol Großbritannien 1966
76 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Erste Eisen-
Bild 1.4-39   ������������
betonbrücke in Chazelet
aus dem Jahr 1875 (Foto:
Dr.-Ing. Klaus Stiglat)

Bild 1.4-40   Brückenge-
länder der Eisenbeton-
�����������
brücke in Chazelet (Foto:
Dr.-Ing. Klaus Stiglat)

Lambot aus dem Jahre 1855 gibt, gilt, zu- entwickelte in Verbindung mit von der Fir-
mindest in Deutschland, der französische ma Wayss und Freytag & Heidschuch in
Gärtner ­Joseph Monier, dessen Patente, Berlin durchgeführten Versuchen an Plat-
u. a. auch für bewehrte Betonbrücken, aus ten und Gewölben erste sehr vereinfachte
den Jahren 1867–1881 stammen, als der theoretische Grundlagen zur Berechnung
Begründer der Stahlbetonbauweise. Er bewehrter Betonkonstruktionen. Die in der
erkannte aber wohl als erster die Ent­ Anfangszeit der Anwendung des Stahlbe-
wicklungs­möglichkeiten dieser Bauweise. tons bedeutendsten Beiträge zur Klärung
Er baute auch 1875 die erste noch heute des Tragverhaltens des bewehrten Betons
bestehende Eisenbetonbrücke der Erde, und zur Anwendung der Bauweise stam-
Bild 1.4-39, mit etwa 16,5 m Spannweite men von Francois Hennebique, Friedrich
und 4 m Breite in einem Park über den das Ignaz von Emperger und Emil Mörsch.
dortige Schloss umgebenden Wallgraben Hennebiques wesentlicher Beitrag ist die
in Chazelet nahe Saint-Benoit-du-Sault in monolithische Herstellung des Plattenbal-
Westfrankreich. Das Brückengeländer kens mit dem durch Bügel und aufgeboge-
(Bild 1.4-40) besteht aus Beton, der Ast- ner Bewehrung gewährleisteten Zusam-
werk nachgeformt ist [Stiglat, 1997]. menwirken von Steg und Druckplatte. Hen-
Die Anwendung bewehrten Betons für nebique entwarf auch die erste bewehrte
die Errichtung von Bauwerken fand in Eu­ Betonbrücke mit größerer Spannweite, die
ropa schnell Verbreitung. Matthias Koenen sehr schlanke Risorgimento-Brücke in Rom,
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 77

die 1911 mit 100 m lichter Weite als Zellen- auch die Betonschalung und den Frischbe-
bauwerk mit einem Kastenquerschnitt mit ton allein trugen, weshalb das Lehrgerüst
inneren Längs- und Querscheiben gebaut entbehrlich war. Nach dem Verfahren von
wurde und damit die erste Stahlbetonbrü- Joseph Melan, der sog. Melan-Bauweise,
cke mit über 100 m Spannweite ist. Von wurden von 1896 bis 1900 die ersten Brü-
­Emperger und Mörsch führten zahlreiche cken über den Kansas bei Topeka mit 38 m
experimentelle Untersuchungen aus und Spannweite, über die Steyr in Steyr mit 42 m
entwickelten damit das Verständnis für die Spannweite und über die Werra in Meinin-
neue Bauweise. Durch Umsetzung der Er- gen mit 40 m Spannweite gebaut. Vor allem
kenntnisse in die theoretischen Grundlagen in Nordamerika wurden in der ersten Hälf-
der Eisenbetonbauweise und wegen ihrer te des 20. Jahrhunderts mehrere Brücken
Wirtschaftlichkeit setzte sich die Bauweise mit Spannweiten bis zu etwa 120 m gebaut.
schnell durch. Vor allem Mörsch prägte die In Deutschland wurde 1929 auch die heute
Bauweise durch die von ihm entwickelte noch bestehende Echelsbacher Brücke über
Fachwerkanalogie zur Berechnung und die Ammer (etwa 75 km südwestlich von
konstruktiven Durchbildung des bewehrten München) mit 130 m Spannweite nach der
Betons mit der Zuordnung der Zugkräfte an Melan Bauweise gebaut. Das Bauverfahren
die Bewehrung und der Druckkräfte an den ist heute in Europa und Amerika wegen der
Beton. Er fasste die durch Theorie und Ver- hohen Stahlpreise nicht mehr üblich. In Ja-
such gewonnen Erkenntnisse in dem 1902 pan aber wurden kürzlich die Mittelbe-
von der Firma Wayss & Freytag herausgege- reiche bei weitgespannten Bogenbrücken
benem Buch Der Eisenbetonbau, seine An- nach der Melan-Bauweise hergestellt, nach-
wendung und Theorie, zusammen. Mörsch, dem zuvor von den Kämpfern aus die
der 1872 in Reutlingen geboren wurde, an Randbereiche der Bogen im Freivorbau
der Technischen Hochschule Stuttgart Bau- hergestellt worden waren. In China wurde
ingenieurwesen studierte, lange Zeit Leiter 1997 die Wan Xian-Autobahnbrücke über
des Technischen Büros der Firma Wayss & den Yangtze, die mit 420 m Spannweite zur
Freytag und später Professor an der Techni- Zeit die am weitesten gespannte Beton-
schen Hochschule Stuttgart war, entwarf Bogenbrücke ist, fertiggestellt. Sie wurde in
u. a. die mit zwei hintereinander liegenden Anlehnung an die Melan-Bauweise errich-
Dreigelenkbogen mit je 70 m Spannweite tet. Der Betonbogen besteht aus einem
und 12,5 m Pfeilhöhe, 1903/1904 gebaute dreizelligem Betonkasten, der mit einem
Stahlbeton-Bogenbrücke über die Isar in sich selbst und im Betonierzustand die
München-Grünwald und die als einge- Schalung und den Beton tragendem Fach-
spannten Bogen mit 79 m Spannweite und werk-Stahlverbundskelett bewehrt ist. Die
26,5 m Pfeilhöhe, 1908 gebaute Gmünder- aus je fünf Stahlrohren mit 402 mm Außen-
tobelbrücke über die Sitter bei Teufen im durchmesser und 16 mm Wanddicke beste-
Kanton Appenzell. henden Ober- und Untergurte des
Joseph Melan, geboren 1853 in Prag, Stahlverbund­skeletts sind mit Beton C60
entwickelte Ende des 19. Jahrhunderts ein gefüllt und im Endzustand die Hauptlängs-
Bauverfahren zum Bau von bewehrten Be- bewehrung des 16 m breiten Stahlbetonbo-
tonbogenbrücken ohne Lehrgerüst. Dabei gens mit 7 m Konstruktionshöhe, s. [Ewert,
bestand die Bewehrung nicht aus Beton- 1997 und 1999a], [Ding/Yongfu, 2001].
stählen, sondern aus steifen, genieteten, Zu den bedeutendsten Bauingenieuren
sich selbsttragenden Stahl-Fachwerkträ- des Beton-Brückenbaus Anfang des 20. Jahr­
gern, die im Freivorbau errichtet wurden hunderts zählte Robert Maillart, der 1872 in
und so bemessen waren, dass sie zunächst Bern geboren wurde und am Eidgenös­
78 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

sischen Polytechnikum in Zürich Bauinge- Brücke über den Rhein bei Tavanasa in
nieurwesen studiert hatte. Ihm verdanken Graubünden, Bild 1.4-41. Das System der
wir die feingliedrige, besonders kühne und Brücke ist als Dreigelenkbogen einzuord-
auf die Schnittgrößenverläufe optimierte nen. Die Spannweite beträgt 51,25 m und
Gestaltung der Betonbrücken, wobei er die der Bogenstich 5,7 m (l/f = 9). In den biege-
Konstruktionen so gestaltete, dass sich alle beanspruchten Bereichen nahe den Mitten
Teile an der Abtragung der Lasten beteilig- zwischen den Kämpfer- und Scheitelgelen-
ten. Er verstand es dabei stets mit seinen ken (Viertelpunkte des Dreigelenkbogens)
sparsamen Tragwerksformen eine gute Ge- tritt unter konzentrierten Lasten die größte
staltung seiner Brücken zu erreichen. Bei Biegebeanspruchung auf, hat der einzellige
vielen seiner Bauwerke war er sowohl, Ent- kastenförmige Bogen eine verhältnismä-
wurfsverfasser, Konstrukteur und ausfüh- ßige große Konstruktionshöhe und damit
render Bauunternehmer. Für den Erfolg einen großen Querschnittswiderstand. An
Robert Maillarts als Ingenieur war die Ver- den Kämpfern und im Scheitel ist der Bogen
bindung guten theoretischen Verständnis- dagegen dünn. Zu den Kämpfern werden
ses mit der Erfahrung in der Praxis wichtig, die Stege des kastenförmigen Bogens ausge-
wobei im Wechselspiel neue Erkenntnisse schnitten, wodurch eine Trennung in den
und Lösungen entstehen. Die über Jahr- als Bogen weitergeführten Untergurt und
zehnte ausgeübte Tätigkeit als verantwort- den ∩-förmigen Obergurt als Fahrbahnträ-
licher Ingenieur für Entwurf, Konstruktion ger erfolgt. Dadurch wird die Bogen-Längs-
und Bauausführung tätig gewesen zu sein kraft direkt zum Kämpfer geleitet. An den
war mit entscheidend für die Erfolge dieses Kämpfern sind vor den Widerlagern jeweils
genialen Bauingenieurs. Besonders zu nen- Betonscheiben angeordnet, die den Bogen
nen sind die von ihm konzipierten Dreige- mit dem ∩-förmigen Fahrbahnträger ver-
lenkbogen, die am Kämpfer und Scheitel zu binden. Der Bau der Brücke erfolgte auf ei-
dünnen Platten auslaufen und in den biege- nem Lehrgerüst. Dabei wurde zunächst nur
beanspruchten Bereichen ∩-förmige oder die untere Platte betoniert. Erst nach der
Kastenquerschnitte mit verhältnismäßig Erhärtung des Betons der Platte wurden die
hohen Stegen haben, die sogenannten Mail- Stege und die Fahrbahnplatte betoniert. Das
lartbogen. Der Prototyp dieser innovativen Lehrgerüst musste deshalb nur die untere
Konstruktionsform, man kann die Brücke Platte allein tragen, während zur Aufnahme
als sein erstes Meisterwerk bezeichnen, ist der Lasten aus dem Steg und der Fahrbahn-
die von ihm konzipierte und 1905 gebaute platte das Lehrgerüst und die durch das

Querschnitt
Querschnitt Kastenträger
Kastenträger Scheitelgelenk
Scheitelgelenk
mit Betonblock
mit Betonblock
bündig
bündig
zur Fahrbahnplatte
zur Fahrbahnplatte
im Viertelspunkt:
im Viertelspunkt: Plattenbalken
Plattenbalken

Kämpferlinie
Kämpferlinie
Vertikale
Vertikale
Betonscheibe,
Betonscheibe,
die die
die die
Fahrbahnplatte
Fahrbahnplatte
mit dem
mit dem
BogenBogen
verbindet
verbindet
Bild 1.4-41   Längs- und Querschnitt der Brücke über den Rhein bei Tavanasa (Bild nach ���������
[��������
Billing-
ton, 1990])
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 79

Lehrgerüst ausgesteifte untere Platte zusam- sich auch je ein horizontaler Riss gebildet.
menwirkten. Dies führte zu deutlichen Kos- Alle Risse traten an dem von der Sonne am
tensenkungen gegenüber herkömmlichen meisten beschienenen Steg auf. Die Bean-
Dimensionierungen des Lehrgerüsts für die spruchungen der Stege infolge der Einwir-
komplette Eigenlast der Brücke. Diese kos- kungen aus äußeren Lasten waren gering
tengünstige Herstellung wurde bei allen fol- und konnten nicht die Ursache für die Riss-
genden Brücken nach dem System Maillart bildung sein, zumal die Risse vertikal ge-
so beibehalten, was sich vor allem beim Bau richtet waren. Die Risse mussten also aus
von Brücken in schwierigem Gelände z. B. Zwangsbeanspruchungen entstanden sein.
bei der Salginatobelbrücke, besonders kos­ Bei der Austrocknung, dem Schwinden,
tengünstig auswirkte. Leider ist die ­Tavanasa- tritt eine Volumenverminderung des Be-
Brücke 1927 durch eine Lawine und damit tons ein und der Beton verkürzt sich zwän-
verbunden auf die Brücke stürzende Fels- gungsfrei, wenn er daran nicht gehindert
brocken zertrümmert worden und heute wird. Der von der Sonne beschienene Steg
nicht mehr erhalten. der Brücke trocknet schneller aus als die
Wie ist Maillart zu dem bei der Tava- Fahrbahnplatte und diese etwas schneller
nasa-Brücke erstmals angewendeten Sys- als die direkt über dem Inn befindliche
tem gekommen? Bereits bei der zweiten ­untere Bogenlaibung, die auch noch durch
von ihm entworfenen Betonbrücke, der den Fluss etwas gekühlt und befeuchtet
1901 gebauten Brücke über den Inn in Zuoz wird. Deshalb würden sich bei unbehinder-
im Engadin hat Maillart als System einen ter Verformungsmöglichkeit der Steg mehr
zweizelligen kastenförmigen Dreigelenk- verkürzen als die Fahrbahnplatte und diese
bogen mit einer Spannweite von 38,25 m etwas mehr als die Bodenplatte (s. Bild
und einem Bogenstich von 3,6 m (l/f = 10,6) 1.4-43). An der weniger beschienen Seite
gewählt, Bild 1.4-42. Bei der Brücke in Zuoz der Brücke treten zwar prinzipiell die glei-
wurde aber zunächst der kastenförmige chen Phänomene auf, aber weniger stark.
Querschnitt vom Scheitel bis zu den Kämp- Da die einzelnen Teile verformungs- und
fern durchgehend beibehalten, was auch kraftschlüssig verbunden sind, entstehen
bei seiner dritten, 1904 gebauten Brücke Zwangsbeanspruchungen, im Steg Zug-
mit zwei Brückenbogen mit je 35 m Spann- und in der Fahrbahn- und in der Boden-
weite, der Thur-Brücke bei Billwil im Kan- platte Druckbeanspruchungen, was zu
ton St. Gallen beibehalten wurde. Etwa zwei Rissbildungen im Steg geführt hat. Maillart
Jahre nach der Fertigstellung der Innbrücke zog nun nach der Klärung der Ursache der
in Zuoz zeigten sich in den Stegen nahe den entstandenen Risse die Folgerung, dass es
beiden Kämpfern vertikale Risse. In der am sinnvollsten wäre in den Kämpferberei-
Nähe des einen Kämpfers waren drei Risse chen die Stege entfallen zu lassen, weil sie
und nahe dem anderen Kämpfer ein Riss. dort zur Abtragung der Kräfte nicht benö-
In der Nähe von beiden Kämpfern hatte tigt werden. Andere hätten vielleicht ver-

Scheitelgelenk mit Betonblock zwischen Bogen und Fahrbahnplatte

Bodenplatte Steg Verdecktes Kämpfergelenk

Bild 1.4-42   Längsschnitt der Brücke über den Inn in Zuoz (Bild nach [Billington, 1990])
80 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Unbehinderte Verkürzung der


Fahrbahnplatte aus Schwinden
Druck in Fahrbahnplatte
Vertikale Risse im Steg
Zug im Steg
Unbehinderte Verkürzung des
Stegs aus Schwinden
Druck in Bodenplatte
Bild 1.4-43   Vertikale Risse in der Brücke über den Inn in Zuoz (Bild nach [Billington, 1979])

sucht der Rissbildung durch einen höheren deshalb hier nur 3,5 m breit. Wie die Tava-
Bewehrungsgehalt und der Wahl kleinerer nasa-Brücke ist das System der Salginato-
Bewehrungsdurchmesser im Steg zu begeg- bel-Brücke (Bilder 1.1-1, 1.4-44 bis 1.4-46)
nen und wären damit sicher gescheitert, ein Dreigelenkbogen, allerdings mit der
denn durch Anordnung von mehr Beweh- deutlich größeren Spannweite von 90 m.
rung und der Wahl kleinerer Bewehrungs- Die Pfeilhöhe ist etwa 13 m, das Pfeil­
durchmesser können Risse nicht verhin- verhältnis also ungefähr 6,9. Fahrbahn
dert, sondern bekanntlich nur die Rissbrei- und Bogen sind mit den geringen Kon-
ten auf kleinere Werte begrenzt werden. struktionshöhen im Scheitel und an den
Die bedeutendste Brücke der von Maill- Kämpfern und den betont größeren Kon-
art entworfenen Brücken dieses Typs ist die struktionshöhen in den beiden Viertel-
Salginatobelbrücke bei Schiers im Prätti- punkten des Bogens zu einer technisch
gau. In das kleine Bergdorf Schuders ge- und ästhetisch optimalen Lösung ent­
langt man von Schiers auf einer schmalen wickelt worden. An den Kämpfern ist der
Straße, auf der man die 80 m tiefe Schlucht Querschnitt recht­eckig. Er geht zum
des Salginabachs auf der 1929/1930 gebau- Scheitel zunächst in einen nach oben offe-
ten Brücke überquert. Auf der Brücke wird nen U-Querschnitt mit zunehmender
die Straße nur einspurig geführt und ist Höhe und im Bereich des Viertelpunkts

132,3 m
A – –A

4,00
13 m

A–A 90 m

3,5 m
Bild 1.4-44   Salginatobelbrücke, Schnitte
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 81

Bild 1.4-45   Ansicht der


Salginatobelbrücke

in den Kastenquerschnitt (s. Schnitt A-A auf dem Bogen stehenden Stützen sind
im Bild 1.4-44) über. Die Gelenke an den I-förmig.
Kämpfern und im Scheitel sind als Beton- Eugène Freyssinet baute 1908/1912 drei
Federgelenke mit sich kreuzender Be­ Bogenbrücken über den Allier, die sich
wehrung ausgebildet. Der Fahrbahnträger ­sowohl in allen wesentlichen Abmessungen
ist ein zweistegiger Plattenbalken. Die als auch im Bauverfahren gleichen, die Brü-
den Plattenbalken unterstützenden und cken bei Le Veudre, bei Boutiron und bei
Chatel de Neuvre. Die Brücken bestanden
aus je sehr flachen Dreigelenkbogen mit
Spannweiten von 68 m – 72,5 m – 68 m und
Pfeilhöhen der beiden seitlichen kleineren
Bogen von 4,6 m und des etwas größeren
Mittelbogens von 5,2 m. Die Verhältnisse
der Spannweiten zu den Pfeilhöhen betra-
gen damit etwa 15 und 14, was extrem ist.
Die Aufständerung der Fahrbahn erfolgt
über Dreieckfachwerke, die mit den stei-
genden und fallenden Diagonalen und der
Verbindung mit der Fahrbahn zur Beulsta-
bilität des Bogens beiträgt. Bei diesen Brü-
cken wurde das Ausrüsten der Bogen mit
der Abhebung des Bogens vom Gerüst erst-
mals durch Erzeugung von Druckkräften
mittels Pressen im Scheitelgelenk angewen-
det, wodurch gleichzeitig die elastischen
Durchbiegungen des Bogens aus Eigenlast
minimiert wurden. In den der Fertigstel-
lung folgenden zwei Jahren senkten sich aus
Kriechverformungen die Scheitel um 10 cm
bis 13 cm. Mit in die Fugen am Scheitelge-
Bild 1.4-46   Salginatobelbrücke, Sicht schräg lenk eingesetzten Pressen und damit er-
von unten
82 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

zeugten Druckkräften konnten die Bogen 1.4-47) und ist begrenzt für Fahrzeugver-
wieder in ihre Solllage angehoben werden. kehr bis 3,5 t zugelassen.
Danach wurden die Fugen ausbetoniert. Über den Elorn zwischen Brest und
Für Freyssinet war die beim Bau der drei Plougastel wurde nach einem Entwurf von
Be­tonbogenbrücken über den Allier gewon­ Freyssinet 1926/1929 die Brücke Albert
nene Erkenntnis wichtig, dass der Beton Louppe (Bild 1.4-48) mit drei Bogen mit je
unter dauernd wirkenden Druckspannun- 186 m Spannweite und 38 m Pfeilhöhe ge-
gen kriecht, was für die spätere Entwick- baut. Das Verhältnis Spannweite zu Pfeil-
lung des Spannbetons von Bedeutung war. höhe ist damit etwas unter 5. Die Bogen
Um das Abheben des Bogens von der Scha- sind dreizellige Stahlbeton-Kästen. Über
lung und dem Gerüst beim Ausrüsten zu den Bogen befindet sich der zweigeschossi-
überprüfen ließ Freyssinet anlässlich des ge Fahrbahnträger als durchbrochener Kas-
Baus der drei Betonbogenbrücken einen tenträger. Die obere Ebene nimmt den Stra-
Dreigelenkbogen als Probekörper mit 50 m ßenverkehr auf. Die untere Ebene war für
Spannweite und 2 m Pfeilhöhe herstellen, den Eisenbahnverkehr vorgesehen, die je-
wobei die beiden Widerlager mit einem doch nie genutzt wurde. Beim Bau der Brü-
vorgespannten Zuggurt aus vorgespannten, cke wurde für die drei Bogen nur ein Lehr-
kaltgezogenen Drähten ∅ 8 mm mit Span- gerüst eingesetzt, das eingeschwommen
nungen nahe an der Fließgrenze verbunden und jeweils an vorbetonierten Kämpfern
wurden. Die vorgespannten Drähte wurden der Betonbogen hochgezogen und veran-
mit in einer Ankerplatte angeordneten Kei- kert wurde.
len verankert. Diese erstmalige Anwendung Ein wichtiger Schritt für die Entwick-
der Vorspannung im Betonbrückenbau an lung des Betonbrückenbaus war die Mög-
einem Probekörper gilt als der erste Mei- lichkeit den Beton vorzuspannen. Eugène
lenstein der späteren Entwicklung des Freyssinet, der 1879 in Objat (Corrèze) ge-
Spannbeton-Brückenbaus [Grote/Marrey, boren wurde, an der École polytechnique
2000]. Die zuerst gebaute Brücke bei Le und der École des ponts et chaussées in
Veudre wurde 1940 zerstört, die bei Chatel ­Paris Bauingenieurwesen studierte, in ver-
de Neuvre wurde von deutschen Truppen schiedenen Stellen beim Staat und in Bau-
1944 gesprengt. Nur die zweite der Brü- firmen leitend tätig war, ist wohl am ehesten
cken, die 1910/1911 bei Boutiron in der als Vater des vorgespannten Betons, des so-
Nähe von Vichy gebaute, besteht noch (Bild genannten Spannbetons, zu nennen, auch

Bild 1.4-47   Brücke über den Allier bei Boutiron (Foto: Dr.-Ing. Klaus Stiglat)
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 83

Bild 1.4-48   Brücke Albert


Louppe über den Elorn
bei Plougastel (Foto: Dr.-Ing.
Klaus Stiglat)

wenn erste Ideen den Beton vorzuspannen ([Grote/Marrey, 2000] nennen dafür einen
schon vor ihm bestanden. Er hatte aber als von Karl Mautner entworfenen Spannbe-
Erster klar erkannt, dass die Spannstähle tonbinder für eine Halle mit 55m Spann-
hohe Festigkeit haben und die Stahlspan- weite, der Spannbetonbinder für die Halle
nungen aus Vorspannung hoch sein müs- wurde wegen fehlender Referenzen nicht
sen, weil die Spannstahlspannung als Folge ausgeführt, was der Anlass für den Modell-
des Kriechens und Schwindens des Betons versuch gewesen sein soll.). Die Spann­
im Laufe der Zeit abnimmt. Seine Ideen ha- stähle ∅ 5 mm wurden mit Betonklötzchen
ben zu einer Revolution in der Baukunst verankert. Auch die Bügel waren entspre-
geführt, weil die Spannweiten bei vorge- chend Freyssinets Auffassung vom Spann-
spannten Betonbrücken gegenüber denen beton in gleicher Weise vorgespannt. An
ohne Vorspannung mindestens verdrei- diesen Modellträgern wurden zunächst in
facht, die Schlankheiten verdoppelt und die Frankfurt umfangreiche Versuche zum
Gewichte und Kosten deutlich verringert Tragverhalten des Spannbetonträgers vor-
werden konnten. Bereits 1908 spannte genommen, die dann in Stuttgart ([Grote/
Freyssinet erstmalig einen Beton-Probe- Marrey, 2000] nennen dafür Dresden) wie-
körper vor, s. o., was der erste Meilenstein derholt wurden. Durch diese Versuche ge-
der späteren Entwicklung des Spannbeton- wannen sowohl Freyssinet als auch deut-
Brückenbaus ist [Grote/Marrey, 2000]. Er sche Bauingenieure die Bestätigung, dass
entwickelte das Freyssinet-Spannverfahren die Vorspannung für die Baupraxis anwen-
mit hochfesten Drähten und Keilveranke- dungsreif ist. Das Ergebnis der Versuche
rungen. Er war der Verfechter der vollen wurde von Freyssinet in die Praxis umge-
Vorspannung, was sich aus heutiger Sicht setzt, indem er um 1936 die ersten für ein
aber als Irrweg herausgestellt hat. Die Fir- Bauwerk eingesetzten vorgespannte Balken
ma Wayss & Freytag, sie war seit 1934 Li- beim Bau der über 20 m weit gespannten
zenznehmer von Freyssinet, stellte 1933 Bedienungsstege eines Wehrs in Oued-
([Grote/Marrey, 2000] nennen dafür das Fodda in Algerien einsetzte. Die ersten vor-
Jahr 1936) nach Entwürfen von Freyssinet gespannten Brücken baute Freyssinet 1941
in Frankfurt einen für eine Spannbetonbrü- als Plattenbrücken mit 12 m und 20 m
cke mit 60 m Spannweite möglichen Ver- Spannweite. Im selben Jahr begann er mit
suchsbalken im Modellmaßstab 1 : 3 her den Entwurfsarbeiten für die Marnebrücke
84 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-49   Längs- und


Querschnitt der Marne­
brücke Esbly, Bild nach
[Mörsch, 1958]

in Lucancy mit 54 m Spannweite, die aber sinet beim Entwurf baute die Firma Wayss
auf Befehl der deutschen Besatzungsbehör- & Freytag bereits 1938 die erste Spann­
de damals nicht gebaut werden durfte betonbrücke mit Verbund. Diese Brücke
[Freyssinet, 1949]. Erst nach dem Krieg (Bild 1.4-51), eine Feldwegüberführung
konnte diese Brücke 1945 von der Firma über die Autobahn A2 bei Oelde im
Campenon-Bernard gebaut werden. Es ­Münsterland, mit vier vorgespannten
folgten 1947 bis 1952 fünf weitere Brücken Fertig­teil-Längsträgern mit I-Querschnitt,
über die Marne bei Esbly mit einigen Ver-
besserungen nach dem gleichen Prinzip,
die wieder von der Firma Campenon-Ber-
nard gebaut wurden. Die Brücken mit Eckteil im erstes Trägerstück
Kabelzug folgt
Spannweiten von 74 m bis 80 m wurden aus
vorgefertigten Teilen hergestellt. Alle Fer-
tigteile für alle fünf Brücken wurden in ei-
ner temporären Fertigteilwerk nahe Esbly
gefertigt. Die von den fünf Brücken zuerst Eckteile und erste
gebaute Brücke, die Marnebrücke Esbly mit Trägerstücke montiert
74 m Spannweite, ist im Längs- und Quer-
schnitt im Bild 1.4-49 dargestellt. Die Zwei-
Mittelstücke im
gelenk-Rahmenbrücken mit fünfzelligen Kabelzug
Kastenquerschnitten wurden aus sechs Fer-
tigteilträgern gebildet. Diese Träger werden
aus ca. 2 m langen im Werk gefertigten Fer-
tigteilen zum Ufer der Marne transportiert
und dort mit Hilfsspanngliedern zu größe-
ren Trägerstücken zusammengespannt. Die
Trägerstücke wurden auf dem Wasser zur
Einbaustelle transportiert und mit Kabel-
kranen am Ort montiert und zusammenge-
Spannglieder unten und oben einbauen
spannt. Der Montagevorgang ist selbster-
klärend aus dem Bild 1.4-50 zu ersehen. Bild 1.4-50   Montage der Marnebrücke Esbly,
Unter maßgeblicher Mitwirkung von Freys- Bild nach [Mörsch, 1958]
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 85

Bild 1.4-51   Spannbetonbrücke über die Autobahn A2 bei Oelde

die in gegenseitigen Abständen von 1,4 m Tätig­keit bei Dyckerhoff & Widmann be-
verlegt sind. Die Trägerhöhe dieser Träger fasste er sich u. a. mit der Vorspannung von
ist nicht konstant, sondern veränderlich. Betonbauten. Die Vorspannung ohne Ver-
Sie beträgt am Auflager 1,46 m und in Brü- bund bei Brücken wandte er erstmals
ckenmitte 1,60 m. Der Trägeruntergurt ver- 1927/28 beim Bau der Bogenbrücke über die
läuft waagerecht, während der Obergurt Saale in Alsleben an [Dischinger, 1949-2],
dem Ausrundungsbogen der Feldweg­ die aber nicht als Spannbetonbrücke, wie
überführung folgt. Die Spannweite der wir sie heute verstehen, zu bezeichnen ist.
Brücke beträgt 33 m. Auf den Längsträgern Auch der Entwurf der ersten gebauten vor-
ist eine 6,4 m breite, am Ort betonierte, be- gespannten Brücke überhaupt, die 1935/37
wehrte Betonfahrbahnplatte angeordnet. gebaute Brücke in Aue, stammt von
Die Quertragwirkung wird durch vier am Dischinger.
Ort betonierte, 25 cm breite, bewehrte Be- Ulrich Finsterwalder wurde 1897 in
tonquerträger, deren obere Bewehrung sich München geboren und war nach seinem
in der Fahrbahnplatte befindet, während Studium des Bauingenieurwesens an der
die untere Bewehrung durch die Längsträ- Technischen Hochschule in München wäh-
ger durchgesteckt wurden, zusätzlich zu der rend seines gesamten Berufslebens bei
der Fahrbahnplatte gewährleistet [Mörsch, ­Dyckerhoff & Widmann tätig. Von ihm
1943]. stammt der erste bekannt gewordene Ent-
Für die Anwendung des vorgespannten wurf einer vorgespannten Betonbalken­
Betons im Brückenbau haben neben Freys- brücke überhaupt, der aus dem Jahr 1930
sinet noch Franz Dischinger, Ulrich Fin- stammende Entwurf für den Bau der Drei-
sterwalder und Fritz Leonhardt als Pioniere rosenbrücke in Basel [Finsterwalder, 1965].
dieser Bauweise besondere Bedeutung. Der Entwurf für eine ohne Verbund vorge-
Dischinger wurde 1887 in Heidelberg gebo- spannte Brücke über drei Felder mit Spann-
ren und war nach Abschluss des Studiums weiten von 52,5 m – 105,8 m – 52,5 m
des Bauingenieurwesens an der Tech- (Bild 5.2.1-6) mit einem Gelenk in Feld­
nischen Hochschule Karlsruhe im Tech- mitte des Innenfelds wies schon damals
nischen Büro der Firma Dyckerhoff & Wid- wesentliche Merkmale der späteren Kon-
mann tätig bevor er als Professor für struktionssysteme der Anfangszeit des
Massiv­bau an der Technischen Universität Freivorbaus auf. Der Entwurf wurde aller-
Berlin berufen wurde. Während seiner dings nicht ausgeführt. Vermutlich war die
86 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Zeit für die vorgeschlagene Lösung noch hat sich für die weitere Ent­wicklung im
nicht reif. Finsterwalder entwickelte das Beton­bau als richtig erwiesen.
Dywidag-Spannverfahren mit Spannstäh- Fritz Leonhardt wurde 1909 in Stuttgart
len mit Gewindeverankerungen mit aufge- geboren und vertiefte nach seinem Studium
rollten Gewinden und Muttern, später mit des Bauingenieurwesens an der Tech-
Gewindestählen, und er führte im Beton- nischen Hochschule Stuttgart seine Kennt-
bau den Freivorbau von Brücken ein, das nisse während eines Semesters als Aus-
auf dem im Stahlbau schon lange bewährten tauschstudent an der Purdue University in
Bauverfahren beruht. Auch die bereits West-Lafayette in Indiana/USA. Nach sei-
1930/31 in ­Brasilien über den Rio Peixe ner Rückkehr aus den USA war er bei der
(Bild 5.2.1-3) errichtete Stahlbetonbrücke Obersten Bauleitung der Reichsautobahn,
wurde zuvor schon als nicht vorgespannte als Beratender Ingenieur und bei der Orga-
Betonbrücke im Freivorbau errichtet. nisation Todt tätig. Nach dem Studium des
Nachdem bereits ab 1948 bei Wettbewer- 1941 von Freyssinet in der Zeitschrift Tra-
ben Sondervorschläge mit Ausführungen vaux veröffentlichten Beitrags Une Révolu-
von Freivorbaubrücken eingereicht wur- tion dans l’ Art de Bâtir (Eine Revolution in
den, die aber nicht beauftragt wurden, wur- der Baukunst), wodurch er mit Freyssinets
de 1950 nach Finsterwalders Entwurf als Ideen zum Spannbeton vertraut wurde, traf
erste im freien Vorbau errichtete Spann­ er Freyssinet 1943 in Paris. Nach dem Krieg
betonbrücke, die Brücke über die Lahn in machte er sich als Beratender Ingenieur
Balduinstein (Bilder 1.4-52 und 5.2.1-12) in selbstständig und gründete mit Wolfhart
der Nähe von Limburg, von Dyckerhoff & Andrä das Büro Leonhardt und Andrä, das
Widmann gebaut. Finsterwalder war auch vielseitig im Konstruktiven Ingenieurbau
der Wegbereiter der beschränkten Vor- tätig war und ist und jetzt als Leonhardt,
spannung, wobei die Vorspannung nur so Andrä und Partner firmiert. Mit Willy Baur
hoch gewählt wird, dass für häufige Einwir- entwickelte er das Spannverfahren BAUR-
kungen die Zugfestigkeit des Betons nicht LEONHARDT zur Vorspannung von Brü-
erreicht oder nur wenig überschritten wird, cken mit konzentrierten Spanngliedern
damit die Rissbreiten im Beton auf geringe und zur Vorspannung mit kleineren Spann-
Werte begrenzt werden. Dieser Gedanke gliedern das Spannverfahren LEOBA. Au-

Bild 1.4-52   Lahnbrücke Balduinstein


1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 87

ßerdem entwickelten Fritz Leonhardt und


Willy Baur das Taktschiebeverfahren, ein
heute sehr häufig angewendetes Verfahren
zum Bau langer Balkenbrücken. Auf die
Entwicklung des Spannbetons wird im Ab-
schnitt 5.2.1 besonders eingegangen. Hier
werden im Folgenden ausgewählte Ent-
wicklungen dargestellt.
Von besonderer Bedeutung für die Ent-
wicklung im Betonbrückenbau waren vor
allem die Bauverfahren des Freivorbaus, des
Taktschiebeverfahrens, des Bauens mit Vor-
schubrüstungen und seit den letzten Jahren
die Verwendung extern und intern geführ-
ter Spannglieder des Spannbetons ohne
Verbund. Gegenwärtig stehen Entwicklun-
gen der Materialtechnologie und die Nach-
haltigkeit des Bauens im Vordergrund.
Mit der Entwicklung des Freivorbaus für
Spannbetonbrücken durch Finsterwalder
wurde der Spannbetonbrückenbau für Brü- Bild 1.4-53   Fertiggestellter Kragträger der
­Nibelungenbrücke Worms im Bauzustand (Bild:
cken größerer Spannweiten über Flüsse
Dywidag-Archiv)
und Täler im Vergleich zum Stahlbrücken-
bau konkurrenzfähig. Als erste Brücke nach
diesem Bauverfahren wurde die oben ge- Freivorbauwagen, der Schalung, Beweh-
nannte Lahnbrücke Balduinstein mit 62 m rung und Frischbeton trägt, sukzessive die
Spannweite, die der Prototyp des Spann­ Brückenabschnitte betoniert werden. Mei-
beton-Freivorbaus im Brückenbau ist, ge- stens geschieht dies von Pfeilern aus annä-
baut, es folgte 1951 die Brücke über den hernd symmetrisch nach beiden Seiten. Die
Neckar in Neckarrems mit 71 m Spann­ Fertigungsabschnitte sind i. d. R. zwischen
weite. Aufsehen erregte dann die von 1951 3 m und 5 m lang. Dadurch braucht nur
bis 1953 im Freivorbau gebaute Spann­ relativ wenig der mehrfach wiederver-
betonbrücke über den Rhein in Worms wendbaren Schalung vorgehalten werden,
[Finsterwalder/Knittel, 1953], die mit der die aber veränderbar sein muss, um der ge-
größten Spannweite im mittleren Feld von vouteten Balkengeometrie angepasst wer-
114,2 m damals die am weitesten gespannte den zu können. Durch vielmaliges Wieder-
Betonbalkenbrücke war, zugleich war sie holen ähnlicher Takte wird insbesondere
die erste Betonbrücke über den Rhein in bei großen Brücken eine signifikante Redu-
Deutschland. Die Stützweiten der Brücke zierung der Arbeitsstunden erreicht. Bei
waren für den Entwurf vorgegeben, damit widrigen Witterungsbedingungen, auch
die Senkkastengründungen der Pfeiler der bei leichtem Frost kann die Weiterarbeit
1898/1900 gebauten und im Krieg zer- ermöglicht werden, indem der verhältnis-
störten Stahlbrücke, die aus Dreigelenk- mäßig kleine Bereich in dem intensiv gear-
Fachwerkbogen ausgeführt worden war, beitet wird, eingehaust und beheizt wird.
wieder benutzt werden konnten. Das Prin- Aus Bild 5.2.1-13 sind Längsschnitt und
zip des klassischen Freivorbaus besteht da- Querschnitt der Nibelungenbrücke Worms
rin, dass von einem Pfeiler aus mit einem ersichtlich. Die Spannbewehrung der aus-
88 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-54   Nibelungenbrücke in Worms

kragenden Träger ist dem Verlauf der nach brücke als einzelliger Kastenträger über-
dem Zustand I ermittelten Hauptzugspan- spannt als Durchlaufträger über drei Felder
nungstrajektorien angepasst und entspre- den Rhein mit Spannweiten von 101,85 m,
chend dem Biege­momentenverlauf abge- 114,20 m und 105,55 m. Es wurden also
stuft. Die meisten Spann­stähle werden in keine Ge­lenke in den Feldmitten angeord-
den Stegen geführt (Bild 1.4-56) und damit net. Die Pfeilerachsen und Widerlager-
zur Schubsicherung herangezogen. Aus standorte orientieren sich an der bestehen-
den Bildern 1.4-53 und -54 ist der Bauzu- den Brücke (s. Bild 2.2-1). Die Vorspannung
stand eines fertig­gestellten auskragenden des Überbaus der Strombrücke erfolgte in
Trägers und die ­heutige Brücke ersichtlich. Mischbauweise (interne und externe Vor-
Die Nibelungenbrücke hat in allen drei spannung). Die Querrichtung ist schlaff
Feldern in den Feldmitten Gelenke, die zur bewehrt.
Querkraftübertragung dienen. Dadurch Die Herstellung der Strombrücke er-
sind im Laufe der Zeit unstetige Durchbie- folgte im Freivorbau von den zwei Strom-
gungen im Bereich der Gelenke aufgetreten, pfeilern aus symmetrisch nach jeweils bei-
die korrigiert werden mussten. Im Bild den Seiten. Die Randfelder konnten so aber
5.2.1-34 wird am Beispiel der Moselbrücke nur bis zu einer Länge von 60 m ausgeführt
Thörnich eine Ausbildung der früher und werden. Die Herstellung der uferseitigen
auch heute noch mitunter üblichen Gelenk­ Überbauhälften der Strombrücke erfolgte
ausbildungen zur Übertragung der Quer- deshalb als seilverspannter Freivorbau über
kräfte gezeigt. Auf die Problematik der Ge- Hilfspylone, die im Bauzustand auf den zwi-
lenkanordnung an Stellen größerer Durch- schen der Strombrücke und den Vorland-
biegungen mit wegen der Gelenke entspre- brücken befindlichen Trennpfeilern stan-
chenden Knicken infolge der zeitabhängi- den. Die Hilfspylone wurden mit Litzen zu
gen Neigungsänderungsdifferenzen wird den zuvor fertiggestellten Überbauten der
im Abschnitt 5.2.1 eingegangen. Vorlandbrücken zurückgespannt.
Die Nibelungenbrücke ist heute insbe- 1962/1965 wurde bei Bendorf in der
sondere in Verkehrs-Spitzenstunden über- Nähe von Koblenz die Bendorfer-Brücke
lastet. Deshalb wurde von 2005 bis 2008 über den Rhein (Bilder 1.4-55 und 5.2.1-14)
eine zweite Rheinbrücke gebaut. Die neue gebaut [Finsterwalder/Schambeck, 1965],
Brücke steht in einem Abstand der Brü- eine im Freivorbau errichtete Autobahn-
ckenachsen von 30 m neben der bestehen- brücke mit einer größten Spannweite
den Brücke. Der Überbau der neuen Strom- von 208 m für die Mittelöffnung, die zur
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 89

Bild 1.4-55   Bendorfer-Brücke

Nibelungenbrücke Worms

57,10 57,10

Rheinbrücke Bendorf

104,00 71,00

Bild 1.4-56   Gegenüberstellung der Anordnung der Spannbewehrung bei der Nibelungen-Brücke


in Worms und der Bendorfer-Brücke, Bild aus [Finsterwalder/Schambeck, 1965]

Zeit ­ihrer Fertigstellung die mit Abstand am brücken nach diesem Bauverfahren ausge-
weitesten gespannte Beton-Balken­brücke führt. Besonders viele solcher Brücken, zum
war. An Hand des Bilds 1.4-56 wird gezeigt, Teil auch in modifizierter Form, wurden in
dass die Bewehrungsführung sich von dem Japan und Skandina­vien gebaut, darunter
der Nibelungenbrücke unterscheidet. Wäh- die Hamana-Brücke in Japan (Bild 1.4-57)
rend bei der 1951/53 gebauten Nibelungen- mit 240 m Spannweite und die mit 301 m
brücke die Längsbewehrung zum überwie- Spannweite zur Zeit am weitesten gespannte
genden Teil als Schubbewehrung in die Betonbalkenbrücke, die Stolma Brücke in
Stege gezogen und dort bauabschnittsweise Norwegen (Bild 9.1.3-14). Im Abschnitt
verankert wurde, wurden bei der etwa 10 9.1.3 wird auf Freivorbaubrücken ausführ-
Jahre später gebauten Bendorfer-Brücke die lich eingegangen.
Vorspann-Längsbewehrung und die vorge- Bei Betonbrücken mittlerer Spannweiten
spannte Schubbewehrung getrennt. wurden zur wirtschaftlichen Herstellung­
Nach den wirtschaftlich für große Spann- der Brücken zahlreiche Verfahren mit um-
weiten erfolgreichen Ausführungen der im setzbaren und verschiebbaren Gerüstträgern
freien Vorbau vorgespannten Brücken wur- entwickelt. Dazu wird in erster Linie auf den
den weltweit sehr viele vorgespannte Beton- Abschnitt 9.1.2, aber auch auf den Ab-
90 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-57   Hamana-Brücke in Japan

schnitt 5.2.1, insbesondere die Bilder 5.2.1- auch besonders wirtschaftlich ist. Ausführ-
20 bis -24, verwiesen. Im Abschnitt 5.2.1 lich wird auf die Herstellung der Brücken
werden auch die mit diesem Herstellungs- im Taktschieben im Abschnitt 9.1.4 einge­
verfahren verbundenen Prob­leme mit der gangen.
Vorspannung der Spannglieder an Fugen in
Bauabschnittsgrenzen erörtert.
Das von Fritz Leonhardt und Willy Baur 1.4.5 Moderne Schrägkabelbrücken
entwickelte Taktschiebe-Verfahren vereini-
gt zur Herstellung monolithischer Trag- Die grundlegende Konzeption der Schräg-
werke die Vorteile der werkmäßigen Ferti- kabelbrücken ist nicht neu und wurde schon
gung in einer Feldfabrik mit denen der bei einigen Brücken im 18. und 19. Jahr-
Ortbetonbauweise in idealer Weise. Die hundert angewendet. In Japan wurde 1873
Fertigungsanlage bietet Witterungsschutz, sogar eine auf dem Pfeiler drehbare Schräg-
es herrschen praktisch Arbeitsbedingungen kabelbrücke, die Aji-Fluss-Brücke bei Osa-
wie in einer Fabrik. Die sich ständig wie- ka (Bild 1.4-58), errichtet, die man damals
derholenden Arbeitsgänge senken den Magnetnadelbrücke nannte [Japan Ass.,
Zeitaufwand für die einzelnen Arbeitsgän- 1984]. Johann August Röbling ordnete bei
ge. Es zählt zu den erfolgreichsten Bauver- seinen Hängebrücken bereits zusätzliche
fahren zur Herstellung von Betonbrücken, Schrägkabel an. Dischinger griff diese Kon-
weil es neben den erwähnten Vorteilen struktionsidee wieder auf und entwickelte

Bild 1.4-58   Aji-Fluss-Brücke (Bild: Kobe City Museum)


1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 91

sie weiter [Dischinger, 1949-1]. Er wies da- einer Arbeitsgemeinschaft unter der tech-
rauf hin, dass Röbling in Ergänzung zu den nischen Federführung der Hein, Lehmann
vertikalen Hängern nach der Montage zur AG gebaute Theodor-Heuss-Brücke in Düs­
Erhöhung der Steifigkeit der Brücke durch seldorf. Es folgten die Severinsbrücke in
Winden angespannte Schrägkabel in seine Köln (1959, 302 m), die Norderelbe-Brücke
Hängebrücken eingebaut hat. Weil Röbling in Hamburg (1963, 172 m), die Rheinbrü-
damals zur Vorspannung der Schrägkabel cke in Leverkusen (1965, 280 m), die Rhein-
nur Winden verwenden konnte, war die Ka- brücke in Maxau (1966, 175 m), die Rhein-
belvorspannung nur mäßig. Auch die zuläs- kniebrücke in Düsseldorf (1969, 319 m)
sigen Spannungen waren damals nur ver- und die Rheinbrücke in Duisburg (1970,
hältnismäßig niedrig. Die Schrägkabel wa- 350 m). Die gemeinsamen Merkmale der
ren deshalb nur bedingt wirksam (Kabel- genannten ersten Schrägkabelbrücken in
durchhang, ideeller Elastizitätsmodul der Deutschland sind die Ausführungen so-
Kabel), was einer der Gründe der notwen- wohl der Pylone als auch der Träger als
digen Instandsetzung der Brooklyn-Brücke Stahlkonstruktionen, die Anwendung der
war, die 1944 bis 1954 von David Bernard orthotropen Platte als Stahlleichtfahrbahn
Steinman bei gleichzeitiger Ertüchtigung und die Anordnung der wenigen dicken
der Brücke vorgenommenen worden war. vollverschlossenen Kabel mit großen Ab-
Röbling und Dischinger können als die gei- ständen. Nach dieser Bauweise wurden un-
stigen Wegbereiter des modernen Schräg- ter anderem auch die Onomichi Brücke in
kabelbrücken-Systems gelten. Hiroshima, Japan (1968, 215 m), die Erskin
Die beiden Brücken, die das Tor für die Brücke in Glasgow, England (1971, 305 m),
rasche Entwicklung der modernen Schräg- die Donaubrücke in Bratislava, CSSR
kabelbrücken mit großen Spannweiten ge- (1972, 303 m) und die Donaubrücke in
öffnet haben, sind die Strömsundbrücke in Linz, ­Österreich (1972, 215 m) gebaut.
Schweden mit 182 m Spannweite mit bü- Die für den Bau moderner Schrägkabel-
schelartiger Anordnung der Kabel (Defini- brücken als einer der Marksteine zu nen-
tion nach Feige s. Bild 5.2.1-34) von je zwei nende Theodor-Heuss-Brücke in Düssel-
Kabeln von den beiden Pylonköpfen nach dorf (Bild 1.4-59) mit 15 m Fahrbahnbreite
jeder Seite, die 1955 von der DEMAG ist zwischen den Geländern 26,6 m breit
Duisburg gebaut wurde und die in den Jah- und zur Längsachse symmetrisch. Sie hat
ren 1955 bis 1957 nach dem Entwurf von zwei kastenförmige 1,6 m breite Hauptträ-
Helmut Homberg mit harfenartiger Kabel­ ger mit konstanter Konstruktionshöhe von
anordnung (Definition nach Feige s. Bild 3,4 m, in denen die jeweils drei zueinander
5.2.1-34) und mit 260 m Spannweite von parallelen Schrägkabel zur Aufhängung der

Bild 1.4-59   Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf


92 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Träger über in den Kästen angeordnete Längsrichtung unsymmetrisch nach bei-


Querschotte verankert sind. Die Pylone den Seiten, Streckträger mit 3,15 hohem
sind mit dem Streckträger biegesteif ver- Hohlquerschnitt mit dem Obergurt als
bunden und bilden jeweils mit Querschei- orthotroper Fahrbahnplatte
ben in und zwischen den Kastenträgern • Rheinkniebrücke: ein100 m hohes Py­
einen nach oben offenen Halbrahmen. Die lonen­paar mit je vier parallelen Kabel­
Brücke ist an einem Pylon horizontal un- ­pa­aren, in Längsrichtung leicht un­
verschieblich, am anderen Pylon auf zwei symmetrisch, Streckträger als zwei­
Linienkipplagern verschieblich gelagert. stegiger Plattenbalken mit ca. 3 m Steg-
Am Pylon sind das untere und das obere höhe und orthotroper Fahrbahnplatte
der drei Kabel längsbeweglich auf dreh­
baren Sektorlagern aufgelagert, während Auf die besonders interessante Oberkasse-
das mittlere Kabel mit dem Pylonsattellager ler Brücke wird in den Abschnitten 5.5.5.1.3
fest verbunden ist [Lange et al., 1974]. und 9.2.5 eingegangen.
Danach wurden in verschiedenen Län- Mit dem Bau der von vielen Kabeln ge-
dern viele Schrägkabelbrücken mit Harfen- stützten Friedrich-Ebert-Brücke über den
anordnung gebaut, unabhängig davon, ob es Rhein in Bonn (1967, 280 m) wurde die
sich um in der Stahl-, Spannbeton- oder Ver- bahnbrechende Anordnung der Kabel als
bundbauweise errichtete Brücken handelt. Vielkabelsystem (Bilder 1.4-61 und -62)
Darunter ist auch die sogenannte Düssel- verwirklicht. Die Kabel sind fächerartig
dorfer Brückenfamilie (Bild 1.4-60), die aus (Definition nach Feige, s. Bild 5.2.1-34) an-
den drei innerstädtischen Rheinbrücken be- geordnet. Als Vielkabelysteme wurden auch
steht, die 1952 gleichzeitig vom Brücken- die beiden kurz danach gebauten Rheinbrü-
und Tunnelbauamt der Stadt ­Düsseldorf cken in Rees-Kalkar (1967, 255 m) und in
unter Leitung von Oberbaudirektor Erwin Ludwigshafen (1968, 140 m) errichtet. Der
Beyer unter Beteiligung des Architekten Schritt von den zuvor gebauten Zwei- und
Prof. Dr. h. c. Friedrich Tamms als Schräg­ Dreikabelsystemen zum Vielkabelsystem,
kabelbrücke in Harfenform geplant wurden. die Friedrich-Ebert-Brücke ist ein 20-Kabel­
Es sind die bereits genannte Theodor-Heuss- system, wäre kaum möglich gewesen, wenn
Brücke mit 260 m Hauptspannweite, die nicht inzwischen leistungsfähige elektroni-
Ober­kasseler Brücke mit 258 m Hauptspann­ sche Datenverarbeitungsanlagen zur Be-
weite und die Rheinkniebrücke mit 319 m rechnung zur Verfügung gestanden hätten.
Hauptspannweite. Obwohl das Konzept der Beim Bau der George-Street-Brücke in
Brücken­familie mit einander angeglichenen Newport, England (1964, 152 m) wurde eine
Kabelneigungen einheitlich ist, unterschei- Kombination von Spannbeton- und Stahl­
den sich die drei Brücken konstruktiv doch träger und Beton-Pylon erfolgreich ­erprobt.
signifikant [Lange et al., 1974]: Diese Bauweise wurde unter an­derem bei
• Theodor-Heuss-Brücke: zwei 43 m hohe der Rheinbrücke zwischen ­Mann­heim und
Pylonenpaare (Pylonenhöhenangaben Ludwigshafen (1971, 287 m), der Rhein­
jeweils über dem Pfeiler) mit je drei brücke Düsseldorf-Flehe (1979, 368 m), der
parallelen Kabelpaaren, in Längsrichtung Askeröfjord-Brücke in Göteborg, Schweden
symmetrisch nach beiden Seiten, Streck- (1980, 366 m), der Normandie-Brücke in
träger als zweistegiger Plattenbalken mit Frankreich (1995, 856 m), der Tatara-Brü-
ca. 3,4 m hohen Kastenträgern als Stege cke in Hiroshima, Japan (1999, 890 m) und
und orthotroper Fahrbahnplatte der Shantou-Dangshi-Brücke in China
• Oberkasseler Brücke: ein 103 m hoher (1999, 518 m) angewendet. Die Pylone die-
Pylon mit je vier parallelen Kabeln, in ser Brücken, mit Ausnahmen der Rhein­
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 93

Bild 1.4-60   Düsseldorfer Brückenfamilie (Bild von der Stadt Düsseldorf zur Verfügung gestellt)

Bild 1.4-61   Friedrich-Ebert-Brücke in Bonn

Bild 1.4-62   Linksrheinischer Pylon mit


Schrägkabeln der Friedrich-Ebert-Brücke
in Bonn
94 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.4-63   Schräg­
kabelbrücke der Farbwerke
Hoechst in Frankfurt (Bild:
DYWIDAG-Archiv)

brücke Mannheim-Ludwigshafen und der Rom, Italien (1967, 145 m), die Mainbrücke
Tatara Brücke sind aus Beton. der Farbwerke Hoechst in Frankfurt
Obwohl beim Bau der oben genannten [Schambeck, 1973] (1972, 148 m, Bilder
Rheinbrücke in Mannheim-Ludwigshafen 1.4-63 und -64, s. auch Bild 5.2.1-39), die
statt vollverschlossener Seile Paralleldraht- Tielse-Brücke in Tiel, Niederlande (1975,
bündel mit plastischem Wrapping zur Aus- 267 m, s. Bild 5.2.1-38), die Brotonne-
führung kamen, blieb in Deutschland diese Brü­cke in Le Havre, Frankreich (1977,
Kabelbauweise eher eine Ausnahme. Dage- 320 m), die Pasco-Kennewick-Brücke in
gen wurden in Japan nach der Fertigstel- Amerika (1978, 299 m), die von Menn ent-
lung der Toyosato-Brücke in Osaka (1970, worfene Ganter­brücke bei Brig, Schweiz
216 m) Paralleldrahtbündel zur Standard- (1980, 174 m, Bild 1.4-65), die Barrios de
kabelbauweise, zuerst vom plastischen Luna Brücke in Leon, Spanien (1984,
Wrapping und später vom Umhüllungsrohr 440 m), die Parana-Brücke in Posadas-En-
aus Polyäthylen (PE) umgeben. Zur Zeit carnacion, Argen­tinien-Paraguay (1984,
findet auch in an­deren Ländern diese 330 m), die Skarn­sun­det-Brücke in Norwe-
Kabelbauweise mit PE Schutzrohren viele
Anwendungsbeispiele.
1962 wurde von R. Morandi eine Spann-
betonschrägkabelbrücke über den Mara-
caibo See in Venezuela (s. Bild 5.2.1-36),
deren größte Spannweite 235 m beträgt, er-
richtet. Von ihm wurden weitere Spannbe-
tonschrägkabelbrücken entworfen, z. B. die
Polcevera-Brücke in Genua, Italien (1966,
208 m) und die Wadi el Kuf Brücke in
El Beida in Libyen (1971, 202 m, s. Bild
5.2.1-37). Neben diesen Brücken von
­Morandi existieren viele andere Spannbe- Bild 1.4-64   Pylonkopf der Schrägkabelbrücke
tonschrägkabelbrücken. Nur einige davon der Farbwerke Hoechst in Frankfurt (Bild: Dywi­
seien genannt: die Magliana-Brücke in dag-Archiv)
1.4 Brücken von der Renaissance bis zur Gegenwart 95

Bild 1.4-65   Ganterbrücke
bei Brig, Schweiz

gen (1991, 530 m) und die Changjiang- (1995, 381 m), die Zweite Severn-Brücke in
Brücke in Chongging, China (1996, 444 m). England (1996, 456 m), die Tingkau-Brücke
In Japan gibt es ebenfalls zahlreiche in Hongkong, China (1998, 475 m), die
Spannbetonschrägkabel­brücken. Seohae-Brücke in Korea (2000, 470 m), die
Die Kombination der Baustoffe Stahl zweite Changjiang-Brücke in Nanjing,
und Beton mit der wirtschaftlichen Auf- China (2001, 628 m).
nahme von Druckbeanspruchungen durch In den letzten Jahren wurden in China
den Beton zur Verbundbauweise bietet viele große Schrägkabelbrücken gebaut,
ideale Vorteile dieser Bauweise für Schräg- insgesamt etwa 16 Schrägkabelbrücken mit
kabelbrücken. Es ist erstaunlich, dass, ob- Spannweiten über 500 m. Die größte
wohl die Verbundbauweise schon unter Schrägkabel­brücke in China ist die Sutong-
anderem beim Bau der Büchenauer Brücke Brücke über den Changjiang in der Provinz
in Bruchsal, Deutschland (1956, 56 m), der Jiangsu (Bilder 1.4-66 und -67). Die Spann-
Sitka- Hafenbrücke in Alaska, Amerika weite der Mittelöffnung beträgt 1088 m. Sie
(1972, 137 m) und der Yamato Brücke in ist damit vor der Tatara-Brücke in Japan
Osaka, Japan (1974, 83 m), angewendet mit der Spannweite der Mittelöffnung von
worden war, erst 1986 eine große Brücke in 890 m, der bis dahin größten Spannweite
dieser Bauweise mit dem Bau der Alex- einer Schrägkabelbrücke, die Schrägkabel-
Fraser-Brücke in Vancouver, Kanada, mit
465 m Spannweite gebaut, wurde. Die Pylo-
ne der Brücke bestehen aus Beton. In der
Folgezeit breitete sich diese Bauweise sehr
rasch in verschiedenen Ländern außer in
Japan aus. Im Folgenden werden nur einige
Brücken genannt: die Zweite Hooghly-Brü-
cke in Kalkutta, Indien (im Jahr 1992, 457
m Spannweite), die Mezcala-Brücke in Me-
xiko (1993, 312 m), die Yangpu-Brücke in
Shanghai, China (1993, 602 m), die Fred
Hartman Brücke bei Baytown, America Bild 1.4-66   Sutong-Brücke, Seeansicht
96 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.5 Aktuelle Entwicklungen,


Bemerkungen zur Gestaltung
von Brücken und zu besonderen
Bedeutungen

1.5.1 Aktuelle Entwicklungen

Vor allem in den letzten Jahrzehnten wurde


die Leistungsfähigkeit der Baustoffe des
Konstruktiven Ingenieurbaus zunehmend
verbessert. Darunter zählen besonders auch
die Entwicklungen in der Betontechnologie
für den Betonbau. Ab 1998 wurden, nach-
dem zuvor bereits im Ausland, z. B. in Japan,
Dänemark, Norwegen und Frankreich, ei-
nige Brücken aus Hochleistungsbeton ge-
baut wurden [König/Grimm, 2000], auch in
Deutschland die ersten Brücken aus diesem
Baustoff ausgeführt [Bernhardt et al., 1999],
[Zilch et al., 2002], [König et al., 2002], s.
auch Abschnitt 5.1. Als Hochleistungsbe-
tone (High Performance Concrete, HPC)
Bild 1.4-67   Sutong-Brücke, Pylone werden heute Betone der Festigkeitsklassen
C55/67 bis C100/115 bezeichnet. Hochleis-
tungsbeton hat eine dem Normalbeton ver-
gleichbare Dichte. Die im Vergleich zum
brücke mit der größten Spannweite auf der Normalbeton geringfügig höheren Dichten
Erde. Erwähnenswert ist, dass Pfähle für (etwa 5 bis 10% des Zementgewichts), die in
die Pylone teilweise 120 m tief eingeschla- der Baupraxis vernach­lässigbar sind, und
gen werden mussten. höheren Festigkeiten werden vor allem
Zur Abrundung wird auf den Abschnitt durch ein verbessertes Matrixgefüge (Bei-
3.8 verwiesen, in dem unter gabe puzzolanischer Zusatzstoffe – Microsi-
lika, Steinkohleflug­asche – und eine höhere
• 3.8.1 von Christian Menn die Sunni-
Dichte infolge des geringen Wasserzement-
bergbrücke in der Schweiz,
werts) und gute Verbundwirkung in den
• 3.8.7 von Jacques Mathivat der Le Pont
Kontaktzonen zwischen der Matrix und den
de Brotonne in Frankreich,
groben Körnern des Betonzuschlags er-
• 3.8.8 von Alfred Pauser die Donaukanal-
reicht. Dies führt nicht nur zu höheren
brücke in Wien in Österreich,
Festig­keiten im Vergleich zu Normal­
• 3.8.10 von Michel Virlogeux die Nor-
betonen (Festigkeitsklassen bis C50/60),
mandiebrücke in Frankreich,
sondern bewirkt auch eine höhere Wider-
• 3.8.12 von Herbert Schambeck die
standsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse und
Schrägseilbrücke Dubrovnik in Kroatien,
damit auch eine höhere Dauerhaftigkeit
von den Entwurfsverfassern moderne [Grübl et al., 2001]. Zu beachten sind die
Schrägkabelbrücken vorgestellt und erläu- zeitabhängigen Verformungen des Hoch-
tert werden. leistungsbetons im Vergleich zum Normal-
1.5 Aktuelle
Bemerkungen
Entwicklungen,
zur Gestaltung
Bemerkungen
vonzur
Brücken
GestaltungvonBrückenundzubesonderenBedeutungen 97

beton. Die Kriechverformungen nehmen Die hohe Leistungsfähigkeit beruht vor


mit zunehmender Festigkeit ab, ihr Endwert allem auf dem niedrigen Wasser-Zement-
wird nach kürzerer Zeit erreicht. Der che- wert, der etwa bei 0,2 liegt, einem hohen
mische Schwindanteil ist beim Hochleis- Feststoffgehalt (Zugabe geeigneter minera-
tungsbeton bedeutend, er ist im Vergleich lischer Zusatzstoffe), einer hohen Packungs-
zum Normalbeton deutlich größer. Das dichte sowohl im Zementstein als auch des
Austrocknungsschwinden ist dagegen ge- Grobkorns der Betonzuschlagsstoffe mit
ringer als beim Normalbeton. In der Regel einem niedrigen Wasserbedarf des Frisch-
ergeben sich beim vorgespannten Hoch­ betons mit der daraus folgenden sehr nied-
leistungsbeton gegenüber dem Normalbe- rigen Porosität des Festbetons und der Ver-
ton geringere zeitabhängige Spannkraftver- wendung von Stahl- und anderen Fasern
luste [Taferner et al., 2009, Abschnitt 4.1], [Schmidt, 2003].
weil die Einflüsse des Kriechens des Betons In Deutschland wurde 2005 als Ersatz
und des Austrocknungsschwindens domi- für einen korrodierten Fußgängersteg aus
nieren. An­dererseits ist der Abbau von Stahl, der der Anbindung eines Sportplatzes
Zwangsein­wirkungen und der Zwänge aus und eines Schwimmbads in Niestetal bei
Setzungen geringer als bei der Verwendung Kassel diente, als Pilotprojekt die erste Fuß-
von Normalbeton. Besonders ist zu beach- gänger- und Radwegbrücke als in Längs-
ten, dass der hohe chemische Schwindanteil richtung vorgespannte Fertigteilbrücke aus
während der Erhärtung des Betons entsteht faserbewehrtem Ultra Hochfestem Beton
und deshalb unbedingt mit den Beanspru- (UHFB) gebaut. Außer der Vorspannbe-
chungen aus den Einflüssen aus dem Abflie- wehrung enthält die Brücke ausschließlich
ßen der Hydratationswärme überlagert im Einleitungsbereich der Vorspannkräfte
werden muss. Dies ist besonders an Beto- in den Beton Bewehrung aus Betonstahl.
nierfugen zu beachten. Die Spannweite beträgt etwa 12 m, die Brei-
In den letzten Jahren wurden Betone mit te 3 m. Die Brücke wurde im Fertigteilwerk
noch deutlich höheren Festigkeiten entwi- in einem Stück hergestellt, das Gewicht be-
ckelt, deren Druckfestigkeiten 200 N/mm2, trug etwa 12 t, und auf einem Tieflader zur
ja sogar unter Laborbedingungen bis zu Einbaustelle transportiert. In Niestetal wur-
800 N/mm2 erreichen können. Sie werden den bis 2005 insgesamt vier Fußgänger-
Ultra Hochfester Beton (UHFB) oder Ultra und Radwegbrücken, eine davon aus be-
High Performance Concrete (UHPC) ge- wehrten Fertigteilplatten auf einer Stahl-
nannt. Über erste Entwicklungen wurde konstruktion, aus UHFB gebaut [Schmidt
aus Frankreich berichtet. Dann wurden et al., 2006]. Beim Bau der Brücken erwies
einige Brücken im Ausland, z. B. in Kanada, sich, dass sie trotz der Einholung erforder-
Südkorea und in den USA gebaut [Müller/ licher Zustimmungen im Einzelfall kosten-
Reinhardt, 2009, Abschnitt 12.5]. günstiger waren als in herkömmlicher Bau-
Ultra Hochfester Beton ist ein besonders weise.
gefügedichter Beton. Die verwendeten Danach wurde die erste größere Brücke
größten Korngrößen des Betonzuschlags aus UHFB in Deutschland gebaut, die 2007
betragen 16 mm oder weniger. Der Stand fertiggestellte Gärtnerplatzbrücke in Kas-
der derzeitigen Betontechnologie ermög­ sel, eine Fußgänger- und Radwegbrücke als
licht es, zielsicher Betondruckfestigkeiten Durchlaufträger über sechs Felder mit einer
bis zu etwa 200 N/mm2 und etwas darüber Gesamtlänge von 133 m. Die Spannweiten
herzustellen [Schmidt, 2003], [Schmidt/ der sechs Felder betragen 19,2 m – 24,0 m
Fehling, 2007-2]. Die Druckfestigkeit ist – 21,0 m – 36,0 m – 21,0 m – 12,0 m. Die
also fast so hoch wie die von Stahl. Brücke sollte eine anlässlich der Bundes-
98 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

gartenschau 1981 in Kassel gebaute Holz-


brücke ersetzen. Die Holzbrücke war nicht
mehr gebrauchstauglich und standsicher,
u. a. war ein Längsträger durch Pilzbefall
sehr geschädigt. Sie musste abgebrochen
werden. Die Fundamente und Pfeiler der
Holzbrücke sollten für die neue Gärtner-
platzbrücke verwendet werden, woraus sich
für die neue Brücke die vorgenannten
Spannweiten ergaben.
Nach bereits 10 Jahren intensiver For-
schung auf dem Gebiet des Ultra Hoch- Bild 1.5-1   Gärtnerplatzbrücke in Kassel
festen Betons an der Universität Kassel
[Schmidt/Fehling, 2007-1] und mit den gu-
ten Erfahrungen mit den oben beschrie- spannkraft angeordnet, wodurch auch die
benen kleineren Brücken aus UHFB ent- aufgeklebten Platten in Längsrichtung vor-
warf das Ingenieurbüro IBB Fehling und gespannt werden. Die Vorspannung ist so
Jungmann die Brücke [Fehling et al., 2007]. gewählt, dass sowohl im Grenzzustand der
Sie ist zwar als Fußgänger- und Radweg- Gebrauchstauglichkeit als auch im Grenz-
brücke bemessen, aber sie soll auch das Be- zustand der Tragfähigkeit die Obergurte
fahren eines Rettungs- oder Wartungsfahr- überdrückt sind.
zeuges mit 6 t Gesamtgewicht gewährleis­ Die Gärtnerplatzbrücke, ein anspruchs-
ten. Lasten aus Eisgang und Schiffsstoß volles Pilotprojekt des Brückenbaus, wird
wurden bei der Bemessung berücksichtigt. durch eine kontinuierliche Dauerüberwa-
Die bestehenden Pfeiler stehen schief- chung, auch Monitoring genannt, beauf-
winklig zur Achse der Brücke, weshalb sich sichtigt. Ziel der Dauerüberwachung ist es,
das gewählte Dreigurtfachwerk anbot, was die für die Bemessung der Konstruktion
zu einer übersichtlichen Ansicht führte getroffenen Annahmen zum Verhalten der
(Bild 1.5-1). Im Bereich des Flusses ist die Baustoffe, der Konstruktion und der Ver-
Gradiente in der Vertikalebene gekrümmt. bindungsmittel an der fertigen Brücke un-
Der Untergurt und die Diagonalen des im ter realen Bedingungen in der Praxis hin-
Querschnitt dreiecksförmigen Längsträgers sichtlich ihrer Gültigkeit zu überprüfen
bestehen aus Stahlrohren, während die und strukturelle Veränderungen im Laufe
Obergurte aus im Spannbett vorgespannten der Zeit festzustellen. Es werden lokale Ver-
UHFB-Fertigteilen bestehen. Die 8 cm bis zerrungen, die Relativverschiebungen zwi-
12 cm dicken, in Querrichtung vorge- schen den Platten und den Obergurten
spannten Fertigteilplatten mit Abmes- überwacht. Parallel sind die jeweils herr-
sungen im Grundriss von 2 m × 5 m werden schende Temperatur und die Feuchte zu
mit den Obergurten verklebt. Die Verkle- erfassen. Die kontinuierliche Dauerüber-
bung wurde gewählt, weil die kleinen Quer- wachung, die über eine experimentelle Mo-
schnittsabmessungen sowohl der Ober- dalanalyse erfolgt, beginnt mit der Über-
gurte als auch der Fertigteilplatten die Ver- prüfung der Entwurfsannahmen zur Vali-
wendung mechanischer Verbindungsmittel dierung eines strukturdynamischen Finite
kaum zuließen. Für den Endzustand ist je Element Rechenmodells, das dann als An-
Obergurt ein über die gesamte Brücken­ fangsmodell für die nachfolgenden Model-
länge durchgehendes Spannglied mit Lit- le dient [Fröhlich et al., 2009]. Dazu gehö-
zenspanngliedern von jeweils 2 MN Vor- ren neben den gemessenen Schwingungs-
1.5 Aktuelle
Bemerkungen
Entwicklungen,
zur Gestaltung
Bemerkungen
vonzur
Brücken
GestaltungvonBrückenundzubesonderenBedeutungen 99

daten auch die bei quasi statischer Über- die den Entwurfsingenieuren als Vorbilder
fahrt eines Belastungsfahrzeugs gemes- dienen können. In manchen Fällen ist es
senen Einflusslinien für die Neigungen der ratsam bei der Gestaltung Architekten zu-
Brücke. zuziehen. Dabei muss aber klar sein, dass
Im Abschnitt 11.7 wird auf die kontinu- ein guter Entwurf nur in echter Zusam-
ierliche Dauerüberwachung im Allgemei- menarbeit im Dialog, und das von Anfang
nen eingegangen, worauf hier verwiesen an, entstehen wird. An den im Abschnitt
wird. 1.4 gezeigten Brücken haben an einigen
Architekten mit den entwerfenden In­ge­
nieuren zusammengearbeitet. An den Brü-
1.5.2 Bemerkungen zur Gestaltung cken der Düsseldorfer Brückenfamilie (Bild
von Brücken 1.4-60) war dies Friedrich Tamms, bei den
Rheinbrücken in Worms und bei Bendorf
Bereits im Abschnitt 1.1 wurde ausgeführt, ist Gerd Lohmer zu nennen.
dass Brücken häufig an markanten Stellen Auf den folgenden Abschnitt 1.6 wird
unserer Städte und Verkehrswege stehen. verwiesen.
Es ist wichtig die Brücken nachhaltig zu Beispielhaft seien hier subjektiv ausge-
bauen. Darunter verstehen wir nicht nur wählte, wie wir meinen, gut gestaltete Brü-
die optimierten Baukosten bezogen auf die cken gezeigt.
Lebenszeit der Brücke, sondern auch ihre Zunächst ist die 1960 bis 1962 nach dem
Bedeutung für das Wohlempfinden der Entwurf des Bauingenieurs Hermann Bay
Menschen. Der Ingenieur muss sich stets und des Architekten Wilhelm Tiedje von
seiner Verantwortung bei der Gestaltung den Firmen Wayss & Freitag und Karl Küb-
und der harmonischen Einfügung der Brü- ler gebaute Glemstalbrücke in Schwieber-
cken in ihre Umgebung, sei es in der Stadt dingen, Bild 1.5-2, als ausgesprochenes
oder in der Landschaft, und ihre Wirkung Kunstwerk des Ingenieurbaus erwähnens-
auf die Menschen bewusst sein. Manchmal wert. Die Brücke besteht aus einem über
sind die Differenzkosten einer gut gestal- 114 m gespannten, kastenförmigen Beton-
teten Brücke zu den Kosten einer soge- bogen und dem darüber befindlichen
nannten billigen Lösung gering. Dann sollte durchlaufenden Beton-Kastenträger, der
stets die Entscheidung getroffen werden, im Scheitelbereich des Bogens durch diesen
die gut gestaltete Brücke zu bauen. Damit
keine Missverständnisse aufkommen, es ist
nicht gemeint, dass eine schöne Brücke
nicht preiswert ist. Im Gegenteil, eine wohl
gestaltete Brücke benötigt kein dekoratives
Beiwerk. Nur was für das Bauwerk erfor-
derlich ist, soll die Brücke haben. Dabei
sind klare Formen, die den Kraftfluss er-
kennen lassen besonders wichtig. Nur so
wird Ingenieurbaukunst erreicht. Robert
Maillart hat uns mit seinen Brücken ge-
zeigt, dass gerade sparsames Bauen zu gu-
ten Lösungen führen kann. Ihm als Vorbild
nachzueifern ist eine dankbare Aufgabe für
jeden Ingenieur. Die im Abschnitt 3.8 ent-
haltenen Brücken sind durchweg Beispiele, Bild 1.5-2   Glemstalbrücke in Schwieberdingen
100 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

und durch schlanke Pendelstützen gestützt schnittsform erhalten bleibt und unterstüt-
wird. Der Bogen und der Kastenträger zen die wechselseitige Überleitung der
durchdringen sich im mittleren Drittel der Schnittgrößen zwischen Bogen und
Bogenbrücke. Der Bogen wird deshalb Kasten­träger.
durch den Kastenträger nur in diesem Be- Eine gestalterisch sehr interessante Brü-
reich belastet. Die Bogenform folgt entspre- cke ist die von Schlaich, Bergermann und
chend der vertikalen Belastung (im mittle- Partner entworfene Fußgängerbrücke Prag-
ren Drittel aus dem Kastenträger und der sattel II in Stuttgart, Bild 1.5-3. Die 30 cm
Eigenlast des Bogens, im äußeren Drittel dicke, oder soll man besser dünne sagen,
nur aus der Eigenlast des Bogens) etwa der stark geneigte, durchlaufende Betonplatte
Stützlinie unter Eigenlast, die sich etwas an lagert auf verzweigten Stahlrohren aus ver-
ein Sprengwerk angenähert ergibt. Von der tikalen Stützen, die sich im oberen Bereich
Brückenmitte aus stehen die beiden ersten baumartig in vier Äste teilen. Sie werden
Pfeiler auf den Kämpferfundamenten. Der deshalb als Baumstützen bezeichnet. Trotz
Bogen spreizt sich zur Erhöhung der Quer- vieler Stützen wird der Durchblick kaum
steifigkeit zu den Kämpfern hin auf. In beeinträchtigt. Alle Teile sind an der Lastab-
Längsrichtung hat der Kastenträger seinen tragung beteiligt, auf kein Teil kann ver-
Festpunkt am Bogenscheitel, und der Kas­ zichtet werden, keins ist dekorativ. Die Brü-
tenträger läuft fugenlos zu den Widerlagern cke erfüllt damit das stets anzustrebende
durch, wo die Horizontalverschiebungen Ziel, dass nichts hinzu gefügt werden soll,
aus den Temperaturausdehnungen gewähr- was nicht notwendig ist. Die Knoten- und
leistet sind. Die den Kastenträger in den Anschlusspunkte an die Betonplatte und
Hangbereichen unterstützenden schlanken die Fundamente sind Gussteile. Die Brücke
Pendelstützen folgen fast zwängungsfrei ist filigran und wirkt fast als würde sie
den Bewegungen des Kastenträgers. In schweben. Durch die knallig rote Farbe
Längs- und Querrichtung wirkt der Bogen wirkt die Brücke zudem eigenständig und
wie ein Rahmen, dessen Schwerachsen hebt sich deutlich von der Umgebung ab
weitgehend der Stützlinie unter Eigenlast ohne störend zu wirken.
folgen. Beim Zusammenschluss der Bo- 1966/1967 wurde die Gehwegbrücke
genfüße und dem Anschluss an den Über- über die Einfahrt des Schiersteiner Rhein-
bau sind Querscheiben im Bogen einge- hafens in Wiesbaden nach einem Entwurf
baut. Sie gewährleisten, dass die Quer- von Finsterwalder mit architektonischer

Bild 1.5-3   Fußgängerbrücke Pragsattel II in Stuttgart (Bild von Schlaich, Bergermann und Partner)
1.5 Aktuelle
Bemerkungen
Entwicklungen,
zur Gestaltung
Bemerkungen
vonzur
Brücken
GestaltungvonBrückenundzubesonderenBedeutungen 101

Beratung von Gerd Lohmer und der tech- gens im Bauzustand als Kragträger im
nischen Bearbeitung von Rudolf Ohlig und freien Vorbau. Die Bogenwirkung stellte
Klaus Alsen von Dyckerhoff & Widmann sich mit dem Schließen des Scheitels und
gebaut. Die vorgespannte Zweigelenk-Bo- der Absenkung der Hilfsjoche ein.
genbrücke aus Leichtbeton unter Verwen- Wegen der Höhenverhältnisse der Stra-
dung von Weißzement mit einer Spannwei- ßen am Donaukanal in Wien im Bereich
te von 96,4 m und einer Pfeilhöhe von 12 m der Rossauer Brücke war die Konstruk­
ist eine sehr elegante Brücke (Bild 1.5-4). tionshöhe der über 54,4 m gespannten,
Im Scheitelbereich ist der Bogen so schlank, schräg gestützten Rossauer Brücke extrem
dass er sich fast wie ein Dreigelenkbogen begrenzt, dass nur eine vorgespannte Be-
verhält. Der 1,5 m hohe T-Querschnitt im ton-Platten/Plattenbalken-Konstruktion
Scheitel hat eine 3 m breite Platte mit einem mit einer spinnenartigen Stützung alle vor-
1,5 m breiten Steg. Zur Abtragung der gegebenen Randbedingungen, die auch die
Windkräfte verändert sich der Querschnitt Unterbringung der offen zu führenden Ver-
des Bogens, indem sich im Steg seitlich ein sorgungsleitungen beinhaltete, erfüllte. Die
unterer Flansch ausbildet, dessen Breite auf von Alfred Pauser entworfene und den Fir-
3 m am Kämpfer anwächst. Als Brückenab- men Universale und Porr gebaute sehr
gänge sind Rampen als Dreiecke ausgebil- schlanke 1,3 m dicke Platten/Plattenbalken-
det, die rucksackartig an den Bogen gehängt Konstruktion der Rossauer Brücke, Bild
sind und als Gegengewichte und Zugglie- 1.5-5, wirkt durch die biegesteifen Verbin-
der zur Reduzierung des Horizontalschubs dungen mit der in vier Streben aufgelösten
wirken. Die Rampen und der Teil des Bo- Stützungskonstruktion rahmenartig zu-
gens vom Kämpfer bis zum Abschluss des sammen. In den Randfeldern und über die
Bogen-Rampen-Dreiecks wurden auf ei- Stützkonstruktionen hinaus zum Innenfeld
nem Lehrgerüst mit Hilfsjochen jeweils in besteht der Überbau aus einer Vollplatte,
10 m Entfernung von den Kämpfern herge- die in der Längsachse zur Unterbringung
stellt. Um den Schiffsverkehr während des der Versorgungsleitungen unten streifen-
gesamten Bauvorgang aufrecht zu erhalten, förmig ausgespart und in den Bereichen der
erfolgte der Bau des Mittelbereichs des Bo- Stützungen in Querrichtung vorgespannt

Bild 1.5-4   Brücke über die Ausfahrt aus dem Schiersteiner Rheinhafen in Wiesbaden
102 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.5-5   Stützkonstruktion der Rossauerbrücke über den Donaukanal in Wien (Bild von Prof.
Dr. techn. Alfred Pauser)

ist. Der mittlere Bereich des Innenfelds Bogen oder ein Seil gewählt wird. Bei ent-
wurde unter Verwendung von acht vorge- sprechender Form des Bogens wird dieser
fertigten Spannbetonträgern, zur Reduzie- hauptsächlich auf Druck beansprucht.
rung der Eigenlast mit Hohlquerschnitten, Beim Seil erhält man anstatt der Druck-
und einer Ortbetonplatte, die biege- und eine Zugbeanspruchung. Hängekonstruk­
schubfest mit den Fertigteilträgern, der Voll- tionen haben noch den weiteren Vorteil,
platte und über diese mit der Stützkonstruk- dass sich unter zunehmender Belastung
tion verbunden ist, hergestellt. Die Rahmen- wegen der Formänderungen des Systems
wirkung der zusammengesetzten Konstruk- die Biegebeanspruchung vermindert. Die
tion wird durch die ortspezifisch notwendige größten Spannweiten wurden bisher mit
Schrägstellung der spinnenartigen Stützung etwa 2000 m Spannweite bei Hängebrücken
verstärkt, was sich günstig auf die Verkleine- erreicht, s. o. Fallen die bei Hängebrücken
rung der Feld-Biegemomente auswirkt. wesentlichsten Konstruktionsteile – die
Auch die als Folge der ungünstigen Stützwei- Tragkabel und der Versteifungsträger – zu-
tenverhältnisse entstehenden abhebenden sammen, erhält man das auf einer Idee von
Auflagerkräfte an den Brückenenden wer- Ulrich Finsterwalder beruhende und von
den durch die Rahmenwirkung abgemin- ihm so genannte Spannband als System des
dert. Die ortspezifisch bedingte aufgelöste, Betonbrückenbaus. Finsterwalder schlug
interessante Stützung und das konsequent erstmalig 1958 anlässlich des Brückenwett-
entwickelte Tragwerk der Brücke beein- bewerbs der Brücke in Istanbul über den
druckt die auf dem Vorkai flanierenden Bosporus den Bau einer Spannbandbrücke
Menschen mit dem Blick auf die Untersicht mit freier Spannbandlänge von 190 m vor;
der Brücke, was in der Dunkelheit durch sie wurde nicht nach Finsterwalders Vor-
eine Effektbeleuchtung verstärkt wird. schlag gebaut. Das System der vorgeschla-
Das sparsamste Bauen wird erreicht, genen Brücke ist im Bild 1.5-6 dargestellt.
wenn man die Lasten durch Konstruktio- Ein zweiter Entwurf Finsterwalders aus
nen abträgt, die nur durch Längskräfte be- dem Jahr 1961 für den Bau der Zoobrücke
ansprucht werden. Dies erreicht man da- in Köln mit 166 m freier Spannbandlänge
durch, dass z. B. für die Konstruktion ein wurde ebenfalls nicht ausgeführt.
1.5 Aktuelle
Bemerkungen
Entwicklungen,
zur Gestaltung
Bemerkungen
vonzur
Brücken
GestaltungvonBrückenundzubesonderenBedeutungen 103

Die ersten Spannbandbrücken wurden cke. Insbesondere aus dem Bild 1.5-9 ist die
später in der Schweiz und in Japan gebaut. schöne Einbindung mit dem Übergang in
Erst 1969/1970 wurde in Freiburg/Breisgau das Freizeitgelände gut zu sehen. Im
ein Entwurf Finsterwalders realisiert. Das Abschnitt 5.7 wird ausführlich auf Spann-
System dieser Brücke ist aus dem Bild 1.5-7 bandbrücken eingegangen.
ersichtlich. Die Bilder 1.5-8 und -9 zeigen Im Zuge der Ostumfahrung Stuttgart-
die Eleganz der Freiburger Spannbandbrü- Vaihingens befindet sich direkt zwischen

Bild 1.5-6   Finsterwalders Vorschlag für den Bau der Bosporus-Brücke als Spannband

Bild 1.5-7   System der Spannbandbrücke in Freiburg (Bild: Dywidag-Archiv)

Bild 1.5-8   Spannbandbrücke in Freiburg


104 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.5-9   Spannband-
brücke im Freiburg, Blick
vom Turm des Münsters

zwei Tunneln die 151 m lange, horizontal den anschließenden Tunneln fest verbun-
gekrümmte Nesenbachtalbrücke mit Spann- den, ausgeführt wurde, wurde die üblicher-
weiten zwischen 8,25 m und 49,5 m. Die Be- weise störendste Lärmquelle der Fahrbahn-
tonfahrbahnplatte wird von einem Raum­ übergänge ganz ausgeschaltet. Die Rezeptur
fachwerk aus Stahlrohren aus baum­artig des Betons der Fahrbahnplatte und die Be-
gespreizten Stützen, mit dem sie monoli- wehrung wurden optimiert, damit die auf-
thisch zu einem Verbundtragwerk verbun- tretenden Rissbreiten auf 0,3 mm begrenzt
den ist, gestützt, Bilder 1.5-10 und -11. Die werden. Die Brücke wurde 1997/1999 nach
Rohrknoten sind aus Stahlguss. Der Tunnel- einem Entwurf von Schlaich, Bergermann
querschnitt wird oben optisch durch ­einen und Partner von den Firmen Wolff & Müller,
über der Fahrbahn und unterhalb des Geh- Stuttgart und Stahlbau Illingen gebaut.
und Radwegs über die ganze Brücke dem
Lärmschutz dienenden durchgehenden
­Deckel weitergeführt. Wegen der Lage des 1.5.3 Brücken mit besonderer Bedeutung
Geh- und Radwegs über der Fahrbahn mit
dem Lärmschutzdeckel müssen die Fußgän- Brücken haben in der Vergangenheit mit-
ger und Radfahrer nicht unnötig größere unter schicksalhafte und symbolische Be-
Höhenunterschiede überwinden und Geh- deutung gehabt. Auf die historische Bedeu-
und Radweg sind frei von Lärm, Abgasen tung des Ponte Mulvius wurde bereits im
und Spritzwasser. Seitlich überspannen Abschnitt 1.2.2 hingewiesen.
Stahlrohrbogen die Fahrbahn. Die Stahl- Als am 1. September 1939 Deutschland
rohrbogen tragen Lärmschutz­lamellen, die Polen überfiel und damit den 2. Weltkrieg
je nach der Bebauung hang- oder talseitig auslöste, wurden wesentliche Teile der
angeordnet sind. Weil die Brücke monoli- ­Alten Weichselbrücke bei Dirschau (s. Ab-
thisch fugenlos und ohne Lager, auch mit schnitt 1.4-3) und auch der späteren da­
1.5 Aktuelle
Bemerkungen
Entwicklungen,
zur Gestaltung
Bemerkungen
vonzur
Brücken
GestaltungvonBrückenundzubesonderenBedeutungen 105

Bild 1.5-10   Nesenbachtalbrücke, Schnitt (Bild nach [Bögle et al., 2003])

Bild 1.5-11   Nesenbachtalbrücke, Bild von Schlaich, Bergermann und Partner


106 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.5-12   Beleuchtete Nesenbachtalbrücke in der Dunkelheit, Bild von Schlaich, Bergermann
und Partner

neben gebauten zweiten Brücke als Vertei- sprengt. Nach dem Ende des Kriegs baute
digungsmaßnahme von der polnischen der Polnische Staat die beiden Brücken un-
Armee gesprengt. Von der Alten Weichsel­ ter Beibehaltung der vorhandenen Teile
brücke wurden drei Felder zerstört und drei wieder auf, wobei die fehlenden Teile durch
blieben erhalten. Die drei verbliebenen Neubauten und an anderen Stellen demon-
Felder der Brücke sind heute ein bedeu- tierten Überbauten ersetzt wurden. Im De-
tendes Zeugnis aus den Anfängen des zember 1947 konnte zunächst der einglei-
Eisen­bahnbrückenbaus (Bild 1.4-15). Vom sige Eisenbahnverkehr wieder über die
ASCE wurde der verbliebene Teil der Alten Brücke erfolgen. Schließlich konnte ­sowohl
Weichselbrücke bei Dirschau 2004 in die der zweigleisige Eisenbahnverkehr als auch
Liste der International Historic Civil Engi- der Straßenverkehr gewährleistet werden.
neering Landmarks aufgenommen. Die Als 1973 in der Nähe von Zeulenroda in
sich im Kampf um die vorbereiteten Zünd- Ostthüringen eine stählerne Kastenbrücke
stellen zur Sprengung der Brücke zu Beginn über sechs Felder mit Spannweiten der
des 2. Weltkriegs entwickelnden Kämpfe Endfelder von je 55 m und der Innenfelder
waren möglicherweise die ersten Kampf- von je 63 m für eine Landstraße über einen
handlungen des 2. Weltkriegs. Die bei ih- späteren Stausee im Freivorbau errichtet
rem Bau Mitte des 19. Jahrhunderts als wurde, ereignete sich beim Bau der Brücke
technisches Meisterwerk der Brückenbau- am 13. August, dem 12. Jahrestag des Baus
kunst gepriesene Brücke erlangte damit der Mauer in Berlin, ein tragischer Bau­
1939 eine traurige historische Bedeutung. unfall. Während der Montage versagte das
Deutsche Pioniere errichteten eine Behelfs- auf zentrischen Druck beanspruchte Boden-
brücke über die Weichsel, die dann durch blech. Der ins zweite Feld������������������
schon 31,5 m aus-
eine neue zweigleisige Eisenbahnbrücke er- kragende Brückenteil knickte ab, stürzte auf
setzt wurde. Die zerstörten Teile der Alten den Talgrund und riss Arbeiter und Geräte
Weichselbrücke wurden während des mit sich. Vier Menschen verloren ihr Leben,
Kriegs nicht ersetzt. Zum Ende des Kriegs etliche wurden zum Teil schwer verletzt, und
wurde die ­Eisenbahnbrücke beim Rückzug es entstand ein hoher Sachschaden. Nach
der deutschen Soldaten von diesen ge- dem damaligen Stand des Stahlbrückenbaus
1.5 Aktuelle
Bemerkungen
Entwicklungen,
zur Gestaltung
Bemerkungen
vonzur
Brücken
GestaltungvonBrückenundzubesonderenBedeutungen 107

Bild 1.5-13   Stauseebrücke Zeulenroda

handelte es sich um ein innovatives Vor­ stellt. An die beim Unfall ums Leben ge-
haben. In den fünf voraus laufenden Jahren kommenen wird mit einem Gedenkstein
hatte es in den demokratischen Staaten meh- erinnert, Bild 1.5-14.
rere ähnliche Schadensfälle (Donaubrücke Eine weitere politische Bedeutung hat
Wien, Cleddaubrücke in Milford-Haven in die Glienicker Brücke in Berlin, Bild 1.5-15.
Wales, Westgate-Brücke in Melbourne und Während der Teilung Deutschlands wurden
Rheinbrücke Koblenz) gegeben, von denen politische Gefangene zwischen Ost und
man als Folge des von der herrschenden West an der Glienicker Brücke ausgetauscht.
­Partei in Ostdeutschland verhinderten In- Dies hat die Brücke weltberühmt gemacht.
formationszugangs (die vorangegangenen
Schadensfälle lösten im Westen Tagungen
zum Thema, Forschungen und Regelwerks­
anpassungen aus) nur unzureichende Kennt-
nis hatte [Ekardt, 1998].
An dieser Stelle soll nicht auf die Scha-
densursachen eingegangen werden. Dazu
wird auf [Ekardt, 1998] und [Scheer, 2000]
verwiesen. Weil der Bauunfall sich aber ge-
rade an einem 13. August ereignete, wurde
vom Ministerium für Staatssicherheit und
der DDR-Justiz zunächst unterstellt, dass es
sich um Sabotage handelte. Später wurde
von den Institutionen der Bauunfall als
Fahrlässigkeit technikverliebter Intelligenz-
ler auf Kosten der Werktätigen gesehen.
Objektiv ist der Unfall auf die damals plan-
mäßig zu geringe Sicherheit im Montage-
zustand und eine Fehleinschätzung der
Tragfähigkeit des Untergurts des Kasten­
trägers zurückzuführen. Die Brücke, Bild Bild 1.5-14   Gedenkstein an der Stauseebrücke
1.5-13, wurde nach dem Unfall fertigge­ Zeulenroda
108 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.5-15   Glienicker
Brücke in Berlin

1.6 Gestaltung von Brücken, und große Ingenieurbauwerke wurden von


Wettbewerbe, Brückenbaupreise den Baumeistern früher ganz selbstver-
ständlich als Teil der Baukultur begriffen
Joachim Naumann und dienten oft der eindrucksvollen Reprä-
sentation der Regenten oder der reichen
1.6.1 Vorbemerkung Städte. Beispiele hierfür sind u. a. das gelun-
gene Ensemble der Steinernen Brücke mit
Die Berücksichtigung einer guten Gestal- dem mächtigen Stadttor in Regensburg aus
tung bei der Planung und Ausführung von dem Jahr 1146 (Bild 1.6-1) oder die Alte
Brücken- und Ingenieurbauwerken hat in Mainbrücke in Würzburg mit den zwölf
Deutschland eine lange Tradition. Viele Brückenheiligen auf den Kanzeln über dem
his­torische Bauwerke zeigen noch heute Fluss als repräsentative Verbindung der
sehr anschaulich, wie viel Aufwand und beiden Stadtteile (Bild 1.6-2). Weitere inte-
Sorgfalt hierauf verwendet wurde. Brücken ressante Beispiele können u. a. [Standfuß/

Bild 1.6-1  Steinerne
Brücke Regensburg
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 109

ßen und ihrer Bauwerke absoluten Vorrang.


Gestalterische Anforderungen waren hier-
bei zeitweise eher von untergeordneter
Bedeutung, Gestaltungswettbewerbe be-
schränkten sich nur auf wenige exponierte
Bauwerke.
Erfreulicherweise hat sich in den letzten
zehn Jahren sowohl auf Fachebene als auch
in der Öffentlichkeit eine intensive und
krea­tive Diskussion entwickelt, die das Be-
wusstsein über eine gute Gestaltung von
Verkehrsbauwerken positiv verändert hat.
In vielen Veranstaltungen, Symposien und
Gesprächskreisen wurden zahlreiche Anre-
gungen gegeben, wie die Gestaltung von
Bild 1.6-2   Alte Mainbrücke Würzburg Bauwerken verbessert werden kann und
welche Bedeutung dies für unser tägliches
Umfeld hat. Die positiven Ergebnisse sind
an vielen Stellen zu besichtigen, auch wenn
Naumann, 2006] und [Standfuß/Naumann, nicht alle Gestaltungsbemühungen immer
2007] entnommen werden. auf Anhieb gelungen sind. Ohne Frage hat
Geändert hat sich dieses Selbstverständ- hierzu u. a. die Initiative Architektur und
nis einer guten Gestaltung erst, als das all- Baukultur, die im Jahr 2000 gemeinsam
umfassende Aufgabengebiet des Baumeis­ vom Bundesverkehrsministerium mit der
ters aufgrund technischer Entwicklungen Bundesingenieurkammer und der Bun-
und Verwendung neuer Materialien sich desarchitektenkammer initiiert wurde, ei-
immer mehr auf die Gebiete der Architek- nen wesentlichen Beitrag geleistet und viele
tur und des Bauingenieurwesens aufteilte. Denkanstöße gegeben. Mit der Gründung
Für die Bauingenieure stand dann bei Brü- der Bundesstiftung Baukultur im Jahre 2007
cken oftmals eher die optimale technische soll dieser Prozess nun verstetigt und damit
Lösung im Vordergrund, während die An- seiner gesellschaftlichen Bedeutung auf
forderungen an die Ästhetik und Gestal- Dauer gerecht werden. Letztendlich hängt
tung der Bauwerke nur von wenigen he- es aber von den an der Planung und Bau-
rausragenden Ingenieuren angemessene durchführung Beteiligten in den Verwal-
Beachtung fanden. Nach dem Zweiten tungen, Ingenieurbüros und Baufirmen ab,
Weltkrieg sorgte im Verkehrswegebau au- ob die vielen guten Ideen auch in die Praxis
ßerdem der wirtschaftliche Aufschwung umgesetzt werden. Wettbewerbe können
und das damit verbundene dynamische hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.
Verkehrswachstum dafür, dass in sehr kur- Wie kontrovers manchmal im Brücken-
zer Zeit eine enorme Anzahl von Ingenieur­ bau das Thema Baukultur ausgetragen wird,
bauwerken zu realisieren war, um mit dem zeigt sich sehr anschaulich an zwei aktu-
Ausbau der dringend benötigten Verkehrs- ellen Beispielen. Während in Dresden seit
wege einigermaßen Schritt zu halten. Jahren darum gestritten wird, ob eine Brü-
Planungs­prozesse standen damit immer cke im Elbtal mit dem Weltkulturerbe ver-
unter hohem Zeitdruck und auch im allge- träglich ist, hat man in Stralsund gezeigt,
meinen gesellschaftlichen Verständnis hat- dass eine gute und ausgewogene Brücken-
te die verkehrsgerechte Funktion der Stra- lösung über dem benachbarten Strelasund
110 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.6-3  Strelasundquerung

durchaus mit dem ebenfalls als Weltkultur- nieurbaukunst, die Stadt- und Regional-
erbe anerkannten Stadtbild harmonieren planung, den Denkmalschutz, die Land-
kann und gleichzeitig der Region neue Im- schaftsarchitektur und die Kunst am Bau.
pulse gibt (Bild 1.6-3). Brücken und Welt- Baukultur ist unteilbar – es gehören alle
kulturerbe sind also ganz offensichtlich Teile der gebauten Umwelt hierzu und je-
kein Gegensatz, wenn der gute Wille für der Beteiligte trägt Verantwortung für sei-
eine optimale Lösung bei allen Beteiligten nen Bereich.
vorhanden ist. Die Ingenieurbauwerke sind die gestal-
terisch dominierenden Teile der Verkehrs-
wege, denn Brücken, Tunnel, Stützwände
1.6.2 Baukultur und Lärmschutzwände fallen in der Regel
Bei dem Stichwort „Baukultur“ fallen den allein durch ihre Abmessung besonders in
meisten Bürgerinnen und Bürgern zu- das Blickfeld der Verkehrsteilnehmer und
nächst nur Beispiele aus dem Hochbau ein, bilden oftmals exponierte Landmarken ei-
wie z. B. Wohngebäude, Kirchen, Theater, ner Strecke. Sie sind ein wesentlicher Teil
Museen, Burgen und Schlösser, die allein unseres täglichen Umfelds und damit auch
durch ihre Funktion und ihre Größe be- wichtiger Teil der Baukultur unseres
sonders auffallen und oftmals durch eine Landes. Keiner kann sich deren gestalte-
repräsentative Bauweise beeindrucken. rischer Wirkung entziehen, auch wenn dies
Aber Baukultur ist selbstverständlich we- oftmals bewusst nicht so empfunden wird.
sentlich mehr, denn Baukultur repräsen- Für den öffentlichen Bauherrn, der für Pla-
tiert den gebauten Ausdruck der kultu- nung, Bau und Erhaltung von Straßen zu-
rellen, wirtschaftlichen und politischen ständig ist, ergibt sich hieraus eine große
Verfassung einer Gesellschaft. Sie be- Verantwortung sowohl in technischer und
schränkt sich nicht nur auf Architektur, gestalterischer, aber auch in sozialer und
sondern umfasst gleichermaßen die Inge- gesellschaftlicher Hinsicht.
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 111

Dass sich die Bürgerinnen und Bürger Innovationspotenzial. Hier gilt es zu-
durchaus sehr für die Leistungen der Inge- nächst die vorhandenen Erfah­rungen zu
nieure und insbesondere für Brücken inte- sammeln und im Sinne von best practice
ressieren, hat u. a. die Ausstellung „Stra- weiterzugeben, sowie Möglichkeiten zu
ßenbrücken – Ingenieur Bau Kunst in weiteren Anreizen für Innovationen z. B.
Deutschland“ gezeigt, die im Jahr 2001 als durch Wettbewerbe aufzuzeigen.
Beitrag zur Initiative Architektur und Bau- • Kulturelles Erbe wahren sowie vorhan-
kultur vom Bundesverkehrsministerium dene Ressourcen im Bestand nutzen und
gemeinsam mit der Bundesingenieurkam- weiter­entwickeln. Nach einer langen
mer organisiert wurde und bei ihrer Wan- Phase des Neubaus und Ausbaus stehen
derschaft durch fast alle Bundesländer rund künftig die Pflege, Erhaltung und Erneu-
400.000 Besucher angezogen hat. Neben erung des Baubestands immer mehr im
vielen historischen Brücken, die noch heu- Blickfeld. Hierbei ergeben sich teilweise
te vor allem im städtischen Umfeld als kul- völlig neue Aufgaben, die auch in bau-
turelles Erbe zu bewundern sind, wurden in kultureller Hinsicht von großer Be­
der Ausstellung auch viele Beispiele des deutung sind.
modernen Brückenbaus vorgestellt, die sich • Die internationale Wettbewerbsfähig-
aufgrund der technischen Weiterentwick- keit deutscher Architekten, Planer und
lung vor allem durch eine große Palette un- Ingenieure stärken. In einem zusam-
terschiedlicher Konstruktionen, Formen menwachsenden Europa und einer zu-
und Bauweisen auszeichnen. nehmenden Globalisierung gilt es, sich
rechtzeitig auf die neuen Rahmenbedin-
gungen einzustellen. Mit der Initiative
soll daher auch der Export von Archi-
1.6.3 Initiative Baukultur und Stiftung
tekten- und Ingenieurleistungen entwi-
Baukultur
ckelt und ge­fördert werden.
Wesentliches Anliegen der Initiative Archi- Ergänzend zur Initiative Architektur und
tektur und Baukultur war und ist es, unter Baukultur hat die Bundesregierung vor eini-
den Beteiligten des Planens und Bauens gen Jahren ein Gesetz zur Einrichtung einer
eine breite Diskussion über Erwartungen Stiftung Baukultur eingebracht, um die Akti-
und Anforderungen an Baukultur anzusto- vitäten und den Dialog zu verstetigen. Nach
ßen. Zu Beginn der Initiative wurden hier- Verabschiedung des Gesetzes durch den
zu mehrere Themenfelder konkretisiert: Deutschen Bundestag fand im Oktober 2007
in Potsdam die Gründungsversammlung der
• Zukunftsgerechte Planungs- und Archi-
Stiftung statt, sodass inzwischen mit der Ar-
tekturqualität sichern. Hierbei geht es
beit begonnen werden konnte.
vor allem um die Frage, inwieweit die
Ziele der Stiftung sind die folgenden An-
Formen und Inhalte des Planungs- und
liegen:
Baumanagements auf­grund des demo-
grafischen, technologischen und wirt- • Fortführung des im Rahmen der Initia-
schaftlichen Wandels angepasst oder tive Architektur und Baukultur angesto-
neu definiert werden müssen. ßenen bundesweiten öffentlichen Dia-
• Das Potenzial von Architektur und Bau- logs über Baukultur.
kultur für Innovationen und Weiterent- • Zusammenarbeit mit den im baukultu-
wicklungen nutzen. Die Bauwirtschaft rellen Bereich vorhandenen regionalen,
ist nach wie vor einer der größten Inves­ nationalen und internationalen Ak-
titionsbereiche mit einem erheblichen teuren.
112 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Schifffahrtsverwaltungen im Bereich der


Bundeswasserstraßen sowie die vielen Bau-
werke der Deutschen Bahn AG. Aber auch
die anderen Baulastträger wie Länder,
Kreise und Kommunen fühlen sich inzwi-
schen zunehmend diesen Zielen verpflich-
Bild 1.6-4 Logo Stiftung Baukultur tet und leisten hierzu ihren Beitrag.

1.6.4 Gestaltungsmöglichkeiten für Brücken


• Herausstellung der Leistungen der deut-
schen Architekten und Bauingenieure
Die technischen Anforderungen und damit
im Bereich des Bauwesens.
auch die Möglichkeiten der Gestaltung sind
• Erstellung von Analysen und Berichten
bei den Verkehrsbauwerken von Straßen,
zur Lage der Baukultur in Deutschland,
Wasserwegen und Eisenbahnstrecken
um Entwicklungen und Handlungsbe-
durchaus unterschiedlich. Während bei
darf in diesem Bereich aufzuzeigen.
Wasserwegen in erster Linie Kreuzungs-
Mit der Initiative Architektur und Baukul- bauwerke über Flüsse und Kanäle oder in
tur sowie künftig auch mit der Stiftung Bau- Einzelfällen auch die Kreuzung zweier
kultur ist die große Chance gegeben, die Wasserwege im Vordergrund stehen, stel-
Leistungen der Ingenieure durch ent­ len sich bei der Bahn aufgrund der hohen
sprechende Aktivitäten stärker öffentlich- Verkehrslasten und der Vorgaben aus dem
keitswirksam bekannt zu machen. Hierbei Betrieb ganz andere Anforderungen. Stra-
kommt es jedoch entscheidend darauf an, ßenbrücken wiederum müssen sehr vielfäl-
dass die Arbeit nicht dem Engagement ei- tige Funktionen erfüllen und vor allem
niger weniger Akteure überlassen wird, auch auf längere Sicht dem weiter dyna-
sondern möglichst viele Ingenieure in ih- misch zunehmenden Verkehrsaufkommen
rem Bereich und mit ihren Möglichkeiten gewachsen sein.
sich aktiv beteiligen (Bild 1.6-4). Im Unterschied zu manch anderen eu-
Der Brückenbau kann hierzu Wesent- ropäischen Ländern werden in Deutsch-
liches beitragen, denn im Hinblick auf den land bei Straßenbrücken bisher nur in ge-
weiter dynamisch wachsenden Verkehr ringem Umfang Typenentwürfe für Brü-
werden auch in Zukunft viele neue Ver- cken verwendet. In den entsprechenden
kehrsbauwerke zu planen und zu bauen Richtlinien von Bund und Ländern ist ge-
sein. Daneben sind aber auch der Ausbau regelt, dass bei größeren Brücken für jedes
der bestehenden Verkehrswege und die Er- Bauwerk ein individueller Bauwerksent-
haltung der Bausubstanz eine große Heraus­ wurf erstellt wird, der auf die speziellen
forderung, die die Baukultur in unserem örtlichen Verhältnisse und sonstigen Rand-
Land nachhaltig prägen und beeinflussen bedingungen abzustimmen ist. Für größe-
wird. Der Bund als größter und wichtigster re Brücken sind hierbei zunächst Variante-
Bauherr und Baulastträger im Verkehrsbe- nuntersuchungen durchzuführen, die un-
reich wird die Ziele der Stiftung Baukultur terschiedliche Konstruktionen, Bauweisen
weiterhin aktiv unterstützen und fühlt sich und Bauverfahren sowie unterschiedliche
verpflichtet, dies bei seinen Bauwerken an- Stützweiten, Formen und Materialien ein-
gemessen umzusetzen. Hierzu gehören ne- beziehen sollen. Für die beteiligten Ingeni-
ben den Straßenbrücken der Bundesfern- eure ist dies eine große Chance für ein
straßen, die Bauwerke der Wasser- und weitgehend freies Gestalten, die es mit Kre-
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 113

Bild 1.6-5 Saale­brücke Beesedau

ativität und Ideenreichtum zu nutzen gilt zelnen Bauteile von Brücken sind natürlich
[Naumann, 2002]. weitere Anforderungen zu beachten, die
Konstruktion und Gestaltung einer Brü- u. U. die Gestaltungsspielräume einschrän-
cke hängen in erster Linie vom Ort ab, an ken können. So steht es selbstverständlich
dem ein Weg, eine Straße, eine Bahnlinie, außer Frage, dass die Anforderungen an die
ein Fluss oder ein Tal überbrückt werden Standsicherheit und die Verkehrssicherheit
soll. Baugrundsituation, Geländeform und der Bauwerke immer gewährleistet sein
Standortumgebung sind somit wesentliche müssen und durch besondere Gestaltungs-
Parameter, die in die ersten Entwurfsüber- ideen hierbei keine Einschränkungen hin-
legungen einfließen müssen. In jedem Ein- genommen werden können. Da Verkehrs-
zelfall dann eine technisch, wirtschaftlich bauwerke fast ausschließlich aus öffent-
und gestalterisch ausgewogene Lösung zu lichen Mitteln finanziert werden, besteht
finden, ist die eigentliche „Kunst“ der Inge- außerdem für die Baulastträger eine hohe
nieure, für die neben einem fundierten Verantwortung, hiermit sparsam und wirt-
Fachwissen ein hohes Maß an Kreativität schaftlich umzugehen. Dies kann eine we-
und Vorstellungsvermögen erforderlich ist sentliche Restriktion hinsichtlich der Um-
(Bild 1.6-5). Die Entwurfsphase ist somit setzung mancher gestalterischer Ideen sein.
auch die interessanteste Phase während der Sie muss aber realistischerweise als wich-
Entstehung einer Brücke, bei der die Inge- tiges Primat anerkannt und bei der Ent-
nieure die Wahl zwischen einer großen wurfsbearbeitung berücksichtigt werden.
Anzahl verschiedener Baumaterialien, Bauwerke, die allein aus gestalterischen
Konstruk­tionen und Bauverfahren haben. Gründen erheblich mehr kosten als andere
Neben den sehr wichtigen Anforde- mögliche technische Lösungen, sind in der
rungen an die Ästhetik der Konstruktion Regel nicht akzeptabel, es sei denn, dass
und die gestalterische Ausbildung der ein- eine besonders exponierte Lage oder ein
114 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

städtebaulich sehr schwieriges Umfeld dies die Bearbeitung von Einzelbauwerken als
rechtfertigen. Im Sinne einer strukturellen auch auf die Gestaltung längerer Straßen-
Architektur werden teure Lösungen aber in abschnitte. Hierzu erarbeiten Ingenieure
der Regel auch den Grundsätzen einer gu- und Architekten zunächst ein Gestaltungs-
ten Gestaltung widersprechen, denn dies handbuch, mit dem abgestimmt auf Histo-
deutet eher auf unnötigen gestalterischen rie, Landschaft und Bebauung die wesent-
Ballast, statisch und konstruktiv ungeeig- lichen Gestaltungselemente für die Bau-
nete Konstruktionen oder übersteigertes werke sowie Empfehlungen für die Auswahl
Geltungsbedürfnis des Entwerfers hin. von Materialien, Farben und Formen zu-
Brücken unterliegen in der Regel hohen sammengestellt werden. Sie dienen dann
Verkehrs- und Umweltbelastungen. Hier als Grundlage und Richtschnur für die Be-
fordern die Nutzer mit Recht robuste und arbeitung der einzelnen Bauwerke der Stre-
dauerhafte Bauwerke, denn jeder Eingriff in cke. Die Freiheit des Tragwerkplaners zur
den Verkehr durch Instandsetzungen und Wahl der geeigneten Konstruktionen bleibt
sonstige Arbeiten verursachen u. U. einen dabei weiterhin bestehen, der Architekt
enormen volkswirtschaftlichen Schaden in steht aber während der gesamten Entwurfs­
Form von Stau-, Betriebs- und Unfall­ phase beratend zur Seite.
kosten. Auch für die Betreiber ist dies, ins- Auch bei Eisenbahnbrücken, für deren
besondere im Hinblick auf die weitere Entwurf bisher aufgrund der besonderen
starke Zunahme des Verkehrs, ein wesent- Anforderungen aus dem Eisenbahnbetrieb
liches Kriterium. Gestalterische und inno- eine relativ starre Rahmenplanung vorge-
vative Ideen haben hier ihre Grenzen, wenn geben war, hat sich nach heftiger Kritik an
sie zu Risiken während der Nutzungsdauer der Gestaltung einiger Brücken bei den
der Bauwerke führen. Pilotprojekte zur Neubaustrecken bei der Deutschen Bahn
technischen Weiterentwicklung im Brü- AG ein Umdenken vollzogen. Größere Brü-
ckenbau sind jedoch in Einzelfällen durch- ckenbauwerke sind danach künftig einem
aus vertretbar. Bereits beim Entwurf der Brückenbeirat vorzulegen, der direkt dem
Brücken sind außerdem die Anforderungen Vorstand der DB AG untersteht und ein
für eine unkomplizierte Durchführung von wichtiges Mitspracherecht bei der Gestal-
Bauwerksprüfungen sowie von später not- tung der Brücken hat. In einem neuen Leit-
wendigen Wartungs- und Erhaltungsar- faden „Gestaltung von Eisenbahnbrücken“
beiten zu beachten. [Mehdorn/Schwinn, 2009] sind außerdem
Die Aufgabe des Ingenieurs besteht da- viele Hinweise für eine gute Gestaltung ge-
rin, beim Entwurfsprozess alle Anfor­ geben und zahlreiche Alternativlösungen
derungen im ausgewogenen Verhältnis zu- zur herkömmlichen Rahmenplanung auf-
einander zu berücksichtigen. Ziel muss es gezeigt.
sein, ein statisch und konstruktiv einwand-
freies Tragwerk zu entwerfen, bei dem
Wirtschaftlichkeit und Ästhetik optimal 1.6.5 Planungswettbewerbe im Brückenbau
ausbalanciert und auch die anderen Anfor-
derungen so gut wie möglich erfüllt sind! Eine wichtige Möglichkeit, kreative oder
Sehr positiv für die Gestaltung von innovative Ideen für Brücken zu fördern
Ingenieur­bauwerken hat sich im Straßen- und die Leistungen der Bauingenieure und
bau in den vergangenen Jahren die verstär- Architekten stärker in der Öffentlichkeit
kte Zusammenarbeit der Ingenieure mit darzustellen, ist die Durchführung von Pla-
Architekten während der Entwurfsphase nungswettbewerben, die im Brückenbau
ausgewirkt. Diese bezieht sich sowohl auf im Gegensatz zum Hochbau bisher nur in
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 115

Ausnahmefällen üblich waren. Durch die Die sechsköpfige Prüfungskommission


Initiative Architektur und Baukultur wurde aus den besten Baufachleuten Sachsens
diese Möglichkeit wieder stärker in das Be- kam damals allerdings zu dem Ergebnis,
wusstsein der Bauherren gebracht und in- dass kein Entwurf allein ausführbar sei,
zwischen an vielen Projekten mit Erfolg aber aus vieren von ihnen ein neuer ge-
praktiziert. Planungswettbewerbe haben schaffen werden könne. Entwickelt wurde
den Vorteil, dass die Bürgerinnen und Bür- eine vierstöckige Ziegelsteinbrücke mit
ger durch die Veröffentlichung der Wettbe- zahlreichen Pfeilern und Bogen, die heute
werbsergebnisse stärker in den Planungs- noch als Eisenbahnbrücke zu bewundern
prozess einbezogen werden und gute Mög- ist und ein bekanntes Baudenkmal darstellt
lichkeiten zur öffentlichkeitswirksamen (Bild 1.6-6). Eine ausführliche Beschrei-
Darstellung der Gestaltungsideen und der bung des Bauwerks ist im Abschnitt 1.4.1
innovativen Entwicklungen im Brücken- enthalten.
bau bestehen. Bei den in der Vergangenheit durchge-
Wettbewerbe für Brücken sind jedoch führten Wettbewerben für Brücken wur-
nicht neu. Bereits im Jahr 1845 – also vor den, bis auf wenige offene Verfahren mit
über 160 Jahren – wurde für den Bau einer zum Teil über einhundert Teilnehmern,
Eisenbahnbrücke, nämlich der Göltzschtal- überwiegend Realisierungswettbewerbe
brücke im sächsischen Vogtland, ein Brü- mit einer beschränkten Teilnehmerzahl
ckenwettbewerb ausgelobt. 81 Entwürfe aus von fünf bis zehn Teilnehmern nach der
ganz Deutschland wurden eingereicht. Sie „Verdingungsordnung für freiberufliche
kamen nicht nur von Architekten und Bau- Leistungen (VOF)“ gewählt. Es beteiligten
ingenieuren, sondern auch von Maurern, sich in der Regel Arbeitsgemeinschaften
Zimmerermeistern, Bauunternehmungen aus Bauingenieuren und Architekten, die
und auch von technischen Laien. Federführung lag stets bei den Inge­nieuren.

Bild 1.6-6   Göltzschtalbrücke (Foto von Wolfgang Zahn, Fotografik Zahn, Mylau)


116 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Diese Vorgehensweise hat sich bewährt. fe dem Preisgericht, bestehend aus Fach-
Grundlage für die Durchführung der Wett­ preisrichtern, die Fachleute des Bauwesens
bewerbe waren hierbei bisher die „Grund- und des konstruktiven Ingenieurbaus sein
sätze und Richtlinien für Wettbewerbe der sollen, und den Sachpreisrichtern, die auf-
Raumordnung, des Städtebaus und des grund regionaler oder anderer Bezüge ei-
Bauwesens (GRW 95)“ [Richtlinien Raum- nen entsprechenden Sachverstand für die
planung, 2003], die im Jahr 2009 durch die Baumaßnahme haben, vorgelegt werden.
„Richtlinien für Planungswettbewerbe Vor allem bei Straßenbrücken sowie
(RPW 2008)“ [Richtlinien Planungswett- Fuß- und Radwegen wurden in den letzten
bewerbe, 2008] abgelöst wurden. Jahren eine ganze Reihe von Wettbewerben
Nach § 1 der RPW 2008 sollen Wettbe- durchgeführt. Im Bereich der Bundesfern-
werbe darauf abzielen, alternative Ideen straßen waren dies u. a.
und optimierte Konzepte für die Lösung
• Saalebrücke Jena Göschwitz im Zuge der
von Planungsaufgaben und den geeigneten
BAB A 4 mit dem Entwurf einer neuen
Auftragnehmer für die weitere Planung zu
Brücke neben einem denkmalge-
finden. Sie können auch auf die Lösung
schützten steinernen Bogenbauwerk
konzeptioneller Aufgaben zielen. Wettbe-
(Bild 1.6-14).
werbe sollen insbesondere dazu dienen, die
• Saalebrücke Salzmünde im Zuge der
Qualität des Planens, Bauens und der Um-
BAB A 143 als Neubau mit teilweiser
welt zu fördern und einen wichtigen Bei-
Lärmschutzeinhausung (Bild 1.6-7).
trag zur Baukultur zu leisten.
• Talbrücke St. Kilian im Zuge der
Als Bewertungskriterien sind in der Re-
BAB A 73 bei Schleusingen als Neubau
gel bei Brücken die folgenden Aspekte in
mit einer Stahlfachwerkskonstruktion.
die Ausschreibung aufzunehmen:
• Waschmühltalbrücke im Zuge der
• Gestaltung und Einbindung in die Land- BAB A 6 bei Kaiserslautern mit dem
schaft Entwurf einer neuen Brücke neben
• Baukosten, Wirtschaftlichkeit einem denkmalgeschützten steinernen
• Umweltverträglichkeit Bogenbauwerk (Bild 1.6-8).
• Robustheit, Dauerhaftigkeit, Gebrauchs­ • Talbrücke Gottleuba im Zuge der B 172
tauglichkeit und Nachhaltigkeit bei Pirna als Neubau über ein großes Tal.
• Realisierbarkeit, Bauverfahren, Bauzeit • Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein im
• Statisch-konstruktive Konzeption Zuge der BAB A 643 als Ersatzneubau
• Innovation. mit Verbreiterung.
• Lahntalbrücke Limburg im Zuge der
Die eingereichten Entwürfe werden einer
BAB A 3 ebenfalls als Ersatzneubau mit
Vorprüfung unterzogen, bevor die Entwür-
Verbreiterung.

Bild 1.6-7   Saalebrü-
cke Salzmünde (Visua-
lisierung)
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 117

Bild 1.6-8   Waschmühltalbrücke (Visualisierung)

Bild 1.6-9   Elbebrücke
Wittenberge (Visualisie-
rung)

• Elbebrücke Wittenberge im Zuge der für Brückenbauwerke entstand bereits wäh-


BAB A 14 als Neubau neben einer vor- rend der erfolgreichen Wanderschaft der
handenen Bundesstraßenbrücke (Bild Ausstellung „Straßenbrücken – Ingenieur
1.6-9). Bau Kunst in Deutschland“. Die erfreulich
große Resonanz bei Fachleuten und in der
Bei allen Wettbewerben wurden wie erwar- Öffentlichkeit zeigte, dass der Brückenbau
tet viele kreative und innovative Ideen ein- für viele nach wie vor ein faszinierendes
gebracht, die bei einer konventionellen Ent- Thema ist, an dem großes Interesse besteht.
wurfsbearbeitung durch die Verwaltung Sicherlich spielte hierbei auch eine Rolle,
oder ein einzelnes ausgewähltes Ingenieur- dass inzwischen im Rahmen der deutschen
büro so nicht zu erzielen gewesen wären. Wiedervereinigung beim Auf- und Ausbau
Dies wird allerdings durch einen nicht un- der Verkehrswege in den neuen Bundeslän-
erheblichen zusätzlichen Personal-, Zeit- dern innerhalb einer kurzen Zeit eine große
und Kostenaufwand sowohl bei den Auslo- Anzahl von neuen Brücken entstanden wa-
bern als auch bei den Wettbewerbsteilneh- ren, die durch besondere Gestaltung, inno-
mern erkauft. Planungswettbewerbe wer- vative Entwicklungen und gute Einpassung
den daher auch in Zukunft auf ausgewählte in die Landschaft auch in den Medien zu-
Bauwerke in exponierter Lage beschränkt nehmend Aufmerksamkeit fanden. Hinzu
bleiben. kam die Erkenntnis, dass aufgrund des sich
abzeichnenden Nachwuchsmangels im Be-
reich der Bauingenieure mehr Werbung für
1.6.6 Deutscher Brückenbaupreis diesen interessanten und kreativen Beruf
notwendig sein wird, wozu sich der Brü-
Die Idee zur Auslobung und Verleihung ckenbau als Königsdisziplin der Ingenieure
eines gesonderten Preises ausschließlich besonders eignet. Was lag da näher, als im
118 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Rahmen einer öffentlichkeitswirksamen Dass ein eigener Brückenbaupreis ei-


Veranstaltung jeweils die besten Brücken- gentlich längst überfällig war, zeigte sich
bauer auszuzeichnen und deren Werke zu auch daran, dass im Rahmen einer Recher-
präsentieren. che zwar etwa 25 Architekturpreise ermit-
Von der Bundesingenieurkammer als telt wurden, dagegen aber nur 6 Bauingeni-
bundesweite Berufsvereinigung (BIngK) eurpreise zu finden waren. Und dies obwohl
wurde die Idee daher sehr schnell und en- die etwa 52.000 Ingenieurbüros in Deutsch-
gagiert aufgegriffen und gemeinsam mit land mit 28 Mrd. € fast dreimal so viel jähr-
dem Verband der Beratenden Ingenieure lichen Umsatz erbringen als die Archi-
(VBI) im Jahr 2005 die erste Auslobung für tekten. Das zeigt deutlich, dass das gestalte-
den „Deutschen Brückenbaupreis“ gestar- rische und wirtschaftliche Potenzial der
tet. Vom Bundesverkehrsministerium wur- Ingenieurbüros in der Öffentlichkeit erheb-
de die Idee eines Brückenbaupreises von lich unterrepräsentiert ist.
Anfang an aktiv begleitet und unterstützt. Bundesweite Bedeutung hatten bis
Das Ministerium beteiligt sich sowohl dahin hauptsächlich zwei Preise. Nämlich
durch Übernahme der Schirmherrschaft der Ingenieurbau-Preis vom Verlag
als auch mit einem namhaften Betrag an Ernst & Sohn und der Fritz-Leonhardt-
der Finanzierung. Als Hauptsponsor konn- Preis der Ingenieurkammer Baden-Würt­
te bereits frühzeitig die Deutsche Bahn AG temberg. Bei letzterem wird eine Persön-
gewonnen werden. Weitere Sponsoren tra- lichkeit ausgezeichnet, die für wegweisende
gen dazu bei, dass der Preis auch auf Dauer Bauwerke verantwortlich zeichnet. Es geht
gesichert ist (Bild 1.6-10). bei diesem Preis nicht so sehr um ein be-

Bild 1.6-10   Preisskulptur Brückenbaupreis


1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 119

stimmtes Bauwerk, sondern mehr um das • einer Schrifttafel für das Bauwerk
Profil und Lebenswerk eines bekannten • einer besonderen Präsentation des Bau-
Bauingenieurs. Der Ingenieurbau-Preis da- werks.
gegen umfasst die ganze Breite des Wirkens
Die Preisverleihung erfolgt im Rahmen
der Bauingenieure. Es werden Bauwerke
eines feierlichen Festaktes mit begleitender
ausgezeichnet, die in den zurückliegenden
Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligung der
fünf Jahren verwirklicht wurden und eine
Medien. Der Deutsche Brückenbaupreis
innovative Leistung aufweisen. Hierbei
wird alle zwei Jahre vergeben, die ersten
kann es sich um eine Brücke, Halle, einen
Preisverleihungen fanden am 13. März
Tunnel oder auch andere Bauwerke han-
2006 und am 10. März 2008 jeweils in Dres-
deln. Es kann jedoch auch eine intelligente
den statt.
Instandsetzungsmaßnahme oder ein inno-
Ausgelobt wurden zwei Kategorien von
vativer Bauablauf sein.
Brücken:
Der Deutsche Brückenbaupreis hat sich
sehr schnell in der Gruppe der reinen Bau- • Kategorie A: Straßen- und Eisenbahn-
ingenieurpreise etabliert und sich ganz be- brücken
wusst auf diesen speziellen aber sehr wich- • Kategorie B: Fuß- und Radwegbrücken
tigen Leistungsbereich der Ingenieure be- sowie Versorgungsbrücken.
schränkt. Einbezogen sind hierbei alle Brü-
Teilnahmeberechtigt sind alle Bauingeni-
cken, also sowohl Eisenbahn- und sonstige
eure, die an verantwortlicher Stelle zum Ge-
Bahnbrücken als auch Straßenbrücken,
lingen einer Brücke in Deutschland beige-
Rad- und Fußwegbrücken sowie als Son-
tragen haben. Eingereicht werden können
derform auch Leitungs- oder Versorgungs-
Brückenbauwerke, deren Fertigstellung
brücken.
nicht länger als fünf bzw. zwei Jahre zurück-
Der Deutsche Brückenbaupreis soll für
liegt und bei denen die Arbeiten am Bau-
herausragende Leistungen von Bauingeni-
werk zum Stichtag des Einsendeschlusses
euren im Brückenbau vergeben werden.
bereits abgeschlossen sind. Die Ingenieur-
Die ausgezeichnete Leistung kann auf un-
leistung kann ein Neubau, eine grundle-
terschiedlichen Gebieten erbracht werden.
gende Instandsetzung oder eine Umbau-
So kann eine gute Systemwahl und deren
bzw. Erweiterungsmaßnahme sein. Von den
Umsetzung, eine gute Gestaltung und An-
Teilnehmern am Wettbewerb sind jeweils
passung des Bauwerks an den umgebenden
folgende Unterlagen einzureichen:
Standort, eine neue Technologie, eine res-
sourcen- und kostensparende Lösung oder • Teilnahmebogen A mit Angaben zum
auch interessante und innovative Erhal- Bauwerk und den Beteiligten
tungsmaßnahmen, der Einsatz von neuen • Teilnahmebogen B mit einem Fragenka-
Baustoffen oder Bauverfahren maßgeblich talog zum Bauwerk
für den Preis werden. • Erläuterungsbericht (max. 2 Seiten)
Ausgezeichnet wird jeweils das Bauwerk, • 5 Fotos des Bauwerks und der wesent-
den Preis erhalten der oder die Ingenieure, lichen Teile
die den wesentlichen Anteil an der heraus- • maximal 5 Konstruktionszeichnungen.
ragenden Ingenieurleistung haben. Der
Als Bewertungskriterien gelten gemäß Aus-
Deutsche Brückenbaupreis ist ein ideeller
schreibung folgende Beurteilungskriterien:
Preis und besteht aus:
• Gestaltung
• einer Urkunde für den oder die Preisträ-
• Konstruktion
ger
• Funktion
• einer Preisskulptur
120 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

• Innovation Die Auslobung und die Preisverleihung


• Wirtschaftlichkeit für den Deutschen Brückenbaupreis waren
• Planungs- und Bauverfahren auf Anhieb ein großer Erfolg. Bei der Preis-
• Nachhaltigkeit verleihung, die gemeinsam von den Präsi-
denten der Bundesingenieurkammer und
Die von den Auslobern ausgewählte Jury
des Verbands der Beratenden Ingenieure
setzte sich bei beiden Wettbewerben aus
sowie dem Bundesminister für Verkehr,
folgenden Fachleuten zusammen:
Bau und Stadtentwicklung vorgenommen
MinRat Joachim Naumann, Ingenieur wurde, verfolgten 2006 und 2008 jeweils
(Vorsitz) über eintausend Teilnehmer den feierlichen
MinRat a. D. Klaus Bernhardt, Ingenieur Akt in der Technischen Hochschule Dres-
Prof. Hans-Günther Burkhardt, Architekt den und auch die Resonanz in den Medien
Dr.-Ing. Hans-Gerd Lindlar, Ingenieur war überaus positiv. Die Ergebnisse des
Dr.-Ing. Hans-Ulrich Litzner, Ingenieur Wettbewerbs zum Deutschen Brückenbau-
Dr.-Ing. Steffen Marx, Ingenieur preis werden anschließend durch eine Aus-
Prof. em. Dr.-Ing. Gerhard Sedlacek, stellung und eine Buchveröffentlichung
Ingenieur dokumentiert. Die nächste Preisverleihung
Prof. i. R. Dr.-Ing. Jürgen Stritzke, Inge­nieur zum Deutschen Brückenbaupreis wird im
Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E. h. Konrad Frühjahr 2010 wiederum in Dresden erfol-
Zilch, Ingenieur. gen.
Von den Auslobern ist beabsichtigt, künftig
die Besetzung der Jury regelmäßig zu wech-
1.6.7 Gewinner und Nominierte für den
seln.
Deutschen Brückenbaupreis 2006 und 2008
Im Rahmen einer formellen Vorprüfung
wird zunächst festgestellt, ob alle einge­
Für den ersten Wettbewerb zum Deutschen
reichten Beiträge fristgerecht vorgelegt
Brückenbaupreis 2006 wurden insgesamt
wurden und die Bedingungen der Aus-
70 Brückenbauwerke eingereicht. Im Rah-
schreibung erfüllen. Die Jury befindet dann
men der formalen Vorprüfung mussten
während einer ersten eintägigen Jurysit-
aller­dings fünf Beiträge wegen Nichteinhal-
zung anhand der Bewertungskriterien da-
tung der Ausschreibungsbedingungen aus-
rüber, welche Beiträge in die nähere Aus-
geschieden werden, sodass schließlich 34
wahl kommen. Hierzu wählt die Jury in
Bauwerke für die Kategorie A Straßen- und
mehreren Bewertungsdurchgängen aus je-
Eisenbahnbrücken und 31 Bauwerke für
der Kategorie maximal drei Brückenbau-
die Kategorie B Fuß- und Radwegbrücken
werke aus, die für die Endrunde nominiert
zur Bewertung zugelassen waren.
werden. Die nominierten Bauwerke wer-
Von der Jury konnte bei der Bewertung
den anschließend von den Auslobern be-
festgestellt werden, dass fast alle eingereich-
kanntgegeben. In einer zweiten Jurysitzung
ten Beiträge ein erfreulich hohes tech-
kurz vor der Preisverleihung wählt die Jury
nisches und gestalterisches Niveau aufwie-
schließlich unter den nominierten Brücken­
sen und die Auswahl der in die engere Wahl
bauwerken jeweils einen Gewinner aus, der
zu ziehenden Bauwerke außerordentlich
aber erst zur Preisverleihung bekannt gege-
schwer fiel. Für die Preisverleihung wurden
ben wird. So bleibt die Spannung bei allen
schließlich folgende Bauwerke nominiert:
Beteiligten bis zum Schluss erhalten.
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 121

Kategorie A Straßen- und Eisenbahn­ Kategorie A Straßen- und Eisenbahn­


brücken brücken
• Talbrücke Wilde Gera im Thüringer
Wald Talbrücke Wilde Gera, Bundesautobahn
• Eisenbahnbrücke über die Donau bei A 71 bei Gehlberg im Thüringer Wald
Ingolstadt (Bild 1.6-11)
• Luckenberger Brücke in Brandenburg Maßgeblicher Entwurfsverfasser: Dr. sc.
an der Havel. techn. Roland von Wölfel.
Der Bau der A 71 erforderte eine ca.
Kategorie B Fuß- und Radwegbrücken 110 m hohe Trassenführung über das tief
• La-Ferté-Steg über die Haldenrainstraße eingekerbte Tal der Wilden Gera. Dabei bil-
in Stuttgart deten eine Bahnlinie, eine Straße, der Fluss-
• Fußgängerbrücke über die Gahlensche verlauf und eine Deponie im Talgrund die
Straße in Bochum Zwangspunkte. Ausgeschrieben war eine
• Holzbrücke über die Freiberger Straße Balkenbrücke, ein Sondervorschlag mit
im Forstbotanischen Garten Tharandt. dem überzeugenden Entwurf einer Bogen-
brücke setzte sich jedoch durch.
In der zweiten Jurysitzung wurde zum Ge-
Realisiert wurde ein gestalterisch außer-
winner der Kategorie A die Talbrücke
ordentlich eleganter, unten liegender Bogen
Wilde Gera und zum Gewinner in Katego-
von ca. 252 m Spannweite – die zurzeit
rie B der La-Ferté-Steg in Stuttgart ge-
größte Betonbogenbrücke in Deutschland.
wählt.
Diese Spannweite mit einem Bogenstich
Aus der Begründung der Jury werden
von 70 m ergab sich aus den topografischen
nachfolgend einige Auszüge zu den nomi-
Verhältnissen und dem Wunsch, das Tal
nierten Bauwerken zitiert. Eine ausführ-
möglichst stützenfrei zu überqueren. Der
liche Beschreibung der Bauwerke ist in Ab-
Bogen setzt nahezu senkrecht auf den Tal-
schnitt 1.6.8 zusammengestellt. Weitere
flanken auf. Durch die elegante Linie des
Informationen sind in [Naumann, 2006]
Bogens mit seiner wohl proportionierten
und [Dokumentation Brückenbaupreis,
Verjüngung überzeugte dieser Entwurf die
2006] enthalten.
Juroren.

Bild 1.6-11   Talbrücke
Wilde Gera
122 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Fazit: zu den Nachbarbrücken, da nur wenig Platz


Deutschlands größte Betonbogenbrücke im Donaubereich vorhanden war. Wegen
(Spannweite des Bogens 252 m) überzeugt der Zwänge aus der Gradiente kam nur ein
durch außerordentliche gestalterische Ele- oben liegendes Tragwerk infrage.
ganz. Die Errichtung eines Bogens dieser Anstelle des nahe liegenden Entwurfs
Dimension im Freivorbau stellt eine ganz eines modernen Fachwerks wurde eine
besondere Ingenieurleistung dar. Der mit mehrfeldrige Trogbrücke gewählt, deren
der Brücke über die Wilde Gera realisierte Hauptträger dem Momentenverlauf ent-
Sondervorschlag ergab zudem einen deut- sprechend geformt sind. Die Stahlbeton-
lichen Kostenvorteil gegenüber dem Ver- platte bildet zusammen mit den stählernen
waltungsentwurf. Die Brücke ist ein über- Hauptträgern den Trog. Dadurch entstand
zeugendes Beispiel dafür, wie Landschaft ein schlankes Tragwerk, das die Donau wel-
und Bauwerk sich zu einer neuen Qualität lenförmig überspannt, was zu einer de-
zusammenfügen. Die Dramatik des tiefen zenten und gleichzeitig überraschenden
Taleinschnitts wird so erst richtig nachvoll- Ensemblewirkung führt, die mit einem
ziehbar. weiteren Fachwerkträger auf so raffinierte
Weise nicht zu erreichen gewesen wäre.
Eisenbahnbrücke über die Donau bei
Ingolstadt (Bild 1.6-12) Fazit:
Maßgebliche Entwurfsverfasser: Dipl.-Ing. Die Jury sieht in diesem Entwurf die Ent-
Andreas Keil, Prof. Dr.-Ing. Drs. h. c. Jörg wicklung einer völlig neuen Form von Trog-
Schlaich. brücken. Die Konstruktion zeigt eindrucks-
Die neue ICE-Strecke quert bei Ingol- voll, dass auch bei Eisenbahnbrücken mit
stadt die Donau unmittelbar neben der vor- ihren sehr hohen Beanspruchungen gestal-
handenen Fachwerkbrücke der Bahn und terisch und technisch innovative Lösungen
eine nahe liegende Straßenbrücke. Diese möglich sind. Damit wurde der Beweis er-
bestehenden Brücken gaben die Spann­ bracht, dass der manchmal beklagten ge-
weite der neuen Brücke vor. Die Integration stalterischen Eintönigkeit solcher Bauwerke
ins Stadtbild erforderte zudem eine hohe entgegengewirkt werden kann.
Transparenz des Neubaus und große Nähe

Bild 1.6-12    Eisenbahn­
brücke über die Donau
bei Ingolstadt
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 123

Luckenberger Brücke in Brandenburg an und die Gestaltung der Widerlager haben


der Havel (Bild 1.6-13) die Jury beeindruckt.
Maßgebliche Entwurfsverfasser: Dipl.-Ing.
Peter Poitzsch, Dipl.-Ing. Thomas Kolb. Fazit:
Die Luckenberger Brücke in Branden- Die Luckenberger Brücke ist ein gutes Bei-
burg muss mehrere gegensätzliche Anfor- spiel dafür, wie innovative Bauverfahren
derungen erfüllen. Neben dem städtischen und Materialkombinationen zu Einspa-
Individualverkehr muss die Brücke die rungen bei den Baukosten und zu besonde-
Straßenbahn aufnehmen, was eigentlich rer Wirtschaftlichkeit eines Bauwerks füh-
eine steife und massive Konstruktion be- ren. Die damals neue Idee, hochfesten Ort-
dingt. Im direkten Widerspruch dazu sollte beton zusammen mit Fertigteilen einzuset-
auch mehr Freiraum für den Schifffahrts- zen, führte zu dem ausgeführten Entwurf
weg und die neu angelegten Uferwege ge- eines flachen Sprengwerks. Die schlanke,
schaffen werden. Ein oben liegendes Trag- elegante Linienführung in Korrespondenz
werk war aus städtebaulichen Gründen zum Kräfteverlauf und die Gestaltung der
nicht möglich. So ergaben sich für das Widerlager passen das Bauwerk ausge-
Bauwerk extreme Anforderungen an die zeichnet an das städtebaulich schwierige
Schlankheit des Überbaus bei gleichzeitig Umfeld an.
hoher Steifigkeit.
Die damals neue Idee, hochfesten Ort- Kategorie B Fuß- und Radwegbrücken
beton zusammen mit Fertigteilen einzuset-
zen, führte zu dem ausgeführten Entwurf La-Ferté-Steg in Stuttgart, Haldenrain-
eines flachen Sprengwerks. Die daraus re- straße (Bild 1.6-14)
sultierende Schrägstielrahmenbrücke ist Maßgeblicher Entwurfsverfasser: Dr.-Ing.
handwerklich sehr gut durchgebildet und Matthias Schüller.
erfüllt die gegensätzlichen Anforderungen Der La-Ferté-Steg ist eine hochfrequen-
auf außerordentlich überzeugende Art und tierte Verbindung zu Hallenbad, Schule
Weise. Die schlanke, elegante Linienfüh- und Festplatz über eine vierstreifige Straße
rung in Korrespondenz zum Kräfteverlauf mit mittig liegender Straßenbahntrasse

Bild 1.6-13   Luckenberger
Brücke in Brandenburg an
der Havel
124 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.6-14   La-Ferté-Steg
in Stuttgart, Haldenrain-
straße

hinweg. Den topografischen Gegeben- durch entstand eine wartungsarme und


heiten – steile Böschung südlich der Straße nachhaltige Konstruktion von außerge-
und flaches Gelände auf der Nordseite – wöhnlicher Eleganz, die nicht nur den Be-
passt sich das Bauwerk in einem gleichmä- trachter erfreut, sondern auch dem Benut-
ßigen, eleganten Bogen mit ca. 6% Gefälle zer ein besonderes Erlebnis bietet.
in hervorragender Weise an.
Das massive, weit auskragende Wider­ Brücke über die Gahlensche Straße in
lager an der steilen Böschung steht in be- Bochum (Bild 1.6-15)
wusstem Gegensatz zu der kaum sichtbaren Maßgebliche Entwurfsverfasser: Dipl.-Ing.
Auflagerung am anderen Ende der Brücke. Knut Göppert, Prof. Dr.-Ing. Drs. h. c. Jörg
Dadurch entsteht der Eindruck, das Bau- Schlaich.
werk wachse dynamisch aus der Böschung Durch die Brücke über die Gahlensche
heraus, um dann flach in der Ebene auszu- Straße werden zwei parallel, versetzt lau-
laufen. Dabei wird durch die ungewohnt fende Wege fußgängerfreundlich in Form
schmale Ausbildung des südlichen Wider- einer S-Kurve verbunden. Die schmale
lagers ein sehr eleganter, leichter Eindruck Fußgängerbrücke ist die elegante Überque-
erzeugt. Auch alle Details wie Geländer, Be- rung eines tristen Konglomerats aus Bahn-
leuchtung und Stützenfüße sind sorgfältig anlagen, Industriegelände und Restindus-
gestaltet. triebauten. Sie fügt dieser urbanen Brache
ein positiv wirkendes Element hinzu, das
Fazit: dabei mit seiner „wilden“ Form durchaus
Der La-Ferté-Steg ist ein Ingenieurbau- der „wilden“ Umgebung entspricht.
werk, an dem alles stimmig ist und das sich Die S-Form, die sich aus der Wegefüh-
ausgezeichnet in seine Umgebung einfügt. rung ergibt, ist bei der Tragwerkskonstruk-
Die Form der Brücke mit einem Radius von tion konsequent umgesetzt. Dabei wird das
53 m ermöglichte eine zwängungsarme Prinzip der Hängebrücke zu einem räum-
Verformung in radialer Richtung, sodass lichen Tragwerk weiter entwickelt, bei dem
die konsequent umgesetzte fugen- und die Pylone jeweils auf der konkaven Seite
lager­lose Bauweise möglich wurde. Da- des stark gekrümmten Weges stehen und
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 125

Bild 1.6-15    Brücke über


die Gahlensche Straße in
Bochum

durch ihre Neigung die Tragwirkung beto- bach und die Staatsstraße S 194 in einer
nen. Hierbei genügt ein einziges Tragseil, maximalen Höhe von 13 m. Die Brücke
was die Konstruktion besonders leicht und wurde so geplant, dass keinerlei Baumbe-
filigran wirken lässt. stand gefällt werden musste. Die 117 m lan-
ge und 2,50 m breite Brücke besteht aus
Fazit: 15 Brücken­feldern mit einer Länge von 7 m
Die Brücke über die Gahlensche Straße ist und einem Feld mit einer Stützweite von
die erste doppelt gekrümmte, einseitig ge- 12 m über der Staatsstraße S 194.
stützte Hängebrücke überhaupt. Sie liefert Als Parkbrücke für Fußgänger sollte sie
einen ganz neuen Ansatz zur Weiterent- möglichst aus einheimischem Holz gebaut
wicklung gekrümmter Brücken. Das Trag- werden und sich gestalterisch als organisch
verhalten und die Funktion der Trag­ mit dem Garten verwobenes Bauwerk har-
elemente sind trotz ihrer Komplexität gut monisch einfügen. Der Entwurf geht auf
ablesbar. Das Bauwerk ist frei von jedem die bewegte Geländesituation ein, schlän-
Zierrat und beeindruckt durch seine ele- gelt sich mit gleichmäßigen Radien durch
gante Konstruktion. Als bewusster Gegen- das mit Laubhölzern besetzte Tal.
satz zu seiner Umgebung setzt es Maßstäbe
für die zukünftige Entwicklung in diesem Fazit:
Stadtgebiet. Die Holzbrücke für Fußgänger zeigt sich als
graziles, durchlaufendes Holzband mit ele-
Holzbrücke über die Freiberger Straße im ganter Trassierung und bietet außerge-
Forstbotanischen Garten Tharandt wöhnliche Ausblicke auf die in Augenhöhe
(Bild 1.6-16) liegenden Baumkronen. Neu und innovativ
Maßgebliche Entwurfsverfasser: Kathrin an diesem gelungenen Bauwerk ist die in
Gädeke, André Dreßler, Dipl.-Ing. Uwe sich verbundene Brettschicht-Konstruktion
Fischer. aus Einzelelementen mit versteckten Ver-
Die Brücke verbindet den alten und neu- bindungen. So entstand ein gestalterisch
en Teil des forstbotanischen Gartens in und ökologisch bemerkenswertes Bauwerk
Tharandt, sie überquert dabei den Zeisig- mit hoher Nachhaltigkeit.
126 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.6-16   Holzbrücke
über die Freiberger Straße
im Forstbotanischen Garten
Tharandt

Beim zweiten Wettbewerb zum Deut- Kategorie B Fuß- und Radwegbrücken


schen Brückenbaupreis 2008 war erwar- • Geh- und Radwegbrücke über den Inn
tungsgemäß die Anzahl der eingereichten bei Wernstein-Neuburg
Bauwerke deutlich geringer, da dieses Mal • Gessentalbrücke in der Neuen Land-
die Bauwerke nur aus den letzten zwei Jah- schaft Ronneburg bei Gera
ren stammen durften und nicht aus den • Dreiländerbrücke über den Rhein zwi-
letzten fünf Jahren wie bei der letzten Aus- schen Weil am Rhein (D) und Huningue
lobung. (F).
Immerhin wurden bis zum Einsende-
In der zweiten Jurysitzung wurde zum Ge-
schluss über 40 Bauwerke eingereicht, alle
winner der Kategorie A die Humboldt­
wiederum auf erfreulich hohem tech-
hafenbrücke Berlin und zum Gewinner
nischem und gestalterischem Niveau.
der Kategorie B die Dreiländerbrücke bei
Im Rahmen der Vorprüfung musste nur
Weil am Rhein gewählt.
ein Beitrag ausgeschieden werden, sodass
Aus der Begründung der Jury sind nach-
im Ergebnis 20 Straßen- und Eisenbahn-
folgend ebenfalls Auszüge zu den nomi-
brücken sowie 21 Fuß- und Radwegbrü-
nierten Bauwerken zitiert und in Abschnitt
cken am Wettbewerb teilnehmen konnten.
1.6.8 ausführliche Beschreibungen der Bau-
Für die Preisverleihung wurden bei der
werke zusammengestellt. Weitere Informa-
ersten Jurysitzung folgende Bauwerke
tionen sind in [Naumann, 2008] und
nomi­niert:
[Dokumentation, Brückenbaupreis, 2008]
enthalten.
Kategorie A Straßen- und Eisenbahn­
brücken
Kategorie A Straßen- und Eisenbahn­
• Neue Saalebrücke Jena-Göschwitz
brücken
• Humboldthafenbrücke am Hauptbahn-
hof Berlin
Humboldthafenbrücke am Hauptbahn-
• Lautrupsbachtalbrücke im Zuge der
hof Berlin (Bild 1.6-17)
Osttangente Flensburg.
Maßgebliche Entwurfsverfasser: Prof. Dr.-
Ing. Drs. h. c. Jörg Schlaich, Dr.-Ing. Hans
Schober
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 127

Bild 1.6-17   Humboldt­
hafenbrücke am Haupt-
bahnhof Berlin

Die Humboldthafenbrücke, an einer zahlt gemacht und werden auch bei ande-
städtebaulich herausragenden Stelle der ren Brücken eingesetzt.
neuen Mitte Berlins gelegen, ist ein Meilen-
stein des modernen Eisenbahnbrücken- Fazit:
baus. Sie ist integraler Bestandteil des an- Mit der Brücke wurde eine hochkomplexe
schließenden Hauptbahnhofes und über- Bauaufgabe exzellent gelöst und bei der Bahn
spannt den Humboldthafen mit sechs Glei- einer neuen Generation von Bauwerken der
sen. Dabei bewegt sich das Bauwerk mit Weg geebnet. In Verbindung mit dem neuen
seiner außergewöhnlich filigranen Gestalt Hauptbahnhof bildet die neue Brücke ein ge-
konstruktionstechnisch an der Grenze des lungenes Ensemble mitten in Berlin.
Machbaren. Die gegenüber herkömmlichen
Lösungen mit Betonstützen und Stahlüber- Neubau der Saalebrücke Jena-Göschwitz
bau umgekehrte Konstruktion eröffnet im Zuge der BAB A 4 bei Jena (Bild 1.6-18)
auch ästhetisch neue Wege. Maßgeblicher Entwurfsverfasser: Dipl.-Ing.
In punkto Innovationen, die wegwei- Thomas Kleb
send für die weitere Entwicklung des Eisen- Der Neubau der Saalebrücke Jena-
bahnbrückenbaus sein werden, ist der Bau- Göschwitz ist die gelungene Übertragung
herr Deutsche Bahn AG hier geradezu über des denkmalgeschützten Bogenmotivs des
sich hinausgewachsen. Hervorzuheben ist Bestandsbauwerks in das moderne Materi-
der erstmalige Einsatz von Stahlgussknoten al Spannbeton. Die besondere Ingenieur-
dieser Dimension, die sich als technische aufgabe, in dichtem Abstand zu der vor-
Alternative zu den bisher üblichen ge- handenen Bogenbrücke mit 17 proportio-
schweißten Knoten bei der Humboldtha- nal zur Talhöhe ansteigenden Steinbögen
fenbrücke bestens bewähren. Bei diesem aus der Reichsautobahnzeit ein zweites
technisch sehr innovativen Bauwerk an ex- Bauwerk zu errichten, wurde sehr gut ge-
ponierter Stelle steht die Wirtschaftlichkeit löst. Neu- und Bestandsbau bilden in der
allerdings nicht im Vordergrund. Aber die reizvollen Flussauenlandschaft des Saale-
zunächst hohen Entwicklungskosten der tals ein harmonisches Ensemble.
Stahlgussknoten haben sich inzwischen be- Die neue Saalebrücke ist ein herausra-
128 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Bild 1.6-18   Saalebrücke
Jena-Göschwitz

Bild 1.6-19   Lautrups-
bachtalbrücke in Flensburg

gendes Beispiel für das Bauen im Bestand. genen Scheiben und flacher Fahrbahnplatte
Sie ist einer der wenigen gelungenen Ver- mit dem Bestand in einem variations-
suche, Alt und Neu zu verbinden. Dazu reichen Spiel von Kurvenüberschneidungen
nimmt die in einem Wettbewerb gefundene und Durchblicken.
Lösung zwar die alte Form der historischen
Brücke auf, setzt diese aber in ein andersar- Fazit:
tiges Tragwerk entsprechend moderner Mit der neuen Saalebrücke wurde die Vor-
Konstruktionstechnik um. Wesentliches gabe, Form und Charakter der vorhandenen
Gestaltungselement sind die bogenförmig Brücke aufzugreifen, perfekt gelöst. Die er-
aufgelösten Pfeilerscheiben, die am Kopf zielte Ensemblewirkung aus Neu und Alt
durch zwei Zugbänder kaum sichtbar un- hat Vorbildfunktion für die Verbindung von
tereinander verbunden sind. Durch die Denkmalschutz und heutiger Baukunst.
Spreizung der Pfeilerscheiben am Stützen-
kopf sind die Stützweiten deutlich verrin- Lautrupsbachtalbrücke im Zuge der
gert. Dadurch war ein relativ schlanker Osttangente in Flensburg (Bild 1.6-19)
Überbauquerschnitt als Spannbetonplat- Maßgebliche Entwurfsverfasser: Arbeitsge-
tenbalken möglich. So korrespondiert die meinschaft Dipl.-Ing. Wigand Grawe, Ar-
relativ massive Konstruktion von gebo- chitekt Olaf Düvel.
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 129

Die Lautrupsbachtalbrücke ist ein Bau- burg erfüllt die komplexen Anforderungen,
werk aus einem Guss und besticht zunächst die sich aus den besonderen Umweltbedin-
durch die elegante Ausformung der durch- gungen ergeben. Die konstruktiven und ge-
gehenden Krümmung. Im Bauwerk ver- stalterischen Lösungen haben trotz der Nähe
schmelzen Brücke und Schallschutz zu einer Wohnsiedlung und der zu beachten-
einem Ganzen. Die dabei durch die Ober- den Naturschutzaspekte eine hervorragende
flächenstruktur der Schallschutzwände und Akzeptanz der Brücke bewirkt.
ihren Abschluss durch eine glatte Glasplat-
te erzielte futuristisch anmutende Leicht- Kategorie B Fuß- und Radwegbrücken
bauwirkung ist umso lobenswerter, als die
ästhetische Gestaltung von Brücken mit Dreiländerbrücke über den Rhein zwi-
Lärmschutzwänden nach wie vor als pro- schen Weil am Rhein (D) und Huningue
blematisch gilt. Neben dem Lärmschutz (F) (Bild 1.6-20)
über den gesamten Brückenzug hinweg war Maßgebliche Entwurfsverfasser: Arbeitsge-
es vor allem wichtig, den für das Mikrokli- meinschaft Dipl.-Ing. Dietmar Feichtinger/
ma der Stadt Flensburg wichtigen Kalt- Dipl.-Ing. Wolfgang Strobl.
luftströmen nur einen geringen Widerstand Die Fußgängerbrücke über den Rhein
zu bieten. besticht zunächst durch eine Rekordspann-
Der vorgespannte Plattenquerschnitt weite von 230 m. Durch die geringe Höhe
des Überbaus der Lautrupsbachtalbrücke des Bogenstichs wirkt das Bauwerk ange-
ist entsprechend der Lage der Brücke in messen und niemals aufdringlich. Ermög­
einem Bogen asymmetrisch geformt. Dies licht wird dies durch die beweglichen Wi­
ist statisch-konstruktiv günstig und ergibt derlager – eine außergewöhnlich innovative
auch die prägende aerodynamische Form, Lösung, durch die die extreme Spann­weite
die nach oben in die gekrümmten Lärm- der Brücke ohne Dämpfer bewältigt wird.
schutzwände fortgesetzt wird. Innovativ ist Durch die Einspannung der Bogenenden in
auch die Kombination mit einer interes- die aufgelösten Widerlager setzt das Bau­
santen Beleuchtungslösung, die Blendef- werk leichtfüßig auf den ufernah im Wasser
fekte vermeidet. befindlichen Fundamentpfeilern auf.
Das Brückendeck ist eine asymmetrisch
Fazit: ausgebildete orthotrope Platte, die gleich-
Die Brücke im Verlauf einer vierspurigen zeitig als Zugband wirkt. Zusammen mit
Umgehungsstraße über einen empfindlichen dem Bogen ergibt das Brückendeck eine
Landschafts- und Siedlungsraum bei Flens- hinsichtlich Wind- und Fußgängerbelas­

Bild 1.6-20   Dreiländer-
brücke über den Rhein
zwischen Weil am Rhein
(D) und Huningue (F)
130 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

tungen schwingungsarme Lösung. Der mit Steil- und Flachufer. Auf der flachen
Verzicht auf Flusspfeiler vereinfachte den Seite, dem Ufer von Wernstein, wurden die
Bauablauf. Maßnahmen gegen Schiffsan- Tragkabel in zwei niedrigen Dreiecksschei-
prall waren dadurch überflüssig. ben verankert.
Die frei gespannte Hängebrücke mit ih-
Fazit: rem einseitigen Pylon ist extrem schlank
Die Dreiländerbrücke versinnbildlicht den und leicht. Sie erreicht durch die Schmal-
Brückenschlag zwischen Deutschland, heit des Steiges über die große Distanz von
Frankreich und der nahen Schweiz. Sie be- 144 m eine faszinierende Eleganz. Diese
geistert durch die perfekte Logik ihrer Kon- Grazie resultiert auch aus der geschickten
struktion, die zu einem ästhetisch perfekten Art der Vorspannung durch zwei Unter-
Ingenieurbauwerk geführt hat. Dieses spannseile, die sie in horizontaler und ver-
Grenzbauwerk ist schon jetzt Symbol des tikaler Richtung gegen Verformungen und
modernen Brückenbaus und hat sich rasch Schwingungen stabilisieren. Das ermög­
zu einem beliebten Anziehungspunkt ent- licht eine schwingungsarme Konstruktion,
wickelt. die dank der in Auf- und Grundriss ge-
krümmten Unterspannungen ganz ohne
Geh- und Radwegbrücke über den Inn bei Versteifungsträger auskommt.
Wernstein-Neuburg (Bild 1.6-21)
Maßgeblicher Entwurfsverfasser: Dipl.-Ing. Fazit:
Erhard Kargel. Die Grenzbrücke zwischen Bayern und
Elegant überspannt diese asymmetrische Oberösterreich ist technisch, gestalterisch
Hängebrücke mit einseitigem Pylon als und wirtschaftlich überzeugend, weil sie
Geh- und Radwegübergang zwischen dem konstruktiv auf das Wesentliche reduziert
deutschen Neuburg und dem österrei- ist – eine Brücke, bei der man nichts hinzu-
chischen Wernstein den Inn. Hier gilt das fügen, aber auch nichts weglassen kann.
Prinzip „Einordnung statt Konfrontation“. Auch das Bauverfahren war relativ einfach
Der kühne Brückenschlag unterstützt die und rational. Der besondere Reiz der Geh-
Typologie des Orts auf überzeugende und Radwegbrücke Wernstein-Neuburg
Weise. Der 30 m hohe Pylon auf der durch liegt in ihrer materiellen Reduktion auf ein
eine Burg gekrönten Neuburger Seite lenkt absolutes Minimum.
die Blicke auf eine klassische Flusslandschaft

Bild 1.6-21   Geh- und


Radwegbrücke über den
Inn bei Wernstein-Neu-
burg
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 131

Bild 1.6-22   Gessental­
brücke in der Neuen Land-
schaft Ronneburg bei Gera

Gessentalbrücke in der Neuen Landschaft durch eine sehr wirtschaftliche Vorferti-


Ronneburg bei Gera (Bild 1.6-22) gung im Werk aus. Die durch Stahlblech
Maßgebender Entwurfsverfasser: Dipl.- und seitliche Sperrholzverkleidung ge-
Ing. Richard J. Dietrich. schützte Holzkonstruktion wurde material-
Die Gessentalbrücke auf dem Gelände gerecht und dauerhaft ausgeführt. Ver-
der Bundesgartenschau 2007 ist mit 225 m schleißteile und Geländer sind leicht aus-
eine der längsten und innovativsten Holz- wechselbar.
brücken Deutschlands. Technische Innova-
tionen birgt das Bauwerk insbesondere in Fazit:
der ausgefeilten Konstruktion des Spann- Mit der Gessental­brücke wurde eine inno-
band-Überbaus. Als Teil eines Radfern- vative und nachhaltige Konstruktion reali-
wanderweges besticht die Brücke vor allem siert, die sich mit den schlanken Stützen gut
durch ihre Form. Bei der Gessentalbrücke in die Landschaft einpasst. Ihre ungewöhn-
ist erstmalig ein Spannband mit kompakten, liche Gestalt macht die Brücke zu einem
blockverleimten Brettschichtholzplatten heiter-poetischen Bestandteil der terras-
ausgeführt worden. Wie ein Seil schwingt senförmig angelegten Landschaft des BU-
sich dieses nur 50 cm dicke Zugband aus GA-Geländes.
einer integralen Holzstahlverbundkon-
struktion wellenförmig über drei Felder mit
Stützweiten von über 50 m. 1.6.8 Beschreibung
Der Brückenbelag besteht aus Lärchen- der für den Brückenbaupreis 2006 und 2008
holzbohlen, die neben der Funktion als nominierten Bauwerke
Gehbahn gleichzeitig zur Reduzierung der
vertikalen Schwingungen dienen. Das Vorbemerkung
Spannband wird durch extrem schlanke Im Folgenden werden die einzelnen preis-
und helle Gruppen von Pendelstützen ge- gekrönten und nominierten Brücken, in
tragen, die sich in der „Krone“ verästeln. der Regel von den maßgeblichen Entwurfs-
Das Spannbandsystem zeichnet sich verfassern, erläutert.
132 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.6.8.1 Talbrücke Wilde Gera, Thüringen

Roland von Wölfel


Bauherr:
Bundesrepublik Deutschland, DEGES

Entwurf und Projektleitung:


Dr. sc. techn. Roland von Wölfel, Leonhardt,
Andrä und Partner, Erfurt (damals Köhler und
Seitz, Nürnberg)

Ausführungsplanung:
Dr. sc. techn. Roland von Wölfel, Leonhardt,
Andrä und Partner, Erfurt (damals Köhler und
Seitz, Nürnberg)

Prüfung:
Dr.-Ing. Zichner, Berlin (Unterbauten) Dr.-Ing.
Haensel (†), Prof. Dr.-Ing. Hanswille, Bochum
(Überbau)

Ausführung:
Adam Hörnig Baugesellschaft, Aschaffenburg
Foto: Klaus Kappes, foto schüler, Zella-Mehlis
Bauzeit: 1997–2000

Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 3,79 m zu den Widerlagern hin ab. Die
Nr. 16 sah den Bau einer Autobahn durch Stützweiten betrugen 90 + 108 + 114 + 102
den Thüringer Wald vor. Sie verbindet + 78 + 60 = 552 m.
Thürin­gen mit Bayern und bindet den Ausgeführt wurde ein Sondervorschlag
Thürin­ger Wald und die Regionen Suhl und als Bogenbrücke. Dabei war von Vorteil,
Meiningen an das Autobahnnetz an. Die dass erst durch den einteiligen Überbau eine
Trasse quert den Kamm des Thüringer wirtschaftliche Bogenvariante möglich war.
Walds von Ilmenau nach Zella-Mehlis. Die Eine Variante mit zweiteiligem Betonüber-
Hauptkammdurchquerung bildet dabei der bau und zwei Bogen nebeneinander war ko-
8 km lange Rennsteigtunnel. Unmittelbar stenintensiver. Außerdem wird die Auto-
vor diesem Tunnel wird die Autobahn in bahn schiefwinkelig über das Tal geführt,
Ost-Westrichtung über das tiefe Tal der die zwei versetzt angeordneten Bogen hätten
Wilden Gera geführt. Die gewählte Trassen­ auch gestalterische Nachteile. Der Sonder-
führung ergibt dabei Höhen von ca. 110 m entwurf ergab gegenüber dem Verwaltungs-
über dem Talgrund. Weiterhin werden eine entwurf einen Kostenvorteil von mehreren
im Tal verlaufende Landesstraße und eine Millionen DM. Deshalb wurde aus wirt-
Eisenbahnstrecke überführt. schaftlichen Gründen, aber auch aufgrund
Im Verwaltungsentwurf war eine Bal- der besonderen ästhetischen Gestaltung, der
kenbrücke ausgeschrieben mit konstanter Sondervorschlag Bogenbrücke vom Bau-
Bauhöhe im Talfeld und linear veränder- herrn ausgewählt. Dadurch erfolgten im Be-
lichen Bauhöhen in den Hangfeldern. Die reich der vorhandenen Deponie im Talgrund
Konstruktionshöhe des Überbaus nahm keine Gründungsmaßnahmen, die ur-
dabei von 5 m im Talfeld auf 4 m bzw. sprünglich geplante Verlagerung der Depo-
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 133

nie ist somit nicht mehr erforderlich. Beson- Deutschlands mit der größten Bogenspann­
dere Sicherungsmaßnahmen im Bereich des weite. Die Abmessungen der rechteckigen
vorhandenen 100 Jahre alten Bahndamms, Hohlpfeiler betragen 2,5 ∙ 9,0 m beim Re-
der als mauerverblendeter Damm ca. 60° gelpfeiler und 3,5 ∙ 9,0 m beim Kämpfer-
geneigt und über 20 m hoch ist, und auch pfeiler. Die Wanddicke beträgt 30 cm, beim
bei der Landesstraße konnten ebenfalls ent- Kämpferpfeiler 40 cm. Der Pfeilerkopf ist
fallen. Eine Verlegung der Wilden Gera war so dimensioniert, dass neben den Lager­
nicht mehr notwendig. sockeln das beidseitige Aufstellen von hy-
Um eine „bogenfreundliche“ Gestaltung draulischen Pressen zum Anheben des
des Bauwerks zu erreichen, wurden einige Überbaus möglich ist.
geometrische Randbedingungen gegen­ Da sich das Bauwerk als Zwischenquar-
über dem Verwaltungsentwurf verändert. tier für die Besiedlung mit Fledermäusen
Der Grundrissradius der Gradiente wurde eignet, erhielten alle Pfeiler an den Türöff-
im Bereich des Bauwerks von 5200 auf nungen am oberen Abschluss einen Ein-
7800 m vergrößert, um geringere Außer- flugschlitz von ca. 10 cm Höhe. Zutrittsbe-
mittigkeiten der Bogenpfeiler auf dem im reiche der Widerlager und Hohlpfeiler sind
Grundriss geraden Bogen zu erhalten. Eine mit Stein- bzw. Kiesschüttungen ausgestat-
weitere Vergrößerung des Radius oder so- tet. Kunststoffrohre zur Entwässerung und
gar eine Gerade war nicht möglich, da die Belüftung des Bogens wurden durch raue
direkt angrenzende Schwarzbachtalbrücke unglasierte Tonrohre ersetzt, um eine bes-
bereits in der Ausführung war. Damit stand sere Ultraschallübertragung zu gewährleis­
nur eine begrenzte Strecke zur Trassie- ten. Auf sonst übliche Vogelflugschutzvor-
rungsänderung zur Verfügung. Außerdem richtungen wurde gänzlich verzichtet.
wurde das gesamte Bauwerk um 3 m in Als Bogenquerschnitt wurde ein 10,3 m
westliche Richtung verschoben, um den breiter, zweizelliger Kasten mit Wand­dicken
Bogen symmetrisch ins Tal einzupassen von 40 cm bei den Außenstegen, 35 cm bei
und die Kämpferfundamente auf die glei- der oberen und unteren Bogenscheibe und
che Höhenkote zu setzen, was der Ästhetik
zugutekommt, siehe auch Bild 1.6-11. Die
Stützweiten der Bogenbrücke betragen bei
unveränderter Bauwerksgesamtlänge 30 +
36 + 10 ∙ 42 + 36 + 30 = 552 m.
Um die Bogenkämpfer weit genug vom
Bahndamm und in gut tragfähigem Unter-
grund zu gründen, entstand die Bogen-
spannweite von 6 ∙ 42 m = 252 m. Sie war
damit zu dieser Zeit die Bogenbrücke
134 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

30 cm am Innensteg gewählt. Die Bauhöhe Für die Abspannung wurden mit tempo-
beträgt am Kämpfer 5,5 m und verringert rärem Korrosionsschutz versehene Litzen-
sich zum Scheitel auf 3,3 m. Der Mittelsteg spannglieder vom Typ VBF 12-150 mit einer
ist aus statischen Gründen angeordnet, um zul. Kraft von 1752 kN verwendet. Sie wur-
möglichst die gesamte obere und untere Bo- den nur bis maximal etwa 1500 kN bean-
genscheibe zur statischen Mitwirkung bei sprucht. Ab dem jeweils 13. Takt waren zu-
der Biegebeanspruchung im Bauzustand sätzliche stählerne Hilfspylone auf den
heranzuziehen. Ein Massivbogen würde Kämpferpfeilern notwendig, um eine ausrei-
weniger Probleme beim Bewehren und Be- chende Neigung der Abspannung zu erzie-
tonieren ergeben, durch sein höheres Ge- len. Die Einleitung der Rückhängekräfte der
wicht bei gleicher Biegesteifigkeit aber grö- Bogenhälften wurden mit Felsankern in den
ßere Abspannmaßnahmen erfordern. Achsen 1 + 2 und 10 + 11 realisiert. Hierzu
Die Bogenform wurde im Zuge der Aus- wurden innerhalb des Fundamentes Über-
führungsplanung statisch optimiert, um greifungsstöße zwischen der Abspannung
die Biegemomente im Endzustand klein zu und den Felsankern ausgebildet. Die Ab-
halten. Aus Eigenlast des Bogens würde spannung wurde über Koppelanker ange-
eine parabelförmige Bogenform als Stütz­ schlossen. Für die Erdanker wurden
linie entstehen. Konzentrierte Lasten an DYWIDAG AS 6815 mit einer zulässigen
den Bogenpfeilern erzeugen Knicke in der Vorspannkraft 2009 kN verwendet. Nach
Stützlinie. Diese wurden aus ästhetischen der Herstellung der Takte 124 und 224 im
Gründen etwas ausgerundet, sodass optisch frei auskragenden, abgespannten Zustand
eine parabelähnliche Bogenform entstand. erfolgte vor dem Betonieren des Schluss-
Jede Bogenhälfte wurde von den Kämp- stücks ein vorgezogener Bogenschluss. Da-
fern in 24 Takten von beiden Seiten aus zeit- für wurde ein Stahldruckstück eingesetzt
gleich im Freivorbau hergestellt. Im Schlus- und durch geringfügiges Ablassen der Ab-
stakt wurde der Bogen geschlossen. Die Ab- spannung so auf Druck beansprucht, dass
schnittslängen betrugen je 6 m. Die einzel- die Beanspruchungen aus Temperatur-
nen Takte waren gerade, da die erforderliche schwankungen während des Erhärtens des
Krümmung bei jedem Takt unterschiedlich Schlussstücks aufgenommen wurden. Sol-
wäre, was den Schalungsaufwand erheblich che Temperaturschwankungen oder auch
erhöht hätte. Daraus ergibt sich eine poly- einseitiges Erwärmen des Bogens würden
gonzugartige Bogenform, die aber optisch die Enden der beiden Bogenhälften um eini-
nicht auffällt. Um den Freivorbauwagen ge cm gegeneinander verschieben, was man
montieren zu können, wurde der erste Takt dem im Erhärtungsprozess stehenden Beton
mit 7 m Länge auf Lehrgerüst erstellt. nicht zumuten kann. Anschließend wurde
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 135

die Abspannung bis auf einige Seile, die für Querschnitt wurde sowohl aus Kosten-
die Herstellung der Fahrbahnplatte des gründen als auch aufgrund der exponierten
Überbaus notwendig sind, zurückgebaut. Lage und damit verbundener erhöhter Ge-
Der Brückenüberbau ist ein Verbund- fahr der Glatteisbildung ausgeschlossen.
querschnitt, bestehend aus einem trapez- Ein reiner Betonüberbau ist zu schwer und
förmigen Stahltrog und seitlichen Fach- auch bei einer Breite von 26,5 m in dieser
werk-Abstrebungen sowie einer Betonfahr- Höhe aufwendig herzustellen.
bahnplatte für beide Richtungsfahrbahnen Der Zusammenbau der einzelnen Stahl-
mit einer Breite zwischen den Geländern montageteile erfolgte hinter dem Widerla-
von 26,5 m. ger West. Auf der 80 m langen Montageflä-
Seit Anfang der 80er-Jahre ist in der che wurden jeweils drei Schüsse vormontiert
Bundesrepublik Deutschland festgelegt, bzw. vorgerichtet und vollständig mitei-
dass bei zweibahnigen Straßen grundsätz- nander verschweißt. Im Bereich der Mon-
lich getrennte Überbauten vorzusehen sind, tagestöße wurde unmittelbar nach den
um bei größeren Instandsetzungsarbeiten Schweißarbeiten der werkseitig auf­
eine Fahrbahn sperren und den Verkehr auf gebrachte Korrosionsschutz ergänzt bzw.
die Gegenfahrbahn leiten zu können. Bei ausgebessert. Der letzte Deckanstrich er-
hohen Brücken ergeben sich neben den hö- folgt nach dem Betonieren der Fahrbahn-
heren Kosten der daraus resultierenden platte. Nach der Fertigstellung eines 63 m
doppelten Unterbauten auch gestalterisch langen Verschubtakts wurde die Stahlkon-
unbefriedigende Lösungen. Aus diesem struktion mittels ca. 2 m langer Verschubla-
Grunde wurde vom Bauherrn der einteilige ger über die Pfeiler hin­weg eingeschoben.
Querschnitt gewählt. Bereits in der Aus- Nach Einschub des Stahltrogs und Um-
schreibung wurde dabei ein Austausch des setzung auf seine end­gültigen Lager wurde
Verschleißteils Fahrbahnplatte unter lau- die Fahrbahnplatte „in situ“ hergestellt.
fendem halbseitigem Verkehr in Abschnit- Hierzu sind zwei Schalungseinheiten an
ten von 15,0 m eingeplant. Dieser Wert den beiden Widerlagern aufgebaut worden,
wurde auf 14 m verringert und beträgt da- die zeitlich versetzt starteten, sodass sie
mit 1/3 der Feldweite, sodass die Arbeits­ etwa in Bogenmitte zusammentrafen. Hier-
fuge nie im Bereich der hohen Stützenmo- für ist eine Lage der Bogenabspannung wie-
mente und daraus resultierenden hohen der aktiviert worden, um der ungleich­
Zugbeanspruchungen liegt. mäßigen Bean­spruchung des Bogens ent-
Ein reiner Stahlüberbau mit einteiligem gegenzuwirken.
136 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.6.8.2 Eisenbahnbrücke Ingolstadt

Andreas Keil und


Jörg Schlaich

Bauherr:
Deutsche Bahn AG, PB DE Nürnberg

Entwurf:
Schlaich Bergermann und Partner

Ausführungsplanung:
Ingenieurbüro Schütz, Kempten

Ausführung:
Dyckerhoff & Widmann

Bauzeit: 1999–2001

Bild: Roland Halbe, Stuttgart

In Ingolstadt spannt eine neue eingleisige 20–30 Jahren mit der glei­chen – oder einer
Fernbahn­brücke über die Donau. Sie liegt wieder weiterentwickelten – Konstruktion
stadtseitig unmit­telbar neben einer beste- verbreitert werden kann.
henden zweigleisigen Strecke. Die beste- Da es eigentlich keine Begründung für
henden drei­feldrigen Brücken mit zwei ge- eine große Spannweite über dem linken
trennten Überbauten und klassisch oben Ufer gibt, hat die neue Brücke im Vergleich
liegen­den Fachwerken mit je 55 m Spann- zu den Fachwerkbrücken nur zwei Haupt-
weite stammen aus dem Jahr 1961. felder mit je 55 m über der Donau, dazu am
Das unmittelbare Umfeld der Brücke ist rechten Ufer ein Randfeld mit 19,5 m und
durch die grünen, baumbestandenen Ufer, am linken Ufer 3 Randfelder mit 22,3 – 19,0
den Blick über die Donau mit der histo- – 13,4 m.
rischen Altstadt und dem Neuen Schloss im Nach einigen Variantenstudien kam es
Hintergrund bestimmt. zu einem flächigen, gedrungenen, in be-
Die unmittelbare Nachbarschaft zur be- wusstem Gegensatz zu der in Stäbe aufge­
stehenden Brücke stellte weitere Randbe- lösten jetzigen Brücke stehen­denden Ent-
dingungen, denn blickt man donauabwärts, wurf: einer durchlaufenden Trogbrücke mit
sieht man die neue Brü­cke vor der alten materialgerechten, entsprechend dem
Fachwerkbrücke liegen. Von der benach- Momen­tenverlauf gewellten Stegen aus
barten Straßenbrücke aus donauaufwärts Stahl, die beidseits auf die Stahlbeton­
geblickt, erahnt man sie lediglich durch die bodenplatte unter den Gleisen aufgesetzt
vier Fachwerke der alten Brücke hindurch. sind.
Es galt also eine Brücke mit den vorgege- Bei der gewählten Stegform sind in den
benen Spannweiten zu entwerfen, die ne- Hauptfel­dern die Zugkraft im Flansch des
ben den alten Fachwerkbrücken zurückhal- stählernen Stegs und die Druckkraft in der
tend den Fortschritt belegt und zugleich in Betonplatte unter einer Gleichlast über die
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 137

Donau

Donau

13.42 19.00 22.30 55.15 54.72 19.50


184.09

ganze Brückenlänge konstant und visuali- bereich von den Richtlinien der DB ab und
sieren den vorherrschenden Lastabtrag. es mussten Zustimmungen im Einzelfall
Die Steifen der Stege sind schräg und und unternehmensinterne Genehmi-
fächer­artig angeordnet, dass sie die Rich- gungen eingeholt werden.
tung der Hauptdruck­kräfte und deren Weg Bei der statischen Berechnung und Be-
in die Auflager abbilden. Dort, wo diese messung der Brücke waren außer den
Auflagerkräfte abhebend wirken, also in Spannungs-, Gebrauchs­tauglichkeits- und
den Endfeldern, sind Zugpendelpaare un- Dauerfestigkeitsnachweisen auch detail-
ter den Stegen angeordnet. lierte Betrachtungen zur seitlichen Ober­
Wenn diese Brücke in 20–30 Jahren ver- gurt­stabilität des Stahlsegels notwendig.
breitert werden muss, bietet es sich an, die Ebenso musste der Montageablauf mit sei-
Konstruktion einfach zu verdoppeln. Denn nen verschiedenen Bau­zuständen und die
im Gegensatz zu an­deren Bauarten wie z. B. damit „eingefrorenen“ Span­nungs­zustände
Stabbögen oder Fachwer­ken, die in Rei- bei der Schnittkraftermittlung be­rück­sich­
hung eher wirr und versperrend wir­ken, tigt werden.
vertragen sich die gewählten Wellenformen Die Montage des Stahlbaus erfolgte ge-
in einer Addition gut und erscheinen dann rüstfrei. Große vorgefertigte Stahlteile wur-
noch schö­ner und plastischer. den mit Auto­kränen eingehoben und zu
Die Brücke ist nicht nur aufgrund der dem durchgehenden Stahltrog zusammen-
statischen Berechnungen und der kon- gefügt. Mit einem auf den Obergurten der
struktiven Ausbildung sehr anspruchsvoll. Längsträger fahrenden Schalwagen wurden
So wichen z. B. die Verbund­bauweise ohne die Betonlängsträger hergestellt. Auch die
Längsvorspannung, die Verwendung von Betonplatte wurde mit eingehängten Scha-
Blechstärken größer als 60 mm und die Ge- lungen zwischen den Stahlquerträgern in
lenklager in den Pendelstützen im Vorland- Ortbeton hergestellt.

Hauptabmessungen:

Stützweiten 13,42 – 19,00 – 22,30 – 55,15 – 54,72 – 19,50 m


Gesamtlänge 184,09 m
Gesamtbreite 6,70 m
Konstruktionshöhe Stütze 5,35 m
Feld 2,30 m
Betonplatte D = 25 cm
138 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.6.8.3 Die Luckenberger Brücke


in Brandenburg an der Havel

Peter Poitzsch

Bauherr:
Stadt Brandenburg, Tiefbau- und Grünflächen-
amt

Entwurf:
VIC Brücken und Ingenieurbau GmbH Potsdam

Architektonische Beratung:
Kolb+Ripke Architekten, Berlin

Ausführung:
Heinrich Klostermann Baugesellschaft mbH,
Velten
Gebrüder Kemmer, Berlin

Bauzeit: 2000–2001

Die Luckenberger Brücke ist ein inner- Als für die Randbedingungen sinnvolle
städtisches Bauwerk. Sie überspannt in der und angemessene Konstruktion wurde ein
Stadt Brandenburg die Havel. Das Bauwerk Sprengwerk aus Stahlbeton gewählt. Die
ist Ausdruck des Gestaltungswillens des pfeilerlose schlanke Konstruktion passt op-
Auftraggebers und der fruchtbaren Zusam- timal in die sensible städtebauliche Situati-
menarbeit von Ingenieuren und Archi- on des parkartigen Areals und setzt ein
tekten in allen Phasen der Planung und selbstbewusstes, aber die Umgebung re-
Bauausführung. spektierendes Zeichen.
Die Konstruktion ist die Basis für das Die Schlankheit der Brücke erreicht mit
Gestaltungskonzept. Konstruktion und Ge- l/h = 63 m einen Wert, der bei vergleich-
staltung bilden eine Einheit. Sie wurden baren Massiv­bauten nahezu beispiellos ist.
konsequent aus den funktionalen und tech- Der Brückenquerschnitt ist ein vierstegiger
nischen Randbedingungen entwickelt. Auf Plattenbalken mit einer Breite von 12,50 m.
ausschließlich schmückende Elemente Der Querschnitt trägt zwei Straßenbahn-
wurde verzichtet. gleise im Fahrbahnbereich und beidseitig je
Die angrenzende Bebauung und die To- einen Geh- und Radweg. Die Brückenwi-
pografie der Havelufer erfordert eine mög- derlager sind auf jeweils 12 Großbohrpfäh-
lichst flache Gradiente mit auch für Rad- len mit einem Durchmesser von 1,20 m und
fahrer angemessenen Tangentenneigungen. einer maximalen Länge von 20,70 m ge-
Gleichzeitig müssen die Forderungen hin- gründet.
sichtlich des Schifffahrtsprofils unter der Um diese sehr schlanke Konstruktion zu
Brücke erfüllt werden. Diese Anforde- ermöglichen und Langzeitverformungen
rungen beschränken die Bauhöhe des sowie Schwingungsanfälligkeit zu mini-
Überbaus einschließlich Brückenbelag auf mieren, wurde die Brücke in Hochleis-
75 cm. tungsbeton der Festigkeitsklasse B 85
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 139

(C 70/85) hergestellt. Sie war damit zum getrennt und noch nicht mit den Widerla-
Zeitpunkt ihrer Errichtung die größte mit gern verbunden waren. Zur Minimierung
Hochleistungsbeton gebaute Brücke in der Rissbildung infolge Frühschwindens
Deutschland. wurden beide Abschnitte zentrisch vorge-
Die Brücke ist als integrale Konstruktion spannt. Nach dem Aushärten des Betons
ohne Lager und Übergangskonstruktion wurden in die Schlusslücke horizontal ar-
und durch den eingesetzten Hochleistungs- beitende Pressen eingesetzt, mit deren Hil-
beton ein sehr robustes Bauwerk, das eine fe der Überbau aus dem Lehrgerüst ge-
wirtschaftliche Unterhaltung erwarten drückt werden konnte. Durch die Schluss-
lässt. lücke und den Presseneinsatz konnten
Für die Realisierung des Bauwerks wur- Zwangsbeanspruchungen des Überbaus
den verschiedene technische und technolo- vermieden werden. Die horizontalen
gische Maßnahmen umgesetzt, die den Setzun­gen des Bauwerks aus der Spreng-
Besonderheiten des Hochleistungsbetons werkwirkung wurden weitgehend vorweg-
Rechnung trugen und die Qualität und genommen und die Überbauteile konnten
Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens gesi- vor dem Schließen der Schlusslücke und
chert haben. der Herstellung der biegesteifen Verbin-
So wurden die Schrägstiele des Spreng- dungen zu den Widerlagern entsprechend
werks als Fertigteile im Werk vorgefertigt der Sollgradiente ausgerichtet werden.
und auf der Baustelle in das entsprechend Mit einer technisch innovativen Lösung
vorbereitete Lehrgerüst eingesetzt. konnte eine Brücke entworfen und gebaut
Bei der Betonage wurde der Überbau in werden, die einen hohen Anspruch an
zwei Abschnitte unterteilt, die im Brücken- Funktionalität, Ästhetik, Wirtschaftlichkeit
scheitel durch eine 1 m breite Schlusslücke und Dauerhaftigkeit erfüllt.
140 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.6.8.4 La-Ferté-Steg Stuttgart-Zuffenhausen

Roland Wetzel

Bauherr:
Landeshauptstadt Stuttgart, Tiefbauamt

Entwurf:
Peter und Lochner, Beratende Ingenieure
für Bauwesen GmbH, Stuttgart; Projektleiter:
Dr.-Ing Matthias Schüller

Architektonische Beratung:
‚asp‘, Arat – Siegel & Partner, Stuttgart

Ausführung:
Max Früh GmbH & Co. KG, Achern

Foto: Dietmar Strauß, Besigheim Bauzeit: 2000–2001

Entwurf
Der La-Ferté-Steg ist eine stark frequen-
tierte Verbin­dung zu Hallenbad, Schule und nicht nur die Integralbauweise ohne Über-
Festplatz über eine vierstreifige Straße mit gangskonstruktionen, sondern ermöglicht
mittig liegender Straßenbahn­trasse hinweg. auch eine Stützung lediglich entlang der
Der Entwurf als Ergebnis der interdiszi- Mittelachse des Querschnitts. Dies dient der
plinären Zu­sammenarbeit von Architekt Transparenz unter der Brücke und erzeugt
und Ingenieur sieht bei der vorhandenen so ein ruhiges Gesamtbild.
Geländesituation, mit einem Hang auf der
einen und einer weit, nahezu flach aus­ Gestaltung
laufen­den Wiese auf der anderen Seite der Damit die Brücke – auch im Bereich der
Haldenrain­straße, eine unsymmetrische großen Spannweite – als eine Einheit ver-
Balkenbrücke mit 119 m Länge über sieben standen werden kann, wird die Geh- und
Felder vor, die sich auf der Hang­seite in eine Radwegplatte mit gleich bleibenden Ab-
Wandscheibe einspannt und dann gera­ messungen durchgeführt. Die untere Kon-
dezu leichtfüßig den 28,50 m breiten Ver- tur des Plattenbalkens erhält zu den Wider-
kehrsraum frei überspannt. lagern hin einen parabelförmigen Verlauf
Im Grundriss beschreibt die Brücken- und bindet so in einem Schwung in das Ge-
achse die Form einer Kreisbogenlinie mit lände ein, um das „He­raus­wachsen“ des
einem Radius von 53,70 m. Überbaus aus dem Gelände zu betonen.
Die damit verbundene leicht begreifbare Der Übergang vom Plattenbalkensteg zu
und über­sichtliche Wegeführung dient der den Wandscheiben erfolgt fließend. Eine
Orientierung und der Verkehrssicherheit formale Tren­nung wird bewusst nicht vor-
auf der Brücke. Ein wichtiger Aspekt, wenn genommen, um den monolithischen Cha-
man bedenkt, dass Fußgänger und Radfah- rakter der zusammengehörenden, in einem
rer gemeinsam auf einer Fläche verkehren. Guss betonierten Tragelemente Plattenbal­
Die Kreisbogenform der Brücke begünstigt ken und Wandscheiben zu erhalten.
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 141

Mit abnehmender Höhe der Brücke über stützen – dokumentieren den Kontrast in
Gelände werden die Spannweiten des Über- Material und Funktion. Die unauffälligen
baus verkürzt, wodurch die Proportionen Stützen lassen den Überbau optisch schwe-
zwischen Feldweiten und Höhe der Brücke ben; der Betonträger erhält somit eine
über Gelände ausgewogen bleiben. Gemäß Leichtigkeit, die den städtebaulichen Raum
den abnehmenden Spannweiten verringert wenig belastet. Das sehr dünne Gesims-
sich auch die Höhe des Plattenbalkenstegs. band und das filigrane Füllstabgeländer
Hierdurch wirkt der Überbau in Bodennä- tragen hierzu in erheblichem Maße bei und
he und somit auch in unmittelbarer Nähe sind ein wesent­licher Bestandteil des gestal-
des Betrachters weiterhin sehr schlank. Auf terischen Gesamtkon­zepts.
der Ostseite mündet der Plattenbalken mit
45 cm Konstruktionshöhe unauffällig in ein Tragverhalten
klei­nes Widerlager, das ebenfalls die Pro- Um Temperaturzwänge klein zu halten,
portionen wahrt. darf das seitliche Ausweichen des Überbaus
Die verschiedenen Tragelemente – zum nicht behindert werden. Die Stahlstützen
einen der aus dem Hang organisch heraus sind an ihren Enden so geformt, dass sie
wachsende massive Plattenbalken und zum sich praktisch wie „Pendelstützen“ ver­
anderen die dünnen, silberfar­benen Stahl- halten.
142 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

Foto: Dietmar Strauß, Besigheim

Foto: Dietmar Strauß, Besigheim

Deshalb erhalten sie im Wesentlichen men ge­schweißt. Die Gussteile sind aus
nur Normal­kräfte, auch wenn sich der einem hochfesten Stahlguss (GS-18NiMo-
Überbau infolge von Temperaturschwan- Cr3-6, Festigkeitsstufe I, nach SEW 520)
kungen ausdehnen oder zu­sam­menziehen mit guter Schweißeignung gefertigt, die
will. Die Stützen wurden im Werk aus je Rohre bestehen aus Baustahl St 52 und ha-
zwei Gussteilen und einem Rohr zusam- ben einen Durchmesser von 219 mm bzw.
168 mm.
Die „Wei­zenbierglasform“ der Gussteile
wurde in direktem Bezug zum gewünsch-
ten Tragver­halten gewählt.
Um die Temperaturbewegungen des
Überbaus zu ermöglichen, müssen die an
den Stützenenden be­findlichen Gussteile
eingeschnürt werden, damit die mit dem
„Pendeln“ der Stützen einhergehenden Ver­
formungen in den kritischen Querschnit-
ten nicht zu untragbaren Beanspruchungen
führen.
Der Stahlbetonplattenbalken des La-
Ferté-Stegs trägt die Vertikallasten wie ein
klassischer Kreis­ringträger ab. Vereinfa-
chend kann er als ein räumlicher Biege­stab
betrachtet werden, der zu den beiden En-
den voll eingespannt wird und entlang sei-
ner Achse lediglich durch horizontal ver-
schiebbare Punktlager gestützt ist.
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 143

Aus Sicherheitsgründen wurde der


Überbau für den Katastrophenlastfall „Aus-
fall der Stütze 1“ be­messen, trotz angeord-
netem Anprallschutz.

Integrale Bauweise
Fugen stellen im Brückenbau häufig
Schwachpunkte dar, die aufwendig saniert
werden müssen. Können die mit der fugen-
losen Bauweise verbundenen Zwänge kon-
trolliert werden, dann kommt dies der Foto: Dietmar Strauß, Besigheim
Dauerhaftigkeit in besonderem Maße zu-
gute. Die Zwänge werden am besten durch
das Ausweichprin­zip kontrolliert, d. h. man
lässt die Zwänge erst gar nicht entstehen. länderstreben als Auf­standsfläche, zum an-
Aufgrund seiner Bogenform im Grundriss deren ermöglicht sie einen zier­lichen, nur
kann hier der Überbau Zwängen aus Tem­ 36 cm über die Kappe hinausragenden Be-
peratur gut ausweichen. Unterschiedliche rührungsschutz zu den Hochspannungslei-
Setzungen bereiten dem schlanken und da- tungen der Stadtbahn.
mit relativ biegewei­chen Träger ebenfalls Der stählerne Treppenturm ist eine ei-
keine Probleme. Für geringe Rissabstände genständige Konstruktion und nicht mit
und somit kleine Rissbreiten sorgt eine der Brücke verbunden, damit sich die seit-
durchgehend eingelegte Mindestbeweh- lichen Verformungen des Überbaus bei
rung mit Durchmesser 14 mm alle 10 cm. Temperaturschwankungen ohne Behinde-
Die lagerlose Bauweise wurde durch die rung einstellen können. Die beiden vieren-
spezielle Stützenform und das damit ver- deel-artigen Stüt­zen, die Treppenwangen
bundene „Stützenpen­deln“ möglich. Sie und das Geländer sind aus Baustahl S235JR
kommt besonders der Bauausfüh­rung und gefertigt. Die Trittflächen der Stu­fen und
der Wartung, aber auch der Gestaltung ent- Podeste bestehen aus Edelstahltränenble-
gegen, weil die Details einfach gehalten chen, die auf Neoprenstreifen zur Tritt-
werden können. Zudem entfällt der mit In- schalldämmung und zur Vermeidung von
spektionen oder Lagerwechseln verbun- Kontaktkorrosion auflagern.
dene Aufwand.
Herstellung
Brückenausstattung Nach dem Herstellen der Bohrpfähle und
Zur Ausführung gelangte ein glasperlen­ der Funda­mente für Widerlager und Stüt-
gestrahltes Edelstahlgeländer mit einem zen wurde das Lehrge­rüst aufgebaut. We-
Flachstahlhandlauf und Rundstahlfüllstä- gen des geringen Abstands der Überbauun-
ben. Um die Füllstäbe des leicht nach innen terkante zur Oberleitung der Stadtbahn
geneigten Geländers möglichst dünn zu entschied man sich für eine Traggerüstkon-
halten, wird das Geländer im Abstand von struktion, die aus Längsträgern mit hän-
ca. 2 m von je­weils zwei Streben stabilisiert. genden Querträgern besteht.
Die zylindrischen Beleuchtungskörper aus Um die Schwindverformungen mög-
Edelstahl sind an jedem vierten Streben- lichst klein zu halten, wurde der Überbau
paar auf der Kurveninnenseite befes­tigt. in drei Abschnitten beto­niert, mit einer
Die auskragende Randkappe mit ihrem Schwindlücke in Brückenmitte, die erst vier
dünnen Ge­simsband dient einmal den Ge- Wochen später geschlossen wurde.
144 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.6.8.5 Brücke über die Gahlensche Straße,


Bochum

Knut Göppert und Andrea Wittel

Bauherr:
Kommunalverband Ruhrgebiet
Kronprinzenstraße 35
45128 Essen

Entwurf:
Schlaich Bergermann und Partner
mit von Gerkan, Marg und Partner

Ausführungsplanung:
Schlaich Bergermann und Partner
Hohenzollernstraße 1
70178 Stuttgart

Ausführung: MSD Maschinen- und Stahlbau


Dresden

Bauzeit: 2002–2003
Foto: Thomas Riehle, Köln

Aufgabenstellung
Im Rahmen eines konzentrierten Wettbe- Die 30 m hohen Maste wirken als Land-
werbs an zwei Tagen wurden 1997 direkt marken und markieren bereits aus der Fer-
vor Ort die Ideen für drei Brücken im West- ne deutlich sichtbar den Standort der Über-
park entwickelt. Die Brücke über die Gah- querung.
lensche Straße, im Wettbewerb unter Mit- Die über der Brücke angeordnete Auf-
wirkung von Gerkan Marg und Partner hänge-konstruktion vermittelt Sicherheit
Architekten erarbeitet, wurde als Binde- und lenkt den Fußgänger und Radfahrer
glied zwischen Westpark und Erzbahntras- über die Brücke. Zusammen mit den an den
se von der Jury zur Realisierung vorge- Tragrippen angeordneten Hängerseilen,
schlagen. deren Neigung sich stetig ändert, wird dem
Damit erhielt die inzwischen als Rad- Benutzer so das Erlebnis eines dreidimen-
und Wanderweg genutzte, derzeit 20 km sionalen Tragwerkes vermittelt.
lange, Erzbahntrasse eine direkte Anbin- Die S-Kurve verbindet gestalterische
dung an die umgebaute Jahrhunderthalle. Absicht, Wegeführung und die konstruk-
tiven Vorteile einer gekrümmten Brücke in
Entwurfsidee/Konzept idealer Weise.
Ausgehend von den Wegebeziehungen der
Radfahrer legt sich die Brücke „dynamisch“ Konstruktion
über die unübersichtliche und indifferente Die gekrümmte Form der Brücke lässt sich
Situation aus Straße, Gleisanlagen und ideal nutzen. Der Ringträger muss nur auf
Rohrbrücke. einer Seite gestützt werden, braucht also als
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 145

Hängeseilbrücke statt der üblichen zwei der jeweiligen Brückenhälfte und mit ihren
Tragseile nur eins. Durch seine Kreisring- Kugelfußpunkten unterhalb der Brücke
form wandelt er das Kippmoment aus der liegen, kann auf Abspannseile verzichtet
einseitigen Aufhängung in ein Kräftepaar, werden.
oben in der Platte Zug und unten im Rohr
Druck, und wird so als reiner Stahlquer- Montage
schnitt mit einer dünnen Schicht Aufbeton Der Überbau – bestehend aus dem Stahl-
als Gehwegbelag konstruiert. trog der Gehwegplatte, dem Druckrohr und
Der wechselnd gekrümmten Form des dem aussteifenden Fachwerk – wurde in
Überbaus folgend werden zwei zum jewei- Schüssen von bis zu 25 m Länge in der
ligen Kreismittel­punkt hin geneigte Maste Werkstatt vorgefertigt, in der end­gültigen
angeordnet, die jeweils eine Brückenhälfte Lage über den Gleisen auf Hilfsstützen auf-
tragen. gebaut und verschweißt. Mit dem Einhän-
Die Verankerung der Tragseile erfolgt an gen der Trag- und Hängerseile wurde der
den Widerlagern, die aufgrund der schwie- Überbau aus den Hilfsstützen gehoben und
rigen Bodenverhältnisse auf bis zu 30 m die, bis dahin durch Hilfsabspannungen ge-
langen Pfählen aufgeständert sind. sicherten, Maste stabilisiert.
Da die beiden Maste so angeordnet wur- Auf der bereits frei hängenden Brücke
den, dass die Trageseile tangential am wurde dann der Aufbeton der Gehwegplat-
Mastkopf anschließen, sie im Schwerpunkt te eingebracht und das Geländer montiert.

Grundriss

Querschnitt
146 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.6.8.6 Holzbrücke über die Freiberger Straße


im Forstbotanischen Garten Tharandt

Uwe Fischer

Bauherr:
SIB – Sächsisches Immobilien- und
Baumanagement, NL Dresden II

Gestaltungsentwurf, Architektur:
Kathrin Gädeke, Andre Dreßler
Betreuung (TU Dresden):
Prof. Schulten, Prof. Haller, Prof. Roloff

Vorplanung:
Schulze + Partner, Architekten

Entwurf und Projektleitung:


Planungsbüro Bonk & Herrmann, Dresden
Planungsbüro für konstruktiven Ingenieurbau

Ausführung:
Schmees & Lühn
Holz- und Stahlingenieurbau GmbH

Bauzeit: 2003–2004

Ziel der Baumaßnahme war es, die beiden holzele­mente mit stehenden Lamellen zum
Teile des Forstbotanischen Gartens Tha- Einsatz. Zur Realisierung der Grund­riss­
randt der TU Dresden durch eine die lösung war eine extreme Krümmung dieser
Staatsstraße S 194 überquerende Fußgän- Brettschichtholz­-Elemente (Achs­radius
gerbrücke miteinander zu verbinden. 16,25 m) erforderlich. Die Einzelelemente
Der Entwurf dazu basiert auf dem Er- wurden durch teilweise ins Holz eingelasse­
gebnis eines Studentenwettbewerbs der TU ne Stahlteile zu einem Durchlaufträger über
Dresden, Fakultät Architektur. alle 16 Felder gekoppelt.
Im Rahmen der Entwurfsplanung er- Die Stützen bestehen jeweils aus drei
folgte durch das Planungsbüro Bonk & Stahl­rohren Ø 14 cm sowie einem ge­
Herrmann eine grundsätzliche Überarbei- schweißten dreieckigen Kopfrahmen mit
tung der Gestal­tungskonzeption sowie der kastenförmigem Querschnitt. Aus der An-
statisch konstruktiven Ausbildung des Bau- passung an den Geländeverlauf ergeben
werks. sich die Stützenlängen zu 1,2 m bis 10,8 m.
Die Brücke hat eine Länge von 117 m Zur Begrenzung der seitlichen Verfor-
und eine nutzbare Laufbreite von 2,50 m mung des Überbaus wur­den jeweils nach
und passt sich mit wechselnden Krüm- vier Elementen Abspannun­gen vorgese-
mungen im Grund­riss und einer Steigung hen. Die zylinderförmigen Stüt­zen­
entgegen dem Anstieg des Zeisiggrunds der fundamente aus Stahlbeton ruhen auf je­
örtlichen Situation so­wie dem Baumbe- weils drei räumlich angeordneten
stand des Forstbotanischen Gartens an. Kleinbohr-Ver­presspfählen mit einer An-
Als Tragkonstruktion kamen 22 cm di- passung an die teil­weise extreme Gelände­
cke, werksseitig vorgefertigte Brett­schicht­ neigung.
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 147

Das Geländer unterstützt durch die sehr Durch die Kombination von Holz und
trans­parente Geländerfüllung aus einem Stahl und ihre eleganten, mit der natür-
Edelstahl­netz den Gesamteindruck der fili- lichen Umgebung des Forstbotanischen
granen Kon­struktion eines über die ge- Gartens harmonierende Konstruktion bil-
samte Brückenlän­ge durchlaufenden Holz- det die Brücke ein gelungenes ingenieur-
bands. technisches Bauwerk.
148 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.6.8.7 Die Humboldthafenbrücke in Berlin

Hans Schober und


Jörg Schlaich

Bauherr:
Deutsche Bahn AG

Entwurf:
Schlaich Bergermann und Partner, Stuttgart

Ausführungsplanung:
Leonhardt, Andrä und Partner, Stuttgart

Ausführung:
ARGE Brücke Humboldthafen
Porr Technobau Berlin GmbH,
Subunternehmer: DSD Dillinger Stahlbau
GmbH: Stahlbau
Thyssen Guss AG, Mülheim/Ruhr: Stahlguss
Mannesmann Handel GmbH: Stahl­rohre

Bild: Oltmann Reuter, Berlin-Charlottenburg Bauzeit: 1997–1999

Nach dem Mauerfall entstand am Spree- Der Entwurf


bogen im Herzen Berlins der neue Haupt- Ziel unseres in Zusammenarbeit mit M.
bahnhof, ein zentraler Kreuzungsbahn­hof von Gerkan ausgearbeiteten Entwurfs war
am Schnittpunkt der unterirdischen Nord- es, für den gesamten 1000 m langen Brü-
Süd-Trasse mit der oberirdischen Ost- ckenzug ein einheitlich gestaltetes Trag-
West-Verbindung. werk mit möglichst geringer Bauhöhe und
Die in Hochlage geführte sechsgleisige weitestgehend freier Durchsicht zu schaf-
und 1000 m lange Ost-West-Trasse über- fen.
quert unmittelbar östlich des Hauptbahn- Die geringe Höhe von nur 10 m über Ge-
hofs mit zwei eingleisigen und zwei zwei- lände legt es nahe, enge Stützenabstände
gleisigen Brücken das Humboldthafenbe- um 20–25 m zu wählen, die für den durch-
cken (Bild 1.6-19). laufenden Überbau eine Bauhöhe von nur
Die 180 m lange Humboldthafenbrücke ca. 1,70 m erlauben.
– ein Teilabschnitt des gesamten Brücken- Schlanke Stahlrohrstützen mit lediglich
zugs – weitet sich von ca. 33 m im Osten auf 660 mm Durchmesser sind mit dem Über-
ca. 66 m im Westen auf. Auf den beiden äu- bau fest verbunden und ermöglichen durch
ßeren eingleisigen Brücken lagert ein 105 m ihre Verformbarkeit eine weitgehend lager-
langer Teil des 340 m langen gläsernen freie Konstruktion.
Bahnsteigdachs. Robuste Platten- und Plattenbalkenquer-
Die Planung war 1997 im Wesentlichen schnitte aus schlaff bewehrtem Beton und
abgeschlossen. Die Einweihung des Bahn- im Bereich der Humboldthafenbrücke aus
hofs fand 2006 statt. vorgespanntem Beton bilden den Überbau.
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 149

Die beiden Stege des zweigleisigen Über- Bogen taucht der Stahlrohrbogen in den
baus wie auch die sie tragenden Stahlrohr- Betonüberbau ein, natürlich ohne das
stützen folgen mittig den sich aufweitenden Stahlrohr im Beton weiterzuführen. Ein
Gleisachsen. Die beiden äußeren, das Bahn- entsprechend geformter Bogenkopf sorgte
steigdach tragenden, eingleisigen Brücken für die Krafteinleitung in den Betonüber-
sind als massive Plattenstrei­fen ausgebildet, bau.
die von Doppelstützen mit 4 m Querab- In den angrenzenden Seitenfeldern ver-
stand symmetrisch unter der Gleisachse kürzen Streben die freie Spannweite des
gestützt werden. Seitenfelds, aber auch den vom Widerlager
Alle Kragarme und die Flächen zwischen zu tragenden Bogenschub.
den Stegen sind bei diesen „Brücken zum Um auch den Bogen möglichst schlank
Anfassen“ korbbogenförmig ausgerundet, zu halten, wurde er als Stabbogen konzi-
was zusammen mit der Grundrisskrüm- piert, der im Wesentlichen nur Normal-
mung zwar eine anspruchsvolle Schaltech- kräfte erfährt und durch den Überbau aus-
nik verlangte, aber im Ergebnis eine sehr gesteift wird.
schön gestaltete Brückenuntersicht und Zur Minimierung der Biegebean­
-ansicht ergab. spruchung wurde die räumliche Geo­metrie
Die durchgängig einheitliche Gestaltung des Bogens über eine Formfindungs­
wurde auch über dem Hafenbecken bei be­rechnung am umgekehrten Hänge­­
Spannweiten von bis zu 60 m verwirklicht, modell gefunden und die Biegesteifigkeit
indem die Platten- bzw. Plattenbalkenquer- durch Verwendung dickwandiger Stahl­
schnitte von Stahlrohrbogen mit enger Auf- rohre mit Wanddicken von 100 mm redu-
ständerung zusätzlich gestützt wurden, so- ziert. So blieb der Rohrquerschnitt unter
dass die schlanke Überbauhöhe von 1,70 m allen Lastfällen überdrückt und konnte
auch hier beibehalten werden konnte. theoretisch über Kontakt gestoßen wer-
Die Stahlrohrbogen waren im ursprüng- den. Zur Sicherheit wurde jedoch eine
lichen Entwurf schräggestellt und münde- mindestens 40%ige Verschweißung vor­
ten am Kämpferwiderlager in einen Punkt gesehen.
und gaben so dem Tragwerk eine ausge-
prägte dritte Dimension. Um Kosten zu Die Innovation
sparen, wurden diese dann im Zuge der Lagerlose Brücken
Ausführungsplanung zusammen mit den Im Gegensatz zu herkömmlichen Brücken
Ständern senkrecht gestellt und im Grund- wurde die Überbauverschieblichkeit nicht
riss abschnittsweise begradigt. mit Verschiebelagern auf massiven Beton-
Zur Optimierung des Bogenstichs und pfeilern ermöglicht, sondern durch im
Verringerung der Normaldruckkräfte im Überbau eingespannte schlanke elastische
150 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.70

3.20 2.00 2.00 2.20 4.20 4.50 4.20 4.20 5.60 4.20 2.20 2.00 2.00 3.20

4.20 4.20 var. 4.20 var. 4.20 var. 4.20 5.60 var. 2.00 2.20
1.70

Bogenrohr ø660
Riegel + Ständer ø508
Diagonalen ø267

Stahlrohrstützen mit Wanddicken bis • Man kann die Knotengeometrie und


60 mm. Wanddicken optimal dem inneren Kraft-
fluss anpassen.
Rohrknoten aus Stahlguss • Stahlgussfehler haben größere Kerbradi-
Es wurden erstmals im modernen Groß- en als Schweißfeh­ler und verhalten sich
brückenbau Stahlgussteile für Rohrknoten hinsichtlich der Ermüdung günstiger.
verwendet. • Gussknoten sehen gut und vertrauens-
Mit Stahlguss erhält man homogene, ro- erweckend aus, weil sie natürlich ge-
buste Knoten mit vereinfachter Geometrie formt sind.
und optimiertem inneren Kraftfluss, die ein
Ein ganz wesentlicher Entwurfsgedanke
wesentlich günstigeres Ermüdungsverhal-
bestand daher in der Verwendung von
ten und eine viel längere Lebensdauer bei
Stahlgussknoten aus kaltzähem Stahlguss
vermindertem Wartungsaufwand aufwei-
mit guter Schweißeignung für sämtliche
sen als geschweißte Knoten. Dies hat fol-
Rohrknoten. Folgende Knotentypen wur-
gende Gründe:
den vorgesehen:
• Man kann die Schweißnaht vom Knoten
• Bogenknoten mit Anschlussstutzen für
weg in weniger beanspruchte Bereiche
Ständer und Querriegel (3,2 t).
mit guter Zugänglichkeit legen.
• Bogenkopf (2,8 t).
• Stahlguss erlaubt bei noch so kompli-
• Bogenkämpfer (24 t).
zierten Knotengeomet­rien fließende
• Kreuze von Diagonalverbänden am Bo-
Formen.
genkämpfer.
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 151

Überbau: Bogenständer:
beschränkt vorgespannte Platte bzw. Platten- nahtlose Stahlrohre Ø 508 mm, 60 mm
balken, Betonfestigkeitsklasse B55 alle rest- Wanddicke, mit Bogenknoten voll ver­
lichen Brücken: schlaff bewehrte Platten/ schweißt
Plattenbalken, Betonfestigkeitsklasse B45
Stützweiten der Humboldthafenbrücke: ca. Diagonalverband am Widerlager:
21/26/32/60/28/21 m (Gesamtlänge 190 m) Rohre Ø 267 mm, 45 mm Wanddicke
Bauhöhe Überbau: 1,70 m
Stahlgussteile (Stahlguss GS 20 Mn 5 V):
Stützen: Bogenknoten, Bogenkopf, Bogenkämpfer
nahtlose Stahlrohre Ø 660, 60 mm Wand­ (24 t),
dicke bzw. Ø 508 mm, 50 mm Wandstärke, Knoten Diagonalverbände am Wider­
Stahl S 355 J2H lager

Bogen: Literatur:
dickwandige nahtlose Stahlrohre, ø660 mm, [Schlaich/Schober, 1999-1 und -2] und
100 mm Wanddicke mit Kontaktstoß zu [Seifried et al., 1999]
den Bogenknoten, Stahl S 355 J2H
152 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.6.8.8 Saalebrücke Jena-Göschwitz

Thomas Kleb

Bauherr:
Freistaat Thüringen

Entwurf und Projektleitung:


Dipl.-Ing. Thomas Kleb,
Dipl.-Ing. Torsten Weise,
Ingenieurbüro Kleb GmbH, Erfurt

Ausführungsplanung:
Dr.-Ing. Horst Kinkel
Kinkel und Partner, Neu-Isenburg

Prüfung:
Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä, Stuttgart

Ausführung:
Gerdum und Breuer
Bauunternehmen GmbH, Kassel

Bauzeit: 2004–2006

Dem Beschluss der Bundesregierung zum 19,70 m. Die im Zweiten Weltkrieg zer-
sechsstreifigen Ausbau der BAB A 4 von störten zwei Bögen über die Saale wurden
Eisenach bis Dresden entsprechend, wurde nach Kriegsende detailgetreu wieder aufge-
die vorhandene Saalebrücke Jena- baut. Das Bauwerk beherbergt neben einer
Göschwitz zur Aufnahme der Richtungs- Kolonie von Turmfalken seit den 40er-Jah-
fahrbahn Dresden/Eisenach mit vier Fahr- ren die größte Dohlenkolonie Thüringens.
spuren ertüchtigt. Parallel zum vorhan- Heute brüten die Paare in den hinter den
denen Bauwerk wird mit einem lichten Lichtschlitzen der Pfeiler angeschraubten
Abstand von 5 m südlich eine zusätzliche Nistkästen aus den 70er-Jahren. Nach Fer-
Brücke zur Aufnahme der Richtungsfahr- tigstellung der neuen Saalebrücke erfolgt
bahn Eisenach – Dresden erforderlich. eine Instandsetzung des alten Bauwerks mit
Die nach über zweijähriger Bauzeit am dem Umbau für eine Richtungsfahrbahn.
18. August 1939 erfolgte Verkehrsfreigabe Bei der Gewölbebrücke handelt es sich um
der alten Saalebrücke überspannt mit 17 ein in technischer und architektonischer
proportional zur Talhöhe ansteigenden Hinsicht außergewöhnliches Bauwerk, das
Steinbogen das eher flache, weite Saaletal. deshalb unter Denkmalschutz steht.
Der größte Bogen erreicht eine lichte Öff- Der zweistegige, vorgespannte Beton-
nungsweite von 31,43 m und lichte Höhen plattenbalken der neuen Saalebrücke wur-
von ca. 19,75 m. Die sichtbaren Bogen be- de im Taktschiebeverfahren von West nach
stehen aus Muschelkalk, während die im Ost über das Saaletal geschoben, wodurch
Inneren befindlichen Spargewölbe aus Klin- die Umwelt geschont und die Dohlenkolo-
kermauerwerk bestehen. Die Brückenge- nie in der alten Brücke kaum beeinflusst
samtlänge beträgt 794,03 m, die Nutzbreite wurde. Die Stützweiten wechseln ständig
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 153

und weisen maximal 28,85 m auf. Die Ge- weils zwei Zugbänder zwischen den Über-
samtlänge zwischen den Endauflagern be- baubalken miteinander verbunden. Jede
trägt 723,66 m. Um die Unterbauscheiben Pfeilerscheibe hat in Anpassung an die alte
nicht zu massiv zu gestalten, wurden große Saalebrücke einen anderen Krümmungsra-
Überbaukragarme gewählt, die eine Quer- dius. Am Pfeilerfuß treffen die gekrümmten
vorspannung erforderten. Der Überbau hat Scheiben aufeinander und werden durch
Querträger, sodass die Torsionsbeanspru- einen muschelkalkverblendeten sichtbaren
chung durch die Fahrbahnplatte und die Betonsockel aufgenommen. Die maximale
Endquerträger begrenzt werden konnte. Pfeilerhöhe beträgt 20 m. Mit dieser Pfeiler-
Für die torsionssteifen Hauptträger wurde form gelang es, die Stützweiten zu verklei-
eine Breite von 2,90 m gewählt. Der Vor- nern und mit einem sehr schlanken Über-
spannungsgrad ist wegen der Bauzustände bau, der möglichst wenig von der alten
relativ hoch. Brücke verdeckt, zu entwerfen.
Der Überbau ist auf Verformungsgleit­ Beide Widerlagervorderkanten entspre-
lagern gelagert. Die Bewegungsruheachse chen der Bogenform der alten Saalebrücke
befindet sich etwa in Brückenmitte. Die mit einer Konstruktion als Ortbetonkasten-
Dehnwege der mehrfaltigen wasserdichten widerlager auf Flachgründung mit Begeh-
Übergangskonstruktionen betragen jeweils barkeit durch einen Wartungsgang. Die
524 mm. großen Talpfeiler wurden mit Großbohr-
Die in Anlehnung an den sichtbaren Bo- pfählen d = 1,50 m im tieferliegenden Sand-
genring der alten Brücke ausgebildeten, stein gegründet. Eine Flachgründung im
1,5 m dicken Stahlbetonpfeilerscheiben bil- hochliegenden Festgestein wurde hingegen
den die Hauptgestaltungselemente der neu- für die kleinen Pfeiler auf der westlichen
en Saalebrücke. Sie sind am Kopf durch je- Hochebene vorgesehen.

Der Entwurf der neuen Brücke (Visualisierung):

Die neue Brücke nach Fertigstellung:


154 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.6.8.9 Lautrupsbachtalbrücke

Wigand Grawe

Bauherr:
Stadt Flensburg

Entwurf:
Ingenieurteam Trebes, Rendsburg
Architekten AX5, Kiel

Ausführung:
Fritz Spieker Bauunternehmungen, Oldenburg

Bauzeit: 2004–2006

Die Lautrupsbachtalbrücke überspannt rungswettbewerb aus­gelobt. Dieser Ent-


eine stadtnahe Landschaft mit einem klei- wurf, welcher den 1. Preis ge­wann, wurde
nen Flusstal, dem Lautrupsbach, auf einer ohne nennenswerte Änderungen umge-
Länge von ca. 250 m. Für die Stadt Flens- setzt.
burg hat dieser Gelän­deeinschnitt im För- Bei dem Entwurf handelt es sich um ein
dehang eine große Bedeu­tung für den Betonbauwerk mit 7 Feldern, die Stützwei-
Luftaustausch im Stadtgebiet. Das Brücken- ten von bis zu 39 m aufweisen. Der Über-
bauwerk überführt eine vierstreifige Straße bau ist als längs und quer vorgespannte,
mit einer Breite von ca. 19 m. Zum Schutz durchlaufende Platte ausgebildet, die einen
der Anwohner vor ausstrahlenden Fahr­ge­ „flügelartigen“ Quer­schnitt hat. Die Form
räuschen waren 4 m hohe Lärmschutzwän- des Überbaus und die Stützen tragen der
de zu berücksichtigen. Leitidee des Strömens Rech­nung.
Zur Umsetzung der Anforderungen Sie sind entsprechend den Gesetzen der
wurde durch den Bauherrn ein Realisie- Strömungsmechanik asymmetrisch ausge-
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 155

formt und unterstützen dadurch den natür- Durchformung der durchgehenden Krüm-
lichen Luftstrom im Tal. Die Pfeiler sind in mung auch in der Unter­sicht beibehalten
verschiedenen Winkeln zur Gradiente ge- werden. Die Beleuchtungslö­sung erfolgt
dreht, sodass sich aus unter­schiedlichen durch reflektiertes Licht, die Lampen sind
Perspektiven jeweils neue räumli­che Ein- so ausgebildet, dass sie ein integraler Be­
drücke ergeben. standteil der Lärmschutzwand sind.
Aufgrund der gewählten Spannbeton- Durch die windschnittige Gestaltung des
bauweise konnte der Überbau besonders Überbaus, die gekrümmte Lärmschutzwand
schlank ausge­führt werden, im Randbe- und die strömungstechnisch geformten und
reich läuft die Platte auf 30 cm Dicke aus. in den Wind gedrehten Pfeiler ist die Leitli-
Die Ausbildung der Kappe nimmt die nie des an die örtli­chen Klimagegebenheiten
Krümmung der Lärmschutzwand auf und an­gepassten Entwur­fs ablesbar.
verbindet diese harmonisch mit dem Über­ Das gesamte Erscheinungsbild führt
bau. dazu, dass trotz des schwierigen Umfelds
Die Entwässerung erfolgt in einer Aus- (Wohnsiedlung und Naturschutzaspekte)
sparung des Überbaus und der Stützen, eine hohe Akzeptanz bei den Anwohnern
welche durch eine Edelstahlverkleidung ab- und den Naherholungs­su­chenden des
gedeckt ist. Da­durch kann die elegante Lautrupsbachtals erzielt wird.
156 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.6.8.10 Dreiländerbrücke Weil


am Rhein (D) – Huningue (F)

Wolfgang Strobl

Bauherr:
Stadt Weil am Rhein in Kooperation mit Com-
munauté de Communes des Trois Frontières

Wettbewerb, Genehmigungsplanung:
Planungsgemeinschaft WeilamRhein GbR

Entwurf:
Dietmar Feichtinger, Paris
Feichtinger Architectes, Paris, Wien
Wolfgang Strobl, Berlin
Leonhard, Andrä und Partner, Berlin

Ausführung:
Max Bögl GmbH

Bauzeit: 2005–2006

Im Südwesten Deutschlands wurde im März • Eine große Spannweite mit möglichst


2006 eine Fußgängerbrücke zwischen Weil geringem Bogenstich gibt der Form
am Rhein (D) und Huningue (F) mit einer große Spannung und Eleganz. Der flache
Rekordspannweite von 230 m eröffnet. Bogen wird zusätzlich durch Absenken
Der grundlegende Entwurfsgedanke, auf das Niveau des Wasserspiegels mini-
den Rhein in einem Bogen zu überspannen, miert. Die technische Herausforderung
ist eine eindeutige Geste, die eine starke wird ablesbar und wird zum Spiegelbild
Verbindung zwischen den beiden Ländern unserer Zeit
Deutschland und Frankreich symbolisiert. • Die Leichtigkeit der Konstruktion findet
Die Bogenform entwickelt sich dabei aus ihre Fortsetzung im Uferbereich. Klas-
folgenden Überlegungen: sische Brückenpfeiler würden die Durch-
sicht behindern. Sie wurden in einer
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 157

weiterführenden Konstruktion aufgelöst


und bilden optisch den Auftakt zum Bo-
gen.
Um die traditionelle Sichtachse auf den
Turm der Église du Christ-Roi in Huningue
freizuhalten, rückt die Brücke um einen
Wimpernschlag zur Seite und neigt sich
konsequent zur asymmetrischen Quer-
schnittsform mit einer starken und einer
schwachen Seite. Die optische Beziehung
wird durch eine konstruktive ergänzt.
In der Zusammenarbeit innerhalb der
Planungsgemeinschaft stand an erster Stelle
die Entwurfsidee, die sich konsequent bis
ins Detail durchzieht. Symbole, städtebau-
liche Themen, aber auch das bewusste Zu-
rücknehmen des Bauwerks wurden zentra-
le Ideen und Aufgaben. Materialien waren
158 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

ein wichtiges Thema, natürlich auch „High- • Das orthotrope Brückendeck, das gleich-
Tech-Materialen“, sofern Sie zum Erreichen zeitig als Zugband wirkt, weitet sich von
des Entwurfsziels erforderlich waren. Die der Mitte zu den Ränder hin auf und
Materialwahl war aber nie Entwurfsidee, geht über in filigrane Rampen und Trep-
ebenso wenig wie die Konzeption einer Re- pen in Form eines Faltwerks.
kordspannweite, die sich einfach aus der
Für die Umsetzung des Entwurfs waren
konsequenten Übersetzung des Entwurfs
folgende Punkte maßgeblich:
ergab. Als Ergebnis entstand ein äußerst
schlankes Bauwerk – die Leichtigkeit der • Reduzierung der Windlasten auf ein Mi-
Konstruktion wird erlebbar durch eine nimum: Berücksichtigung nach E-DIN
konsequente Übersetzung des Entwurfs bis 1055/4 anstatt DIN FB 101
ins Detail: • Stabilitätsnachweis unter halbseitiger
Verkehrslast: Nachweis unter Berück-
• Die Brücke mit einem Hauptfeld und sichtigung großer Verformungen und
zwei Vorlandbrücken findet Gestalt als der Überhöhung aus Werkstattform
Stabbogenbrücke mit der Ausbildung • Geringe Auflagen der Wasser- und
räumlicher Fachwerke im Auflagerbe- Schifffahrtsämter aus Schiffsanprall auf-
reich. Der nördliche Bogen, ein Doppel- grund der großen Spannweite
träger aus Sechseckprofilen, steht senk- • Montage: Die gesamte Hauptbrücke
recht, der südliche, ein Rundrohr, lehnt wurde auf französischer Seite vormon-
sich mit einer Neigung von 16 Grad an. tiert. Es folgte der Querverschub auf
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 159

zwei Pontons mit Hilfe von Schwerlast- Stabilität wurde numerisch nachge­
wagen und Einschwimmen der gesamten wiesen.
Brücke auf einer Länge von ca. 1 km. • Fußgängererregung: Als Hauptproblem
Unter ständiger Beobachtung der Wind- erwies sich, wie bei anderen weichen,
geschwindigkeit erfolgte die eigentliche niederfrequenten Fußgängerbauwerken
Präzisionsarbeit – das Eindrehen und auch, die horizontale Fußgänger-Selbst-
Absetzen der Brücke auf Hilfspressen. erregung des Brückendecks unter ho-
Im Zuge des Absenkens wurden die Bol- hem Verkehrsaufkommen. Der Nach-
zenverbindungen der Endabspannungen weis einer ausreichenden Sicherheit der
fixiert. Erst nach abschließender Ver- Brücke ohne zusätzliche schwingungs-
messung und Kontrolle der Pressenkräf- dämpfende Maßnahmen wurde letztlich
te erfolgte das Untergießen der Lager. durch einen Großversuch mit bis zu
• Winderregte Schwingungen: die erfor- 1000 Teilnehmern und umfangreiche
derliche Sicherheit zur aerodynamischen Messungen erbracht.
160 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.6.8.11 Mariensteg Wernstein-Neuburg,


Grenzbrücke Österreich-Deutschland

Erhard Kargel

Bauherr:
Gemeinde Wernstein am Inn, Gemeinde Neu-
burg am Inn

Entwurf, Statik und Konstruktion:


Dipl. Ing. Erhard Kargel, Linz

Ausführung:
GLS Bau und Montage G.m.b.H.,
RW-Montage G.m.b.H.

Bauzeit: 2005–2006

Die schon seit der Zeit um das Jahr 1050 Trag- und Rück­hängeseile gespreizt und in
bestehende enge Beziehung zwischen dem niedrigen Widerlagerschei­ben auf der
bayerischen Neuburg am Inn und dem Wernsteiner Seite bzw. in Fundamenten im
ober­österreichischen Wernstein konnte Neuburger Innhang verankert. Auf einen
auch Napoleon 1803 mit seiner Grenz­ durchlaufen­den Streckträger wurde ver-
ziehung nicht zerschlagen. Die in den Jahr- zichtet; stattdessen ruht der Gehweg auf
hunderten gewach­sene Verbindung wird schlanken Einfeldträgern zwischen den
durch die Geh- und Radwegbrücke er- Hängern. Der Erhöhung der Steifigkeit die-
leichtert und gestärkt. Sie halbiert die Ent- nen zwei zusätzliche Seile, die neben den
fernung von 16 km zwischen den nächstge- Längsträgern verlaufen und mit diesen
legenen Brücken in Passau und Schärding. durch auskragende Querträger verbun­den
Die prächtige, unter Schutz stehende Land- sind. Weil diese „Windseile“ im Aufriss der
schaft, wie die das Steilufer krönende Neu- Fahr­bahnkuppe folgen und im Grundriss
burg und die geschichtlich bedeutungsvolle ebenfalls in Kreis­bogen ausgeführt werden,
Mariensäule in Wernstein erforderten liegen ihre Krümmungsebe­nen geneigt im
größte Zurückhaltung und Feingefühl beim Raum.
Entwurf. Die Seile sind daher in der Lage, lot-
Mit einem möglichst filigranen, mini- und waagerecht wirkende Kräfte aufzuneh-
malistischen Bauwerk wurde dieses Ziel men. Durch Vorspan­nung der Windseile –
erreicht. Von allen ausführbaren Lösungen und nicht durch Vergrößerung der Trä-
erwies sich eine Hängebrücke mit 144 m gerquerschnitte – wurde die Steifigkeit des
Spannweite am besten geeignet. Die Aus­ Systems gesteigert, die vertikalen und ho-
legung der Tragkabel folgte der Topografie: rizontalen Verformungen vermindert und
Sie steigen von einem tief liegenden Veran- die Schwingungen be­schränkt. Die Brü-
kerungspunkt im Respekt­abstand zur Ma- cke wurde ohne Schwingungstilger eröff-
riensäule in Richtung Neuburg zur Spitze net. Obwohl nicht unbedingt nötig, wurden
eines einzigen, nadelförmigen Pylons an. später, wie vorgesehen, drei relativ leichte
Von der Pylonspitze ausgehend, sind die Tilger eingebaut. Das Konzept der seilsta-
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 161

bilisierten Einfeldträgerkette ermöglichte auch absolut nichts mehr, was man weg-
eine einfache Herstellung. Nach dem Ein­ nehmen könnte. Der Eindruck der Leich-
ziehen der Seile und dem Aufhängen der tigkeit wird noch durch einen perforierten
Querträger konnte die komplette Gehweg- Blechprofilrost als Gehweg unterstützt. Das
konstruktion, einschließ­lich der Geländer, Bauwerk fügt sich gut in die Natur ein, ohne
in dreieinhalb Tagen eingehoben und ver- sich da­bei zu verstecken. Seine Unsymme-
schraubt werden. Baustellenschweißungen trie ist eine logische, nachvollziehbare Fol-
waren nicht erforderlich. ge aus den Gegebenheiten des Umfelds. Der
Die Geh- und Radwegbrücke Wernstein- Mariensteg hat in der Region, über die
Neuburg ist ein minimalistisch gestaltetes Grenzen hinweg, eine nachhaltige Bele-
Ingenieurbauwerk mit minimalem Re­s­ bung bewirkt. Historische Beziehungen
sourcenverbrauch. Es gibt an ihm nichts, wurden wieder zusammenge­führt, ein Kul-
das notwendig wäre hinzuzufügen, aber tur- und Landschaftsraum aufgewertet.
162 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

1.6.8.12 Fußgängerbrücke über das Gessental


bei Ronneburg, Thüringen

Richard J. Dietrich

Bauherr:
BUGA Gera und Ronneburg 2007 GmbH
Entwurf und Ausführungsplanung:
Dipl.-Ing. Richard J. Dietrich,
Büro für Inge­nieur-Architektur, München

Statik und Dynamik:


Köppl Ingenieure, Rosenheim

Ausführung:
Schaffizel Holzindustrie GmbH + Co KG,
Schwäbisch Hall

Baujahr: 2006

Eine Hauptattraktion der Bundesgarten- wie ein gespanntes Seil über 230 m von
schau Gera-Ronneburg 2007 war eine un- Wider­lager zu Widerlager, dabei über-
gewöhnliche Brücke, die heute ein wich- brückt es mit einer Konstruktionshöhe von
tiges Bindeglied im Fernradweg „Thüringer nur 50 cm freitragend drei Felder mit 55 m
Städtekette“ ist. und 52,5 m Spannweite. Da die Lasten der
Das Bauwerk wurde für den Deutschen Brücke hauptsächlich über Zugkräfte abge-
Brückenbaupreis 2008 nominiert, sowie tragen werden, wird der extrem schlanke
mit renommierten Holzbaupreisen und Quer­schnitt möglich. Die Zugkräfte in der
dem Renault Future Trafic Award 2007 aus- Größenord­nung von 8000 kN werden an
gezeichnet. den Widerlagern aufgenommen und mit-
Mit 225,5 m Überbau-Länge ist diese tels jeweils 14 Dauererdankern in den
Brücke eine der längsten Holzbrücken der felsigen Boden abgetragen. Andererseits
Erde und eine der innovativsten. Extrem wird das Spannband mit baumar­tig ver-
leicht und elegant schwingt sich die Spann- strebten Pfeilerböcken aus Stahlrohren
band-Konstruktion aus Holz in 25 m Höhe zwi­schen­unterstützt und sanft gekrümmt
über das Gessental in der sogenannten übergeleitet. Die in Brückenquerrichtung
Neuen Landschaft Ronneburg, die im Rah- A-förmig angeordneten „Stämme“ dieser
men der BUGA aus der öden Wüste eines Pfeilerböcke nehmen die seitli­chen Kräfte
ehemaligen Uran-Bergwerks geschaffen vor allem aus Wind auf. In Brücken­längs­
wurde. richtung hingegen sind die Pfeilerböcke
Die Brücke ist in Ihrer Art bisher einzig- relativ biegeweich konstruiert, sodass die
artig, denn noch nie wurde ein blockver- Zugkräfte im Band bis in die Widerlager
leimter Brettschichtträger für eine derartige durch geleitet werden.
Spannband-Konstruktion verwendet. Das Der Durchhang des Spannbands in den
auf Zug beanspruchte Spannband zieht sich Feldern ist optimiert, denn je geringer der
1.6 Gestaltung von Brücken, Wettbewerbe, Brückenbaupreise 163

Durchhang ist, desto größer sind die Zug- Der auf und ab schwebende und taillierte
kräfte. Im mittleren Feld ist der Stich 2,20 m. Brückenweg in luftiger Höhe erwies sich als
Um andererseits die Gehbahnsteigung besonderes Erlebnis.
nicht zu steil werden zu lassen, sind oben Das Tragwerk der Brücke ist als zugbe-
auf dem Spannband weitere Leimholzbal- anspruchte Konstruktion grundsätzlich
ken aufgedoppelt, die zur Mitte des Felds sehr effektiv. Ein auf Zug und Druck bean-
hin an Höhe zunehmen und so die Stei- spruchter Biegebalken aus Leimholz mit
gungen auf maximal 6% behindertenge- gleicher Spannweite müsste etwa sechsmal
recht reduzieren. Gleichzeitig bewirkt diese so stark dimensioniert werden, also ca. 3 m
oben mit einer Schichtholzplatte abge- anstatt 50 cm hoch sein. Konstruktiv
deckte Aufdopp­lung eine Versteifung des vor­teilhaft ist dabei auch das äußerst güns­
Spannbands gegen verti­kale Schwingungen tige Ge­wichts-/Festigkeitsverhältnis des
in den frei gespannten Feldern. Werkstoffs Holz gegenüber Stahl oder
Hier verbinden sich konstruktive und Stahlbeton. Das ist für spannweitenüber-
funktionale Vorteile ebenso wie bei der im brückende Konstruktionen ent­scheidend
Grundriss der Brücke wechselnden Breite. und wirkt sich in den Kosten aus. Auf­grund
Diese beträgt in Feldmitte 2,90 m und über der geringen Eigenlast und des optimierten
den Auflagern bis zu 3,90 m. Damit entste- Durchhangs des hölzernen Spannbands
hen an den Hochpunkten verbreiterte müssen an den Widerlagern im Vergleich
Standflächen für die Benutzer und gleich- zu ähnlichen Kons­truktionen aus Stahl
zeitig eine höhere Steifigkeit des Spann- und Beton wesentlich gerin­gere Zugkräfte
bands gegen Torsion, d. h. gegen seitliche ver­ankert werden. Dies ist ebenfalls ein
Verdrehungen und Schwingungen. Ande- erheb­licher Kostenfaktor. Andererseits ist
rerseits hat Holz hinsichtlich des Schwin- Holz als nachwachsender Baustoff auch in
gungs-Verhaltens eines solchen Spann- ökologischer Hinsicht vorteilhaft. Auch
bands prinzipiell einen entscheidenden damit entsprach die Verwendung von Holz
Vorteil gegenüber anderen Materialien we- den Intensionen der BUGA und dem land-
gen seiner inneren Eigen­dämpfung, die schaftlich geprägten Kontext. Formal erin-
rhythmische Schwingungen unterd­rückt nern die Stützstreben in ihrer Gestaltung an
und damit ein Aufschaukeln verhindert. die Bäume in der Landschaft. So werden
Auf diese Weise kommt die extrem schlan- hier techni­sche und ästhetische Erforder-
ke Konstruk­tion entgegen allen Erwar- nisse kreativ mitei­nander verbunden und
tungen ohne mechanische Schwingungs- es entsteht eine charakteris­tische Gestalt,
dämpfer aus. Zehntausende Besucher der die sich dem Kontext einfügt.
Gartenschau haben die Brücke begangen Herstellung und Montage der Brücke
und ihre Gebrauchstauglich­keit bewiesen. wurden bei der Planung ebenfalls gut
164 1 Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau

durchdacht. Das Spann­band wurde in Teil- dungen genau passten. Nach der Montage
stücken von 25 m bis 30 m Länge ein- des Spannbands wurde die Brückenausstat-
schließlich der stählernen Kopplungsele­ tung, d. h. die Blechabdeckung des Spann-
mente, der seitlich angebrachten Wetter- bands, der Geh­bahnbelag und die Gelän-
schutz-Verkleidungen und Geländerpfos­ derfüllungen montiert.
ten im Werk vor­gefertigt. Diese Teilstücke Um der Brücke eine hohe Dauerhaftig-
wurden dann an die Baustelle transportiert keit zu ver­leihen, ist das gesamte eigentliche
und Stück für Stück von einem Widerlager Holztragwerk gegen Witterungseinflüsse
her anfangend über die Pfeiler­böcke hin- verkleidet, oben mit der Blechabdeckung
weg montiert, bis das gegenüberliegende unter dem Belag, an den Flanken mit der
Widerlager erreicht war. Dafür waren nur Verkleidung aus wetterfestem Sperrholz.
einzelne Hilfsstützjoche jeweils an den Die hohen Pfeilerböcke aus Stahlrohren
Kopplungsstellen erforderlich. sind durch eine Beschichtung nach ZTV-
Die mit Schlitzblechen und Stabdübeln Ing gegen Korrosion geschützt.
im Spann­bandblock befestigten Kopp- Alles in allem ist die minimalistisch und
lungselemente aus Stahl wurden im Werk konse­quent konstruierte Brücke äußerst
bei einer Probemontage exakt in Position effektiv und wirtschaftlich. Die Baukosten
vormontiert. So konnte sichergestellt wer- betrugen rund 1,7 Mio. € brutto.
den, dass an der Baustelle alle Verbin­
2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau
Manfred Keuser, Peter Ruse und Francesco Aigner

2.0 Vorbemerkung geln und Vorschriften im Hinblick auf ein-


wandfreie Funktionalität, geringen War-
Im Brückenbau ist der Bauingenieur Gene- tungsbedarf und robuste Dauerhaftigkeit
ralist und Fachplaner zugleich. Während entsprechen, sondern darüber hinaus das
im Hochbau der Bauingenieur in der Regel immer bewusster werdende Bedürfnis nach
Fachingenieur für das Tragwerk oder Gut- einer humanen Gestaltung des Lebens-
achter für Baugrund oder Bauphysik ist, raums in angemessener Weise erfüllen.
obliegt ihm im Brückenbau die Gesamtver- In den Industrieländern sind die Ver-
antwortung. Dies schließt nicht aus, dass kehrsnetze weitestgehend vorhanden, wo-
insbesondere in städtebaulich sensiblen Be- bei vor allem die Hauptstrecken verhältnis-
reichen auch Architekten in die Planung mäßig alt und die Brückenbauten ihre vor-
einer Brücke eingebunden werden. Bei aller gesehene Lebensdauer erreicht oder schon
Vielfalt der Aufgaben und den damit ver- überschritten haben, die Bevölkerungs-
bundenen Herausforderungen darf jedoch dichte und auch die Motorisierung haben
nicht übersehen werden, dass sich die Inge- sich auf ein stabiles Niveau eingependelt.
nieurkunst des Brückenbaus in den Indus- Gleichzeitig ist ein immer restriktiverer
trieländern der westlichen Welt, bei der Umgang mit freien Landschaftsflächen not-
großen Mehrzahl der Projekte zu einem wendig geworden. Daraus lässt sich zu-
von Regel- und Vorschriftenwerken dik- nächst folgern, dass die Streckenerhaltung
tierten Alltagsgeschäft des Ingenieurs ent- künftig immer mehr an Bedeutung gewin-
wickelt hat. Dies ist vor allem auf die rasan- nen und immer größere finanzielle Mittel
te Entwicklung des Personen- und Güter- im Vergleich zum Neubau erfordern wird.
verkehrs nach dem zweiten Weltkrieg zu- Andererseits können sich durch geänderte
rück zu führen. Die zunehmende Dichte politische Verhältnisse (z. B. Schaffung ei-
der Besiedlung, das Bündeln von Verkehrs- nes Großwirtschaftsraums Europa durch
wegen zum Zweck eines möglichst sparsa- konsequente Integrierung der ehemaligen
men Landverbrauchs und das immer eng- Ostblockstaaten oder des ehemaligen Ju-
maschiger werdende Netz erforderlicher goslawien) Verschiebungen der Verkehrs-
Infrastrukturen üben Zwänge aus, die groß- ströme im Transitverkehr ergeben und es
zügigen Planungen oft im Wege stehen. können auch neue Hauptverbindungen
Auch der allgemeine Kostendruck, der im- notwendig werden.
mer wieder zu standardisierten Lösungen Der Neubau von Brückenbauwerken
unter Ausnutzung von Wiederholungsef- wird in folgenden Fällen notwendig:
fekten führt, engt den Spielraum ein. Doch
trotz solcher Beschränkungen sollte auch 1. Bei der Neuschaffung ganzer Straßen-
der Bauingenieur des 21. Jahrhunderts im- oder Bahnstrecken, z. B. im Zusammen-
mer daran denken, dass seine Entwürfe hang mit politischen Änderungen. Ein
nicht nur den umfangreichen aktuellen Re- Beispiel hierfür ist die Verbindung der
166 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

Verkehrssysteme von alten und neuen delnden Ingenieure unter Berücksichtigung


Bundesländern nach der deutschen der aktuellen deutschen Verfahrensweise.
Wiedervereinigung. Dabei wird für die Aufgaben, die die Pla-
2. Bei Lückenschlüssen innerhalb bereits nung und Überwachung von Brückenbau-
bestehender Verkehrswegesysteme. ten beinhalten, auf die Gliederung und Sys-
3. Bei der Verbreiterung bestehender Au- tematik der Honorarordnung für Architek-
tobahnstrecken, sofern die bestehenden ten und Ingenieure [HOAI, 1996] aufge-
Brücken nicht in hinreichendem Aus- baut. Im Brückenbau sind Bauingenieure in
maß verbreitert werden können. Bauverwaltungen, Bauunternehmen und
4. Beim lawinensicheren Ausbau bestehen- Ingenieurbüros tätig, wobei die Aufgaben-
der Gebirgsstraßen sind die vielfach sehr verteilung in anderen Staaten durchaus un-
alten Gebirgsstraßen bereichsweise zu terschiedlich strukturiert ist. Weitere As-
verlegen und die Straßen durch Lawi- pekte der vielfältigen Aufgaben von Bauin-
nengalerien zu schützen oder im Tunnel genieuren im Brückenbau können [Leon-
zu führen. Dabei wird auch der Bau von hardt, 1974] und [Straub, 1964] entnom-
Brücken notwendig. men werden.
5. Der Ersatz baufälliger Brücken und von
Brücken mit zu geringer Tragfähigkeit
oder unbefriedigender Gebrauchstaug- 2.1 Genereller Entwurf
lichkeit durch Neubauten ist vielfach
technisch einfacher und zudem kosten- 2.1.1 Vorplanung
günstiger als deren Ertüchtigung. Aller-
dings ist in diesem Zusammenhang zu In der Regel wird die nach entsprechenden
bemerken, dass manche alten Brücken Erhebungen politisch formulierte Bedarfs-
ausgesprochene Baudenkmäler darstel- lage von Fachplanern für Strassen- und
len und – nach heutiger Auffassung – Schienennetze unter Berücksichtigung al-
nicht ohne Weiteres abgebrochen oder ler Vorgaben durch Raumordnung, Lan-
dem Verfall preisgegeben werden soll- des- und Bauleitplanung in ein erstes Pla-
ten. nungskonzept umgesetzt. In groben Zügen
wird dabei auch dem Umstand Rechnung
Der Bestand an Brücken für öffentliche getragen, welche Hindernisse sich nicht
Verkehrswege (öffentliches Straßennetz, öf- mehr durch Erdbauwerke, sondern nur
fentliches Bahnnetz) umfasst in Deutsch- durch ein Brückenbauwerk überwinden
land rund 80.000 Bauwerke, in Österreich lassen. Bereits in dieser frühen Planungs-
rund 20.000 und in der Schweiz rund phase muss der Brückenplaner in die Pla-
16.000. Einerseits erfordern diese Brücken nung eingebunden werden, damit die end-
eine entsprechende Kontrolle und Wartung gültige Gestaltung der Gradiente in Grund-
und sind fallweise durch Neubauten zu er- und Aufriss auf die technischen Belange
setzen, andererseits ist der Bestand zu er- der Brücke abgestimmt wird. Deren ange-
weitern und zu ergänzen. Auf die Aufgaben messene Berücksichtigung ist von emi-
im Zusammenhang mit dem Erhalt der nenter Wichtigkeit, denn wenn ein Plan-
Verkehrsinfrastruktur wird in einem ge- feststellungsbeschluss Rechtskraft erlangt
sonderten Abschnitt am Ende dieses Kapi- hat, können bautechnisch erforderliche
tels eingegangen. Änderungen nur noch mit hohem verfah-
Die Darstellung der Ingenieuraufgaben renstechnischem Zeitaufwand eingebracht
im Brückenbau erfolgt exemplarisch aus werden. Darüber hinaus werden in diesem
der Sicht der gesamtverantwortlich han- frühen Planungsstadium die wesentlichen
2.1 Genereller Entwurf 167

~ 80,0

»A« 34,0

66,5°
± 0,0
»B«
150,0 M
15,0 20,0 20,0 20,0 20,0 15,0

Bild 2.1-1a   Argentobelbrücke, Bogenklappverfahren System Bung

Bild 2.1-1b   Argentobelbrücke

Randbedingungen für die mit dem Bau ei- rechtsverbindlich definiert werden, ist in
ner Brücke verbundenen Kosten definiert. solchen Fällen bereits für die Vorplanungs-
Die Vorgaben des Streckenplaners sind ins- phase eine große Planungstiefe erforder-
besondere in den folgenden Punkten zu lich. Es empfiehlt sich deshalb, den bei
überprüfen und gemeinsam mit diesen die Planfeststellungen üblicherweise verwen-
technisch, ökologisch und wirtschaftlich deten Lageplanmaßstab von 1 : 1000 ent-
optimierte Gesamtlösung für den zu pla- sprechend zu vergrößern. Unter Umstän-
nenden Verkehrsweg zu finden. den wird im Vorentwurf bereits eine end-
gültige Festlegung für das Tragwerkssys­
Gründungsmöglichkeiten tem (z. B. Bogenbrücke, Schrägkabelbrücke
Da Pfeiler- und Widerlagerstandorte be- o. ä.) getroffen. Dies wird nachfolgend an
sonders in empfindlichen Naturschutz- einem Beispiel erläutert. Auf den Bildern
oder Trinkwassereinzugsgebieten häufig 2.1-1a und 2.1-1b ist die im Jahr 1984 er-
einzeln im Planfeststellungsbescheid richtete Argentobelbrücke dargestellt, die
168 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

eines der Allgäuer Naturdenkmäler über- endgültige Festlegungen bereits in der Vor-
spannt. Landschaft und Baumbestand des planungsphase erforderlich.
„Eistobels“ unterhalb der Brücke ließen Das wesentliche Ergebnis der Vorpla-
keinerlei Eingriffe in Gelände und Baum- nungsphase ist die verbindliche Lage und
bestand zu. Deshalb war eine ohne Lehrge- damit auch die Länge des Bauwerks bei
rüst zu erstellende Bogenbrücke mit aufge- ­abgestimmter Gradientenführung, seine
ständerter Fahrbahn zwingend vorge- Klassifizierung hinsichtlich der Verkehrs-
schrieben. Tragwerkssystem und Randbe- lasten, in besonderen Fällen bereits schon
dingungen für das Bauverfahren ergaben die Festlegung von Tragwerkssystem und
sich demnach bereits bei der Planfeststel- Bauverfahren. Selbstverständlich müssen
lung. Eine diesen Anforderungen entspre- begleitende statische Vorberechnungen in
chende Gradientenführung war Vorausset- den Findungsprozess eingebunden werden.
zung für die Realisierung dieses Bauwerks. Eine überschlägige Ermittlung der Bau-
Diese diffizile Bauaufgabe gab den Anstoß grundbeanspruchungen und ein darauf ba-
zur Entwicklung und zum Einsatz eines sierender Lastenplan wird für die Anferti-
neuartigen Bauverfahrens. gung des Bodengutachtens benötigt. Auch
Im Rahmen der Vorplanung sind insbe- die konstruktiven Festlegungen für Bau-
sondere alle Fragestellungen zu klären, die stoffe, Bauarten und Herstellungsverfahren
Auswirkungen auf die Trassierung und auf sowie der Platzbedarf für die Baustellenein-
die Genehmigungsfähigkeit haben. Exemp- richtung und die Baustraßen finden bereits
larisch werden nachfolgend zwei Probleme in der Vorplanungsphase statt, so dass die
aufgezeigt. Mitwirkung des Tragwerkplaners unerläss-
Besonders bei sehr langen Brücken ist es lich ist.
angezeigt, die möglichen Herstellungsver-
fahren bereits im Rahmen der Vorplanung
zu bedenken, da manche Herstellungsver- 2.1.2 Entwurfsfindung im offenen oder
fahren nur unter bestimmten Gradienten- eingeladenen Realisierungswettbewerb
bedingungen möglich sind. So erfordert
z. B. das Taktschiebeverfahren für die Her- Die seit dem Jahr 1977 in der Bundesrepu-
stellung von Balkenbrücken konstante blik Deutschland geltenden Grundsätze
Trassierungselemente wie Gerade und und Richtlinien für Wettbewerbe [GRW,
Kreis. 2004] auf den Gebieten der Raumplanung,
Schleifende Schnitte der Achsen sich des Städtebaus und des Bauwesens wurden
kreuzender Verkehrswege und die daraus 1995 nicht nur wegen der erforderlich ge-
resultierenden schiefen Auflagerachsen wordenen Anpassung an das europäische
können zu abhebenden Lagerkräften für Recht novelliert, sondern auch, um die be-
das Bauwerk des überführten Verkehrswegs sonderen Anforderungen an Ingenieur-
führen. Lagerkörper zur Aufnahme von wettbewerbe besser zu berücksichtigen.
Zugkräften sind meist wartungsintensive Deshalb wurde die Objektplanung für Ver-
Sonderausführungen und erfordern in der kehrsanlagen und Ingenieurbauwerke, zu
Regel eine Zustimmung im Einzelfall. Eine denen auch Brücken zählen, in den Gegen-
Entschärfung der Lagerungsproblematik standskatalog von Wettbewerben aufge-
durch entsprechende Drehung der Auflager­ nommen. Grundlage für den Realisierungs-
achsen jedoch kann zu Sichtbehinderungen wettbewerb ist ein im Rahmen der Planfest-
für die Benutzer des unterführten Ver- stellung fest umrissenes Programm mit
kehrswegs führen. Auch in einem solchen bestimmten Leistungsanforderungen. Die
Fall sind Abwägungen und entsprechende Bauverwaltungen in Deutschland haben
2.2 Entwurfsplanung 169

Bild 2.1-2   Neckarbrücke bei Mannheim im Zuge der BAB A 5


1. Preis Peter u. Lochner (Ingenieure) mit Frank-Jakob-Bluth (Architekten)
Modellfoto des erfolgreichen Wettbewerbsentwurfs

seither bei einer Reihe von Bauvorhaben Die fotorealistische Visualisierung bietet
davon Gebrauch gemacht, offene oder ein- eine hervorragende Ergänzung zum Ent-
geladene Realisierungswettbewerbe auszu- wurfsplanwerk und zu konventionellen
schreiben. Wettbewerbe haben sich insbe- Modellen im Maßstab 1 : 100.
sondere dann als geeignetes Instrument zur
Findung der optimalen Konstruktion und
des geeigneten Planers erwiesen, wenn das 2.2 Entwurfsplanung
Baufeld für den Brückenneubau sich in
architektonisch, städtebaulich oder land- 2.2.1 Vorschriften
schaftlich besonders sensiblen Bereichen
befindet. Die in denkmalgeschützter Nach- Aufbauend auf den Ergebnissen der Vor-
barschaft konstruktive Zusammenarbeit planung oder eines Wettbewerbs entsteht in
von Bauingenieur, Architekt und Land- der Entwurfsplanung der realisierbare Bau-
schaftsplaner ist bei solchen Wettbewerben werksplan. Entwurfsgrundlage ist der vom
die Grundlage dafür, dass derartige Ent- Bauherrn vorgelegte, rechtskräftige Plan-
wurfsfindungen oft zu besonders gelunge- feststellungsbeschluss für die Baumaßnah-
nen Planungen geführt haben. Bild 2.1-2 me. Aus ihr geht der in dem Schema 2.1-1
zeigt das Ergebnis eines solchen Wettbe- dargestellte Bedarf hervor, so dass Größe
werbs in fotorealistischer Visualisierung. und Nutzungsart der Brücke eindeutig fest-
Moderne CAD-Programme ermöglichen liegen. Das zu erstellende, mit Erläute-
in Verbindung mit Visualisierungs-Soft­ rungsbericht und Kostenberechnung ver-
ware die Erzeugung eines realistischen Bil- sehene Planwerk hat dem aktuellen Stand
des, das auch dem Nichtfachmann einen der Technik zu entsprechen, der sich in Er-
zutreffenden Eindruck eines Brückenbau- lassen und Vorschriften niederschlägt, die
werks und von dessen Einbindung in seine von Normenausschüssen und Bauverwal-
zukünftige Umgebung vermitteln kann. tungen herausgegeben sind.
170 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

Bedarf

Verbindungsziele Wirtschaftlichste Lage und Länge


des Bauwerks

Bedarfsdauer und Verkehrsfrequenz – stationäres Bauwerk


– bewegliches Bauwerk
– Hilfsbauwerk

Verkehrsteilnehmer Querschnittsgestaltung für


– Fuß- u./oder
   Radwegbrücke
– Grünbrücke/Wildwechsel
– Straßenbrücke
– Schienenverkehrsbrücke
– Leitungsbrücke
– Schiffsbrücke
– gemischte Nutzung

Umfeld Lastannahmen

Topographie Tragwerkssystem
Geologie Spannweiten
Hydrologie Gründungsart
Seismologie Pfeiler-/Widerlagerhöhen
kreuzende Verkehrswege Lagerungsart
kreuzende Leitungen baukünstlerische Gestaltung
lokale Bebauung Anprallschutz
lokale Landschaft Immissionsschutz
Lokalklima/Luftqualität Korrosionsschutz

Technologie Werkstoffe
Bauverfahren

Schema 2.2-1   Grundlagen und Abhängigkeiten für die Konzeption einer Brücke


2.2 Entwurfsplanung 171

Wird der Stand der Technik überschrit- Mit den DIN-Fachberichten


ten, so ist bereits frühzeitig eine Zustim-
100 Beton
mung im Einzelfall einzuholen. Das vom
101 Einwirkungen
Bundesministerium für Verkehr, Bauen
102 Massivbrücken
und Wohnen erlassene, im Verkehrsblatt-
103 Stahlbrücken
Verlag in Dortmund herausgegebene Do-
104 Verbundbrücken
kument Zusätzliche Technische Vertragsbe-
dingungen und Richtlinien für Ingenieur- wurde das europäische Normenwerk in
bauwerke [ZTV-ING, 2003] ist für Straßen- Deutschland für den Brückenbau einge-
brücken ein wichtiges Vorschriftenwerk für führt. Für Straßen- und Eisenbahnbrücken
den Planer von Brücken in Deutschland. Es wird damit z. B. einheitlich das Konzept der
ist zwar primär auf die Erstellung der Aus- Teilsicherheitsbeiwerte Grundlage der Be-
führungsunterlagen von Kunstbauten aus- messungen.
gerichtet, ohne Kenntnis der darin enthal- Form und Inhalt der drei wesentlichsten
tenen Vorgaben, die auch den Bau von Brü- Bestandteile eines Brückenentwurfs, näm-
cken betreffen, ist jedoch eine in ein Bau- lich:
werk umsetzbare Entwurfsplanung un-
• Bauwerksplan
denkbar. Jeder Bauingenieur, der sich auf
• Erläuterungsbericht
den Entwurf von Brücken spezialisieren
• Kostenberechnung
möchte, kann diese anspruchsvolle Aufga-
be nur dann in vollem Umfang erfüllen, werden von den in [ZTV-ING, 2003] eben-
wenn er zuvor durch die Schule der Aus- falls erwähnten Richtlinien für das Auf­stellen
führungsplanung gegangen ist. In den von Bauwerksentwürfen [RAB-BRÜ, 1995]
ZTV-ING sind auch alle für den Bau von geregelt.
Kunstbauten erforderlichen Normen und Die ZTV-ING weisen auch auf das für
sonstigen technischen Regelwerke unter den Eisenbahnbrückenbau zuständige
Hinweis auf deren Bezugsquellen zusam- Richtlinienwerk der Deutschen Bahn AG hin
men gestellt. Das Dokument wird nach [Rili 804, 2003]. Die Richtlinien können
dem jeweiligen Stand der Technik durch vom Logistikcenter der Deutschen Bahn AG
Allgemeine Rundschreiben Straßenbau be- bezogen werden. Im Zuge der Planung von
ständig fortgeschrieben. Für den Brücken- Neubaustrecken (NBS) ist ein Rahmenpla-
planer sind die Sachgebiete 05.2 (Brücken- nungswerk entstanden. Es ist nach Kon-
und Ingenieurbau) sowie 16.2 (Bauver- struktionsarten gegliedert und umfasst alle
tragsrecht und Verdingungswesen) von gängigen Querschnitte und Bauweisen für
besonderer Wichtigkeit. Vom gleichen He- den Eisenbahnbrückenbau. Die wesent-
rausgeber stammen die ebenfalls immer lichsten Vorschriften, die zum Handwerks-
wieder fortgeschriebenen Richtzeichnungen zeug des entwerfenden Ingenieurs gehören,
für Brücken und andere Ingenieurbauwerke sind in der Tabelle 2.2-1 noch einmal zu-
[Richtzeichnungen]. Die darin enthaltenen sammengefasst.
Bauelemente sind eindeutig bezeichnet,
stellen Regelausführungen dar und können
im Entwurf zitiert werden. Alternative Lö- 2.2.2 Randbedingungen
sungen müssen den gleichen Anforderun-
gen an Standsicherheit, Dauerhaftigkeit Im Schema 2.1-1 sind die durch das vor-
und Wartungsfreundlichkeit genügen. handene Umfeld vorgegebenen Randbe-
Im Jahr 2003 erfolgte ein tiefgreifender dingungen aufgezählt. Obwohl die von der
Umbruch im Bereich der Vorschriften.­ Planung betroffenen Institutionen im Rah-
172 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

Tabelle 2.2-1  Wesentliche Vorschriften für den Entwurfsplaner


Vorschrift Herausgeber
Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen Bundesministerium für Verkehr,
für Kunstbauten (ZTV-ING) Bauen und Wohnen
Richtzeichnungen für Brücken und andere Bundesministerium für Verkehr,
Ingenieurbauwerke Bauen und Wohnen
Richtlinien für das Aufstellen von Bauwerksentwürfen Bundesministerium für Verkehr,
(RAB BRÜ) Bauen und Wohnen
Druckschriftenwerk der Deutschen Bahn AG Deutsche Bahn AG
DIN-Fachbericht 100 Bundesministerium für Verkehr,
DIN-Fachbericht 101 Bauen und Wohnen
DIN-Fachbericht 102
DIN-Fachbericht 103
DIN-Fachbericht 104

men der Planfeststellung bereits gehört Tabelle 2.2-2  Ämter, Behörden, Verbände


wurden, müssen viele Instanzen wegen der
Ämter, Behörden und Verbände für
nun erheblich größeren Planungstiefe er-
neut in die Planung eingebunden werden, Vermessung, Öffentliche Ordnung, Geolo-
um folgende aktuelle Unterlagen zu be- gie, Hydrogeologie, Wasserwirtschaft, Ver-
kommen: kehrsanlagen, Versorgung, Entsorgung,
Landschaftsschutz, Umweltschutz, Forst-
• verbindliche Lagepläne wirtschaft, Denkmalschutz, Hochbau, Tief-
• Verkehrsgutachten zur Festlegung even- bau, Straßenbau, Gemeindeverwaltung
tuell erforderlicher Verkehrsumleitun-
gen während der Bauzeit
• Baugrundgutachten
Tabelle 2.2-3  Fachplaner und Gutachter
• Hydrogeologische Gutachten
• Bestandspläne von vorhandenen Ein- Fachplaner oder Gutachter für
bauten und Leitungsführungen im Bau-
Baugrund, Landschaftsplanung, Schall-
feld
schutz, Fahrdynamik, Signal -und Ver-
• landschaftspflegerische Begleitplanung kehrsleittechnik, Elektrotechnik, Telekom-
• baukünstlerische Beratungsplanung. munikation, baukünstlerische Beratung,
In der Tabelle 2.2-2 sind die wichtigsten bildende Kunst
­öffentlichen Institutionen aufgeführt.
Außerdem sind die vom Bauherrn ein-
geschalteten Fachplaner und Gutachter in legungen mit ihrem Datum sorgfältig auf-
den Planungsprozess einzubinden und zu geführt werden, damit der Planungsprozess
koordinieren. Sie sind in der Tabelle 2.2-3 gegenüber dem Bauherrn lückenlos doku-
aufgeführt. mentiert werden kann. Die von allen Ge-
Es empfiehlt sich, von Anfang an ein sprächen aufgestellten und in den Verteiler
Entwurfstagebuch anzulegen, in welchem gegebenen Gesprächsprotokolle gehören
alle Gespräche, Vereinbarungen und Fest- als Anlage zum Entwurfstagebuch.
2.2 Entwurfsplanung 173

Bild 2.2-1   Neue Nibelungenbrücke Worms – fotorealistische Visualisierung der Entwurfsplanung.


Entwurf: BUNG – Beratende Ingenieure mit Verheyen Ingenieure

Die fotorealistische Visualisierung hat Tabelle 2.2-4  Flächenbedarf für Baubetrieb


sich mit der rasch fortschreitenden Ent- und Baustelleneinrichtung
wicklung der CAD- und Grafiksoftware in
Flächenbedarf für
den vergangenen Jahren zu einem wichti-
gen Planungsinstrument in der Entwurfs- Baubüros, Lagerflächen, Aktionsbereiche
phase entwickelt. Bei nahezu allen größeren von Bohrpfahlgeräten, Baugruben, Aktions-
Brückenbauprojekten werden die techni- bereiche von Hebezeugen, Wasserhaltungen,
schen Möglichkeiten sowohl für die end- Abwasserbehandlungsanlagen, Fertigungs-
einrichtungen bei speziellen Bauverfahren
gültige Formfindung, als auch für die Prä-
sentation der Projekte in der Öffentlichkeit
eingesetzt. Bild 2.2-1 zeigt die Visualisie-
rung der 2008 fertig gestellten neuen Rhein-
brücke Worms zusammen mit der Nibelun- 2.2.4 Entwurfselemente, Hilfsmittel
genbrücke, die 1950/53 als erste Spannbe- und statische Vorberechnung
tonbrücke über den Rhein im Freivorbau
errichtet wurde. In den nachfolgenden Kapiteln dieses Bu-
ches werden die Entwurfselemente des
Brückenbaus detailliert dargestellt. Ihre
2.2.3 Baubetrieb und Baustelleneinrichtung Vielfalt muss dem Entwurfsplaner zu Ge-
bote stehen, um einen optimalen und voll-
Erste Überlegungen müssen sich mit dem ständigen Entwurf vorlegen zu können.
Platzbedarf für Baubetrieb und Baustellen- Die Entwurfselemente werden vorab in der
einrichtung auseinandersetzen, damit die Tabelle 2.2-5 aufgeführt.
erforderliche Größe des Baufelds und des- Zu den unentbehrlichen Hilfsmitteln
sen Erschließung festgelegt und die Vorga- des Entwurfsplaners gehören Fachkata­
ben aus dem Planfeststellungsverfahren loge, um Platzbedarf und Montage für
umgesetzt werden können. Tabelle 2.2-4 ­Einbauteile und Ausrüstungen von An-
enthält die wesentlichsten Gesichtspunkte fang an korrekt zu berücksichtigen. Die
für den Flächenbedarf. Tabelle 2.2-6 enthält Hinweise auf die not-
wendigsten Fachkataloge. Um die unab-
hängige Entwurfsneutralität zu wahren,
müssen die Entwurfsmodalitäten so ge-
174 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

Tabelle 2.2-5  Entwurfselemente staltung der tragenden Querschnitte und


Knotenpunkte maßgebend mit und hat die
Unterbauten: Gründungen, Widerlager,
Anordnung von Fugen und Aussparungen
Pfeiler
statisch zu überprüfen. Sie hat das statisch
Haupttragwerke der Überbauten: Platten- und konstruktiv erforderlichen Material zu
brücken, Balkenbrücken, Rahmenbrücken, ermitteln, die der Kostenberechnung zu-
Bogen ‑und Stabbogenbrücken, Schrägkabel­ grunde gelegt werden.
brücken, Hängebrücken, Spannbandbrücken Nachfolgend werden Hinweise aus der
Herstellung: Lehrgerüst, Vorschubrüstung, Sicht des Entwurfsplaners zu einigen Ent-
Freivorbau, Taktschiebeverfahren, Fertig­ wurfselementen gegeben. Wiederum gilt,
teile, Segmentbauweise, Mischbauweise dass der Entwurfsingenieur seinem Bau-
herrn einen Bauentwurfsplan abzuliefern
Baustoffe: Stahlbeton, Spannbeton, Stahl,
hat, der ohne Einschränkungen in die Rea-
Holz, Mischbauweisen (z.B. Walzträger in
Beton)
lität umsetzbar ist und somit bereits einen
grundlegenden Teil der Ausführungspla-
Lagerung und Brückenausrüstung: Fahr- nung darstellt.
bahnbelag, Dichtungen, Lager, Fahrbahn­
übergänge, Leiteinrichtungen, Geländer,
Entwässerung, Beleuchtung, Versorgungs­ 2.2.5 Hinweise zur Bauwerksgründung
leitungen, Lärmschutzanlagen
Im Baugrundgutachten wird in der Regel
bereits eine den örtlichen Baugrundver-
Tabelle 2.2-6  Fachkataloge hältnissen entsprechende Gründungsart
empfohlen. Ihre Durchführbarkeit muss im
Fachkataloge für
Entwurf umgesetzt und beschrieben wer-
Pfahlsysteme, Spundwände, Baugrubenver- den. Gleiches gilt für die zur Herstellung
bauten, Fugenbänder, Entwässerungs­sys­ der Gründung erforderlichen Baugruben.
teme, Ankerteile, Lagerkörper, Fahrbahn­ In der Tabelle 2.2-7 werden einige Stich-
übergänge, Hubpressen, Hebezeuge, Vor- worte aufgeführt, die im Entwurf zu beach-
spannsysteme, Beleuchtungssysteme, ten sind.
Besichtigungswagen, Schallschutzwände,
Gleisbefestigungen
2.2.6 Hinweise zu den Unterbauten

wählt werden, dass nicht einzelne Produk- Unabhängig von der Konstruktionsart der
te oder bestimmte Hersteller bevorzugt Widerlager und Pfeiler einer Brücke wird in
werden.
Tabelle 2.2-7  Hinweise zur Bauwerksgrün-
Selbstverständlich muss die gesamte
dung und zur Baugrubensicherung
Entwurfsphase intensiv tragwerksplane-
risch untermauert werden, da als Entwurfs- Offene Baugrube, zulässige Böschungs­
ergebnis ein realisierbarer Bauplan vom neigungen, Baugrubensicherung (Spund-
Bauherrn eingefordert wird, der zur Grund- wände, Bohrpfahlwände, Spritzbeton,
lage einer verbindlichen Ausschreibung Vereisung u.a.), Auskolkungsschutz, Was-
der Baumaßnahme herangezogen werden serhaltung (offen oder geschlossen),
Grundwasseraggressivität, Bodenverbesse-
kann. Die Tragwerksplanung hat eine nach-
rung, Bodenaustausch, Planum für Pfahl-
vollziehbare statische Vorberechnung und
gründungen, Vorschüttungen
Bemessung zu liefern. Sie wirkt bei der Ge-
2.2 Entwurfsplanung 175

Bild 2.2-2   Brückeninspektionsgerüst für eine Bahnbrücke nach [Prommersberger/Rojek, 1987]

den meisten Fällen die Zugänglichkeit des Einsatzmöglichkeit von Arbeitsgerüsten zu


Bauwerks zu Inspektions‑, Wartungs- und Inspektions‑, Wartungs‑ und Reparatur­
Reparaturzwecken über diese lastabtragen- zwecken für eine Eisenbahnbrücke. Ent-
den Bauglieder realisiert. Die Forderungen sprechende Halterungen und Öffnungen
aus dem Unterhalt haben Einfluss auf lichte sind im Rahmen des Entwurfs zu berück­
Abstände und Höhen benachbarter Bau- sich­tigen.
glieder zur einwandfreien Begehbarkeit,
auf Platzbedarf für das Unterbringen von
Hebezeugen und Hubpressen für die Kor- 2.2.7 Hinweise zu Lagerung
rektur oder den Ersatz von Lagerkörpern, und Beweglichkeit
auf Zugänglichkeit der Entwässerungs‑ und
sonstiger Ver‑ und Entsorgungsanlagen, Beim Entwurf sollte grundsätzlich darauf
auf ausreichende Beleuchtung und Entlüf- geachtet werden, dass das Bauwerk mög-
tung sowie auf Verschließbarkeit der zu be- lichst zwängungsfrei gelagert wird. In die
gehenden Bauteile. Das Bild 2.2-2 zeigt die Überlegungen zur Anordnung des Brü-
176 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

ckenfestpunkts sind aber nicht nur die Be- Dichtungsanstriche, Fugenabdichtun-


wegungsmöglichkeiten, sondern auch die gen und Bauwerksbeläge sind entsprechend
Aufnahme der statischen und dynamischen dem Stand der Technik unter Hinweis auf
Horizontalkräfte unter Berücksichtigung entsprechende Richtzeichnungen im Ent-
der Baugrund‑ und Unterbausteifigkeiten wurf zu berücksichtigen. Revisionsschächte
mit einzubeziehen. Bei hohen Horizontal- und Anschluss der Brückenentwässerung
kräften kann es erforderlich werden, diese an die Streckenentwässerung oder an den
durch separate Horizontallager abzuleiten. Vorfluter sind ebenfalls zu beachten. Bild
Dieser Problemkreis ist bei Brücken für 2.2-3 zeigt den Querschnitt eines Überfüh-
schienengebundene Hochgeschwindig- rungsbauwerks mit angehängter Entwässe-
keitsstrecken von besonderer Relevanz. Die rung.
Druckschrift D804 enthält verschiedene
Systemmöglichkeiten zur einwandfreien
Abtragung hoher Längskräfte bei nahtlos 2.2.9 Hinweise zu Bau- und
geschweißten Schienen. Herstellungsverfahren
Ein kritischer Punkt ist der Übergang
der Fahrbahn vom Erdkörper auf das Bau- Maßhaltigkeit (Bautoleranzen), zulässige
werk. Ein geeigneter, entsprechend ver- Verformungen, Oberflächenqualität und
dichteter Aufbau des Erdkörpers im Wider- Farbgebung der einzelnen Baukörper einer
lagerbereich gehört zu den Entwurfsele- Brücke sind in der Regel in Vorschriften
menten des Bauwerks, seine Planung ist definiert, oder sie werden vom Bauherrn
Bestandteil der Bauwerksplanung. und gegebenenfalls seinem baukünstleri-
schen Berater vorgegeben. Der Entwurf
muss beachten, dass die gewählten Ab­
2.2.8 Hinweise zu Brückenentwässerung messungen nicht nur den Anforderungen
und Abdichtung der geplanten Nutzung gerecht werden,
sondern auch den zum Einsatz vorgesehe-
Eine gut funktionierende Fahrbahnentwäs- nen Bau- und Herstellungsverfahren ent-
serung, die das im Bauwerksbereich anfal- sprechen.
lende Oberflächenwasser schnell und zu- Trotz aller Zwänge aus Vorschriften
verlässig abführt, gehört zu den wesentli- und örtlichen Randbedingungen zeigt
chen Bestandteilen der Ausrüstung für die doch gerade die Entwurfsplanung, dass der
sichere Nutzung einer Brücke. Anzahl und Brückenbau eine der anspruchvollsten
Anordnung der Brückeneinläufe sowie Disziplinen des Bauingenieurwesens ist.
Rohrdurchmesser gehen aus einer hydrau- Die starke Dominanz des Tragwerks prägt
lischen Berechnung hervor. Alle Entwässe- das Bild von Brückenbauwerken und ver-
rungseinrichtungen müssen unbedingt langt von dem planenden Ingenieur ein
wartungsfreundlich angeordnet werden. Höchstmaß an Kompetenz, um eine hin-
Obwohl es für die Bauästhetik problema- sichtlich Technik, Gestaltung und Wirt-
tisch ist, Rohrleitungen sichtbar am Bau- schaftlichkeit optimale Konstruktion ent-
werk anzubringen, geht in diesem Fall Si- werfen zu können. Die Bilder 2.2-4 und
cherheit vor Schönheit, wenn die Leitungen 2.2-5 zeigen exemplarisch zwei herausra-
nicht innerhalb eines Tragquerschnitts gende Beispiele des modernen Brücken-
leicht zugänglich untergebracht werden baus.
können.
2.2 Entwurfsplanung 177

Bild 2.2-3   Brückenentwässerung, Aufhängung gem. BMV-Riz. Was 13

Bild 2.2-4   Ting Kau Brücke, Hongkong. Entwurf: Schlaich, Bergermann und Partner

Bild 2.2-5   Talbrücke Zahme Gera im Zuge der BAB A 71. Entwurf: Fritsch Ingenieure
178 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

2.3 Genehmigungsplanung ten an, die als Nebenangebote von den Bau-
firmen bei der Submission mit eingereicht
Brücken, die in das öffentliche Straßen- werden können und von denen sich der
und Wasserstraßen- Verkehrsnetz inte- Bauherr eine gegenüber dem ausgeschrie-
griert sind, haben den Staat, ein Land, einen benen Entwurf technisch-wirtschaftlich
Landkreis oder eine Kommune als Bau- optimierte Lösung verspricht. Im Abschnitt
herrn. Übergeordnete Genehmigungsbe- 2.4 wird auf diese Problematik noch einmal
hörden gibt es nicht. Der Entwurfsplan also eingegangen.
ist amtlich genehmigte Grundlage für jeden
Brückenneubau. Anders verhält es sich bei
privaten Auftraggebern. Auch die Deutsche 2.4 Ausschreibung
Bahn AG ist seit 1994 ein privater Bauherr.
Deshalb wurde zum gleichen Zeitpunkt das 2.4.1 Ausschreibung mit Mengenermittlung
Eisenbahnbundesamt (EBA) als Genehmi-
gungsbehörde für die Bauvorhaben der Abweichend von dem in [HOAI, 1986] vor-
Deutschen Bahn AG eingerichtet. gesehenen Ablauf wird im Brückenbau die
Im Rahmen der Genehmigungsplanung mit einer Mengenermittlung versehene
wird in der Tragwerksplanung die prüffähi- Ausschreibung der Baumaßnahme nicht
ge statische Berechnung für das gesamte auf der Grundlage der vorangegangenen
Brückenbauwerk aufgestellt. Üblicherweise Genehmigungs- und Ausführungsplanung
wird diese mit hoher Verantwortung beauf- erstellt. Hier wird die Entwurfsplanung zur
schlagte Ingenieuraufgabe in Deutschland Grundlage für die Ausschreibung herange-
nicht mehr vom entwurfsbegleitenden zogen. Dies erklärt, wie hoch die Ansprü-
Tragwerksplaner erbracht. Aus Gründen che an die Entwurfsplanung im Hinblick
von Haftung und Gewährleistung koppelt auf ihre Vollständigkeit und Realisierbar-
die Bauherrschaft der öffentlichen Hand keit sind. Die Ermittlung und Aufgliede-
diese Ingenieurleistungen in den meisten rung nach Einzelpositionen kann also nicht
Fällen an die Ausführungsplanung und ver- anhand von Ausführungsplänen vorge-
gibt sie über die Ausschreibung an die bau- nommen werden, in denen alle Bauteile
ausführende Firma. Als Folge von Um- lückenlos vermaßt und berechnet sind.
strukturierungen in der Bauwirtschaft ha- Diese Vorgehensweise stellt hohe Ansprü-
ben heute nur noch wenige Großbauunter- che an die statische Vorberechnung des
nehmungen ein eigenes leistungsstarkes Brückenbauwerks. Um zum Beispiel die
Technisches Büro, so dass die Genehmi- Materialmengen für den Fundamentaus-
gungs- und Ausführungsplanung von der hub zutreffend angeben zu können, müssen
Baufirma häufig an ein freies Ingenieurbü- die Fundamentabmessungen vorab berech-
ro vergeben wird. Hierbei kann es vorkom- net worden sein. Gleiches gilt für alle ande-
men, dass der entwurfsbegleitende Trag- ren Bauteile des Unter- und Überbaus, für
werksplaner wieder in den Prozess einge- die Tragkräfte und Bewegungsmöglichkei-
bunden wird und seine Arbeit, jetzt aller- ten der Brückenlager und Fahrbahnüber-
dings unter einem anderen Auftraggeber gänge, sowie für sämtliche Ver- und Ent-
weiterführen kann. Als weiteres Argument sorgungseinrichtungen. Was im Rahmen
für diesen im Regelfall vorgesehenen Wech- der Entwurfsarbeit wegen des damit ver-
sel der Ingenieure zwischen Entwurf und bundenen Aufwands nicht bis ins Detail
Ausführung führt der öffentliche Auftrag- berechnet und festgelegt werden kann, so
geber gerne die hierdurch gegebene Anre- zum Beispiel der Bewehrungsanteil bei
gung der Bauindustrie zu Entwurfsvarian- Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen,
2.4 Ausschreibung 179

muss deshalb geschätzt werden. Dazu ge- Verdingungsordnung für Bauleistungen


hört ein großes Maß an Erfahrung und spä- [VOB, 2000], die folgende drei Teile ent-
testens hier wird der planende Ingenieur in hält:
Schwierigkeiten kommen, wenn er keine
Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die
umfassende Kompetenz auf dem Gebiet der
Vergabe von Bauleistungen DIN
Ausführungsplanung hat. Offensichtlich
1960
unzutreffende Ermittlungen oder nicht re-
Teil B: Allgemeine Vertragsbestimmungen
alisierbare Konstruktionen können zu einer
für die Ausführung von Bauleistun-
Aufhebung der Submission oder, wenn sie
gen DIN 1961
erst nach der Auftragserteilung festgestellt
Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbe-
werden, zu neuen Preisverhandlungen zwi-
dingungen für Bauleistungen.
schen dem Bauherrn und der Bauunter-
nehmung führen. Der Umfang einer Ausschreibung für ein
Die Ausschreibung für ein Brückenbau- Brückenbauwerk mittlerer Größe umfasst
werk mit Mengenermittlung gliedert sich in etwa 150 Textseiten und Formulare. Die
folgende Abschnitte: Plananlagen, das Gründungsgutachten und
die „Behördlichen Auflagen“ sind hierbei
A: Anschreiben des Bauherrn mit Bewer- nicht mitgerechnet. Die Tragweite eines
bungsbedingungen solchen Dokuments erfordert für seine Er-
B: Verdingungsunterlagen stellung neben exzellenten technischen
Kenntnissen auch ein solides Wissen über
Zu den Verdingungsunterlagen gehören:
die Rechtsgrundlagen von Bauverträgen.
01: Vorbereitetes Angebotsschreiben des Die Ursache der oft mehrere Jahre an­
Bieters dauernden Verhandlungen oder Prozesse
02: Besondere Vertragsbedingungen mit zwischen dem Bauherrn und dem Auftrag-
komplettem Inhaltsverzeichnis der nehmer über die korrekte Abrechnung ei-
gesamten Ausschreibung, einschließlich ner Baumaßnahme der öffentlichen Hand
sämtlicher Planunterlagen ist häufig in einer mangelhaften Ausschrei-
03: Leistungsbeschreibung mit verbaler bung zu finden.
Baubeschreibung und angefordertem Die Ausschreibung für ein Brückenbau-
Qualitätsmanagement, einschließlich werk wird veröffentlicht. Als wesentliche
zugehöriger Anlagen Veröffentlichungsorgane fungieren:
04: Leistungsverzeichnis • Amtsblatt der EU
05: Planunterlagen • Bundesausschreibungsblatt
06: Baugrund -und Gründungsgutachten
07: Behördliche Auflagen Kleinere Bauvorhaben auf kommunaler
Ebene werden auch in den entsprechenden
Als Richtlinie für das Aufstellen der Aus- Tageszeitungen veröffentlicht. In der Ver­
schreibung dient das Handbuch für die Ver- öffentlichung werden neben dem Bauwerk
gabe und Ausführung von Bauleistungen im die Bezugsquelle für die Ausschreibungs-
Straßen- und Brückenbau [HVA-StB, 2001], unterlagen, die Termine für Submission
herausgegeben vom Bundesministerium und Vergabe (Bindungsfrist) und eine An-
für Verkehr, Bauen und Wohnen. Es enthält sprechstelle für Rückfragen genannt. Die
Muster und Vordrucke zur korrekten und Publikation, der Versand und die Aus-
vollständigen Verfassung der Ausschrei- schreibungsunterlagen erfolgen heute weit-
bung. Eine ebenso wichtige Unterlage für gehend auf Datenträger oder bereits über
das Aufstellen einer Ausschreibung ist die Internet.
180 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

2.4.2 Randbedingungen für Sonderentwürfe 2.4.3 Funktionale Ausschreibung

Brückenbauten, für die ein Realisierungs- Der Unterschied einer funktionalen Aus-
wettbewerb durchgeführt wird (vgl. Ab- schreibung zum bereits in 2.4.1 und 2.4.2
schnitt 2.1.3), werden in aller Regel nach beschriebenen Verfahren besteht in der
dem Entwurf ausgeführt, der sich im Wett- Hauptsache darin, dass der funktionalen
bewerb durchgesetzt hat, so dass Sonder- Ausschreibung kein Leistungsverzeichnis
entwürfe von vornherein ausgeschlossen mit ausgeworfenen Mengen beigegeben ist.
sind. Denkmalpflegerische Belange oder Alle anderen in den vorangegangenen Ka-
durch vorhandene Topographien, Bebau- piteln aufgeführten Bestandteile gehören
ungen oder Bodenverhältnisse vorgegebe- auch zu einer funktionalen Ausschreibung,
ne Zwänge können ebenfalls zum Aus- wobei die Definition der Randbedingungen
schluss von Sonderentwürfen führen. So- und die Baubeschreibung so eindeutig sein
fern es die Umstände jedoch erlauben, sind müssen, dass die Vorstellung des Bauherrn
die Auftraggeber der öffentlichen Hand ohne Auslegungsspielräume aus den Aus-
durchaus an Sondervorschlägen bzw. Alter- schreibungsunterlagen hervorgeht. Es liegt
nativen zum ausgeschriebenen Entwurf dann bei den Bietern, sich einen Entwurf
interessiert. Hierfür müssen allerdings in und ein Leistungsverzeichnis anzufertigen,
der Ausschreibung konkrete Randbedin- um das Bauwerk zutreffend kalkulieren zu
gungen formuliert werden, um den ange- können. Spekulationen auf nicht zutreffen-
strebten Zweck des Bauwerks zu erfüllen de Ansätze im Leistungsverzeichnis sind
und die Vergleichbarkeit zum ausgeschrie- bei der funktionalen Ausschreibung nicht
benen Entwurf sicher zu stellen. Diesbe- möglich, da die Baumaßnahme nicht nach
zügliche Versäumnisse können zu einer Positionen, sondern pauschal zum angebo-
Anfechtung der Submission und Vergabe tenen Festpreis abgerechnet wird. Inwie-
führen. Die Randbedingungen sind in der weit es volkswirtschaftlich zu vertreten ist,
Baubeschreibung zu formulieren. In jedem dass bei einer funktionalen Ausschreibung
Fall muss der Bieter die ausgeschriebenen umfangreiche Planungsleistungen gleich-
Leistungen vollständig anbieten und für zeitig von allen Bietern erbracht werden
den von ihm eingereichten Sonderentwurf müssen, bleibt freilich dahin gestellt.
ein vergleichbares Leistungsverzeichnis er- Das Beispiel der Geratalbrücke Ichters-
stellen. Sonderentwürfe können insbeson- hausen, s. Bild 2.4-1, zeigt die Möglichkei-
dere die Gründung, das Bauverfahren, aber ten, die eine funktionelle Ausschreibung
auch die Baustoffe und die Gesamtkon- bei qualifizierter Anwendung bietet. Die
struktion beinhalten. Bei Aufträgen die auf Konstruktion wurde im Rahmen eines Son-
der Grundlage eines Sonderentwurfs verge- derentwurfs insbesondere im Bereich der
ben sind, geht das Mengenrisiko auf die Gründung optimiert. Mit dem Einsatz ei-
Baufirma über, während das Baugrundrisi- ner Spannbeton-Vorschubrüstung wurde
ko beim Bauherrn verbleibt. Daneben sind ein in diesem Fall wirtschaftliches Bauver-
auch Alternativvorschläge zu Einzelposi­ fahren gewählt.
tionen möglich, bei denen die Konstruk­tion
der Brücke nicht wesentlich verändert
wird. 2.4.4 Verpflichtung zur Eindeutigkeit

Jede Ausschreibung muss so verfasst sein,


dass der Wille des Bauherrn eindeutig und
klar zum Ausdruck kommt. Sofern die Aus-
2.5 Angebotsbearbeitung 181

Bild 2.4-1   Geratalbrücke Ichtershausen im Zuge der NBS Erfurt – Nürnberg, Herstellung mit
Vorschubrüstung aus Spannbeton und Stahlschnabel

schreibung bei einzelnen Bauteilen einen fallen. Häufig werden hierzu bereits im
Interpretationsspielraum zulässt, ist es dem Vorfeld einer erwarteten Ausschreibung
Bieter gestattet, eine Annahme zu treffen. Abstimmungen getroffen. Wesentliche Be-
Wie im Kapitel 2.8. (Nachträge) dargelegt, standteile der Angebotsbearbeitung sind in
bieten solche Annahmen stets Anlass zu der Tabelle 2.5.1 aufgeführt. Voraussetzung
Nachträgen, die zu erheblichen Verteue- für ein qualifiziertes und im Auftragsfall
rungen des Bauvorhabens führen können. umsetzbares Angebot ist ein schlüssiges
Konzept für den Bauablauf, das Bauverfah-
ren, den Personal- und Geräteeinsatz. Im
2.5 Angebotsbearbeitung Rahmen dieser Konzeptfindung können
auch Sonderentwürfe entwickelt werden,
Im Zuge der Angebotsbearbeitung werden bei denen die speziellen Möglichkeiten und
die an einem ausgeschriebenen Brücken-
bauvorhaben interessierten Bauunterneh-
men aktiv. Unter hohem Zeitdruck erfolgt Tabelle 2.5-1  Wesentliche Bestandteile der
Angebotsbearbeitung
zunächst das Durcharbeiten der Ausschrei-
bungsunterlagen und nach deren Analyse Bauverfahren, Bautechnologie, Baustellen-
die Festlegung einer Konzeption für die Er- einrichtung, Personalkonzept, Geräteein-
stellung des Angebots. Da in der Regel hier- satz, Überprüfung der Mengenansätze,
für nur ein Zeitraum von 6 – 8 Wochen zur Kalkulation der Einzelpositionen, Einholen
Verfügung steht, muss die Entscheidung von Nachunternehmer-Angeboten, Pla-
über die Ausarbeitung von Sonderentwür- nung der Bauzeit und der Bauabläufe, Er-
stellung des Angebots – Leistungsverzeich-
fen, die Bildung von Arbeitsgemeinschaf-
nisses, Ausarbeiten von Sonderentwürfen
ten und die vertragliche Bindung von Sub- und Nebenangeboten, Finanzierung
unternehmern zu diesem frühen Zeitpunkt
182 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

Erfahrungen (z. B. Geräteausrüstungen, Pa- Geprüft wird, ob keine Verstöße gegen


tente, Lizenzen usw.) einzelner Firmen zum die Verdingungsordnung vorliegen, ob der
Tragen kommen. Bieter über ausreichende Erfahrungen im
Als Ergebnis der Angebotsbearbeitung Brückenbau verfügt, ob sich die Sonderent-
wird kurz vor der Angebotsabgabe das An- würfe an die in der Ausschreibung darge-
gebots – LV erstellt und im Falle von Son- legten Randbedingungen halten und ob die
derentwürfen und Nebenangeboten um die angesetzten Einheitspreise realistisch sind.
erforderlichen technischen Unterlagen er- Nachgerechnet werden sämtliche Posi­
gänzt. Die endgültige Festlegung des Ange- tionen, sowohl für den Ausschreibungsent-
botspreises erfolgt dann auch unter Be- wurf, wie auch für die eventuell angebote-
rücksichtigung übergeordneter unterneh- nen Sonderentwürfe und Nebenangebote.
menspolitischer Interessen. Die rechtsver- Aus den Nachrechnungen wird ein Preis-
bindliche Unterzeichnung des Angebots spiegel angefertigt, der mit 100 Prozent auf
durch einen oder mehrere bevollmächtigte den günstigsten Bieter bezogen wird. Die-
Vertreter des anbietenden Bauunterneh- ser Preisspiegel wird nicht nur für die ge-
mens oder einer Bietergemeinschaft ist samte Angebotssumme, sondern auch für
Voraussetzung für die Wertung bei der die Angebotssummen eventuell ausge-
Submission. schriebener Teillose und für die Preise der
einzelnen Positionen erstellt. Hieraus ergibt
sich eine ausreichende Transparenz, nach
welcher eine Wertung der Angebote vorge-
2.6 Submission
nommen werden kann.
Gewertet werden schließlich alle Ange-
Bis zu dem in der Veröffentlichung genann-
bote entsprechend den vorausgegangenen
ten Submissionstermin müssen alle Ange-
Prüfungen und Nachrechnungen.
bote in verschlossenem Umschlag an dem
Vor der Vergabe werden die für den Bau-
vom Bauherrn festgelegten Ort abgegeben
herrn interessantesten Bieter, in der Regel
werden. Im Beisein der Bieter oder deren
sind dies nicht mehr als 3 oder 4, zu einem
Vertreter werden die Angebote vom Bau-
Gespräch eingeladen, in dem sie die Mög-
herrn geöffnet und verlesen. Dieser erste
lichkeit haben, die technischen Aspekte des
Preisspiegel gibt jedoch noch keinen Auf-
Angebots zu erläutern und eventuelle Un-
schluss darüber, an wen der Zuschlag erteilt
klarheiten zu beseitigen. Wenn der Auf-
werden wird. Vor allem dann nicht, wenn
traggeber anhand der Auswertungen und
Alternativangebote und Sondervorschläge
der Verhandlungsergebnisse Klarheit ge-
zugelassen waren. Da Submissionen öffent-
wonnen hat, welcher Bieter die bautech-
lich sind, darf die verlesene Reihenfolge
nisch beste und preiswerteste Lösung für
der Bieter in einschlägigen Druckerzeug-
das ausgeschriebene Projekt angeboten hat,
nissen als Submissionsspiegel veröffentlicht
wird auf der Grundlage der Ausschreibung
werden.
ein Bauvertrag verfasst und abgeschlossen.
Die Vergabe des Auftrags wird wiederum in
den entsprechenden öffentlichen Publika­
2.7 Vergabe tionen bekannt gegeben.

In der Zeit zwischen Submission und Ver-


gabe, die nie länger als die Bindefrist sein
darf, werden sämtliche Angebote geprüft,
nachgerechnet und gewertet.
2.9 Prüfung 183

2.8 Ausführungsplanung nung wird zumeist bereits mit dem Plan-


werk erbracht, das der Ausschreibung bei-
In den seltensten Fällen, nämlich dann, gegeben ist (vgl. Abschn. 2.4.1). Da in den
wenn eine Brücke über den Weg eines Rea- nachfolgenden Kapiteln 5 bis 10 ausführ-
lisationswettbewerbs zur Ausführung lich über alle Konstruktionsteile, Ausfüh-
kommt, vergibt der Bauherr schon vor der rungsmethoden und Bauweisen einer Brü-
Vergabe der Bauleistungen die gesamte cke einschließlich deren Berechnung in
Tragwerksplanung im eigenen Namen, weil sämtlichen Materialvarianten detailliert be-
Gestalt, Ausstattung und Konstruktion der richtet wird, wird hier nur auf die wesentli-
Brücke eindeutig festliegen. Im Regelfall chen Bestandteile der Ausführungsplanung
wird die Tragwerksplanung jedoch zusam- eingegangen. Sie werden in der Tabelle
men mit der Bauausführung beauftragt. 2.8‑1 zusammengefasst.
Wie in den Abschnitten 2.2 (Entwurfspla-
nung) und 2.4 (Ausschreibung) bereits dar-
gelegt, liegt der Termin für den Beginn der 2.9 Prüfung
Ausführungsplanung im Regelfall daher
nach dem Datum der Vergabe. Unter dem Durch die Einbindung eines unabhängigen
Druck eines nur geringen zeitlichen Vor- Prüfingenieurs wird ein hohes Maß an Si-
laufs muss der von der Baufirma beauftrag- cherheit, gewährleistet. Damit gilt auch im
te Tragwerksplaner nun die statische Be- Brückenbau wie im Hoch- und Industrie-
rechnung und die Ausführungsplanung bau das Vier-Augen-Prinzip in der Trag-
erstellen. Der von der Objektplanung zu werksplanung.
leistende Anteil an der Ausführungspla- Da die Straßenbauverwaltung ihre eige-
ne Bauhoheit hat, fallen Brückenbauvorha-
ben jedoch nicht unter das öffentliche Bau-
Tabelle 2.8-1  Bestandteile der Ausführungs­ recht. Baugenehmigungsbehörde ist die je-
planung weilige Straßenbauverwaltung, im Bahnbau
das Eisenbahnbundesamt. Im Gegensatz
Prüffähige statische Berechnung der Unter- zum Prüfingenieur, der im Rahmen des öf-
und Überbauten und aller Baubehelfe ein­ fentlichen Baurechts als beliehener Unter-
schließlich sämtlicher Bauzustände, Ver­
nehmer hoheitliche Aufgaben übernimmt,
formungsberech­nungen mit zugehörigen
Mess­­proto­kollen, Berechnung der Lager- werden der Prüfingenieur und der vom
körper und Übergänge, Spann- und Dehn- EBA bestellte Sachverständige für Stand­
und Lager­wegbe­rechnungen einschließlich sicherheit im Rahmen eines privatrecht­
zugehöriger Protokolle lichen Auftrags tätig. Grundsätzlich kann
die Prüfung auch von Mitarbeitern der Ge­
Absteckpläne nehmigungsbehörde selbst durchgeführt
Schal-, Bewehrungs- und Spannpläne für werden.
Stahlbeton- und Spannbetonkonstruktio- Der Umfang der Prüfung umfasst die
nen, Werk­stattzeichnungen für Holz- und Nachweise im Grenzzustand der Tragfähig-
Stahlkonstruktionen, Konstruktionspläne keit und die Ausführungszeichnungen für
für Baubehelfe, Versetzpläne für Brückenla- den Endzustand und die Bauzustände.
ger und Übergänge, Geländerpläne, Zeich- Darüber hinaus können auch die Prüfung
nerische Darstellung aller Ausrüstungsteile, der Gebrauchstauglichkeit, der Geometrie
Steinversetzpläne für Verkleidungen, positi-
(Absteckung), der Einhaltung des Bauver-
onierte Stück‑ und Materi­allisten, Einbau-
und Ver­legeanweisungen
trags und der Wirtschaftlichkeit dem Prüf­
inge­nieur übertragen werden.
184 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

Grundlage für die Prüfung ist der dem Tabelle 2.10-1  Aufgaben der Baustellenlei-
Bauauftrag zugrunde liegende Bauwerks- tung
entwurf. Neben der Überwachung der Ein- Organisation von Baustelleneinrichtung und
haltung des in Vorschriften und Regelwer- Logistik, Aufstellung eines Bauablaufplanes,
ken definierten Stands der Technik ist ins- Darstellung des aktuellen Baufortschrittes
besondere das Erkennen der wesentlichen gegenüber der Sollkurve, Ordern des Mate­
Beanspruchungszustände des Tragverhal- rialbedarfes, Festlegen und Einsetzen des
tens und der Wechselwirkung zwischen jeweiligen Personalbedarfes, Einplanen und
Baugrund und Bauwerk Bestandteil der Kontrollieren der Subunternehmerleistungen,
Tätigkeit des Prüfingenieurs. Veranlassung der erforderlichen Eigen- und
Fremdüberwachungen von Baustoffen, An-
ordnung von baubegleitenden Kontrollmes-
sungen einschließlich deren Protokollierung
2.10 Bauausführung, Bauüberwachung, und Auswertung, laufende Kosten- und Qua-
litätskontrolle, Einleitung von Ent­schei­dungs­
Abrechnung prozessen bei unvorhergesehenen Bau­prob­
lemen, Kontrolle der Einhaltung berufsge-
2.10.1 Bauausführung nossenschaftlicher Forderungen im Hinblick
auf die Baustellensicherheit, Führung der
Die Bauausführung von Brücken ist in Bauakten (Planunterlagen, Lie­ferscheine,
Deutschland eine Kooperation von Bauun- Protokolle, Gesprächsnotizen u.a.), Einberu-
ternehmung und öffentlichem Bauherrn, fung außergewöhnlicher Baubesprechungen,
sofern es sich um eine Brücke im Rahmen Meldung von Verzögerungen oder Verzug bei
allen zum Bau erforderlichen Lieferungen,
des öffentlichen Wege-, Straßen-, Wasser-
Festhalten von Änderungen der Bauausfüh-
straßen- oder Schienennetzes handelt.
rung gegenüber dem Planwerk
Hierbei wird die Bauunternehmung durch
ihren Bauleiter, der öffentliche Bauherr
durch die örtliche Bauüberwachung und
die Bauoberleitung vertreten. Auch der rischen Notwendigkeiten und deren Reali-
Tragwerksplaner muss fallweise in das Bau- sation angesprochen werden. Alle Ausfüh-
geschehen vor Ort eingebunden werden. rungsbelange laufen in der Person des Bau-
Dies ist unabdingbar, wenn außergewöhn- leiters zusammen, der, entsprechend der
liche Bauverfahren angewendet werden, die VOB, vom beauftragten Bauunternehmer
noch nicht zum Stand der Technik gehören, als verantwortlicher Ansprechpartner zu
oder wenn komplizierte Montagezustände benennen ist. Die wesentlichsten seiner
auszuführen sind, bei denen die aktuell ge- vielfältigen Aufgaben werden in der Tabelle
messenen Verformungen der Bauteile eine 2.10-1 zusammengefasst, während das Bild
wesentliche Rolle für das weitere Vorgehen 2.10-1 Teile des Bauablaufplans einer Ei-
bei der Montage spielen. Auch der vom senbahnbrücke im Zuge der NBS Mann-
Bauherrn bestellte Prüfingenieur muss im heim – Stuttgart zeigt.
Bedarfsfall auf der Baustelle anwesend sein, Der verantwortliche Bauleiter hat als
insbesondere, wenn ihm vom Bauherrn ge- Vertreter der die Brücke herstellenden Bau-
wisse Kontrollfunktionen, z. B. die Abnah- firma ein sehr breites Aufgabengebiet. Er
me der Bewehrung bei Stahlbeton- und muss als Ingenieur alle für die technisch
Spannbetonbauwerken übertragen worden einwandfreie und sichere Erstellung des
sind. Auf die verschiedenen Brückenbau- Bauwerks erforderlichen Maßnahmen er-
verfahren wird im Kapitel 9 eingegangen greifen bzw. veranlassen. Gleichzeitig ob-
weshalb an dieser Stelle nur die organisato- liegt ihm auch die wirtschaftliche Durch-
2.10 Bauausführung, Bauüberwachung, Abrechnung 185

Bild 2.10-1   Beispiel für einen Bauablauf: Eisenbahnbrücke im Zuge der NBS Mannheim – Stutt-
gart [Penner, 1987]

führung der Bauaufgabe. Als Repräsentant ein Fachbüro beauftragt. Mitunter wird sie
der beauftragten Baufirma oder Arbeitsge- auch vom Bauherrn selbst wahrgenommen,
meinschaft hat er die Geschäftsinteressen sofern ihm eigenes Personal zur Verfügung
sowohl gegenüber den Nachunternehmern steht. Die Aufgaben der örtlichen Bauüber-
als auch gegenüber dem Bauherrn zu ver- wachung sind in der Tabelle 2.10-2 wieder-
treten. Angesichts des hohen Anteils der gegeben. Bei größeren Brückenbauwerken
Leistungen, die heute üblicherweise von verlangt dieses Aufgabengebiet eine nahezu
Nachunternehmern erbracht werden, stel- ständige Anwesenheit der örtlichen Bau­
len diese Aufgabenfelder mit ihren oft wi- überwachung auf der Baustelle.
dersprüchlichen Zielstellungen höchste
Anforderungen an die in der Bauleitung
2.10.3 Bauoberleitung
tätigen Ingenieure.
Die örtliche Bauüberwachung wird im Brü-
2.10.2 Örtliche Bauüberwachung ckenbau von der Bauoberleitung beaufsich-
tigt. Diese Bauoberleitung wird in der Regel
Für die örtliche Bauüberwachung bei Brü- von Fachkräften des Bauherrn wahrgenom-
ckenbauwerken wird vom Bauherrn häufig men, kann aber auch vom Bauherrn an ein
186 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

Tabelle 2.10-2  Leistungsbild der örtlichen Tabelle 2.10-3  Leistungsbild der Bauoberlei-


Bauüberwachung tung
(1) Überwachen der Ausführung des Ob- Aufsicht über die örtliche Bauüberwachung,
jekts auf Übereinstimmung mit den zur Koordinieren der an der Objektüberwachung
Ausführung genehmigten Unterlagen, fachlich Beteiligten, Prüfen auf Übereinstim-
dem Bauvertrag sowie den allgemein mung und Freigeben von Plänen Dritter
anerkannten Regeln der Technik und Aufstellen und Überwachen eines Zeitplanes
den einschlägigen Vorschriften,
In Verzug setzen der ausführenden Unter­
(2) Hauptachsen für das Objekt von objekt-
nehmen
nahen Festpunkten abstecken sowie
Höhenfestpunkte im Objektbereich Abnahme von Leistungen und Lieferungen
herstellen, soweit die Leistungen nicht unter Fertigung einer Niederschrift über das
mit besonderen instrumentellen und ver- Ergebnis der Abnahme
messungstechnischen Verfahrens­anforde­ Antrag auf behördliche Abnahmen und Teil-
rungen erbracht werden müssen, Bauge- nahme daran
lände örtlich kennzeichnen, Übergabe des Objekts einschließlich der zuge-
(3) Führen eines Bautagebuchs, hörigen Bauakten
(4) Gemeinsames Aufmaß mit den ausfüh- Zusammenstellen von Wartungsvorschriften
renden Unternehmen, Überwachen der Funktionsprüfung
(5) Mitwirken bei der Abnahme von Leis- Auflisten der Verjährungsfristen der Gewähr-
tungen und Lieferungen, leistungsansprüche
(6) Rechnungsprüfung,
Kostenfeststellung
(7) Mitwirken bei behördlichen Abnahmen,
(8) Mitwirken beim Überwachen der Prü- Kostenkontrolle durch Überprüfen der Leis-
fung der Funktionsfä­higkeit des Objekts, tungsabrechnung des bauausführenden Un-
(9) Überwachen der Beseitigung der bei der ternehmens im Vergleich zu den Vertragsprei-
Abnahme der Leistungen festgestellten sen und der fortgeschriebenen Kostenberech-
Mängel, nung
(10) Überwachung der Ausführung von Trag-
werken auf Überein­stimmung mit dem
Standsicherheitsnachweis. Nachbehandlung von Beton können im
Rahmen einer betontechnologischen Bera-
tung in Sonderfällen erforderlich werden.
Ingenieurbüro vergeben werden. Das Leis- Auch der örtlichen Bauüberwachung
tungsbild der Bauoberleitung ist in den und Bauoberleitung stehen zur Erfüllung
§§ 55 (Objektplanung) und 64 (Tragwerks- ihrer verantwortlichen Tätigkeit einige Re-
planung) der HOAI aufgeführt und wird gelwerke zur Verfügung, deren wichtigste
zum Zweck der Gegenüberstellung mit dem in der Tabelle 2.10-4 zusammengefasst
Leistungsbild der örtlichen Bauüberwa- sind.
chung in der Tabelle 2.10-3 in konzentrier- [HVA-StB, 2001] gibt in Absatz 2.1 unter
tem Auszug wiedergegeben. anderem konkrete Verfahrensanweisungen
Der Tragwerksplaner ist nach §64 der in Bezug auf das Verhältnis von Bauüber-
HOAI nur in besonderen Fällen an der wachung zu Auftragnehmer, Nachunter-
Bauoberleitung beteiligt, nämlich dann, nehmern und Baustellenanliegern, es regelt
wenn er im Sonderfall mit der ingenieur- die Baustellenbeschilderung, die Behand-
technischen Kontrolle der Bauwerksaus- lung von Baustoff- und Bauteilkontrollen,
führung oder der Baubehelfe beauftragt das Aufstellen von Bautagesberichten durch
wurde. Auch die ingenieurtechnische Kon- den Auftragnehmer, die Aufstellung der
trolle der Herstellung, Verarbeitung und Ordnungszahl - Kontrollliste als Grundlage
2.10 Bauausführung, Bauüberwachung, Abrechnung 187

Tabelle 2.10-4 Regelwerke für Bauüberwachung und Bauoberleitung


Regelwerk Herausgeber
[HVA-StB, 2001] Handbuch für die Vergabe Bundesministerium für Verkehr, Bauen
und Ausführung von Bauleistungen im Stra- und Wohnen
ßen- und Brückenbau (HVA-StB Teil 3)
[Merkblatt, 2001] für die Bauüberwachung von Bundesministerium für Verkehr, Bauen
Kunstbauten (M-BÜ-K) und Wohnen
[Rili 804, 2003] Verdingungsordnung für Bau­ DIN Deutsches Institut für Normung e.V.
leistungen

für den festzustellenden Mittelbedarf und 2.10.4 Bauüberwachung bei funktional


schließlich das Führen des Bautagebuches. ausgeschriebenen Brückenbauwerken
Die Abschnitte 2.2 und 2.3 [HVA-StB 2001]
regeln die Abrechnung der Baumaßnahme Mit Ausnahme der Aufgaben im Hinblick
und enthalten ebenfalls Musterblätter z. B. auf die Ermittlung der eingebauten Mengen
für das örtliche Aufmaß. Absatz 2.4 bein- durch Planvergleich oder örtliches Aufmaß
haltet die Behandlung von Nachträgen. Die gelten alle bereits genannten Aufgaben, Re-
weiteren Absätze betreffen die Behinde- gelwerke und Zuständigkeiten auch für die
rung und Unterbrechung der Ausführung, Bauüberwachung von funktional ausge-
die Sicherheitsleistungen, das Behandeln schriebenen Brückenbauwerken. Da die
von Rechnungen und Zahlungen ein- Abrechnung eines derart ausgeschriebenen
schließlich der Zahlungen an Dritte, die Brückenbauwerks auf pauschaler Basis vor-
Abnahme und die Gewährleistung. [Merk- genommen wird, muss ein Zahlungsplan
blatt, 1996] ist vor allem für die Über­ geführt werden, der anhand der jeweiligen
wachung der Übereinstimmung der Bau- Baufortschrittsmeldungen Abschlagszah-
ausführung mit den allgemein anerkann- lungen an den Unternehmer freigibt.
ten Regeln der Technik maßgebend. Dort
sind alle einschlägigen Vorschriften aufge-
listet und Checklisten enthalten, nach de- 2.10.5 Abrechnung
nen die einzelnen Bauteile einer Brücke
von der Gründung bis hin zum Korro­ Der Auftragnehmer ist nach [Rili 804, 2004]
sions- und Oberflächenschutz überprüft Teil B § 14 Nr. 1 verpflichtet, seine Leistun-
werden können, wobei auf die jeweils gen prüfbar abzurechnen und dabei Art
zutreffenden Vorschriften hingewiesen und Umfang der Teilleistungen anhand der
wird. Die sichere Kenntnis von [Rili 804, Ordnungszahlen (OZ) des Leistungsver-
2003] ist für die Überwachung der Bau­ zeichnisses unter Vorlage von Berechnun-
ausführung im Hinblick auf Überein­ gen, Zeichnungen und anderen Belegen
stimmung mit dem Bauvertrag unerläss- nachzuweisen. Die Abrechnung wird ent-
lich. Selbstverständlich muss die Bauüber- weder nach Soll‑Daten oder nach Ist‑Daten
wachung auch die im Rahmen der Ent- vorgenommen. Für die Abrechnung nach
wurfs- Genehmigungs- und Ausführungs- Soll‑Daten dienen die vom Bauherrn ge-
planung zitierten Regelwerke kennen, be- nehmigten Ausführungspläne samt Stück-
achten und jederzeit auf sie zurückgreifen listen als Abrechnungsgrundlage, sofern
können. ohne Abweichung von diesen Soll‑Unterla-
188 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

gen gebaut worden ist. Bei der Abrechnung wurfsänderung anordnet. Solche Entwurf-
nach Ist‑Daten sind Aufmaße, Wiege‑ oder sänderungen können sich ergeben, wenn
Lieferscheine, Frachtbriefe und Stunden- während des Baugeschehens andere örtli-
lohnzettel als Belege erforderlich. Eventuell che Verhältnisse angetroffen werden, wie
vereinbarte Lohn‑ und Stoffpreisgleitklau- sie bei der Aufstellung des Entwurfs nicht
seln, wie sie bei Bauvorhaben vereinbart vorhersehbar waren, oder wenn sich her-
werden können, deren Bauzeit sich über ausstellen sollte, dass sich ein vom Entwurf
mehrere Jahre erstreckt, sind bei der Ab- vorgesehenes Bauteil mit den hierfür vorge-
rechnung zu berücksichtigen. sehenen baulichen Mitteln nicht realisieren
Für die Abrechnung mit DV-Anlagen lässt. Vor allem im Gründungsbereich kön-
enthält die bereits zitierte HVA-StB Hin- nen derartige Entwurfsänderungen auftre-
weise, wobei insbesondere auf die „Samm- ten, wenn z. B. die Gründungssohlen vor
lung der Regelungen für elektronische Bau­ Ort tiefer als vorausgesetzt anstehen oder
abrechnung“ (Sammlung REB) verwiesen aufgrund witterungsbedingter Umstände
wird. andere Wasserhaltungsmaßnahmen erfor-
Aufträge, die auf der Grundlage eines derlich werden. Im innerstädtischen Be-
Sonderentwurfs oder einer funktionalen reich kann es immer wieder zu Änderun-
Ausschreibung vergeben wurden, werden gen der Gründungskörper kommen, weil
nicht auf der Grundlage von Mengener- Ver- oder Entsorgungsleitungen im Baufeld
mittlungen, sondern nach Pauschalpreis- angetroffen werden, die in den Bestands-
vereinbarungen mit Zahlungsplänen abge- plänen der Versorgungsträger nicht oder in
rechnet. anderer Lage enthalten sind.
Zusätzliche Leistungen fallen an, wenn
Bauteile errichtet werden müssen, die im
2.10.6 Nachträge Entwurf nicht vorgesehen sind. So können
z. B. wegen nicht ausreichend vorhandener
So korrekt und vollständig ein Brückenbau- Geländedarstellungen zusätzliche Stütz-
werk auch immer ausgeschrieben sein mag, mauern zur Abfangung des Geländes in der
es werden sich Nachträge nie völlig vermei- Örtlichkeit erforderlich werden.
den lassen. Nachträge sind Änderungen Da Nachtragsverhandlungen in jedem
oder Ergänzungen des Bauvertrags. Sie sind Falle ein nicht unbeträchtliches Konfliktpo-
schriftlich zu vereinbaren und können fol- tenzial und ein Kostenrisiko in sich bergen,
gende Ursachen haben: sollte jeder entwurfsverfassende Ingenieur
mit Hilfe geeigneter Qualitätssicherungs-
• Über­oder Unterschreitung des Ansatzes
methoden stets bestrebt sein, ein vollstän-
einer Position um mehr als 10 v. H.
diges, technisch und vertraglich einwand-
• Änderung der Leistung
freies Entwurfswerk zu erstellen.
• Zusätzliche Leistung.
Die hierfür erforderlichen Regelungen sind
in §2 der VOB aufgeführt. 2.11 Objektbetreuung
Bei Unter- oder Überschreitung des An- und Dokumentation
satzes einer Position im Leistungsverzeich-
nis kann von Seiten des Bauherrn oder der Im Regelfall wird bei Brückenbauwerken
Baufirma eine Änderung des Einheitsprei- im Bauvertrag eine Verjährungsfrist für die
ses verlangt werden. Gewährleistung vereinbart. Sie beginnt mit
Eine Änderung der Leistung kann sich der Abnahme des Bauwerks. Vor Ablauf
ergeben, wenn der Auftraggeber eine Ent- dieser Frist muss das Objekt noch einmal
2.12 Ingenieuraufgaben im Brückenbestand 189

begangen werden um eventuelle Mängel den Substanzerhalt des Bauwerks über.


und damit Gewährleistungsansprüche ge- Grundlage für die Überprüfung von Brü-
genüber dem Auftragnehmer festzustellen. cken hinsichtlich ihrer Tragfähigkeit, Ge-
Werden Mängel festgestellt, so ist deren Be- brauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit ist
seitigung zu überwachen. In Abhängigkeit die DIN 1076. Sie sieht Hauptprüfungen in
von der vollständigen Vertragserfüllung einem Abstand von 6 Jahren und einfache
durch den Auftragnehmer hat der Inge­ Prüfungen jeweils 3 Jahre nach einer Haupt-
nieur auch bei der Freigabe der im Bau­ prüfung vor. Bei besonderen Ereignissen,
vertrag vereinbarten Sicherheitsleistungen wie z. B. dem Anprall eines Fahrzeugs an
mitzuwirken. eine Stütze werden zusätzliche Prüfungen
Als letzte Aufgabe obliegt dem Ingenieur erforderlich. Die Ergebnisse der Prüfungen
eine systematische Zusammenstellung der werden in der Bauwerksakte dokumentiert
zeichnerischen Darstellungen und der und die Mängel/Schäden am Bauwerk ge-
rechnerischen Ergebnisse. Die wesentli- kennzeichnet, damit die aufgetretenen Pro-
chen Daten des Bauwerks werden in einem bleme zukünftig beobachtet werden kön-
Bauwerksbuch festgehalten. Auch eine fo- nen. Damit wird die Grundlage für das
tografische Dokumentation des Brücken- Ergreifen von Maßnahmen zur Begutach-
bauwerks mit seinen Ansichten und seiner tung und Sanierung von Schadensfällen ge­
Untersicht, seinen Widerlagern und Pfei- schaffen.
lern sowie aller wesentlicher Besonderhei- Inzwischen geht die Entwicklung hin
ten wird angefertigt und archiviert. zur Entwicklung von Management-Sys­
temen, die einen strukturierten Mittelein-
satz bei der Unterhaltung von Bauwerken
2.12 Ingenieuraufgaben erlauben [Zilch, et al., 2000]. Die Beschaf-
im Brückenbestand fung zuverlässiger Daten als Grundlage der
Entscheidungsfindung kann den Einsatz
Das ständig steigende Verkehrsaufkommen moderner Monitoringinstrumente erfor-
und der große Bestand an alten Brücken dern. Die Inhalte der Tätigkeiten in diesem
sorgen dafür, dass ein breites Aufgaben- Bereich liegt im allgemeinen weniger im
spektrum für Bauingenieure in der Erhal- statisch-konstruktiven Bereich, als bei der
tung des Brückenbestands und in dessen Brückenausrüstung. Anspruchsvolle sta-
Ausbau zu finden ist. Viele Aufgaben ent- tisch-konstruktive Aufgabenstellungen
sprechen denen des Neubaus, daher wird sind die Beurteilung festgestellter Schäden,
nachfolgend nur auf die Besonderheiten z. B. von Ermüdungsrissen bei Stahlbauten,
von Planen und Bauen im Bestand hinge- Korrosionsschäden an Stahlteilen oder an
wiesen. Die beiden Bilder 2.12-1 und 2.12-2 freiliegender Bewehrung, an Spannkabeln
zeigen die Altersstrukturen des Bestands und deren Verankerungen. In vielen Fällen
an Straßen- und Eisenbahnbrücken in lässt sich der Abbruch einer Brücke durch
Deutschland. entsprechende Reparaturen, Nutzungsbe-
schränkungen, rechnerische Bewertung
des Ist-Zustands mit realen Betriebslasten-
2.12.1 Überwachen, Bewerten zügen statt mit genormten Lastmodellen
und Beurteilen von Brücken und durch permanente Überwachung um
einige Jahre hinauszögern. In diesem Zu-
Mit der Übernahme in den Bestand eines sammenhang ist auch die rechnerische Er-
Baulastträgers (Bund, Land, Kreis, Kom- mittlung der „Restlebensdauer“ ermü-
mune) geht auch die Verantwortung für dungsgeschädigter Stahltragwerke zu nen-
190 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

Bild 2.12-1   Bestand Straßenbrücken in Deutschland nach [Friebel/Krieger, 2002]

nen. Die Forderung nach einfacher Kon- 2.12.2 Instandsetzung und Ertüchtigung
trollierbarkeit, Austauschbarkeit oder die von Brücken
Möglichkeit zur Instandsetzung schadhaf-
ter Teile wird heute auf der Grundlage lang- Erfordert der Zustand einer Brücke In-
jähriger Erfahrungen sehr hoch bewertet standsetzungs- und Ertüchtigungsmaß-
und beeinflusst stark die technische Ent- nahmen, so sind diese zumindest unter
wicklung im Brückenbau. Ein Beispiel hier- Berücksichtigung besonderer Anforderun-
für ist der Einsatz der externen Vorspan- gen, z. B. der Durchführung der Arbeiten
nung als Regelbauweise bei Beton-Kasten- unter laufendem Verkehr zu planen und
trägern. auszuführen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei
die Sicherstellung der Eignung der verwen-
deten Baustoffe und ihre Verträglichkeit
mit dem bestehenden Bauwerk.
2.12 Ingenieuraufgaben im Brückenbestand 191

Bild 2.12-2   Bestand Eisenbahnbrücken in Deutschland nach [König et al., 1986]

Instandsetzungsarbeiten können mit vo- allem bei sehr alten Eisenbahnbrücken


rübergehenden oder dauernden Änderun- ist zu beachten, dass diese manchmal
gen im statischen System oder im Kräfte- auch den heutigen Vertikallasten (Be-
spiel verbunden sein. Ein Beispiel hierfür triebslastenzüge) genügen, jedoch kaum
ist die Erneuerung des Fahrbahnbelags. eine definierte Tragfähigkeit für Hori-
Wenn die Arbeiten unter laufendem Ver- zontallasten (Fliehkräfte, Windkräfte,
kehr durchgeführt werden, entstehen durch besonders aber Anfahr- und Bremskräf-
die einseitige Verkehrslast und das einsei­ te) besitzen.
tige Fehlen des Fahrbahnbelags und even- 2. Bei unbefriedigender Gebrauchstaug-
tuell der Randbalken große Torsionsmo- lichkeit (Verformungen, Schwingungs-
mente, die für das Tragwerk und für die verhalten, Lärmentwicklung). Unzulässig
Lager maßgebend sein können. große Verformungen betreffen haupt-
Nach modernen Normenwerken be- sächlich Balkenbrücken aus Stahl- und
rechnete Bauwerke werden für solche Situ- Spannbeton und resultieren vielfach aus
ationen bemessen, bei älteren Bauwerken Schwinden und Kriechen des Betons und
wurden hingegen oft nur der Endzustand Widerlagerbewegungen. Unannehmbare
und, soweit dies als notwendig erachtet Schwingungen können von geänderten
wurde, die Bauzustände berücksichtigt. Nutzungsbedingungen herrühren. Starke
Lärmentwicklung ist oft darauf zurück-
zuführen, dass bei der Errichtung der
2.12.3 Verstärkung von Brückenbauwerken
Brücke kein Wert auf den Schallschutz
Die Notwendigkeit einer Verstärkung be- und die Lärmvermeidung gelegt worden
stehender Brückenbauwerke ist in folgen- war. Die beiden letztgenannten Punkte
den Fällen gegeben: betreffen hauptsächlich Stahlbrücken.
1. Bei ungenügender Tragfähigkeit, z. B. Bei der Verstärkung von Brücken ist zu un-
wenn die Strecke auf ein höheres Lastni- terscheiden, ob die Maßnahmen das Brü-
veau gehoben oder einer neuen Nor- ckentragwerk, die Unterbauten oder alle
mensituation angepasst werden soll. Vor Teile betreffen.
192 2 Ingenieuraufgaben im Brückenbau

2.12.4 Austausch oder Verbreiterung Hier sind aufgrund der Vielfalt möglicher
von Tragwerksteilen oder von ganzen Randbedingungen sinnvolle Maßnahmen
Tragwerken im Einzelfall zu treffen, sie stellen in der
Regel echte Herausforderungen an den In-
In vielen Fällen können bei einer Instand- genieurgeist dar. Stets sind neben statischen
setzung oder der Verbreiterung einer Brü- und konstruktiven auch baubetriebliche
cke die Standsicherheit, Gebrauchstaug- Probleme zu lösen.
lichkeit und die Dauerhaftigkeit der Unter- Der Ausbau von Verkehrswegen und
bauten mit wirtschaftlich vertretbarem nachträgliches Anbringen von Schallschutz­
Aufwand durch Sanierung wiederherge- einrichtungen erfordern eine Verbreiterung
stellt werden. Bei den Überbauten kann hin- der Fahrbahntafel. Wo dies möglich ist,
gegen oft ein Neubau technisch und wirt- wird man die baulichen Veränderungen auf
schaftlich sinnvoller sein. In der Regel ist die Verbreiterung des Überbaus beschrän-
dabei der Verkehr aufrecht zu erhalten, oder ken. Wie beim Austausch von Tragwerken
es sind nur kurze Sperrpausen möglich. ist man auch hier vielfach gezwungen, den
Besonders bei Bahnbrücken ist man oft bestehenden Verkehr möglichst wenig zu
gezwungen, die Beeinträchtigung des be- beeinträchtigen. Durch einfache Möglich-
stehenden Verkehrs möglichst gering zu keit des Autogenschneidens und Schwei-
halten. Regelausführungen sind der Aus- ßens bzw. Schraubverbindungen mit GV-
tausch des Überbaus durch Ausheben der oder Passschrauben herzustellen, durch die
alten und Einheben der neuen Tragwerke, vergleichsweise geringen Bauteilgewichte
durch beidseitige Anordnung von Gerüsten und die sofort voll vorhandene Bauteilstei-
und seitliches Verschieben der alten und figkeit sind die entsprechenden Arbeiten
neuen Tragwerke, durch den Einsatz von bei Stahlbrücken wesentlich einfacher
Hilfsbrücken oder durch Einpressen im durchzuführen als bei Betonbrücken. Bei
Schutz einer Vereisung des Baugrunds. We- letzteren ergeben sich durch die Möglich-
gen der vielfach schweren Zugänglichkeit keit einer verbundlosen Vorspannung mit
bzw. wegen gegenüber dem Zeitpunkt der externen Spanngliedern und den Einsatz
Errichtung geänderter Platzbedingungen von GFK-Bewehrung neue Lösungsan­
ist die Anordnung von Gerüsten zuweilen sätze.
unmöglich und man muss vielfach die Scheidet eine Verbreiterung des Über-
Tragwerke an Ort und Stelle austauschen. baus aus statisch-konstruktiven oder geo-

Bild 2.12-3   Talbrücke Siebenlehn. Querverschub des neuen Überbaus für eine Richtungsfahr-
bahn
2.12 Ingenieuraufgaben im Brückenbestand 193

Bild 2.12-4   Verbreiterung einer Bahnbrücke durch einen zusätzlichen Überbau

metrischen Gründen aus, so können ent- der einfachen Möglichkeit Bauteile zu


weder zwei neue Überbauten auf den zu trennen und diese mit Hebezeugen an­
verbreiternden Unterbauten oder ein voll- zufassen, ist ein Abbruch im Stahl- und
ständig neues Brückenbauwerk neben der Holzbau meist wesentlich einfacher als
bestehenden Brücke erforderlich werden. im Betonbau, der Vorgang entspricht ge­
Beides stellt nicht nur hohe Anforderung radezu einem planmäßigen „Rückbauen“.
an die Planung der Tragwerke sondern ins- Bei Ortbetonbauten wird man meist Bau-
besondere auch an die Gestaltung des Ge- teile durchtrennen oder sprengen müs­
samtbauwerks. sen, bei Ausführungen mit Fertigteilen
richtet sich die Art eines systematischen
Abbruchs eventuell nach der Art und
2.12.5 Abbruch von Brückenbauwerken Größe der Fertigteile und der Fugenaus­
bildung. Wie bei der Herstellung hat man
Schon aus Forderungen des Umweltschut- es auch beim Abbruch meist mit sich än-
zes muss der Abbruchvorgang in der Regel dernden statischen Systemen zu tun, die
schonend durchgeführt werden. Wegen auch Abspannungen und/oder Hilfsge­
der erheblich geringeren Gewichte und rüste erfordern können.
3 Entwurf
Christian Menn und Johann Kollegger

Der Entwurf ist die Grundlage des Bau­ für einen einwandfreien Vergleich auch
projekts. Das Ziel des Entwurfs besteht da- zwei oder mehrere Entwürfe ausgearbeitet
rin, ein technisch einwandfreies, ausführ- werden.
bares Konzept zu entwickeln, das dem
Standort, dem Umfeld, der Bedeutung und
der ­Größe der Brücke bezüglich Kosten 3.1 Entwurfsgrundlagen
und Ästhetik optimal entspricht. Der Ent-
wurf muss mit der Darstellung der konzep- Im konzeptionellen Entwurf werden das
tionellen Idee einen Projektierungsstand Tragsystem, die Spannweiten, die Funda­
erreichen, der gewährleistet, dass das Bau- tionen, die Baustoffe, die Querschnitts­
projekt ohne wesentliche Änderungen aus- gestaltung und weitgehend auch der Bau-
gearbeitet werden kann und dass eine rela- vorgang und die Bauzeit ermittelt. Die
tiv zuverlässige Schätzung der Baukosten Grundlagen der Entwurfsarbeit bestehen
bereits möglich ist. einerseits aus der bauwerkspezifischen,
Bei Ingenieurbrücken erfolgt der Ein- verkehrstechnischen Funktion und den
stieg in den Entwurf mit einem geeigneten ortspezifischen Randbedingungen und an-
Tragsystem, das dann im Blick auf Funk­ dererseits aus den allgemeinen, funktionel-
tionalität und Randbedingungen unter Be- len und den kulturellen Anforderungen.
rücksichtigung von konstruktiven, bautech­ Die bauwerkspezifische, verkehrstech­
nischen, ökonomischen und gestalterischen nische Funktion und die ortspezifischen
Aspekten verfeinert wird. Die endgültige Randbedingungen bilden die Grundlage
Form der Brücke ist das Ergebnis dieser für das gesamte Spektrum prinzipiell geeig-
Entwicklungsarbeit. Die Ausdruckskraft neter Tragsysteme. Die kulturellen Anfor-
der Form kann allenfalls mit vorsichtig zu- derungen grenzen dieses Spektrum bereits
rückhaltender Ornamentik in der Detail- stark ein. In Vorstudien werden aufgrund
ausbildung noch etwas gesteigert werden. der funktionellen Anforderungen einige
Bei Architekturbrücken erfolgt der Ein- wichtige Querschnittsabmessungen be-
stieg in den Entwurf im Wesentlichen mit stimmt und die Machbarkeit und Eignung
der Form. Vor allem im Blick auf Ausführ- einer konzeptionellen Idee überprüft. Auf
barkeit und Baukosten wird dann die Form diesem Entwicklungsniveau ist es in der
so weit notwendig modifiziert, Das Ergeb- Regel möglich, das optimale Konzept zu
nis ist das der formalen Grundlage entspre- ermitteln, das dann in einem interdepen-
chende optimale Tragsystem. In der Regel denten Prozess auf ökonomisch-gestalte­
weist diese Art des Entwurfsprozesses wirt- rischer Basis verfeinert wird; d. h. jede
schaftliche Nachteile auf. Formverfeinerung muss in Bezug auf die
Meistens lässt sich bereits mit generel- funk­tionelle Eignung und die wirtschaft­
len Vorstudien das geeignetste Tragsystem lichen Auswirkungen sorgfältig überprüft
festlegen. Unter Umständen müssen aber werden.
196 3 Entwurf

Die bauwerkspezifischen, verkehrstech- Brücken, die nach dem heutigen Kennt-


nischen Vorgaben sind nisstand projektiert und gebaut werden,
sollten ohne wesentliche Umbau- und Ver-
• Verkehrsart,
stärkungsarbeiten eine Nutzungsdauer von
• Linienführung und
80 bis 100 Jahren aufweisen. Das bedeutet,
• Nutzungsquerschnitt.
dass bezüglich Verkehrsart die künftige
Die ortspezifischen Randbedingungen Entwicklung der Verkehrsstruktur und der
bestehen im wesentlichen aus Verkehrslast eine wichtige Rolle spielen.
Diese Entwicklung wurde in den Normen
• Topographie, Geologie und Hydro­logie,
bei der Festlegung der Verkehrslast auf-
• Seismologie,
grund wissenschaftlicher Untersuchungen
• Bodenchemie und lokaler Klimato-
berücksichtigt. Nur bei sehr großen Brü-
logie,
cken auf städtebaulich fixierten Achsen, für
• verbindlichen Lichtraumprofilen,
die bereits im Planungsstadium eine um-
• Bauzeit und lokaler Bautechnik, sowie
baufreie Nutzungsdauer von bedeutend
aus umfeldbezogenen Aspekten wie
mehr als 100 Jahren erwartet wird, sollte die
• Landschaft, angrenzender Bausubstanz,
normierte Verkehrslast überprüft und
und zeitlichem Umfeld,
­allenfalls erhöht werden.
• Exposition des Brückenstandorts und
Bei der Gesamtplanung finden die Aus-
• kultureller Bedeutung der Brücke,
wirkungen der Fahrbahngeometrie im
• Lärmemissionen und Auswirkungen des
­Brückenabschnitt oft zu wenig Beachtung
Bauwerks auf Vegetation und
und deshalb sollte der Brückeningenieur
• Wasser.
die Fahrbahngeometrie im Blick auf den
Die allgemeinen funktionellen Anforde- Brückenentwurf überprüfen und allenfalls
rungen umfassen Korrekturen zur Diskussion stellen. Selbst
• Tragsicherheit, kleine Änderungen an der Fahrbahngeo-
• Gebrauchstauglichkeit und metrie können unter Umständen sehr ­große
• Dauerhaftigkeit. Auswirkungen auf den konzeptionellen
Entwurf haben.
Die kulturellen Anforderungen bestehen
Der Nutzungsquerschnitt im Brücken-
aus optimaler Ausgewogenheit von
bereich entspricht selten demjenigen au-
• Wirtschaftlichkeit und ßerhalb der Brücke. Bei der Festlegung der
• Ästhetik des Bauwerks. Abmessungen sind die Verkehrssicherheit
bei Pannen und Unfällen auf der Brücke,
die Anforderungen bezüglich Inspektion,
3.2 Bauwerkspezifische, Unterhalt und Belagserneuerung sowie die
­verkehrstechnische ­Vorgaben künftige Entwicklung des Verkehrs zu be-
rücksichtigen. Bei voraussichtlich rascher
Verkehrsart, Linienführung und Nutzungs­ Verkehrszunahme im Vergleich zur Nut-
querschnitt sind im Prinzip Grundlagen zungsdauer der Brücke, sind Reserven in
und Ergebnisse der übergeordneten, ver- der Nutzungsbreite sinnvoll: bei langsa­
kehrstechnischen Infrastrukturplanung merer Zunahme kann es zweckmäßiger
und in diesem Sinne Vorgaben für den sein, Maßnahmen für eine Querschnitts-
­Brückenentwurf. Trotzdem sollten diese verbreiterung vorzusehen und die künftig
Vorgaben grundsätzlich in Bezug auf ihre erforderliche Tragfähigkeit in Haupttrag-
Auswirkungen auf das Bauwerk überprüft richtung bereits von Anfang an sicher zu
werden. stellen.
3.4 Funktionelle ­Anforderungen 197

3.3 Ortspezifische ­Randbedingungen Randbedingungen erfüllen; das Richtige ist


meistens einfach.
Die ortspezifischen Randbedingungen sind
entscheidend für die Erarbeitung geeig­
neter Entwurfsvarianten. Die vorliegenden 3.4 Funktionelle ­Anforderungen
Randbedingungen sollten deshalb nicht
kritiklos übernommen, sondern aus der 3.4.1 Tragsicherheit
Sicht des Brückenbauers nochmals sorg­
fältig überprüft werden: Die Lage eines Die Tragsicherheit betrifft im Einzelnen
Feldwegs ist sicher nicht maßgebend bei die statische Tragsicherheit, die Ermü-
der Wahl der Pfeilerstandorte, und bautech- dungssicherheit, die dynamische Trag­
nische Angaben in geologischen Berichten sicherheit (bei verkehrs- oder windindu-
dürfen und sollten vom Brückenbauer hin- zierten Schwingungen) und die Erdbeben-
terfragt werden. Im Zusammenhang mit sicherheit. Die für die Tragsicherheit rele-
den üblichen Randbedingungen muss sich vanten Einwirkungen sind im wesentlichen
der Brückenbauer aber auch Gedanken Lasten und Kräfte sowie dem Tragwerk auf-
­machen über künftige Veränderungen im gezwungene Verschiebungen. Die Trag­
Umfeld der Brücke und über seltene Ge- sicherheit ist normiert; d. h. der gültigen
fährdungsbilder durch Naturkatastrophen, Norm entsprechend muss für normierte
die im Verhältnis zur wahrscheinlichen Le- Einwirkungen eine normierte Tragreserve
bensdauer der Brücke zu bewerten sind. gegen den Verlust des Gleichgewichts bzw.
Die Beurteilung der Exposition und der gegen den Verlust der Standsicherheit des
­B edeutung der Brücke im kulturellen Tragwerks oder einzelner Teile davon ga-
­Umfeld ist zum Teil subjektiv. Wie bei allen rantiert werden. Sofern gefährliche Ein­
Aktivitäten im Brückenbau sind auch hier wirkungen nicht konzeptionell eliminiert
künf­tige Entwicklungen in Betracht zu werden können, wird die erforderliche
­ziehen. Tragsicherheit bei den maßgebenden un-
Auch bei zahlreichen, konkreten Rand- günstigsten Einwirkungen normalerweise
bedingungen sind im Prinzip beliebig viele bemessungstechnisch aufgrund normierter
Entwurfsvarianten möglich. Es ist aber Baustoffkennwerte durch analytisch ermit-
nicht sinnvoll, ein breites Variantenspekt- telte Widerstände im Tragwerk gewährlei-
rum zu untersuchen. Mit Blick auf Wirt- stet.
schaftlichkeit und Ästhetik können viele Die normierte Tragsicherheit ist ver-
grundsätzlich mögliche Varianten, soge- bindlich und in der Regel juristisch rele-
nannte Nullvarianten von vornherein aus- vant; sie hat deshalb höchste Priorität unter
geschieden werden. Umso intensiver soll- den allgemeinen funktionellen Anforde-
ten neuartige, noch nie ausgeführte Lö- rungen.
sungen studiert werden. Geeignete Ent- Im Grenzzustand der Tragfähigkeit d. h.
wurfsvarianten sollten aufgrund konstruk- unmittelbar vor dem Verlust der Stand­
tiver Überlegungen aus den Randbedin- sicherheit sind Tragwerksschäden in Form
gungen entwickelt werden; und nicht auf von Rissen und Verformungen nicht rele-
einer mehr oder weniger willkürlichen, ar- vant. Beim Nachweis der Tragsicherheit
chitektonisch-skulpturellen oder architek- dürfen somit im Rahmen der vorhandenen
tonisch-metaphorischen Idee basierend in Verformungs-Duktilität Schnittkraftumla-
die Randbedingungen eingezwängt wer- gerungen bzw. plastische Tragwerksreser-
den. Mit einer kleinen Zahl von konstruk- ven berücksichtigt werden. Der Spannstahl
tiven Maßnahmen lassen sich oft viele wird in der Regel in den plastischen Gelen-
198 3 Entwurf

ken über die Vordehnung infolge Vorspan- anlagen oder in extremen Fällen Heiz-
nung hinaus bis zur Streckgrenze gedehnt einrichtungen oder Schutznetze),
und wird deshalb im Widerstandsmodell • Physiologisch zumutbares Schwingungs­
als Zugglied mit der effektiv vorhandenen verhalten des Tragwerks,
Zugkraft berücksichtigt. Bei duktilen Sys­ • Hoher Fahrkomfort; u.a. wirksame
temen werden im Grenzzustand der Stand­ Fahrbahnentwässerung und (in der
sicherheit meistens auch die Vordehnungen ­Regel) betriebliche Maßnahmen zur
infolge von Zwängungen überschritten. Verhinderung von Eisbildung auf der
Beim Nachweis der Tragsicherheit müssen Fahrbahn.
deshalb Zwängungen im Beanspruchungs-
bereich erster Ordnung nicht berücksich- Die Schutzvorkehrungen gegen Anprall
tigt werden. und gegen Absturz sollten dem Gefahren-
potential (Linienführung bzw. Kurven im
Brückenbereich, Vereisungsgefahr, ­Brücken
3.4.2 Gebrauchstauglichkeit
über Bahnanlagen) Rechnung tragen.
Bei allen Brücken und insbesondere ­­bei
Unter Gebrauchstauglichkeit versteht man
Fußgängerbrücken sollte zumindest die
einerseits die Eignung des Bauwerks in Be-
erste Eigenschwingungsform der Vertikal-,
zug auf Nutzung und in Bezug auf Durch-
Horizontal- und Torsionsschwingung er-
führung von Kontrollen und Unterhalt und
mittelt werden, und wenn die entsprechen-
andererseits das Langzeitverhalten des Bau-
de Schwingungsfrequenz im Bereich der
werks bezüglich Aussehen und das Verhal-
Erregerfrequenz liegt, sind zusätzliche Spe-
ten des Bauwerks bei Unfällen, die bei der
zialuntersuchungen notwendig. Bei Fuß-
Nutzung eintreten. Zur Gewährleistung der
gängerbrücken werden Vertikalschwingun-
Gebrauchstauglichkeit sind vor allem kon-
gen durch eine oder wenige Personen ange-
zeptionelle und konstruktive aber auch be-
regt; bei starkem Fußgängerverkehr ist die
messungs- und materialtechnische Maß-
Schwingungsanregung nur dann erheblich,
nahmen erforderlich. Die Gebrauchstaug-
wenn die Personen im Gleichschritt gehen.
lichkeit lässt sich nur ansatzweise normie-
Bei den Horizontalschwingungen (quer
ren. Es sollten deshalb für alle Anforderun-
zur Brücke) übernehmen zahlreiche Fuß-
gen an die Gebrauchstauglichkeit die ent-
gänger im „Matrosengang“ die Brückenfre-
sprechenden Maßnahmen in einem Bericht
quenz und verursachen damit eine sehr
über Nachweise der Gebrauchstauglichkeit
starke Schwingungsanregung.
aufgeführt werden.
Brücken vereisen deutlich früher als die
Bezüglich Nutzung sind vor allem fol-
an­schließenden Straßenabschnitte. Man
gende Anforderungen und Maßnahmen zu
kann, insbesondere in Nebelgebieten für
beachten:
die Differenzvereisungen (Brücke – Straße)
• Schutz von Fahrzeugen gegen Anprall an auto­matische Enteisungsanlagen vorsehen.
Brückenelemente, Eine zuverlässige Steuerung dieser Anlagen
• Ausreichende Sicherheit der Benützer ist je­doch schwierig und Enteisungsanlagen
gegen Absturz durch entsprechende mit Salzsprühwasser ist in Bezug auf das
Ausbildung der Geländer und Leitplan- Bauwerk problematisch; ganz abgesehen
ken, davon, dass diese Anlagen störungsanfällig
• Schutz der Benützer gegen starke Wind- sind.
böen (z.B. mit Strömungsumlenkern) Für Kontrolle und Unterhalt des Bau-
und gegen herab­fallendes Eis von Trag- werks sind insbesondere folgende Einrich-
elementen über der Fahrbahn (Warn­ tungen erforderlich:
3.4 Funktionelle ­Anforderungen 199

• Inspektionsmöglichkeit für die Lager aufgrund der zulässigen Rissbreite geome-


und Vorkehrungen für das Auswechseln trisch die Verformungsfähigkeit bestimmt,
der Lager, die größer als die effektive Zwangsverfor-
• Zugang zu allen Hohlräumen im Trag- mung sein muss.
werk; Ausnahme: vollständig verschweiß­ Abweichungen von der Sollnivellette
te Stahlkästen, können verschiedene Ursachen haben. Am
• Zugang zu allen Leitungen insbesondere häufigsten sind Tragwerkverformungen aus
zu den Entwässerungsleitungen, Lasten, Kräften und Vorspannung, aus
• Zugang zu den Widerlagernischen und Temperaturänderungen und Setzungen
den Fugenkonstruktionen. oder aus Bauungenauigkeiten. Diese Ver-
formungen können Betrieb und Fahrkom-
Moderne Brücken erfordern im Blick auf fort beeinträchtigen oder visuell störend
Funktionstüchtigkeit und Substanzerhal- sein. Bei Straßenbrücken werden Betrieb
tung periodische Inspektionen. Damit ­diese und Fahrkomfort praktisch nur beim
Inspektionen überhaupt durchführbar sind, ­Übergang Brücke – Straße und bei Träger-
müssen unterhaltsanfällige Bauteile wie gelenken im Feld durch Verformungen aus
­Lager, Fugen und Leitungen ohne weiteres Dauerlast und Setzungen beeinträchtigt.
einsehbar sein. Bei frei liegenden, gut ein- Setzungen bei den Stützen und Trägerver-
sehbaren Bauteilen wird auch die Reparatur formungen sind in der Regel nur visuell
oder der Ersatz dieser Bauteile erleichtert. störend. Wesentlich heikler sind Verfor-
In Bezug auf das Aussehen des Bauwerks mungen bei Bahnbrücken. Bei Hochge-
sind folgende Aspekte zu beachten schwindigkeitsbahnen sind Verformungen
• Vermeidung unzulässiger Tragwerkver- unter Verkehrslast stark begrenzt; das Trag-
formungen, werk muss eine relativ hohe Mindeststei­
• Vermeidung von Tragwerkverschmut- figkeit aufweisen.
zungen vor allem durch unkontrolliert Trägerverformungen aus Dauerlast kön-
abfließendes Wasser. nen in vielen Fällen ohne wesentliche Mehr­
kosten durch entsprechende Bemessung
Unter unzulässigen Tragwerkverformun- der Vorspannung so stark reduziert wer-
gen versteht man einerseits Risse mit einer den, dass sie von gleicher Größenordnung
mittleren Rissbreite von über 0,3 mm und sind wie die unvermeidlichen Bauungenau-
andererseits Abweichungen von der Soll­ igkeiten. Insbesondere bei Freivorbauträ-
nivellette. gern würde jedoch eine weitgehend form-
Bei korrekter und sorgfältiger Bemes- treue Vorspannung beträchtliche Mehrkos-
sung sind aus Last- und Krafteinwirkung ten verursachen. In diesen und ähnlichen
keine unzulässigen Risse zu befürchten. In Fällen werden die zu erwartenden Träger-
der Regel genügt es, die Schnittkräfte aus verformungen durch Überhöhungen kom-
Eigenlast und Vorspannung im Bauzustand pensiert. Dabei sind bei großen zu erwar-
und im Eingusszustand am elastischen tenden Verformungen nicht nur sorgfältige
­System zu ermitteln, den Schnittkräften des Berechnungen unter Berücksichtigung der
Eingusszustands die elastischen Schnitt- Spannungsausbreitung im Brückenquer-
kräfte aus Verkehrslast zu überlagern und schnitt sondern auch umfangreiche Unter-
die Spannungen im Betonstahl einer Riss- suchungen über das Verformungsverhalten
breite von 0,2 mm entsprechend zu be- der Baustoffe unerlässlich.
grenzen. Bei Zwängungen wird unter Be- Unkontrolliert abfließendes Wasser ins-
rücksichtigung des Beanspruchungszu- besondere Schmutzwasser beeinträchtigt
stands aus Eigenlast und Vorspannung nicht nur das Aussehen des Bauwerks; es
200 3 Entwurf

ist meistens auch aggressiv und verursacht die Einlaufschächte und Querleitungen
Korrosion. Der Brückenentwurf sollte Luft zugeführt wird, und die Ausrüstung
durch­gehend sehr sorgfältig in Bezug auf der Einlaufschächte mit Syphons ist wegen
Kontakt- und (Fahrzeug oder Wind-) Spritz­ der Eisbildung nur mit Heizdrähten mög-
wasser untersucht werden. Dabei ist zu be- lich. Der beste Platz für Entwässerungs-
achten, dass einerseits kleine Abflussrohre längsleitungen ist hinter dem Konsolkopf
oft verschlammen und versintern und dass oder beim Ansatz der Trägerstege.
andererseits anfänglich dichte Konstruk­ Empfindliche Tragelemente müssen eine
tionselemente oder Durchbrüche wasser- angemessene Redundanz aufweisen. Bei
durchlässig werden können. Bei allen Fu- Schrägkabelbrücken darf ein Fahrzeug-
genkonstruktionen, Rohrdurchbrüchen brand auf der Brücke nicht zum Einsturz
oder Öffnungen im Fahrbahndeck sollten des Bauwerks führen und das Auswechseln
deshalb Tropfnasen vorgesehen werden, und eines Kabels sollte bei geringen Verkehrs-
Röhrchen der Belagsentwässerung müssen einschränkungen möglich sein. Auch die
Überstände aufweisen und dürfen nicht in Einheiten der Spannkabel sollten so ge-
einen Kastenträger entwässern. wählt werden, dass bei einem groben Bau-
Grundsätzlich sollte jede Betonober­ fehler (z. B. Korrosion infolge schlechter
fläche sorgfältig überprüft werden, ob sie Injektion eines Kabelhüllrohrs) die Trag­
Regen, Schnee, Spritz- oder Kontaktwasser sicherheit des Gesamtsystems höchstens
ausgesetzt ist, ob das Wasser chloridhaltig etwa um 20% abfällt.
ist und ob große Feuchtigkeitsschwankun- Im Blick auf Belagserneuerungen sollte
gen auftreten. Diese Überprüfung ist die die Brückenbreite bei nicht richtungsge-
wichtige Grundlage für die entsprechende trennten Fahrbahnen so festgelegt werden,
Maßnahmenplanung: Erhöhung der Be- dass die Arbeiten ohne große Schwierig­
tonüberdeckung, ev. Hydrophobierung bei keiten und ohne Qualitätseinbuße aus­
chloridfreiem Wasser; unbedingt wirk­ geführt werden können. Bei richtungsge-
samer Betonschutz bei chloridhaltigem trennten Fahrbahnen ermöglichen Zwil-
Wasser. lingsbrücken zwar bei einer Belagserneue-
Im Blick auf das Verhalten des Bauwerks rung ein unbehindertes Arbeiten; anderer-
bei Verkehrsunfällen sind vor allem folgen- seits weisen diese Brücken aber meistens
de Maßnahmen erforderlich: beträchtliche ästhetische Nachteile auf. Bei
modernen, im wesentlichen fachgerecht
• Angemessene, der Größe des Bauwerks
geplanten und ausgeführten Brücken
entsprechende Brandsicherheit,
kommt es nicht mehr vor, dass die Beweh-
• Angemessene Redundanz bei empfind­
rung in großen Bereichen der Fahrbahn-
lichen, exponierten Tragelementen.
platte wegen schwerer Korrosionsschäden
Fahrzeugbrand und auslaufender brennen- verstärkt oder ersetzt werden muss.
der Treibstoff ist ein Gefährdungsbild, mit Der Bauherr ist grundsätzlich verpflich-
dem unbedingt gerechnet werden muss. tet qualifizierte Fachleute zu beauftragen,
Vor allem bei Brücken mit oben liegender und beim heutigen Kenntnisstand sind
Hauptbewehrung sollten in relativ kleinen qualifizierte Fachleute ohne weiteres in
Abständen Feuerlöschgeräte installiert der Lage, eine Brücke fachgerecht zu planen
werden. Entwässerungsleitungen dürfen und auszuführen.
nur dann im Trägerkasten angeordnet wer-
den, wenn sie einen hohen Feuerwider-
stand aufweisen. Ein Brand in einer Längs-
leitung lässt sich kaum ersticken, da durch
3.4 Funktionelle ­Anforderungen 201

3.4.3 Dauerhaftigkeit gen Voraussetzungen für eine hohe Dauer-


haftigkeit geschaffen werden. Zur Gewähr-
Dauerhaftigkeit bedeutet im Brückenbau, leistung der erwünschten Dauerhaftigkeit
dass die bei der Inbetriebnahme des Bau- sind überdies große Sorgfalt bei der Bau-
werks vorhandene Tragsicherheit und Ge- ausführung sowie eine plangemäße Durch-
brauchstauglichkeit bei periodischer In- führung von Kontrolle und Unterhalt erfor-
spektion und Wartung während der ganzen derlich.
vorgesehenen Nutzungsdauer fast vollstän- Dauerhaftigkeit lässt sich deshalb nicht
dig erhalten bleiben. deterministisch normieren. Die Normen
Die Nutzungsdauer der Tragkonstruk­ enthalten zwar materialtechnische, kon-
tion sollte etwa 80 bis 100 Jahre betragen. In struktive und ausführungstechnische Vor-
dieser Zeit sollten in Abständen von 20 bis schriften, die zur Gewährleistung der Dau-
30 Jahren höchstens lokale Instandset- erhaftigkeit unbedingt notwendig aber
zungsarbeiten notwendig sein. Die Trag­ ­keineswegs ausreichend sind. Bereits im
sicherheit darf lokal nie um mehr als 10% Entwurfsstadium sind folgende Maßnah-
absinken und betreffend Gebrauchstaug- men zu berücksichtigen.
lichkeit sollten die Endwerte der Tragwerk-
verformungen die entsprechenden Berech- • Materialtechnische Maßnahmen:
nungswerte nicht um mehr als ca. 30% – Eine im Blick auf die Einwirkungen
übersteigen. geeignete, in Bezug auf Bestandteile
Die Lebensdauer der Fahrbahnabdich- und Zusammensetzung überprüfte
tung und der Schutzanstriche sollte bei lo- Betonqualität (insbesondere hinsicht-
kalen Instandsetzungsarbeiten aufgrund lich Frost- und allenfalls Frost-Tau-
einer etwa alle fünf Jahre durchgeführten salz-Beständigkeit),
Zustandskontrolle 40 bis 50 Jahre betragen. – Wetterfeste Stähle im Stahlbau nur
Lokale Reparaturen am Belag müssen bei bei Tragelementen, die gegen Regen
auftretenden Schäden möglichst bald aus- und dauernde Feuchtigkeit geschützt
geführt werden, und alle 20 bis 25 Jahre ist sind; Tropfkanten (im Blick auf Kon-
eine weitgehende Erneuerung des Belags denswasser und Schnee) zum Schutz
erforderlich. Nach 40 bis 50 Jahren muss unten liegender Betonteile,
auch mit Instandsetzungsarbeiten am – Anpassung der Oberflächenschutz-
­Drainagesystem, an den Brüstungen, Leit- systeme bei Stahlkonstruktionen an
planken und an den mechanischen Kom- die atmosphärischen Bedingungen,
ponenten (Lager, Fugenkonstruktionen – Beachtung von Kontaktkorrosion bei
etc.) gerechnet werden, wobei auch hier verschiedenartigen Metallen,
­offensichtliche Schäden sofort behoben – Oberflächenschutzanstriche oder Ver­
werden sollten. wendung von Bewehrungen mit ho-
Die Dauerhaftigkeit der Tragkonstruk­ hem Korrosionswiderstand bei be-
tion wird vor allem durch klimatische Ein- sonders aggressiven Einwirkungen.
wirkungen (wie Temperaturänderungen, • Konstruktive Maßnahmen:
innere Temperaturdifferenzen, Frost, Re- – Vermeidung von Salzwasser auf Be-
gen, Schnee etc.), durch Chloride (Salzwas- tonflächen (einwandfreie Drainagen,
ser) und Sulfate sowie durch Bewuchs der kein durchsickerndes Wasser bei Fu-
Betonflächen mit Moosen und Flechten ge- gen und Rohrdurchbrüchen in der
fährdet. Im Rahmen des Entwurfs müssen Fahrbahnplatte),
vor allem mit materialtechnischen und – Wenn Salzwasserkontakt nicht ver-
konstruktiven Maßnahmen die notwendi- meidbar ist, Oberflächenschutz auf
202 3 Entwurf

der Betonfläche oder Betondeckung Dauerlast wasserführende Trennrisse


von mehr als 75 mm, praktisch unvermeidlich sind. (Ge-
– Ausreichende Betondeckung gegen fährdung der Stahlkonstruktion).
Karbonatisierung; 30 mm bei wasser-
Für alle Gefährdungsbilder, d. h. für alle
geschützten Flächen und 40 mm bei
Einwirkungen und Schwachstellen, die die
nicht wassergeschützten Flächen,
Dauerhaftigkeit beeinträchtigen können,
– Keine unzugänglichen Hohlräume
sollten mit einem Dauerhaftigkeitsnach-
und keine verlorenen Holzschalun-
weis die entsprechenden bemessungs-,
gen, damit alle Betonflächen (insbe-
­material- und ausführungstechnischen
sondere nach dem Betonieren) kon-
Maß­nahmen aufgeführt werden.
trolliert werden können,
– Stahlhohlprofile luftdicht abschlie-
ßen,
3.5 Kulturelle Anforderungen
– Vermeidung von Schmutztaschen
oder Kanten, auf denen Wasser liegen
Echte Brückenbaukunst besteht darin, dass
bleibt oder gestaut wird,
der konzeptionelle Entwurf unter voller
– Kontaktkanten bei geschraubten
Gewährleistung der funktionellen Anfor-
Stirnplatten- oder Laschenstößen
derungen eine dem Standort und der Be-
­alterungsbeständig abdichten,
deutung der Brücke entsprechende Aus­
– Günstige Bedingungen für die Beton-
gewogenheit zwischen Wirtschaftlichkeit
verarbeitung; Platz für vollständige
und Ästhetik aufweist. Die zulässigen öko-
Umhüllung der Bewehrungsstähle,
nomischen Abweichungen von der wirt-
planmäßige Betonier- und Vibrier­
schaftlichsten Lösung sind beschränkt.
lücken und Vermeidung von breit-
Große Abweichungen sind fast immer ein
flanschigen Baustahlelementen, die
Anzeichen für ein ungeeignetes Konzept.
unterbetoniert werden müssen,
Bei der Entwicklung des konzeptionellen
– Maßnahmen für gute Ausführbarkeit
Entwurfs ist die Wirtschaftlichkeit somit
und Kontrolle der Schweißnähte bei
ein wichtiger Leitparameter. Le Corbusier
Stahl- und Verbundbrücken (Vermei-
versteht Ökonomie im Tragwerksbau als
dung von „Überkopf “-Nähten),
eine wichtige Grundlage der künstlerischen
– Alle außenliegenden Stahlbauteile
Wahrheit: „L’Ingénieur inspiré par la loi
wie Pfosten und Stützen mit rost­
d’économie et conduit par le calcul, nous
freien Schrauben im Beton befestigt
met en accord avec les lois de l’univers“. In
(nie einbetoniert),
diesem Sinne gehört Wirtschaftlichkeit klar
– Möglichst wenig Dilatationsfugen
zur Baukultur im Brückenbau.
mit schweren, gut verankerten und
einwandfrei entwässerten Fugenkon-
struktionen, 3.5.1 Kosten
– Betonbeläge nur bei praktisch risse-
freien Spannbetonbrücken, Die Lebensdauer einer Brücke, die nach
– Vermeidung von durchgehenden dem aktuellen Kenntnisstand aufgrund der
Trennrissen in der Fahrbahnplatte, erforderlichen Nachweise für Tragsicher-
die nicht mit der Abdichtung dauer- heit, Dauerhaftigkeit und Gebrauchstaug-
haft abgedichtet werden können, lichkeit einwandfrei konstruiert und ausge-
– Robustes, mit dem Konstruktionsbe- führt wurde und die bei unveränderter
ton verklebtes Abdichtungs-Belags- Nutzung einem fundierten Unterhaltsplan
System bei Verbundbrücken, da unter entsprechend kontrolliert und unterhalten
3.5 Kulturelle Anforderungen 203

wird, beträgt deutlich über 100 Jahre. Die • Umfassende Zustandserfassung


Nutzungsdauer des originalen Tragwerks und Instandsetzung  0,45%
ist jedoch sehr unterschiedlich, da sie ent- (Durchführung ca. alle 45 Jahre; d. h.
weder durch einen Umbau infolge stark 45 × 0,45 = 20% des Neuwerts zur Zeit
geänderter verkehrstechnischer Anforde- der Instandsetzung; z.B. vollständige Er-
rungen oder durch Außerbetriebsetzung neuerung von Abdichtung und Belag,
des Verkehrswegs begrenzt wird. Für die teilweiser Ersatz von Lagern, Fugen und
Beurteilung der Kosten geht man deshalb Drainageelementen) sowie Oberflächen-
von einer Basis-Nutzungsdauer von etwa Instandsetzungen.
100 Jahren aus. In diesem Zeitraum setzten
sich die Brückenkosten zusammen aus: Total 0,60%
• Landerwerb und Baukosten, Die aufgeführten Betriebs-, Kontroll-, Un-
• Betriebs-, Kontroll- und Unterhalts­ terhalts- und Instandsetzungskosten gelten
kosten und bei Balkenbrücken, die nach dem heutigen
• Abbruchskosten. Kenntnisstand einwandfrei konstruiert und
ausgeführt wurden. Bei Bogen- und Ka­
Die Abbruchkosten sind sehr stark abhän- belbrücken ist die Bauwerkskontrolle um-
gig von Baustoff, Standort und Abbruch- fangreicher und schwieriger und die ge-
methode. Der Abbruch einer Überfüh­ samten Unterhaltskosten sind etwa 50%
rung, bei der keine Rücksicht auf den Raum höher. Ein etwa 30% größeres Risiko be-
unter der Brücke genommen werden muss, züglich Unterhalt und Instandsetzung wei-
beträgt nur wenige Prozente der Neubau- sen Freivorbaubrücken im Blick auf zu
kosten. Der Rückbau einer hohen, weit­ ­große Verformungen und Kabelkorrosion
gespannten Betonbrücke kann dagegen bei mangelhafter oder schadhafter Abdich-
sehr teuer sein; ganz besonders dann, wenn tung auf.
auch noch der Raum unter der Brücke nicht Ohne Berücksichtigung der Teuerung
beeinträchtigt werden darf. betragen die Unterhaltskosten einer Brücke
Für die Betriebs-, Kontroll- und Unter- bei einwandfreier Konstruktion und Aus-
halts- und Instandsetzungskosten ist durch- führung und einer Nutzungsdauer von 100
schnittlich etwa mit folgenden Aufwen- Jahren etwa 60 bis 90% der Neubaukosten
dungen pro Jahr zu rechnen: und sie sind wesentlich höher, wenn der
Dauerhaftigkeit in der Planung und Aus-
• Betrieb und laufende Kontrolle 0,10%
führung nicht die erforderliche Beachtung
(Durchführung alljährlich; in % des je-
geschenkt wurde.
weiligen Neuwerts der Brücke; z. B.
Die Baukosten einer Brücke sind vor
­Reinigung von Fahrbahn und Drainage
­allem vom Tragwerkskonzept abhängig.
etc., Verformungskontrolle, Überprü-
Mit Berechnungen, die über den sorgfäl­
fung von Stellen mit Spritz- und Kon-
tigen Nachweis der Erfüllung der funktio-
taktwasser),
nellen Anforderungen hinausgehen, lassen
• Zustandskontrolle und lokale Ausbesse-
sich die Baukosten nicht vermindern; d. h.
rungen 0,05%
dass Berechnungen im Prinzip wenig oder
(Durchführung ca. alle 10 Jahre, d. h.
nichts mit Kosteneinsparungen zu tun
10 × 0,05 = 0,5% des Neuwerts zur Zeit
­haben.
der Ausbesserung; z. B. Ausbesserungen
an Belag, Leitplanken, Drainagen etc.
Kontrolle der Lager und Fugen, Rissver-
halten, sichtbare Korrosionsstellen),
204 3 Entwurf

Die Baukosten lassen sich in folgende • Schalung, Lehrgerüst/Montage und Be-


Hauptpositionen gliedern: ton + Stahl (bezogen auf Überbau bzw.
• Baustelleneinrichtungen, Gesamtbaukosten)
• Unterbau, Überbau- Gesamtbau-
Fundationen: kosten kosten
Pfeiler und Widerlager, Schalung/ 37% 20%
• Überbau: Lehrgerüst etc.
Lehrgerüst, Schalung, Montage, Beton + Stahl. 63% 34,5%
Beton, • Beton und Stahl (bezogen auf Überbau
Betonstahl, Spannstahl, und Gesamtbaukosten)
Baustahl, Überbau- Gesamtbau-
• Ausbau: kosten kosten
Lager, Fugen, Entwässerung, Leitplan- Beton, 18% 10%
ken etc. Stahl. 45% 24,5%
Fahrbahnabdichtung und Belag, Die Zusammenfassung zeigt folgende Kos-
• Projektgrundlagen, Projekt, Bauleitung, tenstruktur:
Projektprüfung.
• Baustelleneinrichtungen,    8,0%
Die Auswertung der Baukosten von etwa • Unterbau:
20 mittelgroßen Brücken zeigt, dass die Fundationen,   18%
Kosten der einzelnen Positionen nicht stark Pfeiler und Widerlager,    5,5%
variieren; die Mittelwerte der Kostenstruk-   23,5%
tur zeigt folgendes Bild (Baukosten ohne • Überbau:
Projekt etc.): Schalung, Lehrgerüst/Montage,   20%
• Baustelleneinrichtungen, Rohbau, Aus- Beton,   10%
bau: Stahl,   24,5%
Baustelleneinrichtungen,   8%   54,5%
Rohbau, 78% • Ausbau.   14,0%
Ausbau. 14% Gesamtbaukosten 100,0%
• Unterbau, Überbau (bezogen auf Roh- (ohne Projekt etc.)
bau- bzw. Gesamtbaukosten):
Rohbau- Gesamtbau- Bei Stahl-Beton-Verbundbrücken sind die
kosten kosten Unterbaukosten Dank der kleineren Eigen­
Unterbau, 30% 23% last der Brücke etwas kleiner (im Mittel etwa
Überbau 70% 55% 20%), dafür sind die Überbau­kosten gene-
(Bei einer Brücke mit Spannweiten von rell etwas höher (im Mittel etwa 50%).
50 m und Pfeilerhöhen von bis zu 80 m Die Abschätzung der Baukosten einer
in schwierigen Fundamentschächten bis Standard-Balkenbrücke ist bei der
zu 70 m Tiefe erreichten die Unterbau- Entwurfser­arbeitung wichtig; sie befinden
kosten nicht mehr als 50% der Überbau- sich in der Regel nahe bei den Mindestko-
kosten). sten, und die Kosten des aus ästhetischen
• Fundationen und Pfeiler (bezogen auf Gründen an­visierten Konzepts dürfen sich
Unterbau- bzw. Gesamtbaukosten) nicht zu weit von diesem Vergleichswert
Unterbau- Gesamtbau entfernen.
kosten kosten Man kann die Baukosten einer Standard­
Pfeiler, 24%   5,5% brücke sehr grob aufgrund der üblichen
Fundationen. 76% 18% Kosten pro m2 Brückenfläche abschätzen;
3.5 Kulturelle Anforderungen 205

man kann aber auch – etwas genauer – bei dardbrücke einen Ansatz für die Beurtei-
einer mittleren Spannweite lm für den lung der Wirtschaftlichkeit.
­Überbau den Massenaufwand für Beton, Die Wirtschaftlichkeit einer als Rendite-
Betonstahl und Spannstahl ermitteln und objekt aus Zolleinnahmen finanzierten
aus den entsprechenden Kosten (ca. 45% Brücke ergibt sich dagegen aus dem Ver-
der Gesamtbaukosten) mit den oben auf­ gleich von Aufwand und Ertrag in einem
geführten (und den der Brückenhöhe und bestimmten Zeitraum. Der Aufwand be-
den Fundationsverhältnissen angepassten) steht in diesem Fall aus Bauzinsen, Kapital-
Prozentsätzen die Gesamtbaukosten extra- zinsen, Amortisation, Betriebs- Über­
polieren. wachungs- und Unterhaltskosten und evtl.
Die mittlere Spannweite ergibt sich aus: den Abbruchkosten. Der Ertrag besteht im
wesentlichen aus den vorgesehenen Zoll­
∑ l2i einnahmen im gleichen Zeitraum.
lm = 6
∑ li
und die mittlere Trägerdicke hm bzw. das 3.5.2 Ästhetik
Be­tonvolumen pro m2 Brückenfläche be-
trägt bei üblichen Schlankheiten von lm/h = Ästhetik wird in der Philosophie mit ver-
16 bis 22: schiedenen Qualitäten in Verbindung ge-
0,45 · lm bracht; mit nach Maß und Zahl geordne-
hm ≈ 0,35 + 03   hm und lm in [m] ten Formverhältnissen, mit interesselosem
  100
Wohlgefallen, mit Zweckmäßigkeit in der
Dabei beträgt der Aufwand an Betonstahl organischen Natur, mit Steigerung, Lebens-
in kg/m3 Beton (keine Quervorspannung): qualität, Kunst etc. Das konstruktive In­
genieurwesen beruht auf dem statischen
ms ≈ 90 + 0,35 · lm Gleichgewicht der einwirkenden und wider­
stehenden Kräfte, einem zeitlosen, univer-
und der Aufwand an Spannstahl in kg/m3
salen Phänomen, das ausgewogene harmo-
Beton
nische Strukturen vom Aufbau der Atome
mp ≈ 0,4 · lm bis zu den Bahnen der Himmelskörper be-
stimmt. Im bildlichen Sinne, bezogen auf
Die Wirtschaftlichkeit einer Brücke wird je die menschliche Psyche, bedeutet Gleich­
nachdem ob die Finanzierung als Bauwerk gewicht aber auch Ausgewogenheit des Ge-
der öffentlichen Infrastruktur mit Steuer- mütszustands, ein Gefühl des Wohlbefin-
geldern oder als Renditeobjekt mit einem dens. Eine Ästhetik, die sich auf das physi-
Brückenzoll aus dem Betrieb erfolgt unter- kalisch bestimmte, mit der Aufwandmini-
schiedlich ermittelt. mierung verknüpfte Kräftegleichgewicht
Im Normalfall, bei einer Finanzierung bezieht, reflektiert somit praktisch alle in
aus Steuergeldern sind für die Beurteilung der Philosophie beschriebenen Qualitä­
der Wirtschaftlichkeit alle anfallenden Kos- ten, wie (mathematische) Formverhältnisse
ten während einer Referenz-Nutzungsdau- (Heraklit, Polyklet u. a.), Zweckmäßigkeit
er von z. B. 100 Jahren maßgebend. Diese in der organischen Natur (Kant), Lebens-
sogenannten Nutzungsdauer-Kosten er­ qualität (Santayana) etc. Und die kunst­
geben unter Berücksichtigung der ortspezi- volle Visualisierung des optimal mit der
fischen Erschwernisse (Baugrund, Brücken­ Umwelt, der Ökonomie des Aufwands­
höhe etc.) im Vergleich mit den ortsüb­ und dem Stand der Technik vernetzten
lichen Durchschnittskosten einer Stan- Kräftegleichgewichts übt deshalb immer
206 3 Entwurf

eine ganz besondere Faszination auf den Brücke vergleichbare Größenordnung auf-
Menschen aus. Sie ist eine objektivierte, de- weisen, und die Systemabstützungen soll-
terministische Grundlage der technisch- ten sich an topographisch charakteristi-
konstruktiven Baukultur und unterscheidet schen, wenn möglich gut zugänglichen
sich damit grundlegend von der subjektiv- Stellen befinden; z. B. auf Schultern von Ab-
willkürlichen, architektonisch-künstle­ hängen, in Flachzonen, landseits der Ufer-
rischen Baukultur. linien etc.
Die ästhetische Qualität einer Brücke Brücken sind oder werden oft zu Wahr-
ist einerseits von der Einfügung der Brücke zeichen, wobei den Baustoffen und dem
in ihr Umfeld und andererseits von der Tragsystem eine zeichenhafte Bedeutung
­Gestaltung der Brücke selbst abhängig. Sie zukommt. In solchen Fällen wird meistens
kann grundsätzlich im Erscheinungsbild erwartet, dass Ersatz- aber auch Neubauten
des Tragsystems, in der Gestaltung der die lokale brückenbautechnische Geschich-
Tragwerkkomponenten und Details und in te und Tradition wieder aufnehmen. Aller-
der Ornamentik liegen. dings muss dieser Bezug in moderner Form
erfolgen, denn Brücken sollten zumindest
Brücke und Umfeld im vorhandenen technologischen Umfeld
Beim Einfügen der Brücke in ihr Umfeld den neusten Stand der Bautechnik reflek-
sind räumliche und zeitliche Komponenten tieren.
zu beachten.
Die räumlichen Komponenten betreffen Gestaltung der Brücke selbst
• die Maßstäblichkeit der Brücke in Be­ Brücken sind technische Bauwerke. Ihre
zug auf Landschaft und Topographie Funktionalität erfordert Systemformen, die
sowie auf klaren naturwissenschaftlichen Grund-
• die Maßstäblichkeit und den Charakter lagen beruhen. Die architektonisch-künst-
der Brücke in Bezug auf das gebaute lerische Gestaltungsfreiheit ist deshalb stark
Umfeld. begrenzt und den eindeutigen naturwis-
senschaftlich-technischen Grundlagen ent-
Die zeitlichen Komponenten beziehen sich sprechend lassen sich einige wichtige Ge-
auf staltungskriterien definieren, die im Blick
• die Geschichte und Tradition der loka- auf die ästhetische Qualität der Brücken
len Brückenbautechnik sowie ­beachtet werden müssen.
• die aktuelle Baukultur und den Stand
• Visualisierung technischer Effizienz
der (lokalen) Bautechnologie.
durch
Bei den räumlichen Komponenten spielen – Transparenz und Schlankheit.
das Tragsystem und seine Spannweiten eine • Visualisierung von Einheitlichkeit und
wichtige Rolle. Sie müssen durch die Visu- Ordnung im Tragwerk durch
alisierung ökonomischer, bautechnischer – Ganzheitliches Erscheinungsbild des
und umweltrelevanter Vorteile eine logi- Tragsystems,
sche Antwort auf das landschaftliche und – Klare Gliederung des Systems,
gebaute Umfeld geben; d. h. das Tragsystem – Kohärente, einheitliche Typologie der
sollte der Topographie und der geotech­ Systemelemente.
nischen Struktur des Baugrunds entspre- • Künstlerische Gestaltung: Verfeinerung
chen, die Spannweiten sollten eine mit dem der rohen statischen Form durch
Landschaftsraum unter der Brückenfahr- – Visualisierung des Kraftflusses,
bahn und mit dem gebauten Umfeld der – Saubere Detailausbildung,
3.5 Kulturelle Anforderungen 207

– Licht- und Schatteneffekte mittels Vergleich zum analogen System mit opti-
Querschnittsprofilierung, mierter Systemhöhe sollten deshalb immer
– Strukturelle Ornamentik und in Betracht gezogen werden.
– Architektonische Ornamentik. Für die Transparenz einer Brücke sind
im Wesentlichen die Spannweiten und die
Visualisierung der technischen Effizienz: Gestaltung des Unterbaus, insbesondere
Die technische Trägerschlankheit wird als der Pfeiler maßgebend. Auch mit zuneh-
Verhältnis von Trägerspannweite zu Träger- mender Größe der Spannweiten steigen die
höhe definiert. Im architektonischen Sinn Baukosten in der Regel progressiv an. Vor
spielt jedoch das Verhältnis der sichtbaren allem bei breiten Brücken hat die Ausbil-
Trägerlänge zur sichtbaren Träger­höhe eine dung der Pfeiler erhebliche Auswirkungen
wesentlich wichtigere Rolle. Die sichtbare auf die Transparenz. In der Regel sind bei
Trägerlänge ist natürlich von Betrachter- breiten Brücken Träger mit einem Einheits-
standort zu Betrachterstandort unterschied- querschnitt für die gesamte Breite und
lich. Es ist deshalb wichtig, dass besonders dementsprechend einem einzigen Zentral-
stark frequentierte Betrachterstandorte in pfeiler architektonisch wesentlich vorteil-
die Beurteilung der Schlankheit einbezogen hafter als Zwillingsbrücken mit Doppel-
werden. Auch bezüglich Trägerhöhe ist die pfeilern. Zwillingsbrücken weisen zwar bei
visuelle Trägerhöhe wesentlich wichtiger umfangreichen Instandsetzungsarbeiten an
als die effektive, statische Trägerhöhe. Für der Fahrbahnplatte arbeitstechnische Vor-
die visuelle Trägerhöhe ist die Gestaltung teile auf. Bei neuen, nach dem heutigen
des Trägerquerschnitts maßgebend. Mit Stand der Brückenbautechnik konstruier-
­einem kräftigen, sichtbaren Brückenrand ten, erstellten und unterhaltenen Brücken
und einem stark zurücktretenden, im Schat- muss aber nicht mehr mit umfangreichen
ten liegenden Träger kann die visuelle Trä- Schäden an der Fahrbahnplatte gerechnet
gerhöhe wesentlich reduziert werden. Wenn werden. Die marginalen bautechnischen
stark frequentierte Betrachterstandorte Vorteile bei Instandsetzungsarbeiten, wie-
­tiefer als die Fahrbahn liegen, muss auch gen deshalb die beachtlichen architektoni-
der unteren Trägerbreite (z. B. untere Kas- schen Nachteile geringerer Transparenz bei
tenbreite) Beachtung geschenkt werden. Sie Zwillingsbrücken normalerweise nicht
kann unter Umstän­den als Teil der Träger- auf.
höhe in Erscheinung treten.
Vor allem bei Bogen- aber auch bei Ka- Visualisierung von Einheitlichkeit
belbrücken visualisiert die Systemhöhe ne- und Ordnung
ben der Querschnittshöhe des Trägers und Einheitlichkeit im Erscheinungsbild des
des Bogens ebenfalls einen architektoni- Tragsystems visualisiert vor allem eine
schen Schlankheitseffekt. Das Erscheinungs­ ganzheitliche, effiziente Systemtragwir-
bild flacher Bogenbrücken mit einem kung, und umgekehrt vermittelt eine ganz-
­großen Verhältnis von Bogenspannweite heitliche Tragwirkung bereits eine wichtige
zu Bogenpfeilhöhe ist zum Beispiel bedeu- Grundlage für ein einheitliches Erschei-
tend spannungsvoller als dasjenige steiler nungsbild. Systeme mit ganzheitlicher
Bogen. Die Baukosten wachsen aber meis- Tragwirkung sind tatsächlich meistens
tens mit zunehmendem Schlankheitsgrad ­wesentlich ökonomischer als Tragsysteme,
bei flachen Bogen- und insbesondere bei die aus einzelnen, unabhängigen Teilen be-
flachen Kabelbrücken genau gleich wie bei stehen. So sind z. B. Ketten aus einfachen
schlanken Trägern rasch an. Die schlank- Balken bezüglich Montage zwar etwas ein-
heitsbedingten, zusätzlichen Kosten im facher als Durchlaufträger; sie sind aber bei
208 3 Entwurf

gleicher Trägerhöhe bedeutend weniger an der Konstruktion nichts hinzugefügt


steif und sie erfordern einen höheren Bau- werden muss und nichts weggelassen wer-
stoffaufwand, breitere Auflagerquerträger den kann. Besonders anspruchsvoll in Be-
sowie viel mehr Lager und Fugen, die un- zug auf klare Gliederung ist die Anordnung
terhaltserschwerend und unterhaltsanfällig der Kabel bei Schrägkabelbrücken. Kabel­
relativ heikle Schwachstellen bezüglich überschneidungen in zahlreichen Richtun-
Dauerhaftigkeit darstellen. Zahlreiche ­Fugen gen können außerordentlich störend und
vermindern zudem deutlich den Fahrkom- verwirrend sein. Bei fächerförmiger Kabel­
fort. anordnung und relativ kleinen Abständen
Bei Bogenbrücken vermittelt die ganz- bewirken z. B. Doppelkabel viele unschöne
heitliche Tragwirkung z. B. die Versteifung Überschneidungen, weil die Zuordnung
des Bogens mit dem Träger ganz besonders der Doppelkabel in der Schrägsicht nicht
dann ein ausgewogenes, einheitliches Er- mehr erkannt werden kann. In solchen Fäl-
scheinungsbild, wenn Bogen, Stützen und len und bei mehr als drei sich überschnei-
Träger auch noch gleiche Querschnitts­ denden Kabelebenen ist es deshalb im Blick
formen aufweisen. Kräftige Bogen mit ei- auf die ästhetische Qualität meistens von
nem leichten, vom Bogen unabhängigen Vorteil, die teurere harfenförmige Kabelan-
und formal verschiedenartigen Aufbau, der ordnung zu wählen.
praktisch nichts zur Systemsteifigkeit bei- Die meisten architektonisch überzeu-
trägt, vermögen dagegen in architektoni- genden Brücken zeichnen sich u. a. durch
scher Hinsicht meistens nicht zu überzeu- eine einheitliche Querschnittstypologie
gen. In diesen Fällen ist dann auch noch der Tragelemente aus. Die Grundform der
die Trägerhöhe in den Zufahrtsviadukten Tragelemente kann dabei eindimensional
größer als im Bogenbereich, was die for­male stabförmig oder zweidimensional flächig
Heterogenität der Brücke noch vergrößert. sein, und die Charakteristik der Quer-
Vor allem bei Schrägkabelbrücken be- schnittsform kann sehr verschiedenartig,
reitet die kohärente Gestaltung der Pylone z. B. flach, gedrungen, plattenbalkenförmig
mit den darunter stehenden Pfeilern oft er- gegliedert etc. sein. Eine einheitliche Quer-
hebliche Schwierigkeiten. Auf jeden Fall schnittstypologie für alle Tragelemente ist
sollte vermieden werden, dass der Eindruck allerdings meistens etwas teurer als eine
entsteht, der Schrägkabelüberbau sei will- differenzierte, kostenmäßig optimierte
kürlich und zusammenhangslos auf einen Querschnittsausbildung für die einzelnen
Unterbau aus konventionellen Pfeilern auf- Tragelemente.
gesetzt. Die visuelle Einheitlichkeit des Sy-
stems wird dadurch stark beeinträchtigt. Künstlerische Gestaltung
Ein wichtiges Merkmal im Erschei- Meistens ist es ohne großen Kostenaufwand
nungsbild einer sauberen Konstruktion be- möglich, die rohe statische Form zu verfei-
steht in der übersichtlichen, geordneten nern:
Gliederung der Konstruktionselemente. In Am wirkungsvollsten ist dabei die Visu-
diesem Sinne ist es vorteilhaft, die Anzahl alisierung des Kraftflusses in den Tragele-
der Systemelemente auf ein Minimum zu menten indem im Sinne passiver Gestal-
reduzieren und ein geometrisches Ord- tung die Querschnittsabmessungen dem
nungsprinzip zu visualisieren. Auf jeden Beanspruchungsverlauf entsprechend vari-
Fall darf nicht der Eindruck einer willkür­ iert werden oder indem im Sinne aktiver
lichen Gliederung entstehen, die reduziert Gestaltung durch den Verlauf der Quer-
oder verändert werden könnte. Der Be- schnittsabmessungen die Beanspruchung
trachter muss den Eindruck gewinnen, dass gesteuert wird.
3.6 Ziel der Entwurfsarbeit 209

Ein außerordentlich wichtiger Teil der tik an den Widerlagern oder außerhalb der
Gestaltung besteht in der sorgfältigen De- Brücke und Einrichtungen zur Beleuchtung
tailausbildung, die von der Einpassung der der Brücke selbst liegen klar außerhalb des
Endwiderlager bis zur Durchbildung des technischen im künstlerischen Bereich und
Brückenrandes und zur Formgebung der lassen sich deshalb nicht mit rationalen Ge-
Beleuchtungskörper reicht. Im Prinzip staltungskriterien qualifizieren. Diese Art
­sollte die Detailgestaltung einfach, klar und der Ornamentik ist bei modernen Brücken
funktionell sein; auf die Ausschmückung sehr heikel; sie sollte zurückhaltend und
des Tragwerks mit unnötigen Details wie nur in Zusammenarbeit mit einem Archi-
z. B. barocke Pfeilerkapitelle sollte besser tekten oder Künstler angewendet werden.
verzichtet werden. Messbare Gestaltungskriterien sind bei
Mit Licht- und Schatteneffekten lassen der Entwurfsarbeit außerordentlich nütz-
sich durch Profilierung relativ große, lich, und es lohnt sich, einen Entwurf in
­dominierende Betonflächen unterbrechen Bezug auf diese Gestaltungskriterien sorg-
oder strukturieren. Die Profilierung kann fältig zu überprüfen. Abschließend sollte
aus einer oder wenigen starken Kerben oder der Entwurf einer anspruchsvollen Brücke
aus einer schwachen flächendeckenden aber immer auch noch gesamthaft über-
Profilierung bestehen. Bei konzentrierten prüft werden; und zwar in Bezug auf das
Kerben muss die Kerbentiefe in einem ange- Einfügen der Brücke in das Landschaftsbild
messenen Verhältnis zu den Abmessungen mit einigen computergenerierten Foto-
des profilierten Bauteils stehen, damit die montagen aus den am stärksten frequen-
Schattenfläche auch bei diffusem Licht er- tierten Blickpunkten und aus der Sicht des
kennbar ist und die Maßstäblichkeit von Brückenbenützers und in Bezug auf die
Schattenbreite zu Gesamtbreite gewahrt ­Gestaltung der Brücke selbst mit einem re-
wird. Flächendeckende relativ schwache lativ großen physischen Modell, das immer
Profilierungen sind mit einer Verstärkung bedeutend aussagekräftiger ist als zwei-
des Schalungsbilds vergleichbar; sie können ­dimensionale Bilder.
die Tragrichtung eines ­Tragelements be­
tonen oder auf großen ­Betonflächen Hel­
ligkeitsunterschiede vermitteln. 3.6 Ziel der Entwurfsarbeit
Unter struktureller Ornamentik versteht
man Tragsysteme mit unnötig extensiver Die weitgehend normierten, funktionellen
räumlicher Ausgestaltung oder mit einem Anforderungen bezüglich Tragsicherheit,
gewollt verkomplizierten Kraftfluss; Sys- Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit
temteile, die einen fiktiven Beanspru- müssen nach den anerkannten Regeln der
chungszustand visualisieren oder Tragele- Baukunde grundsätzlich immer erfüllt wer-
mente mit einem beanspruchungsfremden den. Das ist mit beliebig vielen Lösungen
Querschnittsverlauf. Alle diese Systeme, möglich und erfordert fast nur „handwerk-
Systemteile und Tragelemente können archi­ liche“ Arbeit. Die eigentliche Baukunst be-
tektonisch durchaus gefällig und belebend steht darin, Lösungen zu erarbeiten, die ein
sein; sie weisen aber immer einen Mangel Höchstmaß an nicht normierbarer wirt-
an statischer Effizienz auf und sind deshalb schaftlicher und ästhetischer Qualität auf-
oft wesentlich teurer als statisch optimierte weisen. Dazu braucht es neben unterneh-
und formal reduzierte Systeme und Trag­ merischer Erfahrung in Bautechnik und
elemente. Kostenermittlung einerseits und architek-
Architektonische Ornamentik an oder tonischem Formgefühl andererseits vor al-
mit nicht tragenden Elementen, Ornamen- lem innovative Phantasie und Kreativität.
210 3 Entwurf

Weg
Entwurfsziel handwerklich kreativ
gemäss Norm künstlerisch

Tragsicherheit
Gebrauchstauglichkeit
Dauerhaftigkeit
Kosten
Ästhetik

Bild 3-1   Entwurfsziele

Absolute Ideallösungen, die gleichzeitig 3.7 Überlegungen beim


ein Maximum an Wirtschaftlichkeit und ­konzeptionellen Entwurf
ästhetischer Qualität aufweisen sind nicht
möglich. Das Ziel der Entwurfsarbeit, die Die Erarbeitung eines konzeptionellen Ent-
wahre Baukunst besteht deshalb darin, wurfs, der möglichst nahe an die Ideal­lö­
möglichst nahe an die Ideallösung heran- sung (minimale Kosten bei optimaler Er-
zukommen, und im Blick auf die Exposi­ scheinungsform) herankommen soll, muss
tion des Brückenstandorts, die Bedeutung auf technischer Grundlage erfolgen, da die
der Brücke in ihrem Umfeld und die Größe Kosten nur mit konstruktiven und bautech-
der Brücke nach subjektiven Gesichtspunk- nischen Maßnahmen tief gehalten werden
ten Wirtschaftlichkeit und Ästhetik gegen- können. Es ist auch viel einfacher, eine
einander abzuwägen. funktionelles, konstruktiv einwandfreies
Die Zusatzkosten für erhöhte ästhetische Konzept, das meistens an sich schon visuell
Qualität müssen sich in einem relativ engen überzeugt, formal zu verfeinern und zu op-
Rahmen bewegen, da eine aus den ortspe- timieren, als zu versuchen, eine willkür­
zifischen Randbedingungen konstruktiv liche, meistens unwirtschaftliche, architek-
einwandfrei entwickelte Lösung bereits tonische Idee mit den technischen Rand­
eine beachtliche ästhetische Qualität auf- bedingungen in Einklang zu bringen und in
weist. Bei großen Brücken sollten die Zu- der Weiterbearbeitung die Kosten zu sen-
satzkosten auch bei anspruchsvollster ken. Meistens gelingt es bei „architektoni-
Standortexposition nicht mehr als 3 bis 5% schen“ Lösungen nicht, die Kosten ohne
und bei mittleren Brücken nicht mehr als konzeptionelle Änderungen zu reduzieren.
15% betragen. Wenn diese Grenzwerte D. h. man bleibt dann bei der architekto-
überschritten werden, ist der konzeptio- nisch-willkürlichen, unwirtschaftlichen
nelle Entwurf offenbar ungeeignet und Lösung oder man beginnt mit einem neuen
sollte aufgegeben werden. Bei kleinen Brü- Konzept.
cken wie zum Beispiel Fußgängerstegen Die Salginatobelbrücke von R. Maillart
dürfen die Zusatzkosten gegenüber der ist ein typisches und ausgezeichnete Bei-
wirtschaftlichsten Lösung auch 100% oder spiel für eine auf rein technisch-konstruk-
mehr betragen, und bei Brücken, die vor- tiver Grundlage entwickelte Brücke, die
wiegend eine skulpturelle Bedeutung haben sehr nahe an die Ideallösung bezüglich
oder als Wahrzeichen einer Ausstellung Kosten und Aussehen herankommt:
dienen sind Kostenlimits nicht sinnvoll. Bei der Linienführung der Straße wurde
offensichtlich großes Gewicht auf einen to-
pographisch geeigneten Standort der Brü-
3.7 Überlegungen beim ­konzeptionellen Entwurf 211

sehr vorteilhaft, weil das Lehrgerüst nur für


die dünne Bogenplatte bemessen werden
musste; das Gewicht der Seitenwände wie
auch jenes der Stützen und des Fahrbahn-
trägers konnten dann zusammen mit dem
Lehrgerüst von den jeweils bereits tragen-
den Bauteilen übernommen werden.
Der flache Bogen über der tiefen Schlucht
visualisiert eine hohe technische Effizienz,
und an der Bogenform ist der Kraftverlauf
deutlich ablesbar. Bogen- und Zufahrts­
abschnitt bilden in Bezug auf die Sekundär-
spannweiten, die Querschnittsform und die
Querschnittsabmessungen eine monolithi-
sche Einheit.
Maillarts Rohkonzept für die Salginato-
belbrücke gehörte ohne jeden Zweifel zu
den denkbar wirtschaftlichsten Lösungen,
und bei der Formverfeinerung beschränkte
er sich auf drei Konstruktionselemente, die
er künstlerisch und nicht im kosten-güns-
Bild 3-2   Salginatobelbrücke von Robert Mail­ tigsten Sinn gestaltete. Die entsprechenden
lart Zusatzkosten waren aber sehr bescheiden;
sie betrugen sicher weniger als 1% der ge-
cke gelegt. Für die Überquerung der 80 m samten Brückenkosten:
tiefen Schlucht eignete sich eine Bogen­ Anstatt eines einfachen Eisengeländers
brücke in wirtschaftlicher und ästhetischer wählte Maillart eine durchgehende Beton-
Hinsicht am besten. Die Widerlager des brüstung. Diese Brüstung bildet einerseits
90 m weit gespannten Bogens liegen nur eine Einheit mit den flächigen Bogenrippen
13 m unter der Fahrbahn; aber topogra- und verbindet andererseits Zufahrts- und
phisch und bautechnisch sehr günstig: Auf Bogenbereich zu einer Einheit. Die Beton-
der rechten Talseite befindet sich das Bo- brüstung hat zudem aber auch den Vorteil,
genwiderlager auf einer markanten Gelän- dass sie die Sicherheit auf der schmalen,
deschulter, auf der linken Talseite ist es in oft schneebedeckten Fahrbahn der hohen
der steilen Felswand wegen der geringen ­Brücke physisch und psychisch erhöht. Bei
Tiefe unter der Fahrbahn von oben relativ den Stützen wären wandartige Scheiben
gut erreichbar. Der mit einem Pfeilverhält- oder aufgelöste Stützen etwas billiger gewe-
nis von 1 : 7 sehr flache Bogen wurde als sen als die von Maillart gewählten Stützen
Dreigelenkbogen konzipiert und weist mit I-Querschnitt. Aber auch hier bevor-
­einen nach oben offenen Plattenbalken- zugte Maillart im Sinne einer einheitlichen
querschnitt auf. Dieser Querschnitt lässt Querschnittstypologie die etwas teurere,
sich dem Beanspruchungsverlauf sehr gut gleiche Querschnittsform wie bei Bogen
anpassen: Die Seitenwände sind im Viertel und Fahrbahnträger. Das dritte, gestalte-
der Spannweite, beim Maximum der Biege- risch verfeinerte Konstruktionselement
momente am größten und hier mit dem sind die Bogenkämpfer. Zur Visualisierung
Fahrbahnträger verbunden. Der Platten- der räumlichen Bauwerks-Plastizität und
balkenquerschnitt ist auch bautechnisch der Querstabilität der schmalen Brücke er-
212 3 Entwurf

weiterte Maillart den Fuß der Kämpferstüt-


zen und die Breite der Bogenplatte bei den
Bogenkämpfern.
Die Entwurfsarbeit beginnt in der Regel
mit der Wahl des generellen Tragsystems,
das im Prinzip den Charakter einer Balken-,
Bogen- oder Kabelbrücke haben kann und
nicht an einen bestimmten Baustoff gebun-
den ist.
Balkenbrücken sind in der Regel billiger
aber auch weniger ausdrucksvoll als Bogen-
oder Kabelbrücken und sie eignen sich bei
fast allen technischen Randbedingungen.
Gekrümmte Linienführungen, seitlich an-
schließende Rampen sowie komplizierte
topographische oder geotechnisch-geo­
logische Verhältnisse bereiten keine grund-
sätzlichen Schwierigkeiten. Bei Spannwei-
ten über ca. 200 m machen Balkenbrücken
jedoch mehr und mehr einen etwas massi-
Bild 3-3   Salginatobelbrücke-Schrägansicht gen, schwerfälligen Eindruck, und die Kos-

Bild 3-4   Systemmutationen 13) Bogentragwerk; Horizontalschub aus


­Eigenlast ausbalanciert mit oder ohne
1) Dreifeldträger mit konstanter Bauhöhe Horizontalschub bei Verkehrslast
2) Voutenträger mit Variationen bezügl. 14) Klassische Bogenbrücke
­Voutenverlauf mit Variationen bezüglich Bogensystem,
3) Dreifeldträger auf Stützen mit V-Kopf und Bogenform, Bogenaufbau, Steifigkeitsver-
Zugband hältnis zwischen Bogen und Träger
Starke Reduktion der Stützenmomente aus 15) Bogenbrücke mit teilweise unten liegender
Eigenlast: „keine“ Zwängungen in den Fahrbahn
Stützen 16) Bogen mit unten liegender Fahrbahn auf
4) Dreifeldträger auf V-Stützen mit Zugband Kragsystemen
5) V-Stiel-Rahmen 17) Klassischer Bogen mit unten liegender
Zwängungen bei Trägerverkürzungen Fahrbahn mit Variationen bezüglich Hän-
6) Klassische V-Stiel-Brücke ohne Wider- gersystem, Steifigkeitsverhältnis ­zwischen
lager Bogen und Träger
7) Sprengwerk; Horizontalschub auf Baugrund 18) Unterspannter Träger mit Variationen in
8) Vouten-Rahmen mit vertikalen Stützen; der Unterspannungs-Steifigkeit und -Ab-
Horizontalschub unbedeutend stützung
9) Durchlaufträger mit konstanter Bauhöhe 19) Selbst verankerte Hängebrücke
auf den Stützen beliebig ge­lagert 20) Klassische Hängebrücke
10) Klassischer Dreifeldträger 21) Schrägkabelbrücke
11) Voutenträger mit Variationen in der Pylonausbildung
12) Bogenförmiger Kragträger mit Verschiebe- und Kabelanordnung
gelenk im Scheitel kein Horizontalschub 22) Fischbauchträger; Trogquerschnitt
23) Klassischer Dreifeldträger
1) 2) 3)

1) 10) 19)

2) 11) 20)

3) Stützen im Träger verschieblich 12) "Verschiebegelenk" im Scheitel; 21)


oder unverschieblich eingespannt "Bogen" auf schlechtem Baugrund

4) 13) System mit oder ohne 22)


Horizontalschub aus Verkehrslast

5) Systeme mit oder ohne 14) Bogensystem verschieblich 23)


Horizontalschub oder unverschieblich

6) 15)

16)
3.7 Überlegungen beim ­konzeptionellen Entwurf

7) System verschieblich oder Bogen auf Kragträgern als "einfacher


unverschieblich Balken" gelagert.
Systeme ohne Horizontalschub auf
Baugrund
8)

9) 18)

10)

Bild 3-4   Systemmutationen
213
214 3 Entwurf

ten steigen mit zunehmender Spannweite Eleganz wesentlich höhere Kosten durch-
rascher an als bei anderen Tragsystemen. aus rechtfertigen, zumal Seilwerk, gut ge-
Bogenbrücken mit oben liegender Fahr- staltete Pylone und eine sorgfältig dosierte
bahn sind vor allem dann zweckmäßig, Tragwerksdynamik dem Fußgänger ein
wenn nur eine einzige Spannweite für die ganz besonderes Brückenerlebnis vermit-
Überbrückung eines tiefen Einschnittes teln können. Krümmungen in der Linien-
oder einer Schiffahrtsöffnung erforderlich führung wirken sich bei Kabelbrücken wie
ist, währenddem für die Zufahrtsviadukte bei Bogenbrücken erschwerend aus. Topo-
zum Bogenbereich kleine Spannweiten ge- graphie und Geologie haben dagegen kaum
nügen. Bei entsprechender Höhenlage der einen Einfluss auf die Eignung dieser Trag-
Fahrbahn eignen sich Bogenreihen gut zur werke.
Überquerung breiter Wasserwege. Bei Zwischen den Standardsystemen für
­Bogen mit oben liegender Fahrbahn ist von Balken-, Bogen- und Kabelbrücken gibt es
Anfang an sorgfältig abzuklären wie der unzählige Übergangsformen. Bild 3-4 zeigt
Horizontalschub des Bogens aufgenommen einige, aus einem Dreifeldträger abgeleitete
werden kann, ob sich der Bogenscheitel in Mutationen. Bei allen Systemen lassen sich
horizontaler Richtung teilweise oder ganz natürlich die Spannweitenverhältnisse, die
blockieren lässt und wie der Bogen am Tragwerkschlankheit und die Querschnitts-
wirtschaftlichsten hergestellt werden kann. form variieren.
Bogen mit unten liegender Fahrbahn Abgesehen von Serienbrücken wie Über­
eignen sich gut, wenn die Bauhöhe unter führungen und Unterführungen sind so-
der Fahrbahn beschränkt ist. Sie lassen sich, wohl die technischen Randbedingungen wie
da der Horizontalschub des Bogens mit der auch die Standortexposition bei allen Brü-
Fahrbahn aufgenommen werden kann, als cken verschieden. Dieser Differenziertheit
„geschlossene“ Systeme oft durch Verschie- der ortspezifischen Entwurfsgrund­lagen
bemanöver kostengünstig einbauen. kann im konzeptionellen Entwurf genau so
Bogenbrücken können Dank geschick- differenziert Rechnung getragen werden.
ter Bautechnik auch in Spannweitenbe­ Neben der Systemdifferenzierung spie-
reichen von 300 bis 400 m noch durchaus len auch die mit der Ausgestaltung des Sys-
wirtschaftlich sein. tems eng verbundene Baustoffwahl und
Bogentragwerke eignen sich jedoch mit die Art der Vorspanntechnik eine wichtige
zunehmendem Verhältnis von Bogen- ­Rolle bei der Tragwerksoptimierung.
spannweite zu Kurvenradius der Fahrbahn Im Prinzip kann für jeden Bauteil der
immer weniger oder überhaupt nicht mehr. geeignetste Baustoff verwendet werden;
Es hat keinen Sinn, Bogenbrücken mit aber entsprechende Kosteneinsparungen
­großem Aufwand in enge Kurven ein­ und allfällige architektonische Nachteile in
zuzwängen; als Rahmen durchgebildete Bezug auf die visuelle Einheitlichkeit müs-
Voutenträger sind hierfür konstruktiv und sen gegeneinander abgewogen werden.
gestalterisch viel besser geeignet. Auch die Vorspanntechnik sollte nicht
Kabelbrücken erschließen Spannweiten­ nur in Standardformen sondern in der gan-
bereiche, die mit Balken- und Bogentrag- zen Bandbreite verwendet werden; d. h. von
werken nicht mehr erreichbar sind. Bei der Ergänzung der schlaffen Bewehrung
mittleren und kleinen Spannweiten sind z. B. bei Platzproblemen bis zur vollen Vor-
Kabelbrücken in der Regel teurer als Bal- spannung, beliebiger Mischung von inter-
ken- und Bogenbrücken. Oft sind sie aber ner und externer Vorspannung, beliebiger
ausdrucksvoller und vor allem bei Fuß­ Mischung von Vorspannung mit oder ohne
gängerbrücken kann ihre Leichtigkeit und Verbund und beliebiger Mischung von
3.7 Überlegungen beim ­konzeptionellen Entwurf 215

Spannbettvorspannung und Vorspannung Eignung des Tragsystems gewährleistet sein;


des erhärteten Betons. erst in zweiter Linie können unter Berück-
Die Bauausführung muss unbedingt in sichtigung der Standortexposition, Kosten
den Entwurfsprozess einbezogen werden. und ästhetische Qualität gegeneinander ab-
Die Herstellungstechnik hat große Auswir- gewogen werden. Die Systemoptimierung
kungen auf die Baukosten; sie ist unter Um- erfolgt mit Maßnahmen, die geeignet
ständen aber auch von Bedeutung für die sind, die technischen Randbedingungen
Tragwerksform. Grundprinzipien ratio­ mit kleinstem Aufwand zu erfüllen. Weil
neller Herstellungstechnik bestehen darin, mit geschickten Maßnahmen oft mehrere
dass ausgeführte Bauteile so rasch wie mög- technische Anforderungen effizient und
lich in den weiteren Bauvorgang integriert formal überzeugend erfüllt werden können,
und dass gleiche Arbeitsabläufe mit dem ergeben sich bereits daraus besonders bei
entsprechenden Lerneffekt taktförmig wie- Brücken mit zahlreichen, komplizierten
derholt werden. Randbedingungen sehr oft außerordentlich
Bei niedrigen Brücken ist die Herstel- originelle und visuell faszinierende Trag-
lung auf Gerüst meistens am wirtschaft- werksformen.
lichsten. Bei hohen Brücken muss die Her- Die eigentliche Formverfeinerung und
stellung bodenunabhängig erfolgen. Das die Ausgestaltung der Details beginnt erst
ist bei allen Standardsystemen möglich. Oft in der Schlussphase des Entwurfs, und
sind auch Verschubtechniken wie Vor- vor allem in dieser Phase muss immer im
schub, seitlicher Verschub oder Eindrehen Blick auf die Standortexposition sorgfäl-
ganzer Brückensegmente interessant. tig zwischen vorteilhafter künstlerischer
Die Wahl der generellen Tragwerksform Gestaltung und zusätzlichen Baukosten
erfolgt aufgrund technischer und architek- abgewogen werden. Bei diesem Vorgehen
tonischer Überlegungen: Bei der Evalua­ bleiben die Kosten immer unter Kon­
tion muss in erster Priorität die technische trolle.
216 3 Entwurf

3.8 Ausgewählte Brücken


3.8.1 S unnibergbrücke, Schweiz

Christian Menn

Bauherr:
Kantonales Tiefbauamt, Graubünden mit
­architektonischer Beratung durch A. Deplazes,
Dipl.Arch.ETH, Chur

Konzept, Entwurf:
C. Menn, Prof.em. ETH, Chur

Projekt:
Bänziger + Köppel + Brändli +Partner, Chur

Ausführung:
Vetsch, Klosters, Preiswerk +Cie AG,
­Brückenbau, Siebnen
Bauzeit:
1996–1998

Die Sunnibergbrücke befindet sich an einem graphisch und bautechnisch günstige Pfei-
exponierten Standort. Etwa 1 km ­unterhalb lerstandorte und erfordert auch nicht außer-
des weltbekannten Ferienortes Klosters gewöhnliche Maßnahmen zur Bewältigung
überquert die 525 m lange, im Grundriss ge- der Brückenkrümmung von 500 m Radius.
krümmte Brücke in einer Höhe von 60 m Im Blick auf einen möglichst schlanken
das an dieser Stelle weitgehend unberührte ­Träger mussten die Biegemomente aus Ver-
Tal. Erwünscht war deshalb ein zeichenhaf- kehrslast direkt in die Pfeiler hinuntergelei-
tes, modernes Bauwerk, das nicht als Talrie- tet werden; sie waren maß­gebend für die
gel in Erscheinung treten durfte und deshalb Querschnittsabmessungen am Pfeilerkopf.
mit einem möglichst schlanken Träger eine Aus architektonischen Gründen sollten
hohe Transparenz aufweisen sollte. Eine ­Pylone auf hohen Pfeilern möglichst niedrig
konventionelle Freivorbaubrücke, die hier sein; der entsprechende Mehraufwand für
am wirtschaftlichsten gewesen wäre, konnte die Schrägkabel wird aber im vorliegenden
diese formalen Anforderungen nicht erfül- Tragsystem wegen der starken Pylonbiegung
len. Es wurde deshalb ein Konzept für eine in Längs- und Querrichtung mit kurzen Py-
gekrümmte Schrägkabelbrücke ausgearbei- lonen zu einem großen Teil kompensiert.
tet, das zwar Mehrkosten von ca. 15 % auf- Die mini­male Pylonhöhe ergibt sich aus den
wies, die sich aber im Blick auf den besonde- zulässigen Trägerdurchbiegungen, die sich
ren Brückenstandort rechtfertigen ließen. durch Längsfixierung der gekrümmten Brü-
Das fünffeldrige Tragsystem mit vier cke mit der Elimination der Dilatations­
­Pylonen weist drei Hauptspannweiten von fugen bei den Widerlagern wesentlich ver-
128 bis 140 m auf. Die Größe der Spann­ mindern lassen. Die nach unten verjüngte
weiten entspricht der Brückenhöhe und der Pfei­lerform visualisiert einerseits die Biege­
Maßtäblichkeit der Landschaft, ergibt topo- beanspruchung und vermittelt andererseits
3.8 Ausgewählte Brücken 217

den Eindruck, dass die Pfeiler natürlich aus auch bei der Größtspannweite zur Aufnah-
dem Wald herauswachsen. Mit der Quer- me der hohen Längsdruckkräfte. Pfeiler, Py-
spreizung der Pylone wird vermieden, dass lone und Träger weisen mit einem flachen
die Kabel das Lichtraumprofil der Straße be- Plattenbalkenquerschnitt die gleiche Quer-
einträchtigen. Die Plattendicke des Trägers schnittstypologie auf und betonen damit die
ist auf die Quertragrichtung ausgelegt, ge- Einheitlichkeit und Ganzheitlichkeit des
nügt aber mit einer kleinen Verstärkung monolithischen Tragsystems.
218 3 Entwurf

3.8.2 Fußgängerbrücke Kelheim, Deutschland

Jörg Schlaich

Entwurf, Statik und Konstruktion:


Schlaich Bergermann und Partner
Beratende Ingenieure im Bauwesen Stuttgart
Gestalterische Beratung:
Prof. K. Ackermann und Partner, München
Ausführung:
Arge Ortsdurchfahrt Kelheim,
Bilfinger + Berger Bau AG, München
Stanglmeier / Luitpold Aukofer,
Hoch- und Tiefbau GmbH, Regensburg
Friedrich Maurer Söhne, München
Pfeifer Seil- und Hebetechnik, Memmingen
Bauherr:
Rhein-Main-Donau AG, München Bauzeit:
Neubauamt Donauausbau Regensburg 1985–1988

Für diesen Entwurf waren zwei Überle- gespannte Stahlrohrmaste (d = 660 mm)
gungen entscheidend: umgelenkt und in den Widerlagern veran-
kert. Diese spezielle Aufhängung in Verbin-
– auf die technikorientierte Schifffahrts-
dung mit den geometrischen und statischen
straße des Main-Donau-Kanals mit ei-
Festlegungen für Rampen und Bogen (Län-
ner technisch sauberen und möglichst
ge, Querschnitt, Lagerungsbedingungen,
leichten Lösung zu reagieren
Wahl der inneren und äußeren Vorspan-
– Rampen geradlinig und platzsparend
nung) bewirken eine nahezu tor­sions­
entlang der Kanalufer anzuordnen.
momentenfreie Lastabtragung der ständi-
Eine aufgehängte Gehwegplatte bot sich an, gen Lasten, so wie dies vom vertikal belas-
weil sie mit einer minimalen Konstruk­ teten und am Innenrand kontinuierlich
tionshöhe auskommt und so die Rampen gelagerten Kreisringträger bekannt ist. Ne-
nicht unnötig verlängert. Eine Hänge­brücke ben den statischen Lastfällen sind bei leich-
sollte es werden, weil sie natürlich schöner ten, weitgespannten Fußgängerbrücken
als eine Schrägseilbrücke ist. auch umfangreiche dynamische Untersu-
Die Realisierung eines harmonischen chungen erforderlich. Es zeigte sich, dass
Fußgänger- und Kraftflusses zusammen bei der Fußgängerbrücke Kelheim keine
mit dem freizuhaltenden Schifffahrtsprofil durch Fußgänger oder Wind angeregten
führten zu dem im Grund- und Aufriss Schwingungen zu erwarten sind.
kontinuierlich gekrümmten Überbau­träger, Funktion, Form, Lastabtragungsverhal-
der einseitig an einem Seiltragwerk hängt. ten und Auswahl der Werkstoffe bilden bei
Die an der Innenseite des Bogens befestig- dieser Brücke eine Einheit.
ten Hänger (ds = 30 mm) sind an ein voll-
verschlossenes Tragseil (ds = 90 mm) ge-
klemmt. Dieses ist über zwei geneigte, ab-
3.8 Ausgewählte Brücken 219
220 3 Entwurf

3.8.3 O sormort Viaduct, Spanien

Javier Manterola Armisén

Property:
GISA. Gestió d’Infraestructures, S.A.
Empresa Pública de la Generalitat de
Catalunya
Jordi-Joan Rosell i Silvas
Design:
CARLOS FERNÁNDEZ CASADO, S.L.
Javier Manterola Armisén, Leonardo Fernández
Troyano, Amando López Padilla, Antonio
Martínez Cutillas
Construction:
AGROMAN – Modesto Fraile
Construction period:
1994

The Osormort viaduct lies on the Sant Juliá situation between an exterior prestressing
– Osormort stretch of the Eix Transversal in and a cable-stayed system gives this deck
Barcelona. It is 504 m long, has the plan type great advantages and possibilities for a
­radius of 1550 m and its maximum height wide range of medium-length spans due to
over the ground amounts to 30 m. The following reasons:
­carriageway has the total width of 12 m • Unlike in the cable-stayed bridge, the
­between the railings’ inside edges. upper carriageway is not used to arrange
After having studied various solutions the towers in which cables are lodged.
we chose a continuous viaduct 504 m long The fact that the bridge hangs in its lower
made of eleven, 40 m long spans and two part eliminates the need to widen the
end spans of a 32 m length. There are differ- deck. The support is self-balanced and
ent types of concrete decks built in situ that compresses the deck at the same time.
fit this range of spans and construction sys- • As compared with the technique of exte-
tem. After a series of considerations the de- rior prestressing, this system is much
cision was made to use a continuous deck, more effective due to a greater stay cable
cable-stayed in the lower part, given its ad- inclination.
equacy considering the strength and eco- • Although it takes advantage of the mor-
nomic reasons as well as for its visual effect. phology of the stay cable in a cable-
This type of lower cable-staying is new in stayed bridge, it does not have its incon-
continuous decks made of prestressed con- veniences since oscillation amplitudes of
crete. The lower cable-staying creates an their stresses are much smaller and there-
intermediate support in the deck by means fore their dimensions are not conditioned
of a triangular metallic cell. This support is by fatigue criteria.
elastic and its flexibility depends on the • Due to the fact of the bending moments
relative stiffnesses between the deck and the in the deck can be greatly reduced, the
stay system. The more flexible the deck, the slenderness values that can be achieved
more efficient the system. This intermediate are important. This makes possible the
3.8 Ausgewählte Brücken 221

504
32 40 40 40 40 40 40 40 40 40 40 40 32

240

32

110 44 110
264

240

30

123

construction of viaducts of different construction is carried out in the same


shape configurations. way as in a continuous deck. It can be
• The stay cables can be replaced without done span by span by means of a scaf-
having to cut the traffic. To this purpose folding truss where the stay cable is load-
an additional tube was placed, both in ed at the same time and in a similar way
the central deviator and in the pier. The as the rest of the prestressing cables.
222 3 Entwurf

3.8.4 S acramento river trail ­p edestrian bridge, USA

Jiri Strasky

Owner:
City of Redding, CaliforniaFred Mathis, Project
Engineer
Concept, Design:
Charles Redfield, Consulting Engineer Mill
Valley, California
Dr. Jiri Strasky, Design Consultant Brno, The
Czech Republic/Mill Valley, California
Contractor:
Shasta Constructors Inc., Redding, California
Construction period:
1990

The Sacramento river trail and connecting tance of 4.20 m at each end abutment,
bridge form part of the City of Redding’s where the deck is haunched to 91 cm, the
park system. This area of the park lies to the deck has a constant depth of only 38 cm.
northwest of the city on both sides of the This arrangement corresponds to the static
river extending 4 km upstream to Keswick behavior of the prestressed concrete band.
Dam. The new bridge located at this junc- By keeping the abutments at the same ele-
ture provides a link between the previously vation and a minimal drape in the center,
separated trails lying just above the rocky the slope at the ends is held to an acceptable
areas on each side of the river. Because of 9 %. Considerable prestressing material in
the dam’s presence, the riverbanks directly the superstructure (236 strands of 13 mm
downstream have extensive rock outcrop- dia.), and large rock anchors composed
ping which dramatically add to the beauty of 16 × 27 dia. 13 mm strands embedded
of the basin. To preserve this natural terrain deeply into the hillside at both ends, are
and to mitigate adverse hydraulic condi- required to form this shallow drape.
tions, it was important to avoid founding Bridge vibration studies were carefully
any piers in the river basin. considered in the design for a wide range of
The bridge is formed by a stressed-rib- pace frequencies, including jogging and
bon of prestressed concrete over a span of the remote possibility of vandals attempt-
127.41 m and fixed at both end abutments. ing to physically excite the bridge. Because
The deck width between railings is 3.04 m the bridge is an extremely shallow band
while the total width of the structure is with a long span over a channelized valley,
3.96 m. During the service of the bridge the an aeroelastic study was deemed necessary
sag at mid span varies from 3.35 m (time to check the stability under dynamic wind
0 with maximum temperature and full live loads.
load) to 2.71 m (time infinity with mini- Construction of the superstructure con-
mum temperature). Since the bridge is sisted of lifting the previously cast segments
used by bicyclists the height of the railing onto the bearing cables and sliding them
is set by code at 1.37 m. Apart from a dis- into their final position. This was accom-
3.8 Ausgewählte Brücken 223

plished in two working days. Placement of A successful test was conducted on the
additional cables directly over the bearing completed bridge with 24 vehicles spaced
cables within two troughs, casting them in over the whole length of the structure. In
place and further stressing provided the re- conclusion, a light bridge of a stressed-rib-
quired stiffness for the bridge. Due to the bon design with a single span and no joints
unusual type of structure and its first use in presented an elegant solution, with a simple
the United States, it was considered prudent erection and no necessary construction
to load test the bridge and verify the struc- within the river basin.
tural behavior with the design assumptions.
224 3 Entwurf

3.8.5 Puente de la Barqueta, Spanien

Juan José Arenas de Pablo

Bauherr:
Sociedad Estatal para la Exposición Universal
de Sevilla
Sevilla, Spanien
Konzept, Entwurf und Projekt:
Prof. Dr. Ing. Juan J. Arenas de Pablo
Prof. Dr. Ing. Marcos J. Pantaleón
Santander, Spanien
Ausführung:
AUXINI, S.A. und ENSIDESA, S.A.
Spanien
Bauzeit:
1988–1989

Die Barqueta-Brücke wurde als Zugang des Bogens praktisch die gesamten nicht-
zum Ausstellungsgelände der Weltausstel- symmetrischen Nutzlasten. Die Spannweite
lung Expo ’92 in Sevilla erbaut und entwi- über den Guadalquivir beträgt 168 m,
ckelte sich zum eigentlichen Symbol dieser ­wobei der Bogenscheitel 27.75 m über der
Ausstellung sowie zu einem Wahrzeichen Fahrbahn liegt. Die gesamte Brücke steht
Sevillas. In den Bedingungen des Wettbe- auf vier Vertikallagern, welche in Querrich-
werbs, aus welchem das ausgeführte Projekt tung 30 m voneinander entfernt sind.
hervorging, wurde eine maximale Träger- Durch die Anordnung der Portalrahmen
höhe in Feldmitte von 3 m und eine Min­ wird vermieden, dass die Fahrbahn an den
destspannweite von 165 m vorgegeben Brückenenden durch die Bogenkämpfer
(keine Flusspfeiler). Außerdem war eine gelegt wird; andererseits entstehen dadurch
kurze Bauzeit anzustreben, und der schlech- regelrechte Eingangstore zur Ausstellung.
te Baugrund ließ keine horizontalen Auf­ Zudem wird die Knickstabilität des Bogens
lagerreaktionen zu. Die ausgeführte Stahl- in Querrichtung wesentlich erhöht. Bogen
brücke ist das Resultat der Bemühungen, und Portalrahmen weisen in allen vier Sei-
diese Auflagen mit einem seiner Funktion tenflächen 300 mm tiefe Längskerben auf,
entsprechend eleganten und sorgfältig welche die Mittelachse dieser Elemente be-
durchgestalteten Tragwerk zu erfüllen. tonen und die optische Schlankheit erhö-
Das Tragsystem der Brücke besteht im hen, gleichzeitig aber auch zur Aussteifung
wesentlichen aus einem oberhalb der Fahr- der Profilbleche dienen. Der Fahrbahn­
bahn in der Brückenmittelebene liegenden träger weist eine Höhe von 2.40 m und eine
Bogen, welcher in einer Distanz von 30 m Breite von 16 m auf, wobei die Möglichkeit
zur Auflagerachse durch zwei dreiecksför- einer zukünftigen Verbreiterung auf 21 m
mige, die Bogenneigung übernehmende vorgesehen wurde. Sein Querschnitt be-
Portalrahmen gestützt wird. Der Fahrbahn- steht aus einem trapezförmigen Stahlkasten
träger dient als Zugband des Bogens und mit orthotroper Fahrbahn, im Abstand von
übernimmt infolge der großen Schlankheit 4.25 m angeordneten Querrahmen und
3.8 Ausgewählte Brücken 225

e­ inem zentrischen Raumfachwerk, welches tenpunkte, in welchen Bogen und Portal-


der Einleitung der Hängerkräfte dient. Die rahmen zusammenlaufen, spielen inner-
Hänger liegen in der Brückenmittelebene, halb der Tragkonstruktion eine zentrale
stützen den Fahrbahnträger im Abstand Rolle. Der Kraftfluss wird durch Verbin-
von 8.50 m und sind mit dem Bogen im Ab- dungsbleche zwischen den jeweils analogen
stand von 6.75 m verbunden. Ihre Längs- Seitenflächen des Bogens und den Streben
neigung ist somit variabel, wodurch die des Portalrahmens sichergestellt. Die Trag-
Brückenmitte betont und gleichzeitig die wirkung ist von außen ablesbar, wodurch
Stützung des Fahrbahnträgers im Bereich ein ausdrucksvolles, einheitliches Erschei-
der Portalrahmen optimiert wird. Die Kno- nungsbild resultiert.
226 3 Entwurf

3.8.6 Falkensteinbrücke, Österreich

Franz Aigner

Bauherr:
Österreichische Bundesbahnen (ÖBB), Gene-
raldirektion Wien
Planung und Projekt:
Dipl.-Ing. Franz Aigner, Graz
Ausführung:
Beyer & Co., Graz
Bauzeit:
1971–1974

Um das Jahr 1965 wurde begonnen, die gestalterisches Problem stellte dabei die
1901–1909 erbaute eingleisige Tauernbahn ­geometrische Abstimmung der beiden
(Salzburg-Villach) in eine moderne Hoch- Bögen zueinander dar. Das Fahrbahntrag-
leistungsbahn für zweigleisigen Betrieb und werk weist eine konstante Längsneigung
höhere Fahrgeschwindigkeiten umzubauen. von 27,619‰ auf. Das Pfeilverhältnis f/L
Durch die angestrebte gestreckte Linienfüh- beträgt für beide Bögen 1/3,26. Die Ver­
rung ergab sich aufgrund der ­Topographie bindungslinie der vier Bogenkämpfer ist
(breites Tal mit zahlreichen Quertälern) die gerade, verläuft jedoch nicht parallel zum
Notwendigkeit, weitgespannte Talübergänge Fahrbahntragwerk. Die beiden Verhält­
zu schaffen. Anstatt der ursprünglich beab- nisse hScheitel /L bzw. hScheitel  /hKämpfer sind
sichtigten Stahlbrücken wurden schließlich, für beide Bögen gleich, ebenso die Hö­
nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Erwägun- henverläufe der beiden Bögen sowie die
gen, Beton-Bogenbrücken ausgeführt. Die Stützenabstände über den Bögen. Durch
hier beschriebene Falkensteinbrücke, eine diese einfachen geometrischen Analogien
Brücke mit zwei Bögen (Spannweiten: 150 werden die beiden Bögen als eine un­
und 120 m), ist eines der Bauwerke aus einer trennbare Einheit empfunden, diese wird
aus sechs Bogenbrücken bestehenden „Brü- durch die alte Burg Falkenstein noch ver-
ckenfamilie“. Bei all diesen Brücken wurde stärkt.
darauf Wert gelegt, Bauwerke zu schaffen, Soweit wie möglich wurden alle Kon-
die bestmöglich mit der Landschaft harmo- struktionsteile monolithisch verbunden.
nieren und sich dem Betrachter nicht auf- Die Bogenscheitel wirken als Fixpunkte des
drängen. Dies war eine Vorgabe, die durch Gesamtsystems, Fahrbahnübergänge sind
den ­Bogen bestens erfüllt werden konnte. an den Brückenenden und über dem Trenn-
Beton-­Bogenbrücken dieser Bauart sind pfeiler angeordnet. Die Bögen weisen zwei-
derart robuste Systeme, dass sie den heuti- zellige Kastenquerschnitte auf. Sie sind an
gen Anforderungen an die Gebrauchstaug- den Kämpfern eingespannt. Diese sind
lichkeit voll gewachsen sind. flach gegründet. Das Fahrbahntragwerk
Aufgrund seiner besonderen Form läuft zwischen den Fahrbahnübergängen
konnte der Doppelgraben nur durch zwei fugenlos durch. In den Bogenbereichen
Bögen überbrückt werden. Ein besonderes wurde ein vierstegiger Plattenbalkenquer-
3.8 Ausgewählte Brücken 227

schnitt gewählt, in den Vorlandbereichen Die Bögen wurden mit freitragenden


musste dieser wegen der deutlich größeren Lehrgerüsten des Systems Cruciani einge-
Stützweiten zu einem dreizelligen Kasten- rüstet. Durch den schrittweisen Aufbau des
querschnitt ergänzt werden. Tragwerk und Bogenquerschnitts und durch die konse-
Bögen sind nicht miteinander verschmol- quente Ausnützung der Verbundwirkung
zen. Für die schlanken Stützen wurden zwischen dem Lehrgerüst und den bereits
zweizellige Kastenquerschnitte gewählt. erhärteten Betonteilen konnten die Lehrge-
Alle Stützen sind mit dem Tragwerk und rüste sehr sparsam dimensioniert werden.
den Bögen bzw. Fundamentkörpern biege- Die Bauzeit für die Brücke betrug ca. 20
steif verbunden. Die Fundamente der Vor- Monate.
landstützen mussten auf Brunnen gegrün-
det werden.
228 3 Entwurf

3.8.7 Le Pont de Brotonne, Frankreich

Jacques Mathivat

Maître d’Ouvrage:
Direction Départementale de l’Equipement de
Seine Maritime

Conception et Exécution:
Entreprise Campenon Bernard

Achevé en:
1977

Le Pont de Brotonne est situé sur la Seine, La suspension axiale de l’ouvrage est réa-
à 35 Km en aval de Rouen, à Caudebec en lisée au moyen de 21 haubans, disposés en
Caux. Achevé en 1977, il fut le premier pont semi-éventail, ancrés aux deux extrémités
en béton à haubans multiples répartis et dans le tablier au point de concours de la
constitua pendant plusieurs années le re- triangulation intérieure et déviés en tête des
cord mondial de ce type d’ouvrage avec une deux pylônes par des selles d’appui formant
portée centrale de 320 m. Il ne comporte point fixe. A la traversée des pylônes un
pas de piles en rivière et dégage un gabarit double gainage est prévu afin de permettre
sous tablier de 50 m de hauteur afin de per- le remplacement des haubans en cas de
mettre la navigation de navires de fort ton- ­nécessité. Les ancrages des haubans dans le
nage entre Le Havre et Rouen. tablier sont écartés de 6 m.
L’ouvrage est continu sur toute sa lon- Les haubans sont constitués des câbles
gueur à l’exception d’un joint de dilatation de précontrainte comportant 39 à 60 torons
disposé en cantilever entre l’ouvrage princi- protégés à l’intérieur de tubes métalliques
pal et le viaduc d’accès rive gauche. Les por- injectés au coulis de ciment. Des amortis-
tées de l’ouvrage principal sont respective- seurs hydrauliques sont installés au voisi-
ment 143,5 m – 320 m – 143,5 m et les por- nage de l’attache des haubans sur le tablier
tées courantes des viaducs d’accès sont de manière a éviter leur vibration.
égales à 58,5 m. Les pylônes verticaux, en béton armé,
Le tablier, de hauteur constante égale à sont encastrés dans le tablier qu’ils sur-
3,8 m, est constitué d’une poutre tubulaire plombent de 70 m.
monocellulaire en béton précontraint, à Les piles principales, également en béton
deux âmes inclinées, raidie par une triangu- armé, sont fondées sur des colonnes cylin-
lation intérieure permettant de reprendre driques de 12,5 m de diamètre ancrées à
les efforts concentrés dus au haubanage. Sa 35 m de profondeur dans le calcaire.
largeur est égale à 19,2 m. Il est encastré Le tablier a été construit par encorbelle-
élastiquement sur les piles principales par ments successifs au moyen de voussoirs de
l’intermédiaire d’une couronne d’appareils 3 m de longueur bétonnés en place à l’inté-
d’appui en néoprène et repose simplement rieur d’équipages mobiles, les âmes incli-
sur les autres piles et culées. nées étant préfabriquées.
3.8 Ausgewählte Brücken 229
230 3 Entwurf

3.8.8 D onaukanalbrücke in Wien, Österreich

Alfred Pauser

Bauherr:
Bundesministerium f. Bauten u. Technik/Stadt
Wien, Magistratsabteilung 29
Entwurf und Detailplanung:
Ingenieurbüro A. Pauser, Wien
Ausführung:
Arbeitsgemeinschaft A. Porr AG – Auteried &
Co, Wien
Bauzeit:
1973–1975

Am Rande Wiens kreuzt die stadtwärts Längsverschub einer Innenschalung zur


führende zweispurige Richtungsfahrbahn Ergänzung der Fahrbahnplatte.
der Flughafenautobahn den Donaukanal Nach Aufbringen einer Teilvorspannung
unter einem Winkel von 45°. Strenge Rand- im Träger, Montage der Seile und deren
bedingungen zwangen zur Ausführung ei- teilweisen Vorspannung erfolgte zuerst das
nes parallelgurtigen Tragwerkes mit einer Eindrehen der rechtsufrigen Tragwerks-
Schlankheit von l/h = 42. Es bot sich daher hälfte. Sodann wiederholten sich die ge-
die Vorkehrung einer symmetrischen, ein- schilderten Vorgänge auch am gegenüber-
strängigen Abspannung an. liegenden Kanalufer. Die baulichen Maß-
Das Tragwerk ist in Längsrichtung – im nahmen für das Eindrehen mussten auf die
Bereich der Pylon- und Abspannquerträger äußerst beschränkte Lastabtragungsfläche
auch in Querrichtung – vorgespannt. Die Rücksicht nehmen. Es lag nahe, sich das
Abspannung besteht aus verschlossenen Prinzip des altbekannten Sandtopfes zunut-
Seilen mit 72 mm Durchmesser, die in ze zu machen. Das Montagedrehlager mit
Gruppen zu jeweils 8 Stück einen Strang einem Durchmesser von 1,6 m (Elastomer/
bilden, der am Pylonkopf über einen Seil­ PTFE-Scheibe in der Gleitpaarung mit ei-
sattel aus Stahlguss geführt wird. Beschrän- ner polierten Stahlplatte auf einem sand­
kungen durch die Aufrechterhaltung der gelagerten Betonstempel) hatte bei einer
Schifffahrt führten, unter Ausnützung der Beanspruchung des Quarzsandes mit 2 kN/
Abspannung, zur Überlegung, die beiden cm2 nicht nur eine Last von 40 MN abzutra-
Brückenhälften entlang der Ufer herzu­ gen, sondern musste darüber hinaus auch
stellen und einzudrehen. Der nur in einer die Absenkung (durch teilweises Absau-
Breite von ungefähr 5 m zur Verfügung ge- gung des Sandes) auf ein nachträglich ein-
standene Uferstreifen wurde zur Ausfüh- geschobenes, eng stehendes Lagerpaar er-
rung eines zentralen Ortbetonkastens ge- möglichen. Das Eindrehen einer Tragwerk-
nützt. Die seitlich auskragenden und zu- shälfte benötigte bei einer Initialkraft von
rückverhängten Fertigteilplatten dienten nur 150 kN kaum 3 Stunden. Als sehr vor-
gleichzeitig der Abstützung und dem teilhaft erwies sich eine für den gegebenen
3.8 Ausgewählte Brücken 231

2,80 + 0,24

23 m
55 m 119 m 55 m

5
5,4,90
4 45 AL
5, AN

Schlussstück
provisorisches Drehlager UK
NA
DO

15,80
Verschubbahn

seitl. ausgestellte Fertigteilpl.


provisorische

Ortbetonzelle auf Rüstung


1m
11

1,10 15,30 1,10 2,15


Drehachse

18,00

5,00
Quervorspannung
13,30
1,55
0,24

2,80 Neoprene
5,26

PTFE-Platte
2,26

4,90 Stahlplatte
Abhängeträger Betonstempel
Quarzsand

4,20 2,20

Zweck vorgenommene Abwandlung des genschluss, das Einfädeln der Kontinuitäts-


Taktschiebeverfahrens nach Leonhardt/ kabel und die abschließenden Spannar-
Baur. Nachdem beide Tragwerkshälften in beiten.
ihrer Endposition waren, erfolgten der Fu-
232 3 Entwurf

3.8.9 M angfallbrücke, Deutschland

Herbert Kupfer

Bauherr:
Autobahndirektion Südbayern
Entwurf:
U. Finsterwalder,
DYWIDAG München,
architektonische Beratung G. Lohmer
Ausführung:
Dyckerhoff & Widmann, NDL München
Bauzeit:
1957–1959

Die Autobahnbrücke über das Mangfalltal verstärkt auch den Eindruck der Schlank-
auf der Strecke München – Salzburg wurde heit der Konstruktion. Der architektonische
erstmals 1934–36 als dreifeldriger stähler- Berater Finsterwalders war Gerd Lohmer.
ner Vollwandträger errichtet, 1945 durch Die Bodenplatte ist in den mittleren Be-
Sprengung des westlichen (Münchner) reichen der drei Felder durch elliptische
Pfeilers zerstört, 1946–49 als Stahlbehelfs- Öffnungen unterbrochen.
brücke (SKR-Stahlfachwerkkonstruktion) Die Kräfte der Füllstäbe nehmen ent-
wieder aufgebaut und 1957–59, wie im fol- sprechend dem Querkraftverlauf zu den
genden beschrieben, als Spannbetonfach- Auflagern hin zu. Um die Querschnitte der
werkbrücke im freien Vorbau nach dem Füllstäbe den Stabkräften anzupassen und
Entwurf von Ulrich Finsterwalder unter damit unnötige Maßen und Eigengewichte
Verwendung der alten Pfeiler und Widerla- zu vermeiden, nehmen auch die Breiten der
ger neu errichtet. Die Behelfsbrücke wurde Füllstäbe – in Brückenquerrichtung gemes-
zu diesem Zweck vorher seitwärts auf Hilfs- sen – zu den Auflagern zu. Dabei sind aber
pfeiler verschoben. die Ansichtsflächen der beiden Fachwerk-
Die Wahl einer Fachwerkkonstruktion träger eben ausgebildet.
ermöglichte die Unterbringung eines Fuß- Die Brücke wurde nach dem Dywidag -
und Radweges auf dem Unterdeck des Par- Spannverfahren mit Spannstäben von
allelträgers mit großartigen Ausblicken auf 26 mm Durchmesser aus Sigma-Stahl
das schöne, 60 m tief eingeschnittene Mang­ 80/105 vorgespannt.
falltal. Beim freien Vorbau wurden die 6 m lan-
Die Füllstäbe des parallelgurtigen Fach- gen Vorbauabschnitte in zwei Teilen beto-
werks sind gekreuzte Diagonalen und Ver- niert und vorgespannt, wobei der erste Teil
tikalen mit in der Ansicht konstanter Dicke, (Untergurt, untere Hälfte der steigenden
so, dass der dreifeldrige Fachwerkträger Diagonale und ganze fallende Diagonale)
von L = 90 + 108 + 90 = 288 m Länge und sich bereits bei der Abtragung der Frischbe-
6 m Bauhöhe als ein völlig gleichmäßiges, tonlast des zweiten Teils (obere Hälfte der
ästhetisch sehr ansprechendes Band er- steigenden Diagonale, Vertikale, Obergurt
scheint. Die Gleichmäßigkeit dieses Bandes mit Fahrbahnplatte) beteiligt.
3.8 Ausgewählte Brücken 233

Die Brücke wurde – vom Münchner Wi- auf 6 Spuren zuzüglich Standstreifen erfor-
derlager aus – in einer Richtung bis zum derte auch eine Verbreiterung der Mang-
Salzburger Widerlager frei vorgebaut, wo- fallbrücke. Dazu wurde von 1977 bis 1979
bei es notwendig war, vorübergehend Zwi- ein zweiter Überbau neben dem bestehen-
schenstützen anzuordnen, die nach Been- den errichtet und nach Umlegung des Ver-
digung des Baues wieder entfernt wurden. kehrs die Fachwerkbrücke von 1980 bis
4 Zwischenstützenpaare waren im ersten 1981 umgebaut. Bei dieser Gelegenheit
Feld, 3 Zwischenstützenpaare in der zwei- wurde auch der Erhaltungszustand des
ten Hälfte des Mittelfeldes und 2 Zwischen- Bauwerks eingehend untersucht und nahe-
stützenpaare in der zweiten Hälfte des End- zu für mängelfrei befunden. Außerdem
feldes erforderlich. wurde die Brücke an eine neue Einteilung
Die Verbreiterung der Bundesautobahn der Fahrspuren mit erhöhten Lasten ohne
zwischen München und dem Inntaldreieck Verstärkungsmaßnahmen angepaßt.
234 3 Entwurf

3.8.10 The Normandie Bridge, Frankreich

Michel Virlogeux

Concept, Design:
Michel VIRLOGEUX (SETRA at the time),
Bonnelles
Architect:
Charles LAVIGNE (Vanves)
Project:
SETRA + SOFRESID (Jean-Claude FOUCRIAT)
+ SOGELERG +QUADRIC + INGEROP + CSTB
Owner:
Contractors:
Chambre of Commerce et d’Industrie du Havre
Campenon Bernard, Bouygues, SOGEA, GTM,
Project Manager: Dumez, Spie Batignolles, Quillery
Bertrand DEROUBAIX
(Direction Départementale de l’Equipement de Construction period:
Seine Maritime) 1989–1995

When the construction of the Normandie sion was made to cross the estuary without
Bridge was considered for the first time as any pier in the river.
early as 1973–1979, this took place within The final design was developed from
the scope of a local project as an alternative 1986–1988 and though the longest cable-
route to Paris – since the le Havre region stayed span at the time was only 465 metres
and harbour could not be totally dependent (Alex Frazer Bridge, Canada), it was de-
on the Tancarville Bridge – and as a new cided to prefer a cable-stayed bridge to a
link with western France. But before being suspension bridge for economical reasons
built it was integrated as a key element of but also to avoid large anchorage blocks in
the A 29 motorway which links Calais and the flat landscape of the estuary. The main
the Channel Tunnel to the French western span of 856 m was a large step forward in
coast, down to Nantes, Bordeaux and the design of cable-stayed bridges and held
Spain. the world record from January 20, 1995 to
The bridge crosses the river Seine estu- May 1, 1999 when the Tatara Bridge was
ary a few kilometres upstream from le opened.
Havre. A first project (1976–1979) consist- The Normandie Bridge is designed as a
ed of three different structures, a central unique, continuous structure with a length
cable-stayed bridge with an access viaduct of 2142 m without any intermediate expan-
on each side; with a main span (510 m), the sion joint. The design has been mainly ori-
bridge had several supports in the river in- ented to resist wind forces and for aerody-
cluding the north pylon and end-pier of the namic stability: the deck is a stream-lined
cable-stayed bridge. After several bridges box-girder directly inspired by English sus-
had collapsed due to a ship collision a deci- pension bridges; it is supported by two
3.8 Ausgewählte Brücken 235

COUPE TRANSVERSALE
TRAVEE PRINCIPALE

Elévations Pylone
PONT DE NORMANDIE

COUPE LONGITUDINALE

VIADUCS D’ACCES

planes of cable-stays which concentrate in and with an orthotropic box-girder in the


the pylon heads; the pylons have the shape central part of the main span for economi-
of an inverted Y, the most efficient design to cal reasons but also to take advantage of the
resist transverse wind forces; and the deck concrete weight to distribute back-staying
is rigidly connected to pylons to limit verti- action between all rear cables.
cal and transverse deflections induced by The global concept as well as shapes and
wind. details aim at elegance and slenderness
The bridge is a composite structure with through a structural design.
concrete access spans on multiple supports
236 3 Entwurf

3.8.11 Rheinbrücke Bendorf, Deutschland

Herbert Schambeck

Konzept:
Ulrich Finsterwalder

Entwurf:
Arbeitsgemeinschaft
Dyckerhoff & Widmann KG (Überbau)
Grün & Bilfinger AG (Unterbau)

Architektonische Beratung:
Gerd Lohmer, Köln

Ausführung:
Arbeitsgemeinschaft
Dyckerhoff & Widmann KG,
Bauherr: Grün & Bilfinger AG
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch
Straßenverwaltung Rheinland – Pfalz Bauzeit:
Straßenneubauamt Vallendar 1962–1965

Der Rhein wird in Bendorf bei Koblenz von als Konstruktion „aus einem Guss“ – also
einer ca. 1000 m langen und ca. 31 m brei- Pfeiler, Widerlager und gesamter Überbau
ten Autobahnbrücke überquert. Haupt- aus dem Baustoff Beton zu errichten. Und
blickpunkt des Bauwerks ist der 528 m dazu kam der Mut der Verwaltung, mit die-
lange östliche Brückenbereich, in dem die ser Spannweite bis in den technisch und
208 m weite Mittelöffnung über dem Haupt- gestalterisch sinnvollen Grenzbereich die-
strom von einer Deckbrücke mit stark ver- ser Bauweise vorzustoßen und damit einen
änderlicher Trägerhöhe überbrückt wird. Beitrag zu Weiterentwicklung des noch
Zusammen mit dem im Westen nahtlos an- jungen Spannbetons zu leisten. Die Breiten-
schließenden, ca. 500 m langen schlichten wirkung dieser zu ihrer Zeit weitestge-
Parallelträger entsteht so ein Prototyp einer spannten Beton-Deckbrücke war enorm:
großzügigen, anspruchsvoll gestalteten seitdem wurden nach diesem in Deutsch-
Überquerung eines Strombettes. land entwickelten System weltweit hunder-
Bei einer Ausschreibung für dieses Bau- te von Brücken (besonders in Japan) mit
vorhaben hat sich 1961 im freien Wettbe- Spannweiten bis zu etwa 250 m gebaut.
werb der Entwurf einer im freien Vorbau Die wesentlichen Merkmale der Rhein-
errichteten Spannbetonbrücke gegenüber brücke Bendorf:
dem Verwaltungsentwurf einer Stahlbrü-
cke durchgesetzt. Maßgebend für die Ver- • Ein Kasten mit stark veränderlicher Bau-
gabe waren der deutlich niedrigere Ange- höhe (4,4 m in Feldmitte, 10,5 m über
botspreis, der Hinweis auf ca. 50 Bauwerke, den Hauptpfeilern, 3,3 m an den Brücke-
die seit 1950 weltweit nach dem gleichen nenden und beim anschließenden west-
Bausystem errichtet worden waren und si- lichen Parallelträger), monolithisch ver-
cher auch der Reiz, ein so großes Bauwerk bunden mit den schlanken (nur 2,8 m
3.8 Ausgewählte Brücken 237

dicken) Scheiben der Hauptpfeiler. Den führte Spannglieder erreicht werden


ca. 31 m breiten Fahrbahnquerschnitt kann. – Die Erfahrung hat gezeigt, dass
bilden zwei jeweils 7,2 m breite einzellige die geschilderten Vorteile mit Nachtei-
Kästen mit durchgehender Längsfuge, len verbunden sein können: Die Durch-
mit 14,82 m Achsabstand und mit ent- biegungen der Kragarmspitzen in Feld-
sprechenden seitlichen Kragplatten. mitte können zu unerwünschten Abwei-
• An die 208 m weite Hauptöffnung schlie- chungen von der planmäßigen Fahr-
ßen beidseits verhältnismäßig kurze bahngradiente führen und die laufende
Nachbarfelder von 71 m an. Sie bewir- Wartung einer Überganskonstruktion
ken, dass das Mittelfeld in den Haupt- im freien Feld ist aufwendiger als über
pfeilerachsen nahezu starr eingespannt einem Pfeiler.
ist und deshalb die Durchbiegungen der • Im gesamten Bereich der Hauptöffnung
Konstruktion unter Verkehrslasten ent- und der beiden Nachbarfelder wird
sprechend klein bleiben. durch entsprechende Festlegung des
• Anordnung eines längsverschieblichen Verlaufs der Trägerunterkante erreicht,
Gelenks in Strommitte. Dieses Gelenk dass die Schubkraft in den Stegen und
ermöglicht eine minimale Trägerhöhe in damit auch die Dicke der Längsstege auf
Feldmitte und trägt damit zur Eleganz ganze Feldlänge konstant ist.
der Brücke bei. Es vereinfacht die Be-
rechnung, die Konstruktion und die Herstellung im freien Vorbau in Ortbeton-
Bauausführung, weil die statischen Be- bauweise von den 2,8 m dicken Pfeilerschei-
anspruchungen im Bauzustand (beim ben aus symmetrisch nach beiden Seiten
freien Vorbau) und im Endzustand ähn- ohne Hilfsstützen. Im Westen – über dem
lich sind. Hinzu kommt die klare Füh- Strom – nach dem Erreichen des Nach-
rung der Spannglieder bei einem Krag- barpfeilers Weiterführung des freien Vor-
träger: Nahezu alle Spannglieder liegen, baus in den 44 m weiten Nebenfeldern ohne
einfach und schnell montierbar, in der Hilfsstützen mit Hilfsabspannungen und
Fahrbahnplatte; die Stege bleiben frei Hilfspylonen. Für die beiden 44 m Felder im
von Spanngliedern und können ohne Osten war eine herkömmliche feldweise
Behinderungen betoniert werden. Es ist Herstellung auf Gerüst wirtschaftlicher.
dies derselbe Effekt, der durch extern ge-
238 3 Entwurf

3.8.12 Schrägseilbrücke Dubrovnik, Kroatien

Herbert Schambeck

Entwurf:
Dr.-Ing. E.h. Herbert Schambeck, Germany
Dipl.-Ing. Karl Sporschill, Innsbruck, Austria
Ausführungsplanung:
Structural Depart. of Civil Eng. Faculty Zagreb,
Dipl.-Ing Zlatko Savov, Dipl.-Ing- Veljko Lrpic
Ausführung:
Arbeitsgemeinschaft WALTER – BAU AG,
Germany und Konstruktor, Split, Croatia mit
Construzioni Cimolai Armando Spa, Italy
(Stahlbau) und DYWIDAG, Germany
(Litzenseile und Spannstahl)
Bauherr: Bauzeit:
Croatian Roads (National Road Authority) 1999–2001

Für den Brückenentwurf waren folgende Seite Split zwei Felder, die von der Haupt-
Vorgaben bestimmend: brücke abgetrennt sind und sich somit nicht
an deren Tragwirkung beteiligen.
• Die Schifffahrt erfordert eine lichte Höhe
1996, nach dem Krieg in Kroatien, be-
von 50 m und eine Hauptspannweite von
warb sich die WALTER BAU – AG um die
304 m, an die bis zum Widerlager Du-
Bauausführung und beauftragte die Ingeni-
brovnik 90 m und zum Widerlager Split
eure H. Schambeck und K. Sporschill mit
87 m anschließen.
der Überprüfung des vorliegenden Ent-
• Ein Radius über dem Ufer Split macht es
wurfs und Überlegungen zu Sondervor-
unmöglich, dort einen Pylon aufzustel-
schlägen. Dabei entstand der nachfolgend
len.
beschriebene Vorschlag, der schließlich zur
• Die Brücke ist sehr schmal (Nutzbreite
Auftragsvergabe führte. Der Entwurf hält
über dem Fluss = 12,1 m) und liegt in
alle Grundparameter ein und verwendet
einer Zone mit hoher seismischer Akti-
eine Idee, die bereits 1968 bei der von
vität (0,38 g) und hohen Windgeschwin-
DYWIDAG gebauten Mainbrücke Hoechst
digkeiten (Bora).
bei Frankfurt angewendet wurde: Vom
Nach diesen Kriterien stellte Z. Savor be- Pfeiler Split ragt ein 60 m langer Kragarm
reits 1989 einen Entwurf auf: Die 304 m in die Hauptöffnung, der im 87 m langen
Hauptöffnung wird von einem Stahlkasten- Randfeld rückverankert ist und an der
träger überspannt, der mit Schrägseilen an Kragarmspitze ein längsverschiebliches
dem am Ufer Dubrovnik stehenden, 163 m Auflager für den anschließenden 244 m-
hohen A-förmigen Pylon aufgehängt ist. Bereich erhält. Dadurch entstehen zwei
Beidseits der Hauptöffnung schließt Spann- verschiedene Brückenabschnitte:
beton an: Auf der Seite Dubrovnik das 90 m Im Schrägseilbereich vermindern sich
lange Rückverankerungsfeld und auf der die Auskragung auf ca. 80 % und die Krag-
3.8 Ausgewählte Brücken 239

momente in der Pylonachse auf ca. 64 %. Windkanalversuche an der RWTH


Die Pylonhöhe beträgt anstatt 163 m nur ­ achen haben dazu geführt, dass zur Er­
A
noch 142 m und für den Versteifungsträger höhung der Torsionssteifigkeit in Höhe der
kann auf seine ganze Länge eine Stahlver- Trägerunterkante ein Fachwerkverband
bundkonstruktion vorgesehen werden. Das eingezogen wurde.
führt insgesamt zu einer höheren Steifigkeit Der zweite Brückenbereich aus dem 60 m
und einer über die gesamte Brückenlänge Kragarm und dem 87 m Randfeld liegt in
durchlaufenden Betonfahrbahnplatte. Als einem Übergangsbogen mit Rmin = 212 m
Querschnitt wird ein 2,2 m hoher Platten- und verbreitert sich im Randfeld um ca.
balken mit 2 außen, in der Achse der Schräg- 4 m. Eine geeignete Konstruktion hierfür
seile liegenden Stahllängsträgern gewählt, ist ein einzelliger Hohlkasten aus Spannbe-
die durch Querträger verbunden sind und ton mit stark veränderlicher Trägerhöhe
an die schubfest die in Längsrichtung ge- (3,2 bis 8,2 m), biegesteif in den Pfeiler Split
spannte Fahrbahnplatte angeschlossen ist. eingespannt. Konstruktion und Bauverfah-
240 3 Entwurf

ren entsprechen dem weltweit bewährten


System des freien Vorbaus in Ortbetonbau-
weise.
Bindeglied beim Zusammenfügen dieser
beiden, für sich genommen optimal kon-
struierten Brückenteile zu einem funktio-
nierenden und optisch befriedigenden Ge-
samtbauwerk ist der Fugenbereich mit dem
Gelenk. Die Schwierigkeit der Aufgabe war
den Planern von Anfang an bewusst: Geo-
metrische Gestaltung des Übergangs vom
2,2 m hohen Stahlplattenbalken mit seinen
außen liegenden Trägern zum 3,2 m hohen,
schmalen Spannbetonkasten – Unterbrin-
gung der Lager und der Übergangskon­
struktion samt Möglichkeit der Besichti-
gung und Auswechslung. Dementsprechend
sorgfältig war die Detailbearbeitung dieses
Bereichs mit dem Ziel, für den Gelenk­
bereich denselben Sicherheitsstandard zu
erreichen wie für die Gesamtkonstruk­tion.
4 Querschnittsgestaltung

4.1 Querschnittsgestaltung kehrsfläche, die in der Regel durch eine


in Abhängigkeit von System Platte konstanter oder veränderlicher Dicke
gebildet wird (Fahrbahn bei Straßenbrü-
und Funktion cken, Geh- und Radweg bei Fußgänger-
Francesco Aigner und Radwegbrücken, Begrenzung des
und Thomas Petraschek Schottertrogs oder Tragelement für eine
feste Fahrbahn bei Eisenbahnbrücken)
und sind Bestandteil der Haupttragkon-
4.1.1 Allgemeines struktion oder diese selbst. Besonders
ausgeprägt ist die mehrfache Bedeutung
In diesem Abschnitt werden nur Quer- des „Tragwerks“ bei Brücken für beson­
schnitte der Fahrbahntragwerke betrach­ dere Verwendung, z. B. Rohrbrücken. Hier
tet. Tragkabel, Hänger, Pylon-, Bogen- und bildet das Tragwerk gleichzeitig den Ver-
Pfeilerquerschnitte bleiben unberücksich- kehrsweg, den Raumabschluss und das
tigt. Haupttragwerk. Somit kann der Trag-
Allgemein lassen sich vom Baustoff los- werksquerschnitt nur im Zusammenhang
gelöst drei unterschiedliche Typen von mit der übergeordneten Tragwerkskonst-
Querschnitten angeben: Die Platte, der ruktion gesehen werden. Es spielen bei der
Plattenbalken und der Kastenquerschnitt. Wahl und Festlegung des Querschnitts die
Durch schubfeste Kopplung längs der Ver- Stützweiten, die Tragwerksschlankheit h/l,
bindungskanten wirken die Einzelelemente die Tragwerksbreite, die Krümmungsver-
zu Gesamtquerschnitten zusammen. Durch hältnisse im Grundriss, die Größe der
Plattenwirkung, oder bei durchlaufenden Nutzlast und das Montagesystem eine ent-
Plattensystemen auch durch Gewölbewir- scheidende Rolle.
kung, werden konzentrierte Lasten verteilt. Da der gewählte Querschnitt nicht nur
Bei aufgelösten Querschnitten wie beim die Kosten für den Überbau, sondern auch
Plattenbalken oder beim Kastenquerschnitt das gesamte Erscheinungsbild einer Brücke
wirken diese Elemente gleichzeitig als maßgeblich beeinflusst, sind bei der Quer-
Druck- bzw. als Zugscheiben des Gesamt- schnittswahl außer technischen, betriebli-
querschnitts. Durch konsequente Ausnut- chen und wirtschaftlichen auch gestalteri-
zung der Vorteile der Grundformen lassen sche Überlegungen anzustellen. Durch
sich für Sonderfälle entsprechende Kom­ Ausnutzung von Hell-Dunkel- und Licht-
binationen und Sonderquerschnitte ent­ Schatten-Effekten, durch gezielte Farbge-
wickeln. bung bei Stahlbrücken bzw. Oberflächen-
Querschnitte der Fahrbahntragwerke gestaltung bei Betonoberflächen sowie
moderner Brücken erfüllen in der Regel durch entsprechende Ausbildung der Kap-
mehrere Aufgaben: Sie bilden den Raum- pen lassen sich die Tragwerke optisch auf-
abschluss, enthalten die eigentliche Ver- lockern und strecken.
242 4 Querschnittsgestaltung

Im Rahmen der Projektierung ist aus der stabile Querschnitte. Auch besondere An-
Bandbreite grundsätzlich in Frage kom- forderungen bezüglich des Temperaturver-
mender Querschnitte jener auszuwählen, laufs in der Fahrbahnplatte können Einfluss
der die Randbedingungen (hinsichtlich Ge- auf den Baustoff und die Querschnittsaus-
staltung, Kosten, Tragwirkung, Dauerhaf- bildung haben. Soll sich z. B. aus Gründen
tigkeit, eventuell Flexibilität) objektiv und der Verkehrssicherheit die Tragwerksplatte
subjektiv insgesamt am Besten erfüllt. Die einer Straßenbrücke bei Sonneneinstrah-
Wahl der Querschnittsart und -geometrie lung möglichst gleichmäßig erwärmen,
ist an bestimmte Vorgaben gebunden. wird man eine Betonplatte gegenüber einer
Durch die Nutzung ist die Querschnitts­ Stahlplatte bevorzugen und weit ausladen-
geometrie teilweise vorgegeben, z. B. Licht- de Konsolen vermeiden. Auch die Unter-
raumprofile bei Eisenbahnbrücken oder bringung von Versorgungsleitungen oder
Regelquerschnitte bei Straßenbrücken. Die der Brückenentwässerung kann für die
Nutzlasten von Eisenbahnbrücken sind in Querschnittsgestaltung von Bedeutung sein
der Regel um ein Vielfaches größer als jene (siehe Kapitel 10.5).
von Straßenbrücken. Wegen der kleinen Einige Planungsparameter sind von
einzuhaltenden Verformungen (Durchbie- vornherein gegeben, andere frei wählbar,
gungen, Endtangentenverdrehungen) erge- siehe Tabelle 4.1-1.
ben sich vor allem bei Bahnbrücken steife Von Bedeutung für die Querschnittsaus-
Tragwerke. Hingegen sind die Steifig- bildung sind der Betrieb, die Wartung und
keitsanforderungen der Straßenbrücken die Erhaltung. Vor allem bei Brückentrag-
und – vor allem – der Fußgängerbrücken werken des hochrangigen Straßen- und
geringer. Bei letzteren ist wegen der Mög- Bahnnetzes besteht die Notwendigkeit,
lichkeit, weiche Tragwerke mit geringer auch bei größeren Instandsetzungsarbeiten
Masse auszubilden, das Schwingungsver- eine dauernde Aufrechterhaltung des Ver-
halten zu berücksichtigen. Versteifungsträ- kehrs, allenfalls mit Einschränkungen der
ger weit gespannter Schrägkabel- oder verfügbaren Fahrspuren und Geschwindig-
Hängebrücken erfordern – schon mit Rück- keitsbegrenzungen zu gewährleisten. Dies-
sicht auf die Bauzustände – aerodynamisch bezüglich sind nicht durchlaufende Trag-

Tabelle 4.1-1   Vorgegebene Planungsparameter bei der Querschnittsgestaltung


Vorgabe Beispiele Änderungen möglich
Nutzung Straße, Bahn, Fußgänger, nein
Rohrgut
Konstruktionshöhe, Höhenverlauf – in Grenzen
Lichtraumprofile, Mindestabstände – nein
Leiteinrichtungen Leitschienen usw. nein
Lärmschutz Lärmschutzwände fallweise
Material Stahl, Beton, Verbund, Holz meistens ja
Bauverfahren – ja
Höhenlage der Nutzfläche FBOK, SOK nein
Gestaltung der Kappen Farbe, Detailausbildung in Grenzen
4.1 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit von System und Funktion 243

werke günstiger als durchlaufende. Sie wei- staltung gegeben. Bei Brücken mit kleinerer
sen jedoch eine Reihe von statischen und Stütz­weite sollte die sichtbare Fläche des
betrieblichen Nachteilen auf und sind im Konstruktionsbandes des Überbaus, die
Wesentlichen auf Tragwerke aus Spann­ durch die Wahl eines bestimmten Quer-
beton-Fertigteilen beschränkt. Muss bei schnitts definiert wird, zu den sichtbaren
breiteren Brücken wie z. B. für Autobahnen Flächen des Widerlagers in ein optimales
oder für mehrgleisige Bahnstrecken un­ Verhältnis gesetzt werden. Damit lässt sich
bedingt stets mindestens ein Tragwerk voll der Eindruck vermeiden, dass der Überbau
verfügbar sein, ist eine Trennung in zwei ohne besondere Anschlusskonstruktion
Einzelbrücken mit dazwischenliegender, aus dem Gelände oder dem Damm heraus-
durchgehender Längsfuge trotz ihrer wächst (bei Durchlaufkonstruktionen tritt
Nachteile unverzichtbar. In diesem Fall dann allerdings der Einfluss des Wider­
kann im Bedarfsfall der gesamte Verkehr lagers gegenüber der Gesamtkonstruktion
über eine der beiden Brücken geführt zurück und der Linieneindruck des Über-
werden. baus überwiegt). Um eine wuchtige Wir-
Durch die Wahl eines bestimmten Trag- kung einer Konstruktion etwas zu mildern,
werktyps hinsichtlich Baustoff und Gestal- eignet sich vor allem eine Oberflächenmi-
tung wird damit der Charakter der Brü- nimierung durch die Wahl geeigneter,
ckenkonstruktion bestimmt. Der Entwer- kompakter Querschnitte. Schließlich kann
fende muss sich bewusst sein, dass Brücken man durch die Wahl des Querschnitts für
in höchstem Maße die Landschaft gestal- den Betrachter auch den inneren Kraftfluss
tende Bauwerke sein können, d. h., dass er des Bauwerks verdeutlichen.
mit seiner Brücke die Umwelt unwiderruf- Brücken des Stadtstraßen- und Stadt­
lich verändert, weshalb die Einpassung sei- eisenbahnhochbaus im dicht besiedelten
nes Bauwerks im Gelände mit größter Sorg- städtischen Raum stehen im Blickpunkt der
falt erfolgen sollte. Ein Querschnitt kann Öffentlichkeit. Deren Ausführung greift
unpassend wirken, indem er z. B. auf einen spürbar in die Architektur der Stadtland-
Betrachter einen zu hohen oder auch zu schaft ein. Hier stellt fallweise auch die
wuchtigen Eindruck hinterlässt. Auch kann Tragwerksuntersicht ein nicht unerhebli-
dieser der zu erfüllenden Funktion oder ches Gestaltungsmerkmal dar. In der An-
auch seinem Standort nicht angemessen sicht ist vor allem die Querschnittshöhe
sein. Möglichkeiten dafür gibt es genügend. von Bedeutung. Der optische Eindruck von
Dies kann dann allerdings auch nicht im- Lärmschutzeinrichtungen ist hier unbe-
mer erwünschte Auswirkungen hervorru- dingt zu berücksichtigen, ebenso die von
fen, vor allem wenn es z. B. so wichtige und der Querschnittsform abhängigen Unter-
sensible Bereiche wie die Verkehrssicher- bauten. Diese Aufbauten erfordern oft ein
heit betrifft. So darf ein Fahrzeuglenker von Tragwerk mit besonders niedrigem Quer-
einer besonders interessanten (Brücken‑) schnitt. Ein durchsichtiger („transparen-
Konstruktion keinesfalls vom Verkehrsge- ter“) Querschnitt trägt spürbar zur opti-
schehen abgelenkt werden. Somit kommt schen Schlankheit des Tragwerks bei.
dem Entwerfendem eine besondere Verant- Schließlich kann ein gestalterisch versierter
wortung zu, die ein großes Maß an Fach- Ingenieur oder Brückenarchitekt Funktion
wissen und Einfühlungsvermögen erfor- und Gestaltung zu einer Einheit zusam-
dert. Zu Fragen der Gestaltung wird auf menfügen und eine Brücke so gestalten,
Kapitel 3 und [Leonhardt, 1982] verwiesen. dass sie – ohne sich aufzudrängen – auch
Im Folgenden werden stellvertretend einige im sensiblen innerstädtischen Bereich
einfache Beispiele für eine gute Brückenge- ­positive Akzente setzt.
244 4 Querschnittsgestaltung

Mit der Eigenlast und einer Gegenüber- 4.1.2 Allgemeine Erläuterungen


stellung des Nutzlastanteils an der Gesamt- zu den Hauptquerschnittstypen
last erhält man eine Charakteristik der
strukturellen Effizienz des Querschnitts. 4.1.2.1 Platte
Hier lässt sich die Beanspruchbarkeit aus
Eine Platte ist ein dünnwandiges Flächen-
dem Nutzlastanteil durch den Grad einer
tragwerk mit ebener Mittelfläche und Belas-
Querschnittsauflösung in Grenzen beein-
tung quer dazu. In der Praxis werden auch
flussen. Biege-, Torsionssteifigkeit, Verfor-
Platten mit Konsolen oder Platten mit ge-
mungs- und Langzeitverhalten sind mit der
krümmter Unterfläche dazugezählt. Durch
Wahl des Baustoffs und der Querschnitts-
die Dünnwandigkeit kann ein Ebenbleiben
geometrie festgelegt. Ist man in der Höhe
der Quer­schnitte angenommen werden. Bei
nicht eingeschränkt, so wird man im All­
hinreichend dünnen Platten kann die
gemeinen die Bauhöhe nicht zu knapp
Schubverzerrung vernachlässigt werden.
wählen, um z. B. bei Betonbrücken mit we-
Die Durchbiegungen werden sehr klein im
niger Bewehrung ein steiferes Tragwerk zu
Vergleich zur Dicke vorausgesetzt.
erhalten.
Die Abgrenzung zum Balken ist mit
Jeder Baustoff hat typische optimale
b/l ≥ 1 / 5 festgelegt. Unterhalb dieses Wer-
Querschnittsformen und nicht jeder Bau-
tes stellt sich keine Plattenwirkung mehr
stoff und Querschnitt ist für jede Spannwei-
ein und man spricht dann von einem Bal-
te sinnvoll anwendbar. Für kleine Spann-
ken. Dessen Lastabtragung erfolgt ein­
weiten, besonders aber auch für unregel-
achsig.
mäßige Grundrissformen oder aber auch
für eine möglichst flexible Nutzung der Anwendung
Verkehrsfläche sind herstellungstechnisch Der Plattenquerschnitt wird eingesetzt für:
einfache Querschnitte, z. B. massive Plat-
ten, ausnahmsweise Stahlgrobbleche, wirt- • Brücken geringer bis mittlerer Stütz­
schaftlicher als komplizierte, leichte, in der weite („Plattenbrücken“: Brückentrag­
Herstellung aufwendige Querschnitte. Im werk ≡ Fahrbahn)
Großbrückenbau bestimmen heute im er- • Durchlässe, Unterführungen (breite
heblichen Maße das für den jeweiligen Bauwerke)
Querschnitt mögliche Fertigungsverfahren • Bogenbrücken: Fahrbahntragwerke und
die Kosten und damit die Wirtschaftlich- kleinere Bogen
keit. Hier müssen auf jeden Fall die Wahl • Fahrbahntragwerke und Stiele bei klei-
des Querschnitts und die betriebliche Fer- neren Rahmenbrücken
tigung immer im Zusammenhang gesehen • Spannbandbrücken
werden, denn nicht alle eignen sich für • Als raumabschließendes und statisch
eine industrielle Herstellung, und Lohn- wirksames Element bei aufgelösten
kosten sind noch immer höher als Material­ Querschnitten (Plattenbalken, Kasten-
kosten. querschnitt, Sonderquerschnitte)
Auch bei Einhaltung aller aufgezählten
Vorgaben bleibt doch genügend Spielraum Eigenschaften
für individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, Günstige Eigenschaften von Plattentrag-
weshalb auch jede sorgfältig gestaltete Brü- werken:
cke ein individuelles Bauwerk darstellt. • Lassen sich leicht an beliebige Grund-
rissformen anpassen wie z. B. Aufwei-
tungen, Verengungen, schiefwinklige
Platten
4.1 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit von System und Funktion 245

• Erlauben die größten Schlankheiten li /h


(li: Abstand der Momentennullpunkte
für ständige Einwirkungen)
• Erlauben beliebige Breiten b
• Beachtliche Tragreserven infolge Mem-
branwirkung bei durchlaufenden Platten­
systemen
• Zweiachsige Lastabtragung bei konzen­
trierten Lasten (Radlasten)
• Gleiches Verhalten gegenüber positiven
und negativen Momenten
Ungünstige Eigenschaften von Plattentrag-
werken:
• Begrenzte Stützweiten
Bild 4.1.2-1   Quertragwirkung eines Plattenbal­
• Bei sehr schlanken Tragwerken können kens aus Beton
die Langzeitdurchbiegungen infolge
ständiger Einwirkungen zum Problem
werden, besonders an den freien Rän-
widerlagern angeordnet, oft aber nicht im-
dern (Eigenlast, Randbalken)
mer auch an den Innenstützen. Charakte-
ristisch für Plattenbalkenbrücken sind die
4.1.2.2 Plattenbalken vergleichsweise geringe Drillsteifigkeit so-
wie die ungünstige Tragwirkung gegenüber
Der Plattenbalken besteht aus einer von der
negativen Biegemomenten. Größere Ände-
Bauart abhängigen Anzahl n von „Stegen“
rungen in der Fahrbahnbreite, die nicht
(n ≥ 1) und einer mit diesen schubfest ver-
durch einfache Verbreiterung der Platten-
bundenen Platte. Die Stege dienen der
konsolen bewerkstelligt werden können,
Querkraftübertragung und der Erzielung
sind konstruktiv aufwendig (Verziehung
einer ausreichenden statischen Höhe d. Die
oder Anordnung zusätzlicher Stege).
Platte hat raumabschließende Funktion,
wirkt für die Haupttragwirkung als Gurt-
Eigenschaften
scheibe und verteilt durch Plattenwirkung
Günstige Eigenschaften von Plattenbalken-
die Querbelastung (Radlasten, verteilte
tragwerken:
Flächenlasten) auf das Haupttragsystem
(Lastabtragung durch Biegemomente und • Die Gurtplatte übernimmt mehrere
Querkräfte). Die durch die Biegesteifigkeit Funktionen
der Platte stets vorhandene Quertragwir- • Geringe Torsionssteifigkeit: es werden
kung lässt sich durch Querscheiben oder nur kleine (Zwangs-)Torsionsmomente
Querrahmen im Feldbereich (in l/2 oder l/3, aufgebaut → für schiefwinklige Lage-
mehr Querscheiben bringen keine nennens- rung gut geeignet, schont die Lager
werte Verbesserung) wirksam erhöhen. Da- • Bei Ausbildung als Trogbrücke sind sehr
durch werden alle Hauptträger durch eine geringe Bauhöhen prinzipiell möglich,
Trägerrostwirkung zur gemeinsamen doch soll diese Konstruktionsart nur in
Lastabtragung gezwungen (Bild 4.1.2-1). zwingenden Ausnahmefällen vorgese-
Aus baupraktischen Gründen versucht hen werden
man mit möglichst wenig Querträgern aus- • Es sind wesentlich größere Spannweiten
zukommen. Stets werden sie an den End­ als bei Platten erreichbar
246 4 Querschnittsgestaltung

Ungünstige Eigenschaften von Platten- auch stärker gekrümmte oder schief-


balkentragwerken: winklig gelagerte Tragwerke möglich
• Für die Aufnahme positiver und negati-
• Keine volle Mitwirkung der Gurtplatte
ver Momente gleichermaßen geeignet
bei Biegung mit Querkraft („mitwirken-
• Vergleichsweise geringe Biegespannun-
de Breiten“)
gen aufgrund großer Kernweiten
• Innerlich statisch unbestimmt (Tor­
• Einbauten sind möglich und geschützt
sionssteifigkeit der Stege, Mitwirkung der
(frei liegende Spannglieder; Rohrleitun-
Platte, unklare Verhältnisse durch das
gen, wegen Explosionsgefahr dürfen
­unterschiedliche Abfallen der Biege- und
aber Gasleitungen nicht im Kasteninne-
Torsionssteifigkeit im Traglastzustand)
ren verlegt werden)
• Geringe Torsionssteifigkeit: „weicher“
• Auch für sehr große Spannweiten geeig-
als Platte oder Kasten (Gebrauchslas-
net
ten), geringe Querverteilung, größere
Durchbiegungen infolge Verdrehungen Ungünstige Eigenschaften von Kastentrag-
• Für stärker gekrümmte Tragwerke weni- werken:
ger geeignet • Keine volle Mitwirkung der Platte
bei Querkraftbiegung („mitwirkende
Breite“)
4.1.2.3 Der Kastenquerschnitt
• Große Torsionssteifigkeit: es können
Der Kastenquerschnitt ist geeignet für mitt- große (Zwangs‑)Torsionsmomente auf-
lere bis große Stützweiten, wie sie bei Bal- gebaut werden (Lagerkörper)
kenbrücken und Rahmenbrücken vorkom-
men können. Ebenfalls einen Kastenquer-
schnitt erhalten größere Druck- und Biege- 4.1.3 Querschnitte für Straßenbrücken
druckglieder, wie hohe Pfeiler, Stiele und
Wichtigstes Planungskriterium sind die in
Tragwerke von Rahmenbrücken, Bogen
den Regelwerken, z. B. RVS, RAS usw., fest-
und eventuell auch Fahrbahntragwerke von
gelegten Regelquerschnitte für Brücken-
Bogenbrücken. Dem Vorteil einer guten
bauten. Je nach Straßentyp beträgt die
Materialausnutzung steht unter anderem
Fahrstreifenbreite 3,50 m (Autobahn) bis
der Nachteil einer aufwendigen Fertigung
2,75 m. Von größter Bedeutung für die Ge-
gegenüber. Wichtige konstruktive Vorgabe
staltung der Verkehrsfläche sind die Rand-
ist die Einhaltung einer lichten Mindest­
bereiche (Pannenstreifen, Übergang zu den
höhe (Begehbarkeit). In der Regel wird
Randbalken, Anordnung der Leiteinrich-
hli ≥ 80 cm verlangt.
tungen, Geländer und Lärmschutzwände).
Bezüglich der Anwendung, Konstruk­tion
Bild 4.1.3-1 zeigt einen typischen Regel-
und Berechnung von Kastenbrücken wird
querschnitt der RVS.
auf [Schlaich/Scheef, 1982] verwiesen.
Anzumerken ist der Unterschied zwi-
schen dem oberen und dem unteren Quer-
Eigenschaften
schnitt. Wird der Querschnitt über Kunst-
Günstige Eigenschaften von Kastentrag-
bauten geführt, verbreitert sich dieser ins-
werken:
gesamt um 1,0 m. Sowohl links als auch
• Gewichtsersparnis gegenüber Tragwer- rechts wird das 0,75 m breite Bankett bei
ken mit Vollquerschnitt der Brücke als 1,25 m breiter Randbalken
• Große St. Venant’sche Torsionssteifig­ ausgeführt. Dies gilt für alle Querschnitte
keit ermöglicht die Aufnahme großer der RVS, die über ein solches Bauwerk ge-
(Last‑)Torsionsmomente, dadurch sind führt werden.
4.1 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit von System und Funktion 247

Bild 4.1.3-1   Regelquerschnitt einer Hochleistungsstraße [RVS 3.93 Stadtstraßen, 1975]

4.1.4 Querschnitte für Bahnbrücken Bild 4.1.4-1 zeigt einen solchen Regelquer-
schnitt der HLAG für Hochleistungsstre-
Wichtigstes Planungskriterium sind die in cken in Österreich. Die Werte a und b in der
den Regelwerken (Richtlinien der Bahnver- Tabelle stellen Werte für die erforderliche
waltungen, z. B. DB‑Richtlinien) vorgegebe- Vergrößerung der halben Breite in Bogen
nen Regelquerschnitte für Brückenbauten. mit einem Radius 3000 m ≥ R ≥ 300 m dar.

Bild 4.1.4-1  Regellichtraum mit


Raum für den Durchgang der
Stromabnehmer
248 4 Querschnittsgestaltung

Bild 4.1.4-2  Zweigleisige Grobblechbrücke mit gekrümmter Gleislage

Bild 4.1.4-3  Lichtraumbestimmungen für Abstandmaße im Fahrbahnbereich [HLAG, 1998]

Von Bedeutung sind bei mehrgleisigen schnitts enthält. Meist ist auch nicht die
Strecken die Gleisabstände. Diese betragen Wirtschaftlichkeit das wesentliche Pla-
bei Neubaustrecken im Allgemeinen 4,70 m, nungskriterium. Hier spielen vor allem ge-
eventuell auch 5,00 m. Bei bestehenden stalterische Gesichtspunkte, Aspekte die
Strecken können die Gleisabstände dem den Menschen direkt betreffen, wie z. B.
Ist‑Zustand entsprechend geringer ausge- Schutz vor ungünstiger Witterung, beheiz-
führt sein. Zu beachten ist im Bogen eine bare Laufflächen usw., und oft ein hoher
notwendige Mehrkubatur an Schotter im Anspruch an die Architektur eine wesentli-
Querschnitt, siehe Bild 4.1.4-2. che Rolle. Wegen der geringen Massen und
Weiters ist auch hier wie schon bei den der niedrigen Nutzlasten und den sich dar-
Querschnitten für Straßenbrücken den aus ergebenden geringen auftretenden
Randbereichen besondere Beachtung zu Kräften sind die konstruktiven Probleme
schenken. Bild 4.1.4-3 zeigt exemplarisch oft relativ gering. Damit lässt sich praktisch
Ausschnitte aus der ÖBB‑Regelplanung. jeder Baustoff und auch jede Kombination
dieser zu einer Querschnittsbildung heran-
ziehen. Die dadurch sich ergebende Vielfalt
4.1.5 Querschnitte für Fußgänger- ist enorm. Zu beachten ist allerdings, dass
und Radwegbrücken wegen der geringen Masse Schwingungs-
probleme auftreten können. Diese resultie-
Hier existiert quasi kein Regelwerk, das ren meist aber nicht aus einer Windeinwir-
Vorschriften zur Gestaltung des Quer- kung, sondern durch den Benutzer selbst.
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 249

Bild 4.1.6-2  Barbarabrücke

4.2 Querschnittsgestaltung
in Abhängigkeit vom verwendeten
Werkstoff
Bild 4.1.6-1  Freitragende Rohrbrücke [Prölss
Stahltechnik] 4.2.1 Betonbrücken

Francesco Aigner
Hier ist schon beim Entwurf zu beachten,
und Thomas Petraschek
dass die Eigenfrequenz der Brücke nicht
mit der Schrittfrequenz eines Fußgängers,
die ca. 2 Hz beim Gehen und ca. 4 Hz beim 4.2.1.1 Allgemeines
Laufen beträgt, übereinstimmt.
Im Folgenden werden die im Betonbau
­vorkommenden Grundtypen (Platte, Plat-
4.1.6 Sonderquerschnitte tenbalken, Kasten) bezüglich Anwendbar-
keit, konstruktiver Eigenheiten, Variations-
Die Querschnittsgestaltung von Rohrbrü- möglichkeiten und Herstellung beschrie-
cken richtet sich naturgemäß nach den spe- ben. Für weitere Angaben und die Berech-
ziellen Anforderungen hinsichtlich Größe, nung wird auf die Abschnitte 5.1, 5.2.1 und
Eigenschaften der durchzuleitenden Sub- 8.5 hingewiesen.
stanz (gasförmig, flüssig oder körnig; Dich- Die Tabelle 4.2 -1 zeigt die bei Betonbrü-
te) und der Durchströmungsgeschwindig- cken unter Berücksichtigung der Tragfä-
keit. Bei weit gespannten Tragwerken mit higkeit und Gebrauchstauglichkeit erreich-
Zylinderquerschnitt ist besonders auf die baren Schlankheiten l/h in Abhängigkeit
aerodynamische Stabilität zu achten. Bild von Ausführungsart und Verwendung. Die
4.1.6-1 und Bild 4.1.6-2 zeigen Beispiele für angeführten Werte sind entnommen aus
Rohrleitungsbrücken. ­[Leonhardt, 1979], [Schlaich/Scheef, 1982],
[Hegger, 1998], [Holst, 1998] und [Pauser,
2002]. Die unteren Grenzwerte der Schlank-
heit gelten für die kleineren Stützweiten, die
oberen für die größeren Stützweiten.
250 4 Querschnittsgestaltung

Tabelle 4.2.1-1   Erzielbare Schlankheiten li/h in Abhängigkeit von Ausführung und Verwen-
dung
Querschnittstyp ohne Längsvorspannung mit Längsvorspannung
Straße Eisenbahn Straße Eisenbahn
Platte1 15–22 (20–25) 11–16 18–30 (26–36) 13–22

Plattenbalken1 8–12 12 10–18 15

Plattenbalken2 10–14 12–24

Plattenbalken3 15–20

Kasten1 17 21 12–14

Kasten2 18 25

Kasten3Feld 35–50 30

Kasten3 Stütze 17–22 20

li = Abstand der Momentennullpunkte


Einfeldträger ... 1,0 * l
Durchlaufträger (Endfeld) ... 0,8 * l
Durchlaufträger (Innenfeld) ... 0,7 * l
Platte1 Vollplatte mit konstanter Dicke
Plattenbalken1 Herstellung in Ortbeton (2 Stege) – ohne Stegverstärkung für negative Momente
Plattenbalken2 Herstellung in Ortbeton (2 Stege) – mit Stegverstärkung für negative Momente
Plattenbalken3 Herstellung in Fertigteilbauweise
Kasten1 Einfeldbalken, konstante Trägerhöhe – Unterkante gerade
Kasten2 Durchlaufträger, konstante Trägerhöhe - Unterkante gerade
Kasten3 variable Trägerhöhe – Unterkante gevoutet

Bei Straßenbrücken aus Platten sind für hältnis hStütze /hFeld etwas kleiner zu nehmen
kleinere Verkehrslasten im Vergleich zu als statisch optimal.
den in der Tabelle 4.2.1-1 angegebenen
Schlankheiten entsprechend größere mög-
lich. Bei Platten für Eisenbahnbrücken 4.2.1.2 Platte
hängen die zulässigen Verformungen infol-
ge Verkehrslasten auch von der Fahrge- Allgemeines
schwindigkeit ab, was die Schlankheit be- Im Betonbau üblich ist die Vollplatte. Plat-
einflusst. Für Kastenquerschnitte gilt nach ten mit Hohlräumen sind vielfach nicht
[Schlaich/Scheef, 1982], dass bis 90 m zugelassen und werden kaum mehr ver-
Spannweite eine konstante Bauhöhe sinn- wendet. Aus gestalterischen Gründen und
voll ist, aber ab 150 m eine veränderliche, auch wegen der Eigenlast ist hingegen­
dem Schnittkraftverlauf angepasste Kon­ vor allem bei orthogonalen Platten die
struk­tionshöhe notwendig wird. ­Anordnung von Konsolen üblich (Bild
Aus gestalterischen Gründen wird in 4.2.1-1).
[Schlaich/Scheef, 1982] empfohlen, bei hoch Trotz aufwendigerer Schalung und Be-
über dem Tal liegenden Brücken das Ver- wehrungsführung ist der im oberen Teilbild
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 251

tigteilen), dadurch wird die Herstellung


aufwendiger. Hohlplatten sind vielfach
nicht zugelassen und kaum mehr üblich
• Erhebliche Materialmengen liegen in
statisch wenig wirksamen Bereichen
• Wegen der kleinen Kernweite ist die
Vorspannung weniger effektiv als bei
aufgelösten Querschnitten (Plattenbal-
ken, Kastenquerschnitt)

Grenzwerte für die Dicke h


von Plattentragwerken
Bild 4.2.1-1  Ausführungsformen von Konso- Die Dicke von Platten ist nach unten be-
len grenzt durch:

dargestellten Ausbildung der Vorzug zu ge- • Die Tragfähigkeit der Betondruckzone


ben, da sie meist besser aussieht, das Trag- (keine Druckbewehrung bei Platten)
werk schlanker erscheinen lässt und überdies • Den Wunsch, keine oder nur an wenigen
die exakte Ausführung der normalerweise Stellen eine Schubbewehrung anordnen
sichtbaren Kante „A“ praktisch nicht mög- zu müssen
lich ist. • Konstruktive Vorgaben (Mindestabstän-
Günstige Eigenschaften von Plattentrag- de der Hüllrohre von der Oberfläche bei
werken aus Beton: Spannbetonplatten)
• Die notwendige Steifigkeit
• Kleinster Schalungsanteil pro m³ Beton,
einfache Schalung (keine zu schalende Übliche Plattendicken liegen im Bereich
Hohlräume bei Vollplatten, durchgehen- von 30 bis 70 cm oder mehr (etwa 100 cm,
de untere Schalung bei Platten mit ebe- ausnahmsweise noch mehr, z. B. Elbe­brücke
ner Untersicht) Torgau: 179 cm am biegesteifen Übergang
• Kürzester „Umfang“ und damit minima- zwischen Spannbeton- und Verbundtrag-
le Bewehrungsfläche; bei orthogonalen werk).
Platten ist meist eine einfache Beweh-
rungsführung möglich Tragwirkung
• Günstige Schubabtragung: Platten ohne Orthogonale und quasi orthogonale Platten:
durchgehende Schubbewehrung sind
Nach [Leonhardt, 1979] können schief-
möglich und üblich, eine Schub-Min-
winklige Platten mit ϕ ≥ 70° rechnerisch wie
destbewehrung (wie bei Balken) ist nicht
gerade Platten behandelt werden. Nach
erforderlich
neueren Normenwerken ist ϕ weiter be-
Ungünstige Eigenschaften von Plattentrag- grenzt, z. B. auf 75°. Die Schnittkraftkonzen-
werken aus Beton: tration in den Bereichen der stumpfen
Ecken sind konstruktiv zu berücksichtigen.
• Größte Masse (Kosten der Platte selbst;
Lastwirkung auf Gerüst, Schalung, Unter- Bei Vernachlässigung der Querdehnung
bauten). Durch Konsolen lässt sich die (µ = 0) tragen gerade Platten (ϕ = 90°) über
Eigenlast senken, ebenfalls durch die Aus- die Breite gleichmäßig verteilte Lasten
bildung als Rippenplatte (verlorene Scha- durch einachsige Biegung ab, d. h. es gibt
lung bei Ortbeton, Ziehschalung bei Fer- keine Biegung in der Querrichtung. Die
252 4 Querschnittsgestaltung

Biegefläche ist zylindrisch und es gilt


m1 ≡ mx und m2 ≡ 0. a
Als Folge der Querdehnung (µ = 1/6
oder µ = 0,2) entstehen durch über die Brei-
te gleichmäßig verteilte Lasten neben den b
Biegemomenten mx auch Querbiegemo-
mente my  . Diese Momente sind Zwangs-
momente in Querrichtung, die für die Be-
messung nicht herangezogen werden müs- c
sen, jedoch eine Mindestquerbewehrung
zur Begrenzung der Rissbreiten erfordern.
Auch gibt es Hauptmomentenkomponen-
d
ten, die quer zu den freien Plattenrändern
verlaufen, was bei der Bewehrungsführung
Bild 4.2.1-2  Ausführungsmöglichkeiten von
zu berücksichtigen ist.
Ortbetonkonstruktionen – Vollplatten
Über die Breite ungleichmäßig verteilte
Lasten, z. B. konzentrierte Lasten (Radlas-
ten), werden durch zweiachsige Biegung
abgetragen (Plattenwirkung: mx, my →
m1, m2 ).
Platten mit ϕ < 75°, diese gelten als schie-
fe Platten, tragen sämtliche Lasten durch
zweiachsige Biegung ab. Auch bei Gleich- Bild 4.2.1-3  Ausführungsmöglichkeiten von
last gibt es Hauptmomentenkomponenten, Ortbetonkonstruktionen – Rippenplatten
die quer zu den freien Plattenrändern ver-
laufen.
• Rippenplatten für geringer belastete
Größere Querkräfte entstehen im Be-
Plattenbrücken mit überwiegend posi-
reich kleinerer hochbelasteter Lagerkörper
tiven Biegemomenten; stellen den for-
an den Brückenenden oder an Zwischen-
malen Übergang zum mehrstegigen
stützen durchlaufender Systeme. Sie kön-
Plattenbalken dar, doch stellt sich hier
nen die Anordnung einer örtlich begrenz-
durch enger gesetzte Querträger eine
ten Schubbewehrung notwendig machen.
Plattentragwirkung ein (Bild 4.2.1-3)
Bei durchlaufenden Plattensystemen
bzw. bei unverschieblicher Stützung der Bei Rippenplatten ist das gegenüber der
Plattenränder stellt sich eine Gewölbewir- Vollplatte geringere Gewicht und der Mehr-
kung ein, die das Tragvermögen erheblich aufwand bei der Schalung und der Beweh-
steigert. rungsverlegung (Verbügelung der „Stege“)
anzumerken.
Konstruktionen Fertigteilkonstruktionen und Mischsys­
Ortbetonkonstruktionen: teme (Fertigteile + Ortbeton):
• Vollplatten mit T-Fertigteilen und Ort-
• Vollplatten mit ebener Untersicht (Bild
betonausguss (Bild 4.2.1-4)
4.2.1-2a)
• Vollplatten mit Konsolen (Bild 4.2.1-2b, Um die Quertragwirkung zu aktivieren, ist
Bild 4.2.1-2c) eine Quervorspannung notwendig (an den
• Vollplatten mit gekrümmter Untersicht Auflagern sowie z. B. in den Drittelpunkten
(Bild 4.2.1-2d) oder in Plattenmitte).
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 253

Bild 4.2.1-4  Beispiel einer Vollplatte mit T-Fer­


tigteilen und Ortbetonausguss

Bewehrungsführung Bild 4.2.1-5  Bewehrungsausbildung an freien


Bewehrung nicht vorgespannter orthogo- Plattenrändern
naler Platten:
Nicht vorgespannte Platten kommen für
(Hauptbewehrung) in der Innenlage, die
kleinere Brücken in Frage, wobei neben
dünneren Betonstähle (Verteilerbeweh-
der Tragfähigkeit vor allem auch die
rung) in der Außenlage zu verlegen (Bild
Gebrauchstauglichkeit nachzuweisen ist
4.2.1-5 bis Bild 4.2.1-7).
(Durchbiegungen, Rissbreitenbegren-
zung). Um die Langzeitdurchbiegungen Bewehrung vorgespannter orthogonaler
an den freien Plattenrändern infolge stän- Platten:
diger Einwirkungen (z. B. Randbalken) Die vorgespannte Längsbewehrung wird
nicht übermäßig ansteigen zu lassen, ist zwischen dem unteren und dem oberen Be-
die Längsbewehrung an den Rändern wehrungsnetz verlegt. Für eine optimale
reichlich zu wählen. In den Randberei- Schubübertragung wird sie an den Platten­
chen ist die Anordnung von Bügeln üb­ enden bis ca. h / 3 (d. h. nicht sehr weit) über
lich, wodurch „versteckte Randträger“ die Plattenunterkante hochgezogen. An
entstehen. Die quer zu den freien Platten- Zwischenlagern durchlaufender Platten wird
rändern verlaufenden Hauptmomenten- die vorgespannte Längsbewehrung mög-
komponenten erfordern eine entspre­ lichst hoch geführt, die Umlenkung soll auf
chende Einfassung, z. B. durch Haarnadeln einer möglichst kurzen Länge erfolgen. Bei
(Bild 4.2.1-5). Platten mit abgeschrägter Untersicht oder
Bei Platten mit Konsolen können Stäbe mit Konsolen werden Längsspannglieder
der oberen Bewehrung abgebogen werden, nur im Bereich voller Höhe h angeordnet.
um das Tragvermögen für Querkräfte zu Quervorspannung ist günstig in Hin-
verbessern. blick auf Zwangsmomente infolge Quer-
In Hinblick auf das Verbund- und Riss- dehnung, Querspannungen infolge Tempe-
verhalten sind innerhalb eines Beweh- ratur sowie Zwängungen im Auflagerbe-
rungsnetzes die dickeren Betonstähle reich. Bei Platten mit konstanter Dicke

Bild 4.2.1-6  Lage Hauptbewehrung – Verteilerbewehrung in der Bewehrungsführung


254 4 Querschnittsgestaltung

nalen Platte. Den aus der Lastabtragung re-


sultierenden größten Biegemomenten und
Hauptmomentenrichtungen sowie örtli-
chen Stützkraftkonzentrationen sind bei der
konstruktiven Durchbildung besondere
Aufmerksamkeit zu schenken. Wegen der
Berechnung und konstruktiven Ausbildung
wird auf die Literatur verwiesen, [Leon-
hardt, 1979] und [Czerny et al., 1984].

4.2.1.2 Plattenbalken
Allgemeines
Die Stege bei einer Plattenbalkenbrücke aus
Beton bieten neben den im Abschnitt
4.1.2.2 schon angeführten Funktionen auch
die Möglichkeit der Unterbringung der
Spannglieder. Auch Betonbrücken lassen
sich, wie im Bild 4.2.1-8 ersichtlich, als
„Trogbrücken“ herstellen. Somit ist auch
mit dem Baustoff Beton der sich dadurch
Bild 4.2.1-7  Verbundgesetz für Rippenstähle
ergebende Vorteil einer extrem geringen
für verschiedene bezogene Betondeckungen mit
dem Verbundgesetz für mittlere Verhältnisse
Bauhöhe nutzbar.
[Noakowski, 1985] Es gibt Konstruktionen sowohl in Ort-
beton als auch mit Fertigteilen, wobei sich
die beiden Typen von einander erheblich
werden ca. in halber Höhe gerade Quer- unterscheiden können.
spannglieder angeordnet, bei Platten mit
abgeschrägter Untersicht entsprechend Eigenschaften
höher, bei Platten mit Konsolen in zwei Günstige Eigenschaften von Plattenbalken-
Lagen. tragwerken aus Beton:
Bewehrung nicht vorgespannter schief- • Gewichtersparnis gegenüber der Platte
winkliger Platten: (Baustoffverbrauch, Gerüst, Schalung,
Die Bewehrungsführung schiefwinkliger Unterbauten)
Platten unterscheidet sich wesentlich von • Weniger Schalungsanteil als Hohlquer-
der bei einer zweiseitig gelagerten orthogo- schnitte

Bild 4.2.1-8  
Beispiel einer Trogbrücke
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 255

Bild 4.2.1-9  Mögliche Verstärkungsmaßnahmen bei Plattenbalken

• Statisch und konstruktiv ideal für Vor- ständig hohen Druckkräften ausgesetzt
spannung (Kriechverformungen)
Ungünstige Eigenschaften von Platten- Konstruktionen
balkentragwerken aus Beton:
Ortbetonkonstruktionen:
• Mehr Schalungsanteil pro m³ Beton als Die Anzahl der Stege richtet sich u. a. nach
bei Plattentragwerken der Breite und der Stützweite. Es kommen
• Längerer „Umfang“ und damit größere 1 bis 3 Stege in Frage. Bild 4.2.1-10 gibt die
„Bewehrungsfläche“ als bei Plattentrag- günstigste Anzahl der Hauptträger in Ab-
werken (mehr Bewehrungsnetze) hängigkeit von der Breite und Höhe an.
• Ungünstiges Tragverhalten gegenüber Für Straßen- und Eisenbahnbrücken
negativen Momenten (hoch liegende wählt man am häufigsten einen Querschnitt
Nulllinie, geringe Fläche für den Aufbau mit zwei Stegen. Nach Möglichkeit sollte
einer Druckzone). Bei Durchlaufträgern man die Steghöhe großzügig wählen. Al-
kommen lokale Verstärkungsmaßnah- lenfalls sollte man Durchlaufträger, bei de-
men wie z. B. Stegverbreiterung, örtliche nen größere Stützensenkungen erwartet
Flansche oder auch eine Ergänzung zu werden, eher schlank ausbilden. Stegab-
einem Kastenquerschnitt in Frage (Bild stand: 5–7 m, bei breiten Tragwerken auch
4.2.1-9). Dabei sind Unstetigkeiten in der deutlich mehr. Mit Rücksicht auf das Riss-
Systemlinie zu beachten. Bei Einfeld­ verhalten sind dünne Stege günstiger als
trägerketten, wie sie im Fertigteilbau oft dicke. Die Hauptträgerstege werden so
ausgeführt werden, entfällt diese Proble- ­angeordnet, dass sie infolge ständiger Ein-
matik. wirkungen weitgehend torsionsmomenten-
• Dünne Gurtscheiben nicht vorgespann- frei bleiben („ausgewogener Querschnitt“).
ter Plattenbalkenkonstruktionen sind Die Dicke der Platte hängt von deren
256 4 Querschnittsgestaltung

Bild 4.2.1-10  Diagramm
für die Wahl der güns-
tigsten Anzahl an Haupt-
trägern

Spannweite und dem Einspanngrad in den in Längsrichtung. Durch Trennung dieser


Stegen ab (St. Venant’sche Drillsteifigkeit). Elemente kann man dies vermeiden. Alter-
Um die Platte dem Schnittkraftverlauf an- nativ kann man auf Querträger verzichten,
zupassen, wird sie zu den Stegen hin ver- die Fahrbahnplatte und die Stege zu Halb-
stärkt (Bild 4.2.1-11), obwohl die Herstel- rahmen zusammen­fassen und so elastische
lung komplizierter ist als bei ebener Unter- Halbrahmen herstellen. Für detailliertere
sicht. Ausführungen zur Tor­sionssteifigkeit der
Querträger werden an den Tragwerks­ Stege siehe z. B. [Leonhardt, 1979], [Menn,
enden vorgesehen, bei gekrümmten Haupt- 1990], [Wicke] und zum schubfesten
trägern auch an den Zwischenunterstüt- ­Anschluss der Platte an die Stege siehe
zungen. Dies dient zum besseren Abtragen [Bachmann, 1978].
von Torsionsmomenten und Windkräften.
Um die Stege gegen Verdrehen zu sichern, Fertigteilkonstruktionen bzw. Mischsys­
werden – besonders bei gekrümmten teme (Fertigteile + Ortbeton):
Hauptträgern - außerdem auch in den Drit- Die Größe der Fertigteile und damit die
telpunkten der einzelnen Felder Querschei- Anzahl der Stege richtet sich u. a. nach den
ben vorgesehen, sofern es die Ausführung Transportmöglichkeiten und der Leistungs-
zulässt. Sind die Querträger mit der Trag- fähigkeit der Montagegeräte. Mo­derne
werksplatte monolithisch verbunden, so Plattenbalkenbrücken in Fertigteilbauweise
entstehen in der Platte Einspannmomente unterscheiden sich charakteristisch von

Bild 4.2.1-11  Gevoutete
oder gekrümmte Untersicht
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 257

Bild 4.2.1-12  Mögliche Verlegung


von T-Fertigteilen

Ausführungen in Ortbeton durch die grö- me in der Platte werden durch Ortbeton
ßere Hauptträgeranzahl und die entspre- ergänzt. Schließlich wird die Platte mit
chend kleineren Hauptträgerabstände geraden Spanngliedern quer vorge-
(Stegabstand: 2–3,5 m). Dadurch sind spannt (Bild 4.2.1-13).
möglicherweise erforderliche nachträglich • T-Fertigteile werden „Mann an Mann“
einzubetonierende Querträger noch un­ verlegt. Die obere Fläche wird mit Ort-
angenehmer herzustellen als bei Ausfüh- beton mit einer Schichtdicke von etwa
rungen in Ortbeton. Zwischenquerträger 20 cm vergossen (Bild 4.2.1-14). Durch
sind nicht üblich. Durch die Biegesteifig- Schlaufen an den Fertigteilen wird die
keit der Platte bei vergleichsweise eng Ort­betonschicht mit den Fertigteilen
­liegenden Hauptträgern erhält man eine schub­fest verbunden. Ein besonderes
weitaus bessere Querverteilung der Lasten Pro­b­lem stellt das Schwinden der nach-
als bei den Ortbetonquerschnitten mit träglich aufgebrachten Ortbetonschicht
­ihren fallweise weitgespannten Fahrbahn- dar.
platten.
Folgende Bauweisen werden genannt:
• T‑Fertigteile werden mit 20 cm bis 30 cm 4.2.1.3 Kastenquerschnitt
Abstand verlegt. Die Zwischenräume in
der Platte werden durch Ortbeton er- Eigenschaften
gänzt. Schließlich wird die Platte mit Günstige Eigenschaften von Kastentrag-
geraden Spanngliedern quer vorge- werken aus Beton:
spannt (Bild 4.2.1-12). Die Fertigteile • Gut geeignet für Vorspannung, diese ist
können im Spannbett oder nachträglich effektiver als bei der Platte
vorgespannt werden. • Ideal für automatisierte Herstellungs­
• T‑Fertigteile werden mit entsprechen- verfahren (Freivorbau, Taktschieben,
dem Abstand verlegt. Die Zwischenräu- usw.)

Bild 4.2.1-13  Mögliche
Verlegung von T-Fertigteilen
258 4 Querschnittsgestaltung

Bild 4.2.1-14  Mögliche Verlegung


von T‑Fertigteilen

Bild 4.2.1-15  Günstige Querschnittsabmessungen für einen Kastenquerschnitt

Ungünstige Eigenschaften von Kastentrag- Ein Beispiel für einen kleinen Hohlquer-
werken: schnitt zeigt Bild 4.2.1-16. Es handelt sich
dabei um den Querschnitt von Spannbeton
• Größter Schalungsanteil pro m³ Beton
– Fahrwegträgern der Transrapid Mag­
• Längster „Umfang“ und damit größte
netschnellbahn in Deutschland. Diese als
„Bewehrungsfläche“ (größte Anzahl an
Bewehrungsnetzen)
Tabelle 4.2.1-2  Günstige Querschnittsabmes­
Konstruktion
sungen für einen Kastenquerschnitt
Nach [Schlaich/Scheef, 1982] und [Wicke]
sind folgende Anhaltspunkte für die Festle- Größe Beispiele
gung günstiger Querschnittsabmessungen h1 ≥20 cm
gegeben: Bild 4.2.1-15, Tabelle 4.2.1-2. Bei
größeren Querschnitten wird die Fahr­ h3 ≥20 cm
bahnplatte mindestens 25 cm dick sein h4 ≥30 cm
müssen (h3 ≥ 25 cm). Die Einführung (bzw. 20 cm + ∅Hüllrohr)
schwererer Einzelfahrzeuge kann dickere h5 ≥15cm
Platten notwendig machen (keine Druckbe-
wehrung bei Platten). 15 cm am Konsolen­ lVoute/lPlatte ≤0,2 (oder auch = 0,5)
ende (h1 = 15 cm) reichen bei sorgfältiger h1 : h2 1 :2 … 1 : 3
Ausführung und nicht quervorgespannter
h3 : l3 1 : 30 (wegen Beulgefahr)
Platte aus.
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 259

Bild 4.2.1-16  Formtreue Vorspannung – Spannbetonträger TVE [Hilliges, 1997]

Bild 4.2.1-17  Querschnitt der Reichsbrücke mit verschiedenen Funktionsebenen [Pauser, 1987]

Einfeldträger konzipierten Fertigteile wur- Reichsbrücke in Wien. Die Besonderheit


den hauptsächlich mit Feldweiten von 25 m ist die Zweistocklösung mit der U-Bahn­
und 31 m ausgeführt. Das besondere Kenn- in den beiden Kästen und der Straße auf
zeichen dieser Träger ist ihre formtreue dem Deck. Die Herstellung erfolgte als
Vorspannung. Diese wird durch in den Trä- Freivorbau pro Brückenhälfte in einem
gerstegen bogenförmig geführte Spann- Querschnitt inklusive Fußgängerkon­sole.
glieder erreicht. Plastische Durchbiegungen Die Tendenz geht auch bei großen Trag-
während der Betriebsdauer werden ver- werksbreiten immer mehr zum einzelligen
mieden und die geforderte Langzeitbestän- Kastenquerschnitt. Die Ausführung er-
digkeit wird gesichert. folgt mit Quervorspannung der Deckplat-
Ein Beispiel für einen multifunktional te. Bild 4.2.1-18 zeigt Querschnitte der
genutzten Querschnitt zeigt Bild 4.2.1-17. Skye Bridge. Es handelt sich dabei um eine
Es handelt sich dabei um jenen der neuen Rahmenbrücke mit vertikalen Pfeilern
260 4 Querschnittsgestaltung

Über der Stütze


102 Spannglieder
19 × 0.62″

46 cm
mittlere
Druckspannung
aus Vorspannung
σ b,vo = 46
σ b,vo = - 11.1 MPa
- 8.2 MPa

32 Spannglieder
19 × 0.62″
in Feldmitte

Bild 4.2.1-18  Querschnitte und Anordnung der Vorspannung [Baumann, 1996]

und großen Stützweiten (125 + 250 + 125 = scheinungsbild der an sich schon sehr
500 m). Bei der Planung wurden an das schlanken Rahmenkon­struktion wurde
Tragwerk aufgrund der einmaligen land- durch diese Gestaltungselemente zusätz-
schaftlichen ­Situierung hohe gestalterische lich verbessert.
Anforderungen gestellt. Durch die Form- Bei sehr breiten Brücken mit getrenn-
gebung der Seitenflächen (Stege, Übergang ten Richtungsfahrbahnen (Autobahnen,
zur Bodenplatte) und durch die Ober­ Schnellstraßen), aber auch bei zweigleisi-
flächenstrukturierung der Stege (lotrechte gen Eisenbahnbrücken werden oft zwei un-
Rippen) konnten Licht – Schatteneffekte abhängige Tragwerke gefordert. Man erhält
wirkungsvoll ausgenutzt werden. Beson- damit ein System mit viel geringerer Quer-
dere Beachtung wurde auch der Gestal- steifigkeit, hat aber Vorteile im Fall von Sa-
tung der Randbalken geschenkt. Das Er- nierungsmaßnahmen. Ein Beispiel dafür

Bild 4.2.1-19  Regelquerschnitt der Talbrücke Schnaittach [Riedmann, 1998]


4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 261

stellt die Talbrücke Schnaittach der Auto- 4.2.2 Stahlbrücken


bahn A9 Berlin – Nürnberg dar, siehe Bild
4.2.1-19. Zwei- und mehrzellige Kästen Francesco Aigner
sind allenfalls bei im Verhältnis zur und Thomas Petraschek
Konstruk­tionshöhe sehr breiten Trag­
werken sinnvoll (Tragwerksbreite/Kon-
4.2.2.1 Orthotrope Platte
struktionshöhe > 6 : 1). Mehr als 3 oder 4
Stege verbessern die Querverteilung prak- Ausgehend von der durch die Anforderun-
tisch nicht und sind daher unüblich. gen vorgegebenen Querschnittskontur und
Nach Möglichkeit sollte die Konstruk­ der Dicke der Fahrbahnbeläge folgt bei
tionshöhe nicht zu knapp gewählt werden, Stahlbrücken das Deckblech dem Quer-
allenfalls sollte man Durchlaufträger, für die schnitt. Alle Stufen, die im Bereich vom
größere Stützensenkungen erwartet werden, Übergang von der Fahrbahn zum Gehweg,
eher schlank ausbilden. Die Stege müssen die Radweg oder Mittelstreifen entstehen, alle
Druckkräfte infolge Querkraft und Torsion Querneigungen usw. vollzieht das Stahl-
in den schrägen Druckstreben aufnehmen blech mit. Eine stufenlose Querschnittsge-
können. Ein „ausgewogener Querschnitt“ staltung würde das Brückendeck von Stahl-
wie beim Plattenbalken hat beim Kasten kei- brücken wesentlich vereinfachen, die Aus-
ne Bedeutung, wodurch die Formfindung führung scheitert aber meistens aus Grün-
weniger eingeschränkt ist. Wie beim Platten- den der Verkehrssicherheit.
balken wird auch hier die Fahrbahnplatte zu Um vertikale Lasten aus Eigenlast, vor
den Stegen hin verstärkt (gevoutete oder allem aber aus dem Verkehr, zu übertragen,
gekrümmte Untersicht), um die Platte dem muss das Deckblech mit einer Dicke
Schnittkraftverlauf anzupassen, obwohl die t ≥ 12 mm bei Straßenbrücken und
Herstellung komplizierter ist als bei ebener t ≥ 14 mm bei Eisenbahnbrücken mit Schot-
Untersicht. Die Berechnung des Tragwerks terbett ausgesteift werden. Die Aussteifung
als torsionssteifer Stab geht von einem form- erfolgt durch Längs- und Querträger, die
treuen Querschnitt aus. Querschotte sind mit dem Deckblech und untereinander
fertigungsmäßig unangenehm. An den Trag- schubfest verbunden (verschweißt) werden.
werksenden müssen sie jedoch unbedingt Eine Fahrbahnplatte, bestehend aus mitein-
angeordnet werden („Endquerscheiben“), ander schubfest verbundenem Deckblech
auch an den Zwischenauflagern werden im und Längs- und Querträgern, wird wegen
Allgemeinen Querschotte vorzusehen sein der in zwei zueinander orthogonalen Rich-
(Aufnahme großer Torsionsmomente). tungen gegebenen Anisotropie in den Biege-
Querschotte im Feld sind bei großen und den Schubsteifigkeiten orthogonal
Stützweiten erforderlich (nach [Wicke] even- aniso­trope, kurz orthotrope, Fahrbahn­platte
tuell ab 60 m, auf jeden Fall ab 100 m). Kön- oder auch Stahlleichtfahrbahn genannt. Das
nen Querschotte nicht angeordnet werden System ist im Bild 4.2.2-1 dargestellt und
(befahrbarer Kasten), sind lokale Querrah- z. B. bei der Hochbrücke Brunsbüttel, siehe
men auszubilden. In diesem Fall ergeben Bild 4.2.2-2, praktisch zur Anwendung
sich Zusatzbeanspruchungen aus der Quer- ­gekommen. Bei Eisenbahnbrücken mit
schnittsverformung. Schotterbett und bei Fußgängerbrücken
können eventuell die Längssteifen entfallen
und nur in engen Abständen liegende Quer-
träger angeordnet werden (Bild 4.2.2-3).
Grundprinzip der Konstruktion ist, dass
die Längsträger über die gesamte Brücken-
262 4 Querschnittsgestaltung

Bild 4.2.2-1  Hauptträger mit orthotroper Platte [Kindmann/Krawinkel et al., 1999]

Bild 4.2.2-2  Orthotrope Platte bestehend aus 5 Streifen bei der Montage

länge biegesteif durchlaufen und die Quer- Da bei geschlossenen Profilen zur
träger meist in ⊥-Form mit entsprechend Unterstützung des Deckblechs nur die
ausgeschnittenen Stegen auf die Längs­ halbe Anzahl der Schweißnähte gegen­
träger aufgekämmt (möglichst nicht aufge- über offenen Profilen erforderlich ist, wer-
fädelt) werden (Bild 4.2.2-4). den heute aus wirtschaftlichen Gründen
Als Längsträger werden offene Profile überwiegend geschlossene Profile, meist
wie Flachstähle, Wulstflachstähle oder Trapezprofile, als Längsträger verwendet.
­halbierte Ι-Querschnitte (Bilder 4.2.2-5, Außerdem weisen geschlossene Profile
4.2.2-6) oder geschlossene Profile wie Win- um zwei bis drei Zehnerpotenzen größere
kel und dreieck- und trapezförmige Steifen St. Venant’sche Tor­sions­steifigkeiten und
(Bilder 4.2.2-7, 4.2.2-8) verwendet. geringere äußere Beschichtungsflächen als
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 263

Bild 4.2.2-3  Eisenbahnbrücke mit querorientierter orthotroper Platte [DS 804]

Bild 4.2.2-4  Verbindung Längsträger –


Querträger [Kindmann/Krawinkel et al., 1999]
264 4 Querschnittsgestaltung

Bild 4.2.2-5  Flachstahlsteife Bild 4.2.2-6  Wulstflachstahl-Steife (ältere


Ausführung)

offene Profile auf. Die höhere Torsionsstei-


figkeit führt zu einer besseren Quervertei-
lung der konzentrierten Radlasten und
vermindert somit die örtliche Verformung
des Deckblechs, wodurch die Lebensdauer
des Belags erhöht wird.
Bei Straßenbrücken müssen die Unter-
stützungen des Deckblechs durch die Längs­
träger in einem Abstand a, e ≤ 25 t erfolgen,
bei Eisenbahnbrücken mit Schotterbett
muss a, e ≤ 40 t sein (Bild 4.2.2-9).
Die Abstände der Querträger richten Bild 4.2.2-7  Trapezsteife für Straßenbrücke
sich nach der Höhe der Längsträger. Bei
offenen Profilen beträgt der Querträger­
abstand üblicherweise bei Straßenbrücken
2,5 bis 4,0 m, bei Eisenbahnbrücken
2,0 bis 3,0 m, bei geschlossenen Profilen
4.2.2.2 Plattenbalken
bei Straßen­brücken 3,5 bis 5,0 m, bei
Eisenbahnbrücken 3,0 bis 4,5 m. Plattenbalkenquerschnitte aus Stahl beste-
Die Stahlleichtfahrbahn wird durch die hen aus der orthotropen Fahrbahnplatte
Hauptträger unterstützt und bildet gleich- und mindestens zwei Hauptträgerstegen
zeitig deren Obergurt. Der Haupttrag- und Hauptträgergurten, die alle schubfest
werksbalken kann als offener Querschnitt miteinander verbunden sind. Im Stahlbau
– Plattenbalkenquerschnitt – oder als ge- werden bei ausreichender Konstruktions-
schlossener Querschnitt – Kastenquer- höhe aus wirtschaftlichen Gründen immer
schnitt – ausgebildet werden. Auf beide nur zwei Hauptträger ausgebildet (Bild
Möglichkeiten wird in den folgenden Ab- 4.2.2-10).
schnitten 4.2.2.2 und 4.2.2.3 näher einge- Nur wenn die Konstruktionshöhe gering
gangen. ist, so dass die Querträger diese bereits aus-
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 265

Bild 4.2.2-8  Trapezsteife für Eisenbahnbrücke [Kindmann et al., 1999]

Bild 4.2.2-9  Abstände a, e in Abhängigkeit


von t [Kindmann et al., 1999]
Bild 4.2.2-11  Mehrstegiger Plattenbalken –
Trägerrost [Weitz, 1975]

Plattenbalkenquerschnitte können auch


mit Fachwerk-Hauptträgern gebildet wer-
den. Bei Deckbrücken bildet die orthotrope
Bild 4.2.2-10  Zweistegiger Plattenbalken Fahrbahnplatte den Obergurt der Fach­
werke. Trogbrücken, bei denen die Haupt-
träger die Fahrbahn überragen, werden mit
vollwandigen Hauptträgern bei Straßen-
füllen, werden mehrere Hauptträger ausge- brücken heute nicht mehr ausgeführt, bei
führt. Man erhält damit einen mehrstegigen Eisenbahnbrücken nur dann, wenn die
Plattenbalkenquerschnitt. Aus dem Zusam- Oberkante der Hauptträger tiefer als die
menwirken von Haupt- und Querträgern Unterkante der Waggonfensterunterkante
entsteht ein Trägerrost (Bild 4.2.2-11). liegt. Trogbrücken mit Fachwerk-Haupt­
266 4 Querschnittsgestaltung

Bild 4.2.2-12  Fachwerk Eisenbahnbrücke, Fahrbahn unten [DS 804]

trägern werden sowohl bei Straßen- als ordnet werden können (Bilder 4.2.2-13,
auch bei Eisenbahnbrücken ausgeführt, da 4.2.2-14).
die Fachwerke den Ausblick nach der Seite Da aus statischen Gründen und wegen
hin nur geringfügig beeinträchtigen. Die der dann erforderlichen dichten Ausstei-
Fahrbahn liegt dann entweder mitwirkend fungen das Bodenblech nicht zu dünn
zwischen den Gurten oder bildet selbst ­gewählt werden sollte (t ≥ 10 mm), und da
die Untergurte der Fachwerk-Hauptträger die erforderliche Fläche des Bodenblechs
(Bild 4.2.2-12). immer kleiner als die des Deckblechs mit
örtlicher Plattenbeanspruchung ist, müssen
bei Kastenquerschnitten die Stege der
4.2.2.3 Kastenquerschnitt
Hauptträger meist in engeren Abständen
Der einfachste Fall ist der Kastenquer- als bei offenen Querschnitten angeordnet
schnitt aus Stahl mit zwei Stegen, wobei werden. Eine Schrägstellung der Stege
diese lotrecht oder auch geneigt ange­ kommt diesen Anforderungen und der
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 267

Bild 4.2.2-13  Kasten mit lotrechten Stegen Bild 4.2.2-14  Kasten mit schrägen Stegen
[Weitz, 1975] [Weitz, 1975]

Bild 4.2.2-15  Kastenquerschnitte mit Schrägstreben [Weitz, 1975]

Pfeilerbreite entgegen. Deshalb ergeben den. Bei schiffbaren Wasserläufen mit Ra-
sich bei Kastenquerschnitten oft weit aus- darnavigation können von unten einge­
kragende Fahrbahnteile, die wegen der sehene parallele, ungegliederte innere
Querbiegung zu Längsrissen im Fahrbahn- ­Stegflächen zu einer Vielfachreflexion des
belag führen können. Aus diesem Grund Radarstrahls führen und auf dem Radar-
kann es bei Kastenquerschnitten an­ schirm ein scheinbar zweites, weiter weg
gebracht sein, diese Kragarme durch liegendes Brückentragwerk anzeigen. Des-
Schrägstreben abzustützen (Bild 4.2.2-15). halb sind solche Stege gegeneinander um
Schrägstreben können bei jedem Quer- mindestens 10° zu neigen oder weitere
träger oder nur bei den Querscheiben an­ Maßnahmen (z. B. Netze) anzuordnen, die
geordnet werden. Im letzteren Fall müssen Vielfachreflexionen verhindern.
lastverteilende Längsträger die dazwischen- Bei Steg- und Bodenblechen muss be-
liegenden Kragarme stützen. Bei breiten achtet werden, dass diese bei Druck- und/
Brücken, insbesondere bei Mittelträgerbrü- oder Schubbeanspruchungen ausbeulen
cken, können auch Kastenquerschnitte mit können. Deshalb werden auch diese Bleche
einem oder mit zwei Mittelstegen d. h. als meist durch Längs- oder Quersteifen aus-
mehrzellige Kastenquerschnitte ausgeführt gesteift, so dass orthotrope Scheiben (Bean-
werden (Bild 4.2.2-16). spruchung in der Tragwerksebene) entste-
Brücken mit Autobahnbreite werden oft hen. Um die Forderung der Statik nach der
mit zwei einzelligen Kastenquerschnitten Erhaltung der Querschnittsform (form-
ausgeführt (Bild 4.2.2-17). Dies hat den treuer Querschnitt) zu erfüllen, werden die
Vorteil, dass auch die halbe Brücke ein trag- Querträger der orthotropen Fahrbahn­
fähiges Bauwerk bleibt. Auch Querschnitte platte und die Quersteifen der Steg- und
für Trogbrücken können aus zwei vollwan- Bodenbleche biegesteif zu Querrahmen
digen Kastenquer­schnitten mit dazwi- verbunden. An allen Stellen, an denen kon-
schenliegender Fahrbahn ausgeführt wer- zentrierte Lasten in den Querschnitt ein­

Bild 4.2.2-16  Dreizelliger Kastenquerschnitt Bild 4.2.2-17  Doppelkasten mit schrägen inne­


für eine Mittelträger-Schrägkabelbrücke [Weitz, ren Stegen [Weitz, 1975]
1975]
268 4 Querschnittsgestaltung

Bild 4.2.2-18  Plattenbalkenquerschnitt mit Fachwerk-Querverband – Autobahnbrücke Karlsruhe


– Durlach

geleitet werden (z. B. Auflager, Seil- und bilden, die bei der Montage die Quer-
Kabeleinleitungen, Bogeneinleitungen) schnittsform der Höhe nach festlegt und
und meist in den 1/3- oder 1/4-Punkten entsprechende Biegesteifigkeit aufweist
einer Stützweite werden entweder Quer- (Bilder 4.2.2-19, 4.2.2-20).
scheiben oder Querverbände angeordnet, Bei hohen Trägern wird wegen des Trans-
die die Querschnittsform erhalten und ports der Querschnitt durch einen Längs-
konzentrierte Lasten auf den Querschnitt stoß in einen oberen Teil – Steg mit Deck-
verteilen. (Bild 4.2.2-18). blech – und einen unteren Teil – Steg mit
Untergurt bzw. Bodenblech – geteilt und
beide Teile in der Nähe der Baustelle auf
4.2.2.4 Fertigung der Stahlbrücke
einem Vormontageplatz zum Hauptträger
auf der Baustelle
zusammengefügt. Maßgebend für die Ein-
Für die Fertigung muss der Brückenquer- teilung des Querschnitts in Sektionen kön-
schnitt in Sektionen eingeteilt werden, de- nen auch alle Abstufungen des Querschnitts
ren Abmessungen und Gewichte den werden. Die Breiten der Sektionen werden
Transport von der Werkstatt zur Baustelle so gewählt, dass die Längsstöße zwischen
und dort die Montage mit dem eingesetz- den Steifen, insbesondere zwischen den
ten Hebezeug gestatten. Diese Sektionen Trapezprofilen, zu liegen kommen. Längs-
sind im Allgemeinen längsorientiert und stöße werden heute praktisch ausschließ-
nur in Ausnahmefällen an Auflagern oder lich stumpf verschweißt. Für das Deckblech
Krafteinleitungen querorientiert. Ihre haben sich dabei Steilflankennähte auf
­Abmessungen richten sich nach den im Stahlplättchen oder auf kera­mischer Bad­
Handel erhältlichen Blechgrößen. Übli- sicherung als wirtschaftlich herausgestellt,
cherweise beträgt die Breite 2,0 bis 3,8 m die mit Unterpulver-Schweißautomaten ge-
und die Länge ein ganzzahliges Vielfaches zogen werden können. Längsstöße in Steg-
der Querträgerabstände, meist 12 bis 25 m. und Bodenblechen werden mit V-Nähten,
Dabei muss darauf geachtet werden, dass X-Nähten oder Steilflanken­nähten mit Bad­
bei Hauptträgern ­bis max. 3,5 m Höhe sicherung ausgebildet. Die an den Längs-
Steg, Obergurt und Untergurt eine Einheit stößen ebenfalls zu stoßenden Querträger
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 269

Bild 4.2.2-19  Aufteilung eines Brückenquerschnitts in Sektionen – Oberkasseler Brücke, Düssel-


dorf [Weitz, 1975]

Bild 4.2.2-20  Sektionen der Oberkasseler Brücke, Düsseldorf, bei der Montage


270 4 Querschnittsgestaltung

Bild 4.2.2-21  Montagestöße des Deckblechs, quer (links), längs (rechts) [Kindmann/Krawinkel


et al., 1999]

und Quersteifen werden ent­weder mit beiderseits des Querstoßes frei. Nach dem
GV-Laschenstößen verbunden oder eben- Schweißen der Quernähte in den Blechen
falls stumpf mit V- und/oder X-Nähten ver- werden die nach Naturmaß gefertigten
schweißt (Bild 4.2.2-21). Längsträger-Fensterstücke erst bei der
Um die Quernähte in den Blechen zie- Montage stumpf eingeschweißt (Bilder
hen zu können, müssen sie von beiden Sei- 4.2.2-22 bis 4.2.2-24).
ten zugänglich sein. Man lässt deswegen Ein wesentliches Gestaltungselement für
Ausschnitte (Fenster) in den Längssteifen den Brückenquerschnitt stellt der Randträ-

Bild 4.2.2-22  Montagestoß einer Trapezblechsteife [Kindmann/Krawinkel et al., 1999]

Bild 4.2.2-23  Querstoß mit Fenstern in den Trapezprofilen – Donaubrücke U6, Wien


4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 271

Bild 4.2.2-24  Einschweißen der Fensterstücke – Donaubrücke U6, Wien

ger dar. Dieser sollte aus optischen Grün- günstigere Betonfahrbahn ersetzt. ‚Teuer‘
den ausreichend steif sein und auch einen ist die orthotrope Stahlfahrbahn durch den
ausgesteiften unteren Rand besitzen, da an hohen Aufwand an Schweißarbeiten. In
diesem die harmonische Form des Trag- Hochlohnländern wie Deutschland, Öster-
werks abgelesen werden kann, „Wellen“ vor reich oder Schweiz überwiegt von den bei-
allem im Streiflicht stark sichtbar werden den Anteilen der Gesamtkosten Material
und den optischen Eindruck schmälern. und Lohn der Anteil der Lohnkosten. Im
Eine helle Außenbeschichtung des Rand- Sinne der Wirtschaftlichkeit wird also die
trägers lässt jede Brücke schlanker erschei- Querschnittsgestaltung darauf abzielen,
nen und betont die Längserstreckung (Bild den Lohnkostenanteil und dabei insbeson-
4.2.2-25, s. S. 210). dere den Anteil der Schweißarbeiten zu mi-
nimieren.
Auch wenn heute nach wie vor Kosten-
4.2.3 Verbundbrücken reduktion und Wirtschaftlichkeit Haupt-
kriterien zur Bauwerksgestaltung darstel-
Ulrike Kuhlmann len, kommen weitere ebenso wichtige dazu,
und Annette Detzel wie
• Bauzeitverkürzung
4.2.3.1 Allgemeine Kriterien • Dauerhaftigkeit und Unterhaltungs-
freundlichkeit
Verbundbrücken werden heute überwie-
• Ästhetische Gestaltung.
gend als vollwandige Balkenbrücken ausge-
führt. Gegenüber Spannbetonbrücken ha- Gerade das zuletzt genannte Kriterium ver-
ben sie den Vorteil der geringeren Bauhöhe langt z. T. ein Umdenken der Ingenieure,
und des geringeren Konstruktionsgewichts die besonders im Brückenbau auch für die
bei gleichzeitig rascher Montage ohne Ver- Wahl einer ästhetischen, wohlproportio-
kehrsbehinderung. Gegenüber der reinen nierten Form und die Einfügung der Brü-
Stahlbauweise bietet die Verbundbauweise cke in die Landschaft verantwortlich sind.
entscheidende Kostenvorteile, weil sie die Wie die Beispiele noch zeigen werden, be-
‚teure‘ orthotrope Stahlfahrbahn durch die einflussen diese Kriterien nicht nur das
272 4 Querschnittsgestaltung

Bild 4.2.2-25  Randausbildung einer Eisenbahnbrücke [DS 804]


4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 273

Brückensystem sondern sehr wesentlich • die Ausbildung nur weniger eher dicker
auch die Entscheidung für eine bestimmte Bauteile und
Querschnittsform. • die Aufteilung in große Montageeinhei-
Grundsätzlich lassen sich offene Platten- ten, hier die beiden Hauptträger, so daß
balkenquerschnitte und geschlossene Kas- die Anzahl der Montagestöße und die
tenquerschnitte unterscheiden. aufwendige Montageschweißarbeit mi-
nimiert werden.

4.2.3.2 Plattenbalken oder Kastenquerschnitt Als Beispiel für eine der vielen Straßenbrü-
Das Beispiel der Eisenbahnbrücken Melk cken mit zweistegigem Plattenbalken zeigt
[Pommer, 1995], [Glatzl/Pommer, 1995] ist Bild 4.2.3-2, die Böckinger Brücke in Heil-
ein für Verbundbrücken sehr typischer bronn [Engländer et al., 1997]. Hier gelang
zweistegiger Plattenbalken, vgl. Bild 4.2.3-1. es sogar, den Wettbewerb mit einer Stahl-
Durch die ein­fache sparsame Querschnitts- verbundkonstruktion als Sonderentwurf
form mit wenigen Längs- und Querausstei- gegenüber der ausgeschriebenen, als Ersatz
fungen werden vor allem der Umfang der für die alte Spannbetonbrücke geplanten
Schweiß­arbeiten und damit die Fertigungs- Spannbetonlösung zu gewinnen.
kosten reduziert. Eine weitere Besonderheit Wesentliches Kriterium war die durch
der Eisenbahnbrücken Melk ist die gewähl- den Querschnitt bedingte günstige Monta-
te Stahlgüte. So wurde bei den Verbund- gemöglichkeit der Verbundkonstruktion.
brücken die Stahlkonstruktion von etwa Da auch während der Bauzeit das Schiff-
1540 t in wesentlichen Teilen aus thermo- fahrtsprofil freizuhalten war, hätte der
mechanisch gewalztem Stahl der Güte Spannbetonkastenträger das fast 100 m
DIMC-355B hergestellt. Es wurden Materi- breite Flussfeld im Freivorbau überbrücken
aldicken bis zu 90 mm verarbeitet, die dick- müssen. Die zwei Stahlhauptträger konn-
sten Gurte bestanden aus zwei Lamellen ten mit einem schweren Autokran in gro-
1400 × 90 mm. Thermomechanisch ge- ßen vorgefertigten Stahlschüssen von 20
walzte Stähle können aufgrund des gerin- bis 30 m montiert werden, bis schließlich
gen Kohlenstoffgehalts und der guten von beiden Seiten etwa 40 m lange Krag­
Kerbschlag­zähigkeit mit erheblich gerin- arme ins Flußfeld hineinreichten, so dass
gerer Vorwärmleistung als übliche Stähle auch die beiden Hauptträgerschlussstücke
auch in größeren Blechdicken verschweißt von etwa 20 m dazwischen eingehängt und
werden. Größere Blechdicken führen zu ei- verschweißt werden konnten. Auf diese
ner ge­ringeren Zahl von Einzellamellen. fertiggestellte Stahlkonstruktion stützte
Ermüdungswirksame Kerben, wie die sich dann die Schalungskonstruktion zur
Lamellen­enden und die Verbindungsnähte, Herstellung der Verbundplatte ab. Die
werden dadurch vermieden, so dass neben Stahlträger wirkten also quasi als Scha-
der Kostenersparnis auch die Dauerhaftig- lungsträger.
keit der Konstruktion verbessert wird. Interessant ist das Beispiel der Böckinger
Der Plattenbalkenquerschnitt der Eisen- Brücke in Heilbronn auch, weil im Bereich
bahnbrücken Melk ist also ein Beispiel für des einen ca. 40 m langen Seitenfelds der
einige moderne Grundsätze zur wirtschaft- über drei Felder durchlaufenden Verbund-
lichen Querschnittsgestaltung: deckbrücke statt des zweistegigen Platten-
balkens ein Kastenträger ausgebildet wur-
• die Gestaltung klarer einfacher Quer- de. In diesem Bereich erzeugt eine starke
schnittsformen mit nur wenigen Verbin- Krümmung von R = 110 m so hohe Ab-
dungsnähten triebskräfte, dass sie mit den leichten Quer-
274 4 Querschnittsgestaltung

Bild 4.2.3-1  Brücke Melk

Bild 4.2.3-2  Böckinger Brücke, Montage der Stahlträger

rahmen des offenen Plattenbalkenquer- geren Anstrichkosten – die Innenflächen


schnitts nicht mehr aufzunehmen sind. der Kästen erhalten meistens nur zwei und
Die Entscheidung für einen Kastenquer- nicht drei Deckbeschichtungen – spielt der
schnitt wird also in sehr vielen Fällen we- Taubenschutz eine Rolle.
gen der Notwendigkeit einer erforderlichen Offene Plattenbalkenquerschnitte [Kuhl­
hohen Torsionssteifigkeit gefällt. mann, 1995] führen z. T. zu erheblichen
Geschlossene Kastensysteme werden Problemen durch die breiten ausladenden
heute nicht mehr nur bei gekrümmten Brü- Untergurte, auf denen sich Tauben und an-
cken eingesetzt. Die Bauherren sehen we- dere Vögel niederlassen und nisten. Wenn
gen der glatten Außenflächen auch Vorteile man alte Brücken und Bahnhöfe insbeson-
für die spätere Unterhaltung. Neben gerin- dere im Stadtbereich betrachtet, kann man
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 275

sich vorstellen, daß es sich hier nicht nur netzes in den neuen deutschen Bundeslän-
um Verschmutzungsprobleme handelt, dern zur Wahl eines einzelligen Kastenquer-
sondern dass auch der Korrosionsschutz schnitts in Stahlverbundbauweise. Dabei
auf Dauer in Mitleidenschaft gezogen wird. werden die Stege bei konstanter Untergurt-
Mit einem erheblichen Aufwand werden breite geneigt, so dass eine gleichmäßige
deshalb bei offenen Querschnitten heute Brückenuntersicht entsteht. Durch diese
Gitterroste oder Schutznetze vorgesehen. geneigten, unter der auskragenden Platte
In anderen Bereichen schweißt man zwi- zurückgesetzten Stege wird der Eindruck
schen Steg und Untergurt Schrägbleche ein. eines besonders schlanken Tragwerks ver-
Da diese Schrägbleche durch das Ver- stärkt. Beispiele sind die Elbebrücke Tor-
schweißen zu tragenden Querschnittsteilen gau, die Talbrücken Siebenlehn und Wil-
werden, gelten für sie die gleichen hohen kau-Haßlau oder die Elbebrücke Vocke­
Anforderungen in Bezug Schweißnahtaus- rode, siehe Bilder 4.2.3-3 und 4.2.3-4, [Gra-
bildung und -kontrolle und konstruktiver bein et al., 1995], [Seifried/Stetter, 1996],
Detailausführung. Besonders an den Kreu- [Saul et al., 1999] und weitere Beispiele in
zungsstellen von Querträgern und Haupt- [BMV, 1997].
trägern entstehen durch die Unter- Diese Brücken sind in der Regel in
gurtschrägbleche der beiden Tragglieder Längsrichtung gevoutet und verfügen im
fertigungstechnisch komplizierte Ver- Bereich des hohen Stützquerschnitts über
schneidungspunkte. Gitterroste oder auch einen sogenannten Doppelverbundquer-
Netze sind einfachere und weniger kosten- schnitt. Ein jüngeres Beispiel hierfür ist die
trächtige Lösungen. Innbrücke Neuötting [Langen et al., 2000],
Vorteile in der Unterhaltung und ästhe- siehe Bild 4.2.3-5, mit einem Betonver-
tische Kriterien führen bei einer Vielzahl bunduntergurt über eine Länge von 40 bis
neuer Verbundbrücken insbesondere im 50 m rechts und links der Flusspfeiler in
Zuge des Ausbaus des neuen Verkehrs- variabler Dicke von 40 cm am Anfang des

Bild 4.2.3-3  Verbundbrücke Vockerode; Übersicht


276 4 Querschnittsgestaltung

Bild 4.2.3-4  Verbundbrücke Vockerode, Regelquerschnitte

Bild 4.2.3-5  Innbrücke Neuötting: Doppelverbund am Stützquerschnitt

Betongurts bis zu 1,20 m über der Pfeiler- Wissenschaftliche Untersuchungen betref-


achse. fen zum einen die Dübelkraftverteilung in
Da der Betongurt das Stabilitätsverhal- der Untergurtplatte [Ibach, 2001], zum an-
ten des Stahluntergurtblechs und der Steg- deren die Angabe der reduzierten Dübel-
bleche im negativen Momentenbereich tragfähigkeit bei einer horizontalen Anord-
über der Stütze positiv beeinflusst, können nung der Dübel unmittelbar unter der Be-
für die Stahlbleche wesentlich geringere tonoberfläche [Breuninger, 2000] und
­Dicken gewählt werden. Die Kopplung der [Kürschner, 2003]. Regeln zur Berücksich-
Betonuntergurtplatte an die Stahlkonstruk- tigung der reduzierten Dübeltragfähigkeit
tion erfolgt durch Kopfbolzendübel vor- bei horizontal oder besser randnah ange-
wiegend in zwei Bereichen ordneten Dübeln, die Spaltzugkräfte erzeu-
gen können, sind inzwischen im Anhang A
• im Übergangsbereich zwischen reinem von DIN 18800-5:2007-3 zu finden. Auch
Stahluntergurt und Verbunduntergurt der neue DIN-Fachbericht 104, Ausgabe
zur Druckkrafteinleitung über die ge- 2009, verweist auf diese Regel. Weitere Er-
samte Untergurtbreite läuterungen zu den Hintergründen der Be-
• im übrigen Untergurtverbundbereich handlung von horizontalen oder randnah
vor allem im stegnahen Untergurt bis angeordneten Dübeln sind in [Kürschner/
zur ersten Längssteife und durch hori- Kuhlmann, 2005] und [Kuhlmann/Raichle,
zontale Dübel an den Stegen selbst. 2008] zu finden. Zusätz­liche Überlegungen
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 277

Bild 4.2.3-6  Querschnitt Diepmannsbachtalbrücke

hinsichtlich Kriechen und Schwinden des Bild des Querschnitts der Diepmanns-
Betons und der gegenseitigen Beeinflus- bachtalbrücke, die in der Nähe von Rem-
sung der Betonteile im Querschnitt sind scheid – Lennep die Bundesautobahn A1
erforderlich, wenn der Fahrbahnquer- im Grundriß mit einer Krümmung von
schnitt in Brückenlängsrichtung vorge- R = 1000 m über das reizvolle Diepmanns-
spannt ist, wie z. B. bei der ältesten Doppel- bachtal führt. Diese Brücke wurde neben
verbundbrücke, der Innbrücke Wasserburg der bestehenden alten Brücke erstellt, um
[Bilfinger et al., 1988] oder bei der Mosel- die Fahrbahn von vier auf sechs Spuren zu
brücke Bernkastel-Kues [Kuhlmann, erweitern. Ziel war es, die neue Brücke so
1996]. zu gestalten, dass die Ansicht auf das alte als
Da für die Bemessung des Stahlunter- Denkmal geschützte Bauwerk nicht gestört
gurtblechs der Bauzustand, also das Beto- wurde. So wurde eine sehr leichte Brücke
nieren des Betonuntergurts maßgebend ist, gewählt, die sich mit ihren Stützweiten an
das zur Begrenzung der Spannung dann die Spannweiten der alten Mauerwerks­
unter Umständen in mehreren Lagen erfol- bogen von 25 m im doppelten Raster von
gen muss, stellt sich die Frage, ob man mit 50 m anpaßt.
dem Stahluntergurtblech nicht ein sehr Der Querschnitt besteht aus zwei klei-
teures „Schalungsblech“ hat, auf das man nen ca. 2 m breiten Stahlkästen, die mit ei-
auch ganz verzichten könnte. ner durchlaufenden Platte verbunden sind.
Fertigung und Montage sind sehr wich- Dieser Querschnitt vereinigt die Vorteile
tige Kriterien zur Festlegung des geeigneten der Torsionssteifigkeit und glatten An-
Querschnitts, und so sind die einfache Zu- sichtsflächen geschlossener Querschnitte
gänglichkeit und Montierbarkeit nach wie mit der einfachen Montierbarkeit der ty-
vor die Hauptvorteile der offenen aus ein- pischen Plattenbalken. Diese Lösung er-
zelnen Hauptträgern zusammengesetzten möglicht auch eine optimale Stützung der
Querschnitte gegenüber dem ein- oder Verbundplatte durch die Kastenstege, so
mehrzelligen Kastenträger, der in der Regel dass die Betonplatte auch im Querschnitt
nicht als geschlossene Einheit transportiert schlaff bewehrt werden konnte. Der Zu-
werden kann. Eine Kombination beider sammenhang zwischen Fahrbahnplattener-
Querschnittsformen macht sich die Vor- stellung und Querschnittsgestaltung wird
teile beider zu Nutze. Bild 4.2.3-6 zeigt das im Folgenden behandelt.
278 4 Querschnittsgestaltung

4.2.3.3 Einfluss der Fahrbahnplatte deutet nicht automatisch, dass dieses Sys­
auf die Querschnittsgestaltung tem wirtschaftlicher ist. Bei großen Spann-
weiten wird die Höhe der Hauptträgerstege
Die Betonfahrbahnplatte übernimmt im durch die erforderliche Steifigkeit bestimmt
Verbundbau eine Doppelfunktion: und nicht durch die erforderliche Quer-
• In Querrichtung wirkt sie als Platte, die krafttragfähigkeit. Dies führt in der Regel zu
Stegen, die bei weitem nicht durch die Quer-
die Lasten zu den Längsträgern ableitet.
• In Längsrichtung bildet sie den Ober- kraft ausgenutzt sind. Bei einer großen An-
zahl an Hauptträgerstegen reduziert sich die
gurt des Verbundquerschnitts und wirkt
Höhe der Stege nur geringfügig, die Quer-
als Scheibe.
krafttragfähigkeit der Brücke nimmt dem-
Beide Funktionen führen zu Zugspan- gegenüber unverhältnismäßig zu. Die Mate-
nungen im Beton: In Querrichtung erhält rialausnutzung ist insgesamt schlechter und
die Platte Zug aus der Durchlaufwirkung die Konstruktion damit unwirtschaftlicher.
über den Längsträgern, in Längsrichtung Bei kleinen Spannweiten sind die Verhält-
reißt der Obergurt im Bereich negativer nisse zwischen Momenten- und Querkraft-
Momente an den Auflagern. Früher wur- tragfähigkeit in der Regel güns­tiger, so dass
den diese Zugspannungen durch Vorspan- bei mehreren Stegen die ­Ausnutzung und
nung mit Spanngliedern in beide Rich- damit die Wirtschaftlichkeit der Konstruk-
tungen überdrückt. Die Erfahrungen der tion steigt. Dann kommt auch eine entspre-
letzten Jahre mit Schäden an Spannbeton- chende Einsparung im Bereich der Quer-
brücken haben in letzter Zeit jedoch zu ei- vorspannung der Platte zum Tragen.
ner Zurückhaltung gegenüber der Vorspan- Eine weitere Möglichkeit, bei geringer
nung mit nachträglichem Verbund geführt, Hauptträgeranzahl die Stützweite, insbe-
die auch die Ausführung von Verbundplat- sondere von Kragarmen zu reduzieren bie-
ten betrifft. Um eine Vorspannung in Quer- tet sich durch schräge Streben, die den
richtung vermeiden zu können, müssen die Kragarm gegen den Untergurt der Haupt-
Spannweiten insbesondere der Kragarme träger abstützen, wie in Bild 4.2.3-7 darge-
entsprechend reduziert oder sehr massive stellt. Die Horizontalkomponenten am
Querschnitte gewählt werden, die jedoch Ober- und Untergurt müssen kurzgeschlos-
schnell unwirtschaftlich und ästhetisch we- sen werden. Im Falle der Talbrücke über die
nig ansprechend sind. Wilde Gera [Wölfel, R., 1999 und Denzer et
Die Vorspannung der Betonplatte hat al., 2000] erfolgt dies über ein Zugband im
nicht nur Nachteile in Bezug auf Unterhalt Betonobergurt und den Riegel des Quer-
und Dauerhaftigkeit der Konstruktion, rahmens im Untergurt.
sondern bestimmt auch ganz entscheidend Die Fahrbahnplatte wird in Querrich-
die Kosten der Verbundplatte mit. Ein ein- tung durch die beiden geneigten Stege des
facher Kostenvergleich für die Einheits- Stahlkastens sowie durch außen liegende
preise verschiedener Plattentypen in Tabel- Verbundträger unterstützt. Diese Längsträ-
le 4.2.3-1 zeigt, dass der erforderliche hö- ger wiederum liegen alle 6 m auf Querrah-
here Anteil an schlaffer Bewehrung durch men auf. Die Querrahmen werden durch
die Einsparung der Vorspannglieder mehr die innen- und außen liegenden Diagona-
als ausgeglichen wird. len, die Quersteifen des Kastenquerschnitts
Die einfache Schlussfolgerung, bei gro­ und ein in der Fahrbahn­platte liegendes
ßer Plattenbreite ist eine Vielzahl von Haupt- Zugband gebildet (siehe Bild 4.2.3-7). Das
trägerstegen vorteilhaft, da dadurch die Zugband dient in erster Linie zur Aufnah-
Spannweite der Platte reduziert wird, be- me der aus den außen liegenden Diagona-
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 279

Tabelle 4.2.3-1   Kostenvergleich Betonverbundplatten (Stand 1995)


Kosten für Betonverbundplatten €
Einfeldträger Beton 0,35 m2 × 300,– = 105,–
Bewehrung 0,050 t × 650,– =   32,50
Schalung 1,00 m2 ×    75,– =   75,–
212,50 €/m2
Einfeldträger mit Quer- Beton 0,35 m2 × 300,– = 105,–
vorspannung
Bewehrung 0,035 t × 650,– =   22,75
Querspannglieder 0,010 t × 3500,– =   35,–
Schalung 1,00 m2 ×    75,– =   75,–
237,75 €/m2
Durchlaufträger Beton 0,35 m2 × 300,– = 105,–
Bewehrung 0,09 t × 650,– = 58,50
Schalung 1,00 m2 ×    75,– = 75,–
238,50 €/m2
Durchlaufträger mit Beton 0,35 m2 × 300,– = 105,–
Quervorspannung
Bewehrung 0,070 t × 650,– = 45,50
Querspannglieder 0,010 t × 3500,– = 35,–
Schalung 1,00 m2 ×    75,– = 75,–
260,50 €/m2
Durchlaufträger mit Beton 0,35 m2 × 300,– = 105,–
Längsvorspannung
Bewehrung 0,050 t × 650,– = 32,50
Längsspannglieder 0,015 t × 3000,– = 25,–
Schalung 1,00 m2 × 75,– = 75,–
237,50 €/m2
Durchlaufträger mit Beton 0,35 m2 × 300,– = 105,–
Längsvorspannung und
Bewehrung 0,035 t × 650,– = 22,75
Quervorspannung
Längsspannglieder 0,015 t × 3000,– = 45,–
Querspannglieder 0,010 t × 3500,– = 35,–
Schalung 1,00 m2 ×    75,– = 75,–
282,75 €/m2
280 4 Querschnittsgestaltung

len resultierenden Zugkräfte in Querrich- Querrichtung mit Spanngliedern vorzu-


tung. Je nach konstruktiver Durchbildung spannen. Angeregt durch ein Rundschrei-
erhält es jedoch auch mehr oder weniger ben des Bundesverkehrsministeriums zur
hohe Beanspruchungen aus der örtlichen Einführung der veränderten Verbund­
Belastung der Fahrbahn. trägerrichtlinie, entwickelten die Firmen
Dass die Entscheidung für oder gegen Dörnen Stahlbauwerke, Dortmund, und
eine Vorspannung nicht nur von den Kos- Echterhoff, Westerkappeln, einen Sonder-
ten der Fahrbahnplatte abhängt zeigt das vorschlag mit ausschließlich schlaff be-
Beispiel einer Verbundbrücke im Raum wehrter Fahrbahnplatte. Wie aus dem Quer­
Landschaftsverband Westfalen-Lippe: schnitt (Bild 4.2.3-8) ersichtlich, erfordert
Die Brücke BW19 sollte den Datteln- dieser Entwurf jedoch im Gegenzug für
Hamm-Kanal als Einfeldträger mit einer den Verzicht auf die Vorspannung einen
Stützweite von ca. 53 m überspannen. Der dritten Stahllängsträger als zusätzliche
Verwaltungsentwurf sah eine zweistegige Platten­unterstützung.
Verbundbrücke vor. Bedingt durch die Die Einsparung des Spannstahls wird
Stützweitenverhältnisse der Platte, 8 m also durch zusätzliches Baustahlgewicht er-
Hauptträgerabstand und 3,15 m Kragarm- kauft. Inwieweit die Gesamtkonstruktion
länge, war geplant, die Verbundplatte in wirtschaftlicher ist, hängt von den spezi-

Bild 4.2.3-7  Talbrücke über die Wilde Gera, Querschnitt mit Querrahmen und Zugband
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 281

Bild 4.2.3-8  Querschnitt BW19

fischen Randbedingungen ab. Im vorlie- die Umwelt. Doch neben der effi­zienten Auf-
genden Beispiel wurde der Sondervorschlag forstung von Wäldern stellen das Waldster-
beauftragt, aus juristischen und politischen ben sowie die großflächige Abholzung von
Gründen wurde der Streckenabschnitt der Regenwäldern die Bilanz in Frage.
B474n, zu dem das Brückenbauwerk ge- Die Verarbeitung von Holz, von der Ge-
hört, jedoch nie fertiggestellt. winnung bis zum Endprodukt, ist die ener-
giesparendste aller Baumaterialien. Zudem
4.2.4 Holzbrücken wird die Materialeffizienz, die spezifische
Leistungsfähigkeit des Holzes in konstruk-
Thomas Jahn tiver Hinsicht bis heute von keinem her-
kömmlichen oder neuen Baumaterial er-
reicht. Holzbauteile sind von Natur aus
4.2.4.1 Anmerkungen zum Werkstoff Holz
stabförmig und können in Faserrichtung
im Brückenbau
verhältnismäßig hohe Zug- oder Druck-
Der Werkstoff Holz hat im Brückenbau nach kräfte aufnehmen.
einer großen Vergangenheit heute praktisch Für den Brückenbau ist das Verhältnis
sehr an Bedeutung verloren. Zwar werden der Eigenlast des Materials zur Festigkeit
noch immer Brücken aus Holz gebaut, doch gesehen von entscheidender Bedeutung.
nicht vordergründig wegen der überra- Holz erfüllt diesen Anspruch absolut gese-
genden Materialeigenschaften, sondern eher hen außerordentlich. So wiegt ein Stab aus
aus Gründen der Tradition und der ange- Nadelholz mit 3 m Länge, der eine zen-
nehmen Optik. Mit Rücksicht auf den Denk- trische Drucklast von 20 Tonnen aufneh-
malschutz oder auf schöne Landschaften men soll, 60 kg, aus Vollstahl 130 kg und
wird im Brückenbau Holz eingesetzt, nicht aus Stahlbeton 300 kg. Erfolgt die Belastung
aber aus dem Grund, weil man ein beson- durch Zug, werden diese Unterschiede
ders effizientes, wirtschaftliches Tragwerk noch deutlicher. Die Reißlänge eines aufge-
bauen will. Holz ist ein ökologischer Bau- hängten Holzstabs mit beliebigem, durch-
stoff. Der Ort, wo er produziert wird, ist der gehend konstantem Querschnitt liegt rech-
Wald. Wälder verschönern und verbessern nerisch bei 7 km. Bei normalem Baustahl
282 4 Querschnittsgestaltung

liegt die Länge bei 3 km und Stahlbeton fällt 4.2.4.2.1 Vollwand-Balken-Brücken


bei diesem Vergleich ganz heraus, da der
Mehrere Balken liegen auf den Unterstüt-
für Zug ungeeignete Beton die Stahlbeweh-
zungskonstruktionen (Widerlagern, Stützen
rung noch zusätzlich belastet. [Dietrich,
oder Jochträgern) nebeneinander und tra-
1998]. Somit übertrifft Holz hinsichtlich
gen den Fahrbahnaufbau.
des Gewichts-Festigkeits-Verhältnisses bei
Werden Balken übereinander gelegt,
weitem die anderen genannten Werkstoffe.
dann addieren sich ihre Trägheits- bzw. Wi-
Es ist zu erwarten, dass man sich der her-
derstandsmomente. Unter Belastung erfolgt
vorragenden Eigenschaften dieses naturge-
eine gegenseitige Verschiebung in der Be-
gebenen Baustoffes wieder bewusster wird
rührungsfläche. Bei völliger Behinderung
und Holz im Brückenbau noch eine Zu-
dieser Verschiebung liegt starrer Verbund
kunft hat.
vor. Zwischen den Grenzfällen freie Ver-
schieblichkeit und starrer Verbund liegt
4.2.4.2 Konstruktionsformen der Überbauten der elastische Verbund, der in der Norm
[DIN 1052/1/2, 1988] ausführlich behandelt
Dieser Abschnitt gibt nur einen sehr kurz
wird.
gehaltenen Einblick in die unterschied-
Als Verbindungsmittel beider Balken in
lichen Konstruktionsformen für Über-
der Fuge dienen Holzdübel, stehende Na-
bauten, die in der Regel von der zu über-
gelplatten, liegende Nagel-Einpressplatten
brückenden Weite abhängen. Für nähere
oder Einpressdübel.
Informationen zu Konstruktionsformen
wird auf einschlägige Literatur verwiesen
4.2.2.2.2 Sprengwerke
(z. B. [Melan, 1922], [Laskus, 1955],
[Mucha, 1995]). Sprengwerke bestehen aus geraden oder
Konstruktionsformen des Überbaus be- gekrümmten durchlaufenden oder ein­
stimmen die Querschnittsform der Brücke feldrigen Balken (Streckbalken) und den
(siehe Abschnitt 4.2.4.3). schrägen inneren Stützen (s. Bild 4.2.4-1).
Folgende Konstruktionsformen werden In Abhängigkeit von der Anzahl der un­
im Holzbrückenbau angewendet. terstützten Punkte zwischen den End­

a b
Bild 4.2.4-1  a Einfaches symmetrisches Dreiecksprengwerk, b Dreifaches Sprengwerk

a b
Bild 4.2.4-2  a Einfaches Hängewerk (Dreieckhängewerk), b Zweifaches Hängewerk (Trapez­
hängewerk)
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 283

auflagern, spricht man von ein-, zwei- scheiben (z. B. bei überdachten Brücken)
oder mehrfachen Sprengwerken. Die oder Scheiben in der Fahrbahnebene über-
Sprengwirkung entsteht durch die schrägen nommen werden.
Stützen, die Horizontalkräfte hervorrufen.
Die seitliche Stabilisierung zur Aufnah- 4.2.4.2.4 Hängesprengwerke
me von Windlasten erfolgt durch Verbände
Hängesprengwerke, s. Bild 4.2.4-3, stellen
in der Streckbalkenebene oder durch die
eine Kombi­nation der Tragsysteme Hänge-
Fahrbahnscheibe.
werk und Sprengwerk dar. Infolge vertikaler
4.2.4.2.3 Hängewerke Lasten entstehen horizontale Auflagerkräfte.

Bei einem Hängewerk hängt der Balken an 4.2.4.2.5 Fachwerk-Brücken


einem Stab bzw. an einem Stabwerk, s. Bild
4.2.4-2. Entsprechend der Anzahl der Auf- Stäbe von Fachwerken werden primär
hängepunkte unterscheidet man, wie beim durch Normalkräfte beansprucht. Das wird
Sprengwerk, ein-, zwei- oder mehrfache erreicht, indem die Stäbe gelenkig mit­
Hängewerke. Im Gegensatz zum Spreng- einander verbunden sind, s. Bild 4.2.4-4,
werk erzeugt das Hängewerk unter verti- und Lasten in erster Linie in die Gelenk-
kaler Belastung keine horizontalen Auf­ knoten eingetragen werden. Obwohl die
lagerkräfte. Gurte der Fachwerke meist biegesteif
Die seitliche Stabilisierung kann auf ver- durchlaufen (siehe Bild 4.2.4-5), treten­
schiedene Arten erfolgen. Bei oben offenen bei den üblichen Fachwerkformen keine
Brücken (Trogbrücken) und Brücken ohne nennenswerten Nebenspannungen infolge
Obergurtverband wird die Windlast durch Biegebeanspruchung auf.
Querrahmen in den Untergurtverband ge-
leitet. Ist ein Obergurtverband vorhanden, 4.2.4.2.6 Bogenbrücken
dann leitet er seine Kräfte in Portale an den Bei richtiger Wahl der Bogenform (umge-
Auflagern oder ebenfalls durch Querrah- drehte Kettenlinie) sind Bogen Tragwerke,
men in den Untergurtverband. Die Funk­ die überwiegend durch Normalkräfte bean-
tion der Verbände kann auch durch Dach- sprucht werden. Im Brückenbau unter-

a b
Bild 4.2.4-3  a Einfaches Hängesprengwerk, b Doppeltes Händesprengwerk

a b
Bild 4.2.4-4  a Einteiliges Pfostenfachwerk mit vier Feldern, b Fachwerk mit gekreuzten Streben
284 4 Querschnittsgestaltung

Bild 4.2.4-5  Fachwerkbrücke über die Orke in Vöhl-Ederbringhausen [Gerold, 2001]

scheidet man Vollwandbogen und Skelett- Die wohl bekannteste und beeindru-
bogen. Skelettbogen, welche in Form von ckenste Hängebrücke ist die Spannband-
Stabwerk-, Sprengwerk- und Fachwerkbo- Brücke über den Main-Donau-Kanal bei
gen ausgebildet sein können, bestehen aus Essing, siehe Bild 4.2.4-7.
geraden Stäben. Vollwandbogen bestehen
in der Regel aus in der Horizontalfuge ver-
4.2.4.3 Querschnittsgestaltung bei Brücken
leimten Holzbrettern, siehe Bild 4.2.4-6.
Die Querschnittsgestaltung bei Holzbrü-
4.2.4.2.7 Hängebrücken-Spannbandbrücken
cken hängt in entscheidendem Maße von
Bei der einfachsten Form der Hänge­brü­ der Konstruktionsform des Überbaus und
cken werden die Bohlen der Gehbahn somit vom gewählten statischen System
direkt auf die Tragseile gelegt und befestigt. zum Lastabtrag ab. Nachfolgend werden
Die Seile werden zugfest im Boden ver­ die wesentlichsten Querschnittsformen im
ankert. Holzbrückenbau vorgestellt.

Bild 4.2.4-6  Brücke über den Machfeldkanal in Wien [Mucha, 1995]


4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 285

Bild 4.2.4-7  Der Steg über den Main-Donau-Kanal bei Essing [Mucha, 1995]

4.2.4.3.1 Fahrbahnplatten ger, Joche, Pfeiler) verwendet. Auch schief-


winklige Plattenkonstruktionen sind ein-
Wirtschaftliche Lösungen für Fahrbahn-
fach auszubilden. Wegen der in den Faser-
platten erhält man durch die Verwendung
richtungen und quer dazu verschiedenen
von Holzplatten oder Holz-Verbundkon-
Festigkeitseigenschaften ist die Platte aniso­
struktionen. Hölzerne Fahrbahnplatten
trop. Für die Ermittlung von Schnittgrößen
entstehen durch das Zusammenwirken
an solchen Platten verwendet man in der
mehrerer Holzelemente (Brett-Lamellen).
Praxis Trägerroste bzw. orthotrope Mate­
Die einzelnen Lamellen werden zum Erzie-
rialformulierungen.
len der Plattenwirkung an den vertikalen
Nachfolgend werden die Plattensysteme
oder horizontalen Holzflächen (je nach
näher erläutert, deren Vorzüge sowohl in
Einbaurichtung) mechanisch durch Verna-
einer guten Lastverteilungskapazität als
gelung, Verschraubung, Verdübelung, Vor-
auch in einer ebenen und formstabilen
spannung (QS-Bauweise) und/oder Verkle-
Platten­oberfläche liegen, die es ermöglicht,
bung miteinander verbunden, siehe Bild
einen bituminösen Fahrbahnbelag mit ent-
4.2.4-8.
sprechender Fahrbahnabdichtung aufzu-
Im Brückenbau werden zweiseitig gela-
bringen.
gerte einfeldrige Platten, aber auch Platten
über mehrere Unterstützungen (Querträ-

a b
Bild 4.2.4-8  Prinzip der Plattenwirkung, a Keine Verbindung zwischen den Balken, allein der
belastete Balken hat die Last aufzunehmen (z. B. Radlast). b Balken sind in vertikaler Richtung
unverschieblich miteinander verbunden und bilden somit eine zweiseitig gelagerte Platte, durch den
Querverbund beteiligen sich alle Balken am Lastabtrag.
286 4 Querschnittsgestaltung

4.2.4.3.1.1 Fahrbahnplatte mit in vertikaler Verleimte Plattensysteme


Richtung zusammengefügten Holzlamellen Durch Verleimen der Holzlamellen unter-
einander in den Berührungsflächen entste-
Vernagelte Plattensysteme hen sogenannte Brettschichtholzelemente
Für vernagelte Plattensysteme werden (BSH-Elemente). Diese können bzgl. der
Holzbohlen mit einer Dicke d = 18 bis Faserrichtung sowohl längs- als auch quer-
24 mm, einer Höhe h = 80 mm und einer orientiert zur Brückenachse ausgerichtet
Länge l = 1,0 bis 6,0 m eingesetzt. Erforder- sein. Beim Einsatz von BSH-Elementen
liche Stöße werden versetzt und stumpf sind besonders die Holzfeuchten in den
oder mit Keilzinken ausgeführt. Die Verna- ­unterschiedlichen Verarbeitungsstufen zu
gelung der einzelnen Holzlamellen erfolgt berücksichtigen. Die Tragstruktur ist so
in der Regel zweireihig und in ver­setzter auszubilden, dass Verformungen infolge
Anordnung. Durch das Vernageln aufge­ Schwindens und Quellens unbehindert
stapelter Bretter und Bohlen entsteht­ möglich sind.
die sogenannte Brettstapelplatte. Der Brü-
cken-Überbau kann sich aus mehreren Quer vorgespannte Plattensysteme
Brettstapelplatten zusammensetzen. (QS-Platten)
QS-Platten bestehen aus Brettern oder
Verschraubte Plattensysteme Bohlen, die senkrecht nebeneinander ange-
Neben der Vernagelung der gestapelten La- ordnet und anschließend mittels Spann-
mellen zu plattenförmigen Elementen be- gliedern in Querrichtung zusammenge-
steht die Möglichkeit der Verschraubung. presst werden, s. Bild 4.2.4-9. Allein der
Die Lastverteilungskapazität verschraubter Verbund durch Reibung verhindert ein ge-
Bohlen liegt durch die höhe­re Querbiege- genseitiges Verschieben der Lamellen unter
steifigkeit zwischen ver­na­gelten und ver- konzentrierten Lasten z. B. aus Radlasten.
leimten Systemen (mit oder ohne Quer- Die Kräfte werden auch in Querrichtung
vorspannung). Die verwen­deten Schrau- (Plattenwirkung) aufgenommen. Die große
ben sollten aus hochfestem und korrosi- Steifigkeit der Platte in Richtung der
onsbeständigem Material sein. ­Platten­ebene gewährleistet die horizontale
Aussteifung. Zur Einleitung der Vorspann-
kräfte werden im einfachsten Fall Rand­

Bild 4.2.4-9  Forstwegebrücke über den Tiefen Bach in Ilsenburg (D) [Gerold, 2001]
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 287

balken aus Hartholz eingesetzt. Spezielle Spansperrholzplatten:


Krafteinleitungssysteme haben wie im bestehen aus allseitig beleimten Spänen mit
Spannbetonbau die Aufgabe, die hohen bestimmten Abessungen. Die Faserrichtung
konzentrierten Druckspannungen unter ist in der Regel unidirektional. Bei Verwen-
der Verankerungsplatte ohne große lokale dung von Langspanholz wird ein Anteil der
Einpressungen in den Querschnitt einzu- Holzspane in Querrichtung orientiert.
tragen. Das Aufbringen der Spannkräfte
Furniersperrholzplatten:
erfolgt in der Regel mit Muttern, die gegen
bestehen aus kreuzweise angeordneten und
die Ankerplatten angezogen werden. Bei­
verleimten Furnieren.
zu starker Abnahme der Vorspannung in
Folge Kriechens und Schwindens kann je- Brettsperrholzplatten:
derzeit nachgespannt werden. bestehen aus mehrlagig kreuzweise, ortho-
gonal und/oder diagonal miteinander ver-
4.2.4.3.1.2 Fahrbahnplatte mit in horizontaler leimten Brettern.
Richtung zusammengefügten Holzlamellen
4.2.4.3.2 Brückenquerschnitte bei Balkenträgern
Platten lassen sich ebenfalls durch Verbin-
dungen von Brettern, Bohlen oder Furnie- Im Querschnitt sind die Überbaukons­
ren in der horizontalen Berührungsfläche truktionen so zu stabilisieren, dass Wind-
aufbauen. Die Plattensysteme bestehen aus lasten aufgenommen werden können und
mehrlagigen Einzelschichten, die in der Re- die Hauptträger gegen Kippen ge­sichert
gel miteinander verklebt werden. Aber auch sind. Kastenträger sind wegen ihres großen
Verbindungsmittel, welche beim vertikalen Drillwiderstandes gegen­über offenen Trä-
Verbund vorgestellt wurden, kommen in gern bzgl. des Kippens überlegen. Verbän-
Frage. de, Querrahmen, Querschotte und Fahr-
bahnscheiben können zur seitlichen Stabi-
Plattensysteme aus Sperrholz lisierung verwendet werden.
Sperrholzplatten werden aus unterschied-
lichen Holzprodukten gefertigt. Allen ge- Deckbrücken
meinsam ist die zueinander winklige bzw. Die einfachste Querschnittsform einer
orthogonale Ausrichtung der Holzfaser- Deckbrücke besteht aus zwei Hauptträ-
richtungen in den miteinander verklebten gern, siehe Bild 4.2.4-10 a. Zumeist werden
Lamellen. Unterschieden werden: Brettschichtholz-Träger verwendet. Bei

a b
Bild 4.2.4-10  Deckbrücken. a Die Fahrbahnplatte liegt auf den Hauptträgern und indirekt ge-
stützten Längsträgern, die seitliche Stabilisierung erfolgt durch Verbände in der Ebene der Quer-
träger. b Die Fahrbahnplatte liegt auf den Hauptträgern, die seitliche Stabilisierung erfolgt durch
Querschotte oder die Fahrbahnplatte.
288 4 Querschnittsgestaltung

die Anordnung von mehreren Trägern not-


wendig, siehe Bild 4.2.4-10 b. Zusätzlich
wird dadurch die Spannweite in Querrich-
tung reduziert. Durch die Anordnung von
Querträgern wird eine Trägerrostwirkung
erzielt, siehe Bild 4.2.4-11.

Trogbrücken
Trogbrücken sind oben offen. Die Haupt-
träger sind außerhalb der Fahrbahn ange-
ordnet. Die Vorteile dieser Bauart liegen in
der geringeren Gesamtbauhöhe gegenüber
Deckbrücken. Die horizontale Aussteifung
wird durch unmittelbar unter der Fahr-
bahnebene angeordnete Verbände oder
durch Querrahmen erreicht.

Geschlossene Brücken
Geschlossene Brücken sind in der Regel
überdacht, wodurch ein sehr guter Schutz
des Holzes vor Nässe gegeben ist. Die seit­
liche Aussteifung kann durch obere und/
oder untere Verbände oder durch Querrah-
men erfolgen (Bild 4.2.4-13).
Bild 4.2.4-11  Crestawaldbrücke bei Sufers 4.2.4.3.3 Verbundsysteme
(CH) [Gerold, 2001]
Durch eine sinnvolle Kombination von
Stahl bzw. Beton mit Holz im Brückenbau
Ver­wendung plattenförmiger Bauteile für lassen sich die positiven Eigenschaften der
die Fahrbahnkonstruktion ist es möglich, Materialien verbinden und nutzen.
auf Längs- bzw. Querträger zu verzichten.
Dadurch kann die gesamte Höhe der Kon- Stahl-Holz-Verbundbrücken
struktion reduziert werden. Bei dieser Art von Brücken besteht die
Bei Brückenbreiten über 3,5 m und bei Fahrbahn aus stehend angeordneten Holz-
höheren Lasten z. B. aus Straßenverkehr, ist bohlen, welche in Brückenquerrichtung zu­

a b c
Bild 4.2.4-12  Trogbrücken. a Die Fahrbahnplatte ruht auf Querträgern, die an den Hauptträgern
befestigt sind. Die seitliche Stabilisierung erfolgt durch Verbände in der Querträgerebene. b Die
Fahrbahnplatte wird durch Balken gestützt, die an den Hauptträgern angedübelt oder angeleimt
sind. Die seitliche Stabilisierung erfolgt durch Querrahmen. c Die Fahrbahn liegt auf durch die
Querriegel indirekt gestützten Längsträgern.
4.2 Querschnittsgestaltung in Abhängigkeit vom verwendeten Werkstoff 289

a b
Bild 4.2.4-13  Geschlossene Brücken. a Stabilisierung durch unteren Verband in Höhe der Quer-
träger sowie obere Verbände auf den Traufpfetten. b Die seitliche Stabilisierung erfolgt durch
Querrahmen sowie Verbände in Höhe der Querträger. Eine zusätzliche Anordnung von Verbänden
in der Dachebene ist möglich.

sammengespannt werden. Die Schubkraft­ Schubleisten, welche mittels Holzschrau-


übertragung erfolgt über Kopfbolzendübel, ben befestigt sind, oder über im Holzquer-
die an die Trägerflansche angeschweißt schnitt eingelassene Schubdübel übertra-
sind. Sie werden in Aussparrungen des gen. Zum Stand der Entwicklung des Be-
druckbe­anspruchten Holzquerschnitts mit- ton-Holz-Verbundbaus in Deutschland sei
tels Vergussmörtel einbetoniert [Bulleit, auf [Schwaner et al., 1999] und [IABSE,
1984]. 2001] verwiesen. Berechnungsmöglich-
keiten von Holz-Verbund-Konstruktionen,
Beton-Holz-Verbundbrücken insbesondere unter Berücksichtigung des
Bei dieser Art werden die Schubkräfte zwi- Langzeitverhaltens sind in [Schänzlin,
schen Holz- und Betonquerschnitt über 2003] enthalten.
5 Haupttragwerke der Überbauten

5.1 Beton-Plattenbrücken Konstruktionsformen im Betonbrücken-


bau zu wählen. So setzte sich zeitlich paral-
Gerhard Mehlhorn lel zur Entwicklung der modernen bewehr-
ten Betonbogen die Verwendung der biege-
beanspruchten bewehrten Beton-Trag­
Balken- und Plattenbrücken sind die am glieder durch. Zunächst wurden kleinere
häufigsten angewendeten Konstruktions- Spann­weiten als bewehrte Betonplatten und
formen des modernen Betonbrückenbaus. mittlere als bewehrte Betonplattenbalken-
Im Bild 5.1-1 ist eine Auswahl von bei Plat- brücken (Bild 5.1-2) ausgeführt. Ab dem
ten- und Balkenbrücken üblichen stati- Ende des dritten Jahrzehnts des 20. Jahr-
schen Systemen gezeigt. hunderts und vor Allem nach dem Zweiten
Mit der Verwendung des bewehrten Be- Weltkrieg wurden die Betonbrücken auch
tons, etwa seit der Jahrhundertwende vom vorgespannt ausgeführt, was größere Spann­
19. zum 20. Jahrhundert, war es möglich weiten bei den biegebeanspruchten Trag-
neben der Bogenform auch die Platte und werken, insbesondere den Platten und Bal-
den Balken, auch Biegeträger genannt, als ken, aber auch den Rahmen, ermöglichte.

Bild 5.1-1   Beispiele üblicher statischer Systeme für Platten und Balkenbrücken


292 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.1-2   Konstruktive Ausbildung von Betonbalkenbrücken, wie sie bis etwa 1950 üblich war
[Gehler, 1931]

Bild 5.1-3   Typische Querschnittsformen von Betonbrücken nach [Beyer/Thul, 1967]

Die typischen Querschnittsformen von mehr zugelassen. Auf festgestellte Schäden


Betonbrücken sind im Bild 5.1-3 darge- an älteren Brücken [BMV, 1982 und 1994]
stellt. Bei Plattenbrücken gab es im Beton- wird hingewiesen. Vor allem aus gestalteri­
brückenbau die beiden Varianten Vollplatte schen Gründen und wegen des Gewichts ist
(A) und Hohlplatte (B). Heute ist nur noch die Anordnung seitlich konsolenartig aus-
die Vollplatte üblich. Hohlplatten werden kragender Platten üblich, die Betonplatte
trotz ihrer geringeren Eigenlast im Brü- wirkt dadurch optisch schlanker. Die Ele-
ckenbau wegen der dabei auftretenden ganz kann durch eine stetig gekrümmte,
Herstellungsprobleme (Verankerung der gevoutete untere Fläche der Platte gestei-
Hohlkörper gegen Auftrieb während des gert werden (Bild 5.1.4).
Betonierens, komplizierte, lohnintensive Die Plattendicken für Fahrbahnplatten
Bewehrung) und der Anforderungen an die betragen nach dem [DIN FB 102, 2003]
Dauerhaftigkeit praktisch nur noch selten mindestens 20 cm. Diese Mindestdicke
ausgeführt. Sie sind vielfach nicht einmal sollte nach Meinung des Autors allenfalls an
5.1 Beton-Plattenbrücken 293

Bild 5.1-4   Nahebrücke in Kirn. Von DYWIDAG 1960 gebaute, vorgespannte, über drei Felder
durchlaufende Plattenbrücke (Stützweiten: 18 m – 25 m – 18 m)

den Enden der seitlichen konsolenartigen, mit veränderlicher Konstruktionshöhe bis


sich verjüngenden Auskragungen gewählt etwa 35 m Spannweiten der Innenfelder.
werden. Aus konstruktiven Gründen wird Die Spannweiten der Randfelder der konti-
empfohlen, die Fahrbahnplatten minde- nuierlich durchlaufenden Platten sollten
stens 25 cm, besser mindestens 30 cm dick etwa 80% der der Innenfelder betragen. Die
auszuführen (beachten: 4 cm Mindestbe- üblichen Schlankheiten der Platten l/h bei
tondeckung nach [DIN-FB 102, 2003]-II, Einfeldplatten und der mechanischen
4.1.3.3 (114) P). Bei Verwendung von Hoch­ Schlankheiten li /h bei durchlaufenden Plat-
leistungsbeton, Ultrahochfestem-Beton ten liegen bei nicht vorgespannten Platten
(UHPC-Beton) oder bei im Fertigteilwerk etwa zwischen 12 und 15 und bei vorge-
vorgefertigten Teilen kann diese empfoh­ spannten Platten etwa zwischen 15 und 25.
lene Mindestdicke geringfügig reduziert Dabei bedeuten l die Plattenstützweite, li
werden. Bei der Festlegung der Platten­ die Entfernung der Momentennullpunkte
dicke sollte darauf geachtet werden, dass unter ständig wirkenden Einwirkungen bei
in der Platte keine Schubbewehrung erfor- mehrfeldrigen durchlaufenden Platten und
derlich ist. h die Plattendicke (bei veränderlicher Kon-
Die üblichen Plattendicken liegen für struktionshöhe in den Innenfeldern in
Betonplattenbrücken im Bereich von 60 cm Feldmitte und im Randfeld an der Stelle, wo
bis 100 cm, sie können aber auch, insbeson- das größte Feldmoment auftritt).
dere über den Innenstützen bei über meh- Die Biegemomente aus ständig wirken-
rere Felder durchlaufenden Platten mit ver- den Einwirkungen betragen bei nicht vor-
änderlicher Konstruktionshöhe (Vouten an gespannten Platten ein Mehrfaches der Mo-
den Innenstützen oder stetig gekrümmte, mente unter denen Risse auftreten. Die
gevoutete Unterfläche des Überbaus – der Platten sollten deshalb in Längsrichtung
stetig gekrümmten, gevouteten Unterfläche stets vorgespannt werden! Die Vorspan-
ist aus ästhetischen Gründen der Vorzug zu nung der Platte soll so dimensioniert wer-
geben), etwas darüber liegen. den, dass unter ständig wirkenden Einwir-
Die Betonplatte eignet sich wegen ihrer kungen keine Betonlängszugspannungen
geringen Konstruktionshöhe für einfeldri- auftreten. Die Umlenkkräfte aus der Vor-
ge Brücken mit Spannweiten bis etwa 20 m, spannung der Platte sollen den ständig wir-
für über mehrere Felder kontinuierlich kenden Einwirkungen direkt entgegen wir-
durchlaufende Platten mit konstanter Kon- ken und etwa 75% bis 100% dieser Last
struktionshöhe bis etwa 30 m Spannweiten entsprechen.
der Innenfelder und für über mehrere Fel- Platten sind besonders für schiefwink­
der kontinuierlich durchlaufende Platten lige Brücken und Brücken mit unregelmä-
294 5 Haupttragwerke der Überbauten

kann, sofern sich die erforderliche Dicke


der Widerlagerwand nicht aus der Bean-
spruchung aus dem Erddruck größer er-
Bild 5.1-5   Schiefwinklige Brücke und Brücke gibt.
mit unregelmäßigem Grundriss Werden Lager angeordnet, werden sie
als allseitig kippbare Punktlager ausgebil-
ßigen Grundrissen geeignet (Bild 5.1.5). det. Die Abstände zwischen diesen Lagern
Bei genügend breiten, schiefwinkligen Plat- betragen in der Regel etwa das Drei- bis
ten mit parallelogrammförmigem Grund- Fünffache der Plattendicke. Möglichst nahe
riss weicht bei konstanter gleichmäßig ver- zu den Eckpunkten der Platte sollten stets
teilter Belastung die Haupttragrichtung nur Lager angeordnet werden. Der Festpunkt
geringfügig von der Normalenrichtung der wird zweckmäßig in die Brückenachse ge-
Verbindung der Lagerlinien ab. Deshalb ist legt. Die anderen Lager der Auflagerlinie
im Mittelbereich das Tragverhalten von im sind allseits frei verschieblich auszubilden.
Vergleich zu ihrer Spannweite breiten Plat- Vor etwa 50 Jahren begann die Verwen-
ten mit parallelen Richtungen der Lager­ dung von Leichtbeton im Brückenbau
linien wie das des entsprechenden unendli- [Heufers, 1967]. Zu den ersten vorgespann-
chen Plattenstreifens mit einer Stützweite, ten Plattenbrücken aus Leichtbeton zählt
die gleich dem kleinsten Abstand der paral- die Selterstorbrücke in Gießen [Alsen/
lel gerichteten Lagerlinien ist. Für die freien Schäfer, 1970]. Sie besteht aus einer durch
Plattenränder und besonders für die Plat- drei achteckige Öffnungen durchbroche-
tenecken sind aber stets gesonderte Unter- nen, viereckigen, nahezu trapezförmigen,
suchungen erforderlich. Die größte Platten- 75 cm dicken Platte mit umlaufenden Aus-
beanspruchung und die größte Auflager­ kragungen, die punktartig auf Punktkipp­
beanspruchung treten in den stumpfen lagern auf sechs Stützen aufgelagert ist. Die
Ecken der schiefwinkligen Platte auf. Hier Rundstützen sind auf Großbohr­pfählen
ist die Platte unbedingt auch auf die Gefahr ∅ 120 cm mit Fußverbreiterung gegründet.
des Durchstanzens zu untersuchen. Schief- Die drei achteckigen Öffnungen wurden
winklige Platten mit j ≥ 75° können rechne- für eine gute Belichtung der darunter lie-
risch näherungsweise wie rechteckige Plat- genden Verkehrsfläche angeordnet. Die
ten behandelt werden. Die Schnittkraftkon- Brückenplatte dient den Fußgängern zur
zentrationen in den Bereichen der stumpfen Überquerung des Stadtstraßen-Rings mit
Ecken sind aber unbedingt konstruktiv zu den Ausfahrten aus der Stadt zu den Auto-
berücksichtigen. bahnzubringern und gleichzeitig den di-
Fugen und Lager kann man bei Platten- rekten Zugängen zum Karstadt-Kaufhaus
brücken häufig vermeiden. Bei durchlau- und der Techniker Krankenkasse in deren
fenden Platten sind aber mindestens auf ersten Obergeschossen.
einer Widerlagerwand Lager anzuordnen. Die vorgespannte Brückenplatte (Bild
Bei Einfeldbrücken kann die Platte mit den 5.1-6) wurde aus gefügedichtem Leichtbe-
Widerlagerwänden zu einem Rahmen ver- ton LB 300 (entspricht etwa LC 25/28) und
bunden werden. Bei vorgespannten Platten im Bereich über den Innenstützen aus LB
sind für den Zustand der Gebrauchstaug- 450 (zwischen LC 35/38 und LC 40/44) her-
lichkeit die Rahmeneckmomente aus stän- gestellt. Die Berechnung der Schnittgrößen
dig wirkenden Einwirkungen und sinnvoll der Platte erfolgte an einem Trägerrost. Das
gewählter Vorspannung, s. o., sehr klein, der Berechnung zugrunde gelegte System
weshalb die Widerlagerwand dünner als die ist im Bild 5.1-7 angegeben [Alsen/Schä-
Plattendicke des Überbaus gewählt werden fer, 1970]. Die beiden Längsträger über
5.1 Beton-Plattenbrücken 295

Bild 5.1-6   Selterstorbrücke in Gießen, Blick von oben, Aufnahme vom Parkdeck des Karstadt-
Kaufhauses aus dem 4. Obergeschoss im April 2005

zwei Felder haben Stützweiten von etwa Dywidag-Spanngliedern ∅ 32 mm aus


28 m und 13 m, die vier Querträger von St 80/105 (� St 834/1030). Aus dem Bild
etwa 13 m, 13 m, 19 m und 24 m. Im Ver- 5.1-8 ist die Spanngliedführung in Längs-
hältnis zur Plattendicke von 75 cm waren und Querrichtung ersichtlich. Die Spann-
die Stützweiten verhältnismäßig groß. Die glieder bestehen sowohl aus dem Momen-
mechanische Schlankheit ergibt sich zu tenverlauf folgenden Teilen als auch aus
li  /h ≈ 0,85 · 28//0,75 ≈ 32. Es ist also eine Teilen mit über den Unterstützungen­
sehr schlanke Platte. Dabei ist noch zu be- durch plastisches Vorbiegen zulässigen
achten, dass der Leichtbeton nur einen kleinen Krümmungsradien (ca. 5 m). Die
Elastizitätsmodul von 17000 N/mm2 hat. großen negativen Krümmungen der Spann-
Die Vorspannung der Platte erfolgte mit glieder im Bereich der Auflager verbessern

Bild 5.1-7   Der Berechnung der Selterstorbrücke zugrunde gelegtes System des Trägerrosts [Alsen/
Schäfer, 1970]
296 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.1-8   Spanngliedführung bei der Selterstorbrücke [Alsen/Schäfer, 1970]

als Folge der konzentrierten Umlenkkräfte Anordnung der Messstellen, bestehend aus
die Beanspruchungen in den Lasteintra- Verzerrungsmessstreifen in Rosettenform
gungsbereichen der Lagerkräfte. zur Messung der Verzerrungen in drei
Beim Bau der Selterstorbrücke handelt Richtungen, sind aus dem Bild 5.1-10 zu
es sich, wie bereits gesagt, um eine der ers- ersehen.
ten Ausführungen in Deutschland aus vor- Die Querdehnungszahlen von Beton
gespanntem Leichtbeton, die zudem auf (ν = 0,2) und von Plexiglas (ν = 0,37) unter-
Einzelstützen gelagert wurde. Wegen der scheiden sich. Die Unterschiede wirken
Lagerung auf Einzelstützen mit den Zusatz- sich aber auf die Ermittlung der Beanspru-
beanspruchungen im Eintragungsbereich chungen der Platte nicht entscheidend aus.
der Stützenlasten in die Platte wurden die Mit für ν-freie Randbedingungen gültige
Beanspruchungen der Platte zu der zuvor Umrechnungsgleichungen (für die unter-
erläuterten Berechnung zusätzlich in einer suchte Platte wegen der freien Plattenrän-
modellstatischen Untersuchung am Institut der für die Selterstorbrücke aber nicht zu-
für Massivbau der Technischen Hochschu- treffend) wurde abgeschätzt, dass der Fehler
le Darmstadt ermittelt [Beck/Mehlhorn, unter 10% liegt. Es ist in allen Fällen unbe-
1970]. Das Modell aus Plexiglas (Bild 5.1-9) dingt zu fordern, dass der Bemessung kon-
wurde der Haupausführung im Maßstab sequent ein Gleichgewichtszustand zu-
1:50 geometrisch ähnlich nachgebildet. Die grunde gelegt wird, auch wenn er die Ver-
Abmessungen der Modellplatte und die träglichkeitsbedingung geringfügig ver-

Bild 5.1-9   Plexiglasmodell für die modellstatische Untersuchung der Selterstorbrücke [Beck/Mehl­


horn, 1970]
5.1 Beton-Plattenbrücken 297

Bild 5.1-10   Messstellen für die modellstatische Untersuchung der Selterstorbrücke [Beck/Mehl-


horn, 1970]

letzt. Dies wurde bei der Bemessung und ten Flächenbelastung gleichwertig waren.
konstruktiven Ausbildung der Selterstor- Durch gruppenweise Zusammenfassung
brücke natürlich beachtet. Als Belastung konnten auch Teilflächenbelastungen unter­
des Modells dienten untergehängte Ge- sucht werden. In den Bildern 5.1-11 und
wichte. Die Last wurde über kleine Einzel- 5.1-12 sind die Ergebnisse der in der Träger­
balken und Ringe mit unter die Modell­ rostberechnung und im Modellversuch er-
platte aufgeklebten Lasthäkchen und durch mittelten Momentenverläufe für den Last-
feine Bohrungen durch die Modellplatte fall Eigenlast g1 = 12,75 kN/m2 (� 1,25 Mp/
gefädelte Stahldrähte in das Modell einge- m2) angegeben. Es ist zu erkennen, dass­­
tragen. Die insgesamt 377 Lasteintragungs- die Ver­läufe grundsätzlich gut übereinstim-
punkte wurden auf der Modellplatte so men. Die Bemessungswerte aus den beiden
­verteilt, dass sie der gleichmäßig verteil- Ermittlungen sind jedoch zum Teil unter-

Bild 5.1-11   Mit der Trägerrostberechnung ermittelter Momentenverlauf der Selterstorbrücke


[Beck/Mehlhorn, 1970]
298 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.1-12   Im Modellversuch ermittelter Momentenverlauf der Selterstorbrücke [Beck/Mehl-


horn, 1970]

schiedlich, natürlich insbesondere an den ohne die wegen der Ausführung aus vor­
Stellen, an denen in der Trägerrostberech- gespanntem Leichtbeton mit der Aufla­
nung (Knotenpunkte der Längs- und Quer- gerung auf Einzelstützen zu beachtende
träger) Momentensprünge auftreten und Sicherheit zu vernachlässigen. Man betrat
bei den Momentenspitzen über den Stüt- ja mit dem Bau der Selterstorbrücke damals
zen, die ja in der Platte nicht in dieser Neuland.
Größe vorhanden sind. Die Auflagerkräfte Später wurde im Rahmen eines von der
wurden ebenfalls modellstatisch durch Deutschen Forschungsgemeinschaft geför-
Verzerrungsmessungen an den Stützen des derten Forschungsvorhabens im Schwer-
Modells ermittelt. Dadurch konnte die punktprogramm Flächentragwerke die
Richtigkeit der ermittelten Schnittmomen- Modellplatte mit der Finite-Element-Me-
te und Auflagerkräfte abschließend durch thode rechnerisch untersucht [Schäfer et
Gleichgewichtsprüfungen bestätigt werden. al., 1975]. Dabei wurde die im Modellver-
In der Trägerrostberechnung mit den Plat- such ermittelte Querdehnungszahl des Mo-
tenstreifen als Träger wurden Torsions­ dellwerkstoffs von ν = 0,37 auch der Berech-
momente errechnet. Die bei der Platte auf- nung zugrunde gelegt, um einen einwand-
tretenden Drillmomente bedeuten, dass die freien Vergleich der Ergebnisse des Modell-
zwar sinnvoll aber willkürlich gewählten versuchs und der FEM-Berechnung zu er-
Koordinatenachsen nicht mit den Rich- möglichen. Das für die Berechnung ver-
tungen der Hauptmomente für den jeweils wendete Dreiecks-Plattenelement mit
betrachteten Punkt der Platte übereinstim- 33 Freiheitsgraden ist im Bild 5.1-13 ange-
men. Weil die Drillmomente nur in Aus- geben. An den Eckknoten 1 bis 3 (siehe
nahmefällen aus den Torsionsmomenten Bild 5.1-13) sind jeweils die acht Frei­
des Trägerrosts ermittelbar sind, ist es im heitsgrade ux , uy , uz , uz, x , uz, y , uz, xx ,
Allgemeinen kaum möglich, die Richtun- uz, xy , uz, yy und in den Seitenmitten,
gen der Hauptmomentenvektoren der Plat- Knoten 4 bis 6, sind jeweils die drei Frei-
te durch eine Trägerrostberechnung ausrei- heitsgrade ux , uy und uz, n angesetzt. u sind
chend zuverlässig zu bestimmen. Die mo- die Verschiebungen, der Index vor dem
dellstatische Untersuchung und die Träger- Komma steht für die Richtung der Ver-
rostberechnung zusammen ermöglichten schiebung, die Indices hinter dem Komma
eine wirtschaftliche Bemessung der Platte, geben die Ableitungen der Verschiebung an
5.1 Beton-Plattenbrücken 299

Plattenelement im Grundriss; Definition


des lokalen Koordinatensystems und der
Knotenfreiheitsgrade.
= Knotenpunkte mit den Formänderungs-
größen ux, uy, uz, uz, x, uz,y, uz, xx, uz, xy, uz, yy.
= Knotenpunkte mit den Formänderungs-
größen ux, uy, uz, uz, n.

Bild 5.1-13   In der FEM-Berechnung verwendetes Dreiecks-Plattenelement

∂2 u ∂2 w cke Buchlohe überführt einen Wirtschafts-


(z. B.: uz, xy = 9z � 9). In den Bil-
∂x δy ∂x ∂y weg über die BAB 96 München-Lindau.
dern 5.1-14 und 5.1-15 ist das für die Be- Die Tragwerksplanung für die Brücke
rechnung gewählte Elementnetz angege- der Brückenklasse 30/30 nach DIN 1072
ben, und es sind die mit dieser Einteilung (12.1985) erfolgte durch Zilch+Müller In-
berechneten Ergebnisse den Versuchser- genieure, München, die Bauausführung
gebnissen gegenüber gestellt. Die Überein- durch die Hermann Assner GmbH & Co.
stimmung der Ergebnisse ist trotz der in der Der Überbau, eine 80cm dicke vorgespann-
Berechnung zur Rechenvereinfachung nä- te Betonplatte mit konstanter Plattendicke
herungsweise zur x-Achse vorausgesetzten über zwei Felder mit 21,5 m Spannweite,
Symmetrie und der gewählten groben Ele- und der Mittelpfeiler der Plattenbrücke
menteinteilung sehr gut. wurden aus Hochleistungsbeton der Festig-
In den letzten Jahren sind Plattenbrü- keitsklasse B 85 (≈ C 70/85) hergestellt. Die
cken auch aus Hochleistungsbeton ausge- Brücke ist mit einer mechanischen Schlank-
führt worden. Die ersten dieser Platten­ heit von li  /h ≈ 0,75 · 21,5/80 ≈ 20 relativ
brücken sind die beiden 1998 erbauten schlank. Bei der gleichzeitig, ebenfalls als
Brücken Buchlohe [Zilch et al., 2002] und Pilotprojekt in Baden-Württemberg, 1998
Sasbach [Bernhardt et al., 1999]. Die als ausgeführten Brücke Sasbach besteht der
­Pilotprojekt in Bayern ausgeführte Brü- Überbau aus einer vorgespannten Beton-

Bild 5.1-14   Für die FEM-Berechnung gewähltes Elementnetz


300 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.1-15   Vergleich der in der im Modellversuch und in der FEM-Berechnung erhaltene Ergeb-
nisse

platte mit 16 m Spannweite, die auf Kasten- 6% Längsneigung, was zu Kostenerspar-


widerlagern aufliegt. Die Tragwerkspla- nissen führte. Aus diesem Grund und
nung für die Brücke erfolgte durch König ­natürlich vor allem, weil es für das Pilot-
und Heunisch, Beratende Ingenieure, projekt sinnvoll war, möglichst hohe Be-
­Frank­furt/Main, die Bauausführung durch tonspannungen zu erzielen, war es sinnvoll
die Bilfinger+Berger Bauaktiengesellschaft, die große Schlankheit zu wählen. Es sollte
Niederlassung Freiburg. Die Brücke wurde aber nicht das vorrangige Ziel der Verwen-
für die Brückenklasse 30/30 nach DIN 1072 dung von Hochleistungsbeton sein, extrem
(12.1985) bemessen. Die aus Hochleistungs­ schlank zu bauen. Die Verwendung von
beton der Festigkeitsklasse B 85 (≈ C 70/85) Hochleistungsbeton sollte aus der Sicht
hergestellte einfeldrige Platte des Überbaus des Autors vor allem aus Gründen der
mit Dachprofil (beiderseitige Querneigung höhe­ren Dauerhaftigkeit und der Wirt-
des Dachprofils von 3%) ist in der Brücken- schaftlichkeit (Herstellungs- und Erhal­
achse 55 cm und im Mittel 53 cm dick und tungs­kosten), also der Nachhaltigkeit des
hat eine Spannweite von 16 m. Sie ist mit Bau­ens dienen.
der Schlankheit l/h = 16/0.53,5 ≈ 30 eine Die fünffeldrige Beton-Plattenbrücke
außergewöhnlich schlanke Brücke. Die über die Zwickauer Mulde bei Glauchau
große Schlankheit erforderte eine verhält- [König et al., 2002] und die über drei Fel-
nismäßig hohe Beton- und Spannstahl- der durchlaufende, vorgespannte Beton-
menge (Menge des Betonstahls: 130 kg/m3, Plattenbrücke Freihamer Allee [Zilch et
Menge des Spannstahls für die Längsspann- al., 2002] zählen ebenfalls zu den ersten
glieder: 63,6 kg/m3 und auf die Brückenflä- Brücken in Deutschland, die aus Hochleis-
che bezogen von 22,2 kg/m2). Die Möglich- tungsbeton B 85 ausgeführt wurden, als
keit der geringen Konstruktionshöhe ergab größere Brücken sind sie die beiden ersten
eine Reduzierung der Höhen der in der in Deutschland aus Hochleistungsbeton ge-
Verlängerung der Brücke erforderlichen bauten Brückenüberbauten überhaupt. Die
Dämme beidseitig mit Rampen mit je über fünf Felder durchlaufende Platten­
5.1 Beton-Plattenbrücken 301

Bild 5.1-16   Fünffeldrige Beton-Plattenbrücke über die Zwickauer Mulde bei Glauchau

brücke der Brücke über die Zwickauer von 60 cm in Plattenmitte und von 1,10 m
Mulde bei Glauchau (Bild 5.1-16) hat eine über den Innenstützen. Sie ist mit der me-
konstante Plattendicke von 1,05 m. Die chanischen Schlankheit li  /h ≈ 0,6 · 25/0,6
Stütz­weiten betragen 31 m – 39 m – 37 m = 25 eine aus Normalbeton ausgeführte als
– 35 m – 29 m. Ihre mechanische Schlank­ sehr schlank zu bezeichnende Brücke. Bei
heit beträgt etwa 24, die größte optische der Schlankheit ist aber zu beachten, dass
Schlankheit etwa 37. Die Brücke ist damit die Brücke ja über den Innenstützen fast
sehr schlank. doppelt so dick ist wie in Feldmitte, was die
Üblich ist auch die Herstellung von Plat- Frage der Schlankheit relativiert. Die Brü-
ten aus Fertigteilen mit Ortbetonausfüllung, cke ist sehr wirtschaftlich konstruiert und
wodurch die Schalung und Rüstung der Plat- ausgeführt, weil die Eigenlast im Feld (gro-
te entfällt. Dazu wird auf Abschnitt 4.2.1 und ßer Hebelarm für die Belastung) gering und
insbesondere auf Bild 4.2.1-4 verwiesen. über der Stütze (kleiner Hebelarm für die
Es sollen noch Betrachtungen zu vorge- Belastung) höher ist. Die Spanngliedfüh-
spannten Plattenbrücken und der Spann- rung ist typisch für die damalige Zeit, als
gliedführung angestellt werden, die auch man die Anordnung der Spannglieder ent-
für die im Abschnitt 5.2.1 behandelten vor- sprechend den Beanspruchungen aus äuße-
gespannten Durchlaufträger in gleicher ren Lasten wählte und nach Möglichkeit
Weise typisch sind. Im Bild 5.1-17 ist die Zwangsmomente aus Vorspannung ver-
von DYWIDAG 1960 ausgeführte Brücke mied.
über die Nahe in Kirn (Bild 5.1-4), die Bei heutigen Konstruktionen erfolgt die
für die Brückenklasse 30 nach DIN 1072 Führung der Spannglieder bei solchen Brü-
(03.1952) dimensioniert wurde, mit der zu- cken so, dass man ganz bewusst gerade die
gehörigen Spanngliedführung im Längs- Zwangsmomente aus Vorspannung durch
schnitt dargestellt. Bei 25 m Mittelspann- geeignete Spanngliedführung erzwingt.
weite besitzt sie eine Konstruktionshöhe Dadurch wird nämlich erreicht, dass die

Bild 5.1-17   Längsschnitt mit Spanngliedführung der Nahebrücke Kirn


302 5 Haupttragwerke der Überbauten

Spannglieder über die ganze Länge mit der 5.2 Balkenbrücken


gleichen Anzahl durchgehen und keine
Endverankerungen im Feld erforderlich 5.2.1 Beton-Balkenbrücken
sind, was zu Querkraftsprüngen führen
würde. Die gewollten Zwangsmomente Gerhard Mehlhorn
werden durch die exzentrische Anordnung
der Spannglied-Verankerungen an den Abgesehen von den großen Bogenbrücken
Endauflagern und die Verschiebung der können nicht vorgespannte, bewehrte Be-
Wendepunkte der Spanngliedführung nach tonbrücken mit den Stahlbrücken kaum
den Innenstützen zu erreicht. Die Krüm- konkurrieren, wenn Spannweiten über
mungsradien der Spannglieder werden 60 m zu überbrücken sind. Deshalb gibt
durch die genannte Verschiebung der Wen- es nicht vorgespannte Beton-Balkenbrü-
depunkte allerdings kleiner(darauf achten, cken hauptsächlich nur mit kleinen Spann­
dass die zulässigen Krümmungsradien der weiten. Die Seinebrücke bei Villeneuve
Spannglieder nicht unterschritten wer- (Bild 5.2.1-1) ist mit 78 m Spannweite ver-
den!). Es werden durch die sinnvolle Spann- mutlich die am weitesten gespannte nicht
gliedführung Zwangsmomente aus Vor- vorgespannte Stahlbetonbalkenbrücke.
spannung so aufgebaut (positive Zwangs- Obwohl die günstige Flächentragwir-
momente, die über der Stütze die positiven kung der Platte zur Querverteilung kon-
Momente aus Vorspannung im Vergleich zentrierter Lasten durch die monolithische
zum statisch bestimmten Anteil vergrößern Konstruktion der Stahlbetonbrücken durch­
und im Feld die Absolutwerte der negativen aus vorhanden war, wurde früher, zu Beginn
Momente aus Vorspannung verkleinern), der Entwicklung der Stahlbetonbauweise,
damit sich eine insgesamt gleichmäßigere die Platte zur Querverteilung der Belas-
Beanspruchung aus der Überlagerung aus tung nicht herangezogen. Es wurden dazu
den äußeren Einwirkungen und der Vor- Querträger angeordnet, denen die Quer-
spannung in den Feldern und über der verteilung allein zugewiesen wurde. Dieses
Stütze ergibt. Außerdem wird durch diese Konstruktionsprinzip (Bild 5.2.1-2) wurde
Spanngliedführung im Bereich der Mittel- bis nach 1945 beibehalten. Beton-Balken-
unterstützungen erreicht, dass die aus der brücken werden heute in der Regel in
Umlenkung der Spannglieder resultieren- Längsrichtung vorgespannt. Deshalb wird
den Betonbeanspruchungen direkt zum hier nicht weiter auf nicht vorgespannte
Auflager gerichtet sind, was einen günstige- ­Beton-Balkenbrücken eingegangen.
ren Spannungszustand in diesem Bereich, Es sei aber noch auf eine ältere Stahlbe-
in dem der Beton durch die schräg gerich- tonbalkenbrücke und das Konstruktions-
teten Hauptdruckspannungen besonders system des Möller-Trägers, obwohl das Sys-
hoch beansprucht ist, ergibt. Darauf, wie tem wegen des aus genietetem Walzstahl
man die Zwangsmomente gezielt beein- bestehendem Stahl-Zuggurts heute eigent-
flusst, wird an Grundlastfällen an einseitig lich nicht in die Stahlbetonbauweise einzu-
eingespannten statischen Systemen im Ab- ordnen ist, hingewiesen. Bei diesen sind
schnitt 8.5.2.3 eingegangen. nämlich einige Konstruktionsprinzipien
des vorgespannten Betons, der den moder-
nen Betonbrückenbau der heutigen Zeit
beherrscht, bereits vorweggenommen. Es
handelt sich um die bereits 1930/31 in Bra-
silien über den Rio Peixe (Bild 5.2.1-3) er-
richtete Stahlbetonbrücke mit 68  m freier
5.2 Balkenbrücken 303

Bild 5.2.1-1  Längs- und Querschnitt der Seinebrücke bei Villeneuve [Wittfoht, 1972]

Spannweite, die die erste bekannt gewor­


dene, im Freivorbau errichtete Betonbrü-
cke ist [NN, 1931]. Der Freivorbau erfolgte
in Abschnitten von 1,5 m Länge. Die Längs-
bewehrung aus Betonstahl ∅ 45 mm wurde
durch Muffenstöße verlängert.
Die Möllerträger (Bild 5.2.1-4), auch
Fischbauchträger genannt, bestehen aus
Plattenbalken mit einem oberen Beton-
druckgurt. Die Stege aus Beton sind nach Bild 5.2.1-2  Konstruktive Ausbildungen be-
unten parabelförmig begrenzt. Möller ver- wehrter Betonbalkenbrücken, wie sie vor allem
bis etwa 1950 üblich waren [Gehler, 1931]
wendete für den Zuggurt Flachstahl, dessen
Verankerung am Auflager mittels aufge-
schweißter Winkel gewährleistet wird. Zur
besseren Verbundwirkung des Flachstahls
mit dem Beton werden, auch im Feld, Stahl-
winkel angeschweißt. Die nach diesem
Prinzip Anfang des dritten Jahrzehnts des
vorigen Jahrhunderts gebaute Elbe-Flut-
brücke bei Heyrothsberge mit 29 Öffnun- Bild 5.2.1-3  Aus Stahlbeton 1930/31 im Frei-
gen mit je 14,5 m Spannweite und mit je- vorbau errichtete Brücke über den Rio Peixe
weils sieben nebeneinander liegenden (Brasilien) [NN, 1931]
Möllerträgern bei 9,7 m Brückenbreite ge-
hörte zu den längsten Betonbalkenbrücken
[Gehler, 1931]. Sie wurde in den 60iger Jah-
ren des vorigen Jahrhunderts zum größten
Teil ersetzt. Dieses Konstruktionsprinzip
des Möllerträgers entspricht im Prinzip
dem des unterspannten Trägers, der bei der
ersten aus Spannbeton errichteten Brücke
angewendet wurde, allerdings ist dort das Bild 5.2.1-4   Möllerträger [Deinhard, 1964]
Zugband nicht stetig gekrümmt, sondern
an Punkten konzentriert umgelenkt und trägern und engem Längsträgerabstand zu
vor Allem: vorgespannt. immer größer werdenden Trägerabständen
Aus dem Bild 5.1-5, siehe Abschnitt 5.1, statt, wobei man zur wirtschaftlichen Bau-
ist die Entwicklung der heute gebräuch- ausführung mit Ausnahme an den Endauf-
lichen Querschnittsformen von Beton-Bal- lagern zunehmend auf Querträger verzich-
kenbrücken für Durchlaufträger und Plat- tete und die Querverteilung ausschließlich
ten ersichtlich. Beim Träger fand eine Ent- der Platte zuwies. Analog war die Entwick-
wicklung vom Plattenbalken mit Quer­ lung bei den Hohlquerschnitten, aus denen
304 5 Haupttragwerke der Überbauten

sich dann schließlich auch noch als Varian- ebenfalls bereits seit Anfang des 20. Jahr-
te die Pilzbrücke entwickelte. hunderts mit dem Gedanken der Vorspan-
Wie bereits gesagt, ist der moderne Be- nung beschäftigte. Der Spannbeton konnte
tonbrückenbau durch die Vorspannung des erst mit der Entwicklung hochfester Stähle
Betons geprägt. Hauptsächlich wegen der zur Anwendung kommen. Außerdem war
geringen Dehnfähigkeit und wegen der im die Erkenntnis wichtig, dass der Beton un-
Verhältnis zu seiner Druckfestigkeit gerin- ter dauernd wirkenden Druckspannungen
gen Zugfestigkeit des Betons ist es nicht kriecht, was Freyssinet beim Bau der
möglich Stähle sehr hoher Festigkeit im Be- 1907/12 errichteten drei Betonbogenbrü-
tonbau ohne Vorspannung auszunutzen, da cken über den Allier (Le Veudre, Boutiron
dies zu zu großen Rissbreiten führen wür- und Chatel de Neuvre), von denen heute
de, die die Dauerhaftigkeit des Bauwerks in nur noch die Brücke bei Boutiron (Bild
Frage stellen. Als fruchtbar für die Weiter- 1.4-46) existiert, erkannte. Er stellte sich die
entwicklung im Betonbau erwies sich des- Frage, ob sich trotz der langandauernden,
halb die Vorspannung der Tragwerke. Erst zeitabhängigen Zunahmen der Formände-
mit der Entwicklung der Spannbetonbau- rungen im Beton dauerhafte Vorspannun-
weise kamen auch bei großen Spannweiten gen erzeugen lassen. Als Ergebnis seiner
Biegeträger, meist als Durchlaufträger aus- Experimente kam er zu dem Schluss, dass
geführt, im Betonbrückenbau zur Anwen- für den Spannbeton die Verwendung hoch-
dung. fester Stähle notwendig ist. In einem seiner
Die Grundidee des Vorspannens geht Patente heißt es:
bereits bis ins Ende des 19. Jahrhunderts „Für die Erfindung ist also Voraussetzung:
zurück. Bereits 1888 erhielt Doehring das die Verwendung eines die angegebenen hoch-
Patent Einrichtung zur Herstellung von mit wertigen Eigenschaften besitzenden Werk-
Draht durchzogenen Latten erteilt, wonach stoffs für die Bewehrung und die Verwen-
die Drähte durch Schrauben gespannt wer- dung einer ebenfalls hochwertigen Beton-
den sollen. Im Jahre 1905 beschrieb Lund masse. Denn nur in diesem Fall liegt die Er-
in der Zeitschrift Beton und Eisen eine De- findungsaufgabe, nämlich die Schaffung ei-
ckenkonstruktion aus Fertigbeton-Hohl- nes hohe Belastungen mit Sicherheit ermög-
blöcken mit vorgespannter Bewehrung, lichenden Eisenbetonkörpers überhaupt vor.
wozu er schrieb: Will man die Rissbildung Für die Bewehrungsstäbe kommen mithin
im Beton verhüten, muss man das Eisen der Stäbe in Betracht, die eine Elastizitätsgrenze
Zuganker vor der Ausrüstung mit der zuläs- von mindestens 40 kg/mm2 ( � 400 N/mm2)
sigen Spannung beanspruchen, und dieses haben, die, je nach Größe der anzuwen­
kann bei der vorliegenden Konstruktion aus denden Vorspannung, bis zu 160 kg/mm2
einzelnen fertig abgebundenen Betonblöcken ( � 1600 N/mm2) und mehr betragen muss.
sehr leicht geschehen, indem man die Blöcke Ferner müssen die vorgespannten geradlini-
vor der Ausschalung durch Anziehen der gen Bewehrungen im Beton so verteilt wer-
Zuganker zusammenpresst. Diese Ideen wa- den, dass sie in ihm eine Druckverteilung
ren für die Anwendung im Hochbau ge- schaffen, die den Zugkräften entgegenwirkt,
dacht, setzten sich zunächst auch dort nicht welche sich aus der Eigenlast und der Nutz-
durch und hatten für den Brückenbau keine last ergeben. Als Mittel zur Erzielung einer
Bedeutung. geeigneten hochwertigen Betonmasse kom-
Die Entwicklung des Spannbetons ist men in Betracht: sorgfältige Körnungswahl,
vor allem mit den Arbeiten und Veröffent- Rütteln, Pressen und Umschnüren. Durch
lichungen des französischen Ingenieurs die Erfindung soll erreicht werden, dass die
Freyssinet aufs Engste verbunden, der sich den Bewehrungsstäben erteilte Vorspannung
5.2 Balkenbrücken 305

Bild 5.2.1-5   Finsterwalders Entwurf für die Dreirosenbrücke in Basel aus dem Jahr 1930, Bild nach
[Finsterwalder, 1967]

durch die diesen entgegenwirkenden Kräfte haft auf die Begrenzung der Rissbreiten aus
nicht völlig aufgehoben wird und der Eisen- und führt damit zu einem günstigen Ver-
betonkörper dauernd wirksamen Druck- halten des Bauwerks unter Eigen- und
kräften unterworfen bleibt, welche die in Nutzlasten.
dem Körper durch Eigenlast und Nutzlast Bei der Errichtung der bereits erwähn-
entstehenden Zugspannungen ganz ver- ten Brücken über den Allier verband Freys-
schwinden lassen oder doch im wesentlichen sinet an einem Bogen als Probekörper mit
ausgleichen. Dadurch erhalten nämlich die 50 m Spannweite die beiden Widerlager mit
nach dem Verfahren gemäß der Erfindung einem vorgespannten Zuggurt aus vorge-
hergestellten Eisenbetonkörper die Eigen- spannten kaltgezogenen Drähten ∅ 8 mm
schaften homogener Körper.“ mit Spannungen nahe an der Fließgrenze.
Man kann heute rückblickend sagen, Die vorgespannten Drähte wurden mit in
dass dieser in seiner Patentschrift von 1929 einer Ankerplatte angeordneten Keilen ver-
aufgezeigte Weg, Betone und Stähle hoher ankert. Diese erstmalige Anwendung der
Festigkeit zu verwenden, sich vollauf be- Vorspannung im Betonbrückenbau an ei-
stätigt hat. Im Spannbetonbau finden heute nem Probekörper ist der erste Meilenstein
Spannstähle mit Festigkeiten zwischen der späteren Entwicklung des Spannbeton-
1000 und 2000 N/mm2 Verwendung. Da- Brückenbaus [Grote/Marrey, 2000].
gegen hat sich die andere Vorstellung Der erste bekannt gewordene Entwurf
­Freys­sinets, hinsichtlich des Aufbringens einer Spannbetonbrücke überhaupt stammt
so hoher Vorspannkräfte, dass auch nach aus dem Jahr 1930. Finsterwalder schlug
Wirksamwerden der vollen Nutzlasten auf damals für den Bau der Dreirosenbrücke in
Dauer keine Zugspannungen im Beton Basel eine Spannbetonbrücke [Finster­
auftreten, als nicht zweckmäßig erwiesen. walder, 1965] vor. Dieser Entwurf (Bild
Vielmehr wird heute in Anlehnung an die 5.2.1-5) wurde allerdings nicht ausgeführt.
Überlegungen von Abeles, Finsterwalders Betrachtet man das Konstruktionssystem,
und Rüsch’s in dem Maße vorgespannt, erkennt man, dass schon dieser Entwurf
dass der Beton nicht auf Dauer voll über- prinzipiell wesentliche charakteristische
drückt ist. Betonzugspannungen werden Elemente der nach 1945 entwickelten Frei-
entweder soweit begrenzt, dass sie unter- vorbauweise enthält. Es sei auf die Ausbil-
halb der Betonzugfestigkeit liegen oder dung als Kragträger mit der gelenkigen
man lässt bewusst Risse im Beton zu. Verbindung im Scheitel hingewiesen. Diese
Dann ist neben dem vorgespannten Spann- Brücke sollte aber auf einem Lehrgerüst,
stahl zusätzlich nicht vorgespannter Be- nicht im Freivorbau, hergestellt werden.
tonstahl (dieser ist auf jeden Fall anzuord- Der von Dischinger 1927/28 beim Bau
nen!) zur Aufnahme der Schnittgrößen der Saalebrücke Alsleben (Bogenbrücke
erforderlich. Die über die Zugzone verteil- mit angehängter Fahrbahn der Schifffahrts-
te Bewehrung wirkt sich besonders vorteil- hauptöffnung über 68 m Spannweite als
306 5 Haupttragwerke der Überbauten

Schneeberger Straße Bahnhofsstraße Lößnitzer Straße


Niederschlemaer Weg nach Lößnitz
nach Aue
Carola Anlagen IX Alberodaer Straße
Zwickauer Mulde
19,01 23,25 28,00 41,05 28,00 24,81 21,90 25,20 69,00 23,40
303,62
Bauteil A Bauteil B Bauteil C Bauteil D
4,75

1,90
1 : 40

4,75
1 : 40

18,75 31,50 18,75


25,20 69,00 23,40

+ 357,010 + 357,265 + 357,065


+ 356,379
20

10

36 ∅ 70 40 36 ∅ 70
2 18 ∅ 70 12 ∅ 70 12 ∅ 70
60 Öffnung
30 ∅ 70
30

+ 354,319 Einsteigeöffnung
35

54

Schutzrohre + 352,15

mit
24,50 7,91 7,91 9,375 9,375 9,375
Einhänge-
25,20 10,75 träger 31,50

Bild 5.2.1-6   Dischingers Konstruktion der Brücke in Aue. Erste Spannbetonbrücke überhaupt,


nach [Finsterwalder, 1967]

Zweigelenkbogen mit vorgespanntem Zug- mm2) vor allem wegen der noch fehlenden
band) [Dischinger, 1949-2, Standfuß, 2000] Theorie zur Berechnung des Spannkraftver­
und der ersten 1935/37 gebauten vorge- lusts infolge Kriechens des Betons – diese
spannten Brücke überhaupt [Schönberg/ Theorie wurde von ihm erst 1939 anwen-
Fichtner, 1939, Dischinger, 1949-2, Finster- dungsreif veröffentlicht [Dischinger, 1939] –
walder, 1965], der Brücke in Aue (hänge- außerhalb des Betonquerschnitts zwischen
werkartig, außerhalb des Querschnitts die Stege der Plattenbalken, um sie jederzeit
­geführte und umgelenkte Spannglieder) entsprechend der auftretenden Verfor-
­gewiesene Weg, die Vorspannbewehrung mungen und den damit verbundenen Span-
ohne Verbund hängewerkartig, polygonal nungsverlusten nachspannen zu können.
außerhalb des Querschnitts anzuordnen Während des 2. Weltkriegs wurde die Brü-
(Bild 5.2.1-6), damit sie entsprechend­ cke nicht wie vorgesehen gewartet, und es
der plastischen Formänderung des Betons sind erwartungsgemäß sichtbare Durchbie-
jederzeit nachgespannt und ausgewechselt gungen und signifikante Spannkraftverluste
werden kann, hat sich in jüngster Zeit­ von ca. 40% aufgetreten. Außerdem wur-
als erfolgreiche Variante im Beton­ den als Folge der unterbliebenen Wartung
brückenbau entwickelt. Dischinger, der an den Spanngliedern und deren Veranke-
Konstrukteur der Brücke in Aue, legte­ rungen Korrosionsschäden festgestellt. Die
die Spannglieder aus Rundstählen St52 Brücke konnte 1962 wieder instand gesetzt
∅ 70 mm (Vorspannung nur etwa 200 N/ werden [Lippold/Spaethe, 1965]. Inzwi-
5.2 Balkenbrücken 307

schen wurde sie durch ein neues Bauwerk Riss. Durch geeignete konstruktive Maß-
ersetzt [Ivanyi/Blume, 1995]. nahmen (profilierte Oberfläche des Beton-
Vor allem waren die Entwicklung hoch- stahls) wird ein guter Verbund gewährleis-
fester Spannstähle, aber auch die Erfor- tet. Die im Riss vom Beton nicht aufnehm-
schung der Kriechprobleme und die zu ent- baren Zugspannungen bauen sich über
wickelnde Theorie zur rechnerischen Er- kürzere Einleitungslängen zwischen den
mittlung des Spannkraftverlusts infolge des Rissen im Beton wieder auf und ergeben
Kriechens des Betons notwendige Voraus- somit kürzere Rissabstände mit einer grö-
setzungen für den Durchbruch des Spann- ßeren Rissanzahl bei gleichbleibend genü-
betons und der dadurch eingeleiteten Ent- gend kleinen Rissbreiten. Bei gleichblei-
wicklung neuer Konstruktionsformen im bender Rissbreite kann also eine höhere
Betonbrückenbau, die, wenn auch die An- Stahlspannung ausgenutzt werden. Jedoch
fänge bereits in die 30er Jahre des vorigen wird bei zu kleinen Rissabständen die Ver-
Jahrhunderts zurück gehen, doch vor allem bundwirkung erheblich reduziert. Deshalb
seit etwa 1950 den Brückenbau revolutio- sind der Verwendung und Ausnutzung von
nierten. Stählen hoher Festigkeiten als Bewehrung
Bevor die heute üblichen Konstruk­ in nichtvorgespannten Tragwerken des Be-
tionssysteme im Betonbrückenbau weiter tonbaus Grenzen gesetzt.
erläutert werden, soll kurz auf das Prinzip Bei Spannbetonbauteilen, bei denen der
des Spannbetons eingegangen werden. Für aus äußeren Einwirkungen auf Zug bean-
die rechnerische Behandlung wird auf Ab- spruchte Beton vorgedrückt wird, damit er
schnitt 8.5, auf eine ausführlichere Behand- unter Gebrauchslast nicht oder nur sehr be-
lung z. B. auf [Mehlhorn, 1998] verwiesen. grenzt auf Zug beansprucht wird, gelten
Beim gerissenen Stahlbetonbalken un- wegen der Vordehnung der Stähle diese
terscheidet man die Druck- und die Zug­ Grenzen für die Ausnutzbarkeit hochfester
zone. In der Druckzone werden die Druck- Stähle nicht im gleichen Maße. Spannt man
beanspruchungen vom Beton, in der Zug- nämlich durch Vordehnung die in der
zone nach der Rissbildung die Zugkräfte Betonzugzone angeordneten Spannglieder
vom Betonstahl aufgenommen. In nicht- vor (die Betonzugzone wird dabei vorge-
vorgespannten, auf Zug bzw. Biegezug be- drückt), müssen zunächst durch die zuneh-
anspruchten, bewehrten Tragwerken des mende Beanspruchung aus äußeren Lasten
Betonbaus treten Risse in der Regel bereits und den daraus resultierenden Zugspan-
unter Eigenlast auf, da die Dehnfähigkeit nungen die aus Vorspannung herrühren-
des Betons das Maß 0,1 ‰ nicht oder kaum den Druckspannungen in der vorgedrück-
überschreitet. Die vor der Rissbildung vom ten Betonzugzone abgebaut werden, ehe die
Beton und der Bewehrung zunächst ge- Dehnfähigkeit des Betons erreicht wird und
meinsam aufgenommenen Zugkräfte müs- der Beton bei weiterer Laststeigerung reißt.
sen im Riss allein vom Betonstahl aufge- Durch die Vordehnung der Spannglieder ist
nommen werden. Die zwischen dem Beton es deshalb möglich höhere Stahlfestigkeiten
und dem Betonstahl auftretenden Verbund­ auszunutzen. Das Kräftespiel an einem äu-
spannungen bewirken, dass die im Riss ßerlich statisch bestimmten Spannbeton-
vom Betonstahl allein aufgenommenen balken – Spannglieder mit Ankerkörpern
Zugkräfte im ungerissenen Bereich zwi- und zugehörige Druck- und Zuglinien im
schen den Rissen allmählich in den Beton Beton für den Grenzzustand der Ge-
übertragen werden. An der Stelle, an der die brauchstauglichkeit, bei dem der Beton im
Zugspannungen die Größe der Betonzug- Zugbereich nahezu ungerissen ist – ist im
festigkeit erreichen, entsteht der nächste Bild 5.2.1-7 dargestellt. Entscheidend für
308 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.2.1-7   Prinzipielle Darstellung des Kräftespiels am äußerlich statisch bestimmten Spann­


betonbalken

die Biegetragfähigkeit des vorgespannten schnitts, als interne Längsspannglieder


Balkens ist, dass die Spannglieder im Be- ohne Verbund im Steg oder bei der Quer-
reich der größten Beanspruchungen mög- vorspannung von Fahrbahnplatten ohne
lichst nahe dem aus äußeren Lasten her- Verbund innerhalb des Betonquerschnitts
rührenden Zugrand angeordnet sind. des vorzuspannenden Betonteils,
Hinsichtlich der Schubbeanspruchun-
gen ist die in Bild 5.2.1-7 dargestellte Vorspannung mit sofortigem Verbund:
Spanngliedführung (Zuglinien) günstig, Spannglieder werden nach dem Vorspan-
um im Grenzzustand der Gebrauchstaug- nen so in den Beton eingebettet, dass gleich-
lichkeit auch Rissbildungen im Schubriss- zeitig mit dem Erhärten des Betons die Ver-
bereich möglichst lange auszuschalten. bundwirkung entsteht (Fertigteile),
Durch die der Querkraft aus äußeren Las- Vorspannung mit nachträglichem Verbund:
ten entgegenwirkende Querkraft aus Vor- Der Beton wird zunächst ohne Verbund-
spannung werden die Hauptzugspannun- wirkung zwischen Spanngliedern (in Hüll-
gen gering gehalten. Hinsichtlich der Schub­ rohren verlegt) und Beton vorgespannt,
tragfähigkeit wäre aber eine möglichst tiefe später wird die Verbundwirkung durch das
Lage der Spannglieder im Auflagerbereich Auspressen der Hüllrohre mit Verpress-
günstiger. Nach den Rissbildungen stellt mörtel hergestellt.
sich nämlich ein anderes Tragverhalten als
vor den Rissbildungen ein. Dieses Tragver- Vorspannung als Mischbauweise:
halten entspricht im Prinzip dem eines Es werden sowohl interne Längsspannglie-
Fachwerks. Dazu sind im Auflagerbereich der mit Verbund im Betonquerschnitt als
möglichst tiefliegende Spannglieder mit auch externe Spannglieder im Innern des
größerem inneren Hebelarm besser geeig- Kastenquerschnitts verwendet. Bei der
net als nach oben gezogene. Gegen die Misch­bauweise werden nach [DIN-FB 102,
Spannglieder stützen sich die schräggerich- 2003], 3.4 (1) P besondere Anforderungen
teten Betondruckstreben ab. zu späteren Möglichkeiten von eventuell
Zur Aufbringung der Vorspannung sind erforderlichen Verstärkungsmaßnahmen
geeignete Spannverfahren erforderlich. gestellt.
Unter Spannverfahren wird die Art und der
Ein wesentliches Merkmal der Spannver-
Zeitpunkt der Erzeugung der Vorspannung,
fahren mit nachträglichem Verbund und
die Art der Verankerung der Spannstähle,
der internen Spannglieder ohne Verbund
die Art der Kopplung der Spannglieder und
ist, dass die Spannglieder weitgehend belie-
die Art der Herstellung des Verbunds ver-
bige Vorspannführung erlauben. Lediglich
standen. Bei Spannverfahren mit Spann-
durch die einzuhaltenden Krümmungs­
gliedern aus hochfestem Stahl wird hierbei
radien wird der frei wählbare Verlauf der
grundsätzlich unterschieden:
Spanngliedführung begrenzt. Es ist auch
Vorspannung ohne Verbund: möglich, die Spannglieder an beliebigen
Spannglieder liegen außerhalb (externe Stellen innerhalb des Tragwerks enden zu
Spannglieder) im Innern des Kastenquer- lassen. Dadurch können, für beliebige Stel-
5.2 Balkenbrücken 309

len Größe, Lage und Richtung der erforder- die geringen und besser abschätzbaren Rei-
lichen Vorspannkräfte sowie der Zeitpunkt bungsverluste beim Vorspannen und die
ihrer Aufbringung den Erfordernissen an- jederzeitige Nachspannbarkeit und Aus-
gepasst werden. Die Anspannstellen müs- tauschbarkeit der Spannglieder waren
sen jedoch während des Spannvorgangs wichtige Kriterien. Zudem erlauben die ex-
zugänglich sein. Wenn Spannglieder inner- tern geführten Spannglieder die Eigenlast
halb des Tragwerks enden, ist bei der des Überbaus durch die Verringerung der
konstruktiven Ausbildung der Bewehrung Stegdicken zu reduzieren. Auch die Ein-
darauf zu achten, dass im Bereich der bringung des Betons wird erleichtert.
inneren Verankerungen den Querkraft- Die Konstruktionsform der Massivbrü-
sprüngen aus der Vorspannung (zusätzliche cken wird in ganz besonderem Maße durch
Schub­­bewehrung) und der erforderlichen die Bauausführung beeinflusst. Dabei wer-
Spaltzugbewehrung Rechnung getragen den auch bewährte Konstruktionsformen
wird. laufend verbessert. Am Beispiel der Unkel-
Wie bereits erwähnt führte Dischinger steinbrücke, der Hochstraße Ludwigshafen
bei den ersten vorgespannten Betonbrü- und der Elztalbrücke (Bilder 5.2.1-8 bis
cken die Spannglieder außerhalb des Quer- 5.2.1-11) soll die Entwicklung der Pilzbrü-
schnitts. Diese externe Vorspannung wird cken gezeigt werden. Es sei angemerkt, dass
ohne Verbund, mit den Vorteilen der Nach- es fraglich ist, ob die Pilzbrücke und auch
spannbarkeit und der Austauschbarkeit der die anschließend besprochene Freivorbau-
Spannstähle, ausgeführt. Auch in Frank- weise in allen ihren Formen im strengen
reich wurden bereits um 1950 vier Brücken Sinn als Balkenbrücken zu bezeichnen sind.
mit Vorspannung ohne Verbund gebaut Auf sie wird hier aber deshalb eingegangen,
[Metzler/Schmitz, 1998]. Danach ist diese weil die Entwicklung der Bauformen von
Art der Vorspannung lange Zeit nicht mehr besonderem Interesse ist und auch der Zu-
angewendet worden. Seit Mitte der siebzi- sammenhang von Konstruktion und Bau-
ger Jahre wurde das Prinzip der extern ge- ausführung deutlich wird.
führten Spannglieder, zunächst in Frank- Bei der nach einem Entwurf (Beteiligung
reich und in den USA, wieder aufgegriffen. bei der Gestaltung: Architekt Gerd Lohmer)
In Frankreich stand bei dieser Weiterent- und der technischen Bearbeitung von
wicklung der extern geführten Spannglie- Dyckerhoff & Widmann 1956/57 in Ar-
der die Qualitätsverbesserung der Brücken beitsgemeinschaft gebauten Unkelstein­
im Vordergrund. Die Spanngliedführung, brücke parallel zum Rhein im Zuge der B 9

5,51
32,60 36,00 38,00 40,00 40,00 40,00 40,00 6,00
41,06 38,90
346,56
Längsschnitt in Brückenachse

bahn

von Köln des- B9


Bun Alle nach Mainz
Untersicht
Draufsicht
Bild 5.2.1-8   Unkelsteinbrücke, Längsschnitt, Unter- und Draufsicht (DYWIDAG-Archiv)
310 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.2.1-9   
Unkelsteinbrücke

Fuge

379.30
20,90 37,50 37,50 37,50 37,50 37,50 37,50 37,50 37,50 37,50
37,50 20,90
20,90

3000
3000

Bild 5.2.1-10   Längsschnitt und Untersicht der Elztalbrücke, Bild nach [Schambeck/Foerst, 1973]

von Köln nach Mainz, wurde der 358 m len sind in einem allseits geschlossenen
­lange Überbau als Durchlaufträger über Rahmen gefasst und gewährleisten die
neun Felder als zweizelliger Kasten mit 2 m Längsverschieblichkeit des Überbaus in der
Konstruktionshöhe gebaut. An den Wider­ Bauwerksachse infolge Temperaturände-
lagern und über den Pfeilern ist der Kasten rungen und der Verkürzungen aus dem
durch Querscheiben ausgesteift. An einer Kriechen und Schwinden des Betons, wäh-
der mittleren Innenstützen ist der Überbau rend die Querverschiebung des Überbaus
mit dieser Stütze biegesteif verbunden. An ausgeschlossen wird. Die Stützen haben
den beiden Widerlagern werden die Kräfte Abstände von 32,60 m bis 41,06 m von­
vom Überbau in die Widerlager über je drei einander. Die Weiterentwicklung dieser
Pendellager übertragen. An sieben der acht Konstruktionsart führte zur monolithi-
Innenstützen ist der Überbau auf jeweils schen Verbindung des Überbaus mit der
vier Vielrollenlagern auf tellerartigen Stüt- Stütze, dem Pilzkopf. Diese Entwicklung
zenköpfen (Vorläufer der Pilzköpfe) auf führte zur festen Verbindung des Überbaus
einer Mittelstützenreihe gelagert. Die Rol- mit den Stützen über die Zwischenstufen
Abgang zum Pfeiler zur
Montage des Stüzbockes
Mittlerer Stüzbock

Hinteres Fahrwerk Mittlerer Längsträger

Schalung Seitl. Stützbock beim Betonieren


Fahrschienen des Abschnitts I (Leerstellung)
5.2 Balkenbrücken

Hilfsgerüst
Obere Arbeitsbühne

Untere Pfeiler
Arbeitsbühne

37 500 37 500

Mittlerer Stüzbock
16 000
Mittlerer Längsträger
Bühne eingefahren Seitlicher Längsträger

1 240
Hydr. Pressen ±0

7 800
Unter Arbeitsbühne
1 240
Bühne ausgefahren 3 300 3 300 Schalung in Fahrstellung
Bild 5.2.1-11   Längsansicht und Querschnitt des freitragenden Vorrichtung zum Ablasen der Schalung
Gerüstwagens der Elztalbrücke, Bild nach [Schambeck/Foerst, 1973] Schalung in Betonierstellung Bühne eingefahren
311
312 5 Haupttragwerke der Überbauten

Hochstraße Ludwigshafen mit diagonalen gen beidseitig Querrahmen aus, die die
Trag­rippen und die Hochstraße Vahrer Scha­lung für den Überbau tragen. Der
Kreuz in Bremen mit annähernd konti­ Hauptlängsträger des Vorschubgerüsts
nuierlich in die Platte des Überbaus auslau- wird auf Stützböcken gelagert, die sich
fenden Pilzköpfen zu der im Bild 5.2.1-10 auf die bereits im vorhergehenden Bau­
als System dargestellten 380 m langen Elz- abschnitt hergestellten Brückenabschnitt
talbrücke bei Kaisers­esch in der Eifel. Der und dem nächsten Pfeiler auflagern. Nach-
Überbau ist eine 30 m breite vorgespannte dem der jeweilige Bauabschnitt fertigge­
Betonplatte mit veränderlicher Dicke, die stellt ist, wird das Vorschubgerüst ohne
im Abstand von 37,5 m in Mittelstützen zusätzliche Hilfsmaßnahmen um eine Ab-
eingespannt ist und nur im mittleren Feld schnittslänge nach vorn verschoben. Nach
eine Querfuge hat. Der Überbau, die Stüt- dem Prinzip der Elztal­brücke sind viele
zen und die Widerlager sind monolithisch Brücken, insbesondere verschiedene Hang-
miteinander verbunden, nur an der Quer- brücken beim Bau der Brennerautobahn,
fuge sind in Längsrichtung gegenseitige gebaut worden.
Verschiebungen möglich. Die bis zu 100 m Ein weiteres typisches System für weit-
hohen Stützen haben achteckige Hohlquer- gespannte Spannbetonbrücken ist der Aus-
schnitte, deren Querschnitte über die Höhe legeträger, der vor allem für die im Frei­
konstant sind und Außenabmessungen von vorbau errichteten Brücken verwendet
4,8 m ∙ 5,8 m haben. In den Feldern ist die wird. Es seien hier die wohl bekanntesten
Platte jeweils zwischen 50 cm und 65 cm Brücken dieses Systems erwähnt, die
dick, und zu den Stützen nimmt ihre Dicke 1950 ge­baute Lahnbrücke Balduinstein
pilzförmig auf 2,45 m zu. Der Bau des Über- (Bilder 1.4-51 und 2.1-12), die mit ca.
baus erfolgte abschnittsweise mit einem 62 m Spannweite die erste Brücke dieses
Vorschubgerüst (Bild 5.2.1-11). Von dem Typs ist, die Nibelungenbrücke in Worms
über der Überbaukonstruktion liegenden (Bilder 1.4-52, -53 und 5.2.1-13), die Mo-
Hauptlängsträger des Vorschubgerüsts kra- selbrücke Koblenz, die Rheinbrücke Ben-

Bild 5.2.1-12   Lahnbrücke Balduinstein, Ansicht und Schnitte, Bild nach [Finsterwalder, 1951]
5.2 Balkenbrücken 313

Bild 5.2.1-13   Längs- und Querschnitt der Nibelungenbrücke in Worms über den Rhein, Bild nach
[Finsterwalder/Knittel, 1953]

Bild 5.2.1-14   Längs- und Querschnitte der Rheinbrücke Bendorf, Bild nach [Finsterwalder/
Schambeck, 1965]

dorf (Bilder 1.4-54, 3.8-11 und 5.2.1-14), der 5.2.1-13 und -14) besonders geeignet.
die Hamana Brücke in Japan (Bild 1.4-56) Die hohen negativen Momente aus der
mit 240 m Spannweite und schließlich die Kragarmbelastung mit den horizontal ge-
im Mittelbereich aus Leichtbeton LC 60 mit richteten Zugkräften am oberen Rand des
einer Rohdichte von 1,94 kg/dm³ herge- Kragträgers werden durch Spannglieder,
stellte Stolma Brücke (siehe Bild 9.1.3-14) die lotrechten und schräggerichteten Zug-
in der Nähe von Bergen in Norwegen [In- kräfte in den Stegen durch Betonstahl und/
gebrigtsen, 1999], die mit 301 m Spannwei- oder Spannstahl und die schräg in den Ste-
te zur Zeit die im Freivorbau errichtete Be- gen und parallel zum unteren Rand gerich-
tonbrücke mit der größten Spannweite ist. teten Druckkräfte durch den Beton aufge-
Für den Freivorbau, mit Auslegeträgern nommen. Entsprechend dem Momenten-
im Bauzustand, ist der Kastenträger (Bil- verlauf wird die Konstruktionshöhe so ab-
314 5 Haupttragwerke der Überbauten

gestuft, dass sich die erforderliche vorge-


spannte Längsbewehrung in der Zugzone,
in der Längsrichtung gestaffelt, so ergibt, Spannglieder
dass die Zahl der benötigten Spannglieder
Druckkräfte
zum Kragarmende etwa gleichmäßig ab-
nimmt. Durch das abschnittsweise Bauen
lassen sich die jeweils im betreffenden Bau-
abschnitt endenden Spannglieder einfach
vorspannen. Bei Verwendung von Stabstä- Bild 5.2.1-15   Konstruktionsprinzip beim Frei-
ben, wie sie von der Fa. Dyckerhoff & Wid- vorbau mit Spanngliedführung und Druckkraft-
mann in der Anfangszeit der Freivorbau- linien
weise ausschließlich verwendet wurden,
können die für die folgenden Bauabschnitte
benötigten Spannglieder mit einfachen
Muffenverbindungen gekoppelt werden.
Bei modernen Ausführungen werden vor-
zugsweise Litzenspannglieder verwendet,
die bauabschnittsweise über die jeweilige
Bauabschnittslänge in Hüllrohre eingeführt
und vorgespannt werden. Ein wesentliches
Bild 5.2.1-16   Konstruktionsprinzip mit an­
Konstruktionsprinzip besteht weiterhin da-
nähernd konstanter Schubbeanspruchung der
rin, dass die bereits erwähnte Veränderlich-
Stege
keit der Konstruktionshöhe des Kragträgers
so gewählt wird, dass auch eine annähernd
konstante Schubbeanspruchung der Stege und 5–7 wurde sie auf Lehrgerüsten herge-
erreicht und deshalb die erforderliche stellt. Dabei wurde zunächst der westliche
Schubbewehrung über die Trägerlänge Brückenteil (der linke Teil in Stromrich-
nahezu konstant wird (Bilder 5.2.1-15 und tung gesehen) zwischen den Achsen 6 und
-16). Die Bodenplatte im Querschnitt über 5 auf Gerüst hergestellt. Während der Vor-
der Stütze wird in der Regel deutlich dicker bauwagen bei Achse 5 montiert wurde, er-
als im Feldbereich gewählt, um die dort er- folgte die Herstellung der Platte zwischen
forderliche größere Druckzone zu erzielen. den Achsen 6 und 7. Während darauf fol-
Bei sehr großen Spannweiten empfiehlt es gend der Freivorbau zwischen den Achsen
sich, auch die Dicke der Fahrbahnplatte im 5 und 4 erfolgte wurde der Brückenteil zwi-
mittleren Bereich des Felds zu verringern, schen den Achsen 1 und 3 auf Gerüst her-
weil sich ja die Anzahl der in der Platte an- gestellt. Anschließend erfolgte der Umbau
geordneten Spannglieder kontinuierlich des Vorbauwagens von Achse 4 nach Achse
von der Stütze zur Feldmitte hin verringert 3 und schließlich wurde der Brückenteil
und deshalb weniger Platz für die Unter- zwischen den Achsen 3 und 4 im freien
bringung der Verankerungskörper der Vorbau hergestellt und die beiden Kragar-
Spannglieder benötigt wird. me mit dem Einbau des Gelenks in Achse 4
Die 1963 fertiggestellte Moselbrücke verbunden und damit der Überbau fertig
Thörnich (Bild 5.2.1-17) mit 84,5 m Mittel- gestellt. Im Bild 5.2.1-18 ist die prinzipielle
spannweite ist eine der nach diesem Kon- Anordnung der Längs-Vorspannbeweh-
struktionsprinzip errichteten Brücken. Sie rung im Querschnitt dargestellt. In den je-
wurde nicht komplett im Freivorbau er- weiligen Arbeitsfugen wurde ein Teil der
richtet, sondern zwischen den Achsen 1–3 Spannglieder vorgespannt und verankert.
5.2 Balkenbrücken 315

Bild 5.2.1-17   Moselbrücke Thörnich, Längs- und Querschnitte, Gelenkausbildung zur Übertra-


gung von Querkräften

Die eben besprochenen Auslegerbrü-


cken, die im Freivorbau errichtet werden,
sind oft, in der Anfangszeit fast immer, so
konstruiert worden, dass in den Feldmitten
Bild 5.2.1-18   Querschnitt der Moselbrücke Gelenke angeordnet werden, über die nur
Thörnich mit Spanngliedverteilung in der Quer- Querkräfte übertragen werden, die Über-
richtung tragung von Biegemomenten und Längs-
kräften jedoch ausgeschlossen wird [Fins-
terwalder/Schambeck, 1965]. Infolge dieser
Mittelgelenke treten unstetige Durchbie-
gungen im Bereich dieser in Feldmitte an-
geordneten Gelenke auf. Auch wenn Ge-
lenksysteme bei der Herstellung wirtschaft-
licher sein können als Durchlaufsysteme,
sollte wegen der Unstetigkeiten der Tan-
gentenneigungen (Knick) für neu zu er-
richtende Brücken grundsätzlich angestrebt
werden auf diese Mittelgelenke ganz zu ver-
zichten, was durch entsprechende kon-
struktive Ausbildung meistens möglich ist.
In einigen Fällen wird es trotzdem zweck-
mäßig sein, Mittelgelenke anzuordnen,
Bild 5.2.1-19   In einem Gelenk gekoppelte
Kragträger im unverformten (oben) und ver-
wenn auf einfache Weise Korrekturen der
formten (unten) Zustand Gradiente der Brücke möglich sind. Im Bild
5.2.1-19 oben sind zwei durch ein Mittelge-
lenk gekoppelte Kragträger im unverform-
Die in der jeweiligen Arbeitsfuge endenden ten und im verformten Zustand skizzenhaft
und vorzuspannenden Spannglieder wur- dargestellt. Treten nun im Laufe der Zeit
den nach den Stegen gezogen. Die anderen größere Durchbiegungen auf als erwartet
Spannglieder wurden in die nächsten Bau- und voraus berechnet, was bei vielen derar-
abschnitte geführt. tigen Systemen in der Tat eingetreten ist,
316 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.2.1-20   Hangbrücke Würgau

lässt sich durch nachträglich eingezogene zwischenunterstützt werden oder ob sich


Spannglieder die Höhenlage der Gradiente diese Rüstträger frei tragen.
korrigieren und auf das gewünschte Maß Andere Beispiele sind die Autobahn-
bringen. Bei bereits bestehenden Brücken hochstraße der Umgehung Köln, bei der
ist allerdings der Einbau geeigneter Veran- verfahrbare Lehrgerüste verwendet wurden
kerungsbalken, die auch durch Stahlkonst- (Bild 5.2.1-21) und die Pleichachbrücke im
ruktionen ersetzt werden können, notwen- Zuge der Autobahn Fulda – Würzburg (Bild
dig. Bei neu zu bauenden Brücken kann 5.2.1-22). Hier wurde erstmals das „Re-
man konstruktiv gleich entsprechende Vor- chenschieberprinzip“ angewendet. Dabei
kehrungen zum nachträglichen Einziehen haben die seitlichen Rüstträger die Länge
entsprechender Spannglieder treffen. Ver- eines Felds, während der mittlere Träger
wendet man für diese Spannglieder solche über zwei Felder reicht. Zum Umsetzen der
ohne Verbund, kann man gegebenenfalls Vorbaurüstung werden die seitlichen Rüst-
notwendige weitere Korrekturen auch in träger an einem Kranwagen aufgehängt,
mehreren Schritten leicht vornehmen. Der der über dem langen, frei auskragenden,
bereits 1973 gemachte Vorschlag [Mehl- auf Rollböcken vorgestreckten Mittelträger
horn, 1973] ist zweckmäßiger als die läuft, und anschließend verfahren wird.
mitunter vorgenommene Korrektur der Hinten werden sie durch eine auf dem fer-
Gradiente durch Aufbringen zusätzlichen tiggestellten neuen Feld laufende Trans-
Ausgleichbetons und Asphalts. portkonstruktion abgefangen. Bei dem
Im Abschnitt 9.1.3 wird ausführlicher Bausystem, das beim Bau der Brücke am
auf die im Freivorbau errichteten Brücken Kettiger Hang (Bild 5.2.1-23) angewendet
und die damit zusammen hängenden Pro- wurde, ist neben den eigentlichen Rüstträ-
bleme und die üblichen Varianten beim gern, die etwas länger als ein Feld sind, ein
Bau eingegangen, worauf verwiesen wird. vorlaufender Vorbauträger, der über zwei
Ein typisches Beispiel für die wirtschaft- Felder reicht, zum Umsetzen der Rüstung
liche Herstellung von Durchlaufträgern ist erforderlich.
die Hangbrücke Würgau (Bild 5.2.1-20), die Beim Bau sehr langer Brücken in Takten,
typisch für Brücken mit ca. 30 m bis 45 m die als Durchlaufträger auf Rüstträgern in
Stützweite ist, wobei der Querschnitt als feldweisen Bauabschnitten mit in den Mo-
querträgerloser, zweistegiger Plattenbalken mentennullpunkten angeordneten Bauab-
ausgebildet ist. Dabei ist es unerheblich, ob schnittsgrenzen hergestellt wurden, ist bei
die vorschiebbaren Rüstträger durch Böcke den Anwendungen dieser Baumethode in
5.2 Balkenbrücken 317

b a
Schalung

∅ 1,90 Rüstträger
O.K.S.

b a
29,50 29,50 29,50
Rüstung in Betonierstellung
2,00

Arbeitsfuge Arbeitsschritt
max. 11,00

∅ 1,90
O.K.S.

Fahrgestell
Vorfahren der Rüstung

3,30 3,30
32,80 9,20 7,80 9,20
2,00

4% 4%

Rüstträger
Fahrgestell
Konsolen Stahlstützen

klappbare
17,00 Bodenplatten

Schnitt a – a Schnitt b – b
Bild 5.2.1-21   Autobahnhochstraße der Umgehung Köln, Bild nach [Beyer/Thul, 1967]

den ersten Jahren mitunter nicht beachtet ser Stelle scheinbar rechnerisch erforderli-
worden, dass die Arbeitsfuge, in der die chen geringen Bewehrungsgrads sehr sen-
Spannglieder abschnittsweise vorgespannt sibel auf nicht direkt ermittelte Zusatzbean-
und gekoppelt wurden (mitunter wurden spruchungen reagieren. Dazu zählen z. B.
sogar alle Spannglieder in der Arbeitsfuge die Traggerüstverformungen während der
vorgespannt, mit Koppelstellen verlängert Herstellung, ungleiche Erwärmung des
und jeweils an den nächsten Arbeitsfugen Überbaus bei statisch unbestimmten Sys­
wieder vorgespannt und durch weitere temen, Bauwerksimperfektionen und
Kopplungen verlängert) wegen des an die- Zwangs­beanspruchungen aus Kriechen
318 5 Haupttragwerke der Überbauten

Rüstträger in Betonierstellung
hinterer Kranwagen
vorderer Kranwagen

R RV

Vorfahren der Rüstträger einschließlich Schalung

R RV
2,20

36,25 36,25 36,25 36,25

Vorfahren der Rüst- und Vorbauträgers


Arbeitsfuge

R RV

1,90

Querschnitt
28,80
14,40 14,40
2,20

R = Rüstträger einschließlich Schalung


7,90
RV = Rüst- und Vorbauträger
max. 29,00

5,00 5,00

14,50

Bild 5.2.1-22   Pleichachtalbrücke, Bild nach [Beyer/Thul, 1967]

und Schwinden des Betons. Sie wirken sich Aus der bereits erläuterten Herstellungs-
auf die Gebrauchstauglichkeit stärker aus und Vorspannfolge an Arbeitsfugen mit
als in den übrigen Bereichen. Diese eben Spanngliedkopplungen, häufig vereinfa-
genannten Zusatzbeanspruchungen können chend Koppelfugen genannt, treten aus der
nach der üblichen Technischen Biegetheo- Eintragung der Vorspannkraft als konzent-
rie ermittelt werden. Beachtet werden sollte, rierte Kraft Abweichungen vom nach der
dass in der Betonierfuge eine abgeminderte Technischen Biegetheorie für Balken linear
Betonzugfestigkeit zu erwarten ist. veränderlichen Verlauf der Normalspan-
81,40

3 % Gefälle a

2,10
Rollenböcke Vorbauträger Rüstträger mit
Stahlschalung Stahlschalung
Rüstträger
5.2 Balkenbrücken

39,20 39,20 39,20 39,20 39,20 39,20 9,00


Rüstträger in Betonierstellung a Schnitt a – a
b
6,125 Vorbauträger

Rollenbock
Windenplattform
Fahrrichtung Versetzungstraverse

39,20 1,80 7,20 1,80


39,20 39,20 39,20 39,20 39,20
Vorfahren der Rüstträger einschließlich Schalung Schnitt b – b
b
3 % Gefälle vorderer Kranwagen
hinterer Kranwagen 6,125

Bild 5.2.1-23   Brücke am Kettiger Hang, Bild nach [Beyer/Thul, 1967]


2,10

Fahrrichtung

39,20 39,20 39,20 39,20 39,20 39,20


Vorfahren des Vorbauträgers
319
320 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.2.1-24   Modellscheibe zur Erläuterung


der Vorspannung an einer ergänzten Scheibe

nungen auf. Dieses Problem wird zunächst


prinzipiell an einer mittig belasteten, einfa-
chen Modellscheibe (Bild 5.2.1-24) erläu-
tert. Aus den im Bild 5.2.1-25 angegebenen
Verformungs- und Spannungsbildern der
Modellscheibe ist deutlich zu erkennen,
dass im Bereich der Betonierfuge mit der
Spanngliedkopplung die Normalspan-
nungen über die Scheibenhöhe nicht kon-
stant sind. Entsprechend würden sie bei
ex­zentrischer Krafteintragung über die
Scheibenhöhe nicht linear veränderlich
sein. Es sind daraus drei Schlussfolgerun-
gen zu ziehen:
Bild 5.2.1-25   Verformungen und Hauptspan-
1. In diesem Bereich muss der Spannungs-
nungen an der Modellscheibe.
verlauf nach der Elastizitätstheorie er- a) Scheibe I mit mittiger Vorspannung (links
mittelt werden, wie dies ja für alle Berei- Verformung, rechts   Hauptspannungen)
che mit Eintragungen von konzentrier- b) Scheiben I+II verbunden, Spannglieder ge-
ten Lasten üblich ist. Die Technische koppelt und am Ende (rechts) vorgespannt (oben
Biegetheorie (Navier) ist für die Ermitt- Verformungen, unten Hauptspannungen)
lung des Spannungszustands in diesem
Bereich nicht anwendbar.
2. Es ist an der Betonierfuge mit Spann- Ende 1970 wurde bei routinemäßigen Über­
gliedkopplungen nicht nur Bewehrung prüfungen bei zwei Spannbetonbrücken
zur Aufnahme der Spaltzugkräfte aus einige Jahre nach ihrer Verkehrsübergabe
der Eintragung der Vorspannkräfte im an deren sämtlichen Koppelfugen Rissschä-
zuerst hergestellten Bauabschnitt anzu- den festgestellt [Fehse, 1972, Pfohl, 1973],
ordnen, die hier für die vollen Vorspann- im Sachverständigen Ausschuss Spannver-
kräfte zu dimensionieren ist. Auch auf fahren des Instituts für Bautechnik von
der ergänzten Seite der Betonierfuge mit Herrn Pfohl darüber berichtet und das
Spanngliedkopplungen ist eine Spalt- ­Phänomen von mir erklärt. Im Rahmen
zugbewehrung anzuordnen, die aber ­einer Verlängerung des Zulassungsbe-
geringer (etwa 50%)sein darf. scheids des LEOBA-Spannverfahrens
3. In den Betonierfugen sollten nicht alle ­wurde Herr Baur anlässlich der Beratungen
Spannglieder gekoppelt werden. Ein we- im SVA Spannverfahren auf den Effekt
sentlicher Teil der Spannglieder sollte ­hingewiesen, worauf der Beitrag [Baur/
ungestoßen durchlaufen! Göhler, 1972] entstanden ist.
5.2 Balkenbrücken 321

Betrachtete
Koppelfuge
29,85 13 × 25,5 = 331,5 21,15

15 × 25,5 = 382,5

Bild 5.2.1-26   Statisches System der untersuchten Brücke

a)
275 325 325 275
26

35

42
113

Ankerplatten
136
150

b) idealisierter Querschnitt
Maßangaben in cm
32,7

200 250
113

143

Bild 5.2.1-27   Querschnitt des zweistegigen Plattenbalkens


a) Querschnitt des zweistegigen Plattenbalkens
b) Der der Berechnung zugrunde gelegte idealisierte Querschnitt

Am Beispiel einer ausgeführten zweiste- die Vorspannung des fertiggestellten Bau-


gigen Plattenbalkenbrücke wird beispiel- abschnitts, der Lastfall 2 ist die Vorspan-
haft die Auswirkung des Effekts gezeigt nung des neu anbetonierten Abschnitts
[Mehlhorn/Hoshino, 1974]. Im Bild 5.2.1- nach der Spanngliedkopplung, wobei das
26 ist das statische System des Platten­ Zwängungsmoment aus Vorspannung zu
balkens (Bild 5.2.1-27a), der feldweise auf berücksichtigen ist. Die Lastfälle 3 und 4
einem Vorschubgerüst als durchlaufender, sind die Eigen- und Verkehrslasten mit der
vorgespannten Träger ausgeführt wurde, Laststellung, die für die Koppelfuge das
angegeben. größte Biegemoment ergibt. In den Bil-
In der Berechnung mit dem im Bild dern 5.2.1-30 und 5.2.1-31 sind die Re-
5.2.1-27b gezeigten idealisierten Quer- chenergebnisse für die Spannungsvertei-
schnitt wurden nur die Scheibenspan- lung, und in der Tabelle 5.2.1-1 sind die
nungszustände berücksichtigt, der Einfluss Normalspannungen am unteren Rand des
der Plattenwirkung blieb unberücksichtigt. Steges unmittelbar links neben der Fuge aus
Die Zulässigkeit dieser Vereinfachung wur- Vorspannung angegeben, wie sie sich aus
de von Hoshino in seiner Dissertation der Technischen Biegetheorie und nach
[Hoshino, 1974] nachgewiesen. Betrachtet der genaueren Berechnung nach Zustand I
wird die Koppelfuge zwischen dem dritten (ungerissener, unbeschränkt elastischer
und dem vierten Bauabschnitt. Werkstoff) ergeben. Zusätzlich sind auch
Im Bild 5.2.1-28 sind die untersuchten die Span­nungen aus Eigen- und Verkehrs-
Lastfälle 1–4 angegeben. Der Lastfall 1 ist last angegeben und bei den angegebenen
322 5 Haupttragwerke der Überbauten

a) Lasfall 1: Vorspannung
470 kN/m

18,8 MN/m

b) Lasfall 2: Vorspannung und Zwängungsmoment Nc,p = –12,69 MN


Mc,p = –6,61 MNm Mzw = 4,83 MNm
470 kN/m

18,8 MN/m
Schwächung des Querschnitts

c) Lasfall 3: Eigenlast und ständig wirkende Lasten

g = 100 kN/m
Mg = 2,25 MNm Qg = –410 kN

d) Lasfall 4: Verkehrslasten
Q=195 kN
2,85 1,50 1,50 2,80

q=28 kN/m Mq=1,53 MNm Qq = –80 kN

4,35 4,30
Spannglied
Betonstahl
Bild 5.2.1-28   Untersuchte Lastfälle für die Untersuchung der Koppelfuge des vorgespannten,
zweistegigen Plattenbalkens

Spannungen aus Vorspannung sind die mit die beiden Rechenannahmen gleich, weil
der FEM nach der Elastizitätstheorie ermit- dafür die Berechnung nach der Techni-
telten Anteile aus der Vorspannung am sta- schen Biegetheorie zutreffend ist. Die ge-
tisch bestimmten Hauptsystem und aus ringen Unterschiede bei den in der Tabel-
dem Zwängungsmoment getrennt aufge- le 5.2.1-1 angegebenen Werten beruhen
führt. Die Spannungen aus Eigen-, Ver- darauf, dass bei den nach der FEM berech-
kehrslast und Zwängungsmoment sind für neten Spannungen die gemittelten Schwer-
5.2 Balkenbrücken 323

rechnung erhält man am unteren Quer-


schnittsrand in der Koppelfuge 4,2 N/mm2
geringere Längsdruckspannungen als sie
sich nach der Technischen Biegetheorie er-
geben. Es ist an diesem Beispiel erkennbar,
warum bei vielen in der damaligen Zeit ge-
bauten Brücken an den Koppelfugen Risse
aufgetreten sind.
Aus den Bildern 5.2.1-29 und 5.2.1-30
ist ersichtlich, dass die Längsspannungen
in der Koppelfuge selbst bei linear-elasti-
scher Berechnung deutlich vom linearen
Verlauf abweichen. Die Abweichungen
klingen umso mehr ab je weiter der be-
trachtete Schnitt von der Koppelfuge ent-
fernt ist. In der Koppelfuge sind die Längs-
spannungen größer als die Zugfestigkeit
des Betons, weshalb es am unteren Rand
Bild 5.2.1-29   Längsspannungen σx aus Vor- zur Rissbildung kommt. Im Bild 5.2.1-31
spannung an der Koppelfuge (Berechnung sind noch die Verläufe der berechneten
linear elastisch), Verlauf im Steg Längsspannungen im ungerissenen Zu-
stand I und im gerissenen Zustand II je-
punktsspannungen zweier benachbarter weils über die Höhe des Stegs und in Längs-
Betonelemente angegeben sind. Für die richtung für den unteren Rand im Bereich
Randspannungen aus der Eintragung der der Koppelfuge angegeben. Die Zugspan-
Vorspannung ergeben sich an der Koppel- nungen im Beton werden nach der Rissbil-
fuge beträchtliche Unterschiede nach den dung kleiner, und die Stahlspannungen im
beiden Theorien. Nach der genaueren Be- Riss wachsen an.

Bild 5.2.1-30   Längsspannungen σx aus Vorspannung an der Koppelfuge (Berechnung linear elas-


tisch), Verlauf in der Fahrbahnplatte
324 5 Haupttragwerke der Überbauten

Tabelle 5.2.1-1  Normalspannungen im Beton am unteren Rand des Stegs unmittelbar links neben
der Koppelfuge in N/mm2
Lastfall 1+2 3 4 1+2+3+4
Technische Biegetheorie stat. best. Anteil –13,8
(Lineare Spannungsvertei-
lung) aus Zwängungs­ +12,1
moment
Summe –1,7 –1,1 +3,1 +0,3
FEM-Elastizitätstheorie stat. best. Anteil –9,1
aus Zwängungs­ +11,6
moment
Summe +2,5 -0,9 +2,9 +4,5
Abweichungen zwischen Elastizitätstheorie und +4,2 +0,2 -0,2 +4,2
Technischer Biegetheorie

Ausführlichere Ergebnisse von Untersu- beitsfuge gerichteten Zugspannungen im


chungen zu diesem Problem, wobei auch Beton zu:
der Einfluss des Kriechens des Betons be- E·T
rücksichtigt wurden, sind in [Dietrich, 1979 max σ = α · 8 (5.2.1-1)
4
und Mehlhorn et al., 1983] enthalten, wor-
mit
auf verwiesen wird.
Beim Beton wachsen während der α Temperaturdehnzahl des Betons
­Hydratation des Zements die Festigkeit E Elastizitätsmodul des erhärteten Be-
und der Elastizitätsmodul mit der Er­ tons
härtung des Betons an. Durch diese Ent- T größter Temperaturunterschied des Be-
wicklung der Festigkeit und des Elastizi- tons zwischen den beiden Bauabschnit-
tätsmoduls des Betons und des Wärme- ten, der zum Zeitpunkt des Abschlusses
vorgangs als Folge der Hydratation des des Abbindevorgangs im neubetonier-
Zements mit folgendem Abkühlen auf die ten Bauabschnitt auftritt
Umgebungstemperatur verbleiben bei der
Herstellung in Betonierabschnitten im Der Größtwert für den Temperaturunter-
Endzustand parallel zur Arbeitsfuge ge- schied T, der zwischen den beiden Bauab-
richtete Zugspannungen im anbetonier­ schnitten auftritt, hängt von der Dicke der
ten und Druckspannungen im zuvor beto- Querschnitte, der Betonzusammen­setzung,
nierten Bauabschnitt. Unter der verein- insbesondere vom verwendeten Zement,
fachten Annahme, dass die Wärmeent- und von den während des Abbindens des
wicklung und die Entwicklung des Elasti- Betons vorhandenen Umgebungsbedin-
zitätsmoduls während des Abbindevor- gungen ab. Die Abbindetemperatur kann
gangs zunächst linear anwachsen und der einen Wert bis zu etwa 70 °C erreichen. Die
Elastizitätsmodul während des Abküh- nach Gleichung (5.2.1-1) ermittelten Werte
lungsprozesses konstant bleibt (Bild 5.2.1- können als obere Abschätzung für die auf-
32), ergeben sich aus der Berechnung an tretenden Spannungen angenommen wer-
einer Modellscheibe die parallel zur Ar- den. Es wird noch darauf hingewiesen, dass
5.2 Balkenbrücken 325

a) Verlauf der Längsspannungen im Beton σc über die Höhe des Steges an der Stelle 2,5 cm links der Koppelfuge

b) Verlauf der Längsspannungen im Beton σc (x) an der Unterkante des Steges

c) Stahlspannungsverlauf σs (x) der unten im Steg liegenden Bewehrung

Bild 5.2.1-31   Vergleich der nach den Zuständen I und II berechneten Verläufe der Längsspannun-
gen σx aus Vorspannung an der Koppelfuge im Steg
326 5 Haupttragwerke der Überbauten

T (t)

t
0 tO

E (t) Bild 5.2.1-33   Prinzip des Taktschiebeverfah-


E = konst rens

dafür Brückengesamtlängen von mindes-


tens 200 m. Die Spannweiten der Brücken
sollten zwischen 30 m und 50 m liegen. Bei
großen Spannweiten ist es zweckmäßig
t Hilfspfeiler während des Vorschubvorgangs
0 tO anzuordnen. Die vom Ingenieurbüro Leon-
Bild 5.2.1-32   Vereinfachte Annahmen für die hardt und Andrä, insbesondere ist hier
Wärmeentwicklung und die Entwicklung des Willi Baur zu erwähnen, entwickelte Takt-
Elastizitätsmoduls schiebe-Bauweise vereinigt zur Herstellung
monolithischer Tragwerke die Vorteile der
in den Querschnitten noch zusätzliche Ei- werkmäßigen Fertigung in einer Feld­
genspannungszustände auftreten [Zeit- fabrik mit denen der Ortbetonbauweise in
ler, 1983], worauf verwiesen wird. idealer Weise. Die Fertigungsanlage bietet
Eins der erfolgreichsten, weil sehr wirt- Witterungsschutz, es herrschen praktisch
schaftlichen Bauverfahren zur Ausführung Arbeitsbedingungen wie in einer Fabrik.
durchlaufender Betonträger ist das im Die sich ständig wiederholenden Arbeits-
Stahlbau schon lange angewendete Takt- gänge senken den Zeitaufwand. Ausführ-
schiebeverfahren [Göhler, 1999]. Hierbei lich wird auf die Herstellung der Brücken
werden Teilstücke etwa zwei Teilstück­ im Taktschieben im Abschnitt 9.1.4 ein­
längen hinter dem Widerlager in einer gegangen.
dort ortsfesten Schalung hergestellt (Bild Das System der Schrägkabelbrücke ist
5.2.1-33). im Stahlbau für größere Spannweiten üb-
Die Takte sind zwischen 6 m und 30 m lich. Im Bild 5.2.1-34 sind die wichtigsten
lang, und sie werden monolithisch mitein- im Stahlbau gebräuchlichen derartigen Sys-
ander verbunden. Am ersten Teilstück wird teme gezeigt. Man unterscheidet prinzipiell
ein Vorbauschnabel angeschlossen. Die einfache oder mehrfache Schrägkabelan-
Brücke wird dann in Takten in ihre end­ ordnungen, die als Büschel, Harfe, Fächer
gültige Lage längs verschoben. Damit der oder Stern ausgebildet werden können. Zur
Beton während des Wochenendes erhärten Tragwirkung sind im Bild 5.2.1-35 statische
kann, wird in der Regel die Fertigung im Ersatzsysteme zur Vorbemessung von
Wochentakt gewählt. Die wirtschaftliche Schrägkabelbrücken angegeben, die ohne
Herstellung der Brücken mit dieser Bau- weitere Erläuterung die statische Wirkungs-
weise setzt voraus, dass die Brücke eine be- weise erkennen lassen. Für die statische Be-
stimmte Mindestlänge hat, Göhler nennt rechnung ist dann das Systemverhalten als
5.2 Balkenbrücken 327

Bild 5.2.1-34   Gebräuchliche Systeme für Schrägkabelbrücken, Bild nach [Feige, 1966]

Bild 5.2.1-35   Statische Ersatzsysteme zur Vorbemessung von Schrägkabelbrücken

äußerlich und innerlich statisch unbe- 8,7 km lang. Sie ist überwiegend aus vorge-
stimmtes Rahmentragwerk nach der tech- fertigten Teilen, die am Ufer gefertigt wur-
nischen Biegetheorie für räumliche Stab- den, hergestellt worden. Nach einem Ent-
tragwerke am verformten System unter wurf ebenfalls von Morandi wurde 1963/66
Berücksichtigung der Vorspannung der die Autobahnbrücke Polcevera in Genua
Kabel zu untersuchen. Dabei ist die realis­ mit einer Hauptspannweite von 208 m nach
tische Beschreibung der Biege- und Tor­ dem gleichen Prinzip gebaut. Auch die mit
sionssteifigkeiten des Überbau-Balkens 282 m Spannweite 1968/71 gebaute Wadi-
und des Pylons sowie der Dehnsteifigkeiten Kuf-Brücke in Libyen (Bild 5.2.1-37) ist
der Schrägkabel für die Nachweise der Ge- nach dem gleichen Konstruktionsprinzip
brauchstauglichkeit, der Tragfähigkeit und gestaltet. Bei der Autobahnbrücke Polce­
des Schwingungsverhaltens der Brücke von vera und der Wadi-Kuf-Brücke wurden die
besonderer Bedeutung. Schrägkabel als Spannbeton-Kabel ausge-
Im Betonbrückenbau wurde die Anwen- führt.
dung des Systems der Schrägkabelbrücken Im Bild 5.2.1-38 ist das System der
mit dem Bau der Brücke über den Mara­ Stromöffnung der Waalbrücke bei Tiel ge-
caibo-See in Venezuela eingeleitet. Ein Aus- zeigt. Diese nach dem System des Büschels
schnitt des statische Systems der Hauptöff-
nungen dieser 1959/62 nach einem Entwurf
des italienischen Ingenieurs Morandi er-
richteten Brücke ist im Bild 5.2.1-36 ge-
zeigt. Die Maracaibobrücke besitzt insge-
samt fünf Hauptöffnungen mit je 235 m Bild 5.2.1-36   System der Maracaibobrücke,
Spannweite. Die gesamte Brücke ist ca. Bild nach [Dimel, 1963]
328 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.2.1-37   System der Wadi-Kuf-Brücke, Bild nach [Morandi, 1974]

Bild 5.2.1-38   System der Waalbrücke bei Tiel nach [Loenen, 1973]

gebaute Brücke besitzt je zwei unter 1 : 2 bahn- und Straßenverkehr als Schrägkabel-
und 1:1 geneigte Abspannungen vom Py- brücke in Harfenform mit dichter Anord-
lonkopf zum Überbau. Das Mittelstück be- nung der Schrägkabel (Bild 5.2.1-39) ge-
steht aus vier je 425 t schweren vorgefertig- baut. Die konstruktive Lösung wurde aus
ten Einhängeträgern mit T-Querschnitt. der Freivorbauweise mit über die Länge an-
Die Spannbeton-Schrägkabel wurden aus
5,15 m langen Betonfertigteilen mit Spann-
gliedkanälen mit Überhöhung so zusam-
mengesetzt, dass die Kabel nach Entfernen
der Montageunterstützung nicht wesent-
lich durchhängen.
Beim Bau der zur Jahreswende 1971/72
fertiggestellten zweiten Mainbrücke der Bild 5.2.1-39   System der 2. Mainbrücke der
Farbwerke Hoechst [Schambeck, 1973] Farbwerke Hoechst, Bild nach [Schambeck,
wurde erstmals eine Betonbrücke für Eisen­ 1973]
5.2 Balkenbrücken 329

Regensburg B Passau

68,85 145,00 68,00 68,00

Bild 5.2.1-40   Ausschnitt aus dem statischen System der Donaubrücke Metten

nähernd konstantem Schubkraftverlauf, kabel in Harfenform zum Pylon getragen,


d. h. mit im Steg etwa konstantem Schub- während etwa 48 m zum benachbarten
bewehrungsbedarf, entwickelt (s. Bild 5.2.1- Pfeiler abgetragen werden, weshalb dort ein
17). Der im freien Vorbau hergestellte vollwandiger Träger mit linear veränderli-
Streckträger ist als Beton-Kastenträger aus- cher Konstruktionshöhe angeordnet ist.
gebildet. Die Mittelspannweite beträgt Für den Bau der als Schrägkabelbrücke
148 m, die beidseitig anschließenden Sei- ausgeführten Donaubrücke Metten [Scham­
tenfelder spannen über 39 m und 26 m. Die beck/Kroppen, 1982] waren sowohl die Ver­
Konstruktionshöhe beträgt 2,65 m. Die ankerung und Umlenkung der Schräg­
Rand­felder mit unterschiedlichen Stützwei- kabelkraft mit Radien von 8 m an den bei-
ten wirken als Rückhaltefelder. Die Lasten den Fußpunkten im Kastenträger des
von etwa 100 m des Überbaus des Felds mit Überbau-Streckträgers (B in Bild 5.2.1-40)
der großen Spannweite werden über Schräg­ als auch dessen Umlenkung mit Radien von

Schnittführung für die Berechnung


des Umlenkbereiches der Spannglieder
BX am Pylonkopf mittels finiter Elemente
S. A.
Spannbündel
BV

1,30

19 ∅ 6''-Litzen, = 2,4
0
b
Pzul = 2589 KN
6 × 22,6 =1,356

1,60
1,30 65
6 × 19

BX/D = 0,84
BY/D = 0,84 bis 1,38 65
,5 =1,7

D: Hüllrohrdurch- 1,60
b=

messer
19,5

7
=1,0

R=
5

Rm

6,18
=6,
R=

1:2
95 m
7,73
m
b=
1,60

Bild 5.2.1-41   Pylonkopf der Donaubrücke Metten


330 5 Haupttragwerke der Überbauten

Mörtel
Elemente Typ „UTLQ1“

Stahl
Elemente Typ „UTLQ1“

Beton
Elemente Typ „IPQQ“

Bild 5.2.1-42   Elementnetz für die FEM-Berechnung des Spannungszustands am Pylonkopf der


Donaubrücke Metten

6,18 m bis 7,73 m (mittlerer Radius 6,95 m) ersichtlich. Das Schrägkabel ist ein Spann-
am Kopf des Pylons (A in Bild 5.2.1-40) zu betonquerschnitt mit 56 Litzenspannglie-
untersuchen. Aus dem Bild 5.2.1-40 ist der dern Typ Dywidag mit 19 ∅ 6˝-Litzen mit
für die Untersuchungen wesentliche Aus- einem charakteristischen Wert für die Zug-
schnitt des statischen Systems der Donau- festigkeit von 1770 N/mm2. Die gesamte
brücke Metten im Bereich des Schrägkabels Schrägkabelkraft beträgt 135 MN. Es war
Reihenfolge der Vorspannung
5.2 Balkenbrücken 331
(halber Zügelgurt)

Reihenfolge der Vorspannung Vorspannen zunächst ­aller 56 Spannglieder


(halber Zügelgurt)
(8 Spannglieder neben- und 7 übereinan-
der) nacheinander und dann erst anschlie-
ßendes Verpressen der Spannglieder zu
nicht vertretbar hohen Betondruckspan-
nungen geführt hätte, ­weshalb der ur-
sprünglich angestrebte Vorspann- und Ver-
pressvorgang jeweils aller Spannglieder
ausgeschlossen werden muss­te. Deshalb
wurde nach einer alternativen Aufeinander-
STUFE 2
6 Spgl. folge für das Vorspannen und Verpressen
der Spann­glieder des Schräg­kabels gesucht.
STUFE 2 Im Bild 5.2.1-41 sind das Schrägkabel und
6 Spgl.
der ­Pylonkopf dargestellt. Der Schnitt, für
den die Spannungen nach der FEM berech-
net wurden, ist im Bild 5.2.1-41 angegeben.
Das Elementnetz für die FEM-Berech-
nung mit dem Programm STRUDL [ICES
STRUDL II] ist aus dem Bild 5.2.-42 er-
sichtlich. Für die Modellierung des Betons
wurden isoparametrische Elemente mit 8
Knoten verwendet. Die Stahl- und Ver-
STUFE 3 STUFE 4 pressmörtelanteile im verpressten Hüllrohr
7 Spgl. 9 Spgl.
wurden mit kompatiblen Dreiecksele­
STUFE 4 menten modelliert. Die im Bild 5.2.1-42
STUFE 3
7 Spgl. 9 Spgl. angegebene Element-Typenbezeichnung
ist der STRUDL-Elementbibliothek [ICES
wird gespannt STRUDL II] entnommen. In Voruntersu-
bereits gespannt und injiziert chungen wurde die erforderliche Diskre­
Bild 5.2.1-43   Alternative
wird gespannt Vorspann- und Ver- tisierung untersucht. Das gewählte Netz
pressfolgen für die Donaubrücke
bereits gespannt und injiziert
Metten ergab im Vergleich zu Netzverfeinerungen
nur etwa 4% höhere Werte für die Größt-
zu klären, ob die örtlich konzentrierten werte der Spannungsspitzen, was ausrei-
Druck- und Querzugspannungen in den chend genau ist und dem Problem ange-
Umlenkbereichen während des Bauzu- passt vernünftige Rechenzeiten ergab.
stands nach dem Vorspannen und vor dem Die geringsten Beanspruchungen aus
Verpressen der Spannkanäle aufgenommen den Umlenkkräften aus Vorspannung für
werden können und wie die Vorspannfolge den Pylonkopf erhält man, wenn nachein-
der einzelnen Spannglieder und der Ver- ander die einzelnen Lagen 1 bis 7 der
pressvorgang zu erfolgen hat. Spannglieder mit der Lage 1 beginnend
Im Folgenden werden einige Ergebnisse sukzes­sive vorgespannt und anschließend
der FEM-Berechnungen für die Beurteilung sofort verpresst werden bevor die darüber
der Umlenkungen am Pylonkopf durch­ liegende Spanngliedlage vorgespannt und
geführten Untersuchungen [Mehlhorn ebenfalls sofort verpresst wird. Diese Vor-
et al., 1980], [Cornelius, 1980] angegeben. spann- und Verpressfolge ergibt aber gera-
Für die Vorspannfolge der einzelnen Spann- de für die Beanspruchungen an den beiden
glieder ergaben die Berechnungen, dass das Fußpunkten des Schrägkabels, an der Ein-
332 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.2.1-44   Betondruckspannungen für die Vorspann- und Verpressfolge b nach Abschluss der
vier Stufen
5.2 Balkenbrücken 333

Bild 5.2.1-45   Betonzugspannungen für die Vorspann- und Verpressfolge b nach Abschluss der
vier Stufen
334 5 Haupttragwerke der Überbauten

oy
Druck
N/mm2 4 6
b

–15 4 6
a

–7,5 8 7

10 20 28
0 i 12 9
10 20 28
a

Vorspannfolge a Vorspannfolge b
7,5 b
: wird gerade vorgespannt
: zuvor bereits vorgespannt und Verpressen
ox Zug : alle Spannglieder vor dem Verpressen
vorgespannt
Bild 5.2.1-46   Vergleich der Spannungen für alternative Vorspann- und Verpressfolgen für die
Donaubrücke Metten

führung in den Streckträger mit Umlen- ungünstig. Der Fall b ist die ausgeführte
kung, die ungünstigsten Beanspruchun- optimierte Vorspann- und Verpressfolge.
gen. Diese Folge kam deshalb ebenfalls Außerdem sind zum Vergleich noch die
nicht in Frage. Als für alle kritischen Berei- größten Betondruck- und Betonzugspan-
che hat sich die im Bild 5.2.1-43 angegebe- nungen angegeben, die auftreten würden,
ne Vorspann- und Verpressfolge b in vier wenn zunächst alle Spannglieder vorge-
Stufen (mit der Stufe 1 beginnend, danach spannt und erst anschließend alle Spann-
folgen die Stufen 2 bis 4 nacheinander) un- glieder verpresst worden wären. Als Ent-
ter Berücksichtigung der Beanspruchun- scheidungskriterium für die Wahl der Vor-
gen in den beiden Bereichen als optimal spann- und Verpressfolge dienten die auf-
erwiesen. Die sich ergebenden Betondruck- tretenden Betondruckspannungen. Die
und Betonzugspannungen für diese Folge b auftretenden größten Betonzugspannun-
sind für den Endzustand nach der Stufe 4 gen waren in allen untersuchten Fällen so
in den Bildern 5.2.1-44 und 5.2.1-45 ange- groß, dass sie über der Zugfestigkeit des Be-
geben. tons lagen. Zur Aufnahme der Zugkraftre-
Im Bild 5.2.1-46 sind für verschiedene sultanten wurde Bewehrung aus Betonstahl
Vorspann- und Verpressfolgen ebenfalls je- in Querrichtung jeweils oben und unten
weils in vier Stufen die größten Beton- liegend zwischen den Spanngliedlagen an-
druck- und Betonzugspannungen angege- geordnet.
ben. Der Fall a entspricht einer lagenweise Inzwischen hat mit der weiteren Ent-
Vorspann- und Verpressfolge. Wie schon wicklung der Schrägkabelbrücken in Mas-
ausgeführt, ist dieser Fall für die Beanspru- sivbauweise auch bei Spannweiten zwischen
chungen am Pylonkopf zwar günstig, aber 250 m und 500 m der fruchtbare Wettbe-
an den Einführungen in den Streckträger werb zwischen Stahl- und Massivbrücken
5.2 Balkenbrücken 335

wichtige Entwicklungen beider Bauweisen l/h ≥ 20 (Bild 5.2.2-1), vor allem aber bei
beeinflusst, wie dies auch bereits früher bei räumlich oder terminlich stark einge-
Balkenbrücken mit Spannweiten bis 250 m schränkten Montageverhältnissen, aus
der Fall war. Ausführlich wird auf Schräg- Stahl gegenüber Stahlbetonbrücken kon-
kabelbrücken in den Abschnitten 5.5 und kurrenzfähig werden.
9.1.6 eingegangen. Die einfachste Form der Balkenbrücke
stellt der Einfeldträger dar. Dieser Träger
folgt mit dem Obergurt, der bei Deckbrü-
5.2.2 Stählerne Balkenbrücken cken mit dem Deckblech der Fahrbahn
identisch ist, immer der vorgegebenen Gra-
Günter Ramberger, diente, der Träger selbst wird meist parallel-
Francesco Aigner und gurtig gestaltet. Die Anpassung an die
Thomas Petraschek Schnittgrößen erfolgt meist nicht durch Zu-
nahme der Konstruktionshöhe in Feldmitte.
5.2.2.1 Vollwandbrücken Bei Brücken in Kuppen wird manchmal der
Untergurt horizontal ausgeführt und damit
Gegenüber anderen Baustoffen (Stahl­beton, die größere Konstruktionshöhe in Feldmitte
Holz) gestatten Stahlbrücken mit voll­wan­ ausgenützt. Durch Wahl entsprechender
digen Trägern Stützweiten und Schlankhei- Untergurt-, Deckblech- und Stegdicken,
ten, die von anderen Baustoffen nicht er- eventuell auch durch Wahl von Blechen mit
reicht werden, da Stahl von allen Massen- höheren Festigkeiten in den hochbean-
baustoffen das geringste Verhältnis von spruchten Bereichen wird das Tragwerk den
­Eigenlast zur Tragfähigkeit der Konstruk­ Schnittgrößenverläufen angepasst. Nur in
tion aufweist. Ob stählerne Balkenbrücken seltenen Fällen werden die Längsträger der
gegenüber Stahlbeton- oder Spann­beton- Fahrbahnplatte in Feldmitte verstärkt. Die
Balkenbrücken konkurrenzfähig sind, Blechabstufungen folgen heute praktisch
­entscheiden Stützweite, Schlankheit und immer den Austeilungen der Montagestöße,
­Montagebedingungen. Generell kann da Stumpfstöße in Feldern wesentlich teurer
­gesagt werden, dass bei unbeschränkter kommen als das Mehrmaterial. Sollte bei
Konstruktionshöhe Straßenbrücken ab Eisenbahnbrücken der Ermüdungsfestig-
etwa 120 m und Eisenbahnbrücken ab etwa keitsnachweis maßgebend werden, so bringt
­60 m Stützweite, bei beschränkter Kon- eine Erhöhung der Materialfestigkeit keinen
struktionshöhe Straßenbrücken mit einer Vorteil. Ähnlich verhält es sich bei großen
‒ > 1,0), wenn der Stabiltäts-
Schlankheit l/h ≥ 30, für Eisenbahnbrücken Schlankheiten (λ
nachweis für den Tragfähigkeitsnachweis
maßgebend wird.
Bei Durchlaufträgern ist zwischen der
klassischen drei- oder mehrfeldrigen
Strombrücke mit einer großen Mittelöff-
nung und kleineren, meist halb so großen
Seitenöffnungen und den mehrfeldrigen
Talübergängen mit meist gleichen Innen-
feldern und etwas kleineren (70 bis 80 %)
Randfeldern zu unterscheiden.
Die klassische Strombrücke weist meist
Bild 5.2.2-1   Balkenbrücken mit unterschiedli- gevoutete Träger auf, wobei die Höhe an der
chen Schlankheiten [Leonhardt, 1982] Voute etwa l/20 bis l/30 beträgt und in
336 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.2.2-2   Balkenbrücke mit unterschiedlichen Voutenhöhen

Bild 5.2.2-3   Mehrfeldrige Balkenbrücken mit unterschiedlichen Schlankheiten

­ eldmitte und an den Rändern der Seiten-


F sentlich einzuschränken, da bei schlanken
felder auf etwa l/70 bis l/40 abnimmt. We- Fachwerkstegen die „Maschen“ für die
gen der sehr geringen Konstruktionshöhe Durchsicht groß genug sind. Damit kann
in Feldmitte sieht dieser Balken überaus bei einer geringen Bauhöhe zwischen Fahr-
elegant aus (Bild 5.2.2-2). bahnoberkante und Tragwerksunterkante
Beim oberen Teilbild von Bild 5.2.2-2 eine beliebig hohe Konstruktionshöhe der
werden Konstruktionshöhen von hStütze = Träger gewählt werden. Liegen die Ober-
l/20 und hFeld = l/70 verwendet, beim unte- gurte über dem Lichtraumprofil, werden
ren Teilbild Konstruktionshöhen von hStütze im Allgemeinen obere Verbände ange­
= l/30 und hFeld = l/40. ordnet.
Bei mehrfeldrigen Talübergängen wird Von den vielen möglichen Fachwerk­
meist der parallelgurtige Vollwandträger systemen wird heute das parallelgurtige
mit Konstruktionshöhen l/20 bis l/35 ver- Strebenfachwerk als ästhetisch befriedi-
wendet (Bild 5.2.2-3), selten der an den gendes Tragwerk angesehen. Die Neigung
Stützen gevoutete Träger. Die Verringerung der Streben zur Horizontalen betragen
der Stützweite in den Randfeldern sorgt für zwischen 45° und 60° (Bild 5.2.2-4). Die
etwa gleiche Beanspruchungen in jedem Stützweiten sind in gleiche Gefache zu tei-
Feld. Ist dies nicht möglich, sind besondere len. Bei Einfeldträgern werden 8 bis 12 Ge-
Maßnahmen vorzusehen, wie z.B. Unter- fache, bevorzugt 10, verwendet, bei Durch-
spannungen bei großen Randfeldern. laufträgern im großen Feld 10 bis 16 Ge­
fache, bevorzugt 12 (Bild 5.2.2-5). Die
Seitenfelder der Durchlaufträger sollten
5.2.2.2 Fachwerkbalken
Stützweiten haben, die einem ganzzahligen
Eine besondere Form der Balkenbrücke Vielfachen der Gefachlänge der Hauptöff-
stellt im Stahlbau der Fachwerkbalken dar. nung entspricht.
Der entscheidende Vorteil des Fachwerk- Obergurte von Fachwerkträgern werden
balkens gegenüber dem Vollwandbalken meist als Kastenquerschnitte, bei kleineren
liegt in der Möglichkeit, das Haupttragwerk Stützweiten auch als Hutquerschnitte aus-
über der Fahrbahn anzuordnen, ohne den geführt. Kastenquerschnitte sind gegen­über
Benutzer der Brücke in seiner Aussicht we- Hutquerschnitten steifer, haben weniger
5.2 Balkenbrücken 337

Bild 5.2.2-4   Fachwerkbalken mit unterschiedlichen Neigungen der Streben

Schnitt
Bild 5.2.2-5   Fachwerkbalkenbrücke als Durchlaufträger (l1  : l2  : l1 = 0,75 AA
: 1 : 0,75)
Montagefenster

Schnitt A  A
Montagefenster
Systemachse

Montagestoß
Systemachse

Montagestoß
Montagestoß

Montagestoß
Montagestoß

Montagestoß

Bild 5.2.2-6   Obergurtknoten [DS 804]

Anstrichfläche und benötigen dieselbe An- Ende des Knotenblechs angeordnet (Bild
zahl durchlaufender Schweißnähte. Die 5.2.2-6).
Knotenbleche in den Stegen der Obergurte Der Untergurt des Fachwerkbalkens
werden im Werk vollständig eingeschweißt. wird von der Fahrbahnplatte gebildet. Un-
Der Montagestoß im Gurt wird oft am tergurte können mit einwandigen oder
338 5 Haupttragwerke der Überbauten

Schnitt A  A

Montagestoß Montagestoß

Montagefenster

Montagestoß

Systemachse

Schnitt B  B

Bild 5.2.2-7   Untergurtknoten [DB – Richtzeichnungen], [DS 804]


5.2 Balkenbrücken 339

Bild 5.2.2-8   Anschluss der Diagonale [DS 804]

zweiwandigen Stegen ausgebildet werden. mindest die Druckdiagonalen als Kastenpro-


Die einwandige Ausbildung hat den Vorteil file ausgebildet. Die Anschlüsse der Diagona-
der leichteren Zugänglichkeit für den An- len an Ober- und Untergurte werden immer
schluss der Querträger (Bild 5.2.2-7). biegesteif, entweder stumpf geschweißt oder
Bei Gefachen bis 5 m werden die Quer- als ein- oder zweischnittige Laststöße GV-
träger nur an den Fachwerkknoten ange- verschraubt, ausgeführt. Da bei Kastenquer-
ordnet. Bei größeren Gefachlängen werden schnitten sowohl der geschweißte als auch
weitere Querträger in ganzzahligen Teil- der geschraubte Anschluss schwieriger her-
punkten angeordnet. Dadurch entsteht aber zustellen ist als bei H-Profilen, werden oft-
in den Fachwerk-Untergurten Zwischen- mals die Stege der Kastenquerschnitte am
biegung, die bei den Nachweisen beachtet Anschluss abgebogen und auf ein Stegblech
werden muss. Auch bei einwandigen Un- zusammengeführt. Damit wird erreicht, dass
tergurten werden zweiwandige Knotenble- die Vorteile der hohen Knicksteifigkeit im
che zum Anschluss der Diagonalen ver- Feld vorhanden bleiben, der Anschluss je-
wendet (Bild 5.2.2-8). doch mit einem offenen H-Profil erfolgt, was
Die Diagonalen werden bei kleineren wegen der Zugänglichkeit wesentlich einfa-
Fachwerken als H-Profile, bei größeren zu- cher ist (Bild 5.2.2-9).
340 5 Haupttragwerke der Überbauten

fertigen und montieren. Da die Erstellungs-


kosten heute zu einem besonders wichtigen
Teil durch die Lohnkosten bestimmt wer-
den, ist dieses System des vollwandigen
Biegebalkens so beliebt. Durch die Biege-
beanspruchung werden zwar nur die Rand-
fasern des Querschnitts voll ausgenutzt,
aber die im Vergleich z. B. zu Fachwerk-
konstruktionen schlechtere Materialaus-
nutzung wird durch den Vorteil der gerin-
gen Anzahl von Schweißnähten und der
Möglichkeit, in vielen Fällen durch güns­
tige Einhubmontage von vollständigen
Brü­ckenteilen oder Hauptträgern die
Lohn­kosten gerade auf der Baustelle zu re-
duzieren, ausgeglichen.
Durch den relativ hohen Materialauf-
wand sind allerdings die Vollwandbrücken
als reine Biegebalken für lange Stützweiten
nicht geeignet. Hier gewinnt bei den be-
messungsrelevanten Lasten die Eigenlast
Bild 5.2.2-9   Abbiegen der Stege eines Kasten- gegenüber der Verkehrslast an Bedeutung,
querschnittes im Anschlussbereich so dass das statische System auch hinsicht-
lich Gewichtsoptimierung zu wählen ist.
Der typische Einsatzbereich einer Verbund-
5.2.3 Balkenbrücken als Verbundbrücken brücke als Vollwandbrücke liegt beim Ein-
oder Mischkonstruktionen feldträger im Stützweitenbereich zwischen
30 m bis 60 m, bei Durchlaufträgern (even-
Ulrike Kuhlmann tuell gevoutet) sind Stützweiten über 100 m
und Annette Detzel möglich.
Neben Wirtschaftlichkeit und Spann-
5.2.3.1 Vollwandbrücken
weite spielen für die Entscheidung für eine
Allgemeine Kriterien Verbundvollwandbrücke auch die Lage und
Vollwandbrücken stellen ein besonders Umgebung eine Rolle. Das betrifft zum ei-
wirtschaftliches System zur Lastabtragung nen den erforderlichen Lichtraum unter
dar. Die klare, nicht in einzelne Bauteile ge- der Brücke, der unter Umständen die Bau-
gliederte Konstruktion lässt sich einfach höhen stark einschränkt. Bild 5.2.3-1 zeigt

Bild 5.2.3-1   Eisenbahnüberführung BW 228


5.2 Balkenbrücken 341

Bild 5.2.3-2   Elbebrücke Torgau

als Beispiel die Eisenbahnüberführung BW land und Luxemburg mit den Stützweiten
228 über die Autobahn A4 in Köln, wo 49 – 72,5 – 72,5 – 87,5 – 130 – 88,5 – 59 –
stählerne Eisenbahnbrücken mit einer 48 m quert [Emge/Girard, 2001].
Konstruktionshöhe von nur etwa 1,2 m Bei der Elbebrücke Torgau wird die gro-
durch Verbundbrücken ersetzt wurden. ße Hauptöffnung von 106 m über der Elbe
Autobahn und Schienenlage ließen hier sowie das Überflutungsgebiet durch einen
keine größeren Bauhöhen zu [Kuhlmann, Verbundträger mit einzelligem Kasten-
1995]. querschnitt und einer hohen Voute am
Zum anderen betrifft es die Einbindung Hauptpfeiler überspannt. Durch die hohe
der Brücke in Landschaft und Umgebung. Steifigkeit im Bereich der 5,6 m hohen Vou-
Wie bei der Elbebrücke Torgau erlauben te, die durch einen Doppelverbundquer-
Vollwandbrücken in Verbundbauweise schnitt, also Betonplatten im Ober- und
sehr schlanke Brückenkörper, die sich in Untergurt, noch erhöht wird, werden die
der Formgebung gegenüber anderen spek- Schnittgrößen gezielt zu diesem Pfeiler ver-
takuläreren Bauwerken zurücknehmen. lagert. Entsprechend verringern sich die
Der Entwurf der Brücke wurde entschei- Momente am gegenüberliegenden Stütz-
dend davon bestimmt, das Erscheinungs- querschnitt, an dem die sehr geringe Bau-
bild des Schlosses Hartenfels in unmittelba- höhe mit nur 2,6 m eine möglichst freie
rer Nachbarschaft der Brücke nicht zu stö- Ansicht des Schlosses erlaubt.
ren, siehe Bild 5.2.3-2. Allerdings kann bei einem gevouteten
Längsschnitt der Überbau nicht eingescho-
Ausbildung mit Voute ben werden. Die Konstruktion muss dann
Die Elbebrücke Torgau ist auch ein Beispiel von der Seite oder von unten eingehoben
für eine gevoutete Vollwandträgerbrücke. werden. Entsprechend wurde zum Beispiel
Besonders wirtschaftlich sind die Vollwand- die Moselbrücke Schengen nur über die
träger dort, wo ein ausgeglichener Momen- ersten drei Feldbereiche mit konstanter
tenverlauf, wie z. B. bei Durchlaufträgern Bauhöhe geschoben, die übrigen z. T. ge-
gegeben ist. Durch Vouten kann der Quer- vouteten Schüsse wurden dann durch
schnitt im Stützbereich an hohe Momente Kranmontage und das Strommittelteil
angepasst und es können dadurch auch ent- durch Einschwimmen und Litzenhub mon-
sprechend große Stützweiten erreicht wer- tiert. Ähnliches gilt für die Elbebrücke Tor-
den. Beispiele hierfür sind u. a. neben der gau, bei der auch das 63 m lange Schluss-
Elbebrücke Torgau, die Böckinger Brücke in stück eingeschwommen und mit Kranen
Heilbronn [Engländer et al., 1997], die mit eingehoben wurde.
einer Voutung von 2,8 m im Feld auf 5 m an Bemerkenswert ist bei der Elbebrücke
der Stütze das Neckarfeld mit ca. 98 m über- Torgau außerdem, wie die Vorlandbrücken
spannt, oder das Viaduc de Schengen, das in Spannbeton mit dem Verbundüberbau
den Grenzfluss Mosel zwischen Deutsch- biegesteif gekoppelt sind. Der Spannbeton-
342 5 Haupttragwerke der Überbauten

querschnitt wird auf einer Länge von 7,4 m Weser in Bremen [Steffens et al., 1995] zeigt
in den Verbundkasten hineingeführt. Die hier ein extremes Beispiel für unterschied-
Lastübertragung erfolgt durch Kopfbol- liche Stützweiten (100,7 – 16 m), siehe Bild
zendübel. Auch die Längsspannglieder 5.2.3-3. So führen am Widerlager Schlachte
werden in den ausbetonierten Verbund- abhebende Lasten von maximal 7 MN zu
querschnitt geführt. Man vermeidet so auf einer kräftigen Abspannkonstruktion mit
dem Trennpfeiler zwischen Spannbeton- Gelenkbolzen.
und Stahlverbundüberbau einen unterhal- Verbundbrücken bieten gegenüber rei-
tungsintensiven Fahrbahnübergang und nen Stahlbrücken neben ihrer höheren
die Ausbildung von zwei getrennten Lager- Auflast durch das Gewicht der Platte gute
achsen. Auch Lagerkonstruktionen erfor- Möglichkeiten, wegen der hohen Steifigkeit
dern eine regelmäßige Kontrolle und War- durch Absenkmaßnahmen eine Vorspan-
tung und möglicherweise ein vorzeitiges nung der Lager zu erzielen und dem Ab­
Auswechseln, so dass durch weniger Lager heben so entgegenzuwirken. So wurden
Vorteile bei der Unterhaltung entstehen. bei der Eisenbahnüberführung BW 228
Die Unterhaltung der Lagerkonstruktionen über die Autobahn A4 bei Köln, siehe Bild
ist besonders aufwendig, wenn es zu abhe- 5.2.3-1, durch Absenkmaßnahmen an den
benden Lagerkräften kommen kann. Pfeilerachsen zwischen 30 und 50 cm so-
wohl abhebende Kräfte an den Widerlagern
Abhebende Lagerkräfte speziell in den spitzen Ecken überdrückt als
Bei sehr unterschiedlichen Spannweiten- auch eine vorteilhafte Druckvorspannung
verhältnissen (Bild 5.2.3-3) oder auch bei in der nicht vorgespannten Verbundplatte
schiefwinkligen Brückenenden können bei erzeugt.
Balkenbrücken an den Auflagern der End- So positiv die hohe Längssteifigkeit für
felder Zugkräfte entstehen, die allein durch die Wirksamkeit von Absenkmaßnahmen
die Eigenlast der Brücke nicht zu über­ ist, so nachteilig ist diese hohe Steifigkeit
drücken sind. Die Teerhofbrücke über die für den Einfluss von Zwängungen. Dies

Bild 5.2.3-3   Teerhofbrücke Bremen, Ansicht und Draufsicht


5.2 Balkenbrücken 343

macht sich besonders bei engen Lagerab- Anker o. ä. werden die Brückenenden durch
ständen in Brückenquerrichtung und Pres- hinter das Lager auskragende massive Be­
senanordnung unter steifen Verbundquer- tonendquerträger ballastiert. Die Ballastie-
trägern bemerkbar. Bei dem Bauwerk 228 rung reicht allerdings allein zur Gewähr-
handelt es sich um einen offenen Platten- leistung der theoretischen Lagesicherheit
balkenquerschnitt mit sieben Haupt­trägern, nicht aus, so dass ein zusätzliches Anheben
die im Grundriss als schiefwinkliger Trä- der Brückenenden um ca. 20 cm erforder-
gerrost über drei Felder (Stützweiten 16,5 lich war. Der Bauablauf ist ausführlich im
– 27,4 – 23,4 m) wirken. Die Hauptträger Abschnitt 9.4.1 beschrieben.
sind nur in den Lagerachsen untereinander Die Beispiele zeigen, wie gerade bei voll-
über Verbundquerträger gekoppelt. In die- wandigen Durchlaufträgern in Verbund-
sen Achsen ist jeder Hauptträger für sich bauweise die Schnittgrößen und Lagerkräf-
gelagert. Es gibt also sieben Einzellager im te durch Montagemaßnahmen gezielt ge-
Abstand von 2,2 m bzw. 3 m. Bei einer sol- steuert werden können.
chen engen Stützung und der hohen Steifig-
keit der Verbundquerträger führen winzige
Lagerhebung von wenigen Millimetern zu 5.2.3.2 Fachwerkbrücken
extremen Schnittgrößen im Verbundquer-
träger und Abhebekräften der Lager. Die Allgemeine Gesichtspunkte
übliche Forderung, jedes Lager für sich aus- Der in Tragwerken verwendete Werkstoff
wechseln zu können, ist also mit normalen wird sicherlich am besten ausgenutzt, wenn
Bemessungsansätzen nicht realisierbar. Da- er eine reine Normalkraftbeanspruchung
her wurde nur ein Auswechseln der Lager erhält. Demzufolge sind Fachwerke hin-
bei gleichzeitigem Anheben einer gesamten sichtlich der Materialausnutzung besonders
Lagerachse gefordert. Bei fünf Hauptträ- effiziente Tragwerke. Allerdings besteht
gern pro Überbau mit jeweils zwei Pressen diese Effizienz nur, wenn die mechanischen
ist ein solches ,gleichzeitiges‘ Anheben aller Annahmen eines idealen Fachwerks wie
Lager einer Achse natürlich auch nicht so
– gerade Stäbe
einfach durchzuführen. Während der Um-
– nahezu reibungsfreie gelenkige Knoten
bauten im Bauzustand hat man daher ge-
– äußere Kräfte nur in den Knoten
koppelte Pressen eingesetzt und die Kraft-
größen an den Lagern kontrolliert. auch verwirklicht sind. Typischerweise sind
Eine weitere Lösung zur Verbesserung aber gerade die letzten beiden Bedingun-
der Lagesicherheit ist die Ballastierung der gen in realen Fachwerkkonstruktionen
Brückenenden. So kann über Ballastbeton nicht erfüllt. In den Fachwerkknoten als
das Trägerende an den Widerlagern so be- ­geschweißte Stahlknoten können Biege­
schwert werden, dass die Eigenlast aus- momente entstehen, so dass insbesondere
reicht, die abhebende Kraft aus Verkehr für Eisenbahnbrücken gefordert wird, zur
und Konstruktionsgewicht im Feld zu über- Erfassung dieser Nebenspannungen im
drücken. Bei der Moselbrücke Bernkastel- Betriebsfestigkeitsnachweis das Fachwerk
Kues [Kuhlmann, 1996] führt das Stützwei- als biegesteifes Rahmensystem zu unter­
tenverhältnis (36,4 – 74,4 – 36,4 m) von in suchen, siehe z. B. Richtlinie 804, Abs. 4
etwa 1 : 2 : 1 an den Widerlagern zu einer so [DB AG, 2003]. Noch deutlicher wird die
geringen Auflast aus dem Gewicht der Brü- Verletzung der idealen Fachwerkbedingun-
cke, dass bei Verkehrsbelastung in Brü- gen am Obergurt, der als in den Fachwerk-
ckenmitte die Lager dort abzuheben dro- knoten örtlich gestützter „Durchlaufträger“
hen. Statt einer Abhebesicherung durch planmäßig Biegebeanspruchung aus der
344 5 Haupttragwerke der Überbauten

Fahrbahn erhält. Neben dieser einge- vorhandener Stahlfachwerkbrücken neben


schränkten reinen Normalkraftwirkung der Nutzung vorhandener Unterbauten
gibt es einige weitere Nachteile, die gerade durch gleichbleibend kleine Auflasten auch
für moderne Stahl- und Verbundbrücken die Gewöhnung der Menschen an ein be-
Fachwerklösungen weniger nahe legen. Die stimmtes Ansichtsbild, das ihre Umgebung
Feingliedrigkeit führt zu höherer Korro­ prägt [Grüter/Kobbner, 1985].
sionsanfälligkeit und schwierigerer Unter- Wenn es um den Ersatz vorhandener
haltung, eine größere Anzahl von Schweiß- Stahlfachwerkbrücken geht ist die Ver-
nähten im Vergleich zu Vollwandkonstruk- bundbauweise ähnlich wie für die Voll-
tionen erhöht die Fertigungskosten. Trotz- wandbrücken wirtschaftlich gegenüber der
dem gibt es gerade in jüngster Zeit wieder reinen Stahllösung, weil die aufwendige
mehr Fachwerkbrücken und seit einigen Stahlfahrbahn durch die Verbundplatte aus
Jahren auch als Fachwerkverbundkonstruk- Stahlbeton ersetzt wird. Allerdings kom-
tionen. men durch die Wirkung als Fachwerkober-
So wurde zum Beispiel eine der ersten gurt für die Ausbildung der Verbundplatte
Fachwerkverbundbrücken in Deutschland, einige besondere Überlegungen hinzu.
das Nesenbach-Viadukt als Eisenbahnbrü-
cke in Stuttgart [Grüter/Kobbner, 1985], Lage des Obergurts
einer Stahlbetonkonstruktion vorgezogen, Wie der Querschnitt des Nesenbach-Via-
weil das Fachwerk winddurchlässiger ist dukts, siehe Bild 5.2.3-4, zeigt, muss die
und im Vergleich zur Vollwandbrücke kei- Verbundplatte zumindest im Bereich der
ne so starke optische und klimatische Bar- Fachwerkträger zu Plattenbalken aufge-
riere darstellt. dickt werden, um neben der örtlichen Fahr-
Grundsätzlich bieten sich Fachwerklö- bahnwirkung die Abtragung der Obergurt-
sungen wegen des geringeren Gewichts, der normalkräfte und der oben beschriebenen
hohen Steifigkeit und der geringen Wind- Durchlaufträgerbiegung zu gewährleisten.
angriffsfläche immer an, wenn große Spann­ Gleichzeitig zeigt der Querschnitt (Bild
weiten zu überbrücken sind oder kleine 5.2.3-4) das typische Eintauchen des Stahl-
Durchbiegungen gefordert werden z. B. bei fachwerkknotens in die Betonfahrbahn.
Eisenbahnbrücken. Diese Bauweise bietet mehrere Vorteile:
Neben den Aspekten des geringen Ge- durch die Betonummantelung ist der Ober-
wichts und der hohen Steifigkeit spielt bei gurt vollständig vor Korrosion geschützt,
einer Reihe von Fachwerkbrücken jüngerer die Stabilisierung des Stahlobergurts und
Zeit das Aussehen eine große Rolle. Die seiner Bleche ist durch die Betonfahrbahn-
Möglichkeit einer sehr filigranen „durch- platte gegeben, und – wesentlich – die
sichtigen“ Konstruktion hat in einer Reihe Schwerlinie des Stahlfachwerks und des
von Fällen, wo besonderer Wert auf die Ge- Verbundfachwerks liegen nahezu in glei-
staltung und die Einbindung in die Land- cher Höhe, so dass nur minimale Exzentri-
schaft gelegt wurde, zur Entscheidung für zitäten zwischen der Einleitung der Kräfte
eine Fachwerkkonstruktion geführt. Unter- über die Stahlfachwerkknoten zu dem bie-
strichen wird der positive optische Ein- gesteifen Verbundträger des Obergurts ent-
druck dann z. T. auch durch die Quer- stehen. Auch entstehen durch die Kragarm-
schnittswahl der Fachwerkstäbe als Rohr- wirkung in Brückenquerrichtung in den
querschnitte. vertikalen Verbundfugen Anpressdrücke,
Ein weiteres weniger funktional gepräg- die die Verbundwirkung vorteilhaft beein-
tes, aber nicht zu unterschätzendes Argu- flussen, auch wenn das zur Zeit noch nicht
ment für eine Fachwerklösung ist bei Ersatz rechnerisch berücksichtigt werden kann.
5.2 Balkenbrücken 345

Bild 5.2.3-4   Nesenbachviadukt, Querschnitt

Allerdings ist bei den liegenden Kopfbol- Einfeld- oder Durchlaufträger


zendübeln an den vertikalen Stegen, die Bei der Fachwerkverbundbrücke über den
sich in der Nähe der Oberfläche befinden, Teltowkanal in Berlin Tempelhof wird die
auf die Möglichkeit der durch Spaltwirkung große Öffnung über den Teltowkanal, wie
reduzierten Tragfähigkeit zu achten [Breu- bei vielen ihrer Art, durch ein Einfeldträ-
ninger/Kuhlmann, 2001]. gersystem überspannt. Im Vorlandbereich
Die zweite Möglichkeit, den Stahlober- mit relativ kleinen Spannweiten wird ein
gurt unter der Verbundplatte anzuordnen, Spannbetonkasten als Durchlaufträger ge-
wurde zum Beispiel bei der Fuldatalbrücke führt. Im Übergang ist die Auflagerbank
Kragenhof [Keller et al., 1988] oder auch des gemeinsamen Pfeilers an die Höhe der
der Mainbrücke Nantenbach [Schwarz et Spannbetonbrücke angepasst und sind ent-
al., 1995] angewandt. Man wird zu diesen sprechend die Auflagerpunkte der höheren
Lösungen eher gelangen, wenn die Bean- Fachwerkverbundbrücke hochgezogen
spruchungen des Stahlobergurts im Bauzu- (Bild 5.2.3-5).
stand groß sind und mit einem im Beton Die Untergurte des Fachwerks bestehen
liegenden „Stahlhilfsgurt“ nicht mehr be- aus geschweißten Kastenquerschnitten.
wältigt werden können. In diesen Fällen Für die Diagonalen und die Obergurte
kann selbstverständlich auch auf eine Auf- wurden zusammengesetzte Doppel-T-
dickung der Verbundplatte zu einem Stahl- Profile verwendet. Entscheidend für die
betonplattenbalken wie beim Nesenbach- Herstellungskosten eines Fachwerkträgers
Viadukt (Bild 5.2.3-4) verzichtet werden. ist die Anzahl der auszuführenden
Das Beispiel der Fachwerkverbundbrü- Schweißnähte und die Menge des einzu-
cke über den Teltowkanal in Berlin-Tem- bringenden Schweißguts. Durch die An-
pelhof zeigt, dass auch jüngste Fachwerk- zahl der Knoten würden sich für die bei-
verbundkonstruktionen wieder den innen den zweistegigen Hauptträger 208 Diago-
liegenden Stahlobergurt bevorzugen [Mo- nalblechanschlüsse und 200 Gurtblech­
ser/Springer, 2000]. anschlüsse ergeben. Indem die Gurt- und
346 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.2.3-5   Tempelhof, Längsschnitt Fachwerkträger

Knotenbleche an einem Stück gefertigt zwei Seitenöffnungen von je 83,2 m. Konse-


wurden, konnte die Zahl der Anschlüsse quent wird der Längsschnitt über den In-
hier auf 48 reduziert werden. Der erforder- nenpfeilern gevoutet und der Querschnitt
liche Querschnittszuwachs wurde durch zum Teil als Doppelverbundquerschnitt
von außen nicht sichtbare Zusatzlamellen ausgeführt. Der Obergurt ist über die ge-
erzielt. Die Stöße wurden so ausgebildet, samte Länge als Verbundträger ausgebildet.
dass sich ein möglichst geringes Nahtvolu- Dies gilt auch für die Untergurte der Seiten­
men ergab. öffnungen und Teile der Mittelöffnung im
Einfeldsysteme bieten sich nicht nur bei Bereich der Stützenmomente. Der große
Materialwechsel in Brückenlängsrichtung Anteil an Beton macht das Tragwerk sehr
an, sondern sie entsprechen in hohem Maße steif und wirkt sich positiv auf die Lärment-
der optimalen Nutzung der beiden Verbund­ wicklung aus. Die Stahlkonstruktion be-
materialien: Zugbeanspruchung in den steht aus geschweißten Rechteckprofilen.
Stahl­untergurten und Druckbeanspruchung Die Diagonalen sind biegesteif an die Ober-
in den Betonobergurten. Aus diesem Grund und Untergurtscheiben angeschlossen. Da-
wurde gerade in der Anfangsphase dieser durch entstehen in Querrichtung Rahmen,
neuen Bauweise auf die Ausbildung als die für die nötige Stabilität sorgen. Durch
Durchlaufträger verzichtet. Bei der Isarbrü- die relativ kleinen Seitenspannweiten kön-
cke Großhesselohe [Kobbner, 1985] wurde nen trotz der hohen Eigenlast an den End-
sogar die für das Einschieben im Bauzu- auflagern Zugkräfte entstehen (vergl. auch
stand hergestellte Kopplung der Kette von Mosel­brücke Bernkastel-Kues, Abschnitt
vier Stahlfachwerküberbauten für den End- 5.2.3.1). Diese müssen über eine Zugveran-
zustand wieder getrennt. Inzwischen hat die kerung aufgenommen werden. Im Bild
positive Erfahrung mit Fachwerkverbund- 5.2.3-6 ist die konstruktive Ausbildung des
brücken und die Entwicklung der Rissbrei- Zuglagers zu sehen.
tenbegrenzung der Verbundplatten zu einer
Aufgabe dieses Prinzips geführt, wie auch Rohrfachwerke
insbesondere das Beispiel der Mainbrücke Bei besonders exponierten Standorten, bei
Nantenbach zeigt [Schwarz et al., 1995]. denen dem Erscheinungsbild einer Brücke
Die Brücke überspannt den Main mit hervorragende Bedeutung zugemessen
einer großen Mittelöffnung von 208 m und wird, werden wegen ihrer filigranen Ge-
5.2 Balkenbrücken 347

Bild 5.2.3-6   Mainbrücke Nantenbach, Zugverankerung am Widerlager

stalt bevorzugt Rohrfachwerke eingesetzt. sich insgesamt um ein räumliches Fach-


Durch die Integration von zumeist räum- werk. Die Fachwerkkonstruktion über-
lichen Fachwerken aus Rundhohlprofilen spannt als Dreifeldträger mit den Stützwei-
in Verbundquerschnitten und schlanken ten 22 – 44 – 22 m den recht steilen Talein-
Verbundfahrbahnplatten entstand in den schnitt. Die Brücke zeigt optisch ein sehr
letzten Jahren ein neuer ästhetisch an- attraktives Erscheinungsbild, allerdings
spruchsvoller Brückentyp. Zwei Bei­­spiele handelt es sich insbesondere wegen der auf-
werden im Folgenden beschrieben. wendigen Knotenausbildung der durch die
Bei der Brücke zur Siele in der Nähe von Voutung in Längsrichtung völlig unter-
Olpe bei Siegen handelt es sich um eine schiedlichen räumlichen Fachwerknoten
Straßenbrücke, die aber vorwiegend als und ihrer Ausbildung mit innenliegenden
Fuß- und Radweg genutzt wird. Der Bau- Knotenblechen um eine recht teure Kon-
herr, der Landschaftsverband Westfalen- struktion.
Lippe, hatte, um für diesen tiefen Talein- Beim zweiten Beispiel für den entschei-
schnitt eine optisch ansprechende Lösung denden Einfluss der Gestaltung auf das
zu finden, schon im Vorfeld der Planung Bauwerkskonzept geht es um den vom
einen Architekten und einen Ingenieur ge- Ingenieur Dr. Dauner entworfenen Via-
meinsam mit dem Entwurf beauftragt. dukt von Lully im Schweizer Kanton Frei-
Die Brücke besteht aus einem durchlau- burg, siehe [Dauner, 1998]. Bei Stützweiten
fenden Untergurtstahlrohr, aus Stahlrohr- von etwa 43 m und einem Bodenabstand
diagonalen und der Betonfahrbahn als von maximal 16 m wären normalerweise
Obergurt. Die beiden Stahlhilfsgurte liegen zwei Spannbetonkästen die wirtschaftliche
im Betonfahrbahnquerschnitt und bilden Standardlösung gewesen. Stattdessen ent-
mit dem Untergurt und den Diagonalen ein schied man sich im Rahmen eines be-
Dreieck (Bild 5.2.3-7). Damit handelt es schränkten Entwurfswettbewerbs dafür,
348 5 Haupttragwerke der Überbauten

Rohrdreigurtträger gestützt werden. Über


den Lagerpunkten sind zur Stabilisierung
Querträger ebenfalls als räumliche Fach-
werkstrukturen angeordnet. Die Knoten
sind mit Ausnahme der Querträgeran-
schlüsse geschweißte Knoten ohne Knoten-
bleche. Die Obergurte des Fachwerkträgers
werden von zwei Stahlrohren gebildet, die
im Endzustand hauptsächlich der Schub-
krafteinleitung aus dem Stahlfachwerk in
den Betongurt dienen. Entscheidend ist die
Funktion des Stahlprofils im Bauzustand.
Durch den durchgehenden Obergurt ent-
Bild 5.2.3-7   Brücke zur Siele, Querschnitt fallen aufwendige Hilfskonstruktionen
während des Transports und der Montage.
durch eine besonders filigrane räumliche Zudem dient das Stahlprofil als Abstützung
Rohrkonstruktion eine Einbindung in die des Schalwagens beim Betonieren der Fahr-
parkähnliche Landschaft mit Baumgrup- bahnplatte.
pen und einem Feuchtbiotop zu erreichen, Die konstruktive Ausbildung der ver-
vgl. Bild 5.2.3-8. steifungslosen Rohrknoten hat vor allem
Die räumliche Verbundfachwerkkon- bei hoher Ermüdungsbeanspruchung be-
struktion besteht aus zwei getrennten Be- sondere Bedeutung. Grundsätzlich können
tonfahrbahntafeln, die jeweils von einem zwei Konstruktionsformen unterschieden

Bild 5.2.3-8   Der Viadukt von Lully


5.2 Balkenbrücken 349

Bild 5.2.3-9a,b   Typische Rohrknoten. a Schweißknoten, b Gussknoten

werden: der Gussknoten und der ge- 2007], [Denzer, 2006], [Schlaich/Schober,
schweißte Knoten, kurz: Schweißknoten 1999a], [Schlaich/Schober, 1999b].
(Bild 5.2.3-9). Beide Ausführungen sollten Schweißknoten haben gegenüber der
nicht als konkurrierende Bauweisen gese- Gussknotenausführung drei wesentliche
hen werden, denn ihr Einsatz hängt we- Vorteile. Erstens werden durch die direkte
sentlich von den Randbedingungen des Verschweißung der Fachwerkstäbe die
betrachteten Anwendungsfalles ab [Fried- Gussformstücke eingespart, die aufgrund
rich/Quaas, 2008]. ihrer individuellen Herstellung einen we-
Beim Gussknoten werden alle Fach- sentlichen Kostenfaktor darstellen. Zwei-
werkstäbe mittelbar über ein individuell tens hat der Schweißknoten ein vergleichs-
hergestelltes Gussformteil miteinander ver-
bunden. Der Gussknoten zeichnet sich
durch eine hohe Gestaltungsvielfalt aus, die
gerade bei geometrisch komplexen Situati-
onen, wenn eine Vielzahl von Fachwerkstä-
ben an einem Knoten zusammentrifft, von
Vorteil ist. Die erforderlichen Schweißar-
beiten sind im Gegensatz zum Schweiß-
knoten einfacher, da alle Anschlüsse gerade
Stumpfstöße darstellen (Bild 5.2.3-10). Un-
günstig zu bewerten ist jedoch die größere
Anzahl der zu schweißenden Stöße im
Haupttragglied, die nicht nur aus Sicht der
Ermüdung potenzielle Schwachstellen dar-
stellen. Darüber hinaus ist die Herstellung Bild 5.2.3-10   Westumgehung Korntal-Mün-
der Stahlgussteile zeit- und kostenintensiv. chingen, Rohrknoten aus Stahlguss (Quelle
Siehe weiterführende Literatur: [Herion, Stra­ßenbauamt Besigheim)
350 5 Haupttragwerke der Überbauten

weise gutartiges Ermüdungsverhalten, da 5.3 Rahmenbrücken


ein möglicher Ermüdungsriss nicht vom
Inneren der Konstruktion ausgeht, sondern 5.3.1 Rahmenbrücken aus Beton
an der Außenseite beginnt. Damit bestehen
die Möglichkeit einer frühzeitigen Detekti- Jürgen Stritzke
on bei einer Brückenkontrolle und die Op- Biegesteife Verbindungen von einfeldrigen
tion für eine Ertüchtigung. Drittens wird oder durchlaufenden Überbauten mit ihren
der Planungs- und Ausführungsprozess ge- Unterbauten führen zu Rahmentragwer-
strafft, da die relativ langen Vorlaufzeiten ken, bei denen im Vergleich zu Einfeld-
für die Gussknotenerstellung entfallen und oder Durchlaufträgern die Feldmomente
mögliche Unterbrechungen bei Qualitäts- kleiner und die Stützenmomente größer
mängeln an den Gussknoten, die durch den ausfallen. Daher lassen sich mit Rahmen-
Neuguss entstehen, ausgeschlossen sind. brücken kleinere Bauhöhen in den Feldbe-
Nachteilig ist beim Schweißknoten, dass reichen erzielen.
die Schweißarbeiten eine hohe Befähigung Ein vielfach verwendetes statisches Sys­
des fertigenden Unternehmens vorausset- tem ist der Zweigelenkrahmen mit der Ein-
zen, da sich über den Nahtverlauf die Naht- spannung des Überbaus in die Widerlager-
form und die Schweißposition ändern und wände (Bild 5.3.1‑1). Je steifer die Rahmen-
auch die hohe Ermüdungsbeanspruchung stiele ausgebildet werden, umso kleiner
der Schweißnähte eine hohe Fertigungs- wird das Riegelmoment im Feld. Im Hin-
qualität erfordert. Im Gegensatz zum blick auf den Momentenverlauf erhält der
Gussknoten, bei dem durch eine günstige Rahmenriegel vorzugsweise eine veränder-
Ausformung des Gussteils die Schweißnäh- liche Bauhöhe. Der Nachteil des Rahmens
te aus dem strukturellen Störbereich des ist in der Erzeugung eines Horizontalschubs
Fachwerkknotens herausgelegt werden zu sehen, der entweder von einer entspre-
können, befinden sich die Schweißnähte chenden Gründung oder bei unsicherem
beim Schweißknoten im Bereich der höch- Baugrund von einem Zugband aufgenom-
sten Ermüdungsbeanspruchung. Der Nach- men werden muss.
weis für diese Art der Konstruktion muss Über die Autobahn A 11 Berlin – Stettin
nach dem Strukturspannungskonzept [EC 3 wurden in letzter Zeit mehrere Über­
1-9] geführt werden. Kuhlmann und Euler führungsbauwerke für die Brückenklasse
[2008] stellen hierfür aufbereitete Tafeln 30/30 als Stahlbetonzweigelenkrahmen
zur Verfügung. Siehe weiterführende Lite- (Bild 5.3.1‑2) mit einer Stützweite von 35 m
ratur: [Casper/Karpa, 2008], [Kuhlmann et gebaut. Die Höhe des Rahmenriegels in
al., 2002], [Dauner, 1998]. Rahmenmitte von 1,04 m entspricht 1/33,5
der Stützweite.
Die Rahmenstiele können auch schräg
angeordnet werden. Dadurch verbessern

Bild 5.3.1-1   Zweigelenkrahmen mit lotrechten Rahmenstielen zur Erzielung minimaler Bauhöhen


nach [Stritzke, 2000], Bilder 1.17 und 1.18
5.3 Rahmenbrücken 351

Bild 5.3.1-2   Überführungsbauwerk als Zweigelenkrahmen über die Autobahn A 11

Bild 5.3.1-3   Überführungsbauwerk mit schräg gestellten Rahmenstielen über die B 112n bei
Frankfurt/Oder

sich die Sichtverhältnisse auf dem zu unter- zontalschubs hohe Anforderungen an den
führenden Verkehrsweg und im Riegelbe- anstehenden Baugrund. Aus der Längen­
reich wird eine Längsdruckkraft von der änderung des Überbaus infolge abfließender
Größe der Horizontalkomponente der Rah- Hydratationswärme, Vorspannung, Schwin-
menstielkraft eingeleitet. Bild 5.3.1‑3 zeigt den und Kriechen sowie Temperaturbean-
ein Überführungsbauwerk über die B 112n spruchungen resultieren Zwangschnittgrö-
im Westen der Stadt Frankfurt/Oder, das als ßen im Rahmenriegel und in den Rahmen-
vorgespannter Rahmen mit schrägen Rah- stielen. Die Größe der Zwangschnittgrößen
menstielen errichtet wurde. Die Stützweite hängt von der Bettungsziffer des Baugrunds
des Rahmens beträgt im Hinblick auf die ab. Eine steifere Bettung führt zwar zu un-
zwei 7,50 m breiten Richtungsfahrbahnen
der unterführten B 112n rd. 30 m. Der Rah-
menriegel ist als 1,00 m dicke Vollplatte aus-
geführt, und die Rahmenecken sind durch
eine 300 mm dicke Voute verstärkt.
Die Schrägstielrahmenbrücke (Bild
5.3.1‑4) stellt wegen ihres großen Hori­ Bild 5.3.1-4   Schrägstielrahmenbrücke
352 5 Haupttragwerke der Überbauten

günstigeren Zwangbeanspruchungen, wirkt Als Rahmenriegel kommen die massive


sich jedoch auf den Einspanngrad des Rie- Vollplatte, der einstegige Plattenbalken mit
gels in die Rahmenstiele und die Abtragung weit auskragenden Fahrbahnplatten oder
der Eigen- und Verkehrslasten günstig aus. ein mehrstegiger Plattenbalken zur An­
Aufgrund der gegenläufigen Effekte sind bei wendung, bei größeren Stützweiten auch
der Tragwerksplanung stets zwei Grenzzu- Spannbetonkästen. Die Rahmenstiele von
stände mit einem oberen und unteren Wert Plattenbalkenriegeln sind in Querrichtung
der Bettung zu untersuchen. so breit wie die Plattenbalkenstege zu wäh-
Es gibt topographische Situationen, wie len. Der Anschluss der Rahmenstützen an
z. B. bei der Überbrückung eines tiefen Ein- die Fundamente kann sowohl gelenkig als
schnitts, bei denen i. d. R. die klassische auch eingespannt ausgeführt werden.
Lösung eines Zweigelenkbogens mit aufge- Bei der Schrägstielrahmenbrücke „Tor
ständerter Fahrbahn gewählt wird. Eine nach Dresden“ [Denzer/Eilzer, 1997] zur
gestalterisch ansprechendere Lösung ist Überführung einer Kreisstraße über die
­jedoch eine Schrägstielrahmenbrücke (Bild sechsstreifige Autobahn A 4 beträgt die
5.3.1-4). Das Sprengwerk ist gegenüber Stielneigung gegenüber der Horizontalen
dem Bogen die modernere Form und unter 35 ° und die Spreizung der Rahmenstiele
Einhaltung bestimmter Proportionen und 53 m. Daraus ergeben sich Stützweiten des
bei entsprechenden Höhen- und Breiten- Überbaus von 22,80 m + 36,00 m + 22,80 m
verhältnissen des Einschnitts gestalterisch bei einer Gesamtlänge von 81,60 m zwi-
völlig gleichwertig. schen den Auflagerachsen. Der Querschnitt
Die Stiele sollten im Hinblick auf besteht aus einer 5,50 m breiten Platte mit
Zwangbeanspruchungen infolge Tempera- 2,90 m langen Kragarmen. Die Gesamt-
tur im Kämpferbereich dünn sein und mit breite beträgt einschließlich der Kappen
zunehmender Dicke in den leicht ge- 12,00 m. Die Kragarmanschnitte sind so
krümmten Rahmenriegel übergehen. Da- gewählt, dass auf eine Quervorspannung
bei kommt es auf eine gute Ausrundung der verzichtet werden konnte. Die veränder­
Rahmen­ecken an, und der Rahmenriegel lichen Konstruktionshöhen des Überbaus
selbst ist in der Mitte möglichst dünn aus- betragen 0,90 m bis 1,60 m, die der Stiele
zubilden. So zwingt man die Stützlinie, 0,70 m bis 1,30 m. Dieses Bauwerk (Bild
nahe der System­linie zu bleiben und erzielt 5.3.1‑5) über die Autobahn im tiefen Ein-
gleichzeitig eine elegante Form. schnitt wird den gestalterischen Anfor­

Bild 5.3.1-5   Schrägstielrahmenbrücke „Tor nach Dresden“, Überführungsbauwerk über die Auto-


bahn A 4
5.3 Rahmenbrücken 353

derungen, die an das Bauwerk aufgrund verändert. Der vierstegige Plattenbalken-


seiner exponierten Lage zur Landeshaupt- querschnitt (Bild 5.3.1‑7) mit einer Breite
stadt Dresden gestellt wurden, am besten von 12,50 m nimmt zwei Straßenbahn-
gerecht und hebt den Einfahrtscharakter als gleise im Fahrbahnbereich und beidseitig
„Tor nach Dresden“ besonders hervor. je einen Geh- und Radweg auf. Die
Die Luckenberger Brücke in Branden- Brücken­widerlager sind auf jeweils
burg überführt den innerstädtischen Ver- 12 Groß­bohrpfählen mit einem Durch-
kehr über die Havel. Mit der gewählten messer von 1,20 m und einer maximalen
Schrägstielrahmenbrücke (Bild 5.3.1‑6) Länge von 20,70 m gegründet. Infolge der
aus Hochleistungsbeton B 85 konnten die Randbedingungen ergibt sich eine relativ
bestehenden Straßenanbindungen und die große Schlankheit von l/h = 42,3/0,67 = 67
Gradiente beibehalten und eine ausrei- in Brückenmitte. Dies stellt für den Mas-
chend breite Schifffahrtsöffnung freigehal- sivbau eine äußerst schlanke Konstruktion
ten werden. Auch die vorhandenen Ein- dar.
gangs- und Einfahrtssituationen der Anlie- Um die Langzeitverformungen und das
ger an der überführten Straße blieben un- Schwingungsverhalten dieser extrem

Bild 5.3.1-6   Luckenberger Brücke über die Havel in Brandenburg als Schrägstielrahmenbrücke


aus Hochleistungsbeton B 85

Bild 5.3.1-7   Luckenberger Brücke – Überbauquerschnitt nach [Stritzke, 2002], S. 19


354 5 Haupttragwerke der Überbauten

schlanken Konstruktion zu minimieren, diente genutzt, so dass keine weiteren Maß-


wurde die Brücke aus Hochleistungsbeton nahmen zum Erreichen der Sollgradiente
der Festigkeitsklasse B 85 hergestellt. Ob- erforderlich wurden.
wohl Hochleistungsbetone im internatio- Rahmenbrücken als Überführungsbau-
nalen Brückenbau keine Seltenheit sind, werke z. B. über Autobahnen werden auch
gibt es in Deutschland bisher erst ca. 7 zu- gern als Zweifeldsysteme ausgeführt (Bild
meist kleine Brücken aus diesem Baustoff. 5.3.1‑8).
Die Luckenberger Brücke ist als Pilotpro- Scheibenartige Widerlager lassen sich
jekt im Land Brandenburg momentan die auch in ein Druckglied und vorgespannte,
mit der größten Spannweite. schräg angeordnete Zugstreben (Bild
Die Schrägstiele wurden als Fertigteile 5.3.1‑9), wie z. B. bei der Föhrer Brücke in
hergestellt. So konnten die Erfordernisse Berlin, auflösen [Heusel, 1951]. Weitere
der Betontechnologie erfüllt und die Ver- Beispiele für Rahmenbrücken mit aufge­
formungen des Traggerüsts minimiert lösten Rahmenstielen sind z. B. die Donau-
­werden. Der Überbau wurde in zwei Ab- brücke beim Gänstor in Ulm [Finster-
schnitten hergestellt. In Brückenmitte wur- walder/König, 1951], die Lombardsbrücke
de eine Schlusslücke vorgesehen, in der Hamburg [Havemann/Sülz, 1953], die
nach Erhärten des Betons mittels Pressen Dischingerbrücke Berlin [Heusel, 1957]
die beiden Überbauhälften auseinander und die Balduinbrücke über die Mosel in
­gedrückt wurden. Dadurch konnten die Koblenz [Schambeck/Böckel, 1973].
Setzungen infolge Eigenlast weitestgehend Da sich der Riegel zwischen Druck- und
vorweggenommen und der Überbau Zugglied verformen kann, verringert sich
zwangsfrei eingebaut werden. Durch die nach [Feistel/Vockrodt, 1970] der Einspann­
aufgebrachte Druckspannung der Pressen grad um bis zu 15%, wenn der Betrag der
wurde die Rissbildung infolge Schwinden Zugfläche in m² größer als das Trägheits-
günstig beeinflusst. Darüber hinaus wurde moment des Riegels in m4 im Stielbereich
die Schlusslücke zum Einstellen der Gra­ ist und die Breite des Stielbereichs kleiner

Bild 5.3.1-8   Zweifeldriges Rahmentragwerk nach [Holst/Holst, 2004], S. 136

Bild 5.3.1-9   Längsschnitt der Föhrer Brücke – aufgelöste Widerlager und elegant gevouteter
­Rahmenriegel
5.3 Rahmenbrücken 355

als ein Viertel der Stützweite ist. Da beides nung von Lagern auf den Pfeilerköpfen der
in den meisten Fällen des Massivbrücken- Randfelder Rechnung zu tragen. Dadurch
baus zutrifft, besteht kein prinzipieller Un- geht allerdings die Rahmenwirkung in die-
terschied zum Rahmen mit geschlossenem, sen Bereichen verloren. Beispiele solcher
steifen Stiel. Rahmenbrücken sind die Rheinbrücke
Eine weitere Form der Einspannung des Bendorf [Finsterwalder/Schambeck, 1965],
Überbaus in die Unterbauten lässt sich die Kochertalbrücke Geislingen [Baumann,
durch die Ausbildung von V-Stützen er­ 1979], die Moselbrücke Schweich [Scham-
zielen. Bei der Maintalbrücke Gemünden beck, 1976], die Brücke über den Vejle-
[Leonhardt et al., 1983] im Zuge der Fjord [Rausch, 1980], die Felsenaubrücke
DB‑AG‑Strecke Hannover – Würzburg ist Bern [Menn, 1976] und die Talbrücke
die Strombrücke über den Main als Rah- Schottwien [Vogler, 1989].
mentragwerk mit Stützweiten von 82 m + Ein Rahmentragwerk besonderer Art
135 m + 82 m ausgebildet. Mit einer (Bild 5.3.1-11) wurde mit dem Bau der Tal-
­Spreizung der Stiele von 23 m verringert brücke Zahme Gera im Zuge der Autobahn
sich die Riegelstützweite um rd. 20 %, was A 71 verwirklicht [Abel/Tiarks, 2003]. Es
sich sowohl auf die Schnittgrößen als handelt sich hierbei um ein vierfeldriges
auch auf die Verformungen positiv aus- Tragsystem, bei dem der gevoutete Über-
wirkt. So wurde mit Konstruktionshöhen bau bei freier Auflagerung an den Wider­
von 6,50 m über den Stützen und 4,50 m lagern mit den in der Ansicht Y-förmigen
in Feldmitte Schlankheiten von l/21 bzw. Pfeilern biegesteif verbunden ist. Durch die
l/30 erzielt. Spreizung der Stützen in ihrem oberen Be-
Bei langen mehrfeldrigen Rahmenbrü- reich zu einem Y kann bei einem solchen
cken (Bild 5.3.1‑10) ist der Längenände- Rahmentragwerk der Überbau trotz der
rung des Überbaus infolge Temperatur, großen Stützweite außerordentlich schlank
Schwinden und Kriechen durch die Anord- gehalten werden. Bei Stützweiten von 115 m

Bild 5.3.1-10   Talbrücke als mehrfeldriges Rahmentragwerk

Bild 5.3.1-11   Talbrücke Zahme Gera im Zuge der Thüringer Waldautobahn


356 5 Haupttragwerke der Überbauten

+ 145 m + 145 m + 115 m beträgt die Kon- schiedlich verformen. [Feistel/Schleicher,


struktionshöhe des Spannbetonkastens in 1974] untersuchten die Problematik des
den Feldern und an den Widerlagern mini- Einflusses der Ausbildung torsionsweicher
mal 3,80 m und wächst parabelförmig bis Stielquerschnitte, in Pendelscheiben aufge-
zu den Pfeilergabeln auf 6,70 m an. Zwi- löster Stiele und quergeneigter Gelenk­
schen den Pfeilergabeln erhielt die Kasten- linien auf die Zwangschnittgrößen. Danach
unterkante einen Stich von 400 mm, so dass gibt es ebenso wie für die Stützweite recht-
sich in der Pfeilerachse eine Bauhöhe von winkliger Spannbetonrahmen für die
6,30 m ergibt. Damit betragen die Schlank- Schiefe oder Breite vorgespannter, schiefer
heiten über den Stützen l/22 und in den Rahmenbrücken keine besonderen Grenz-
Feldern l/38. werte für den praktischen Anwendungs­
Die maximale Pfeilerhöhe beträgt rd. bereich. Über Erfahrungen an 3 schiefen,
63,50 m. Die Pfeilergabeln haben eine Höhe vorgespannten Rahmenbrücken wird von
von ca. 20 m und eine obere Spreizung von [Feistel et al., 1974] berichtet. Ein 56 gon
ca. 25 m. Die Ansichtsbreite des Vollquer- schiefes, gevoutetes Einfeld-Rahmentrag-
schnitts der Gabeläste verringert sich von werk mit einem dreistegigen Platten­
2,50 m am Stützenknoten bis auf 2,00 m an balkenquerschnitt ist in [Strauß/Hensel,
der Unterkante des Überbaus. Im unteren 2001] dargestellt. Die in Brückenachse ge-
Pfeilerschaft wird die Form der Gabeläste messene Stützweite beträgt bei einer Kon-
durch eine 200 mm tiefe Nut optisch weiter­ struktionshöhe von 1,00 m in Feldmitte
geführt. Die Gabeläste sind sowohl biege­ und ca. 2,00 m (i. M.) an den Rahmenecken
steif am Überbau als auch am Pfeilerschaft 40,60 m, so dass sich Schlankheiten von
angeschlossen. Mit ihren kühnen Y-Pfei- l/d = 41 im Feld und ca. 20 am Anschnitt zu
lern ist die Talbrücke Zahme Gera sowohl den Rahmenstielen ergeben.
ingenieurtechnisch als auch ästhetisch eine Im Zuge der Ortsumfahrung Erfurt
der anspruchsvollsten Brücken im Zuge der wurde über die L 1055 (Leipziger Straße)
Thüringer Waldautobahn A 71/A 73. ein Einfeldbauwerk in der Form eines vor-
Bei schiefen, vorgespannten Rahmen- gespannten Zweigelenk­rahmens mit leicht
brücken treten mit zunehmender Schiefe gevoutetem Überbau errichtet (Bild
Schnittgrößen infolge Einwirkungen aus 5.3.1‑12). Bedingt durch diese Variante
Zwang auf, da sich Riegel und Stiele unter- konnte die Lage der Gradiente niedrig ge-

Bild 5.3.1-12   Schiefer Zweigelenkrahmen im Zuge der Ortsumgehung Erfurt über die L 1055
Gussasphalt  Deckschicht
Gussasphalt  Schutzschicht
Bitumenschweißbahn (einlagig)
Grundierung
5.3 Rahmenbrücken

Bild 5.3.1-13   Brücke im Zuge der Ortsumgehung Erfurt über die L 1055 – Querschnitt nach [Stritzke, 2002], S. 27
357
358 5 Haupttragwerke der Überbauten

riegels in Verbindung mit den schräg gegen


die Böschung geneigten Rahmenstielen be-
stimmt den Gesamteindruck der Brücke.
Der Überbauquerschnitt (Bild 5.3.1‑13)
läuft hinter den Rahmenecken bis zum Bö-
schungsansatz bzw. Endquerträger weiter.
Zwischen Rahmenstiel und Überbau-Plat-
tenstreifen ist jeweils eine Zugscheibe mit
einer Dicke von 80 cm angeordnet, die die
Steifigkeit der Rahmenstiele sichert.
Zwischen den Rahmenstielen und den
Fundamenten mussten Linienkipplager
ausgebildet werden. Diese Rahmengelenke
liegen so tief, dass sie im Endzustand
nicht mehr zugänglich sind. Daher musste
eine wartungsfreie Lösung in der Form von
unbewehrten Betongelenken zur Ausfüh-
b rung kommen. Zwischen den Stielen wur-
den im Überbau Querträger ausgebildet.
Bild 5.3.2-1a, b   Eisenbahnbrücke über die
Diese Querträger laufen nach unten in
Praterhauptallee in Wien
Blendscheiben aus, die den Zwischenraum
zwischen den Stützen gegen die Hinterfül-
halten werden. Gleichzeitig wirkt der Über- lung abdecken. Die Scheiben sind mittig
bau durch die Konstruktionshöhe von durch eine Raumfuge geteilt, damit der
1,00 m in der Brückenmitte sehr schlank. Rahmenstiel in Querrichtung nicht zu steif
Durch die Vorspannung werden positive wird.
Eckmomente erzeugt, so dass eine Anvou-
tung der Rahmenecken wie beim Stahlbe- 5.3.2 Rahmenbrücken aus Stahl
tonrahmen hier nicht unbedingt erforder-
lich ist und auf ein gestalterisch gewünsch- Günter Ramberger
tes Maß reduziert werden konnte. Die und Francesco Aigner
Stützweite des 71,65 gon schiefen Trag-
werks beträgt 28,81 m bei einer lichten Stählerne Rahmenbrücken gehören zu den
Weite von 26,00 m zwischen den Widerla- eher selten angewandten Brückenformen.
gern. Die sehr flach gezogene abgestufte Bei Rahmenbrücken werden vertikale oder
Ausrundung der Unterseite des Rahmen- schräge Stiele biegesteif in den Brücken­
5.3 Rahmenbrücken 359

95,4 68,8 83,6 107,0


0,75%

Bild 5.3.2-2   Großherzogin-Charlotte-Brücke

balken eingespannt und damit gegenüber


einer Balkenbrücke die Biegemomente ver-
ringert. Dafür erhalten jedoch die Stiele
nicht nur Normalkraft, sondern auch Biege­
momente und deren Lager nicht nur Kräfte
in Achsrichtung der Stiele, sondern auch
quer dazu. Dem statischen Vorteil der Ver-
ringerung der Biegemomente steht der
Nachteil, vor allem bei schrägen Stielen,
entgegen, dass diese für die Montage unter-
stützt werden müssen und dass Stiele und
Balken so verbunden werden müssen, dass
sie Biegemomente und Querkräfte (Rah-
menecke) einwandfrei übertragen können.
Ausgeführte Beispiele findet man vor
allem im Eisenbahnbrückenbau über
Straßen mit beidseitigen Gehwegen, wo die
Stiele jeweils zwischen Fahrbahn und Geh-
weg angeordnet sind, siehe Bild 5.3.2-1. Da
die Stahlstützen leicht beschädigt werden
können, sind sie gegen Anprall von Straßen-
fahrzeugen wirksam zu schützen. Ein be-
kanntes Bei­spiel für eine große Rahmenbrü-
cke mit einer Stützweite von 234 m ist die
„Groß­herzogin-Charlotte-Brücke“ über die
Alzette in ­Luxemburg (Bild 5.3.2-2 und Bild
5.3.2-3).

Bild 5.3.2-3   Großherzogin-Charlotte-Brücke
– Montageübersicht [Jacobi, 1969]
360 5 Haupttragwerke der Überbauten

5.3.3 Rahmenbrücken als Verbund- Einspannung der Längsträger in die Wider­


und Mischkonstruktionen lager Bauwerksfugen und Lager, die im All-
gemeinen zusätzliche Unterhaltungs­kosten
Ulrike Kuhlmann verursachen. Die leicht gevouteten drei
und Annette Detzel Verbundträger sind in die Flügel- und Mit-
telwände der Widerlager, die im Grundriss
In jüngerer Zeit sind eine Reihe von Rah- ein E bilden, eingespannt. Zwei Pfähle im
menbrücken als Verbundkonstruktionen Abstand von 4,0 m unter jeder Widerlager-
gerade bei Überführungen von anderen wand nehmen das Rahmeneckmoment
Verkehrswegen ausgeführt worden. auf. In horizontaler Richtung ist die Grün-
Ein Beispiel für ein solches Tragwerk ist dung im oberflächennahen Bereich relativ
die Brücke über den Storkower Kanal bei weich. Dies bewirkt, dass Längenände-
Blossin [Fischer et al., 1999] in Branden- rungen aus Temperatur, Kriechen und
burg. Um die Anrampungen nicht zu hoch Schwinden über Horizontalbewegungen
aus der flachen Landschaft herausragen zu abgebaut werden können, ohne Zwän-
lassen, bestand der Wunsch nach einer gungen hervorzurufen.
möglichst niedrigen Bauhöhe. Mit nur Für die Bemessung der Verbundbrücke
66 cm Konstruktionshöhe in der Mitte des sind zwei Grenzfälle maßgebend:
über 23,4 m weit spannenden Felds konnte
1. Geringe horizontale Steifigkeit des Bau-
das vorgegebene Lichtraumprofil von 4,0 m
grunds zur Ermittlung des maximalen
Höhe als Höhendifferenz zwischen Gra­
Feldmoments
dientenhochpunkt und dem umliegenden
2. Hohe horizontale Steifigkeit des Bau-
Gelände eingehalten werden, siehe Bild
grunds zur Bestimmung der maximalen
5.3.3-1. In diesem Spannweitenbereich wä-
Einspannmomente in den Rahmen­
ren Stahlbetonlösungen sicher üblicher
ecken.
gewesen. Neben dem Vorteil der guten
Montierbarkeit der Stahlträger über dem Die Einspannung des Stahlträgers am Wi-
Kanal konnte durch die geringe Eigenlast derlager erfolgt mit durch die Kopfplatte
des Verbundüberbaus die Bauhöhe noch geführten Spannstäben (siehe Bild 5.3.3-2).
weiter reduziert werden. Schließlich ver- Auch bei einer weiteren Rahmenver-
meidet die Rahmenkonstruktion mit der bundbrücke, der Überführung der Staats-

Bild 5.3.3-1   Rahmenbrücke über den Storkower Kanal, Längsschnitt


5.3 Rahmenbrücken 361

Ein ausgefallenes Trapezrahmentrag-


werk mit ungewöhnlichem Materialeinsatz
findet sich in der Schweiz bei Furna [Infor-
mationsdienst Holz, 1999]. Die Ronatobel-
brücke ist ein Sprengwerk mit vier Feldern
(siehe Bild 5.3.3-3). Die Schrägstreben und
die Pendelstütze bestehen aus 2 BS-Holz-
Gurten mit Stahlrohrausfachung.
Die Fahrbahnträger aus BS-Holz sind als
Doppelträger unter der Betonplatte ange-
ordnet. Der Verbund wird mit Hilfe von
Stahlblechen hergestellt. Die Bleche sind in
Bild 5.3.3-2   Einspannung der Verbundträger Dreiergruppen in die Holzträger eingelas-
im Widerlager (Quelle Leonhardt, Andrä und sen und verdübelt. Die in die Fahrbahn ra-
Partner) genden Schwerter haben Bohrungen, durch
die Bewehrungsstäbe geschoben werden.
straße Perlach-Unterhaching über die Bun- So wird eine Verdübelung mit dem Beton
desautobahn A8 südlich von München hergestellt (siehe Bild 5.3.3-4). Im Endzu-
[Doss et al., 2001] war der Vorteil der gerin- stand sorgt die Platte als Scheibe für die
gen Überbauhöhe der Grund, ein Rahmen- Abtragung der horizontalen Kräfte zu den
tragwerk auszuführen. Der Brückenträger Auflagern hin. Die überstehende Beton-
wurde als Verbundfertigteil einschließlich platte bietet zudem einen guten konstruk-
Betonfahrbahn auf die Baustelle angelie- tiven Holzschutz für das Holztragwerk.
fert, so dass der Baustellenablauf verein- Ein weiteres Sprengwerk in Holz-Beton-
facht wurde und sich eine Bauzeit von nur verbundbauweise wurde 1996 in der
drei Monaten ergab. Im Abschnitt 9.3.2.3 Schweiz bei Sufers errichtet [Informations-
findet sich eine genaue Beschreibung der dienst Holz, 1999]. Die Crestawaldbrücke
Brücke. Weiter Hinweise zu ausgeführten besteht aus 4 Rahmenträgern, die mit der
Rahmentragwerken einschließlich einiger Fahrbahn einen Verbundquerschnitt bil-
Entwurfs- und Konstruktionsgrundsätze den. Verbindungsmittel sind hierbei auf
enthält [Braun et al., 2006]. Stahlplatten aufgeschweißte Kopfbolzen­

Bild 5.3.3-3   Ronatobelbrücke Längsschnitt


362 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.3.3-4   Ronatobelbrücke, Verdübelungs-


detail

Bild 5.3.3-5   Crestawaldbrücke, Verdü-


belungsdetail

dübel (Bild 5.3.3-5). Die Stahlplatten werden 5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken
mit Holzschrauben an den Holzträgern be-
festigt. Die Übertragung der Schubkraft 5.4.1 Steinbrücken
erfolgt über eine angeschweißte Knagge,
die in das Holz eingelassen ist. Die schlan- Jürgen Stritzke
ken Rahmenträger sind in regelmäßigen
Abständen über Querträger biegesteif ver-
5.4.1.1 Beurteilung von Steinbrücken
bunden und somit bereits im Bauzustand
gegen Kippen stabilisiert. Im Endzustand
Steinerne Gewölbe- und Bogenbrücken ge-
wirkt die Fahrbahnplatte als horizontale
hören zu den ältesten Tragsystemen zur
Scheibe, über die die Wind- und Stabilisie-
Überbrückung größerer Spannweiten. Aus
rungskräfte zu den Auflagern abgetragen
Kostengründen werden derartige Brücken
werden. Durch die Auskragung dient sie
heutzutage nicht mehr gebaut. Wenn man
zudem als konstruktiver Holzschutz für
aber bedenkt, dass Gewölbebrücken mit
die Holzkonstruktion. Die Rahmenstiele
einer Anzahl von etwa 32% und einer
wurden zusätzlich durch eine Kupferab­
Brücken­nutzfläche von 19% einen erheb-
deckung vor direktem Wasserzutritt ge-
lichen Anteil des Bestands an Straßenbrü-
schützt.
cken der neuen Bundesländer ausmachen,
Diese beiden Beispiele zeigen, dass der
wird deren Bedeutung unter dem Gesichts-
richtige Materialeinsatz bei Mischkon-
punkt der Instandhaltung deutlich. In [Der
struktionen zu ästhetisch anspruchsvollen,
Bundesminister für Verkehr, 1988] und
konstruktiv sinnvollen Lösungen führt. So
[Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
können viele Probleme, wie hier z. B. der
Wohnungswesen, 1999] werden 218 Stein-
Holzschutz und die horizontale Stabilität,
brücken Deutschlands in hervorragender
auf effiziente Weise gelöst werden.
Weise vorgestellt.
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 363

Stützweite 1

Scheitelpunkt

Bogenstich f
Kämpferpunkt Überbau Kämpferpunkt
R2 R1 R1 R2
R R
R2 R2
R3 Unterbau R3
Widerlager Widerlager
R3 R3
gelenkloser Stützlinienbogen
mehrteiliger Korbbogen

Bild 5.4.1‑1   Brückenüberbau als mehrteiliger Korbbogen nach [Vockrodt et al., 2003]

Gewölbe- und Bogenbrücken bestehen det (Bild 5.4.1‑1). Als statisches System
aus behauenen natürlichen Steinen oder kamen der statisch bestimmte Dreigelenk-
aus künstlichen Steinen, insbesondere aus bogen, der einfach statisch unbestimmte
gebrannten Ziegelsteinen, in Ausnahmefäl- Zweigelenkbogen und der dreifach statisch
len auch aus Betonsteinen. Als natürliche unbestimmte, beidseitig eingespannte Bo-
Steine kamen solche mit hoher und mittle- gen zur Anwendung. Da der Kreisbogen als
rer Druckfestigkeit zur Anwendung, so z. B. Brückentragwerk nicht frei von Biegemo-
Granit, Syenit, Quarzporphyr, Sandstein, menten ist, sind im Hinblick auf die geringe
aber auch Muschelkalk. Die Qualität und Zugfestigkeit des Mauerwerks der Stütz­
Eignung typischer Naturbausteine für Brü- weite Grenzen gesetzt.
cken wird durch den Gehalt, das Gefüge Anders verhält es sich, wenn Gewölbe
und die Anordnung der Mineralien be- oder Bogen nach der Stützlinie geformt
stimmt. Daraus resultieren die Rohdichte, sind. Die Stützlinie stellt die Verbindung
Dauerhaftigkeit, die Druckfestigkeit und der Durchstoßpunkte der zu einer Resultie-
die Bearbeitbarkeit als die bautechnisch renden zusammengefassten Druckspan-
wichtigsten Merkmale. Hierbei hat nicht nungen der einzelnen Querschnitte dar.
die Druckfestigkeit des Gesteins allein, son- Greift die Resultierende innerhalb der
dern der Mauerwerksverband für die Trag- 1. Kernweite an, ist der gesamte Querschnitt
sicherheit und Dauerhaftigkeit die ent- überdrückt. Nimmt die Ausmittigkeit e der
scheidende Bedeutung. Druckkraft N zu, kommt es zu einem Ver-
In [DIN 1075, 1981] erfolgte die Tren- sagen der Zugzone und der Querschnitt
nung der Bauarten Gewölbe- und Bogen- reißt auf. Das Klaffen der Fuge ist begrenzt.
brücken nach dem Verhältnis der Pfeil­ [Brendel, 1950] hat Angaben zu Grenz-
höhe f zur Stützweite l. Ist das Verhältnis­ spannweiten von Brücken mit Stützlinien-
f/l < 1/3, handelt es sich um eine Bogen­ form gemacht, die sich durch eine geschlos-
brücke, bei f/l > 1/3 um eine Gewölbebrü- sene mathematische Lösung auszeichnen.
cke. Nach [Busch, 1995] gelten die Verhält- Die Anwendung des Stützlinienverfahrens
nisse f/l = 0,06 bzw. 0,29 als Grenzwerte für ist auf Gewölbe und Bogen mit einer
flache bzw. hohe Bogen. Stützweite von l ≤ 25 m und einem Pfeil-
Die Formgebung der Gewölbe- und verhältnis f/l ≥ 1/7 begrenzt. Bogen mit
Bogen­brücken war maßgeblich von ihrem Stützweiten von l > 25 m oder flachere sta-
Tragverhalten bestimmt. Die Bogen­brücken tisch unbestimmte Bogen sind nach der
wurden entweder als Kreisbogen oder als Elastizitätstheorie zu berechnen. Bezüglich
aus mehreren Kreisbogen zusammenge- einer wirklichkeitsnahen, rechnerischen
setzten, mehrteiligen Korbbogen ausgebil- Tragfähigkeitsanalyse sei auf [Lachmann,
364 5 Haupttragwerke der Überbauten

1990], [Bechert, 1996], [Falter, 1999] und bebrücken nachgewiesen oder notwendige
[Vockrodt et al., 2003] verwiesen. Insbe- Instandsetzungsmaßnahmen ermittelt wer-
sondere enthält [Vockrodt et al., 2003] den, ohne das Bauwerk gleich dem Abbruch
grundlegende Darstellungen der rechneri- preiszugeben. In [Mildner, 1997], [Mildner,
schen Nachweisführung auf der Grundlage 2001], [Mildner/Mildner, 2002] sind Bei-
des derzeit geltenden Vorschriftenwerks. spiele dieser Vorgehensweise dargestellt.
Unter den außer Kraft gesetzten Vor- Bei unsicheren Annahmen für die Ein-
schriften der DDR gab es spezielle Vor- gangsgrößen in die Berechnung lassen sich
schriften zur Nachrechnung bestehender häufig mit geringem experimentellen Auf-
Brücken ([Sw 120, 1973], [TGL 12999, wand Systemeigenschaften (Steifigkeiten,
1977] , [SBA 169/89, 1989] und [Deutsche Einspanngrad usw.) ermitteln und in den
Reichsbahn, 1991]). Anfang der 90er Jahre rechnerischen Nachweis einbauen (Hybrid-
erschienen Richtlinien für Lasteinstufungs- statik).
berechnungen von Straßenbrücken ([Der In Ergänzung eines rechnerischen
Bundesminister für Verkehr, 1991], [Der Standsicherheitsnachweises dürfen nach
Bundesminister für Verkehr, 1992]) und der [DAfStb-Richtlinie, 2000] auch Belas-
Kataloge für Instandsetzungslösungen be- tungsversuche durchgeführt werden. Das ist
stimmter Typen von Straßenbrücken ([Der u. a. dann sinnvoll, wenn keine ausreichen-
Bundesminister für Verkehr, 1993]), die den Informationen über die Eigenschaften
zwar speziell für die neuen Bundesländer der Baustoffe, über Lage und Form der
herausgegeben wurden, jedoch allgemein ­Bewehrung und über die Genauigkeit der
anwendbar sind. Für die Bewertung der ­Modellierung (z. B. Einspanngrad, Ver-
Tragsicherheit bestehender Eisenbahnbrü- bundwirkung) vorliegen. Grundlagen und
cken gelten die [Rili 805, 2002] und der Erfahrungen zur Methode der Experimen-
[UIC-Kodex Nr. 778-3, 1995]. tellen Tragsicherheitsbewertung von
Zur Tragsicherheitsbewertung beste- Brücken wurden im Rahmen des For-
hender Massivbrücken werden auch expe- schungsprojekts EXTRA ([Steffens et al.,
rimentelle Untersuchungen einbezogen. 1999], [Opitz/Steffens, 2000]) erarbeitet.
Außer den üblichen Bestimmungen bau- Für die Belastung der Brücken können z. B.
stofflicher und geometrischer Kennwerte Schwerlastfahrzeuge eingesetzt werden.
durch Prüfungen an Probekörpern, die Für Straßenbrücken wurde ein spezielles
dem Bauwerk entnommen werden, oder Belastungsfahrzeug BELFA entwickelt und
durch zerstörungsfreie Prüfungen am Bau- gebaut, das bis zu Spannweiten von 18 m
werk selbst, werden noch folgende Verfah- angewendet werden kann. Wenn es positi-
ren angewendet: oniert und aufgebaut ist, erzeugen bis zu
Bauwerksmessungen unter Verkehrsbe- 5 Hydraulikzylinder die regelbare externe
lastung vor und nach Instandsetzungen zur Versuchslast entsprechend dem vorge-
Kontrolle der rechnerischen Untersuchun- schriebenen Lastschema ([Gutermann/
gen. Damit kann geprüft werden, wie genau Steffens, 2002]). Ein analoges Fahrzeug
die angenommene Tragwerksmodellierung BELFA-DB wurde auch für Eisenbahnbrü-
die Wirklichkeit widerspiegelt, da die Mit- cken erprobt. Alle erforderlichen Messda-
wirkung der Stirnwände, der Aufschüttung, ten (Durchbiegungen, Verzerrungen,
Einspannung in den Widerlagern, Riss­ Krümmungen, Schallemissionssignale
bildungen usw. unbekannte Einflussgrößen usw.) können online am Bildschirm ver-
darstellen. Mit Hilfe des messwertgestütz- folgt werden. Durch Einhaltung vorgegebe-
ten Nachrechnens kann in vielen Fällen ner Kriterien muss eine Schädigung des
eine ausreichende Tragfähigkeit der Gewöl- Bauwerks verhindert werden.
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 365

Bild 5.4.1‑2   
Saalebrücke Bad Kösen

5.4.1.2 Instandsetzung und Ertüchtigung umfangreiche Instandsetzung des Bau-


von Gewölbe- und Bogenbrücken werks dringend erforderlich.
Die lichten Weiten zwischen den Pfei-
Die Instandsetzung und Ertüchtigung be- lern des Bauwerks betragen 24,5 m + 27,0 m
stehender Brücken ist i. d. R. mit einer An- + 27,0 m + 24,5 m. Die Randpfeiler haben
passung an neue funktionale Anforderun- eine Breite von 5,0 m, der Mittelpfeiler und
gen verbunden. Im Folgenden werden nur die Widerlager haben eine Breite von je-
Maßnahmen behandelt, die den Überbau weils 8,0 m. Damit ergibt sich die Gesamt-
betreffen. Umfassende Darstellungen der länge der Brücke zu 137,0 m. Die aus gelben
Ertüchtigung von Pfeilern, Widerlagern Klinkersteinen gemauerten Bogen weisen
und Gründungen sowie der Instandsetzung zwischen Scheitel und Kämpfer unter-
von Dichtungen, Gesimsen usw. findet schiedliche Dicken auf. Die Gewölbedicke
man z. B. in [Vockrodt et al., 2003] und ist den statischen Erfordernissen angepasst:
[Nodoushani, 1996]. 1,16 m/1,29 m/1,45 m. Die 1 m breiten Sei-
Die einfachste Variante der Instandset- tenansichten der Bogen bestehen aus groß-
zung des Überbaus einer Gewölbe- und formatigem Muschelkalk und gelbem
Bogenbrücke ist der Austausch der Auffül- Sandsteinmauerwerk. Der Bogenstich in
lung, die aus bindigen Schottermaterialien, den Randfeldern beträgt 2,75 m, in den
Kiessand oder anderen Erdstoffen bestehen Innen­feldern 3,15 m. Das Gewölbe hat eine
kann. Der Ersatz durch Leichtbeton führt Gesamtbreite von 11,0 m.
zu einer besseren Verteilung der Verkehrs- Im Zuge der Erneuerung der Bauwerks-
lasten, reduziert den Horizontaldruck auf abdichtung wurden die vorhandenen Bo-
die Stirnwände und ermöglicht den ord- genauffüllungen ausgebaut und durch ei-
nungsgemäßen Einbau einer Fahrbahn- nen in sich standfesten, bewehrten Stahl-
dichtung. leichtbeton ersetzt (Bild 5.4.1‑3). Damit
Die unter Denkmalschutz stehende konnte eine weitgehend gleichmäßige Be-
Saalebrücke Bad Kösen (Bild 5.4.1‑2) im lastung des Klinkermauerwerks über die
Zuge der B87 war 1892/93 als Gewölbe­ Gewölbebreite erreicht werden. Querzug-
brücke mit 4 Bogen errichtet worden. Zur beanspruchungen im Gewölbe, die von
Erhaltung der Standsicherheit, der Ge- Mauerwerk nur in sehr geringer Größe auf-
brauchstauglichkeit, der Dauerhaftigkeit nehmbar sind, werden auf ein Minimum
und somit zur Erhaltung ihrer wichtigen reduziert. Des Weiteren treten keine Hori-
Funktion im Bundesstraßennetz war eine zontalbelastungen des Stirnmauerwerks
40 10,75 40 366

Granit-Platten 3,5 cm Gussasphalt-Deckschicht


Mörtelbett 3,5 cm Gussasphalt-Schutzschicht
Schutzbeton Abdichtung gem. ZTV-BEL-B 1/87
Einkornbeton Stahlleichtbeton (LB 25)
Granit-Hochbord

25 Det. III 25
2% 2,5 % 2,5 % 2%

Schutzrohre für
mgl. Ver- bzw.
Entsorger
1PE-HD ∅ 300
5PE-HD ∅ 100
Instandsetzung des Mauerweks
• Reinigung Sandstein
Klinkergewölbe • Ausräumen schadhafter Fugen
• Neuverfugung
• lokaler Steinaustausch
• kraftschlüssiges Verpressen von
Rissen

Sandstein

Bild 5.4.1‑3   Saalebrücke Bad Kösen – Schnitt durch den Scheitelbereich


5 Haupttragwerke der Überbauten
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 367

mehr auf. Durch den Einsatz von Leicht­


beton konnte eine Erhöhung der ständigen
Lasten vermieden und die Ertüchtigung
der Tragfähigkeit von Brückenklasse 24/24
auf 60/30 erzielt werden. Eine Verbreite-
rung der Brücke war nicht erforderlich.
Es erfolgte eine grundhafte Instandset-
zung aller Naturstein- und Mauerwerks­
flächen, der Austausch stark geschädigter
Steinsubstanz und eine Erhöhung der
Dauerhaftigkeit der Sandsteine durch Stein-
verfestigung. Die Abdichtung wurde kom-
plett als hochliegende Dichtung erneuert.
Neben der Ertüchtigung einer Gewölbe-
oder Bogenbrücke kann eine gleichzeitige
Vergrößerung der Verkehrsraumbreite mit-
tels einer auf dem vorhandenen Überbau
aufgesetzten Stahlbetonfahrbahnplatte mit
entsprechenden Auskragungen erforder-
lich werden.
Die Friedensbrücke in Plauen/Vgtl., bes-
ser bekannt unter dem Namen Syratal­
brücke (Bild 5.4.1‑4), wurde in den Jahren
1903 bis 1905 im Zuge einer Ortsumgehung Bild 5.4.1‑4   Friedensbrücke Plauen/Vgtl.
erbaut und ist mit 90 m Bogenstützweite die
größte Natursteinbogenbrücke der Erde. In den vergangenen Jahren wurde die
Der flache Bogen hat im Scheitel eine lichte Brücke einer umfassenden Prüfung und
Höhe von 18,0 m. Die Konstruktionsdicke Instandsetzung unterzogen. Am Bogen
des Bogens beträgt im Scheitel 1,5 m und im selbst wurden über 6 Querschnitte verteilt
Kämpferbereich 4,0 m. Der Bogen selbst be- Verzerrungen, Durchbiegungen und ver-
steht aus 60% ortsnahem dickplattigem gleichsweise Schwingungen gemessen. An
Phyllit und 40% Mörtel. Bereits mit dem ausgewählten Fugen und Rissen wurden
Absenken des Lehrgerüsts stellten sich er- zusätzlich Verschiebungen ermittelt. Die
hebliche Scheitelsenkungen ein, die bis 1977 Bauwerksprüfung und die Probebelastung
auf 440 mm anstiegen. Die durchschnitt- erfolgte im September 1996. Zum Einsatz
liche Scheitelsenkung beträgt noch heute kamen drei Vierachs-LKW mit einer Ge-
rund 2 mm pro Jahr. Im Laufe der Jahr- samtmasse von 100 t. Durch die Fülle der
zehnte erfolgten ständig Ursachenforschung gewonnenen Daten in den einzelnen Last-
und Teilinstandsetzungen mit dem Ziel des stellungen war eine gute Auswertung mög-
Unterbindens der Senkungen. Maßnahmen lich. In Einbeziehung der gewonnenen
wie Zementverpressung, Teilerneuerung Baustoffkennwerte und der Daten aus der
der Brückenabdichtung und Einschneiden Probebelastung konnte die Brückenklasse
von Fugen zur definierten Kraftabtragung 60/30 nachgewiesen werden. Weiterhin
erwiderte die Brücke mit einer kurzzeitigen zeigte sich, dass die Eigenlast während der
Erhöhung der Scheitelsenkung mit an- Bauphase nicht einseitig reduziert werden
schließender Beruhigung auf die durch- konnte. Die sich einstellenden Spannungs-
schnittlichen Werte pro Jahr. umlagerungen hätten zu zusätzlichen
368 5 Haupttragwerke der Überbauten

Scheitelsenkungen geführt. Eine halbseiti- von Bohrpfahlwand zu Bohrpfahlwand


ge Bauweise konnte aus dieser Sicht nicht über das Bauwerk selbst eine 250 mm dicke
die Vorzugsvariante sein. Stahlbetonplatte vollflächig aufgelegt. Di-
Die wesentlichste Erkenntnis aus der rekt über dem Bogen liegt diese Platte auf
Brückenhauptprüfung war, dass es keine dem neu eingebrachten Leichtbeton auf.
durchgängig funktionierende Brückenent- Eine vielfach praktizierte Möglichkeit
wässerung gab. Im Laufe der Jahrzehnte wa- der Ertüchtigung von Gewölbe- und Bo-
ren durch Fahrbahndeckenerneuerungen genbrücken besteht in der Verstärkung des
Brückenabläufe verschwunden. Innerhalb gemauerten Gewölbes bzw. Bogens mit
des Bauwerks konnten die Entwässerungs- Beton. Das kann durch bewehrten Auf­
anlagen in Ermangelung an Material nicht beton erfolgen, wie z. B. bei der Erfurter
ordnungsgemäß erhalten werden. Of­fen­ Roß­brücke ([Baumbach/Vockrodt, 2000,
sichtlich war die Bauwerksabdichtung seit S. 42–46], [Vockrodt et al., 2003, S. 264–
1905 zu keiner Zeit voll funktionstüchtig. 265]) oder durch eine bewehrte Spritzbe-
Beidseitig der Brücke wurde zwischen den tonschale auf der Unterseite des Überbaus
Flügeln eine überschnittene Bohrpfahlwand ([Ruffert, 1983, S. 218–219]). Damit ent-
mit einer vorgelagerten Drainagewand an- steht ein Verbundquerschnitt, der als sol-
geordnet. Talwärts strebendes Wasser soll so cher nachzuweisen ist. Voraussetzung ist
vor dem Bauwerk abgeleitet werden. eine entsprechende Verdübelung zwischen
Der erste Teil der Instandsetzung war dem gemauerten Gewölbe bzw. Bogen
geprägt durch die Stahlbetonarbeiten, Bau- und der Verstärkung, um die auftretenden
werksabdichtung, Bauwerksentwässerung Schubkräfte aufnehmen zu können. Besteht
und Geländerbau. Der zweite Teil der In- zwischen dem so verstärkten Gewölbe bzw.
standsetzung der Friedensbrücke wurde Bogen keine Trennung von der weiteren
2002 ausgeführt. Dieser beinhaltete die Betonauffüllung, z. B. durch einen Bitu-
Mauerwerksinstandsetzung im Bereich des menanstrich, entsteht nach [Stein, 2001]
Bogens, der Stirnwände und der Sparge- sogar ein Verbundtragwerk in der Form
wölbe. Im 2. Weltkrieg wurde die Brücke eines Gewölberahmens.
von 5 Bomben getroffen. Infolgedessen war Eine Erweiterung einer Brücke kann
der Querschnitt im Bogenscheitel bis zu auch durch Anordnung eines Erweite-
zwei Drittel geschwächt worden. Die heute rungsbauwerks neben der vorhandenen
noch sichtbare Stelle der Bombentrefferre- erfolgen. Hierfür kann die Krämpfertor-
paratur sollte nicht mit Spritzbeton an den brücke in Erfurt ([Vockrodt, 2000], [Baum-
restlichen Bogen angepasst werden. Diese bach/Vockrodt, 2000, S. 31–35], [Vockrodt
Betonplombe wurde gemäß [ZTV-SIB 90, et al., 2003, S. 260–264]) als ein gelungenes
1990] hergerichtet und bleibt im ordentli- Beispiel angesehen werden.
chen Zustand sichtbar. Der aus Bruchstei- Eine ganz andere Vorgehensweise wurde
nen hergestellte Bogen hatte ursprünglich bei der Ertüchtigung des unter Denkmal-
über seine gesamte Länge ein aus Mörtel schutz stehenden, rd. 570 m langen Wahre-
bestehendes angedeutetes Quadermauer- ner Viadukts ([Patzschke, 1996]) im Zuge
werk. Dieses Element wurde am Bogen und des Leipziger Güterringes gewählt. Das
den Spargewölben wieder aufgebracht. Bauwerk war in den Jahren 1904 bis 1907
Auf dem 16 m breiten Bogen konnten aus für die Leipziger Ingenieurbauwerke
durch die Ausbildung einer geringen Aus- der Eisenbahn dieser Zeit typischen gelben
kragung eine 11 m breite Fahrbahn und Klinkern errichtet worden. Die Druckfes-
zwei 3 m breite Gehwege angeordnet wer- tigkeit der Verblendklinker liegt zwischen
den (Bild 5.4.1‑5). Zu diesem Zweck wurde 40 und 50 MN/m². Für die Hinter­mauerung
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken

Bild 5.4.1‑5   Friedensbrücke Plauen/Vgtl. – Querschnitt im Bogenscheitel


369
370 5 Haupttragwerke der Überbauten

Schnitt +166,84 führt. Die lichten Weiten der Gewölbe be-


tragen 13 bis 22 m und die Kreuzungswin-
7,00
kel der unterführten Bundesstraße B6 und
1,18
0,32
der Weißen Elster bis zu 20 Grad. Betrieb-
0,32 0,15 liche Belange, beträchtliche Schäden an der
Abdichtung und in bestimmten Bereichen
1,68 4,64 1,68 über viele Jahre beobachtete, örtlich ver-
Sparbeton größerte Risse und Ausbrüche machten
eine grundlegende Instandsetzung erfor-
8,00 derlich. Bei der Ausbildung der Fahrbahn-
wanne waren einerseits die Forderungen
Bild 5.4.1‑6   Querschnitt eines Bogens des
des Denkmalschutzes nach Erhaltung des
Wahrener Viadukts vor der Instandsetzung nach Gesimsbandes und andererseits die der
[Patschke, 1996] [Rili 804, 2003] für die Fahrbahnwanne zu
erfüllen. Die Lösung zeigt Bild 5.4.1‑7.
Die eindeutige Abhängigkeit der Rissbe-
wurden rote Ziegelsteine geringer Festig- wegungen von den Temperaturverläufen
keit und Frostbeständigkeit verwendet. konnte durch eine etwa 6 Monate dauernde
Oberhalb der tragenden Bogen und zwi- systematische Beobachtung und Erfassung
schen den Stirnwänden wurde mit einem der Risse nachgewiesen werden. Rechne-
sog. Sparbeton aufgefüllt. Bild 5.4.1‑6 zeigt risch ergab sich, dass bereits eine Tempera-
die Darstellung des Querschnitts der Be- turerhöhung um 15 K zu Druckspannun-
standszeichnung. In der Ansicht stellen gen oberhalb der zulässigen führten. Insbe-
sich die gemauerten Bogen mit konstanter sondere zahlreiche Querzugrisse in den
Dicke dar, obwohl sie sich in der Auffüllung Scheitelbereichen wiesen auf außerordent-
in abschnittsweise veränderlicher Dicke lich hohe Druckspannungen hin. Nach ei-
vom Kämpfer her abnehmend fortsetzen. ner langanhaltenden Hitzeperiode mit rela-
Auf diese Weise entstand eine Verzahnung tiv hohen Nachttemperaturen erfolgte ein
zwischen Auffüllung und Mauerwerk, die regelrechtes Aufbrechen des Gewölbes im
zu einer für Druck- und Zugkräfte unter- Scheitelbereich des Bogens 15, und aus dem
schiedlichen Mitwirkung der Auffüllung bisherigen Stützliniengewölbe stellte sich

1330 2200 2000 2000 2200


= Bahnachse
Bauwerks-
Gleisachse

Gleisachse
achse 1

1100
380 520

650
700
935

1580

710
60

1:30 1:30
380
225
200

350
OK vorh. Gesims
200

= Abbruchfuge Rinnenhochpunkt

1568 3962 4007 1523

Bild 5.4.1‑7   Normalquerschnitt eines Bogens des Wahrener Viadukts nach der Instandsetzung
nach [Patschke, 1996]
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 371

das statische System eines Dreigelenk­ gen wurden die Bogenhälften spannungs-
bogens ein. Zur Entlastung der Bogenrei- los auf einem aus jeweils 4 Ortbetonschei-
hen von den Zwangbeanspruchungen in- ben und einer Stahlträgerlage bestehenden
folge Temperatur wurden deshalb elastische Traggerüst aufgelagert. Vor dem Einbau
nachstellbare Scheitelgelenke in ausgewähl- der Lager wurden zur Lastausbreitung
ten Bogen eingebaut (Bild 5.4.1‑8). Damit stark bewehrte Stahlbetonauflagerbänke
konnten die Zwangbeanspruchungen in hergestellt, die in dem anstehenden, ver-
den ungünstigsten Bogenscheiteln um zahnten Mauerwerk der Gewölbe und dem
25–30% abgebaut werden. Da der entlas­ darüber vorhandenen Sparbeton mit sehr
tende Einfluss dieser elastischen Gelenke in wechselnder Festigkeit tief verankert wur-
den Bogen 6 und 15 in Richtung zu den den. Nach dem Einbau der Lager wurden
Brückenenden hin stark abgebaut wurde, die Bogen durch ein stufenweises Aufbrin-
entschloss man sich auch in dem zunächst gen von Vorspannkräften in der Größe von
nicht betroffenen Bogen 24 ein weiteres 50 kN/Lager freigesetzt. Die Anfangskräfte
elas­tisches Gelenk einzubauen. Somit ent- wurden temperaturabhängig für den Zu-
stand eine Aufteilung der Gewölbereihe in stand ohne Schotter- und Verkehrslast am
4 Abschnitte. statischen Grundmodell berechnet. Sie be-
Als elastische Gelenke wurden speziell trugen für eine Temperatur von 20 °C, z. B.
entwickelte Elastomerlager (Bild 5.4.1‑9) für den Bogen 15, rund 250 kN. Die Kräfte
für eine Längskraft von 1,25 MN/Lager sind so bemessen, dass das elastische
eingebaut. Neben den Normalkräften müs- System bis etwa 0 °C funktioniert. Für
sen auch Querkräfte übertragen werden tiefere Temperaturen wird die Trag­wirkung
können, um gegenseitige Verschiebungen als Stützliniengewölbe vorausgesetzt. Die
und Verdrehungen der Bogenschnittufer konstruktive Ausbildung der Gewölbe-
aus ungleicher Belastung der Bogenab- schlitzung fügt sich harmonisch in die Ge-
schnitte oder möglicher Bogenzwängungen samtansicht ein.
auszuschließen. Zu diesem Zweck wurden Der Weiterbau der in den 30er Jahren
an den Außenseiten zwei stählerne Lager begonnenen Autobahn A72 und ihr Aus-
ohne Längskraftübertragung angeordnet bau für die heutigen Erfordernisse des Ver-
(Bild 5.4.1‑10). Mit dem Schlitzen der Bo- kehrs stellte eine große Herausforderung

Bild 5.4.1‑8   Anordnung elastischer Gelenke im Bogen 15 des Wahrener Viadukts nach [Patschke,
1996]
372 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.4.1‑9    Prinzipskizze des speziell für den Wahrener Viadukt entwickelten Elastomerlagers
nach [Patschke, 1996]

Stahllager ohne
Längskraftkontakt
Elastomerlager

Bild 5.4.1‑10   Lageranordnung an einem geschlitzten Bogen des Wahrener Viadukts nach [Patsch-
ke, 1996]

hinsichtlich der Integration bereits beste- und das Landschaftsbild so wenig wie mög-
hender Brückenbauwerke in das Konzept lich zu beeinträchtigen.
einer modernen Autobahn dar. Die Auto- Im Zuge der Reichsautobahn Dresden –
bahn verläuft etwa parallel zum Erzgebirge, Naila wurde 1938 mit dem Bau der Elstertal-
Elstergebirge und Fichtelgebirge, die Ur- brücke Pirk ([Cordes et al., 1993]), einer
sprung zahlreicher, in tief eingeschnittenen Steinbogenbrücke aus 12 Gewölben von je
Tälern nach Norden fließender Flüsse sind. 33,5 m lichter Weite und einem Pfeilerab-
Dadurch war der Bau mehrerer großer und stand von 38,5 m zur Überwindung des ca.
kleiner Brücken notwendig, die seinerzeit 500 m breiten Tales der Weißen Elster be-
teils nur begonnen und teils fertig gestellt gonnen, die nach ihrer Vollendung die größ-
waren, jedoch in jedem Fall verbreitert wer- te Steinbogenbrücke der Erde gewesen wäre.
den mussten. Beim Umbau der vorhande- Sie hat eine Gesamtlänge von 635 m, die
nen Steinbogenbrücken auf die heutige größte Höhe über der Talsohle beträgt 60 m.
Verkehrsbelastung war die architektonische Bei der Planung hatte man neben verkehrs-
Gestaltung der alten Bauwerke zu erhalten technischen Gesichtspunkten insbesondere
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 373

Bild 5.4.1‑11   Saalebrücke im Zuge der Autobahn A72 – Längsschnitt nach [WALTER∙BAU]

ästhetische berücksichtigt, denn es sollte ein tung werden von den Auflagerstühlen über
Brückenbauwerk entstehen, das sich in der Längsscheiben in die Gewölbe eingeleitet
Form, dem Material, der Bauart und Farbe und von diesen zu den Endbauwerken ab-
in die umgebende Landschaft harmonisch getragen. Nach Herstellung der Auflager-
einfügt. Kriegsbedingt wurden die Arbeiten stühle und der seitlichen Aufmauerung
1940 eingestellt. Hergestellt waren die Wi- nach altem Vorbild wurden die beiden
derlager, Pfeiler, die 12 Granitbogen und die Spannbetonkästen im Taktschiebever­
Aufmauerungen über den Pfeilern für die fahren hergestellt. Da für die Herstellung
Spargewölbe. Über 50 Jahre führten bei dem der Brüstung die Granitsteine nicht in den
ungeschützten Bauwerk Regen und Schnee erforderlichen Abmessungen und Menge
zu beträchtlichen Kalkaussinterungen. In- vorhanden waren, wurde hierfür eine zwei-
folge der Temperaturschwankungen war die schalige Konstruktion gewählt: Eine örtlich
Vormauerung der Pfeiler von den abschnitts- als Stützwand ausgebildete Stahlbetonfer-
weise eingebrachten Stampfbetonschichten tigteilplatte wurde mit 150 mm breiten
getrennt. Granitsteinen verblendet.
Ziel der Baumaßnahmen zur Vollen- Die Saalebrücke im Zuge der Autobahn
dung der im Zuge der heutigen Autobahn A72 ([WALTER∙BAU]) wird von drei Bo-
A72 Chemnitz – Hof wichtigen Elstertal- gen mit Pfeilerabständen von 58 m + 74 m
brücke war die Nutzung der bauhistorisch + 62 m (Bild 5.4.1‑11) gebildet. Das Bogen-
und bautechnisch vorhandenen Substanz tragwerk besteht aus gemauerten Granit-
unter Berücksichtigung der heute verkehrs- quadern unterschiedlicher Abmessungen
technischen Standards. Das Naturstein- und war weder ausreichend tragfähig noch
mauerwerk wurde unter Anwendung des breit. Als Verfüllung war Stampfbeton un-
Hochdruckwasserstrahlverfahrens gerei- terschiedlicher Festigkeit schichtenweise
nigt und anschließend neu verfugt. Risse bis UK Fahrbahn eingebracht. Die seitli-
und Hohlstellen in den Pfeiler- und Bogen- chen Wangen sowie die Stützwände im Be-
bereichen wurden mit einer Spezialzement- reich der Pfeilerkammern sind gleichfalls
suspension verpresst. aus Natursteinmauerwerk, und die Granit-
Als Tragsystem wurden 2 getrennte, steine binden in den Verfüllbeton ein. Als
asymmetrische und über die Pfeiler durch- Überbau kam deshalb je Richtungsfahr-
laufende Spannbetonkästen mit je einem bahn ein einzelliger Spannbetonkasten mit
einseitig angeordneten Kragarm von 6,61 m einer konstanten Bauhöhe von 2,5 m und
gewählt, deren vertikale Stützkräfte über in einer einseitig weit auskragenden Fahr-
den Pfeilerachsen angeordnete „Auflager- bahnplatte im Taktschiebeverfahren zur
stühle“ direkt in die Pfeiler abgetragen wer- Ausführung. Mit diesem Überbauquer-
den. Nur die Horizontalkräfte in Längsrich- schnitt können maximal 40 m überbrückt
374 5 Haupttragwerke der Überbauten

werden. Um die Bogen von der Lastabtra- während die Achsen 300 bis 600 elastische
gung auszuschließen, mussten die Unter- Stützungen darstellen, die sich entspre-
bauten im Bereich der drei großen Bogen chend den Einwirkungen verformen und
entsprechend ausgebildet werden. Sie be- zu entsprechenden Schnittgrößenumlage-
stehen aus Ortbetonstützen und Scheiben, rungen führen. Zur Verringerung der
die z. T. auf dem Bestand und z. T. auf Fels Schnittgrößen aus äußeren Lasten, insbe-
flach gegründet sind. Im Bereich der Bogen sondere in den hochbelasteten Außenste-
sind massive, in Längsrichtung vorgespann- gen, war es jedoch erforderlich, im Bereich
te Waagebalken mit Kraglängen bis 20 m der Waagebalken ein zusätzliches Lager an-
und Bauhöhen von 5 m ausgebildet. So ent- zuordnen. Zum Einbau der Waagebalken
standen in Verbindung mit den zu über- und zur Aufnahme der Spannbetonkästen
brückenden Endbauwerken Durchlaufträ- wurde der alte Verfüllbeton über den Stein-
ger über 9 Felder mit Stützweiten von 15 m bogen und zwischen den seitlichen Wan-
bis 40 m (Bild 5.4.1‑11). Die Stützung der genmauern, soweit erforderlich und sta-
Waage­balken erfolgte über Verpresspfähle, tisch möglich, entfernt.
die in den Pfeilerbeton einbinden, teilweise Der Ausführungsentwurf der Saale­
bis in die Gründung geführt wurden und brücke war so ausgelegt, dass er auch für
zudem zu einer Verbesserung des Pfeiler- den späteren Umbau der Talbrücke Pöhl
betons führten. (Bild 5.4.1‑12) und der Göltzschtalbrücke
In den Achsen 100, 200 und 700 bis 900 (Bild 5.4.1‑13) mit Anpassung an die
sind die beiden Überbauten starr gestützt, dortigen Pfeilerabstände von 45 m bzw.

Bild 5.4.1‑12   Talbrücke Pöhl – Längsschnitt nach [WALTER∙BAU]

Bild 5.4.1‑13   Göltzschtalbrücke im Zuge der Autobahn A72 – Längsschnitt nach [WALTER∙BAU]


5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 375

62 m wirtschaftlich übertragbar war werden die beiden Arbeiten von Dischinger


([WALTER∙BAU]). Auch hier wurden als [Dischinger, 1937] und [Dischinger, 1939]
Überbauten zwei getrennte, asymmetrische genannt, in welchen das Trag-, Verformungs-
Spannbetonkästen im Taktschiebeverfah- und Stabilitätsverhalten unter Einbeziehung
ren eingebaut. Bei der Talbrücke Pöhl von Schwinden und Kriechen erschöpfend
konnten durch die Wahl der Stützweiten behandelt ist. Zu Fragen der Gestaltung siehe
von 30 m über den Bogen und mit 15 m in z. B. [Leonhardt, 1982].
den Pfeilerbereichen die Auflagerscheiben
so starr ausgebildet werden (Bild 5.4.1‑12),
dass die Überbauten in allen Lagerpunkten 5.4.2.2 Bogenwirkung
auch starr gestützt sind. Das Prinzip der
Herstellung der Unterbauten mit der Grün- Die Leistungsfähigkeit von Gewölben be-
dung der Auflagerscheiben auf Verpress- ruht auf ihrer Stützlinienwirkung, d. h. auf
pfählen entspricht dem der Saalebrücke. der Fähigkeit, einen beachtlichen Teil der
In Anbetracht der Pfeilerachsabstände Lasten nur durch Normalkräfte und ohne
der Göltzschtalbrücke wurden die Stützwei- Biegung abzutragen, wodurch die Quer-
ten der Überbauten bis auf die Endbereiche schnitte besser ausgenützt werden. Bild
stets gleich zu 31 m gewählt (Bild 5.4.1‑13). 5.4.2‑1 zeigt schematisch die Funktions-
Die Auflagerscheiben in den Pfeilerberei- weise des Bogens.
chen sind konstruktiv steifer als bei der Werden die Auflagerpunkte horizontal
Saalebrücke ausgebildet. Trotzdem sind sie unverschieblich gehalten, so entstehen in-
als elastisch zu betrachten, so dass auch hier folge vertikaler Lasten horizontale Aufla-
die statischen Besonderheiten der Saale­ M0
gerkräfte H = 6 (Horizontalschub), d.h.
brücke zu berücksichtigen waren. f
das System wird Druckkräften ausgesetzt,
die mit größer werdender Spannweite L und
5.4.2 Betonbogenbrücken kleiner werdendem Stich f größer werden.
Diese Druckkräfte erzeugen einerseits
Francesco Aigner Druckspannungen im Querschnitt und
und Thomas Petraschek wirken andererseits den „Balkenmomenten“
M0 entgegen. Im Idealfall eines Stützlinien-
5.4.2.1  Allgemeines systems (System in der Form der Seil­
linie) verschwinden die Momente M0 voll-
Der Bogen ist für den auf Druck optimal ein- ständig: M0 + H · y = 0. Dies steht in Analogie
setzbaren Baustoff Beton ein prädestiniertes zum Spannbeton: Bei diesem werden durch
System. Bogenartige Konstruktionen wur- das Vordehnen von Spanngliedern in einem
den schon sehr früh und unabhängig in allen Balken Druckkräfte erzeugt, deren Abtriebs-
Teilen der Welt erfolgreich eingesetzt. Zu Be- kräfte bei entsprechender Spanngliedgeo-
ginn der Betonbauweise wurden praktisch metrie entlastende Biegemomente erzeugen.
alle Betonbrücken als Bogenbrücken gebaut: Beim Bogen entsteht durch Wirkung der
Manche tatsächlich als unbewehrte Beton- Schwerkraft bei gleichzeitiger Unterbindung
bogen, andere als „Monierbogen“, wobei des Ausweichens an den Kämpfern eine
überaus beachtliche Spannweiten erzielt Druckkraft, die wiederum bei entsprechen-
werden konnten. Zur Entwicklung der der Formgebung des Tragwerks entlastende
Bogen­brücken siehe [Pauser, 1987], S. 18−85. Biegemomente erzeugt. Im Unterschied zum
Von den vielen Veröffentlichungen über die Spannbeton ist die Gewölbewirkung sozusa-
Berechnung von massiven Bogenbrücken gen eine Systemeigenschaft (wie z. B. die
376 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.4.2-1   Seillinie, Momentenlinie und Stütz­linie

Masse), die so lange existiert, wie das System sen!) und sein günstiges Verhalten im Erd­
einschließlich seiner Lagerung existiert. Der bebenfall. Eine Bogenbrücke ist wirtschaft-
Bogen kann daher als ein ideal vorgespanntes lich konkurrenzfähig, wenn es gelingt, dem
Tragwerk betrachtet werden, das alle Vorteile Fahrbahntragwerk vergleichsweise geringe
des Spannbetons besitzt, nicht aber dessen Stützweiten zu geben und hohe Pfeiler zu ver-
Nachteile (Spannkraftverlust durch Krie- meiden, d. h. wenn man das Haupthinder­nis
chen, Möglichkeit der Schädigung oder des bzw. die Haupthindernisse durch einen oder
Ausfalls von Spanngliedern). Ist die ästhe­ mehrere Bogen überbrücken kann. Ein Bei-
tische Qualität eines Tragwerkes auch nicht spiel zeigt Bild 5.4.2-2, wo durch die Anein-
allgemein verbindlich, so muss das Gewölbe anderreihung zweier Bogen mit Spannweiten
zumindest als „logisches“ System angesehen von 120 m und 150 m große Feldstützweiten,
werden, das in der Natur – hier meist als dop- hohe Pfeiler und aufwendige Gründungen
pelt gekrümmte Schale – häufig vorkommt, vermieden werden konnten.
besonders, wenn große Kräfte zu bewältigen
sind. Technisch günstige Eigenschaften des
Bogens sind seine große Steifigkeit, seine 5.4.2.3 Gründung
Dauer­haftigkeit, seine Fähigkeit, Kräfte in
Längsrichtung problemlos und mit kleinsten Vielfach wird die Notwendigkeit eines
Verformungen aufnehmen zu können (Brem­ überdurchschnittlich guten Baugrunds an-
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 377

Bild 5.4.2-2   Überwindung eines


Hindernisses durch ein Bogentrag-
werk [Bildarchiv ÖBB]

genommen, allerdings nicht ganz zu Recht. zu können, ist die Bogenform sorgfältig
Zwar ist die Auflagerkraft an einem zu wählen. Theorie der Stützlinien siehe
Kämpfer mit der Neigung α gegen die [Melan et al., 1948], S. 78–84. Es ist zu be-
Horizon­tale um den Faktor 1/sin α größer achten, dass jede Stützlinie nur für ein be-
als die Vertikalkraft, doch ist zu bemerken, stimmtes feststehendes Lastbild gilt, dass es
dass bei entsprechendem Verlauf allfälliger also gar nicht möglich ist, einen Bogen
Kluftlinien, in der Praxis also sehr oft, der schlechthin „in die Stützlinie zu legen“. Die
Hang durch die schräge Auflagerkraft des Bogenachse sollte daher so gewählt werden,
Bogens sogar stabilisiert wird, wodurch die dass sie für ständige Einwirkungen (Eigen-
Gründungen oft überraschend einfach lasten, Ausbaulasten, bei sehr stark be­
­werden (einfacher als z. B. bei hohen, ein- fahrenen Brücken eventuell zusätzlich ein
gespannten Pfeilern), Bild 5.4.2-3. Auch quasi-ständiger Anteil der Verkehrslasten)
lassen sich die Bogenfundamente durch der Stützlinie nahe kommt und für alle
Änderung der wirksamen Auflagerfläche ­anderen Lastbilder von dieser möglichst
sehr gut an die Bodenverhältnisse anpas- wenig abweicht. Schließlich sind die Bo-
sen. genquerschnitte für die Schnittkraftkombi-
nation N + M = N · (1 + M/N) = N · (1 + e)
zu bemessen. Zugspannungen entstehen,
5.4.2.4 Bogenform
wenn die Normalkraft N aus dem „Kern“
Um die Vorzüge der Lastabtragung durch des Querschnittes austritt (Normalkraftex-
Stützlinienwirkung bestmöglich ausnützen zentrizität e > Kernweite k).
378 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.4.2-3   Hangstabilisierung durch ein


Bogenfundament

5.4.2.5 Einteilung der Bogenbrücken 5.4.2.6 Projektierung und Vorbemessung


des Bogens
1. Nach der Lage des Fahrbahntragwerks
zum Bogen: Die nachstehenden Grundsätze gelten für
– Bogenbrücken mit aufgeständerter den Fall von Bogen mit aufgeständerter
Fahrbahn, Bild 5.4.2-4a und Bild Fahrbahn. Man kann den Bogen in der Art
5.4.2-4b (Regelausführung im Mas- konzipieren, dass er sich selbst und die
sivbau) Überbauten (Stützen, Tragwerk) trägt oder
– Bogenbrücken mit abgehängter Fahr- aber in der Art, dass er für die Überbauten
bahn, Bild 5.4.2-4c (werden häufiger nur aussteifend wirkt (Stabbogen). Ein
in Stahl ausgeführt: „Langerbalken“ Problem bei dieser Bauweise ist die Her­
siehe Abschnitt 5.4.3) stellung, da Bogenteile, Stützen und Trag-
2. Nach dem Verhältnis der Biegesteifigkeit werk zusammengefasst und in der Regel
des Fahrbahntragwerks zu jener des Bo- gesichert (unterstützt, abgespannt) werden
gens: müssen. Außerdem entfällt der Vorteil, eine
– Bogenbrücken mit steifem Bogen vom Rest der Brücke unabhängig standfes-
(Bogen trägt das Tragwerk), Bilder te Überbrückung des Haupthindernisses zu
5.4.2‑5a, 5.4.2‑5b schaffen. Wegen der statischen Wirkungs-
– Stabbogenbrücken (Bogen steift das weise von Bogenbrücken mit Stabbogen
Tragwerk aus), Bild 5.4.2‑5c wird auf den Abschnitt 5.4.3 verwiesen.
3. Bei Bogenbrücken mit steifen Bogen zu- Hier wird nur auf Systeme mit steifen Bö-
sätzlich nach dem statischen System des gen eingegangen.
Bogens: Das statische System ist in Abhängigkeit
– Eingespannter Bogen, Bild 5.4.2‑5a von der Geometrie (Pfeilverhältnis f/l) zu
– Zweigelenkbogen, Bild 5.4.2‑5b wählen (Bezeichnungen siehe Bild 5.4.2‑1),
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 379

Bild 5.4.2-4   Lage des Fahrbahntrag-


c werks zum Bogen

Bild 5.4.2-5   Statische Systeme


von Bogen­brücken
380 5 Haupttragwerke der Überbauten

allenfalls können die Bodenverhältnisse im der Bogen meist nicht nur in der Ansicht,
Kämpferbereich von Bedeutung sein: Bei ge- sondern auch in der Schrägsicht betrachtet
lenkiger Lagerung erhält man gleichmäßigere werden kann und dass gerade hier Knicke oft
Bodenpressungen, bei voller Einspannung schlecht aussehen. Bei steifen Bogen lassen
höhere Kantenpressungen. Üblich sind sta- sich die Knicke so weit glätten, dass sie kaum
tisch unbestimmte Bogen: Eingespannte mehr auffallen. Hingegen werden „Stabbo-
­Bo­gen, bei flacheren Bogen auch Zweigelenk­ gen“ wegen ihrer geringen Eigensteifigkeit
bogen. Zur Orientierung wird angegeben: und der daraus resultierenden geringen Mo-
f 1 1 mentenaufnahmefähigkeit möglichst in die
Eingespannter Bogen 3 ≥ 3 bis 3 Stützlinie für ständige Einwirkungen gelegt
l 7 3
und die Knicke in voller Größe belassen
f   1 1 (Bild 5.4.2‑5c).
Zweigelenkbogen 3 ≥ 4 bis 3 Die Neigung der gedachten Verbindungs­
l 10 6
linie der Kämpfer hat erhebliche Auswir-
Eingelenkbogen scheiden wegen ihres kungen auf das Erscheinungsbild. Zwei gute
schlechten Kriech-, Schwind- und Stabili- Möglichkeiten zeigt Bild 5.4.2‑6.
tätsverhaltens aus, Dreigelenkbogen sind Bei entsprechenden Geländeverhältnis-
bezüglich des Stabilitätsverhaltens eben- sen bietet sich die Anordnung mehrerer
falls ungünstig, werden aber zuweilen aus- Bogen an, siehe Kapitel 3 und Bild 5.4.2‑2.
geführt. Vor allem für flache Bogen sind Die Kämpferstandorte sind eingehend zu
Systeme mit Scheitelgelenk ungünstig, da überlegen und sorgfältig zu wählen. Da
bei diesen die erste Knickeigenform sym- häufig in verhältnismäßig steilen Hängen
metrisch ist und daher die durch Normal- gegründet wird, können auch kleine Stand-
kraftstauchung, vor allem aber durch ortverschiebungen das Aushubvolumen
Kriechverformungen verursachte Verkür- und den Umfang allfälliger Sicherungs-
zung der Bogenachse das Knicken fördert. maßnahmen stark beeinflussen. Gerade
Bezüglich des Stabilitätsverhaltens und al- bei Bogenbrücken sind die Gründungen
ler damit zusammenhängenden Fragen entscheidend für die Wirtschaftlichkeit
siehe [Dischinger, 1937] und [Dischinger, und die Gesamtqualität des Bauwerks.
1939]. Tiefgründungen sind für die Bogenkämp-
Bei genügend großem Pfeilverhältnis f/l fer fast nie erforderlich. Die Bogenspann-
empfiehlt sich jedenfalls der eingespannte weite sollte im Allgemeinen nicht unnötig
Bogen. Bei kleinem Pfeilverhältnis kommt groß gewählt werden, wobei jedoch der
der Zweigelenkbogen in Frage, wobei die Einfluss der Fundierungsmaßnahmen zu
konstruktive Ausbildung der Gelenke bereits berücksichtigen ist. Bei entsprechenden
am Beginn der Brückenplanung zu klä- Baugrundverhältnissen kann ein etwas
ren ist. weiter gespannter Bogen insgesamt sogar
Die Bogenachse wird zweckmäßigerweise günstiger sein. Flache Bogen (kleines Pfeil-
numerisch eingerechnet und nicht als Para- verhältnis f/l) sollten in Hinblick auf Hori-
bel zweiter oder höherer Ordnung, als cosh- zontalschub, Kämpferverschiebungen,
Linie u. ä. oder als Kreisbogen (ungünstige Kriechverformungen und Stabilität nicht
Bogenform!) gewählt. Die theoretische flacher sein als notwendig. Durch das Zu-
Stützlinie weist an allen Stellen mit konzen- sammenführen von Tragwerk und Bogen,
trierter Lasteintragung (Stützen) Knicke siehe Bild 5.4.2‑7, kann man an Pfeilhöhe
auf, die man am fertigen Bauwerk als stö- gewinnen. Aus ästhetischen Gründen
rend aber auch als „logisch“ empfinden sollten steile Bogen (großes Pfeilverhältnis
kann. Dabei ist allerdings zu beachten, dass f/l) nicht unnötig steil ausgebildet werden.
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 381

Bild 5.4.2-6   Höhenmäßige Anordnung der Bild 5.4.2-7   Möglichkeiten zur Gestaltung des


Kämpfer bei Fahrbahntragwerk in der Wanne Scheitelbereichs

Die konstruktive Durchbildung im Scheitel­ auch in Analogie zu hohen Pfeilern, die


bereich hat einen erheblichen Einfluss auf auch mit ein- oder mehrzelligen Kasten-
die Lastabtragung der vom Fahrbahntrag- querschnitten und nicht mit Vollquer-
werk abgegebenen Längskräfte und auf das schnitten ausgeführt werden. Nach den
Erscheinungsbild, siehe Bild 5.4.2‑7. Man Erfahrungen des erstgenannten Verfassers,
kann zwischen Bogen und Fahrbahntrag- die er aus Kalkulationsergebnissen an zahl-
werk einen Zwischenraum belassen oder reichen Bogenbrückenprojekten im Spann-
diese Teile zusammenführen. Im ersten weitenbereich von 30 bis 250 m gewonnen
Fall wird oft ein Mindestabstand von ca. hat, ist der Vollquerschnitt nur für kleinere
80–100 cm gefordert (Bild 5.4.2‑7b). Hier Bogen (etwa bis 40 m, äußerstenfalls ca.
kann es einfacher sein, im Scheitel ein 50 m Spannweite) vertretbar. Ein größerer
Tragwerksfeld und nicht eine Stütze anzu- Vollbogen benötigt erheblich größere Men-
ordnen (Bild 5.4.2‑7c). Vorteilhaft bei der gen an Konstruktionsbeton, bringt entspre-
Lösung nach Bild 5.4.2‑7d sind die sehr chend größere Lasten auf die Lehrgerüste,
günstige Übertragung von Tragwerks- Abspannungen usw. und verursacht grö­
Längskräften (Bremsen!) und der Entfall ßere Bodenpressungen. Für große Bogen
eines Teils des Tragwerks, nachteilig sind (Spannweite ab ca. 180 m) ergibt sich bei
die Unstetigkeiten in der Bogenachse. günstiger Formgebung und Querschnitts-
Bogenquerschnitt: Aus den Ausführun­ gestaltung praktisch überhaupt keine sta-
gen in Abschn. 5.4.2.4 folgt, dass im Hin- tisch erforderliche Längsbewehrung, da der
blick auf das Stabilitätsverhalten und auf Querschnitt stets voll überdrückt ist. Ein
eine günstige Aufnahme der Biegemomente Bogen mit veränderlicher Konstruktions­
eine Querschnittsform mit großer Kern­ höhe, Bild 5.4.2‑8, passt sich dem Kräftever-
weite günstiger ist als eine mit kleiner Kern- lauf besser an als ein Bogen mit konstanter
weite, d.h. der Kastenquerschnitt ist dem Höhe und sieht daher nach Meinung der
Vollquerschnitt klar überlegen. Dies steht Verfasser auch besser aus.
382 5 Haupttragwerke der Überbauten

bahntragwerks ändert (z. B.: Tragwerk der


Vorlandbrücken in Verbundbauweise,
Tragwerk im Bogenbereich in Massivbau-
weise).
Stützen: Einzelstützen, Stützengruppen
oder Einzelscheiben sollten radial zum
Tragwerk angeordnet werden. Bei stärker
Bild 5.4.2-8   Verlauf der Konstruktionshöhe
gekrümmten Fahrbahntragwerken müssen
die Stützen auf dem Bogen Platz finden,­
Seine Herstellung ist bei manchen Bau- Bild 5.4.2‑9.
verfahren problematisch. Beim ein­gespann­ Die Kämpferstützen oder Kämpferschei-
ten Bogen ergibt sich eine Zu­nah­me der ben sollten nach Möglichkeit etwas von der
Höhe zu den Kämpfern, beim Zweigelenk- theoretischen Kämpferlinie abgerückt wer-
bogen lässt man die Höhe zu den Kämpfern den (2 bis 3 m, bei großen Bogen entspre-
abnehmen („Sichelbo­gen“). In beiden Fäl- chend mehr) und nur in zwingenden Fällen
len hat sich das Gesetz h(x) = hS + (hK – hS) auf dem Bogen angeordnet werden, Bild
· ξn bewährt, im ersten Fall hK > hS , mit n = 4, 5.4.2‑10.
im zweiten Fall hS >hK mit n = 6 oder sogar Bogenkämpfer und Kämpferstützen er-
n = 8. Beim Entwurf einer Bogenbrücke halten ein gemeinsames Fundament. Bei Bo-
müs­sen selbstverständlich auch die Vorland­ gen mit Kastenquerschnitt werden die Stüt-
brücken berücksichtigt werden. Ein Sprung zenlasten über Querscheiben in den Bogen
in der Tragwerkshöhe ist, wenn überhaupt, eingeleitet. Mit Rücksicht auf die Herstellung
nur bei sehr langen Brücken sinnvoll, vor und auf den Kraftfluss sollten diese vertikal
allem wenn sich die Konstruktion des Fahr- angeordnet werden. Die Breite der Quer-

Bild 5.4.2-9   Anordnung der Stützen bei im Grundriss gekrümmtem Fahrbahntragwerk

Bild 5.4.2-10   Anordnung der Kämpferstützen


5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 383

5.4.2.7 Festlegung der Hauptabmessungen

Bogenbreite: Bei im Grundriss stark ge-


krümmtem Tragwerksverlauf ergibt sich
die Mindestbreite aus der konstruktiven
Forderung, dass die Stützen auf dem Bogen
untergebracht werden können, siehe Bild
5.4.2‑9. Bei geraden Tragwerken ist ein
sinnvolles Maß zu wählen, wobei die An-
forderungen aus der Herstellung sowie eine
ausreichende Quersteifigkeit zu beachten
sind (Windkräfte, Fliehkräfte, Stabilität
quer zur Bogenebene). Als Bezugsgröße für
die Konstruktionshöhe des Bogens wird die
Querschnittshöhe hS im Scheitel festgelegt,
siehe Bild 5.4.2‑8. Für einen ersten Ansatz
kann angenommen werden:
    l    l
Straßenbrücken hS = 4 bis 5
70 60
l l
Eisenbahnbrücken hS = 4 bis 4
60 50
Bild 5.4.2-11   Bogenquerscheiben und Lage- Für eine genauere Festlegung der Kon-
rung der Stützen auf dem Bogen struktionshöhe ist das durch die Schlank-
heit λ ausgedrückte Stabilitätsverhalten in
scheiben richtet sich nach der Stützenbreite der Bogenebene auch dann bestens geeig-
und der Verschwenkung der Stützenebene net, wenn die statischen Nachweise nach
gegenüber der Bogenebene, Bild 5.4.2‑11. Theorie II. Ordnung geführt werden und λ
Soll das Kasteninnere begehbar sein, daher nicht explizit vorkommt. Die Knick-
können bei entsprechend großen Quer- sicherheit γk errechnet sich mit λ = β ∙ l/i
     5 zu:
und i = √I/A
schnitten die Querscheiben Durchstiegöff-
nungen erhalten (man benötigt dann nicht π2 ∙ E (σ) ∙ I
in jedem Teilbereich eine eigene Einstieg- γk = 09 ,
H ∙ (β ∙ l)2
öffnung).
Die Fahrbahntragwerke im Bogenbereich wobei E (σ) = ρ ∙ E0 , H = maximaler Hori-
sollten unbedingt als Durchlaufträger aus- zontalschub unter Gebrauchslasten, sowie
gebildet werden, wodurch keine Fahrbahn- nach Bild 5.4.2-12.
übergänge im Tragwerk notwendig werden Es sollte sein: γk ≥ 3,0 oder, strenger:
und Last-Biegemomente infolge von längs- γk ≥ 3,0 + λ/100. Für Bogen mit veränder-
gerichteten Kräften (Anfahren, Bremsen, lichem Querschnitt sind die Querschnitts-
Reibung) in den Stützen vermieden wer- werte I bzw. A so zu wählen, dass das Träg-
den. Eine allfällige Anordnung von Fahr- heitsmoment I auf mindestens 60% der ab­
bahnübergängen über den Kämpferscheiben gewickelten Bogenlänge überschritten wird.
ist sorgfältig zu überlegen und nur bei Wanddicken: siehe Bild 5.4.2‑13.
­Brücken mit sehr langen Vorlandbrücken Wird der Bogen mit Kastenquerschnitt
sinnvoll. ausgebildet, so werden für die Bodenplatte
384 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.4.2-12   Hilfswerte für die Abschätzung der Bogenstabilität

Bild 5.4.2-13   Wanddicken im
Kämpferbereich

und Deckplatte 25–30 cm benötigt (im


Kämpferbereich eingespannter Bogen 40–
50 cm), bei sehr großen Stegabständen ent-
sprechend mehr. Die Stegdicken sind ent-
sprechend den aufzunehmenden Schub-
kräften zu wählen und ergeben sich im
Allgemeinen zu 30–40 (50) cm.
Stützen­abmessungen: siehe Bild 5.4.2‑14.
Bei durchlaufendem Fahrbahntragwerk Bild 5.4.2-14   Stützenschlankheiten
­entstehen in den Stützen praktisch nur
­Momente aus Zwang:
kφ ∙ Beff ∙ φ kψ ∙ Beff ∙ ψ
Mφ = 09 bzw. Mψ = 09 5.4.3 Stahlbrücken
l l
mit k = Faktor, Beff = Biegesteifigkeit der Günter Ramberger
Stütze, ϕ = Endknotenverdrehung, ψ = Stab­ und Francesco Aigner
sehnenverdrehung, l = Stützenlänge. Um
diese Momente klein zu halten, sollten die Bogenbrücken werden eingeteilt in echte
Stützen daher möglichst schlank ausgebil- Bogenbrücken, bei denen der Bogen das
det werden. Brauchbare Werte liegen im tragende Element und die Fahrbahn nur
Bereich λ = 70 bis 100. Sinnvolle Abstu- angehängt oder aufgeständert wird, und
fungen der Stützendicken siehe Bild Stabbogenbrücken, bei denen der Bogen als
5.4.2‑14. Bei hohen Stützen sind Hohlquer- Verstärkung des Versteifungsträgers dient
schnitte günstiger als Vollquerschnitte. (Bild 5.4.3-1).
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 385

Bild 5.4.3-1   Echte Bogenbrücke und Stabbogenbrücke

Bogenbrücken haben den Vorteil, dass Stabbogenbrücken, nach dem öster­


sie im Endzustand ausnehmend wirtschaft- reichischen Inge­nieur Josef Langer auch
liche Tragwerke darstellen, da die Bogen- Langer’sche Balken genannt, der sie 1861
form nahe der zur Last gehörigen Stützlinie erstmals untersuchte und der 1881 die Fer-
liegt und somit die Abtragung der Lasten zu dinandbrücke über die Mur in Graz nach
den Kämpfern bzw. Auflagern über­wie­gend diesem System errichtete, bestehen aus ei-
über Normalkraft erfolgt. Sie haben aber nem Versteifungsträger, einem Bogen, der
den Nachteil, dass diese Kraftabtragung mit dem Versteifungsträger meist biege-
erst funktioniert, wenn der Bogen geschlos- steif, zumindest aber gelenkig verbunden
sen ist. Bogen brauchen daher im Montage- ist, und den Hängern (Bild 5.4.3-2). Der
zustand Unterstützungen. Diese können als Bogenstich liegt zwischen L/9 bis L/6 (L ist
Stützen oder als schräge Aufhängungen ge- die Stütz­weite des Tragwerks). Der Bogen
staltet werden, benötigen aber immer zu- wird mit parabelförmiger Achse ausgeführt.
sätzliche Konstruktionen für die Montage. Auf die Stützweite werden 6 bis 14 Hänger
Obwohl stählerne Bogenbrücken von der angeordnet, meist in einer geraden Anzahl,
Frühzeit des Stahlbaus an gebaut wurden damit aus ästhetischen Gründen kein
und bis heute mit Stützweiten bis über 500 ­Hänger in der Brückenmitte liegt. Der auf
m (Fayetteville-Brücke USA mit 518 m Druck beanspruchte Bogen weist einen
Stütz­weite) gebaut werden, nimmt ihre Be- nach beiden Richtungen biegesteifen Quer-
deutung gegenüber den Schrägkabel­ schnitt in Hut- oder Kastenform auf. Die
brücken ab. Stabbogenbrücken mit abge- Hänger werden aus Rund- oder Flach­
hängter Fahrbahn, die auf einem Vor­ stählen gefertigt. Der Versteifungsträger
montageplatz zusammengebaut und als wird meist als Kammquerschnitt mit zwei
Ganzes eingebaut (z. B. eingeschwommen) Hauptträgern und oben liegender ortho­
werden, sind gerade heute sehr wirtschaft- troper Platte gebildet.
liche Tragwerke im Stützweitenbereich von Bei Eisenbahnbrücken kann die Stahl-
ca. 50 m bis 150 m. Des­wegen wird im Fol- leichtfahrbahn auch zwischen den Haupt-
genden auf Stabbogenbrücken besonders trägern angeordnet werden. Der Anschluss
einge­gangen. der Hänger an den Bogen erfolgt mittels
386 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.4.3-2   Ansicht und Draufsicht einer Stabbogenbrücke, eingleisige Eisenbahnbrücke


[DB – Richtzeichnungen]

Querschotten an den Versteifungsträgern teren Bereich einen schräg liegenden Rah-


in der Ebene der Stegbleche der Hauptträ- men zur Abtragung der Windkräfte auf dem
ger, in seltenen Fällen auch an den Querträ- Bogen und zur Stabilisierung des Bogens.
gern (Bilder 5.4.3-3 und 5.4.3–4). Üblicherweise stehen die Bogenwände
Besonderes konstruktives Augenmerk lotrecht, aber auch nach innen geneigte Bo-
ist der Einbindung des Bogens in dem Ver- genwände wurden ausgeführt, so dass die
steifungsträger zu widmen, da der Bogen Bogen in Brückenmitte zusammentreffen
meist zweistegig, der Versteifungsträger (Bild 5.4.3-8). Auch Mittelträgerbogenbrü-
aber meist einstegig ausgebildet wird (Bild cken mit torsionssteifen Versteifungsträ-
5.4.3-5). Hier ist sicherzustellen, dass die gern wurden gebaut (Bild 5.4.3-9).
Vertikalkomponente der Bogennormal- Ein sehr interessantes Beispiel einer
kraft in das Lager und die Horizontalkom- Fachwerkbalkenbrücke mit Stabbogenver-
ponente in den Versteifungsträger eingelei- stärkung im großen Feld stellt die Eisen-
tet wird. Oftmals wird der Endquerträger bahnbrücke über den Rhein in Düsseldorf-
der Fahrbahn mit der Bogeneinleitung und Hamm dar. Die Brücke mit den Stütz­
dem Anfang der Hauptträger querorientiert weiten 250,00m – 135,50m (Bild 5.4.3-10)
ausgeführt. überführt vier Eisenbahngleise im Schot-
Bogen können freistehend ausgeführt terbett, wobei zwei Gleise zwischen den
oder durch Rahmen und/oder Verbände nach innen geneigten Fachwerkwänden
verbunden werden (Bilder 5.4.3-6 und und ein Gleis auf jeder Seite außerhalb der
5.4.3-7). Freistehende Bogen brauchen zur Fachwerkwand liegt. Die Brücke wurde
Verhinderung der Knickung quer zur Bo­ ­parallel zu einer bestehenden zweigleisigen
genebene wesentlich breitere Querschnitte Brücke gebaut, die vor den Kriegseinwir-
als Bogen mit Verbänden. Die Endquer­ kungen des zweiten Weltkriegs aus zwei
riegel werden meist so hoch wie der Bogen parallelen Brücken mit Parabelfachwerken
ausgeführt. Sie bilden mit den Bogen im un- bestand und somit vier Gleise überführte.
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 387

Querschnitt Portal

6500

750 2200 2200 750

Tragwerkachse
Gleisachse

50±0

h
700
2% 2%

Endquerträger
Schnitt A−A
≥2200
≥750
Tragwerkachse
Gleisachse

50±0

700
2%

B B

Pressenansatzpunkt

Schnitt B−B
0
15
r≥

A A

Bild 5.4.3-3   Querschnitt und Endquerträger einer Stabbogenbrücke, eingleisige Eisenbahnbrücke,


Flachstahlhänger [DB – Richtzeichnungen]
388 5 Haupttragwerke der Überbauten

Hängeranschluss geschraubt

B B

Schnitt A−A

Schnitt B−B

Schnitt C−C
C

Alternative: Hängeranschluss geschweißt


Alternative: Hängeranschluss geschweißt
A
A 3,5 3,5

B B
B B

Schnitt A−A
300

Schnitt A−A
200

14 14

A
Kontrollmaß

A
∅55
Schnitt B−B
Schnitt B−B
200

14 14
300

„X” „X” 2,5%


Außen

C
Schnitt C−C 4 8
C
Schnitt C−C
50° 50°

C V T
C

Bild 5.4.3-4   Anschluss der Hänger [DB – Richtzeichnungen] und [Flentge, 1985]


5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 389

Bild 5.4.3-5   Fußpunktausbildung für Eisenbahnbrücken,


günstig für Ermüdungsfestigkeit unter Berücksichtigung der
Schweißnahtprüfung [DB – Richtzeichnungen]
390 5 Haupttragwerke der Überbauten

M. 1 : 2

„I”

Keramikplättchen

„V” M. 1 : 2

30 55 55 30

„II” M1:2

„III”

„IV”

Bild 5.4.3-5   (Fortsetzung)
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 391

A
Schnitt unter Bogendeckblech

B B
r≥
15
0

A
E
C C

Ansicht E

Schnitt D−D

Schnitt B−B
coupierte Profile

Schnitt A−A
Ansicht E
I

„I” Schnitt D–D


M. = 1 : 2

Schnitt C–C Schnitt C–C

Variante: HE-Profile

Bild 5.4.3-6   Diagonal­verband und Portalriegel [DB – Richtzeichnungen]


392 5 Haupttragwerke der Überbauten

Draufsicht Schnitt A–A

B B
r≥ r≥
15 15
0 0

D D

Schnitt D–D Schnitt B–B

Übersicht
Elemente

Bild 5.4.3-7   Vierendeelverband und Portalriegel [DB – Richtzeichnungen]

Aus den Resten der zerstörten Tragwerke Bogen- und Fachwerkobergurt (Bild­
wurde 1947 eine Brücke wiederhergestellt. 5.4.3-11).
Die neue Brücke wurde unter Verwendung Als Montageverfahren wurde der orts-
der noch bestehenden alten Pfeiler gebaut, feste Zusammenbau und der abschnittswei-
die nach der Montage der neuen Brücke se Längsverschub des Tragwerks unter Mit-
abgetragen wurden. Ebenso wurde nach verwendung eines alten, nach der Zerstö-
Inbetriebnahme der neuen Brücke die alte rung unbenutzten Pfeilers gewählt. Zum
Brücke samt den Unterbauten abgebaut. Einbau der Bogen wurde im unteren Be-
Die Bogenebenen der neuen Brücke sind reich je ein Hilfsgelenk angebracht und die
parallel zu den Fachwerkebenen ange­ restlichen Bogenteile auf der Fahrbahn ab-
ordnet. Die Bogen lagern auf Widerlager gelegt. Danach wurden die Bogenteile an-
und Mittelpfeiler und sind über Quer­ gehoben, die Stöße im Scheitel und an den
träger mit dem Versteifungsträger verbun- Hilfsgelenken geschlossen und die Hänger
den, ­so dass die Horizontalkräfte nicht in montiert (Bild 5.4.3-12).
die Unterbauten eingeleitet, sondern über
den Versteifungsträger kurzgeschlossen
werden. Die Hänger liegen in der Ansicht
in lotrechten Ebenen, im Querschnitt
­jedoch unterschiedlich schräg zwischen
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 393

2%

RADWEG
GEHWEG
2%

RADWEG 25%
GEHWEG
GAS

25% ENTWÄSSERUNG

GAS
Bild 5.4.3-8   Entwurf einer Brücke über die Donau mit nach innen geneigten Bogenwänden,
ENTWÄSSERUNG
Bogenquerschnitt in Dreiecksform

1570
1640

15000

750
12500 3000 12500

±0 6 + 16 cm

–3700

Bild 5.4.3-9   Mittelträger-Stabbogenbrücke über die Salzach [Beer et al, 1970]


394 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.4.3-10   Ansicht der Hammer Eisenbahnbrücke, [Volke, 2001]

Bild 5.4.3-11   Querschnitt der Hammer Eisenbahnbrücke, [Volke, 2001]


5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 395

Verschubrichtung Portalkrane

Neuss Düsseldorf
Ohne Fahrbahn

Verschublager u.
Absenkvorrichtung
135,00 m 140,00 m 110,00 m
Strompfeiler neu Strompfeiler Süd alt Widerlager Düsseldorf neu

Verschublager und Absenkvorrichtung

Montage der Bogenschüsse und Riegel

Montagehilfsgelenk

Hilfspfeiler
Hubstütze
Anheben der beiden Bogenhälften

Schließen der Bogenstöße an den


Hilfsgelenken und im Scheitel

3 1 2 5 5 1 2
4 2 3 6
Montagefolge der Hänger 7 6 7
8 8

Bild 5.4.3-12   Montagevorgang
oben: Längseinschubverfahren für den Fachwerkträger
unten: Bogenmontage und Hängereinbau
396 5 Haupttragwerke der Überbauten

5.4.4 Verbund- und Mischkonstruktionen

Ulrike Kuhlmann
und Annette Detzel

5.4.4.1 Stabbogenbrücken
Bild 5.4.4-1   Schnittgrößenaufteilung im Stab-
(a) Grundsätzliches
bogen
Die Idee von Bogensystemen besteht darin,
den größten Teil der äußeren Belastung
über Normalkräfte und nicht über Biege- gleichsweise nur flache Anrampungen
momente abzutragen. Dadurch können mit zur Anfahrt auf die Brücke erforderlich,
schlanken minimalen Querschnitten ver- wie es bei flachem Gelände zum Beispiel
gleichsweise hohe Tragfähigkeiten erzielt in Nord- und Mitteldeutschland günstig
werden. Optimiert wird dieses System, ist.
wenn wie beim Stabbogensystem üblich, • Die weithin sichtbare Bogenkonstruk­
die Bogendruckkraft durch ein Zugband in tion ermöglicht optische Akzentgebung,
der Fahrbahnachse ins Gleich­gewicht ge- ohne dass damit wirtschaftlich ein Zu-
setzt wird, so dass nur Vertikallasten und satzaufwand verknüpft ist.
keine horizontale Querlasten in den Unter-
grund abgetragen werden. Typisch ist außer­ Die Wirtschaftlichkeit liegt vor allem in der
dem für dieses System, dass der Stab­bogen Kraftabtragung durch Normalkräfte statt
im Vergleich zu den Versteifungs­trägern in durch Biegemomente. Allerdings gilt das
der Fahrbahnachse eine geringe eigene Bie- nur für symmetrische Lastanteile wie zum
gesteifigkeit hat, so dass das Gesamtmo- Beispiel aus Eigenlast. Unsymmetrische
ment sich überwiegend in ein Kräfte­paar Lasten, wie sie infolge Verkehr zwangsläu-
Bogendruckkraft/Versteifungsträgerzug- fig auftreten, führen zu recht bedeutenden
kraft und in Einzelbiegemomente der Ver- Einzelbiegemomenten in den Versteifungs-
steifungsträger aufteilt. trägern, die, wie auch die Darstellung in
Diese Stabbogensysteme als Stahlkonst- Bild 5.4.4-2 zeigt, bei Belastung durch Ver-
ruktion mit orthotroper Stahlfahrbahn oder kehrslasten in den Viertelspunkten maxi-
mit Stahlbetonverbundplatte haben sich in mal sind. Entsprechend treten auch die
den letzten Jahren besonders für Straßen- maximalen Durchbiegungen in den Vier-
brücken sehr stark durchgesetzt, weil sie telspunkten auf.
eine Reihe von heute besonders wichtigen Da bei Eisenbahnbrücken Durchbie-
Vorteilen bieten: gungen stark begrenzt sind, so verlangt der
DIN FB 101 [DIN-FB 101, 2003] je nach
• Die niedrige Bauhöhe unter der Fahr-
bahn ermöglicht die Überbrückung ver-
gleichsweise großer Spannweiten – üb-
lich sind 60 bis 100 m – bei Freihaltung
einer größtmöglichen lichten Durch-
fahrtshöhe, wie es zum Beispiel für die
Überführung von Wasserstraßen oder
Autobahnen notwendig ist.
• Indem die eigentliche Bogenkonstruk­ Bild 5.4.4-2   Momenteneinflusslinie im Ver-
tion über der Fahrbahn liegt, sind ver- steifungsträger
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 397

Bild 5.4.4-3   Elbebrücke Dömitz, Draufsicht

Entwurfsgeschwindigkeit und Stützweite (b) Besonderheiten moderner Stabbogen­


eine Beschränkung der Durchbiegung auf verbundbrücken
L/600 bis L/2650, hat sich für diese Nutzung
das System der „weichen“ Stabbogenbrü- Bewehrte Betonfahrbahnplatte
cken gegenüber den steiferen Fachwerk- Bei dem Querschnitt einer typischen Stab-
brücken bisher nicht durchgesetzt. Für bogenverbundbrücke wird die Betonfahr-
Straßenbrücken dagegen ist es gerade in bahn von den beiden Stahlhauptträgern
den letzen Jahren zu einem der am häu­ abgesetzt. Sie stützt sich nur auf die Stahl-
figsten gebauten Verbundbrückensysteme querträger ab, mit denen sie Verbundquer-
geworden, vgl. auch Dokumentation des träger bildet. Diese Trennung zwischen
Bundesverkehrsministeriums [BMV, 1997]. außenliegenden Stahlhauptträgern und
Hier sind u.a. auch typische Maße und Di- Betonfahrbahn diente ursprünglich dazu,
mensionen zu entnehmen, wie das Schlank- die Mitwirkung der Betonplatte im Bo­
heitsverhältnis der Versteifungsträger von genzugband zu minimieren. Die trotzdem
etwa 40 und ein mittleres Baustahlgewicht entstehenden Zugspannungen in der
von ca. 300 kg/m2. Einen Überblick über ­Verbundplatte wurden früher durch­
eine Reihe von Stabbogenverbundbrücken hohe Spanngliedlängsvorspannung über­
der 1990er Jahre gibt Tabelle 5.4.4-1. drückt.
Man erkennt aus den Daten einige typi- Inzwischen hat sich auch für diese Ver-
sche Geometrieverhältnisse wie das Ver- bundbogenbrücken eine veränderte Be-
hältnis von Bogenstich zu Stützweite von messungsphilosophie durchgesetzt [Kuhl-
etwa 1/7 bis 1/6. mann, 1996], [Kuhlmann, 1997]: Das Rei-
Gemeinsam ist diesen Systemen die ßen der Betonplatte wird zugelassen. Man
Ausbildung des Stabdruckbogens aus Stahl verzichtet auf eine Spanngliedvorspannung.
und die Anordnung einer Stahlbetonver- Für die Teilmitwirkung des Betons wird
bundplatte im Zugbandbereich, so dass die eine verstärkte schlaffe Bewehrung von 80
Betonplatte nahezu zentrischem Zug unter- bis 90 kg/m2 eingelegt, die auch der Riss-
liegt. In gewissem Sinne steht dieses Kon- breitenbegrenzung dient.
struktionsprinzip den Grundregeln des Ver­ Die Elbebrücke Dömitz [Lüesse, 1992],
bundbaus entgegen, die Druckbauteile aus [Lüesse et al., 1993] war die erste Bogen-
Beton und die Zugbauteile aus Stahl zu fer- brücke mit bewehrter, nicht vorgespannter
tigen. Für die Ausbildung der Fahrbahn- Fahrbahnplatte in Deutschland. Mit einer
platte als Betonbauglied spricht neben Kos- Spannweite von 178 m bei einer Scheitel­
tenvorteilen u. a. ein funktionelles Argu- höhe von 27 m und der optisch anspre-
ment: Beim Übergang von der freien Stre- chenden Querschnittsform der geneigten
cke auf das Brückenbauwerk kommt es bei Hängerebenen hat sie für eine Reihe solcher
einer Betonfahrbahn zu einer weniger Brücken geradezu eine Vorbildfunktion
schnellen Abkühlung und damit zu einer übernommen. Die mit 88 gon geneigten
geringeren Vereisungsgefahr als bei einer Bogen werden durch einen Rautenverband
Stahlfahrbahn. stabilisiert.
Tabelle 5.4.4-1   Stabbogenverbundbrücken 398

Fertig­ Längssystem Spann­ L/h Querschnitt Breite (mit Betonfahrbahn Dicke der
stellung weite Kappe) Fahrbahn
L [m] [m] [cm]
Elbebrücke Dömitz 1992 Stichhöhe = 27,0 m; Hängerabstand 178 6,6 2 außenliegende 15,4 längsgespannt; längs schlaff; 32,0
11,3 m; Querträgerabstand 11,3 m/3 Versteifungsträger quer schlaff
Biersbrücke Liersberg 1993 Stichhöhe h = 5,8 m; Hängerabstand 41 7,1 2 außenliegende 10,0 längsgespannt; nur am Rand 30,0 am Rand
3,6 m; Querträgerabstand 3,6 m/2 Versteifungsträger längs vorgespannt (Verkehr); 50,0
quer schlaff; bis an den Steg
des VT geführt
Landquartbrücke Au 1994 Stichhöhe h = 23,0 m; Hängerabstand 134 5,8 4 unter der Fahr- 11,9 quergespannt; nur am Rand 30,0 am Rand
9,3 m; Querträgerabstand 9,3 m bahn liegende längs vorgespannt (Verkehr); 120,0
Versteifungsträger quer schlaff
Amperbrücke Inning; 1996 Stichhöhe h = 12,0 m; Hängerabstand 70 5,8 3 unter der Fahr- 15,4 quergespannt; längs schlaff; 20,0-38,0-20,0
2 Überbauten 15,0 m; Querträgerabstand 15,0 m bahn liegende quer schlaff; B 35
Versteifungsträger
Saalebrücke Calbe 1996 Stichhöhe h = 17,0 m; Hängerabstand 100 5,9 2 außenliegende 13,4 längsgespannt; längs schlaff; 30,0
8,6 m; Querträgerabstand 8,6 m/3 Versteifungsträger bis quer schlaff;
20,1 bis an den Steg des VT
geführt; B35
Rüntherbrücke 1997 Stichhöhe h = 13,7 m; Hängerabstand 91 6,6 2 außenliegende 10,5 längsgespannt; längs schlaff; 30,5 bis 36,9
8,0 m; Querträgerabstand 8,0 m/2 Versteifungsträger quer schlaff
Neue Werrabrücke Münden Stichhöhe h 0 12,2 m; Hängerabstand 67 5,5 2 außenliegende 20,5 quergespannt; längs schlaff; 38,0-48,0-38,0
7,2 m; Versteifungsträger quer vorgespannt
keine Querträger
Ersatz Hiddingseler Brücke Stichhöhe h = 11,3 m; Hängerabstand 76 6,7 2 außenliegende 14,3 längsgespannt; längs schlaff; ≈ 33,0
Amtsentwurf 7,0 m; Querträgerabstand 7,0 m/2 Versteifungsträger quer schlaff
Elbe-Abstiegskanal 1995 Stichhöhe h = 17,1 m; Hängerabstand 92 5,4 2 außenliegende 23,9 längsgespannt; längs schlaff; 32,0
Rothensee 6,9 m; Querträgerabstand 6,9 m/2 Versteifungsträger quer schlaff; B35
Überführung 1996 Stichhöhe h = 6 m; Hängerabstand 39 6,5 2 außenliegende 17,6 längsgespannt; längs schlaff; 32,0
B 281 Saalfeld 5,4 m; Querträgerabstand 3,5 m Versteifungsträger quer schlaff; B35
Dortmund-Ems-Kanal 1985 Stichhöhe h = 16 m; Hängerabstand 104,77 6,5 2 außenliegende 32,5 längsgespannt; längs vorge- 27,0 am Rand
bei Rheine 8,7 m; Querträgerabstand 8,7 m/3 Versteifungsträger spannt; nur am Rand quer 32,0
vorgespannt
Weserbrücke Holzminden 1997 Stichhöhe h = 15 m; Hängerabstand 89,0 5,9 2 außenliegende 17,3 längsgespannt; längs und 32,0
5 Haupttragwerke der Überbauten

7,6 m; Querträgerabstand 7,6 m/2 Versteifungsträger quer schlaff; B35


5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 399

Bild 5.4.4-5   Empfohlene Ausführung des Hän­


ger­anschlusses, a) Geometrie, b) Abmessungen
nach [Günther et al., 2000]

chenbar ist, beziehen sich die inzwischen


entwickelten Empfehlungen vor allem auf
eine ermüdungsgerechte Ausbildung des
Hängeranschlusses, der ja üblicherweise
nicht wirklich gelenkig ist, sondern am Ver-
steifungsträger in der Bogenebene und am
Bogen senkrecht zur Bogenebene „einge-
spannt“ konstruiert wird. Bild 5.4.4-5 zeigt
die geometrischen Empfehlungen nach
[Günther et al., 2000], die gleichzeitig auch
noch einen Ermüdungsnachweis für Ver-
kehrslasten fordern. Weitere konstruktive
Empfehlungen werden in [BAW, 2003] und
Bild 5.4.4-4   Elbebrücke Dömitz, Querschnitt [Leitfaden, 2007] gegeben. Der aktuelle
Stand der Technik ist in [Schütz et al., 2008]
dargestellt.
Hängerschwingungen
Die Elbebrücke Dömitz ist in der Fachwelt Anschluss Betonfahrbahn/Versteifungsträger
noch aus einem anderen Grund bekannt Da nach dem neuen Bemessungskonzept
geworden: An den Anschlussstellen der die Mitwirkung des gerissenen Betonquer-
Hänger aus 120 bzw. 130 mm dickem Rund- schnitts statisch berücksichtigt werden
stahl an die Versteifungsträger wurden kann, gibt es eigentlich keinen Grund,
zum ersten Mal Ermüdungsanrisse infolge Stahl­versteifungsträger und Betonplatte
Regen-Wind induzierten Schwingungen voneinander zu trennen. Verschiedene
beobachtet [Lüesse et al., 1996], [Günther Stabbogenentwürfe, aber auch -ausfüh-
et al., 2000]. Starke Schwingungen der Hän- rungen führen daher die Betonplatte bis an
ger bis zu 300 mm wurden durch die Ver- die außen­liegenden Stahlversteifungsträger
änderung des Hängerquerschnitts infolge heran [Kuhlmann, 1996]. Wenn man an die
der Lage des Regenrinnsals entlang des schwie­rige Unterhaltung des Korrosions-
Hängers ausgelöst und führten an den er- schutzes und die Verschmutzungsmöglich-
müdungskritischen Schweißnahtanschluss- keit denkt, ist der Spalt zwischen Stahlver-
details zu Rissen. Es folgten umfangreiche steifungsträger und Kappenkonstruktion
Untersuchungen einschließlich der Ent- im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit der
wicklung eines speziellen Dämpfers. Da das Konstruktion ohnehin etwas problema-
Phänomen selber kaum zuverlässig bere- tisch. Durch eine unmittelbare schubfeste
400 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.4.4-6   Brücke über den Elbe-Abstiegskanal bei Rothensee, Querschnitt

Verbindung von Betonfahrbahn und Stahl- Bogenfußpunkt hin zu einem Dübel­blech


hauptträger wird der Spalt vermieden, siehe aufweitet, siehe Bild 5.4.4-7. Konstruktiv
auch den Querschnitt der Brücke über den werden Betonfahrbahn und Stahlträger
Elbe-Abstiegskanal bei Rothensee nach aber auch mit horizontalen Dübeln an
[BMV, 1997], vgl. Bild 5.4.4-6. dem inneren Steg verbunden, der zusam-
Hierbei erfolgt die eigentliche Schub- men mit dem Steg des Versteifungsträgers
krafteinleitung über eine horizontale Lei- ­einen luftdicht geschlossenen Kasten
ste mit Kopfbolzendübeln, die sich zum ­bildet.

Bild 5.4.4-7   Verdübelungsdetail Fußpunkt (Quelle Bundesverkehrsministerium, StB 25)


5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 401

Bild 5.4.4-8   
Amperbrücke

Bei horizontalen Dübeln in dünnen gewöhnlichen Verbundbogenbrücken zwi-


Platten müssen sich die eingeleiteten Kräf- schen die Querträger sondern zwischen
te über die Plattendicke aufteilen. Dabei diese Längsträger. Dieses System mit quer-
entsteht eine Spaltzugbeanspruchung, der gespannter Verbundplatte entspricht quasi
in der dünnen Platte nur geringer Wider- dem sehr wirtschaftlichen System der typi-
stand entgegengesetzt wird. Horizontale schen Verbunddeckbrücken, das hier nur
Spaltzug­risse sind die Folge. Hier spielt wegen der größeren Spannweite von über
also für das Versagen der Dübelverbindung 70 m durch zwei Bogen überspannt wird,
die Rissbildung im Beton eine wichtige siehe Bild 5.4.4-8.
Rolle. Untersuchungen von horizontalen Bogen und Fahrbahn sind über vier sehr
Dübelverbindungen unter Längsschub ha- kräftige Querträger und Hänger miteinan-
ben zu ersten Bemessungs- und Konstruk- der verbunden.
tionsregeln geführt, so dass in Zukunft Wirtschaftlich wird das System vor al-
diese Verbindung auch planmäßig einge- lem durch die Reduzierung der Anzahl der
setzt werden kann, siehe [Breuninger/Kuhl­ einzelnen Bauglieder und Anschlüsse. Statt
mann, 2001]. 16 bis 20 Querträger im Abstand von 3,5 bis
4 m, gibt es bei dem System der Amper­
Quergespannte Fahrbahn brücke mit quergespannter Verbundplatte
Eine Weiterentwicklung zur direkten Ver- nur noch diese 4 starken Querträger. Gera-
bindung zwischen Versteifungsträger und de die Kreuzungspunkte zwischen Haupt-
Verbundplatte stellt die Amperbrücke In- träger und Querträger und die Hängeran-
ning für die Autobahn A96 südlich von schlusspunkte verursachen einen nicht
München [Hagedorn et al., 1997] dar. Die unerheblichen Schweißaufwand, so dass
Idee dieses neuen Systems besteht darin, ihre Anzahl maßgeblich in die Kostenkal­
die Stahlhauptträger nicht mehr neben der kula­tion eingeht.
Betonplatte anzuordnen sondern unter ihr. Durch die starke Reduktion der Hänger-
Die Stahlhauptträger wirken damit zusam- zahl tritt allerdings für die Bogenbemes-
men mit der Betonplatte als Verbundträger sung ein Lastfall in den Vordergrund, der
in Brückenlängsrichtung. Die Fahrbahn- sonst eher eine untergeordnete Rolle spielt:
platte spannt sich nicht mehr wie bei den der Lastfall „Ausfall eines Hängers“. Bei
402 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.4.4-9   
Amperbrücke Horizon-
talverband

Ausfall eines Hängers wirkt die Hängerkraft also einen rechteckigen Hohlquerschnitt,
als Einzellast auf den Bogen und bewirkt der wie bei der Amperbrücke mit 1,2 m
einen nicht unerheblichen Biegemomen- Breite und 90 cm Höhe senkrecht zur Bo­
tenanteil, der trotz der Behandlung als genebene über die höhere Biegesteifigkeit
„Katastrophenlastfall“ mit reduzierten verfügt.
Sicher­heiten im Fall der Amperbrücke be- Besonders sorgfältig muss deshalb die
messungsrelevant wurde. Bogenfußeinspannung konstruiert werden.
Am Brückenende wird der Kraftschluss Senkrecht zur Bogenebene erfolgt sie durch
zwischen den Bogenfußpunkten und der den Endquerträger, der u. a. auch zur Ver-
Fahrbahn durch ein kräftiges Verbandsys­ formungsbegrenzung des Fahrbahnüber-
tem hergestellt, siehe Bild 5.4.4-9. Die Ver- gangs nicht nur bei der Amperbrücke ein
bandstäbe sind wie die drei Hauptträger drittes Lager in der Mitte erhält. In der Bo-
über Kopfbolzendübel mit der Fahrbahn genebene wird die Bogeneinspannung üb-
schubsteif verbunden. Die Verbundplatte licherweise bei außenliegenden Verstei-
ist nicht vorgespannt, sondern nur mit Be- fungsträgern durch die Versteifungsträger
tonstahl bewehrt. realisiert. Im System der Amperbrücke müs-
sen die kräftigen diagonalen Verbands­stäbe,
Bogenstabilität die zu den Bogenfußpunkten führen, zum
Typisch für eine Vielzahl von Stabbogen- Teil diese Aufgabe übernehmen. Die Tor­
verbundbrücken wird auch bei der Amper- sionssteifigkeit des Endquerträgers insbe-
brücke auf einen oberen Stabilisierungsver- sondere bei Ausbildung des Endquerträgers
band zwischen den Bogen verzichtet. Da- mit Kastenquerschnitt, wie man sie bei an-
durch werden nicht nur, wirtschaftlich deren Brücken findet, wirkt ebenfalls in
günstig, zusätzliche Bauglieder eingespart, diesem Sinne mit. Während im Endzustand
sondern es entfällt auch die schwierige die horizontale Einspannung durch die bis
Unterhaltung des Verbands oberhalb der an den Bogen herangeführte Fahrbahnplat-
Fahrbahn. Die Folge ist, dass der Bogen aus te gewährleistet ist, stellt im Bauzustand
seiner Ebene nur durch die Einspannung ohne Fahrbahnplatte die Abtragung der am
am Bogenfußpunkt stabilisiert wird. Typi- Bogenfußpunkt immer auch sich einstel-
scherweise erhalten diese Bogenformen lenden horizontalen Biegemomente um die
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 403

Bild 5.4.4-10   Bogenbrücke über den Britzer Verbindungskanal [Foto und Computersimulation


www.short-cuts.de]

vertikale Lagerachse besonders für die ent- Stabbogensystemen die Lösung mit zwei
scheidenden Betonierlastfälle eine Schwie- Bogen jeweils links und rechts der Fahr-
rigkeit dar. Hier kann bei Systemen wie der bahn eine Art optimale Standardlösung
Amperbrücke nur das horizontale Vieren- dar. Beide Bogen werden etwa gleichmäßig
deelsystem aus biegesteifen Stahllängs- und ausgenutzt, einseitige Beanspruchungen im
querträgern unter Berücksichtigung auch Querschnitt verteilen sich nach dem Hebel-
der horizontalen Biegesteifigkeit der Ver- gesetz auf beide Bogen. Trotzdem gibt es in
bandsstäbe wirken. Einzelfällen davon abweichende Systeme.
Trotz dieser konstruktiv und statisch So wurde bei der Bogenbrücke über den
nicht ganz einfachen Ausbildung der Bo- Britzer Verbindungskanal eine Drei – Bo-
geneinspannung wird man eine horizontale genlösung ausgeführt, vgl. Bild 5.4.4-10,
Verstrebung zwischen den Bogen als Rah- [Svensson et al., 2000]. Eine Zwei – Bogen
men- oder Verbandssystem nur anordnen, Lösung hätte bei der großen erforderlichen
wenn zu den horizontalen Lasten aus Wind Fahrbahnbreite von 2 × 15,25 m zu einer
und Bogenstabilität noch weitere Abtriebs- großen Querträgerbauhöhe geführt, die bei
kräfte abzutragen sind: zum Beispiel aus dem einzuhaltenden Lichtraumprofil über
der Neigung der Bogenebenen wie bei der dem Kanal nicht möglich war. Zwei ge-
Elbebrücke Dömitz oder wegen eines Bo- trennte Überbauten mit insgesamt vier Bo-
genknicks, wie es bei der Aufweitung der gen wurden wegen des zusätzlich dafür er-
Fahrbahn bei der Bogenbrücke bei Calbe forderlichen Flächenbedarfs nicht gewählt.
über die Saale [Fiedler/Ziemann, 1997] er- Die Ausführung des über 112 m führen-
forderlich war. den Stabbogensystems entspricht darüber
hinaus den üblichen Systemen mit außen
(c) Sonderformen liegenden Versteifungsträgern und einer an
die Versteifungsträger herangeführten be-
Bogenanzahl wehrten nicht vorgespannten Stahlbeton-
Ähnlich wie bei den Deckbrücken der zwei- platte, die in Längsrichtung zwischen den
stegige Plattenbalken stellt auch bei den Querträgern spannt. Obere Streben wur-
404 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.4.4-11   Bogenbrücke über den Britzer Verbindungskanal, Querschnitt

den zwischen den Bogen angeordnet, um Im Unterschied dazu handelt es sich bei
u. a. die Abtriebskräfte aus den um 10° ge- der Donaubrücke Fischerdorf um einen
neigten äußeren Bogenebenen aufzuneh- ­einzigen Mittelträger – Stabbogen, siehe
men. Der Mittelbogen erhält etwa die drei- [Nather, 1994]. Nach dem Sonderentwurf
fache Belastung der Außenbogen, ein deut- der Fa. Thyssen Engineering GmbH, Werk
liches Zeichen dafür, dass wie bei allen Klönne wurde das Stabbogensystem aus
Mehrträgersystemen gegenüber der Aus- Stahl mit zwei Versteifungsträgerkästen
führung mit nur zwei Tragebenen durch die aus Verbund mit schlaff bewehrter Stahlbe-
Durchlaufwirkung in der Quertragrichtung tonfahrbahnplatte ausgeführt. Die Kästen
eine Überdimensionierung erfolgt. der Versteifungsträger, siehe Bild 5.4.4-12,

Bild 5.4.4-12   Donaubrücke Fischerdorf, Querschnitt


5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 405

Bild 5.4.4-13   Mainbrücke an der NATO-Rampe, Ansicht

und der mehr als 3,4 m breiten End­ Ausfachung


querträger bilden einen waagerecht lie­ Üblicherweise werden Stabbogenbrücken
genden geschlossenen Rahmen. Verstei- mit senkrechten Hängern ausgestattet. De-
fungsträger und Bogenträger sind über je ren Aufgabe ist es, die Lasten aus der Fahr-
acht Koppelquerträger und Hänger ver- bahn in den Bogen „hochzuhängen“, bzw.
bunden. als „Schubhaut“ zwischen Bogendruckkraft
Die Ausbildung mit zwei getrennten und Versteifungsträgerzugkraft zu wirken.
Kästen als Versteifungsträger gewährleistet Sie beteiligen sich also auch nur an der Ab-
auch eine ausreichende Steifigkeit bei ein- tragung der symmetrischen Lastanteile,
seitiger Belastung, wie es insbesondere er- während die antimetrischen Lasten z. B. aus
forderlich ist für die im Hinblick auf eine Verkehr allein durch die Versteifungsträ-
spätere Sanierung berücksichtigten Last­ gerbiegung aufgenommen werden, vgl. Bild
fälle 5.4.4-1 und -2. Im Unterschied dazu wurde
die Mainbrücke an der NATO-Rampe zwi-
• Entfernung des Belags und der Abdich-
schen Sulzbach und Niedernberg [Schö-
tung auf der einen Richtungsfahrbahn
mig, 2000] mit einer Stützweite von ca.
bei voller Verkehrslast auf der anderen
150 m mit einem Diagonalfachwerk anstel-
Seite
le der Hänger geplant, um so den Bogen
• Teilausbau einer der beiden Fahrbahn-
und seine Ausfachung auch an der Abtra-
platten auf 20 m
gung unsymmetrischer Lasten zu beteili-
Die Planung der Donaubrücke Fischerdorf gen. Durch das Gewicht der Betonfahrbahn
ist auch ein Beispiel dafür, welchen hohen werden die sehr schlanken Diagonalen
Stellenwert die Dauerhaftigkeit der Kon- quasi auf Zug vorgespannt, so dass die
struktion bei den Bauherren heute hat. So Druckkräfte aus der Fachwerkwirkung in
wurden nicht nur eventuelle Sanierungs- erster Linie nur die Zugkräfte aus ständigen
maßnahmen der Betonfahrbahn sorgfältig Lasten in den Diagonalen abbauen. Durch
im voraus geplant, sondern vom Aufsteller die Diagonalausfachung können die Ver-
wurde – für eine Straßenbrücke in Deutsch- steifungsträger mit einer niedrigeren Bau-
land seinerzeit sehr ungewöhnlich – ein höhe ausgebildet werden.
Betriebsfestigkeitsnachweis gefordert. In Trotz der beschriebenen Vorteile gibt es
Zukunft werden nach den Regeln des euro- nur wenige Stabbogenbrücken, bei denen
päischen Normenwerkes Ermüdungsnach- eine solche Ausfachung gewählt wurde.
weise grundsätzlich auch für Straßenbrü- Hier spielt zum einen sicher die nicht ganz
cken zu führen sein, es sei denn, man kann einfach zu erreichende optimale ästhetische
durch konstruktive Maßnahmen wie bei Fachwerkaufteilung eine Rolle. Zum ande-
orthotropen Stahlfahrbahnen eine ermü- ren ist die Vorspannung in den Diagonalen
dungsgerechte konstruktive Ausbildung erst im Endzustand in voller Höhe vorhan-
nachweisen. den, so dass unter Umständen für Zwi-
406 5 Haupttragwerke der Überbauten

schenzustände und wenig belastete Diago- Deponieverlagerung am Fuße eines der


nalen doch eine aufwendige Vorspannung Pfeiler vermieden werden. Ebenso war es
erfolgen muss. möglich, den Überbau, der über Pfeiler
Die Abwägung zwischen wirtschaftli- und Bogenstützen nur noch maximal über
chen und technischen Möglichkeiten und 42 m spannt, wesentlich schlanker zu ge-
den Ansprüchen an die ästhetische Gestal- stalten.
tung spielt zunehmend bei der Planung von Der Bogen besteht aus einem zwei­
Brücken eine entscheidende Rolle. Wie die zelligen Stahlbetonkasten, der von beiden
Stabbogenentwürfe über den Mittellandka- Talseiten aus im Freivorbau gefertigt
nal [Beuke, 1998] zeigen, werden zum Teil ­wurde.
auch aus rein architektonischen Gründen Der Verbundüberbau ist ein Stahlkasten
sehr ungewöhnliche ­B ogenfor­men und mit aufliegender Betonfahrbahn, die durch
-ausfachungen gewählt. zusätzliche äußere Diagonalen gestützt
wird, siehe Bild 4.2.3-8, Abschnitt 4.2.3.3.
Die Diagonalen sind über ein mit der
5.4.4.2 Bogenbrücken ­Fahrbahnplatte im Verbund liegendes
­Zugband kurzgeschlossen. Dieser querver-
Echte Bogenbrücke laufende Verbundträger wirkt nicht nur im
Wie bereits für die Stabbogenbrücke ge- Querrahmensystem des Kastens mit, son-
schildert, tragen Bogentragwerke ihre Las- dern stellt gleichzeitig eine örtliche Stüt-
ten bevorzugt über Normalkräfte ab, d. h. zung für die Platte dar. Die kombinierte
der Bogen wird auf Druck beansprucht. Im Wirkung aus Querzug, Biegung und ört­
Gegensatz zur Stabbogenbrücke werden licher Lastabtragung erfordert bei diesem
­jedoch bei der echten Bogenbrücke die ungewöhnlichen Verbundträger, den man
­Horizontallasten aus der Bogenwirkung am auch als bewehrten Betonbalken mit außen
Widerlager in den Baugrund abgegeben. Es liegender Stahlbewehrung ansehen könnte,
treten also keine Zugkräfte im Fahrbahn- einige besondere Überlegungen hinsicht-
träger auf. Diese Art der Lastabtragung lich Bemessung und Konstruktion [Denzer
setzt jedoch eine entsprechend steife Grün- et al., 2000].
dung voraus, die die Horizontalverschie- Eine grundsätzliche Besonderheit der
bungen am Bogenfußpunkt verhindert. Im Brücke ist der einteilige Überbau der Brü-
folgenden Beispiel sind diese Vorausset- cke. Beim einteiligen Überbau muss die
zungen gegeben. Möglichkeit der Erneuerung einer Rich-
Die Talbrücke über die Wilde Gera im tungsfahrbahn bei gleichzeitiger Aufrecht-
Thüringer Wald ist eine Bogenbrücke mit erhaltung des Verkehrs auf der anderen
obenliegender Fahrbahn, die über einen Richtungsfahrbahn gegeben sein. Dies
tiefen Talgrund führt (Längsschnitt Bild führt zu erheblichen Zusatzbelastungen im
5.4.4-14), siehe [Denzer et al., 2000], Überbau, die bei der Bemessung und der
­[Wölfel, R. 1999]. Der nahe unter der konstruktiven Durchbildung berücksich-
­Geländeoberkante anstehende tragfähige tigt werden müssen. Problematisch ist, dass
Fels ermöglicht eine Flachgründung der der torsionssteife Kastenquerschnitt über
Bogenfußpunkte. Der ursprüngliche Ver­ einen gewissen Bereich geöffnet wird und
wal­tungs­entwurf sah eine Balkenbrücke Torsionsmomente nur noch über Wölb-
mit bis zu 110 m hohen Pfeilern vor und kraftbeanspruchung abgetragen werden
Stützweiten zwischen 60 und 114 m. Durch können. Auch verschieben sich Schubmit-
den Sonderentwurf mit einem weitspan- telpunkt und Querschnittshauptachsen in
nenden Bogen konnte eine erforderliche diesem Bereich. Die Untersuchungen für
5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 407

Bild 5.4.4-14   Talbrücke Wilde Gera, Längsschnitt

die Talbrücke Wilde Gera haben gezeigt, Ein vergleichbares Haupttragwerk wie
dass der Zustand „Austausch der Fahrbahn die Brücke „Wilde Gera“, jedoch mit ande-
einer Brückenhälfte über eine Länge von rem Materialeinsatz, hat die Brücke Pùnt la
12 bis 15 m“ zum bemessungsrelevanten Resgia bei Innerferrera in der Schweiz [Ge-
Lastfall für den Querrahmen wird. Zudem rold, 2001]. Die Spannweite zwischen den
müssen beim Austausch der Fahrbahn in Kämpfern beträgt 45,7 m.
den Endfeldern zusätzliche Maßnahmen Auch hier handelt es sich um eine echte
zur Abhebesicherung am Widerlager be- Bogenbrücke mit aufgeständerter Fahr-
rücksichtigt werden. Im Hinblick auf den bahn (Bild 5.4.4-15). Bogen, Stützen und
Trennschnitt in Plattenmitte beim Aus- Fahrbahnträger bestehen jedoch aus BS-
tausch einer Fahrbahnhälfte ist es erforder- Holz. Die Betonfahrbahnplatte bildet mit
lich, dass in Brückenmitte ein zusätzlicher den Längsträgern einen Verbundquer-
Längsträger zur Unterstützung der Fahr- schnitt. Die Verdübelung erfolgt über in die
bahnplatte angeordnet wird, der im Fall der Holzträger eingeleimte Bewehrungsstäbe
Talbrücke Wilde Gera als Stahlbetonbalken (siehe Bild 5.4.4-16). Für die Längsträger
ausgeführt wurde. und den mittleren Bereich des Bogens wirkt

Bild 5.4.4-15   Bogenbrücke Pùnt la Resgia (Quelle M. Gerold)


408 5 Haupttragwerke der Überbauten

dung zur Aufnahme der großen Horizon-


talkräfte unverhältnismäßig aufwendig
und teuer geworden wäre, hat man sich für
eine modifizierte Bogenbrücke entschie-
den. Die beiden leicht gegeneinander ge-
neigten Stahl­bogen, von denen die Ver-
bundfahrbahn abgehängt ist, wird an den
Kämpfern über Schrägstreben aus Stahl ge-
gen das Fahrbahndeck abgestützt. Damit
wird ein Teil der Bogenschubkraft in die
Bild 5.4.4-16   Detail Holz-Beton-Verbund
Verbundträger zurückgeführt und dort als
Zugkraft im Fahrbahndeck kurzgeschlos-
die auskragende Betonplatte als konstruk­ sen. Die Belastung auf den Baugrund wird
tiver Holzschutz. Außerdem wurden die so erheblich reduziert, vgl. [Schmackpfeffer
Holzbauteile durch Spritzen bzw. Tauchen et al.,1999], [Gebert/Schmackpfeffer, 2000],
zusätzlich imprägniert. [Heiland et al., 2000]. Bei dem modifizier-
ten Bogensystem handelt es sich um ein
Hybridbogenkonstruktion Hybridsystem zwischen dem Stabbogen,
Ganz anders als die Talbrücke Wilde Gera der die vollständige Zugkraft über die Fahr-
ist die Saalebrücke Beesedau nicht auf trag- bahn leitet und dem echten Bogen, der­
fähigem Fels gegründet, sondern auf relativ den gesamten Bogenschub in die Grün-
weichem Untergrund. Da eine starre Grün- dung abträgt.

Bild 5.4.4-17   Saalebrücke Beesedau, Ansicht

Bild 5.4.4-18   Saalebrücke Beesedau, Querschnitt


5.4 Bogen- und Stabbogenbrücken 409

Bild 5.4.4-19   Elbebrücke Pirna, Längsschnitt

Der Überbauquerschnitt besteht aus zwei Diese Konstruktionsform ist in jüngster


getrennten Verbundkästen, die nur im Ab- Zeit bei einer Reihe von Verbundbrücken
stand von 13,20 m über die Hängerquerträ- realisiert worden. Beispiele sind u. a. die
ger aus Stahl und die Bogen- und Schräg- Isarbrücke Grünwald [Fink, 1999] und als
strebenquerträger gekoppelt sind. Diese attraktive Rohrkonstruktion die Humboldt­
Längstrennung der Fahrbahnplatte dient hafenbrücke in Berlin [Schlaich/Schober,
dazu, ein späteres halbseitiges Auswechseln 1999b]. In diesen beiden Fällen handelt es
der Fahrbahnplatte zu ermöglichen. Ähn- sich um Stahlbogen, die einen Verbund­
lich wie bei der Talbrücke Wilde Gera hat überbau bzw. einen Spannbetonüberbau
man hierfür erhebliche zusätzliche Aufwen- tragen und wegen des geringeren Gewichts
dungen in Kauf genommen. Insbesondere und der Möglichkeit der Vorfertigung ver-
konnten die Querträger nicht als Verbund- gleichsweise einfach vorgebaut und an die
träger sondern nur als Stahlträger ausge- Überbaukonstruktion angehängt werden
führt werden und mussten für den Aus- können.
gleich bei einseitiger Belastung be­messen Im Gegensatz dazu verursacht die Er-
werden [Gebert/Schmackpfeffer, 2000]. stellung der Stahlbetonhalbbogen bei der
Die Saalebrücke Beesedau steht auch Elbebrücke Pirna im Freivorbau mit Hilfs-
­deshalb als Mischsystem dem Stabbogen pylon und Abspannung einen erheblichen
nahe, weil sie im Unterschied zu den meisten Aufwand. Aufwendig ist auch die Kopplung
echten Bogenbrücken keine aufgeständerte zwischen Betonbogen und Stahlkasten des
Fahrbahn hat, wie z.  B. auch die Talbrücke Verbundüberbaus, siehe Bild 5.4.4-20. Der
Wilde Gera, sondern eine unten liegende Überbau wird in diesem Bereich als Dop-
Fahrbahnkonstruktion, die über Rundstahl- pelverbundquerschnitt mit unterer Beton-
hänger an den Bogen angehängt ist. platte geführt. Mit Dübel gespickte Stahl-
schwerter ragen in den Bogenquerschnitt
In sich verankerte Bogenbrücke hinein und schließen die Bogendruckkraft
Das dritte Beispiel, die Elbebrücke Pirna mit der im Überbau vorhandenen Zugkraft
[Eilzer et al., 1999], entspricht als Bogen kurz. Die Übertragung von konzentrierten
mit oben liegender Fahrbahn wieder eher hohen Normalkräften unmittelbar über die
dem typischen Bild einer Bogenbrücke. Verbundfuge zwischen Stahl und Beton
Allerdings wird die Druckkraft des über stellt eine besondere Problematik dar. Man
134 m spannenden Stahlbetonbogens über kann sie vermeiden, wie bei der Saalebrü-
der Elbe vollständig im Verlauf der über cke Beesedau, bei der die Kraftübertragung
90 m gestützten Seitenfelder über Bogen- zwischen Stahlbogen und Verbundüberbau
teilstücke in die Stahlverbundkonstruktion nur über die Stahlkonstruktion erfolgt.
des Überbaus zurückgeführt, siehe Bild Die genannten Beispiele der in sich ver-
5.4.4-19. ankerten Bogenbrücken zeigen die beson-
410 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.4.4-20   Elbebrücke Pirna, Anschlusskonstruktion Bogen-Überbau

dere Vielfalt der Lösungen, die im Ver- Pylon(e). Der Streckträger wird so mit den
bundbrückenbau möglich ist. Optimale Kabeln verbunden, dass er quasi elastisch
Ent­würfe erhält man bei konsequenter gelagert ist. Die Kabel sind am Pylon befes-
Mischkonstruktion, die günstige Herstel- tigt und geben dort ihre Kräfte ab.
lung mit ästhetischem filigranen Aussehen Man unterscheidet drei Grundsysteme
und Flexibilität bei späterem Fahrbahnaus- (Tabelle 5.5‑1):
tausch erlaubt. Warum soll man zum Bei-
1. Bündelsystem
spiel im Betonbogen nicht einen innen lie-
2. Harfensystem
genden Stahlträger als Hilfsträger für die
3. Fächersystem
Schalung im Bauzustand und als Koppel­
element in der Verbundfuge im Endzustand Beim Bündelsystem schneiden sich alle
anordnen? Die Entwicklung wird im Be- ­Kabelachsen in einem Punkt der Pylonachse
reich dieser hybriden Konstruktionen si- und werden in einer Verankerungskonstruk-
cher noch weitergehen. tion verankert. Bei vielen Kabeln kann dies
am Pylonkopf jedoch zu Platzproblemen
5.5 Schrägkabelbrücken führen. Der Pylon wird nur durch Normal-
kräfte und somit günstig beansprucht. Bei
Gerhard Girmscheid perspektivischer Ansicht führen die Kabel­
(außer Abschnitte 5.5.5.1.3 und 5.5.6) überschneidungen meist zu einem ästhetisch
wenig befriedigenden Erscheinungsbild.
5.5.1 Konstruktionsgrundsätze Das Harfensystem hat ein besonders
schönes, ästhetisches Aussehen. Die Kabel
Im internationalen Bereich haben sich in werden im Pylon in quasi äquidistanten Ab-
den letzten Jahrzehnten Schrägkabelbrü- ständen verankert. Sie erhalten aufgrund
cken für große Spannweiten als äußerst ihrer gleichen Neigung gleich hohe Zugkräf-
wirtschaftlich erwiesen. te [Leonhardt/Zellner, 1972]. Der Pylon
Schrägkabelbrücken bestehen aus fol- wird nicht nur durch Normalkräfte, sondern
genden Traggliedern: Streckträger, Kabel, auch durch Biegemomente beansprucht.
5.5 Schrägkabelbrücken 411

Tabelle 5.5‑1   Grundsysteme von Schrägkabelbrücken


Systeme

Das Fächersystem verbindet zum gro- chen die Kabel in quasi äquidistanten Ab-
ßen Teil die Vorteile der beiden oben ge- ständen am Streckträger angeordnet sind
nannten Systeme. Die Kabel werden gleich- (Bild 5.5‑1).
mäßig ausgenutzt. Die Verankerung in den Schrägkabelbrücken mit wenigen gro-
Pylonen ist genügend weit auseinander ge- ßen Kabeln benötigen:
zogen. Aufgrund der vielen Kabel bildet
sich ein Schleier aus relativ dünnen Kabeln 1. besondere Baubehelfe, um die großen
aus. Dadurch wird ein ästhetisch befriedi- Bereiche zwischen den Aufhängungen
gendes Erscheinungsbild geprägt. zu überbrücken,
Der Entwicklungstrend bei Schrägkabel- 2. besondere lokale Versteifungen im
brücken geht von Systemen mit wenigen Streckträger,
großen Kabeln zu den kleinen Multikabel- 3. besondere Maßnahmen zur Veranke-
systemen [Leonhardt et al., 1974], bei wel- rung der Kabel im Querträger.

Bild 5.5‑1   Entwicklungstendenz vom Mono- zum Multikabelsystem


412 5 Haupttragwerke der Überbauten

Tabelle 5.5‑2  Gegenüberstellung von Systemen mit einer Kabelebene und zwei Kabelebenen
Eine Kabelebene Zwei Kabelebenen
Torsionssteifer Querschnitt Kein torsionssteifer Querschnitt erforderlich
1 erforderlich (Hohlquerschnitt) (z. B. U-förmiger Querschnitt ausreichend),
somit leichter Streckträger
Gegenüber zwei Kabelebenen: Gegenüber einer Kabelebene:
Größere Kabel bei gleichem Abstand Durch geringere Kabeldurchmesser
2
oder gleiche Kabel bei geringerem einfachere Verankerung
Abstand
3 – Höhere räumliche Systemsteifigkeit
Beispiele: Beispiele:

Zudem sind die großen Kabel oft nicht sich weiter steigern, wenn man zwei Kabe-
mehr vorkonfektioniert und müssen daher lebenen verwendet (Tabelle 5.5‑2).
auf der Baustelle hergestellt werden. Durch eine enge Seilaufhängung ist­
Die Multikabelsysteme ermöglichen erst der Streckträger elastisch gebettet, weshalb
eine ökonomische, rationelle Lösung. Den nur kleine Querkräfte und Biegemomente
Kabelabstand wählt man so eng, dass: entstehen [Girmscheid, 1987-2]. Der
­Vergleich mit den Biegemomenten eines
1. konfektionierte Kabel eingesetzt werden
gleich weit gespannten Balkens zeigt­
können,
die Größenordnung der Unterschiede
2. beim Freivorbau keine besonderen
­(Tabelle 5.5‑3).
Hilfseinrichtungen erforderlich sind
Wie aus dem prinzipiellen Schnittkraft-
und somit ein kostengünstiger und
verlauf zu ersehen ist (Tabelle 5.5‑3, Schräg-
schneller Bauablauf gewährleistet ist,
kabelsystem), ist die in Längsrichtung wir-
3. das Auswechseln von einzelnen Kabeln
kende Normalkraft, die durch die Horizon-
unter Verkehr möglich ist.
talkomponente der Schrägkabel hervorge-
Bei Multikabelsystemen werden die Biege- rufen wird, die für die Beanspruchung
momente und die Querkräfte im Streckträ- meist dominierende Schnittkraft im Streck-
ger klein, und die Brücke wird gleichmäßig träger [Girmscheid, 1987-2]. Bei einer glo-
beansprucht. Daraus folgt eine geringe balen Traganalyse einer Schrägkabelbrücke
Bauhöhe, die nur vom Kabelabstand und gelangt man zu der Feststellung, dass der
damit, bei Einhaltung der Stabilitätskrite­ gesamte Streckträger in Analogie zum ela-
rien, von der Gesamtlänge der Brücke un- stisch gebetteten Balken betrachtet werden
abhängig ist [Girmscheid, 1987-1]. Die kann. Dadurch ergeben sich folgende do-
Wirtschaftlichkeit der Konstruktion lässt minierende Schnittgrößen:
5.5 Schrägkabelbrücken 413

Tabelle 5.5‑3  Biegemomentenvergleich von Balken- und Schrägkabelbrücke


Balkensystem Schrägkabelsystem
1

1. Streckträger: gelangt man zu dem Konzept, den Streck-


große Normalkräfte; kleine, zwischen träger möglichst leicht zu bauen, um gerin-
den Seilaufhängungen kontinuierlich ge Kabelquerschnitte zu bekommen. Dies
verlaufende Biegemomente hat weiter zur Folge, dass sich die Massen
2. Platte: nicht nur beim Streckträger und bei den
meist durch die Normalkräfte im Streck- Kabeln reduzieren, sondern auch bei den
träger im gesamten Bereich unter Druck- Pylonen und der Gründung. Allerdings ist
spannungen noch darauf hinzuweisen, dass Kabel so-
3. Seile: Zug wohl auf statische Zugbeanspruchung als
4. Pylon: auch auf Ermüdungsbeanspruchung be-
große Normalkräfte (gesamte Eigen­last + messen werden müssen. Wird der Streck-
Verkehrslast), möglichst geringe Mo- träger sehr leicht, z. B. bei einer reinen
mente aus exzentrischem Verkehr etc. Stahlversion, kann die Eigenlast bis auf die
Größenordnung der Verkehrslast sinken
Eine wirtschaftliche Lösung ergibt sich im- [Roik et al., 1986]. Bei diesen im Vergleich
mer, wenn man die spezifischen Eigen- zur statischen Beanspruchung hohen
schaften von Beton und Stahl konsequent Spannungsschwingweiten kann die sta­
nutzt. Man sollte daher Tragglieder, die tische Zugfestigkeit des Kabels nicht aus­
hauptsächlich unter Druckspannungen ste- genutzt werden. Daher ist die reine Stahl-
hen, aus dem verhältnismäßig billigen version mit ihrer aufwendigen orthotropen
Stahlbeton herstellen, und Tragglieder, die Platte trotz ihres geringen Gesamtgewich-
stark durch Zugspannungen beansprucht tes nur bei sehr großen Stützweiten oder
werden, aus Stahlprofilen. Wenn man diese bei extrem hohen Schlankheiten ökono-
Kriterien unter dem Aspekt der Gesamtop- misch. Stattdessen verwendet man bei
timierung des Bauwerks zusammenfasst, ­kleineren und mittleren Stützweiten leichte
414 5 Haupttragwerke der Überbauten

und kostengünstige Streckträger aus Stahl- Das Kabel besteht aus der Verankerung,
beton oder Verbundkonstruktion. Ökono- dem Seil und dem Korrosionsschutz; neben
mische Lösungen erhält man für diese der statischen Festigkeit muss es vor allem
Stützweiten, wenn man folgende Trag­ eine ausreichende (dynamische) Ermü-
glieder auswählt: dungsfestigkeit haben, denn die Kabelkräf-
• Stahlbeton- oder Stahlhauptträger te weisen oft eine große Schwingweite zwi-
• Stahlbetonplatte statt orthotroper Stahl- schen Ober- und Unterspannung auf. In
platte Tabelle 5.5‑4 sind einige Charakteristiken
• Stahl- oder Spannbetonquerträger der Kabel zusammengestellt [DIN 18809,
• Stahlbetonpylon mit Vorspannung im 1987], [DIN 18800, 1990], [prEN 1993-1-
Verankerungsbereich 11, 2001].
Die Vollverschlossenen Seile sind sehr
aufwendig in der Herstellung. Dagegen
werden die Paralleldrahtseile und Spann-
5.5.2 Konstruktionselemente
stäbe nur in sorgfältig gekämmten paral­
lelen Lagen gebündelt und dann mit
5.5.2.1 Schrägkabel
einer Litze in großer Ganghöhe um-
schnürt, was wesentlich geringere Her­
Die Schrägkabel sind die markanten Trag­
stellungskosten verursacht. Es ist nicht
elemente der Schrägkabelbrücke. Sie tragen
verständlich, dass bei Wettbewerben am
wesentlich zur Systemsteifigkeit und Sy-
Markt kaum eine preisliche Differenz
stemdämpfung bei. Heute verwendet man
zwischen den Seilarten festzustellen ist.
meist fabrikmäßig vorgefertigte Kabel, die
Daher ist es erforderlich, beim Entwurf
aus dem Seil und den Verankerungsköpfen
alle Optionen offen zu halten, um das
bestehen und mit einem endgültigen oder
günstigste Angebot im Hinblick auf die
temporären Korrosionsschutz versehen
Gesamtoptimierung der Konstruktion
sind. Die Geschlagenen Seile sowie die Par-
auszuwählen.
alleldrahtseile bestehen im Regelfall aus
Die günstigen, die Ermüdungsfestig-
Einzeldrähten mit 5–7 mm Durchmesser
keit steigernden Einflüsse bei Parallel­
[Merkblatt: Ebene Seiltragwerke, 1980].
seilen kommen bei Beton-Schrägkabel-
Diese Stahldrähte haben einen höheren
brücken nicht voll zur Wirkung. Damit
Kohlenstoffanteil als Baustahl und dement-
sind auch vollverschlossene Seile trotz­
sprechend eine höhere Festigkeit, die durch
des geringeren E-Moduls eine gute
eine Kaltverformung (Drahtziehen) noch
­Lösung.
wesentlich erhöht wird. Die höhere Festig-
Die Steifigkeit der Schrägkabelbrücken
keit wird jedoch erkauft durch eine wesent-
hängt größtenteils von der Steifigkeit­
lich geringere Duktilität, die sich aus der
EA der Schrägkabel ab. Diese Steifigkeit
Bruchdehnung ablesen lässt. Für Schrägka-
wird jedoch nicht nur durch den E-­
belbrücken verwendet man meist folgende
Modul, der von der Seilart abhängt, be­
Seilarten:
einflusst, sondern auch durch den
1. Parallelseile mit Litzen oder Drähten ­Durchhang f der Seile [Ernst, 1965], der
[Andrä/Zellner, 1969] unabhängig von der Seilart ist (Bild
2. Vollverschlossene Seile [Havemann, 5.5‑2).
1962] Um in der Statik [Girmscheid, 1987-2]
3. Spannstabstahlbündel oder Einzelstäbe mit einem idealisierten geraden Seil ohne
[Finsterwalder et al., 1985], [Technische Durchhang arbeiten zu können, muss der
Unterlagen: Einzelspannglieder, 1986] Sekantenmodul errechnet werden, der den
5.5 Schrägkabelbrücken 415

Tabelle 5.5‑4  Seilarten für Schrägkabelbrücken

Richtgrößen Max – ∅ *) [mm]

E-Modul [104 N/mm2]


Bruchlast **) [kN]

Korrosionsschutz

Anwendung
Kabelart

Skizze

− Verzinken − Hilfsabspannung
Spiralseile

− Anstrich − Zugseile für die


− HDPE eng-extrudiert Montage
Rundlitzen- Vollverschlossene Offene

9700
110

15
− Mechanischer Schutz − Haupttragseile
durch verzinkte
Geschlagene Seile (Spiralseile)

Z-Drähte
− Innere Drähte
in Zinkstaub/Alumi­
Spiralseile

niumpulver
− Äußere Drähte
25500

mit Anstrich
167

16

− Verzinken − Hilfsseile für die


− Anstrich Montage
9 – 12
seile

1800
50

− Temporär: − Haupttragseile
Drähte gefettet,
gewachst
Paralleldraht-

− Permanent:
HDPE-Hüllrohr
ausgepresst mit plasti-
scher Masse auf
25000
seile

Wachsbasis
160

20

− Permanent
Litzen gefettet, ge-
Parallellitzen-

wachst in eng-extru-
Parallelseile

dierter HDPE-Um-
mantelung lose in
HDPE-Hüllrohr
30000
seile

eingezogen
160

19

− Anstrich − Haupttragseile
Stabbündel Einzel­
aus Einzel- stäbe

26-32
Stabspannstahl

− In Hüllrohr aus PE
oder Stahl mit Zement
injiziert
stäben

15000
250

20

*) Größere Durchmesser möglich


**) Ungefähre Größenordnung
416 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.5‑2   Steifigkeitsänderung des Seils in Abhängigkeit vom Durchhang

Durchhang berücksichtigt. Die elastische werden manchmal durch Ablösung der v.


Beziehung lautet: Kármánschen Windwirbel, meist aber
durch so genannte Regen-Wind-induzierte
Esek 1 Schwingungen angeregt.
6 = 005 (Gl. 5.5‑1)
E 1 + K · a2 · 10–6 Als Lösung von [Szabo, 1972]:

γ s2 · (σu + σo) · E · 106 ∂2 w ∂2 w


K = 0004 (Gl. 5.5‑2) m7 = S (Gl. 5.5‑3)
24 · σ o2 · σ u2 ∂t2
7
∂x2
Die folgenden durchschnittlichen Kabel­ ergeben sich die Eigenfrequenzen eines ge-
abstände haben sich als sinnvoll erwiesen raden Seils (Bild 5.5-3):
(Tabelle 5.5‑5):

Tabelle 5.5‑5  Kabelabstände in Abhängigkeit


von der Streckträgerkonstruktion
k·π
fk = 9 ·
l � S
4
m
3 k = 1, 2, 3, …
(Gl. 5.5‑4)
Streckträger Kabelabstand
Stahlbeton 5 – 10 m Das ungedämpfte Seil kann dabei bedenk-
lich große Amplituden (Resonanzbereich!)
Verbundkonstruktion 10 – 15 m erreichen. Um diese klein zu halten, muss
Stahl 15 – 25 m

Die Schwankungsbreite des Kabel­


abstands hängt von der Fahrbahnbreite
und Verkehrslast ab. Den Abstand er­
mittelt man aus der maximalen Seilkraft
für fabrikmäßig noch herstellbare Seil­
größen.
Das Einzelseil ist durch die geringe Bie-
gesteifigkeit, den kleinen Querschnitt und
die hohe Spannung schwingungsempfind-
lich wie eine Saite. Diese Schwingungen Bild 5.5‑3   Eigenschwingungen des Einzelseils
5.5 Schrägkabelbrücken 417

man bei v. Kármán-Schwingungen für eine 5.5.2.2 Streckträger


ausreichende Dämpfung und bei Regen-
Wind-induzierten Schwingungen für eine Die Aufgabe des Streckträgers besteht
raue Oberfläche und für das Abstreifen des darin:
Wasserstrahls sorgen.
1. die lokalen Lasten zu den Verankerun-
Die Gleichung für das gedämpfte Seil
gen der Kabel zu übertragen,
lautet [Szabo, 1972]:
2. dem Gesamtsystem bei der globalen
∂2 w   ∂2 w   ∂w Lastverteilung die nötige Steifigkeit zu
m7 2
= S 7 2
– p + β   5 (Gl. 5.5‑5) geben,
∂t ∂x ∂t
3. konzentrierte Lasten auf Nachbarkabel
S = Seilkraft zu verteilen.
p = Erregerkraft Wind pro Längeneinheit
Die betrachteten Schrägkabelsysteme sind
m = Seilmasse pro Längeneinheit
in sich verankerte Systeme, bei denen die
β = Geschwindigkeitsproportionale
Horizontalkomponenten der Kabelkräfte
Dämpfung
in den Streckträger eingeleitet werden und
nicht auf die Widerlager einwirken. Das
Die Dämpfung kann erfolgen durch:
führt dazu, dass die Horizontalkomponen-
1. Injizieren der PE-Hüllrohre mit Ze- ten der Kabel den von ihnen eingeschlosse-
mentmörtel, nen Bereich unter Druckspannung setzen
2. Anbringen von Neoprene-Ringen am [Girmscheid, 10/1987]. Somit erhält der
Ende der Stahlankerrohre (diese verhin- Streckträger durch die Kabel Drucknor-
dern auch Biegespannungen im Kabel malkräfte. Nur ein kleiner Bereich in der
am Ankerkopf), Mitte zwischen den ersten beiden Kabeln
3. Einbau von Stoßdämpfern im Kabelver- der Kabelebenen ist nicht unter Vorspan-
ankerungsbereich des Streckträgers, nung. Dieser Bereich wird bei Balken aus
4. Anbringen von negativ geneigten Stabi- Beton durch Längsspannglieder vorge-
lisierungsseilen. spannt, die meist bis in die nächsten zwei
Kabelfelder gezogen werden. Die Normal-

Tabelle 5.5‑6  Querschnitte für die Aufhängung der Streckträger


Aufhängung Direkt Indirekt

Beurteilung Vorteile: Nachteile:


1. Direkter Kraftverlauf 1. Kräfteumlenkungen
2. Kontinuierlicher Bauablauf 2. Zusätzliche Zwängung
3. Schwere Querträger
418 5 Haupttragwerke der Überbauten

kräfte im Streckträger sind für die Dimen- den, um die Lasten in die Kabelebene(n)
sionierung von entscheidender Bedeutung, einzuleiten (Tabelle 5.5‑6).
da die Biegemomente aus der Eigenlast re-
lativ klein und die Biegemomente aus Ver-
kehr nur etwas größer sind. Die große Nor- 5.5.2.3 Pylone
malkraft wirkt für Beton sehr günstig, da
die Zugspannungen überdrückt werden. Die Pylone sind Tragelemente mit überwie-
Dies lässt relativ einfache und leichte Quer- gender Normalkraftbeanspruchung [Girm-
schnitte zu, da alle Lasten von den Kabeln scheid, 1987-2] aus den Kabeln. Biegemo-
als elastische Auflager abgetragen werden. mente werden vorwiegend durch Brems-
Die Aufhängung des Streckträgers sollte kräfte, Temperatur, Wind und Erdbeben
so erfolgen, dass die Lasten direkt aus den hervorgerufen. Für die Verankerung der
Hauptträgern des Streckträgers ohne zu- Multikabelsysteme mit den beiden Kabeleb­
sätzliche Umlenkung über die Querträger enen bieten die Pylontypen der Tabelle
in die Kabel eingeleitet werden können 5.5‑7 eine mögliche Lösung. Freikragende
(Tabelle 5.5‑6). Bei Streckträgern, die als Pylontürme bilden in Querrichtung keinen
Trägerrost- und Hauptträger-Plattensystem Rahmen und sind deshalb verformungs-
ausgebildet sind, werden die Kabel in zwei weicher und daher anfällig für Torsions-
Ebenen angeordnet und direkt in den schwingungen (Tabelle 5.5‑8).
Hauptträgern des Streckträgers verankert. Die Gestalt der A-Pylone ergibt sich aus
Bei Kastenquerschnitten müssen im Regel- der Optimierung der Kosten des Gesamt-
fall zusätzliche Querträger angeordnet wer- bauwerks. Der A-Pylon verleiht dem Sys-

Tabelle 5.5‑7  Pylontypen für zwei Kabelebenen


Bezeichnung Pylonformen
1. Freitragende
Pylontürme

2. A-Pylone *)

*) A–Pylon mit Verankerungsstiel

3. H-Pylone und
Portalpylone
5.5 Schrägkabelbrücken 419

Tabelle 5.5‑8  Einfluss der Pylone auf das Verformungsverhalten des Streckträgers


Freikragender Pylon A-Pylon
System

Verformung S·1 S l S S
δ1 = 2 6 · l = 2 5 · l
EA EA EA � 4 �
δ1 = 5 S + 2 3 = 1,5 5 · l
EA
δ2 = 0 l S S
� �
δ2 = 5 3 = 0,5 5 · l
EA 2    EA

tem hohe Torsionssteifigkeit; dadurch ist ses System ist jedoch relativ verformungs-
ein leichter, offener Streckträger möglich weich in der Querrichtung. Man kann die
(Tabelle 5.5‑8). Die statische Form eines seitliche Verformung des Systems dadurch
„Zweischlags“ erzeugt nur geringe Biegung verkleinern, dass man die nach innen ge-
aufgrund der Eigenlast und während des stellten Beine kurz hält (Tabelle 5.5‑7).
Bauzustands. Die Pylonspitze verformt­ Wird aufgrund der Maßverhältnisse der
sich beim reinen A-Pylon, außer beim A- modifizierte A-Pylon zu weich, bildet man
Pylon mit aufgesetztem Verankerungsstiel, ein steifes Fachwerk unterhalb der Fahr-
seitlich nicht. Dadurch entstehen aufgrund bahn aus, welches nur Normalkräfte erhält
der hohen Kabelkräfte, im Gegensatz zu und somit vernachlässigbare Knotenver-
den Portal- und H-Pylonen, keine zusätzli- schiebungen aufweist. Diese Fachwerk­
chen Biegemomente. A-Pylone sind nur aussteifung erhöht die Quersteifigkeit sehr,
dann angezeigt, wenn das Höhen-Breiten- die besonders bei Erdbebeneinwirkung er-
Verhältnis im Bereich von 0,3 ≤ b/h ≤ 0,7 forderlich ist. Die Herstellung dieser Pylon-
bleibt. Je größer das Verhältnis b/h wird, form ist in Beton jedoch sehr aufwendig.
umso stärker wird die Spreizung und die Bei H-Pylonen muss die unterschiedli-
dazu gehörige Horizontalschubkraft im che Horizontalkraft aus den beiden Kabele-
Fundament. Zudem ist eine zu stark ge- benen infolge einseitiger Verkehrslast durch
neigte Pylonsäule aus Beton schwierig her- die Biegesteifigkeit der Querriegel am Py-
stellbar. Nicht nur die damit verbundene lonkopf und die Torsionsfestigkeit der Py-
Kostensteigerung, sondern auch das ästhe- lonbeine aufgenommen werden.
tische Aussehen verlangt eine Modifizie- Da die Verankerung der Kabel am Py-
rung der Form. lonkopf des A-Pylons durch die räumliche
Will man die positiven Einflüsse der A- Neigung der Seile sehr kompliziert ist, geht
Pylone auf die Torsionssteifigkeit und die man heute wieder stärker zu den nicht ganz
damit verbundene aerodynamische Stabili- so optimalen H-Pylonen und Portal-Pylo-
tät beibehalten, so führt man einen Quer- nen über. Die H- und Portal-Pylontypen
balken (Zug) unterhalb der Fahrbahn ein haben bei der Herstellung und Montage fol-
und neigt die Pylonbeine nach innen. Die- gende Vorteile:
420 5 Haupttragwerke der Überbauten

1. Die Verankerungen an den Pylonen und Als Nachteile kann man anführen, dass:
am Streckträger werden einfacher, weil
die Seile nur noch in einer Ebene geneigt 1. zwei Kabelmontageeinrichtungen in den
sind. Pylonstielen notwendig sind,
2. Die Kabelebenen sind auf die beiden Py- 2. mehr Massen erforderlich sind,
lonstiele verteilt, somit ergeben sich kei- 3. der H-Pylon in Querrichtung ein Rah-
ne Platzprobleme für die Spannpresse. men ist, der, weil weicher als ein reiner
3. Die Herstellung vereinfacht sich. A-Pylon, mehr Biegesteifigkeit verlangt.

Tabelle 5.5‑9  Auswirkung der Lagerung auf die Zustandsgröße


1. System mit Seiten- und Hauptöffnung Beurteilung
Vorteile:
Momente und Querkräfte
bleiben klein und gleichmäßig
verteilt über die gesamte
Brückenlänge. Damit ist ein
Streckträger mit geringer,
konstanter Höhe möglich.
Nachteile:
Abhebende Kräfte durch Ver-
kehrslast und evtl. Eigenlast
entstehen am festen bzw.
beweglichen Lager durch die
Rückhängekabel. Relativ gro­
ßer Endtangentenwinkel ϕE
verschlechtert das fahrdyna-
mische Verhalten.

2. System mit Außen-, Seiten- und Hauptöffnung Beurteilung

Vorteile:
Die Außenfelder erzwingen
einen kleinen Endtangenten-
winkel ϕE sowie kleinere Ver-
formungen v in der Haupt­
öffnung (Eisenbahnverkehr).
Nachteile:
Diese positiven Aspekte wer-
den durch relativ große
Schnittgrößen am Übergang
von der Außen- zur Seiten­
öffnung erkauft. Damit ist ein
größerer Querschnitt der
Hauptträger in den Außenfel-
dern und am Übergang ins
Seitenfeld erforderlich. Dies
erschwert und verteuert die
Bauausführung.
5.5 Schrägkabelbrücken 421

5.5.3 Lagerbedingungen tem 2). Eine weitere Möglichkeit, den End-


tangentenwinkel zu verkleinern, besteht
Die Lagerung des Gesamtsystems – beste- darin, das System über die Seitenpfeiler als
hend aus den Hauptkonstruktionselemen- Kragarm zu verlängern und die Vorland-
ten Streckträger, Kabel und Pylon – in brücke dort gelenkig aufzulagern.
Längsrichtung hat ganz entscheidenden Die Lagerung des Längssystems hat ganz
Einfluss auf die Schnittgrößenverteilung entscheidenden Einfluss auf das Verhalten
[Girmscheid, 1987-2]. Das Ziel ist, eine der Pylone [Girmscheid, 1987-2]. Die
gleichmäßige Querkraft- und Momenten- Längs­systeme können freibeweglich an den
verteilung infolge Eigenlast zu erhalten, Seitenlagern geführt oder an einem oder
möglichst ohne lokale Sprünge. Durch allen Endpfeilern fest gelagert werden (Ta-
­diese gleichmäßige Beanspruchung kann belle 5.5‑11). Der Streckträger und der Py-
man den Streckträger über die gesamte lonkopf des Systems 1 (Tabelle 5.5‑11) kön-
Brückenlänge in geringer, konstanter Bau- nen sich um den gleichen Betrag verschie-
höhe ausführen. Diese gleichmäßigen, rela- ben, ohne dass es zu Rückstellwirkungen
tiv kleinen Schnittgrößen erhält man nur im Pylonkopf kommt. Dadurch bleibt die
bei einem völlig elastisch gebetteten Bal- vertikale Last auch als Vertikallast im Pylon
ken, der nur am Rand feste Lager hat. Jede vertikal. Die daraus resultierende große
zusätzliche Zwängung infolge eines festen Knicklänge erfordert eine beachtliche Bie-
Lagers ruft in einem lokalen Bereich we- gesteifigkeit der Pylone in Längsrichtung
sentlich höhere Schnittgrößen hervor. Die der Brücke. Beim System 2 (Tabelle 5.5‑11)
Vor- und Nachteile zweier möglicher wird das Ausweichen des Pylonkopfs auf
Grundsysteme können aus Tabelle 5.5‑9 das elastische Maß des Systems beschränkt.
entnommen werden. Durch das feste Lager am Endpfeiler wer-
Der Überbau muss in der Regel wegen den beim Ausweichen des Pylonkopfs
der großen Rückhaltekräfte der letzten Ka- Rückstellkräfte aktiviert. Diese bilden mit
bel am Seitenfeldpfeiler verankert werden der Vertikalkraft am Pylonkopf die Resul-
(Tabelle 5.5‑10). Bei Systemen mit Außen- tierende, die durch die Einspannstelle am
feld kann man diese abhebenden Kräfte Fußpunkt geht. Die Schnittgrößenermitt-
durch das Gewicht (Auflagerreaktion) des lung erfolgt nach Theorie II. Ordnung
Außenfelds reduzieren (Tabelle 5.5‑9, Sys- [Girmscheid, 10/1987].

Tabelle 5.5‑10  Rückverankerungsmöglichkeiten
Statisches System Lösung Zugpendel Lösung Stahlklemme
422 5 Haupttragwerke der Überbauten

Tabelle 5.5‑11  Auswirkung der Längssystemlagerung auf die Pylone


Lagerung Frei beweglich Fest
der Pfeiler
Nr. 1 2
System

Verformung

VR = Vertikalresultierende der VR = Vertikalresultierende der


Seilkräfte Seilkräfte
G = Gewichtskräfte SII = Seilkräfte
δki = Verschiebung der Pylone nach RII = Rückstellkräfte der Seile
Theorie II. Ordnung vel = elastische Längenänderung
der Seile nach Theorie II:
Ordnung
G = Gewichtskräfte
δki = Verschiebung der Pylone
nach Theorie II. Ordnung

Theorie
II. Ordnung

Knicklänge sk ≅ 2h sk ≅ 0,7h
Vorteile 1. Temperatur- und K+S-Ver­formungen 1. Längskräfte ins feste Lager
symmetrisch ohne Biegung
2. Fahrbahnübergänge gleich 2. Günstige Wirkung auf
Knicken
Nachteile 1. Längskräfte über Pylonen­biegung

Zur Ableitung der Windkräfte, die auf des Streckträgers an den Pylonbeinen sollte
die Kabel und den Streckträger wirken, dabei als Gleitlager ausgebildet werden,
muss das System an den Endpfeilern bzw. an ­welche durch Federn vorgespannt werden
den Pfeilern und Pylonen seitlich gelagert können, um eine ausreichende und sichere
werden. Zumindest die seitliche Lagerung seitliche Unterstützung zu gewährleisten.
5.5 Schrägkabelbrücken 423

5.5.4 Aerodynamisches Verhalten Windströmungen, wie sie bei hohen Brü-


cken vorherrschen, ein [Leonhardt et al.,
Große Brückensysteme werden durch dy- 1974]. Diese Windströmungen werden
namisch wirkende Kräfte in Schwingung durch mittlere Windgeschwindigkeiten, die
versetzt [Klöppel/Thiele, 1967], verursacht sehr energiereich sind, hervorgerufen. Hat
durch Auftriebs- und Drehmomentenkräf- das System nicht genug innere Dämpfung,
te des Winds, welche auf den Streckträger können gefährliche Resonanzschwingun-
einwirken und zu so genannten Flatter- gen auftreten, die durch windschnittige,
schwingungen sowie v. Kármánschen geschlossene bzw. teilweise geschlossene
Windwirbeln führen. Die Wirkung dieser Streckträgerquerschnitte mit Windnase
Kräfte kann man reduzieren durch verringert werden können. Große Brücken,
die starken, aber nur kurzzeitig wirkenden
1. aerodynamische Gestaltung des Streck-
Böen ausgesetzt sind, geraten nicht in ge-
trägerquerschnitts (Reduzierung der Ur-
fährliche Resonanzschwingungen, da die
sachen) [Falster-Farø-Brücke, 1984],
zugeführte Energie meist nicht ausreicht.
2. Erhöhung der Biege- und Torsionssteifig-
Nach dem Einsturz der Tacoma-Hänge-
keit des Streckträgers [Saul et al., 1984],
brücke (USA) bildete man die Streckträger
3. Erhöhung der Systemdämpfung der Ge-
sehr steif aus. Dies setzte sich in der Folge
samtbrücke [Gimsing, 1983].
auch bei den Schrägkabelbrücken fort, in-
Durch diese Maßnahmen, getrennt oder dem man den Streckträger als Kastenträger
gekoppelt, verringert man die Auswirkun- oder Fachwerkröhre mit großer Torsions-
gen. Im ersten Fall werden die winderzeug- steifigkeit konzipierte, was jedoch bei
ten Kräfte niedrig gehalten. Im zweiten Fall Schrägkabelbrücken nicht nötig ist, da die-
wird der Streckträger so steif gemacht, dass se, bei zwei Kabelebenen mit enger Aufhän-
es bei den in der Natur auftretenden Wind- gung, eine größere Systemtorsionssteifig-
geschwindigkeiten zu keinen sich aufschau- keit haben.
kelnden Schwingungen kommt. Bei der Die enge Schrägkabelaufhängung mit
dritten Maßnahme ist die Systemdämpfung zwei Kabelebenen verhindert das Aufbauen
so groß, dass die dem System zugeführte einer einfachen Schwingungsform. Der erste
Windenergie dissipiert wird und die Aus- Grund liegt darin, dass jedes Schrägkabel
wirkungen klein bleiben. eine andere Eigenfrequenz aufweist und jede
Der Streckträgerquerschnitt wird ent- kleine Amplitude einer einfachen Schwin-
scheidend aus dem aerodynamischen Ver- gungsform durch Interferenz von Schwin-
halten des Gesamtsystems geprägt. Um die gungen anderer Frequenzen gestört wird.
Vorteile der engen Kabelaufhängung in Diese Systeme haben eine hohe Systemdämp­
zwei Kabelebenen voll zu nutzen, ist das fung und sind somit schwingungsunan­fällig
aerodynamische Verhalten des Gesamtsys- [Girmscheid, 1987-2]. Die Systemdämpfung
tems zu untersuchen. Durch eine wind- ist viel wirksamer als die reine Mater­ial­
schnittige aerodynamische Gestaltung des dämpfung, welche das Schwingungs­verhalten
Streckträgers mit Windnase zur Zerteilung von Balkenbrücken beeinflusst.
der Windströmung lassen sich die Wind­ Der zweite Grund liegt in der Nichtline-
widerstände auf ct = 0,4 herabsetzen [Thie- arität des Dehnungsverhaltens der langen
le, 1976]. Je windschnittiger der Streckträ- Schrägkabel [Magnus, 1976]. Der abgebo-
ger ist, umso geringer werden diese Wind- gene Resonanzschlauch zeigt, dass keine
widerstandsbeiwerte, besonders in dem unendlich großen Amplituden auftreten
Bereich mit kleinem Anblaswinkel. Kleine können (Vorsicht bei kurzen Seilen). Wie
Anblaswinkel stellen sich bei laminaren aus dem Vergleich in Tabelle 5.5‑12 hervor-
424 5 Haupttragwerke der Überbauten

Tabelle 5.5‑12 Systemverhalten bei antimetrischen Torsionsschwingungen


Schrägkabelbrücke mit freikragendem Pylon Schrägkabelbrücke mit A-Pylon

geht [Leonhardt/Zellner, 1970], weisen 5.5.5 Konstruktive Gestaltung


Schrägkabelbrücken mit zwei außen liegen- der Konstruktions­e lemente
den Kabelebenen eine große Torsionsstei-
figkeit gegen die gefährlichen Torsions- 5.5.5.1 Streckträger
schwingungen auf. Dies kann man noch
erhöhen, wenn man die beiden Kabelebe- Ob der Streckträger als Stahl-, Verbund-
nen in Querrichtung zueinander neigt und oder Betonbalken hergestellt wird, hängt
in einem A-Pylon vereinigt. Die gegensei­ von der Stützweite und den Anlageverhält-
tige Verschiebung der freikragenden Pylon- nissen ab. Durch die enge Kabelaufhän-
köpfe wird beim A-Pylon, im Gegensatz zu gung und die daraus resultierenden relativ
den H-Pylonen, verhindert. A-Pylone sind kleinen Biegemomente und sehr großen
dadurch prädestiniert für große Spannwei- Normalkräfte bietet sich als Baustoff Beton
ten oder große Verkehrslasten, die nur klei- an [Girmscheid, 1987-1 und -2]. Stahl-
ne Krümmungen im Streckträger zulassen. streckträger sind wesentlich leichter und
Stahlbeton- bzw. Verbundstreckträger bei daher für sehr große Stützweiten, Ver-
Schrägkabelbrücken mit zwei Kabelebenen bundstreckträger für mittlere und große
(systemimmanente Dämpfung) und enger Stützweiten, Stahlbetonstreckträger als U-
Kabelaufhängung können daher, aufgrund Querschnitt für mittlere Stützweiten und
ihrer hohen System-Steifigkeit, in der Regel als Platte für kleine Stützweiten geeignet
als offene U-Querschnitte ohne windschnit- (Tabelle 5.5‑13). Auch Kombinationen von
tige Form ausgebildet werden. Dadurch biegesteif gekoppelten Hauptträgern aus
kann man meist auf teure, aero­dynamisch verschiedenen Baustoffen wurden mehr-
geschlossene Querschnitte verzichten. mals ausgeführt. Insbesondere dann, wenn

Tabelle 5.5‑13 Entwicklung der Spannweitenbereiche bei zwei Kabelebenen


Streckträgerkonstruktionen Hauptspannweiten
1. Stahlbetonquerschnitt
   Platte 100 m
   U-Querschnitt 250–300 m
2. Verbundkonstruktionen
   U-Querschnitt 300–500 m
3. Stahlkonstruktionen mit orthotroper Platte ≥ 500 m
5.5 Schrägkabelbrücken 425

die Seitenöffnungen gegenüber der Haupt- werden jedoch nicht alle günstigen, sys­
öffnung klein sind, ist es vorteil­haft, die temimmanenten Steifigkeiten einer Schräg-
Längsträger der Seitenöffnungen aus Beton kabelbrücke mit zwei Kabelebenen mobili-
und diejenigen der Hauptöffnung als Ver- siert.
bund- oder Stahlbalken zu fertigen. Die Entwicklung der Streckträgerquer-
Den Vorteilen der Stahlbauweise – Leich- schnitte geht bei Beton- bzw. Verbund-
tigkeit, rasche Bergemöglichkeit im Kata- streckträgern von den geschlossenen bzw.
strophenfall und dass auch bei breiten Brü- halbgeschlossenen Querschnitten zu den
cken meist zwei Hauptträger ausreichen – offenen, einfachen Querschnitten über, die
stehen die Nachteile gegenüber, dass ortho- als Trägerrost mit Haupt- und Querträgern
trope Stahlfahrbahnen komplizierter und sowie Fahrbahnplatte oder als Hauptträger-
teurer sind als Stahlbeton- oder Spannbe- Plattensystem ohne Querträger ausgebildet
tonplatten. Die statische Beanspruchbarkeit werden. Dies ist eine konsequente Folge-
der Kabel kann zudem bei der Stahlbauwei- rung aus den Überlegungen zur System-
se manchmal nicht ausgenutzt werden, da steifigkeit und Systemdämpfung, die sich
die Ermüdungsfestigkeit das maßgebende aus einem System mit zwei Kabelebenen
Bemessungskriterium wird. Die Verkehrs- und dem entsprechenden aerodynami-
last kommt bei leichten Streckträgern nahe schen Verhalten ergibt. Bei Beton- und
an die Eigenlast. Es ist technisch möglich, Verbundstreckträgern ist die Spannungs-
Schrägkabelbrücken mit Stahlstreckträgern schwingweite relativ klein, so dass die
als Kastenquerschnitte mit einer Seilebene Kabel in der Regel höher ausgenutzt wer-
auszubilden. Durch die eine Kabelebene den können.

Tabelle 5.5‑14 Gegenüberstellung von Fertigteil- und Ortbetonstreckträger


Fertigteillösung Ortbetonlösung
Vorteile − Herstellung unter optimalen − Monolithische Konstruktion ohne
Umweltbedingungen, ohne zusätzliche Montagespannglieder
Wetterbeeinflussung − Kein besonderer Lagerplatz für
− Verkürzung der Bauzeit: Fertigteile erforderlich
a) Durch kontinuierliche Vorpro-
duktion während der Grün-
dungs- und Pylonherstellung
b) Schnelle Montage
z. B. durch Lift-Slab-Verfahren

Nachteile − Zusätzliche Längsspannglieder − Fertigung nur während befriedigen­


sind zur Montage erforderlich, den klimatischen Bedingungen
um aus dem Vielgelenksystem, − Qualität des Betons möglicher­
bestehend aus Fertigteilsegmen- weise nicht so konstant wie bei
ten und Kabeln, ein kontinuier- Fer­tigteilen, aber ausreichend
liches System zu machen, bzw. (Aus­landsbaustellen)
um genügend Druck für den
Epox-Kleber an den Fugen zu
bekommen.
426 5 Haupttragwerke der Überbauten

5.5.5.1.1 Streckträger aus Beton Das Trägerrostsystem besteht aus zwei au-
ßen liegenden Hauptträgern und lastvertei-
Den Streckträger kann man aus Fertigteile- lenden Querträgern, die in äquidistanten
lementen oder monolithisch aus Ortbeton Abständen angeordnet sind. Aus statischen
herstellen. In der Anfangsphase der Ent- Gründen wählt man den Streckträger in
wicklung benutzte man Fertigteilsegmente U-Form (aus Hauptträgern und Platte). Die
nicht nur aus produktionstechnischen Er- offene U-Form hat den Schwerpunkt nahe
fordernissen, sondern auch, um die Kriech- der Platte. Dadurch kann man neben dem
und Schwindverkürzungen, die Verände- Hauptträger auch die Platte im Bereich der
rungen in den Seilkräften hervorrufen wür- mitwirkenden Breite zum Abtragen der
den, klein zu halten. großen Normalkräfte heranziehen. Den
Der Bauvorgang für die Herstellung des Abstand der Querträger wählt man so, dass
Streckträgers dauert oft bis zu einem Jahr. eine Plattendicke von d = 0,25 – 0,35 m
In dieser Zeit wächst die Spannung im ausreicht. Die Platte spannt sich hauptsäch-
Streckträger langsam und kontinuierlich, lich einachsig in Längsrichtung, nur am
weshalb am Ende der Bauzeit das Schwin- Rand zum Hauptträger ist sie dreiachsig ge-
den und Kriechen schon sehr stark abge- lagert. Die Normalkräfte bewirken, dass die
klungen ist. Zudem enthält der Streckträger Platte eine Vorspannung erhält, welche die
in Längsrichtung große Mengen an Beton- Biegezugspannungen überdrückt. Die Auf-
stahl, was die Schwind- und Kriechverkür- hängung der Seile an einen A-Pylon ergibt
zung zusätzlich vermindert. Nach der Fer- sogar eine leichte Vorspannung in Quer-
tigstellung des Streckträgers können die richtung der Platte.
Kabel nochmals auf die Seilkräfte eines Das Hauptträger-Plattensystem stellt
Durchlaufträgers unter Eigenlast ein­ eine weitere Vereinfachung für die Baume-
gestellt werden. Aus materialtechnischen thode dar. Das System besteht aus zwei au-
und konstruktiven Gründen besteht daher ßen liegenden Hauptträgern und einem
keine zwingende Veranlassung, die Kon- kontinuierlichen, quasi unendlich langen
struktion aus Fertigteilen herzustellen, Plattenstreifen. Die Platte spannt sich ein-
wenn dies nicht vom Bauablauf günstiger achsig zwischen den Hauptträgern. Ent-
ist, da die monolithische Ortbetonlösung sprechend dem Biegemomentenverlauf
die in Tabelle 5.5‑14 dargestellten wirt- nimmt die Dicke in Querrichtung, vom
schaftlichen Vorteile hat. Durch die Her- Rand zur Plattenmitte, linear zu. Die Platte
stellung des Streckträgers aus Fertigteilen wird in Querrichtung im Abstand von
lässt sich jedoch die Bauzeit wesentlich 0,80 – 1,00 m mit leichten Spanngliedern
verkürzen, da die Fertigteile bereits wäh- vorgespannt.
rend der Pylonherstellung gefertigt werden Die reine Plattenlösung ist bei nicht sehr
können. Durch die Vorfabrikation lässt breiten Brücken (zweispurig mit Fuß­
sich auch in Schlechtwetterphasen eine wegen) sehr wirtschaftlich. Sie besitzt auf-
gleichmäßig hohe Betonqualität sicher­ grund ihrer Querschnittform ein aus­
stellen. gezeichnetes aerodynamisches Verhalten
Für den offenen Querschnitt des Streck- und ist einfach herstellbar. Die Platte ist­­
trägers hat man drei Möglichkeiten (Tabel- an den Seilverankerungen elastisch punkt-
le 5.5‑15): gelagert.

1. das Trägerrostsystem,
2. das Hauptträger-Plattensystem,
3. das reine Plattensystem.
5.5 Schrägkabelbrücken 427

5.5.5.1.2 Streckträger in Verbundkonstruktion Für die Trägerrostsysteme ist die U-Form,


wie schon beschrieben, der statisch güns-
Für eine Verbundkonstruktion bieten sich tigste Querschnitt. Besonderer Beachtung
zwei Varianten an (Tabelle 5.5‑16): bedarf bei der ersten Variante (Tabelle
1. Stahlhaupt- und Stahlquerträgerrost mit 5.5‑16) das Kriechen des Betons, welches,
Betonplatte wie auch das Schwinden, durch vorgefertig-
2. Stahlbetonhauptträger und -platte mit te Platten und durch einen kleinen Wasser-
Stahlquerträgern Zement-Faktor klein gehalten werden

Tabelle 5.5‑15 Beton-Streckträgersysteme


Querschnitt des Streckträgers Quer-

Betonplattendicke [m]
träger

Hauptöffnung [m]
Kabelabstand [m]
Literaturhinweis

Abstand [m]
Höhe [m]
Bauwerk

Jahr

1. Trägerrostsystem
Xiang Jia Tang Bridge

B + B-Entwurf
(China)

1985

7,50
2,50
1,75
0,23
230

2. Hauptträger – Plattensystem
New Ohio River Bridge

Quade & Douglas


(USA)

0,3–0,6
1985

286,7
6,00

3. Plattensystem
Bänziger+Köppel, R. Walther (CH)
Rheinbrücke Diepoldsau

0,35-0,55
(CH)

1984

97,00
6,00


428 5 Haupttragwerke der Überbauten

Tabelle 5.5‑16 Verbund-Streckträgersysteme


Querschnitt des Streckträgers Quer-

Betonplattendicke [m]
träger

Hauptöffnung [m]
Kabelabstand [m]
Literaturhinweis

Abstand [m]
Höhe [m]
Bauwerk

Jahr

1. Stahlhaupt- und -querträger – Stahlbetonplatte


New Ohio River Bridge (USA)
B+B – Entwurf

286,5
14,33
1985

3,59
1,25
0,25
2. Stahlbetonhauptträger – Stahlquerträger – Stahlbetonplatte
Xian Jia Tang Bridge (China)

7,50 oder (11,25)


B+B – Entwurf
1985

3,75
1,25
0,25
230

kann. Dies ist deshalb sehr wichtig, weil die betonplatte langfristig infolge Kriechen
Stahlbetonplatte hauptsächlich die großen und Schwinden nur die Hälfte der Normal-
Normalkräfte nicht nur zum Zeitpunkt kräfte, weshalb die Stahlhauptträger stärker
t = 0, sondern auch zum Zeitpunkt t → ∞ dimensioniert werden müssen. Die Fertig-
abtragen soll. Kann die Platte noch aus­ teilplatten werden über den Querträgern
reichend schwinden und kriechen, werden durch gestoßene Be­wehrung oder durch
diese Kräfte auf den Stahlhauptträger um- die PPCS-Methode [Takenaka et al., 1986],
gelagert. Ein Parameter ist das Verhältnis [Girmscheid, 1986] miteinander und über
der E-Moduln von Stahl und Beton nach Kopfbolzendübel mit den Haupt- und
Kriechen und Schwinden des Betons. Querträgern ver­bunden.
Gegen­über einer Fertigteilplatte, bei der Die zweite Variante (Tabelle 5.5‑16) bie-
das Schwinden durch Lagerung weitgehend tet eine weitere Möglichkeit, eine leichte
­abgeschlossen ist, übernimmt eine Ort­ und ökonomische Konstruktion zu erhal-
5.5 Schrägkabelbrücken 429

ten. Die Hauptträger, die dominierend (Straßenbrücke) den Wert 4,1 kN/m² an.
durch Normalkräfte beansprucht werden, Für Bahnbrücken gelten ca. 35 kN/m pro
werden aus Stahlbeton hergestellt, die Gleis.
Querträger, die durch die Platteneigenlast Die Schnittkräfte werden entscheidend
und den Verkehr auf Biegung beansprucht von der Führung der Abspannungen in
werden, aus Stahl. Die Fahrbahnplatte wird Längs- und Querrichtung beeinflusst, siehe
durch den hoch liegenden Schwerpunkt Abschnitt 5.5.1. Sind die Abspannungen in
des Querschnitts überdrückt und daher aus großen Abständen angeordnet, so treten an
Stahlbeton hergestellt. Bei den genannten dem diskret elastisch gestützten Balken
Kabelabständen sind die Hauptträgerhö- größere Biegemomente M und Querkräfte
hen bei Straßenbrücken h = 1,5 bis 2,5 m V auf und bedingen für den Streckträger
und bei Eisenbahnbrücken h = 3,0 bis Querschnitte mit hinreichend großem
5,0 m. Die Spannweitenbereiche können ­Widerstandsmoment W. Sind dagegen die
aus Tabelle 5.5‑13 entnommen werden. Abspannungen in kleinen Abständen ange-
ordnet, so bleiben M und V an dem quasi-
kontinuierlich elastisch gebetteten Balken
5.5.5.1.3 Streckträger aus Stahl klein und es sind Streckträgerquerschnitte
mit kleinem Widerstandsmoment möglich.
Francesco Aigner In allen Fällen entstehen aus den Horizon-
und Thomas Petraschek talkomponenten der Kabelkräfte im Streck-
träger Druckkräfte, die bei positiven Mo-
Bei Schrägkabelbrücken für Straßen- oder menten die Nulllinie nach unten, bei nega-
Bahnverkehr sind Streckträger aus Stahl tiven Momenten nach oben verschieben.
vorwiegend bei größeren Öffnungen wirt- Die Normalkräfte müssen beim Nachweis
schaftlich (Richtwerte: Straße ab 200–250 m, der Systemtragfähigkeit (Stabilität!) und
Bahn ab 100–150 m). Bei Brücken mit gro- der Querschnittstragfähigkeit berücksich-
ßen Hauptöffnungen und erheblich kleine- tigt werden. Üblicherweise ist der Einfluss
ren Seitenöffnungen ist für den Streckträger der Durchbiegungen auf die Biegemomente
meist eine Kombination von Stahl (Haupt- (Theorie II. Ordnung) nicht sehr groß und
öffnungen) und Verbund oder Spannbeton liegt im Bereich zwischen 3 und 15%.
(Seitenöffnungen) zweckmäßiger als die ­Wegen der Stabilisierung des Streckträgers
reine Stahllösung. Wegen der möglichen durch die Seilgeometrie siehe [Volke, 1973].
großen Schlankheiten h/l und den prak- Durch die Vorgabe einer zweckmäßigen,
tisch unerschöpflichen Gestaltungsmög- das Momentenbild des Streckträgers ver-
lichkeiten werden Fußgängerbrücken gerne einheitlichenden Vorspannung des statisch
als Schrägkabelbrücken gebaut und erhal- unbestimmten Systems lässt sich der Streck-
ten stählerne Streckträger (vielfältige Mög- träger sparsam dimensionieren, siehe Ab-
lichkeiten der Farbgebung!). Dabei sind schnitt 8.3.2.2 Außer dem Endzustand ist
auch gekrümmte Tragwerke möglich. All- beim Entwurf des Streckträgers die durch
gemein sind Streckträger so auszubilden, Herstellung im Freivorbau relativ einfach
dass unter den maßgebenden Einwirkun- zu bewerkstelligende Montage zu berück-
gen die Forderungen an die Tragfähigkeit, sichtigen, siehe Kapitel 9.
Gebrauchstauglichkeit und Ermüdungsfes- Die Konstruktion bzw. Form des Streck­
tigkeit erfüllt werden. Für das Verhältnis trägers hängt außer vom Längsabstand­
von Stützweite zu Balkenhöhe gibt [Stahl- der Verankerungspunkte ursächlich von
bau, 1985] als groben Anhaltswert 60 … 120 der Führung der Abspannung in Quer­
und für das Stahlgewicht des Streckträgers richtung ab. Liegt eine Mittelträgerbrücke
430 5 Haupttragwerke der Überbauten

vor (Brücke mit einer oder zwei eng neben- und Querschnittsverdrehungen reduziert
einander liegenden Kabelebenen in Quer- werden. Ein architektonisch überaus an-
schnittsmitte), so müssen gegenüber der sprechendes Beispiel einer modernen
Kabel­ebene exzentrisch angreifende Las­ Schrägkabelbrücke mit zwei Abspann­
ten durch Torsionsmomente im Streck­ ebenen und einem (aus gestalterischen
träger abgetragen werden. Hier ist die Aus- Gründen geknickten) unteren Rohrver-
führung als torsionssteifer Querschnitt band zeigen die Bilder 5.5-4 und 5.5-5.
unbedingt erforderlich. Mittelträger­ In diesen Bildern erkennt man auch­
brücken kommen ausschließlich bei ge- die auffällig gestalteten Konsolen zur Ein-
trennten Verkehrsflä­chen, z. B. Autobahn- leitung der Kabelkräfte, und im zweiten
querschnitten, in Frage. Ebenso erhalten Bild zusätzlich die Zugpendel zur Begren-
Fußgängerbrücken mit gekrümmtem zung der Endtangentenneigung bei der
Tragwerk und einer (oft an einer der bei- künftigen Verwendung als Bahnbrücke. In
den Brückenseiten angeordneten) „Kabel- [Roik et al., 1986] sind verschiedenste
fläche“ einen torsionssteifen Querschnitt. Querschnitte von Streckträgern von
Liegen hingegen zwei außen liegende Schrägkabelbrücken mit Öffnungen zwi-
­Kabelebenen vor, so kommen offene Quer- schen ca. 60 und 460 m und Querschnitts-
schnitte in Frage. Die angreifenden Lasten breiten zwischen ca. 7,0 und bis ca. 40 m
teilen sich durch Querbiegung auf die Trä- für ­Straßenbrücken sowie einige Eisen-
gerstege auf (bei zwei Trägerstegen nähe- bahnbrücken aus den Jahren 1955 bis 1986
rungsweise nach dem Hebelgesetz; genau- ­gezeigt. Obwohl heute weitaus größere
ere Ergebnisse erhält man nach der Theorie Stützweiten bewältigt werden, lässt sich an-
der Wölbkrafttorsion). Ein Kastenquer- hand der angegebenen Beispiele doch die
schnitt ist selbstverständlich auch in die- Entwicklung der typischen Balkenquer-
sem Fall möglich. Er verbessert die Quer- schnitte studieren: Die ersten Ausfüh-
verteilung exzentrischer Lasten, wodurch rungen entsprachen ziemlich genau der
insbesondere die Vertikalverformungen seinerzeit üblichen Querschnitte für Ein-

Bild 5.5‑4   Donaustadtbrücke, Montagezustand


5.5 Schrägkabelbrücken 431

Bild 5.5-5   Donaustadtbrücke, Unteransicht [Pauser/Foller, 1997]

feld- und Durchlaufträgerbrücken. Später bei ­geschlossenen Profilen dagegen aber


ging man – auch mit Rücksicht auf die im- deutlich unterscheiden können. Üblich
mer größer werdenden Stützweiten – zu sind heute zweistegige Vollwandquer-
aerodynamisch günstigeren Querschnitten schnitte. Einen Spezialfall stellt der Quer-
über (Gefahr von winderregten Schwin- schnitt der Öresund-Brücke (2001) dar, die
gungen bei weit gespannten Brücken im für Eisenbahn- und Autobahnverkehr vor-
Montage- und Endzustand!), wie sie auch gesehen ist. Bild 5.5-6 zeigt einen Montage­
bei Hängebrücken verwendet werden. Bei ­zu­stand.
der Beurteilung der aerodynamischen Sta- Um der Brücke trotz des vergleichsweise
bilität ist zu beachten, dass bei offenen Pro- hohen Streckträgers (12,2 m bei 490,0 m
filen die erste Biege- und Torsionseigenfre- Abstand zwischen den Pylonen) ein leich-
quenz praktisch zusammenfallen, die sich tes Aussehen zu geben, wurde der Streck-

Bild 5.5-6   Öresundbrücke, Bauzustand [Krumbach/Hamm, 2000]


432 5 Haupttragwerke der Überbauten

träger als pfostenloses Strebenfachwerk z. B. durch Rundrohre, unterstützt oder es


ausgebildet. Die beiden Gleise sind auf werden die Stege ­geneigt. Kombinationen
Höhe der Untergurte angeordnet, die Stra- (geneigte Stege mit Unterstützung der
ßenfläche über den Obergurten. In Japan ­Konsolen) sind ­bei sehr breiten Tragwer-
findet man zuweilen Pfosten-Diagonalen- ken (Autobahnquerschnitte) zweckmäßig.
Fachwerke als GV-geschraubte Konstrukti- Bei Straßenbrücken werden üblicherweise
onen und mit fachwerkartig aufgelösten im ­Bereich der Fahrbahnränder Längsträ-
Querscheiben. ger („Saumträger“) angeordnet, welche die
Bei Mittelträgerbrücken, Brücken mit großen Lasten an den Fahrbahnrändern
zwei Kabelebenen verhältnismäßig ge­ (LKW-Spuren, Schwerfahrzeug am Fahr-
ringer Spreizung oder bei Brücken mit ge- bahnrand) verteilen, ­damit die Querträger
krümmtem Tragwerk wird dieses stets tor- ­entlasten und die Anzahl der erforder­lichen
sionssteif ausgeführt (Kasten mit Abstützungen für die Konsolen ­reduzieren.
­Bodenblech oder unterem Verband). Da Bild 5.5-7 zeigt die Regelquerschnitte der
die Biegemomente bei ausreichend enger Haupt­öffnung der 2001 ­fertiggestellten
Abspannung klein bleiben, genügt eine Rheinbrücke Ilverich (Mittelträgerbrücke
schmale Bodenplatte. Bei vertikalen ­Stegen mit 287,5 m Hauptöffnung).
werden weit aus­kragende Kon­solen durch Bild 5.5-8 zeigt den originellen Quer-
schräge Druckstreben in ­engen Abständen, schnitt der Arnobrücke Florenz, 1978.

Bild 5.5-7   Rheinbrücke Ilverich Regelquerschnitte [Saul et al., 2002]

Bild 5.5-8   Arnobrücke Florenz, Regelquerschnitt


5.5 Schrägkabelbrücken 433

Bild 5.5-9   Brücke über den Hauptbahnhof Ludwigshafen, Regelquerschnitt [Freudenberg, 1970]

Bild 5.5-9 zeigt den offenen, zweistegi- Ebenfalls für die Gestaltung des Streck-
gen Querschnitt der an zwei Kabelebenen trägers ist dessen Verbindung mit den Py-
außerhalb der Brücke aufgehängten Schräg- lonen von Bedeutung. Stehen der Pylon
kabelbrücke über den Hauptbahnhof Lud- oder die Pylonenstiele innerhalb des
wigshafen/Rhein. Brücken­querschnitts, so kann der Pylon
Bild 5.5-10 zeigt den Querschnitt der an (gelenkig oder eingespannt) mit dem
zwei Kabelebenen außerhalb der Brücke Streckträger verbunden oder aber durch
aufgehängten Schrägkabelbrücke mit tor­ Öffnungen im Streckträger geführt und von
sionssteifem Kastenquerschnitt (Donau­ diesem auf dem Pfeiler gelagert sein. Bild
stadtbrücke Wien, 1997). Um die Brücke zu 5.5.5-11 zeigt eine biegesteife Verbindung
einer Bahnbrücke mit Schotterbett umzu- zwischen Streckträger und Pylon bei der
bauen, ist die Reduktion der Biegemomen- vor allem auch hinsichtlich der Montage,
te erforderlich. Dies erfolgt durch Einzie- siehe Abschnitt 9, überaus interessanten
hen weiterer Kabel an bereits dafür vorge- Rheinbrücke Oberkassel.
sehenen Konsolen. Konstruktiv einfacher und heute üb­
Konstruktiv von Bedeutung sind die licher ist der Fall, dass die Pylonenbeine
Verankerungspunkte, an denen die Streck- außerhalb des Brückenquerschnitts stehen
träger an den Kabeln aufgehängt sind (Ka- (beispielsweise Λ‑Pylon). Der Streckträger
belkonsolen). Die Verankerung von Vielka- kann dann ­entweder nur an den Kabeln
belsystemen mit entsprechend kleinen Ka- aufgehängt oder über Querträger mit den
belkräften ist naturgemäß einfacher als jene Pylonen verbunden sein.
von Systemen mit wenigen Kabeln mit sehr
großen Zugkräften. Sind die Abspannebe-
nen an den Außenseiten des Streckträgers 5.5.5.2 Pylone
geführt, können die Verankerungspunkte
bewusst hervorgehoben werden, siehe Bild Die Pylonstiele werden meist als Stahlbe-
5.5-5. Bei Mittelträgerbrücken müssen die tonhohlquerschnitt mit großen Wand­
über die Kabel eingeleiteten großen Einzel- dicken ausgebildet. Der Querschnitt wird
kräfte durch (in der Regel vollwandige) hauptsächlich durch Druckkräfte bean-
Querscheiben auf die Hauptträger über­ sprucht. Stahlpylone werden nur dann ver-
tragen werden. Sind bei größeren Kabelab- wendet, wenn extrem schlanke Konstrukti-
ständen zur Erhaltung der Profilform wei- onen gefordert sind. Die Pylone sind bei
tere Querträger angeordnet, so kommen Betonkonstruktionen mit einer schlaffen
für diese auch Fachwerkscheiben in Frage, Bewehrung versehen; eine Vorspannung ist
siehe Bild 5.5-7. nur im Bereich der Kabelverankerung und
434

FAHRBAHN 8.50
1.0 3.25 3.25 1.0

GLEISSCHOTTERTROG 6.80 DETAIL


1.40

1.40
REVISIONSWAGEN REVISIONSWAGEN

5.55 5.55
9.86 9.86

Bild 5.5-10   Donaustadtbrücke, Querschnitt für Straßen- und Bahnverkehr [Pauser/ Foller, 1997]
5 Haupttragwerke der Überbauten
5.5 Schrägkabelbrücken 435

Längsschnitt in Kabelachse Längsschnitt in Querachse


Bild 5.5-11   Rheinbrücke Oberkassel, biegesteife Verbindung Streckträger-Pylon [Beyer et al.,
1977]

in den evtl. vorhandenen Querbalken er- Lösung mit Gabelseilkopf bzw. Augenstab
forderlich. Während der Bauphase sind die und Bolzen verwendet, wird der Anker
Pylonbeine Kragarme mit relativ geringen durch ein kurzes Stahlrohr mit Dämpfungs-
Normalkräften aus Eigenlast, die auf ring geführt (Tabelle 5.5‑17). Dieses Stahl-
­Biegung beansprucht werden. rohr hat die Aufgabe, die Kräfte, die am
Je nach Baumethode und Pylonform Flansch vom Ankerkopf eingeleitet werden,
(z. B. A-Pylon) ist bei Pylonen aus Beton durch Schub auf den Beton zu übertragen,
eine temporäre Vorspannung während der dem Beton im Einleitungsbereich eine zu-
Bauphase notwendig. Es ist noch anzumer- sätzliche Membranverstärkung zu geben
ken, dass Schrägkabelbrücken mit har- und durch einen eingepressten Neoprene-
fenförmiger Kabelanordnung wesentlich Dämpfungsring das Kabel am Ende gerade
steifere Pylone verlangen als mit fächerför-zu führen, um Biegung im Bereich des An-
miger [Stahlbau Handbuch, 2. Band, 1985], kerkopfs zu verhindern.
oder es müssen Rückspannungen an zu- Zum Montieren und Befestigen der Ka-
sätzlichen Pfeilern in den Seitenfeldern bel bestehen die in Tabelle 5.5‑18 aufge-
­angeordnet werden. Dies liegt an der star- führten Möglichkeiten zur Gestaltung der
ken Verformbarkeit des Gesamtsystems, Ankerköpfe [EN 1993-1-11, 2007]. Die
bedingt durch die geringe vertikale Feder- Kräfte sollen auf direktem Weg abgeleitet
steifigkeit der gleich stark geneigten Kabel.
werden; dies ist ein Grundprinzip für eine
optimale Konstruktion. Daher sollte man
die Hauptträger des Streckträgers direkt an
5.5.5.3 Kabelverankerung die Kabel hängen (Tabelle 5.5‑6).
Die Krafteinleitungsbereiche erfordern
Die Verankerung der Kabel im Pylon und vom Ingenieur bzw. der Ingenieurin immer
im Streckträger ist eine sehr wichtige De­ zusätzliche Anstrengungen, um in diesen
tailaufgabe. Bei den relativ großen geschla- Bereichen eine realistische Berechnung
genen Seilen bzw. Paralleldrahtseilen ist­ durchzuführen. Ein sehr gutes Bild wird
es wegen der Dauerfestigkeitsprobleme man immer mit einer Finite-Element-
­wichtig, die Kabelbiegung am Eingang ­zum Rechnung erreichen können, indem man
­Ankerkopf zu verhindern [Girmscheid, einen Ausschnitt aus dem Einleitungsbe-
1987-2]. Wird nicht die stahlbaumäßige reich wählt. Diese genauere Untersuchung
436 5 Haupttragwerke der Überbauten

Tabelle 5.5‑17 Konstruktive Möglichkeiten zur Verminderung des Biegewinkels am Ankerkopf


Streckträger Pylon
Stahl­
beton

Verbund

wird man im Ausführungsfall anstellen, zu- det, die nicht über einen Kabelsattel gebo-
mindest zur Kontrolle. Die Vorberechnung gen werden können. Heute verankert man
kann man mit der Fachwerkanalogie durch- die Kabel im Pylon. Dabei werden die An-
führen (Tabelle 5.5‑19). kerköpfe im Mindestabstand platziert, so
Zur Verankerung der Kabel am Pylon dass neben der Montage auch die nachträg-
gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: liche Kontrolle sowie der Unterhalt mög-
lich ist, womit man zum Fächersystem ge-
1. Das kontinuierlich durchgehende Seil langt. Die Verankerungsmöglichkeiten sind
wird über einen Kabelsattel geführt und in Tabelle 5.5‑19 zusammengefasst.
nur in den Hauptträgern des Streckträ-
gers verankert.
2. Das unterbrochene Kabel wird am Pylon 5.5.5.4 Korrosionsschutz
und am Streckträger verankert.
Die erste Methode ist nur für geschlagene Der Korrosionsschutz ist von entscheiden­
Seile möglich, die eine Krümmung mit der Bedeutung für die Sicherheit und
Querdruck vertragen. Da die Tendenz bei Dauerhaftigkeit von Schrägkabelbrücken.
Schrägkabelbrücken ganz eindeutig zu den Die zu treffenden Maßnahmen hängen von
Multikabelsystemen mit dichten Aufhän- der Seilart ab (Tabelle 5.5‑4 und Tabelle
gungen geht, ist der Kabelsattel wegen des 5.5‑20).
Platzbedarfs und der dadurch erforderli- Der Korrosionsschutz der Kabel sollte
chen Pylonhöhe meist nicht praktikabel. aber seilunabhängig mehrschichtig aufge-
Zudem werden hauptsächlich Parallel- baut werden und besteht grundsätzlich aus
drahtseile und Parallelstabbündel verwen- mindestens drei Stufen:
5.5 Schrägkabelbrücken 437

Tabelle 5.5‑18 Mögliche Ankerkopfausbildung


Bild Bez. Beschreibung Anspannen
1 FEA Einfacher Ankerkopf, –
der als Festendanker-
kopf dient, an dem nicht
angespannt wird
2 SPA Modifizierter Festen- Durch Unterlegen
danker, der eine verlän- von zweigeteilten
gerte Ankerhülse mit Stahlplatten
Innen­gewinde hat, in (Shims)
welches der Pressen-
3 SPA stempel eingeschraubt Durch Drehen der
wird Überwurfmutter

4 SPA In den modifizierten Durch Einhängen


Grundanker wird ein des Augenstabs in
Augenstab in das Innen- einen Bolzen zwi-
gewinde des Ankers schen zwei veran-
eingeschraubt kerten Stahlplatten
5 FEA Modifizierte Form von
Nr. 4. Der ganze Anker-
kopf ist aus einem Guss
mit Augenstab

SPA = Spannanker
FEA = Festanker

• Korrosionsschutz jedes einzelnen Drah- ren Verankerung unter Umständen eine


tes, Wasserdrainageöffnung vorzusehen, um
• Korrosionsschutz des Seilinneren, um das im äußeren Hüllrohr anfallende Kon-
den Feuchtigkeitseintrag zu verhindern, denswasser abzuleiten.
• Korrosionsschutz der Seiloberfläche. Die Drähte, Litzen, Seile und Veranke-
rungsköpfe müssen in allen Phasen gegen
Im Weiteren ist die Verankerungskonstruk-
Korrosion und Beschädigung geschützt
tion entsprechend zu konzipieren, so dass
sein. Das betrifft:
bei den Endverankerungen und Umlenkla-
gern kein Wasser (Schnee, Regen, Nebel, • die Bauphase mit Herstellung, Trans-
allg. Feuchtigkeit) eindringen kann, d. h. port, Lagerung und Montage, und
dass keine Schwachstellen im Korrosions- • die Nutzungs- und Betriebsphase.
schutz auftreten. Sämtliche Übergänge und
Zusätzlich müssen unter Umständen Maß-
Verbindungen sind deshalb durch ein dau-
nahmen zum Schutz vor mechanischer Be-
erhaft elastisches, nicht versprödendes Ma-
anspruchung getroffen werden.
terial zu versiegeln (z. B. Neoprene-Konus
im Bild 5.5‑14). Zusätzlich ist bei der unte-
438 5 Haupttragwerke der Überbauten

Tabelle 5.5‑19 Seilverankerung im Pylonkopf


Bez. System Vor- und Nachteile Stat. Nachweis –
Fachwerkmodell

Vorteile:
− Montage und Inspektion
im Innenraum
− Wettergeschützt
− Einfache Verankerung der
senkrechten Kabel
− Montage von einer Platt-
form
Nachteile:
Hohler Pylon

− Statisch ungünstig: hohe


Spaltzugkräfte, hoch bean-
spruchte Druckstreben

Vorteile:
Versetzt gekreuzte Ver­
ankerung (Vollpylon)

− Statisch: Seilkräfte über-


drücken sich gegenseitig
Nachteile:
− Verankerung der senkrech-
ten Seile
− Montage von zwei Bühnen
Koppelanker – Gekreuzte Verankerung
Verankerung (Vollpylon)

Vorteile:
− Einfache Schalarbeit
− Statisch: Krafteinleitung
Nachteile:
− Spezielle Koppelanker
Vorteile:
− Kein großer Schalungsauf-
wand
Stahlbaumäßige

− Statisch klare Kraftführung


Verankerung

Nachteile:
− Spezielle Ankerköpfe
5.5 Schrägkabelbrücken 439

Tabelle 5.5‑20 Seilarten für Haupttragelemente von Schrägkabelbrücken


Vollverschlossenes Spiralseil Paralleldrahtkabel Parallellitzenkabel
(1 Lage Z-Drähte)

5.5.5.4.1 Korrosionsschutz verzichtet wird. Allerdings ist der Galfan-


der Vollverschlossenen Seile Prozess ein neues Verfahren und somit das
Langzeitverhalten noch weitgehend unbe-
Vollverschlossene Seile bestehen aus einem kannt, weshalb das Verfahren für Haupttrag­
Runddrahtkern und einer bis mehreren La- elemente bis anhin noch nicht angewendet
gen spiralförmig geschlagener Z-Drähte. wurde.
Herstellungsbedingt weisen die Vollver- Werden die einzelnen Drähte verzinkt,
schlossenen Seile zwischen den einzelnen werden die Hohlräume zwischen den Dräh-
Drähten nur sehr kleine Hohlräume auf. ten beim Schlagen der Seile mit einem Seil-
Durch die geschlossene Oberfläche bieten verfüllmittel (Zinkstaubfarbe auf Polyölba-
Vollverschlossene Seile grundsätzlich einen sis oder Seilverfüllmittel mit Aluminium-
hohen Korrosionsschutz. Der Korrosions- pulver) verfüllt [Technische Unterlagen:
schutz der einzelnen Drähte erfolgt durch Vollverschlossene Seile, 2002]. Auch bei
Galvanisierung (100% Zink) oder durch verzinkten Seilen wird nach der Montage in
eine Galfan-Beschichtung (95% Zink, 5% der Regel ein zusätzlicher Korrosionsschutz
Aluminium). Die Zinkbeschichtung be- durch mehrfache Beschichtung aufgebracht,
trägt je nach Drahtdurchmesser zwischen da Beschädigungen durch Transport und
180 und 340 g/m2, die Zink-Alubeschich- Montage nicht auszuschließen sind.
tung der Rund- und Z-Drähte kann bis Bei den vollverschlossenen Seilen erfolgt
etwa 300 g/m2 betragen. die Verankerung des Seils ausschließlich in
Zu beachten ist, dass der Galvanisie- konischen oder zylindrischen Veranke-
rungsprozess die Materialeigenschaften des rungshülsen (Tabelle 5.5‑18), welche me-
Stahls (Zugfestigkeit, Ermüdungsverhal- tallisch ausgegossen werden. Als Verguss
ten) im negativen Sinne verändern kann. kommen gemäß [ON EN 13411-4, 2009]
Durch den Galfan-Prozess beschichtete nur Legierungen auf Blei- oder Zinkbasis
Drähte weisen zudem einen viel besseren oder Zink- bzw. Kunstharzvergusssysteme
Schutz gegen atmosphärische Einflüsse auf auf Ployesterbasis mit anorganischem Füll-
als rein verzinkte, die Beständigkeit liegt im stoff und geeignetem Aushärtemittel in-
Vergleich zu normal feuerverzinkten Dräh- frage. Die Drahtenden müssen mindestens
ten drei- bis vierfach höher, weshalb bei 5 mm mit Vergussmaterial überdeckt wer-
deren Verwendung in der Regel auf einen den, um den vollen Korrosionsschutz sicher
zusätzlichen Korrosionsschutz der Seile zu stellen. Die Verankerung wird mit einer
440 5 Haupttragwerke der Überbauten

Schutzkappe abgedeckt. Analog den Seilen Zeit Risse aufweisen kann. Im gerissenen
erhält die Verankerungskonstruktion eine Zustand werden die Seile nicht mehr von
mehrschichtige Korrosionsschutzbeschich- einem lückenlos geschlossenen, basischen
tung. Milieu umgeben. Dies kann in der Folge
durch den Eintrag von Feuchtigkeit (Kon-
denswasser) und Sauerstoff zu Korrosion
5.5.5.4.2 Korrosionsschutz der Paralleldrahtkabel führen. Bei den heute verwendeten Kabel-
systemen kommen die folgenden aktiven
Paralleldrahtkabel bestehen aus einer be- und passiven Füllstoffe zur Anwendung:
stimmten Anzahl blanker oder verzinkter
Drähte mit einem Durchmesser von 7 mm, • Aktive: Suspension von Zink in einem
welche zu einem Bündel von parallelen Polyurethanöl,
Drähten zusammengefasst werden. In der • Passive: dauerelastisch-plastisches
Regel wird das Drahtbündel in ein Polyä- Wachs.
thylenrohr eingezogen, und die Hohlräume Die Verankerung der einzelnen Drähte er-
werden mit einer Korrosionsschutzmasse folgt je nach Drahtanzahl in einer Anker-
ausgepresst. Die Korrosionsschutzmasse hülse mit Innenkonus (bis ca. 200 Drähte)
bietet aber nur dann einen zusätzlichen oder im Grundkörper (bis ca. 400 Drähte).
Schutz, wenn sie nicht durch Wasser, Hitze
oder Vibrationen verdrängt oder ausge- • Im Konus wird das Drahtbündel aufge-
presst wird. Die Wahl der Verfüllmasse fächert, und die einzelnen Drähte wer-
hängt sowohl von der Oberflächenbehand- den mit Stauchköpfen in einer Lochplat-
lung der Drähte, da sich z. B. Zink und Ze- te verankert. Der Konus wird mit einer
mentinjektionen nicht vertragen (Tabelle Vergussmasse aus Epoxydharz, Stahlkü-
5.5‑21), als auch von den dynamischen An- gelchen und Zinkstaub vergossen. Das
forderungen bezüglich der Dämpfung der Polyäthylenrohr wird im Anschlussrohr
Kabel ab. Zementinjektionen sind insofern dicht eingegossen (Bild 5.5‑12).
problematisch, da das Injektionsgut durch • Im Grundkörper erfolgt die Veranke-
die Seilschwingungen ermüdet und mit der rung ebenfalls mit Stauchköpfen. Das

Ankerplatte

Ankerhülse Anschlussrohr

HPDE-Hüllrohr
Schutzhaube

Verguss Paralleldrahtbündel
Korrosionsschutzmasse
Trompete
Mutter
Bild 5.5‑12   Konusverankerung HiAm (bewegliche Verankerung) [Technische Unterlagen Schräg-
kabel, 2002]
5.5 Schrägkabelbrücken 441

Ankerplatte

Anschlussrohr
Grundkörper
Teleskoprohr
Schutzhaube
HPDE-Hüllrohr

Drahtführung
Zughülse

Trompete Korrosionsschutzmasse
Mutter
Bild 5.5‑13  Grundkörperverankerung DINA (bewegliche Verankerung) [Technische Unter­la­gen
Schrägkabel, 2002]

Vergießen der Bohrungen im Grund- der Bauphase jedoch problematisch, da bis


körper mit Epoxydharz verhindert den zur Ausinjektion des Hüllrohrs mehrere
Zutritt von Sauerstoff und Feuchtigkeit Monate, sogar ein bis zwei Jahre vergehen
und verhindert Reibkorrosion. Die können.
Drähte werden im Teleskoprohr zu ei- Für Schrägkabel werden in der Regel
nem dichten Bündel zusammengefasst, dickwandige HDPE-Rohre verwendet. Die
die Hohlräume mit einer Korrosions- Rohrwanddicke richtet sich dabei nach der
schutzmasse ausgepresst und das Teles- Handhabung der Kabel während Fabrika­
koprohr im Anschlussrohr dicht einge- tion, Aufwicklung und Montage und nach
gossen (Bild 5.5‑13). dem Druck der Korrosionsschutzmasse bei
den Verpressarbeiten.
Paralleldrahtkabel werden einschließlich Es ist zu beachten, dass Stahlhüllrohre
der Verankerung vorkonfektioniert gelie- nur bei nicht werkgefertigten Kabeln ver-
fert, vor Ort eingezogen und verspannt. Am wendet werden können. Aufgrund ihrer
Ende der Verankerungstrompete wird das Länge müssen Stahlhüllrohre verschweißt
Paralleldrahtkabel in einem Neoprene-Ring werden, wobei Schweißnähte generell
gelagert und der Übergang Trompete-Ka- Schwachstellen sind und bei nicht fachge-
bel mit einem Neoprene-Konus abgedich- rechter Ausführung (überstehende Brauen
tet. Die Verankerungskonstruktion wird im Hüllrohrinnern) zur Beschädigung der
mit einer Schutzhaube abgedeckt, welche Drähte führen können. Stahlhüllrohre wer-
ebenfalls ausinjiziert wird. In der Tabelle den deshalb kaum mehr verwendet.
5.5‑21 sind mögliche Kombinationen von
Korrosionsschutzmassnahmen für Parallel-
drahtkabel zusammengestellt. 5.5.5.4.3 Korrosionsschutz der Parallellitzenkabel
Werden blanke Drähte verwendet, müs-
sen sie mit einem Korrosionsschutzmittel Parallellitzenkabel bestehen aus einzelnen
behandelt werden (z. B. Fett oder Wachs). Seillitzen, welche nacheinander in ein Hüll-
Dieser temporäre Korrosionsschutz ist rohr eingezogen werden. Die Seillitzen ha-
ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen in ben einen Durchmesser von 0,6˝, nach
442 5 Haupttragwerke der Überbauten

Tabelle 5.5‑21 Kombinationen von Korrosionsschutzmassnahmen

Komponenten Kombinationsmöglichkeiten

I II III

Drähte
   blank X X
   verzinkt X
Korrosionsschutzmasse
   dauerplastisch X X
   Zementinjektion X
Hüllrohr
   HDPE-Rohr X X X
   Stahlrohre (X) (X) (X)

ASTM 15.2 mm (Nominalquerschnitt­ Montage vorbereitet (u. a. Entfernen der


140 mm2, primär in USA und Asien ver- HDPE-Ummantelung im Verankerungs­
wendet) bzw. nach Euronorm 15.7 mm bereich). Die Litzen werden anschließend
(Nominalquer­schnitt 150 mm2, primär in einzeln nacheinander in ein HDPE-Schutz-
Europa verwendet). Eine Litze besteht aus 7 rohr eingezogen und angespannt. Die
gewachsten oder gefetteten Einzeldrähten ­Seillitzen verbleiben in der Regel lose in der
mit Durch­messern von 5.1 – 5.2 mm pro Ummantelung, so dass jederzeit einzelne
Draht, wobei die 6 äußeren Drähte um den Litzen ersetzt werden können.
etwas dickeren Zentrumsdraht gewickelt Die Verankerung der Parallellitzenbün-
werden. Die Lücken zwischen den Drähten del erfolgt an einem Kabelende fest und am
werden mit Wachs (z. B. System Mono­ anderen nachstellbar, wobei die einzelnen
strand minimal 120g/m [Technische Un- Litzen bei beiden Verankerungstypen mit
terlagen: Stay Cab­les, 2001]) oder Fett ver- Keilen fixiert werden (Bild 5.5‑14). Das
füllt. Anschließend wird die Litze mit einer Spannen der Kabel kann beidseitig erfol-
eng-extrudierten HDPE-Ummantelung gen. Wesentlichstes Element des bauseiti-
(im Tauchverfahren aufgebracht und durch gen Korrosionsschutzes bei der Montage ist
Schrumpfen beim Abkühlen unverschieb- das Ausinjizieren der Hohlräume um die
lich mit den Stahldrähten verbunden) um- Litzen im Auffächerungsbereich der Veran-
hüllt. Die eng-extrudierte HDPE-Um­ kerungskonstruktion mit einer Korrosions-
mantelung garantiert, dass der Stahl auch schutzmasse, welche das Eindringen von
unter voller Dehnung immer vor äußeren Feuchtigkeit langfristig verhindert [Techni-
Einflüssen geschützt ist. Diese Seillitzen sche Unterlagen: Schrägkabel, 2002], [Tech-
werden werkseitig unter hoher Qualitäts- nische Unterlagen: Stay Cables, 2002],
anforderung als Endloslitzen gefertigt und [Technische Unterlagen: Prestressing Sys-
auf Bobinen aufgewickelt zur Baustelle ge- tems, 2002]. Die Korrosionsschutzmasse
liefert. Bauseitig werden die Seillitzen auf darf nicht durch Wasser, Hitze oder Vibra-
das erforderliche Maß ab­gelängt und zur tionen verdrängt oder ausgepresst werden.
5.5 Schrägkabelbrücken 443

Ankerplatte Anschlussrohr
Litzen

Ankerkopf mit Keilverankerung Neoprene-Konus

Schutzhaube HPDE-Hüllrohr

Ankerhülse Dämpfungsring

Mutter Spannungsring
Korrosionsschutzmasse
Trompete
Bild 5.5‑14   Verankerungssystem (nachspannbar)

Am Ende der Verankerungstrompete Endsystem sich aus den Systemen des Bau-
wird das Parallellitzenkabel in einem zustands entwickelt. Durch das Vorspan-
Dämpfungsring gelagert und der Übergang nen der Seile lässt sich gezielt ein günstiger
Trompete-Kabel mit einem Neoprene- Ko- Momentenverlauf im Streckträger einstel-
nus abgedichtet. Die Verankerungskonst- len. Grundsätzlich gilt das für alle Schräg-
ruktion wird mit einer Schutzhaube abge- kabelbrücken, unabhängig von der Ausbil-
deckt, welche ausinjiziert wird. dung des Streckträgers.
Die Gestaltung von Schrägkabelbrücken
in Verbundbauweise unterscheidet sich
5.5.6 Ergänzungen zu Verbund- also prinzipiell nicht von der von reinen
und Mischkonstruktionen Stahl- oder Betonsystemen. Die Gestalt der
Pylone, die Anzahl der Kabelebenen und
Ulrike Kuhlmann die Anordnung der Kabel werden nach den
und Annette Detzel gleichen Kriterien entworfen und führen zu
den vielfältigsten Varianten.
5.5.6.1 Kriterien zur Baustoffwahl Die unterschiedliche Ausbildung der
des Streckträgers Fahrbahnebene richtet sich neben histori-
schen und regionalen Bevorzugungen – so
Schrägkabelbrücken stellen eines der zu- wurde in Europa, Nordamerika, Japan und
kunftsträchtigsten Brückensysteme dar, Australien vorwiegend in Stahl gebaut, in
­deren Entwicklungsmöglichkeiten bei wei- Südamerika und China dagegen überwie-
tem noch nicht ausgeschöpft sind, da sie gend mit dem Baustoff Beton – hauptsäch-
entscheidende wirtschaftliche Vorteile mit lich nach wirtschaftlichen Aspekten.
vielfältigen ästhetischen Gestaltungsmög- Bedingt durch das Tragsystem der
lichkeiten verbinden. Wirtschaftlich güns- Schrägkabelbrücke erhält ein Streckträger
tig wirkt sich gerade im Vergleich zu Bo- aus Beton die für seine Wirkungsweise
genbrücken bzw. zum anderen seilüber- so günstige Druckvorspannung ohne teure
spannten System der Hängebrücken aus, Spannglieder mitgeliefert. Gegenüber dem
dass durch den, ausgehend von den Pylo- Werkstoff Stahl hat ein Betonträger jedoch
nen, sukzessiven Freivorbau das statische den Nachteil der höheren Eigenlast. Reine
444 5 Haupttragwerke der Überbauten

8000

7000

Betonfahrbahn
Kosten

Orthotrope Platte
Verbundfahrbahn
Hybrid Beton/Stahl
Hybrid Beton/Verbund

4000

3000

2000
200 300 400 500 600 700 800 900 1000
Hauptspannweite [m]
Bild 5.5-15   Kostenvergleich für verschiedene Streckträgermaterialien (Quelle Leonhardt, Andrä
und Partner)

Stahlkonstruktionen führen dagegen we- • Die Normalkräfte aus dem Hauptsystem


gen des geringeren Gewichts zwar zu einer erzeugen eine Druckvorspannung in
Reduktion der erforderlichen Kabelquer- der Betonfahrbahn. Die Zugspannun-
schnitte, aber erst bei sehr großen Spann- gen, die aus der Plattenbiegung in­
weiten wiegt dieser Vorteil die hohen Fer­ folge örtlicher Lasteinleitung in der
tigungskosten der orthotropen Fahrbahn ­Betonplatte auftreten werden durch die
auf, vgl. die Zusammenstellung der Her- Vorspannung zum großen Teil über-
stellkosten von Schrägkabelbrücken in Ab- drückt.
hängigkeit von der Spannweite und des • Die Stahlträger sind leicht und schnell
Streckträgermaterials in Bild 5.5-15. montierbar und dienen als Gerüst für
Logische Konsequenz hieraus ist die die Schalung der Betonfahrbahn.
Einführung der Verbundbauweise für den • Bei Herstellung der Ortbetonplatte in
Streckträger von Schrägkabelbrücken. Die direktem Nachlauf zur Stahlkonstruk­
Materialien Beton und Stahl werden ihren tion entsteht ein Eigengewichtsverbund,
Eigenschaften entsprechend vorwiegend der zu Materialeinsparungen führt.
auf Druck bzw. Zug belastet. Auch die Mon- • Die Eigenlast der Verbundkonstruktion
tage gestaltet sich einfacher. Die Stahlträger ist geringer als die einer reinen Beton-
können in großen, relativ leichten, vorge- konstruktion, so dass geringere Kräfte in
fertigten Einheiten auf die Baustelle trans- den Kabeln, Pylonen und Fundamenten
portiert und montiert werden und dienen entstehen. Gegenüber der reinen Stahl-
dann als Schalungsträger für die Herstel- konstruktion ist die Verbundkonstruk­
lung der Betonplatte. tion zwar schwerer. Die guten Dämp-
Im Einzelnen können die folgenden fungseigenschaften wiegen diesen Nach-
Vorteile der Verbundbauweise für Schräg- teil jedoch wieder auf.
kabelbrücken formuliert werden:
5.5 Schrägkabelbrücken 445

Bild 5.5-16   Normandiebrücke – Ansicht

Bild 5.5-17   a) Spannbetonquerschnitt, b) Stahlquerschnitt

Ebenfalls als günstig erweisen sich, siehe a­ bzutragen haben. In Pylonnähe, wo die
auch Bild 5.5-15, sogenannte hybride Kon- Drucknormalkräfte im Streckträger am
struktionen oder Mischkonstruktionen: größten sind, wird Beton ein­gesetzt. Auf-
die Streckträger werden in Feldmitte als grund der kleineren Kabellängen und der
Stahl- oder Verbundträger hergestellt, so größeren Neigung der Kabel können die
dass die ohnehin am stärksten be­ höheren Lasten aus dem Betongewicht
anspruchten Seile mit geringer Neigung wirtschaftlich abgetragen werden, siehe
weniger Eigenlast aus dem Streckträger auch [Engelsmann et al., 1993]. Außerdem
446 5 Haupttragwerke der Überbauten

erhalten in den Seitenfeldern die Rück­ 5.5.6.2 Querschnittsgestaltung


verankerungen der Kabel höhere Auf­ und Ausbildung der Verbundfuge
lasten, so dass an den Lagerpunkten eher
auf eine Zugverankerung verzichtet wer- Die wahrscheinlich erste Schrägkabelbrücke,
den kann. die nach dem Konzept der Verbundbauweise
Ein bekanntes Beispiel für eine solche gebaut wurde, ist die Hooghly River-Brücke
Mischkonstruktion ist die Normandie- in Kalkutta, Indien [Schlaich/Bergermann,
brücke über die Seine bei Le Havre (Bild 1996]. Da recht schlechte Gründungsver-
5.5-16). Mit ­einer Hauptspannweite von hältnisse vorlagen, wurde für die Hauptträ-
856 m war sie die erste Schrägkabelbrücke, ger eine relative leichte Verbundkonstruk­
die in den ­Bereich der sehr großen Spann- tion gewählt. Forderung des Bauherrn war
weiten ­vordrang, der bisher nur durch es, indische Materialien und Fertigungstech-
Hängeseilbrücken realisiert wurden. Im niken zu benutzen. Konstruktionen und
mittleren Teil ist der Streckträger auf 624 m Montage richteten sich daher im wesentli-
ein Stahlkastenquerschnitt, während der chen nach den Möglichkeiten des ortsansäs-
Querschnitt in den Seitenfeldern und je- sigen Stahlbaus. Das Know-how für Schweiß-
weils 116 m über die Pylone ins Hauptfeld verbindungen auf der Baustelle bzw. für die
auskragend in Spannbetonweise ausge- Anwendung hochfester Schrauben in vorge-
führt ist, siehe Bild 5.5-17. Bemessungs­ spannten Verbindungen lag nicht vor. So
relevant ­waren hier die hohen Windlasten, wurden alle Stahlstöße als genietete Verbin-
die nicht nur zur Ausbildung eines dungen ausgeführt. Da Arbeitskräfte vor Ort
­windschlüpfrigen Kastenquerschnitts mit zur Verfügung standen, wurde die Beton-
beidseitigen Abspannungen zu den sehr fahrbahn nicht mit Hilfe von Fertigteilen
steifen Y-förmigen Pylonen führten, son- oder fertigen Schalelementen, sondern mit
dern auch die Einspannung der Betonfahr- vor Ort gezimmerter Schalung hergestellt.
bahn in die Pylone nutzten [Virlogeux, Als Verbundmittel wurden auf die Obergurte
1990]. der Längs- und Querträger Blockdübel mit
Schlaufen geschweißt. Bild 5.5-18 zeigt den
Querschnitt der Hooghly River-Brücke.

Bild 5.5-18   Hooghly River-Brücke in Kalkutta,


Querschnitt (nach [Schlaich/Bergermann,
1996])
5.5 Schrägkabelbrücken 447

Ansicht Längsschnitt in Brückenachse Ansicht A – A

Bild 5.5-19   Sunshine-Skyway-Brücke, Ansicht

Bild 5.5-20   Sunshine-Skyway-Brücke, Querschnitt

Ähnlich wie bei der Hooghly-Brücke in fen über die Brückenlänge durch. Die
Kalkutta handelt es sich auch bei dem zwei- Querfugen, in denen nahe der Brückenmit-
ten Beispiel, der Sunshine-Skyway-Brücke te auch Zug entstehen kann, sind gegenei-
in Florida, [Saul et al., 1984] um einen nander versetzt. Als Verbundmittel wurden
offenen Streckträgerquerschnitt, bei dem auf den Querträgern in den Dübelausspa-
die beiden Seilebenen an die außenliegen­ rungen Kopfbolzendübel angeordnet, die
den Hauptträger geführt werden. Die Bil- dann mit Ortbeton vergossen wurden. Die
der 5.5-19 und 5.5-20 zeigen Ansicht und Fugen waren ausreichend breit, dass die Be-
Querschnitt der Brücke. Die außen liegen- wehrung durch Übergreifung gestoßen
den asymmetrischen Hauptträger haben in werden konnte, die Plattenränder waren
Richtung der Kabelebene geneigte Stege, an profiliert, um die Schubverzahnung zu ver-
denen die Schrägkabel verankert sind. Die bessern.
Betonfahrbahnplatte spannt in Brücken- Die Zwillings-Verbundschrägkabelbrü-
längsrichtung zwischen den Querträgern. cke über den Houston Ship Channel bei
Sie wurde im Unterschied zur Hooghly- Baytown, Texas [5.46] ähnelt der oben be-
Brücke aus Fertigteilen hergestellt, die schriebenen Sunshine-Skyway-Brücke.
durch Ortbetonfugen miteinander verbun- Wegen der großen Breite der Fahrbahn
den sind. Die Längsfugen, in denen sich aus wurden jedoch zwei unabhängige Über-
der Querträgerwirkung Druck ergibt, lau- bauten mit jeweils 24 m Breite ausgebildet,
448 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.5-21   Brücke über


den Houston Ship Channel,
Querschnitt

mit auf Streckträgerhöhe gekoppelten Pylo- Gurte gleichzeitig auch als „Schalbleche“
nen (siehe Bild 5.5-21). Auch hier haben die dienten.
Hauptträger geneigte Stege und liegen am Die Beispiele zeigen, dass die Quer-
Rand der Brückenfahrbahn um ein direktes schnittsgestaltung des Streckträgers durch-
Verankern der Kabel zu ermöglichen. Der aus durch das Haupttragsystem der Schräg-
ursprüngliche Entwurf sah vor, zur Erzie- kabelbrücke mitbestimmt wird.
lung eines Eigengewichtsverbundes die Be-
tonfahrbahn vor der Verbundrostmontage • Die Hauptlängsträger liegen sowohl bei
an Land zu betonieren. Um die hohen He- Kastenträgern als auch bei offenen Plat-
begewichte zu vermeiden, wurden bei der tenbalken bevorzugt außen, um die Ka-
Ausführung jedoch stattdessen ebenfalls bel direkt verankern zu können.
Fertigteilplatten mit Ortbetonfugen ange- • Die Betonfahrbahn spannt in Längsrich-
ordnet. Die Querfugen lagen jeweils über tung zwischen den Querträgern. Die
den Obergurten der Querträger, so dass die Längsdruckkräfte aus der Haupttrag­
5.5 Schrägkabelbrücken 449

wirkung überdrücken weitgehend die e­ iner Standspur und einer zweiten unteren
Längszugspannungen aus örtlicher Ebene für eine zweigleisige S-Bahn und
­Last­einleitung. zwei Notspuren. Da sowohl der Obergurt
• Um eine Umlagerung der Längsdruck- als auch der Untergurt des Kastens als Fahr-
kräfte aus der Betonfahrbahn in den bahnplatte wirkt, wurde eine Doppelver-
Stahl gering zu halten, werden häufig bundkonstruktion ausgeführt. Bemerkens-
Betonfertigteile eingebaut. Die Fugen wert ist, dass es sich bei der zweistöckigen
zwischen den Fertigteilen werden zur Straßen- und S-Bahnbrücke darüber hin-
Risseverteilung mit überlappender Be- aus nicht nur im Querschnitt, sondern auch
wehrung versehen. in Brückenlängsrichtung um eine Misch-
• Offene Querschnitte werden häufig mit konstruktion handelt. Der dreizellige Kas-
A-Pylonen kombiniert. Die außen am tenquerschnitt besteht nur im mittleren
Balken verankerten Kabel laufen an der Bereich der Hauptöffnung mit einer Länge
Pylonspitze zusammen und bilden so von 387 m aus einem Verbundüberbau. Die
ein steifes, räumliches Fachwerk, das Seitenfelder und Randbereiche der Mittel-
den torsionsweichen Balken stabilisiert. öffnung sind aus vorgespanntem Stahl­beton
ausgeführt. Die beiden Kabelebenen grei-
fen links und rechts der äußeren Kästen an
5.5.6.3 Sonderlösung Doppelverbund­ und sind in einem H-förmigen Pylon fä-
querschnitt cherförmig verankert. Die Queraussteifung
der Kästen erfolgt über die als Vierendeel-
Der Querschnitt der Kap-Shui-Mun-Brü- Träger ausgebildeten Querrahmen, da der
cke in Hong-Kong [Saul/Hopf, 1997a], Schienen- und Straßenverkehr im Inneren
[Saul/Hopf, 1997b] wurde durch die Anfor- des Kastens keine Diagonalaussteifung zu-
derung bestimmt, dass der Verkehr in zwei lässt (Bild 5.5-22). Längsverbände in der
Ebenen anzuordnen war, einer oberen Ebe- Ebene der inneren Pfosten verteilen die
ne für die Autobahn mit zwei Richtungs- konzentrierten Verkehrslasten auf mehrere
fahrbahnen mit je drei Fahrspuren und Querrahmen. Um die Diagonalen von Be-

Bild 5.5-22   Kap-Shui-Mun-Brücke, Querschnitt


450 5 Haupttragwerke der Überbauten

anspruchungen aus dem Haupttragwerk 5.6 Hängebrücken


möglichst freizuhalten, wurden sie erst
nach Aufbringen aller ständigen Lasten Günter Ramberger
verschraubt. Die Verbindung zwischen und Francesco Aigner
Spannbetonüberbau und Verbundüberbau
erfolgt über ein Übergangselement, das
während der Montage auch als Vor- Für sehr große Stützweiten, heute bis
bauschnabel des mit Taktschieben erstell- 2000 m, werden Hängebrücken verwendet.
ten Spannbetonüberbaus diente. Die Hängebrücke mit der größten Mittel-
Die in Längsrichtung vorgespannten spannweite ist derzeit (2009) die Akashi Kai-
Stahlbetonverbundplatten haben im Be- yko Brücke zwischen Kobe und den Awachi-
reich der S-Bahn große Öffnungen (siehe Inseln in Japan (Bild 1.4-37) mit einer Ge-
Querschnitt in Bild 5.5-22), um auch im samtlänge von 3911 m und einer mittleren
Falle eines Feuers einen guten Luftabzug zu Öffnung von 1991 m, deren Pylone rund
gewährleisten. 300 m hoch sind. Für große Stützweiten
Die beschriebenen Beispiele zeigen, dass werden erdverankerte Hängebrücken ver-
Verbund-Schrägkabelbrücken nach einem wendet. Diese bestehen (in der Reihenfolge
Zusammenspiel von Kriterien der Wirt- der Herstellung) aus den Ankerblöcken, den
schaftlichkeit, der Montierbarkeit und Her- Pylonen, den Tragkabeln, den Hängern und
stellung und der Funktionsanforderungen dem Brückenbalken (siehe Bild 5.6-1). Im
entworfen werden. Die konsequente Ver- oberen Bild sind die Ankerblöcke, Pylone
folgung dieser Grundsätze führt häufig und Tragkabel dargestellt, im mittleren Bild
dann auch zu Brückensystemen, die darü- ist die Montage der Hänger und des Verstei-
ber hinaus durch ihren ästhetischen Aus- fungsträgers dargestellt und im unteren Bild
druck faszinieren. wird der Endzustand gezeigt.
Unechte oder in sich verankerte Hänge-
Für vertiefende Fragen zu Schrägkabelbrücken
brücken werden heute kaum mehr gebaut,
wird folgende weiterführende Literatur beson-
ders empfohlen:
da zunächst der Brückenbalken fertigge-
[Andrä/Saul, 1974], [Bacchetta/Rüst, 1985], stellt werden muss, bevor die Kabelüber-
[Birkenmaier/Narayanan, 1982], [Graf/Bremer, spannung angeordnet werden kann und
1941], [Klingenberg/Plum, 1955], [Köppel/Bac- deswegen der Brückenbalken nur für die
chetta, 1984], [Koger, 1983], [Leonhardt et al., Montage zusätzliche Unterstützungen im
1979], [Leonhardt et al., 1980], [Maschwitz Feld benötigt, die üblicherweise ein Ver-
et al., 1985], [Menn, 1987], [Modemann/Thön- kehrshindernis für den Bereich unter der
nissen, 1979], [Roberts, 1966], [Rose­meiner, Brücke darstellen. Die unechte Hänge­
1986], [Schambeck/Kroppen, 1982], [Schlaich/ brücke wird heute durch die Schrägkabel-
Bergermann, 1984], [Stein, 1986], [Tang, 1972], brücke ersetzt, die ebenfalls bezüglich
[Thul, 1972], [Tschemmernegg/Obholzer, 1981],
­Horizontalkraft in sich verankert ist, die
[Völkel et al., 1977] und [Weitz, 1983].
jedoch die Montage ohne zusätzliche­
untere Stützen gestattet.
Tragelemente der Hängebrücke sind die
Tragkabel. Ein Tragkabel wird entweder
aus parallel liegenden, hochfesten Drähten
an Ort und Stelle, im so genannten Luft-
spinnverfahren („spinnen“ = Verdrehen ist
­eigentlich der falsche Ausdruck, da die
­einzelnen Drähte parallel gelegt werden)
5.6 Hängebrücken 451

Bild 5.6-1   Bau der Akashi Kaikyo Brücke


452 5 Haupttragwerke der Überbauten

hergestellt. Dazu wird zunächst ein Kabel- Pylonenspitzen werden die Tragkabel um-
hilfssteg (Catwalk) montiert, auf dem die gelenkt. Der Umlenkradius richtet sich
Drahtbündel verlegt werden (siehe Bild nach der Art und dem Durchmesser der
5.6-2). Den Vorgang des Luftspinnens hat verwendeten Elemente für das Kabel. An
Roebling erstmals bei der Brooklyn-Bridge den beiden, jeweils an den Brückenenden
in New York 1883 angewandt. Das obere angeordneten Ankerblöcken werden die
Bild zeigt die schematische Darstellung des Kabel verankert, wobei bei luftgesponnen
Kabelspinnens. Unten links ist die Kabel- Kabeln mehrere Drähte um einen Anker
verankerung, unten mitte der Ankersattel geführt werden, der rückverspannt ist und
an der Kabelverankerung und unten rechts bei vorgefertigten Litzen und Seilen die
der Hilfssteg (Catwalk) dargestellt. Endstücke in einer käfigartigen Stahlkon­
Anstelle luftgesponnener Paralleldraht- struktion verankert werden. Das Gewicht
bündel können auch vorgefertigte Litzen- des Ankerblocks muss so hoch sein, dass
bündel (siehe Bild 5.6-3) oder bei kleine­ sowohl die Horizontal- als auch die Ver­
ren Schrägseilbrücken auch vorgefertigte tikalkomponenten der Kabelkräfte aufge-
vollverschlossene Seile verwendet werden. nommen werden können (Bild 5.6-4).
Auch bei vorgefertigten Zugelementen Die Höhe der Pylone richtet sich nach
ist ein Kabelhilfssteg erforderlich. Auf den dem Stich der Tragkabel, der mit L/12 bis L/8

Bild 5.6-2   Luftspinnen beim Bau der Hängebrücke über den Firth of Forth [Kollmeier, 1964]
5.6 Hängebrücken 453

Bild 5.6-3   Akashi Kaikyo Brücke, Tragkabel bestehend aus Litzenbündeln

Bild 5.6-4   Resultierende Kräfte


im Ankerblock

(L = Stützweite des Mittelfeldes) fest­gelegt Die Kabelsattellager werden direkt über


wird. Die Pylone sind meist zwei­stielige den Stielen angeordnet. Heute werden
biege­steife Rahmen mit Kastenquerschnit- meist geschweißte Kabelsattellager verwen-
ten mit einem oberen Riegel und einem Rie- det, die über den ungünstigsten Ablöse-
gel zur Auflagerung des Brückenbalkens punkt des Kabels reichen müssen, um ein
(Bild 5.6-5). Sie können in das Fundament Abknicken des Kabels zu vermeiden.
eingespannt oder auf dem Fundament ge- Nach dem Ende der Montage werden die
lenkig gelagert werden. Für die Montage Querschnitte der Tragkabel in Rundform
müssen sie zumindest in Längsrich­tung gepresst und mit Weicheisendraht Lage für
(provisorisch) eingespannt werden. Lage dicht an dicht umwickelt (gebändselt).
Im Allgemeinen werden zwei Tragkabel Da die Tragkabel nicht ausgetauscht wer-
und somit zwei Tragebenen verwendet. Es den können, ist der Korrosionsschutz der
gibt auch Monokabel-Hängebrücken, bei aus kerbempfindlichen (Rostkerben) Dräh-
denen das Kabel in der Mitte jedoch nur ten mit geringem Volumen und großer
bis zum Lichtraumprofil reichen darf. Die Oberfläche zusammengesetzten Kabel von
Pylone von Monokabel-Brücken erhalten entscheidender Bedeutung. Üblicherweise
überlicherweise A-Form [Leonhardt, 1982]. werden alle verwendeten Drähte feuerver-
454 5 Haupttragwerke der Überbauten

Durchlaufträgern entstehen an den Pylo-


nenpfeilern relativ hohe negative Biege­
momente. Die Versteifungsträger in den
Seiten­öffnungen können bei kurzen
­Zwischenstützweiten ohne Zwischen­
auflager, bei großen Stützweiten an das
Tragkabel aufgehängt oder mit Stützen­
von unten ausgebildet werden. Die Hän­
ger können entweder lotrecht oder fach-
werkartig schräg auf und ab angeordnet
werden.
Schräge Hänger vergrößern etwas die
Systemsteifigkeit. Die Hänger führen von
zweiteiligen Schellen, die auf die Tragkabel
aufgeklemmt werden, zu den Anschluss-
vorrichtungen am Balken. Hänger werden
aus vollverschlossenen Seilen oder aus
Litzenbündeln gefertigt. Ein Austausch
der Hänger ist relativ einfach zu bewerk-
stelligen und sollte bei der Bemessung­
als planmäßiger Lastfall berücksichtigt
werden.
Bild 5.6-5   Pylonenformen [Weitz, 1975]
Ein Problem, das gerade bei Hängebrü-
cken großer Stützweite beachtet werden
muss, ist die aerodynamische Stabilität des
zinkt. Die Umwicklung erhält einen mehr- Bauwerks. Der anströmende Wind kann
schichtigen Beschichtungsaufbau, auf des- Hängebrücken zu gekoppelten Biege-Tor­
sen Erhaltung unbedingt Augenmerk gelegt sionsschwingungen, sogenannten Flatter-
werden muss. Bei modernen Hängebrü- schwingungen, anregen. Ein weltbekanntes
cken wird der Korrosionsschutz durch be- Beispiel ist die Tacoma-Bridge, die 1940
sondere Maßnahmen wie z. B. Umhüllen ­infolge durch Wind angeregte Flatter-
mit Folie und Einpressen getrockneter­ schwingungen einstürzte. Heute ist es mög-
Luft erreicht. lich, sowohl experimentell im Windkanal
Der Versteifungsträger dient dazu, die als auch rechnerisch nachzuweisen, dass
auf der Fahrbahn wirkenden Lasten auf die Bauwerke bis zu den am Ort des Bauwerks
Hängeseile zu verteilen. Er wird auf Bie- in der Natur anzutreffenden Windge-
gung beansprucht. Versteifungsträger wer- schwindigkeiten aerodynamisch stabil sind.
den als Vollwand- oder als Fachwerkträger Vollwandträger werden heute im Allgemei-
hergestellt (Bild 5.6-6). nen mit windschnittigen Querschnitten
Der Verkehr auf Fachwerkträgern kann ausgeführt (siehe Bild 5.6-6). Eventuell
auch auf zwei Ebenen geführt werden können auch aktive Maßnahmen wie z. B.
z. B. Untergurtebene: Eisenbahnverkehr, die Verstellbarkeit der Neigung des Rand-
Obergurtebene: Straßenverkehr. Der Ver- bereichs die Gefahr der Flatterschwin­
steifungsträger kann über die Pylonenpfei- gungen bannen. Eine weitere Maßnahme
ler biegesteif durchgeführt oder an den zur Erhöhung der aerodynamischen Stabi-
Pylonenpfeilern unterbrochen und ge­ lität ist die Teilung des Balkens in mehrere
lenkig aufgelagert werden (Bild 5.6-7). Bei Streifen mit längslaufenden Zwischenräu-
5.6 Hängebrücken 455

34300/2=17150 34300/2=17150
38700/2=19350 38700/2=19350
1200 1700 700 15000 750 750 15000 700 1700 1200
2% 2%

1765 906
3000

4500 27300/2=13650 27300/2=13650 4500

Bild 5.6-6   Fachwerk-Kastenquerschnitt [Wiechert, 1984] und Vollwandquerschnitt [Li et al,


2001]

Bild 5.6-7   Unterschiedliche Systeme der Versteifungsträger [Stahlbau, 1985]


456 5 Haupttragwerke der Überbauten

Bild 5.6-8   Querschnitt, vorgeschlagen für die Messina Brücke [Gimsing, 1998]

men, durch die der Wind durchströmen durchgehende, mehr oder weniger durch-
kann (Bild 5.6-8). hängende Spannglieder in einem im Ver-
Dabei muss beachtet werden, dass auch hältnis zur Spannweite relativ dünnen Be-
die statischen Windkräfte in horizontaler tonband eingebettet sind. Dieses Spann-
Richtung vom Balken aufgenommen wer- band bildet die Fahrbahn oder wird bei
den müssen und dieser daher auch eine größerem Durchhang mit einer aufgestän-
entsprechende Biegesteifigkeit um die ver- derten Fahrbahn ausgebildet. Die Vorteile
tikale Achse benötigt. Bei Zerlegung des dieses Tragsystems sind vor allem in der
Balkens in Streifen und Zwischenräume vorwiegenden Längskraftbeanspruchung,
sollten die Streifen so schubfest verbunden der einfachen Herstellung ohne Lehrge-
werden, dass sie statisch in einem Quer- rüst und dem geringen Betonverbrauch zu
schnitt zusammenwirken. sehen.
Die Bemessung der Tragkabel wird im In dem Bestreben, breite Hindernisse
Allgemeinen aus wirtschaftlichen Grün- mit Brücken großer Stützweite wirtschaft-
den nach Theorie II. Ordnung durchge- lich zu überwinden, entstand 1958 der erste
führt, da die Kabelkräfte bei Vergrößerung ausführungsreife Entwurf einer dreifeldri-
des Stichs verringert werden. Die Bemes- gen Spannbandbrücke mit maximaler
sung der Pylone muss aus Gründen der Stützweite von 408 m zur Überbrückung
Tragsicherheit nach Theorie II. Ordnung des Bosporus [Nehse, 1973]. Finsterwalder
(mit Berücksichtigung von Imperfektio- konzipierte diesen Brückentyp, bei dem ein
nen) erfolgen. extrem flach gespanntes Betonband von
Straßenfahrzeugen direkt befahren werden
kann. Die Zeit war damals für die Verwirk-
5.7 Spannbandbrücken lichung dieses kühnen Projektes jedoch
noch nicht reif. Der Grundgedanke ist Jahr-
Jürgen Stritzke tausende alt, nur waren seinerzeit derartige
Hängekonstruktionen aus Holz (z. B. Holz-
5.7.1 Einleitung steg über den Yarkhunfluss in Chitral zwi-
schen Himalaja und Pamir).
Seit Ulrich Finsterwalder den ersten aus- Erstmals kam ein Spannband beim Bau
führungsreifen Entwurf einer Spannband- der 216 m langen Transportbandbrücke
brücke vorlegte, sind eine Reihe derartiger der Zementfabrik Holderbank-Wildeeg
Brücken gebaut worden. Der Begriff Spann- [Walther, 1969] zur Anwendung. Für den
bandbrücke kennzeichnet ein Tragsystem, öffentlichen Verkehr wurde das Prinzip des
bei dem von Widerlager zu Widerlager Spannbands bei der Fußgängerbrücke Bir-
5.7 Spannbandbrücken 457

Bild 5.7-1   Längsschnitt der Spannbandbrücke über die Sázava bei Hvězdonice

cherweid [Scartazzini, 1969] über die Na­ rd. 78 m Spannbandlänge. Ein dreifeld­
tionalstraße N 3 bei Pfäffikon (CH) ver- riges Spannband überbrückt mit 85,5 m :
wirklicht. Eine 8,5 m breite Spannbandbrü- 96 m : 76 m die Moldau in Prag-Troja
cke mit aufgeständerter Fahrbahn wurde (Bild 5.7-2). Heute existiert eine ganze Rei-
1973 über das 100 m tiefe Tal des Rio Colo- he von ausgeführten Spannbandbrücken
rado [Lin/Kulka, 1973] gebaut. (Tabelle 5.7-1).
Zu erwähnen sind vor allem einige inte-
ressante Fußgängerbrücken in der Tsche- 5.7.2 Tragwirkung
chischen Republik. So wurde 1977 bei
Hvězdonice die zweifeldrige Spannband- Im Gegensatz zu Hängebrücken sind hier
brücke über die Sázava [Kobca/Brejcha, die Tragseile, die Versteifungsträger und die
1978] mit einer maximalen Spannweite Fahrbahn in einem Element, dem Spann-
von 78 m gebaut (Bild 5.7-1). Das 250 mm band, zusammengefasst. Das Spannband
dicke Spannband wurde auf einer aufge- besteht aus einem relativ dünnen Beton-
hängten Schalung betoniert und nach­ querschnitt mit von Widerlager zu Widerla-
träglich vorgespannt. Zwei weitere ein­ ger durchgehenden Spanngliedern. Das
feldrige Spannbandbrücken überspannen Tragsystem stellt ein flach gespanntes Seil
die Svratka in Brünn-Bystrc und Brünn- dar. Der Durchhang, der die Brückengradi-
Komin [Stráský, 1981] mit rd. 63 m bzw. ente bestimmt, wird von der maximal zu-

Bild 5.7-2   
Spannbandbrücke
über die Moldau in
Prag-Troja
Tabelle 5.7‑7  Auswahl ausgeführte Spannbandbrücken 458
Bezeichnung/Land Zahl der max. freie Band­ Banddicke Bandradius max. Zugkraft max. Ausführung
Felder Band­länge L breite bei Eigenlast bzw. Vorspan- Tangenten-
und mittlerer nung neigung
Temperatur
m m m m kN %
Transportbr. Holderbank CH 1 216 3,16 400 11600 1963/64
Bircherweid CH 1 40 2,80 0,18 450 7000 19,5 1967
Osaka J 1 19 5,40 0,10 870 18000 2,8 1968
Freiburg i. B. D 3 34,5 4,40 0,25 300 16000 14 1969/70
Rhône Genf-Lignon CH 1 136 3,10 0,40/ 0,08 420 17,5 1971
Peak Park GB 1 34 1,80 0,16
Rio Colorado CR 5 108 8,50 1973
Hvezdonice CZ 2 73 2,70 0,25 11,1 1977
Brno-Bystrc CZ 1 57 3,80 0,30 13850 7,6 1979
Prag-Troja CZ 3 96 3,80 0,30 1984
Brno-Komin CZ 1 72 3,80 0,30 17900 7,6 1985
Pforzheim D 1 50 3,00 0,18 300,86 6,26 1991

Nymburk CZ 3 46,5–102–70,5 1985


Komeritz CZ 1 63,0 1983
Radonice CZ 1 63,0 1984
Prerov CZ 2 67,5–28,5 1983
Zatec CZ 2 36,5–75,5
Velke Brezno CZ 4 79,5–114–144–55,5
5 Haupttragwerke der Überbauten
5.7 Spannbandbrücken 459

mutbaren Längsneigung der Fahrbahn be- ist die Verwendung entsprechend langer
grenzt. Die nahezu ausschließlich auftre- vorgespannter Verpressanker als Daueran-
tenden Zugkräfte werden von den Spann- ker für die Einleitung der großen Zugkräfte
gliedern aufgenommen. Im Gegensatz zu wirtschaftlicher als die Ausbildung von
den üblichen Überbaukonstruktionen hat Schwergewichtswiderlagern. Der Einfluss
der Beton hier keine primäre Tragfunktion. der hohen Aufwendungen für die Endver-
Er bildet die Fahrbahn sowie den Verstei- ankerungen kann durch eine zunehmende
fungsträger, gewährleistet den Korrosions- Anzahl von Öffnungen gesenkt werden.
schutz, erhöht die Dehnsteifigkeit des Sys­
tems und verringert damit unter wechseln-
den Lasten und Temperaturen die auftre- 5.7.3 Bauverfahren
tenden Verformungen. Bei durchlaufenden
Systemen werden die Innenstützen in Brü- Bild 5.7-3 zeigt verschiedene Querschnitts-
ckenlängsrichtung als Pendelstützen ausge- ausbildungen. Bei der Brücke Bircherweid
bildet, damit auch bei feldweise unter- beträgt die Banddicke 120 bis 180 mm. Mit
schiedlicher Belastung keine Horizontal- d/L = 180/40 000 = 1/222 ist diese Spann-
kräfte an den Innenstützen auftreten kön- bandbrücke 10mal schlanker als eine ver-
nen. Wechselnde Verkehrslasten und Tem- gleichbare Brücke herkömmlicher Bauart.
peraturänderungen führen zu geome- Zu den Auflagern hin nimmt die Banddicke
trischen und elastischen Längenänderungen bis auf 360 mm zu. Die Spannbandbrücken
des Spannbands. Zur Gewährleistung der in Brünn wurden ebenso wie die Brücke in
daraus resultierenden Durchhangände- Prag-Troja aus Einzelsegmenten montiert,
rungen und der Abminderung einer damit die an den Spannkabeln aufgehängt und
verbundenen Biegebeanspruchung des nachträglich zusammengespannt wurden.
Bands an den Widerlagern und über Zwi- Normalerweise wird man kein Lehrge-
schenstützen werden dort sogenannte Ab- rüst zur Herstellung eines monolithischen
rollstrecken angeordnet. Durch den Einbau Betonbands aufstellen, sondern die Scha-
von stählernen Abwälzlagern, Folien oder lung an die zuvor montierten Spannglieder
Elastomerlagern zwischen Spannband und anhängen. Beim Betoniervorgang ändert
Widerlagerschnabel sowie Umlenktisch sich mit zunehmender Frischbetonlast der
wird ein Abheben des Spannbands auf der Durchhang des Bands und damit die Hori-
Abrollstrecke von den Unterbauten ermög- zontalkraft. Das ist vor allem bei über meh-
licht, wenn sich das Spannband verkürzt. rere Felder durchlaufenden Spannband-
Die Weiterentwicklung von Spannbandbrü- konstruktionen zu beachten. Das gleiche
cken führte zur Aufständerung der Fahr- gilt für Spannbandbrücken aus Fertigteilen.
bahn. Das tragende Spannband wird dann Die Widerlagerverschiebungen infolge der
mit einem wesentlich größeren Durchhang großen Bandzugkräfte sind wirklichkeits-
ausgebildet als beim direkt befahrbaren nah zu erfassen, da der Durchhang des
Spannband. Die Aufständerung übernimmt Spannbands dadurch stark beeinflusst wird.
lediglich die Funktion der Fahrbahn und In der Regel lässt man in dem Betonband
kann daher außerordentlich leicht ausgebil- zunächst eine Lücke, bis die Eigenlast wirk-
det werden. Zur Übertragung der sehr sam geworden ist und die daraus resultie-
großen Horizontalkräfte in den Baugrund renden Widerlagerverschiebungen abge-
müssen besondere konstruktive Maßnah- klungen sind. Danach kann der Durchhang
men getroffen werden. Steht Fels an, ermög- des Spannbands durch Nachspannen oder
lichen Felsanker eine zweckmäßige und Nachlassen korrigiert und anschließend die
wirtschaftliche Verankerung. Anderenfalls belassene Lücke geschlossen werden.
460 5 Haupttragwerke der Überbauten

b
Bild 5.7-3   Querschnittsausbildung a) Spannbandbrücke Bircherweid; b) Fertigteilbrücken
Brünn

5.7.4 Beanspruchungen Bands, zur Einhaltung des Gleichgewichts


vergrößert sich entsprechend die Horizon-
Der Einfluss der Formänderungen derartig talkraft H. Infolge Schwinden und Kriechen
flachgespannter Seile, wie sie Spannband- des Betons fällt die ursprünglich eingetra-
brücken darstellen, auf deren Schnitt­größen gene Betondruckspannung wesentlich stär-
ist so groß, dass letztere stets nach Theorie ker ab als bei anderen vorgespannten Syste-
II. Ordnung zu berechnen sind. Da Spann- men. Meist sind die Spannbandbrücken so
bandbrücken nicht ohne Biegesteifigkeit breit, dass auch in Querrichtung Biegemo-
hergestellt werden können, treten neben mente infolge in Längsrichtung gleichmä-
größeren Längskräften auch Biegemomen- ßig verteilter Belastungsstreifen und Ein-
te in Längs- und Querrichtung auf. Die auf- zellasten entstehen. Halbseitige Belastung
tretenden Biegemomente der Längstrag- der Spannbandbrücke hat unterschiedliche
wirkung haben nur einen unwesentlichen Durchhangänderungen der beiden Band­
Einfluss auf die Normalkräfte. Somit ist ränder zur Folge. Der antimetrische Anteil
eine Lösung in zwei Stufen möglich. Die der halbseitigen Last führt zu einer Verdre-
Normalkräfte werden am biegeweichen Seil hung des Bands und damit sowohl zu einer
ermittelt, und danach erfolgt die Berech- Veränderung der Bandzugkräfte als auch
nung der Biegemomente der Längstragwir- zur Entstehung von Torsionsmomenten.
kung. Die Momente infolge gleichmäßig Der an beiden Spannbandrändern unter-
verteilter Last sind in der Regel von unter- schiedliche Horizontalzug erzeugt in den
geordneter Bedeutung, während die Biege- Umlenktischen mehrfeldriger Systeme Mo-
momente infolge Einzellasten und im End- mente um die senkrechten Achsen, die bei
bereich des Spannbands für die Bemessung steifen Unterbauten eine erhebliche Torsi-
von ausschlaggebender Bedeutung werden onsbeanspruchung bewirken. Bei torsions-
können. weichen Stützen verdrehen sich die Um-
Durch die Vorspannung und die sich da- lenktische infolge halbseitiger Verkehrslast
mit einstellende Spannbandverkürzung eines Felds und führen zu Durchhangände-
verringert sich auch der Durchhang des rungen der Nachbarfelder in gegenläufigem
5.7 Spannbandbrücken 461

Sinne. Angaben zur Berechnung von des Bands, die maximale Spannstahlspan-
Spannbandbrücken findet man in [Eibl et nung und das Verhältnis von Gesamtlast
al. -1, 1973]. Untersuchungen zum Schwin- zur Eigenlast der Spannglieder bestimmt.
gungsverhalten und zur aerodynamischen Die Anwendung des flach gespannten
Stabilität von Spannbandbrücken sind auf Seils in der Form von Spannbandbrücken,
jeden Fall durchzuführen, da es sich hier bestehend aus einem relativ dünnen Beton-
um außerordentlich schlanke Tragwerke querschnitt mit von Widerlager zu Wider-
mit niedriger Eigenfrequenz handelt. [Scar- lager durchgehenden Spanngliedern, führt
tazzini, 1969] und [Batsch/Nehse, 1972] aufgrund der vorwiegenden Längskraftbe-
berichten über durchgeführte Schwin- anspruchung zu außerordentlich schlanken
gungsuntersuchungen. Weitere Darstel- und wirtschaftlichen Konstruktionen. Der
lungen von Spannbandbrücken findet man Anwendungsbereich erstreckt sich sowohl
bei [Mach/Trčka, 1985], [Stráský/Pirner, auf Fußgänger- als auch auf Straßenbrü-
1986], [Stráský, 1987], [Bock, 1992], cken. Zahlreiche Vorteile zeichnen das Sys­
[Schlaich/Bergermann, 1994], [Bögle et al., tem der Spannbandbrücke aus.
2003], [Stráský, 2005] und [Schlaich et al.,
2005].
5.7.6 Ausblick

5.7.5 Wirtschaftlichkeit Der Einsatz von Kohlenstofffaserlamellen


(CFK-Lamellen) beim Neubau von Trag-
Wesentliche Kostenfaktoren sind zum ei- werken birgt ein bisher wenig genutztes,
nen der vergleichsweise hohe Spannstahl- wirtschaftliches und konstruktives Poten-
verbrauch für das Spannband und der u. U. zial in sich. Die Verwendung von Kohlen-
beträchtliche Aufwand für die Verankerung stofffaserlamellen anstelle von Spann­
der Spannglieder an den Widerlagern. Wie gliedern bzw. Stahlbändern ermöglicht
die dargestellten Querschnitte (Bild 5.7-3) eine Weiterentwicklung dieser Brücken-
zeigen, weisen Spannbandbrücken eine au- tragsysteme, da im Vergleich zu gewöhn-
ßerordentlich geringe Bauhöhe auf. Der lichen Baustählen mit diesem Werkstoff
Betonverbrauch wird sehr gering, da alle wegen seiner rd. zehnmal größeren Zug­
Sekundärtragglieder entfallen. Die relativ festigkeit bei einem Fünftel der Eigenlast
geringe Eigenlast und der bei einem kon- größere Spannweiten und schlankere
stanten Verhältnis der Stützweite l zum Querschnitte realisiert werden können. In
Spannbanddurchhang f nur linear mit der [Schlaich/Bleicher, 2007] wird über ein
Stützweite l zunehmende Horizontalzug 13 m weit gespanntes Versuchsbauwerk
erlauben wesentlich größere Stützweiten als mit CFK-Lamellen berichtet. Für eine
übliche Spannbetonüberbauten. praxis­reife Anwendung sind jedoch noch
Die Kosten der Widerlager sind unab- eine Reihe weiterer Untersuchungen not-
hängig von der Anzahl der Brückenfelder. wendig, da CFK-Lamellen sehr empfind-
So sind Spannbandbrücken um so wirt- lich auf mechanische und Brandein­
schaftlicher, je größer die Anzahl der Felder wirkungen reagieren, der Einfluss der Um-
ist, je tragfähiger der anstehende Baugrund lenkradien auf die Querpressung, Ab­
ist und je kleiner der Bandradius unter Be- nutzung und Reibung der Lamellen noch
achtung verkehrstechnischer Notwendig- nicht ausreichend bekannt ist und Mög-
keiten gewählt wird. Die Anwendungsgren- lichkeiten einer intelligenten Dämpfung
zen von Spannbandbrücken werden durch dieser außerordentlich leichten Konstruk-
die größte zulässige Endtangentenneigung tionen gefunden werden müssen.
6 Lagerung
Ursula Freundt

In das Kapitel 6 sind Ausarbeitungen von Bewegungen ermöglichen. In diesem


Günter Ramberger zur Lagerung von Brü- ­Kapitel werden die Aufgaben und Anfor-
cken eingeflossen. derungen an die Lagerung beschrieben.
Die Aufgabe der Übertragung von Kräften
zwischen den Bauteilen bei gleichzeitiger
6.1 Überblick Verdrehung und Verschiebung über­
nehmen die Lager, die im Abschnitt 10.2
Bisher wurde die Vielfalt der Tragsysteme ausführlicher behandelt werden.
des Brückenbaus vorgestellt. Die Lagerung Alle Lager sind räumliche Lager mit 6
beschreibt die Art der Stützung der Sys­ Freiheitsgraden und demzufolge auch mit
teme. Stützungen kommen bei den Trag­ 6 unabhängigen Stützkraftkomponenten
systemen in unterschiedlichen Ebenen vor. beim starr gestützten Körper. Die einzel-
Die Stützungen zwischen Baugrund und nen Bauformen sind dadurch gekennzeich-
Bauwerk sind in der Regel Flächenstützun- net, dass bestimmte Bewegungsmöglich-
gen. Die Ermittlung der Verteilung von keiten der Stützung zugelassen bleiben,
Stützkräften über Flächen ist Aufgabe der während die restlichen Bewegungsmög-
Elastizitätstheorie und der Bodenmecha- lichkeiten verhindert werden und als
nik und wird hier nicht behandelt, ebenso ­unabhängige Stützkräfte wirken. Einen
nicht die Linienstützung, die je nach der Überblick über die gebräuchlichen Lager
Idealisierung der elastischen Eigenschaften mit Angabe der möglichen Freiheitsgrade
der Unterlage starr oder elastisch sein und Stützkraftkomponenten gibt Tabelle
kann. In diesem Kapitel wird unter dem 6.1-1. Die Angaben der möglichen Be­
Begriff Lagerung die Stützung auf Lagern wegungen sind dabei nur qualitativ zu in-
beschrieben, welche die Festlegung der terpretieren.
Anzahl der Freiheitsgrade gestatten und Bei elastischen Stützungen sind die
den Wirkungsort der Stützkräfte innerhalb Kräfte und Bewegungen gekoppelt. Des-
möglichst enger Grenzen halten. Diese halb sind bei den Elastomerlagern in
Stützungen sind meist in der Ebene ­Tabelle 6.1-1 formal 9 Freiheitsgrade ab-
­zwischen Überbau und Unterbau ange­ zählbar. Kraft und Bewegung teilen sich
ordnet, und es werden alle Stützstellen entsprechend der vorhandenen Steifig­
­dieser Ebene darunter verstanden. Deshalb keiten im Tragsystem auf, weshalb diese
umfassen die nachfolgenden Beschreibun- Lager als Systemkomponenten berück­
gen sowohl die Kombination von Lagern, sichtigt werden sollten. Die ebenso formal
welche für die Bewegung und die Über­ fehlenden Stützkraftkomponenten bei­
tragung der Kräfte in einem Bauwerk zu- den Linienlagern der Tabelle sind Mo­
sammenwirken (Lagerungssystem), als mente in die Richtung der verhinderten
auch alle erforderlichen Maßnahmen, Verdrehungen, die nicht angegeben wur-
­welche die Übertragung der Kräfte und die den.
464 6 Lagerung

Tabelle 6.1-1  Überblick über gebräuchliche Lager


6.1 Überblick 465

Durch die Lagerung werden auch die dy- Diese Lagerung hat die Kräfte und Be­
namischen Eigenschaften des Tragwerks wegungen entsprechend der System­
beeinflusst. In erdbebengefährdeten Gebie- berechnung des Normalfalls, also ohne
ten kann dieser Sachverhalt durch die „Erd- ­Erd­b ebenbeanspruchung, in gleichem
bebenisolation“ gezielt eingesetzt werden. Maße zu realisieren. Der kurze Überblick
Als Erdbebenisolation von Brücken wird verdeutlicht, dass für die Lagerung sowohl
ein Entwurfskonzept bezeichnet, bei dem die Regelwerke für die Tragwerksberech-
durch Einfügen eines Isolationssystems in nung als auch die für Lager und Erdbeben-
der Lagerebene zwischen Unter- und Über- vorrichtungen zu beachten sind. Es ist
bauten die dynamische Antwort der Brücke ­vorgesehen, eine Zusammenfassung der
auf Erdbebeneinwirkungen gezielt modifi- einzelnen Sach­verhalte aus den unter-
ziert wird. Ein Isolationssystem in diesem schiedlichen Regelwerken, die für die
Zusammenhang ist eine horizontal „wei- ­Lagerung zwingend zu beachten sind, als
che“ Lagerung, d. h. eine Lagerung mit ei- Anhang an die Grundlagen der Tragwerks-
ner geringen effektiven horizontalen Stei- planung zu etablieren.
figkeit. Die effektive Steifigkeit des Isola­ Einen Überblick über die für die Lage-
tionssystems ist dabei als Summe der Hori- rung relevanten Regelwerke gibt Tabelle
zontalsteifigkeiten aller Elemente der Lage- 6.1-3.
rung definiert. Für diese Aufgabe gibt es
neben den in Tabelle 6.1-1 dokumentierten
gebräuchlichen Lagern einige Sonderele-
mente. Einen Überblick gibt Tabelle 6.1-2.

Tabelle 6.1-2  Erdbebenvorrichtungen (ASD)


ASD (Klasse) Wirkung Beispiele
Isolatoren Elemente, die die Vertikallasten tragen horizontal verschiebliche oder
und gleichzeitig die horizontale Isola- verformbare Lager, z. B.
tion bewirken, d.h. eine geringe Hori- bewehrter Elastomer­lager
zontalsteifigkeit besitzen
Federn Elemente, die verschiebungsabhängige horizontal wirkende Federn
Horizontalkräfte erzeugen, d. h. eine z.B. aus Stahl oder Elastomer
definierte horizontale Steifigkeit ha-
ben, aber nicht zur Vertikallastabtra-
gung verwendet werden
Dämpfer Elemente zur Dissipation von Energie. viskose Dämpfer, hysteretische
Die Wirkung kann auf Viskosität, Elemente und Reibelemente
Hysterese, Reibung und anderen Prin-
zipien beruhen
Verbindungen Elemente, die im Erdbebenfall Kraft­ Shock-Transmitter
über­tragung ermöglichen oder aus- Fuses (Sicherungen)
schließen, d.h. Elemente, welche im
Erdbebenfall einen Systemwechsel
herbeiführen
466 6 Lagerung

Tabelle 6.1-3  Regelwerke
Norm Ausgabe Titel
Tragwerksplanung, Einwirkungen, Schnittgrößenermittlung und Nachweisführung –
Europäische Normung
DIN EN 1990 2002-10 Grundlagen der Tragwerksplanung
DIN EN 1990/A1 2006-04 Grundlagen der Tragwerksplanung (Änderung)
DIN EN 1991-1-x 2002-2008 Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke
DIN EN 1991-2 2004-05 Verkehrslasten auf Brücken
DIN EN 1992-2 2007-02 Betonbrücken – Bemessungs- und Konstruktionsregeln
Tragwerksplanung, Einwirkungen, Schnittgrößenermittlung und Nachweisführung –
Deutsche Normung
DIN FB 101 2009-03 Einwirkungen auf Brücken
DIN FB 102 2009-03 Betonbrücken
DIN FB 103 2009-03 Stahlbrücken
DIN FB 104 2009-03 Verbundbrücken
Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben – Europäische Normung
Grundlagen, Erdbebeneinwirkungen und Regeln für Hoch-
DIN EN 1998-1 2006-04
bauten
DIN EN 1998-2 2006-06 Brücken
DIN EN 1998-2/
2008-09 Brücken (Änderung)
A1
DIN prEN 15129 2007-07 Erdbebenvorrichtungen
Lager im Bauwesen – Europäische Normung
DIN EN 1337-1 2001-02 Allgemeine Regelungen
DIN EN 1337-2 2004-07 Gleitteile
DIN EN 1337-3 2005-07 Elastomerlager
DIN EN 1337-4 2004-08 Rollenlager
DIN EN 1337-4
2007-05 Rollenlager (Berichtigung)
Berichtigung 1
DIN EN 1337-5 2005-07 Topflager
DIN EN 1337-6 2004-08 Kipplager
DIN EN 1337-7 2004-08 Kalotten- und Zylinderlager mit PTFE
DIN EN 1337-8 2008-01 Führungslager und Festhaltekonstruktionen
DIN EN 1337-9 1998-04 Schutz
DIN EN 1337-10 2003-11 Inspektion und Instandhaltung
DIN EN 1337-11 1998-04 Transport, Zwischen­lagerung und Einbau
Lager im Bauwesen – Deutsche Normung
Führungslager und Festhaltekonstruktionen – Bemessung und
DIN V 4141-13 2008-11
Herstellung
6.2 Aufgaben und Beurteilung ­der Lagerung 467

6.2 Aufgaben und Beurteilung ­ baus, so ist eine Trennung der Systeme


der Lagerung möglich
• Haben die Widerstandsgrößen der ­Lager
Die grundlegenden Anforderungen an die keinen Einfluss auf die Schnittgrößen
Lagerung sind eine dauer­haft sichere Über- und Verformungen von Über- und / oder
tragung der Stützkräfte sowohl vertikal als Unterbau, sind diese nicht systemrele-
auch in der Lagerungs­ebene und eine vant. Für die Berechnung können ge-
­dauerhaft zwängungsarmer Realisierung trennte Tragsysteme für Überbau und
der Bewegungen. Unterbau verwendet werden. Die Ver­
Das bedeutet, die eingesetzten Lager formungen der Einzelbauteile können
­sollen die Bewegungen im Idealfall ohne überlagert werden.
nennenswerte Widerstandskräfte und ohne
Beeinflussung der Wirkungslinie der Ver­ In allen anderen Fällen ist eine Trennung
tikalkraft (ohne Exzentrizität) ermöglichen. der Systeme nicht empfehlenswert.
Die Vertikalkräfte sind dabei mit geringen Diese Kriterien sind bei balken- und
Bewegungen in der Kraftrichtung zu über- platten­artigen, quersteifen Überbauten auf
tragen. starren, nicht setzungsgefährdeten Unter-
Die Lagertechnik basiert auf den mecha- bauten meist erfüllt. Dagegen ist bei Über-
nischen, meist kom­binierten Grundlagen bauten mit mangelnder Quersteifigkeit
Rollen, Gleiten und Verformen. Damit sind und/oder Überbauten auf hohen schlanken
auch Widerstandsgrößen verbunden. Diese Pfeilern die Untersuchung am Gesamt­
basieren auf der Roll- oder Gleitreibung system unter Beachtung der Widerstands-
oder auf dem Verformungswiderstand. Im größen und Exzentrizitäten erforderlich.
verschobenen Zustand erhält auch die Ver- Bei großen Brücken mit schiefem oder ge-
tikallast eine Exzentrizität. Den Idealfall krümmtem Grundriss ist dies unerlässlich.
gibt es nicht. Auswirkungen von Wechselwirkungen
Die Beurteilung der Lagerung ist prinzi- Überbau – Lagerung – Unterbau – Bau-
piell nur im Gesamtsystem des Tragwerks grund ent­stehen in diesen Fällen sowohl­
einschließlich der Gründung möglich. Die für die Beanspruchungen als auch für die
Lager sind auf den Widerlagern, den ­Stützen Bewegungen. Der Einfluss der Lagerung
oder Pfeilern angeordnet und sie erhalten von Brücken mit hohen schlanken Pfeilern
somit auch die Verformungen dieser, ein- und der Einfluss des konkreten Lagers­
schließlich der ihrer Gründungen. auf das Gesamtsystem und damit auf das
Lager gestatten aber auch in vielen Fäl- Stabilitätsverhalten der Pfeiler ist in der
len das statische Modell für den Überbau ­Literatur mehrfach aufgezeigt. Als Beispiel
von den statischen Modellen der Unter­ werden die Siegtalbrücke [Luchner, 1967]
bauten zu trennen. Auch dann sollen im mit einer maximalen Pfeilerhöhe von
statischen System die Lager dort angeord- 102,55 m, die Analyse des Einflusses unter-
net werden, wo die Bewegung stattfindet, schiedlicher Lager [Rieckmann, 1970] und
damit üblicherweise exzentrisch zur Achse die Aus­führungen von [Eggert, 1996] ge-
der gestützten Träger. nannt. Werden in diesen Fällen die Trag­
Zur Falleinschätzung einer konkreten systeme von Überbau und Unterbau
Situation sind folgende Kriterien geeignet: ­getrennt und das Lagerverhalten nicht
• Haben die Setzungen und Verfor­ ­berücksichtigt, dann werden die Relativ­
mungen der Unterbauten keinen ent­ bewegungen zwischen Über- und Unterbau
scheidenden Einfluss auf die Schnitt- überschätzt, die Pfeilerauslastung wird
größen und Verformungen des Über- ­unterschätzt. Bei mehreren gelagerten Pfei-
468 6 Lagerung

lern im gleichen Tragwerk überlagern sich zugeordnet. Nach diesem Beben soll­
die Fehler und das Ergebnis ist nicht mehr die Lagerung einschließlich der anti-
einschätzbar. seismischen Funktionen nicht beein-
In erdbebengefährdeten Gebieten kann trächtigt sein.
die Lagerung als „Erdbebenisolation“ aus-
Bei Anwendung des Konzepts der Erd­
gebildet werden, wie in 6.1 beschrieben.
bebenisolation wird die Lagerung des
Die Anforderungen an die Lagerung in
Überbaus als Isolationsebene mit einer
­diesem Fall entsprechen für den Nichterd-
­geringen horizontalen Steifigkeit ausge­
bebenfall den oben beschriebenen. Für den
bildet, der Überbau wird somit von den
Erdbebenfall sind zwei weitere Anfor­
Unterbauten, und dadurch von der Erd­
derungen definiert:
bebenanregung, ­dynamisch entkoppelt.
• Dem Grenzzustand der Tragfähigkeit Diese Entkopplung bewirkt, dass der
im Erdbebenfall ist ein schweres Be­ Überbau als separates, schwingfähiges
messungs­beben mit geringer Eintretens- System eine relativ lange Eigenschwingzeit
wahrscheinlichkeit zugeordnet. In die- (T ) bekommt. Dies führt zu einer Reduk-
sem Fall können nach dem Beben die tion der spektralen Antwortbeschleuni-
antiseismischen Funktionen der Lage- gungen Se (T) als Maß für die Beanspru-
rung beschädigt sein, die Tragfunk­ chung des Bauwerks im Erdbebenfall, wie
tion der Lagerung für die nichtseis­ Bild 6.2-1 verdeutlicht.
mischen Einwirkungen muss aber er­ Die Verlängerung der Grundschwing-
halten bleiben. zeit führt allerdings zur Vergrößerung der
• Dem Grenzzustand der Gebrauchstaug- relativen (spektralen) Verschiebungen
lichkeit ist ein leichteres Beben mit ­zwischen Überbau und Unterbau Sde  (T ).
­e iner hohen Eintretenswahrschein­ Dies kann durch den Einsatz von Erdbe­
lichkeit während der Nutzungsdauer benvorrichtungen, z. B. von Schwing­ungs­­

Horizontal-Elastisches Antwortspektrum (EC8)


Bodenklassen A, Spektrum Typ 1
3,5 Schwingzeitverlängerung
(Erdbebenisolation)
3,0

2,5
System 1: Se(T = 0.3s) = 2.99 ag Beanspruchungsverringerung durch
Schwingzeitverlängerung bei
2,0 gleicher Dämpfung
Se(T)/ag

1,5
Beanspruchungsverringerung
durch Erhöhung der Dämpfung
1,0 bei gleicher Grundschwingzeit

0,5
System 2: Se(T = 0.9s) = 0.91 ag
0,0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3
Grundschwingzeit T [s]
schwach gedämpften Systems (D = 2%) mittel gedämpften Systems (D = 10%)

Bild 6.2-1   Beschleunigungsantwort eines Systems bei Variation von Steifigkeit und Dämpfung der
Lagerung
6.2 Aufgaben und Beurteilung ­der Lagerung 469
Elastisches Antwortspektrum der Verschiebung (EC8)
Elastisches Antwortspektrum der Verschiebung
Bodenklassen A, Spektrum Typ 1 (EC8)
Bodenklassen A, Spektrum Typ 1
70
70 Schwingzeitverlängerung
Schwingzeitverlängerung
(Erdbebenisolation)
60 (Erdbebenisolation)
60

50
50
Beanspruchungsvergrößerung
40 Beanspruchungsvergrößerung
40 durchSchwingzeitverlängerung
Schwingzeitverlängerung
(T)/agg

durch
beigleicher
gleicherDämpfung
Dämpfung
SSee(T)/a

bei
30
30
Beanspruchungsverringerung
Beanspruchungsverringerung
durch
durch Erhöhung
Erhöhung der Dämpfung
der Dämpfung
20
20 bei bei gleicher
gleicher Grundschwingzeit
Grundschwingzeit

10
10 System
System 2: 2:
SdeS(T
de(T = 0.9s)
= 0.9s) = 18.6
= 18.6 mmmm
/ ag/ ag
System1:1:Sde
System Sde(T(T
== 0.3s)
0.3s) = 6,8
= 6,8 mmmm
/ ag/ ag
00
0,0
0,0 0,5
0,5 1,01,0 1,51,5 2,0 2,0 2,5 2,5 3,0 3,0
Grundschwingzeit T [s] T [s]
Grundschwingzeit
schwach
schwachgedämpften
gedämpftenSystems
Systems(D(D
= 2%)
= 2%) mittel gedämpften
mittel Systems
gedämpften (D = (D
Systems 10%)
= 10%)
Bild 6.2-2   Verschiebungsantwort eines Systems bei Variation von Steifigkeit und Dämpfung der
Lagerung

dämpfern, teilweise wieder kompensiert Eigenschaften der einzelnen Elemente ge-


werden. Das prinzipielle Ergebnis wird im zielt eingesetzt und abgestimmt werden.
Bild 6.2-2 dargestellt. Die Realisierung der oben angeführten
Die Beurteilung der Lagerung hat für Anforderungen der Lagerung, dauerhaft
Brücken in seismisch gefährdeten Gebieten sichere Übertragung der Stützkräfte sowohl
eine besondere Bedeutung. Sie muss alle vertikal als auch in der Lagerungs­ebene bei
Anforderungen der Tragfähigkeit und dauerhafter zwängungsarmer Realisierung
­Ge­brauchs­tauglichkeit erfüllen und zusätz- der Bewegungen, erfordert für Tragwerk
lich die Anforderungen aus den Grenzzu- und Lager bei statischen und ­dynamischen
ständen für Erdbeben. Im einfachsten Fall Beanspruchungen konstruktive Maßnah-
kann eine Erdbebenisola­tion durch den men. Diese dienen:
Einsatz von gezielt ausge­legten Verfor-
• der Übertragung der Vertikallasten zwi-
mungslagern bestehen. In der Regel besteht
schen den Bauteilen Überbau – Lager –
diese aber aus der Lagerung mit zusätz-
Unterbau innerhalb möglichst enger
lichen Erdbebenvorrichtungen ­(siehe Ta-
Wirkungsgrenzen,
belle 6.1-2). Die Ermittlung von Kräften
• der schubsicheren Verbindung der Lager
und Bewegungen für den Erd­bebenfall
mit den Bauwerksteilen.
muss am Gesamtsystem erfolgen und er-
gänzt die Ermittlung für die sta­tischen Die Kraftübertragung führt zur Eintragung
­Einwirkungen. Es ist erforderlich, bei der von konzentrierten Lasten in die Kontakt­
Planung von Brücken und deren ­La­gerung bereiche von Über- und Unterbau und so-
in erdbebengefährdeten Ge­bieten die bei- mit zu lokalen Beanspruchungen. Sie
den Anforderungen (Erd­beben und nicht- nimmt damit Einfluss auf die Grundriss­
seismische Einwirkungen) als Gesamt­ geometrie der Lager. Die rechnerische und
konzept zu bearbeiten. Nur so können die konstruktive Lösung für massive Bauteile
470 6 Lagerung

wird im Kapitel 7 und im Abschnitt 8.6 be- 6.3 Wahl der Lagerung
handelt. Bei Stahl- oder Verbundüberbau- und Anordnung der Lager
ten ist eine entsprechende Aussteifung im
Auflager­bereich erforderlich. Es sind prinzipiell zwei Lagerungsarten
Die schubsichere Verbindung der Lager möglich:
mit den Bauwerksteilen kann bei hinrei-
chender Auflast und vorwiegend statischer • die elastische Lagerung, wobei Verfor-
Beanspruchung durch Reibung oder im an- mungslager die Verschiebungen und Ver­
deren Fall durch Verbindungsmittel, z. B. drehungen durch die Verformbarkeit
Kopfbolzen erwirkt werden. realisieren und durch den Verformungs­
Die Lagerung wird durch Lager und­ widerstand gleichzeitig Kräfte in der
Erdbebenvorrichtungen realisiert. Diese Ebene aufnehmen
sind hochwertige Bau­produkte, die wäh- • die Lagerung mit Festpunkten. In diesen
rend einer Nutzungsdauer stark bean- Fällen werden die Kräfte in der Ebene
sprucht werden. So können z. B. an Gleit- am Festpunkt aufgenommen.
teilen infolge Temperatur und Verkehr
durchaus aufsummierte Gleitwege von Die Einsatzgrenzen der elastischen Lagerung
400 m pro Jahr auftreten. Das ist nicht ohne sind eindeutig mit der Aufnahme­kapazität
Verschleißerscheinungen möglich. Des- der Kräfte in der Ebene abgesteckt.
halb wird für Lager und Erdbebenvorrich- Für die Wahl der Lagerung sind ent­
tungen Auswechselbarkeit gefordert. Die sprechend ihrer Aufgabe einige Grundsätze
dafür erforderlichen Vorkehrungen, Pres­ zu beachten. Das Lagerungssystem ist so zu
sen­aufstands­flächen und austausch­bare entwerfen, dass die Bewegungen mit ge­
Verbindungen, sind bei der Planung zu ringen Widerstandskräften möglich sind,
­berücksichtigen. dass Zugkräfte vermieden werden und dass
Bei der Darstellung der Anforderungen die einzelnen Lager gewartet und ausge-
werden bei den Kräften der Lagerung stets tauscht werden können. Die Bewegungs-
Druckkräfte vorausgesetzt. Alle gebräuch- richtung beweglicher Lager sollte zum Bei-
lichen Lager sind Lager zur Übertragung spiel stets in waagerechter Richtung sein
von Druckkräften. In der Regel sollten (Bild 6.3-1), denn dabei entstehen unter
Zugkräfte bei gelagerten Brücken vermie- vertikalen Lasten (Eigenlast und Verkehrs-
den werden. Objektive Randbedingungen lasten) keine horizontalen Zusatzwirkun-
können aber zu Lösungen zwingen, die gen auf die anderen Lager.
auch zu Zugkräften führen. In diesen­ Viele Lageranordnungen, die für gleich-
Fällen kommen Sonderkonstruk­tionen mäßige Temperaturänderung zwängungs-
zum Einsatz. frei sind, ergeben unter exzentrischen Ver-
tikallasten und unter horizontalen Lasten
Zwängungen, die oftmals durch die immer
exzentrisch zur Schwerachse des Balkens
angeordneten Lager erst hervorgerufen
oder verstärkt werden (Bild 6.3-2)

Einfeldbrücken
Gelagerte Einfeldbrücken sind Tragwerke,
die sich auf steife Widerlager stützen und
somit in der Regel die Lager eine Trennung
des statischen Systems zwischen Überbau
6.3 Wahl der Lagerung und Anordnung der Lager 471

verschobene Brücke

Bild 6.3-1   Lagerverschiebung horizontal [Ramberger, 2002]

und Unterbau gestatten. Deshalb kann die sehr große Kräfte in der Ebene [Klöker
Wahl der Lagerung aus den Stützkräften 1997, Bachmann, 1990], welche kaum reali­
und Bewegungen des Überbaus abgeleitet täts­nah ermittelbar sind. Die elastische
werden. Die klassische Lagerung einer Lagerung, welche die Grundlage der Erdbe-
­einfeldrigen Brücke erfolgt auf vier Ver­ benisolation ist, findet deshalb insbesonde-
tikalkraftlagern und damit für vertikale re für massive Einfeldbrücken in seismisch
Kräfte einfach statisch unbestimmt. gefährdeten Gebieten ein sinnvolles Ein-
Die Bewegungsrichtungen sind dabei so satzgebiet, es können allerdings zusätzliche
zu wählen, dass die Bewegungen des Über- Maßnahmen zur Verschiebungsbegren-
baus weitgehend zwängungsfrei stattfinden zung für den Gebrauchs- und Erdbeben­fall
können, sowohl bei gleichmäßiger Tem­ erforderlich werden, z. B. der Einsatz von
peraturänderung als auch bei Horizontal- Erdbebenvorrichtungen.
kräften quer zur Achse. Die beiden prinzi-
piellen Lagerungsarten zeigen die Bilder Lageranordnung
6.3-3 und 6.3-4. Die Anordnung der Lager hängt von der
Bei seismischer Beanspruchung erhalten Querschnittsausbildung und den vorhan­
Festpunkte auf Widerlagern der Brücke de­nen Platzverhältnissen ab.

Bild 6.3-2   Lagerzwängungen bei einer Einfeldbrücke mit außermittiger Verkehrslast [Ramberger,


2002]
472 6 Lagerung

H1 H3
H(HL)
HL
HL H2 H4

Bild 6.3-4   Elastische Lagerung einer einfeld­


Bild 6.3-3   Für Horizontalkräfte quer zur rigen Brücke
­Achse zwängungsfreie Lagerung einer einfeld-
rigen Brücke, exzentrische Längskraftaufnahme
[Ramberger, 2002] mindestens zwei Vertikallager erforderlich,
Bild 6.3-5.
Die erforderlichen Ansatzpunkte für
Bei gegliederten Querschnitten in Be- hydraulische Pressen zum Wechseln der
ton-, Stahl- oder Verbundbauweise werden Lager sind in der Konstruktion vorzusehen,
die Vertikalkräfte am einfachsten dort im Beton oben und unten mit entspre-
übertragen, wo sie am Widerlager an­ chender Spaltzugbewehrung auszustatten,
kommen – an den Schnittpunkten der im Stahl mit entsprechenden Steifen auszu­
Haupt­trägerachsen mit den Auflagerach- steifen (Bild 6.3-6)
sen der Widerlager. In diesen Fällen wer- Bei massiven Plattenquerschnitten hängt
den die ­Lager nur in Ausnahmefällen an die Größe der Stützkräfte wesentlich von
anderen Stellen unter einem Auflager­ der Lagerart und der Anordnung ab. Hier
querträger angeordnet. Auf Widerlagern sind die Lastausbreitungen zu ­beachten
wird die Verdrehung des Bauwerks um die und es ist Platz für die An­ordnung von
Längsachse verhindert, deshalb sind dort Pressen zum Lagertausch vorzusehen. Im
Kapitel 7 ist im Bild ­7.2-11 eine Auflager-
bank mit Anordnung der Lager und
Pressenaufstand­flächen dargestellt.
Bei schiefen oder gekrümmten Brücken
sollte man darauf achten, dass die Lager,
die Horizontalkräfte aufnehmen, die grö-
ßeren Vertikalkräfte erhalten (stumpfe
Ecke, Bogenaußenseite, Bilder 6.3-7 und
Bild 6.3-5   Lagerung einer Stahlbrücke auf dem 6.3-8). Dadurch wird die ­Neigung der
Widerlager [Ramberger, 2002] ­Resultierenden verkleinert (Bild 6.3-9).

Steifen

Spaltzugbewehrung

Bild 6.3-6   Pressen und Ansatzpunkte für den Lagertausch [Ramberger, 2002]


6.3 Wahl der Lagerung und Anordnung der Lager 473

Überbaus und das horizontale Steifigkeits-


zentrum (in der Projektion auf die Lage-
rungsebene) nicht zusammen, dann entste-
hen unsymmetrische und gekoppelte
Schwingformen des Überbaus, welche zu
Bild 6.3-7   Lagerung einer schiefen, einfeldri- zusätzlichen Verschiebungen im Erdbeben-
gen Brücke [Ramberger, 2002] fall führen. Lässt sich das Steifigkeitszen-
trum nicht mit den für den Gebrauch erfor-
derlichen Lagern einstellen, dann kann
durch Einsatz von Erdbebenvorrichtungen,
vorrangig Federn (vgl. Tab. 6.1-2), die Lage
des Steifigkeitszentrums verändert werden.

Durchlaufträger
Bild 6.3-8   Lagerung einer gekrümmten, ein- Durchlaufträger über zwei oder mehrere
feldrigen Brücke [Ramberger, 2002] Felder stützen sich an den Brückenenden
ebenfalls auf steife Widerlager, die Zwi-
schenstützungen sind Stützen oder Pfeiler,
die je nach der zu überbrückenden Situa­
tion auch in einer Brücke unterschiedlich
R hoch sein können. Die Grundrissgeometrie
V und die Höhe der Stützen und Pfeiler be-
stimmt deren Steifigkeit in der Ebene. Bei
V
R der Wahl der Lagerung muss dies beachtet
werden. Auch bei Durchlaufträgern sind
H H die zwei Lagerungsarten (elastisch; Fest-
Bild 6.3-9   Neigung der Resultierenden bei ver­ punktlagerung) üblich. Ebenso werden
schiedenen Vertikalkräften [Ramberger, 2002] Mischlagerungen, wo ein oder mehrere
schlanke Mittelpfeiler in den Überbau ein-
gespannt werden und die verbleibenden
Bei schiefwinkligen, massiven Platten- Pfeiler gelagert sind, ausgeführt. Zur Wahl
brücken mit Kreuzungswinkeln kleiner der Lagerung muss die Stabilität des Ge-
50gon sind die Auflagerkräfte an den spit- samtsystems untersucht werden.
zen Ecken auf Abheben zu prüfen. Durch Analog der Einfeldbrücken erhalten
die Lageranordnung (Lager vom spitzen Durchlaufträger an den Widerlagern je-
Rand einrücken) und durch die Berück­ weils mindestens zwei Vertikalkraftlager
sichti­gung der vorhandenen Vertikalstei- (Bild 6.3-10).
figkeit der Lager wird eine realistische Ist die Torsionssteifigkeit ausreichend,
Auflager­kraft­beurteilung erreicht und in genügt jeweils ein Lager auf einem Pfeiler.
vielen Fällen tritt kein Abheben auf.
Bei schiefwinkligen und/oder gekrümm-
ten Brücken in seismisch gefährdeten Ge-
bieten ist ein weiterer Aspekt bei der Lager­
anordnung zu beachten – die Überein­
stimmung des Massenschwerpunkts des
Überbaus mit dem Steifigkeits­zentrum der Bild 6.3-10   Prinziplagerung einer Zweifeld-
Lagerung. Fallen der Schwerpunkt des brücke [Ramberger, 2002]
474 6 Lagerung

Bild 6.3-11   Zweifeldbrücke mit längsver- Bild 6.3-12   Zweifeldbrücke mit allseitig ver-


schieblichem Vertikalkraftlager auf Pfeiler schieblichem Vertikalkraftlager auf Pfeiler [Ram­
[Ramberger, 2002] berger, 2002]

Für die Aufnahme der Horizontalkräfte quer Wenn die Stützkräfte und Bewegungen
zur Brückenachse können alle Wider­lager es erlauben, sollte bei Durchlaufträgern­
oder Pfeiler herangezogen werden, indem die elastische Lagerung mit Verformungs-
jeweils ein Lager in Querrichtung unver- lagern verwendet werden. Bei horizontal
schieblich angeordnet wird (Bild 6.3-11). gekrümmten Durchlaufträgern ist es ­wegen
Hat das Tragwerk ausreichende Steifig- der Fahrbahnübergänge bzw. Schienen­
keit um die vertikale Achse, genügt in vie- auszüge günstig, die Bewegungsrichtung
len Fällen die Aufnahme der Horizontal- der Lager an den Widerlagern in Richtung
kräfte nur auf den Widerlagern und damit der Fahrbahnachse auszurichten. Um eine
in statisch bestimmter Weise (Bild 6.3-12). für gleichmäßige Temperatur­änderung
Die allseitig beweglichen Lager auf den zwängungs­freie Lagerung zu erreichen,
Pfeilern geben dann allerdings ihre Verti- müssen alle anderen Verschiebungs­
kalkraft exzentrisch ab, wobei die Lagerart richtungen von einseitig festen Lagern­
und die Anordnung auf dem Pfeiler (Gleit- denselben Winkel mit dem ­Polstrahl zum
teil zum Überbau oder zum Pfeiler) die festen Lager einschließen (Bilder 6.3-13,
Wirkung der Exzentrizität beeinflussen. 6.3-14).
Bei langen Brücken oder bei Brücken Lager an den Widerlagern sind immer so
mit hohen Pfeilern kann eine feste Lage- anzuordnen, dass die Verschieblichkeit der
rung des Überbaus in Brückenlängsrich- Lager mit der Verschieblichkeit der Fahr-
tung auf einem oder mehreren mittig zur bahnübergänge (siehe Abschnitt 10.3) zu­
Längs­richtung gelegenen Pfeilern sinnvoll sammen­fällt. Bei Fingerübergängen, Gleit-
sein. Bei verschieblichen Lagern an den plattenübergängen und bei Schienen­aus­
Widerlagern werden die Horizontalkräfte zugs­vorrichtungen muss die Verschieblich-
auf die festgehaltenen Pfeiler aufgeteilt, bei keit der Lager an den Widerlagern in die
festen Lagern an den Widerlagern werden Richtung der Brückenachse fallen.
die Pfeilerköpfe über den Überbau festge- Zur Lagerung von Durchlaufträgern in
halten und damit die Knicklängen der Pfei- seismisch gefährdeten Gebieten sind beide
ler wesentlich verringert. Grundlagerungsarten geeignet, die Lage-

Bild 6.3-13   Gekrümmte mehrfeldrige Brücke mit Polstrahllagerung, Verschiebung am Brücken­


ende nicht in Richtung der Brückenachse [Ramberger, 2002]
6.3 Wahl der Lagerung und Anordnung der Lager 475

Bild 6.3-14   Gekrümmte mehrfeldrige Brücke mit zwängungsfreier Lagerung für gleichmäßige


Temperaturänderung, Verschiebung am Brückenende in Richtung der Brückenachse [Ramberger,
2002]

rung mit Festpunkten sowie die elastische und die resultierende Grundgeometrie des
Lagerung (Erdbebenisolation). Unterbaus abgeleitet wurde, fehlt nun die
Die Anordnung der Lager ist, wie bei Wahl der Lager.
Einfeldträgern beschrieben, vom Baustoff Für die Auswahl der Lager und Erdbeben­
und der Querschnittsausbildung des Über- vorrichtungen sind erforderlich:
baus abhängig. Bei Einzelpfeilern reicht der
• die zu übertragenden Kräfte und Bewe-
rechnerisch notwendige Querschnitt oft
gungen,
nicht zur Aufnahme von Lager und Pres-
• die Leistungsparameter der gebräuch­
senansatzpunkt aus. Lösungsmöglichkeiten
lichen Lager und Erdbebenvorrichtun-
sind im Kapitel 7 behandelt. Bild 7.3-4 zeigt
gen,
ein Beispiel.
• die Lagerwiderstände,
Die Anordnung von Festpunkten bei
• die Lageranforderungen aus den Bauzu-
Erdbebenlagerungen sollte in der Regel auf
ständen.
einem oder mehreren Pfeilern erfolgen,­
da Festpunkte auf den Widerlagern sehr Zur Ermittlung der Kräfte und Bewegungen
­große Kräfte in der Ebene im Erdbebenfall werden im Abschnitt 6.4 Hinweise gegeben.
erfahren, wie bereits erläutert wurde. Die Für die Ermittlung der Bewegungskapazi-
Anordnung von Erdbebenvorrichtungen täten im Isolationsfall sind zusätzlich die
sollte an dem Ort erfolgen, an dem die ein- Hinweise im Abschnitt 8.7.3 zu beachten. In
gesetzten Elemente ihre maximale (dyna- der [DIN EN 1337-1, 2001] ist ein Überblick
mische) Wirkung erzielen können. Ver­ über die gebräuchlichen Lagerarten ge­
allgemeinerun­gen sind mit Bezug auf den geben, eine komprimierte Darstellung ­zeigt
Einsatz von Erdbebenvorrichtungen nicht Abschnitt 6.1, Tabelle 6.1-1. Eine ­de­tail­lierte
sinnvoll anzugeben, eine Abstimmung der Darstellung des Aufbaus ein­­zelner Lager­
Lagerung und der Erdbebenvorrichtungen arten befindet sich im Abschnitt 10.2.
auf die gegebene Situation ist immer erfor- Da Verformungslager hinsichtlich Ein-
derlich. Bei der elastischen Lagerung (Erd- bau, Wartung und Lebensdauer robuste La-
bebenisolation) sind dieselben Anforde- ger sind, wird deren möglicher Einsatz stets
rungen wie bei der Lagerung von Einfeld- zuerst geprüft. Sind die Platzverhältnisse
brücken zu erfüllen, insbesondere die Sym- eingeschränkt oder sind die Verschiebungen
metrie von Steifigkeits- und Massenvertei- oder Verdrehungen mit Verformungslagern
lung ist zu beachten. nicht sinnvoll realisierbar, dann wird der
Nachdem die prinzipielle Wahl der Lage- Einsatz von anderen Lager­arten geprüft. Alle
rung dargestellt wurde, die Anordnung der Lager sind mit Gleitteilen kombinierbar, so
Lager aus dem Tragverhalten und Geomet- dass die Verschiebungsgröße alleine kein
rieparametern des Überbauquerschnitts Entscheidungskriterium ist.
476 6 Lagerung

6.4 Ermittlung der Kräfte ­ uerschnittsebene. Die zugehörigen Ver-


Q
formungen (z. B. Durchbiegungen) steigen
und Bewegungen
durch das nichtlineare Materialverhalten in
ihrer Größe überproportional zu den
6.4.1 Allgemeines Schnitt­größen, weshalb die lineare Berech-
nung nicht zutrifft. Eine nichtlineare Ver-
Die Ermittlung der Kräfte und Bewegungen formungsberechnung zur Ermittlung der
der Lagerung ist wie alle Nachweise im Bewegungen von Lagern ist in der Regel aus
Bauwesen ein iterativer Prozess. Ist das Aufwandsgründen nicht gerechtfertigt.
Tragsystem ausgewählt, werden die Kräfte Deshalb wurden im [DIN-FB 101, 2009]
und Bewegungen an den Lagerungspunk- in einem Anhang O Regeln zur Ermittlung
ten entsprechend der zu erwartenden Ein- der Kräfte und Bewegungen an Lagern und
wirkungen ermittelt. Die Größe der ermit- Übergangskonstruktionen zusammenge-
telten Werte gestattet die Vorauswahl der fasst. Der genannte Anhang O enthält zu-
Lagerart. Damit können die Konstruk­ sätzlich ergänzende Regeln zur Bemessung
tions­ab­sichten (Geometrie) auf Verträg- der Lager. Die Regeln zur Ermittlung der
lichkeit geprüft und dann die Lagerart fest- Bewegungen nach Anhang O basieren auf
gelegt werden. Nun sind die Widerstands- empirischer Grundlage und dienen einer
kräfte, die im Abschnitt 6.5 zusammen­ Ermittlung mittels linearer Berechnung.
fassend behandelt werden, bekannt und Dabei wurde folgende Vorgehensweise ge-
die Kräfte und Bewegungen der Lagerung wählt:
können berechnet werden. Unabhängig
von den zu erwartenden außergewöhn­ • Ermittlung der Kräfte und Bewegungen
lichen und Erdbebeneinwirkungen sind mit der charakteristischen Einwirkungs-
diese vorerst für die Einwirkungen der Re- kombination. Zur Ermittlung der Be-
gelfälle zu ermitteln. Die Ergebnisse dienen messungswerte der Kräfte und Bewe-
dem Lagerhersteller für die Erstellung der gungen im Grenzzustand der Tragfähig-
Lagerstatik und dem Tagwerksplaner zur keit ist zu beachten:
weiteren Verfolgung im Bauwerk. Es ist • Die Bemessungswerte der Kräfte und
deshalb erforderlich, sie auch zwischen den Bewegungen ergeben sich durch Vergrö-
Beteilig­ten abzugleichen. ßerung der aus jeder einzelnen Einwir-
Für die Tragwerksberechnung und in kung resultierenden Kraft und Bewe-
der Regel auch für die Lager sind Nach­ gung mit dem jeweils zugehörigen Teil-
weise für die Kombinationen der beiden sicherheitsfaktor.
Grenzzustände erforderlich. Entsprechend • Die Bemessungswerte der Bewegungen
ist die Ermittlung der Kräfte und Bewegun- aus Kriechen und Schwinden ergeben
gen auch für die Einwirkungskombina­ sich durch Vergrößerung der mittleren
tionen der beiden Grenzzustände erforder- Kriech- und Schwindbeiwerte nach
lich. Da die Lager die Rand- oder Zwischen­ [DIN-FB 102, 2009] mit dem Faktor 1,35
bedingungen des Tragsystems rea­lisieren, und die Bemessungswerte der Bewe-
gelten die Ein­wirkungs­kombinationen des gungen aus Vorspannung durch Ansatz
Tragwerks. des Mittelwerts der Vorspannung.
Die Teilsicherheitsbeiwerte der Einwir- • Die Bewegungen und Kräfte, die nach
kungen für den Grenzzustand der Tragfä- dem Einbau der Lager entstehen, sind
higkeit sind aus Betrachtungen der Quer- bei Pfeilern, die nach Theorie II. Ord-
schnittsebene abgeleitet. Die damit meist nung zu behandeln sind, mit der charak-
physikalisch linear ermittelten Schnitt­ teristischen Einwirkungskombination
größen dienen dem Nachweis auf der zu ermitteln und es ist dabei der halbe
6.4 Ermittlung der Kräfte und Bewegungen 477

Wert der geometrischen Ersatzimper- stellungen einsinnige Extremwerte der Be-


fektion zu berücksichtigen. wegungen ausgeglichen werden.
Die Ermittlung der Kräfte und Bewegungen
für Brücken mit Erdbebenisolation erfolgt
6.4.2 Beispiel zur Ermittlung der Kräfte
in den im Abschnitt 6.2 beschrie­benen
und Bewegungen und der Nachweisführung
Grenzzuständen für Erdbeben. Die Berech-
für bewehrte Elastomerlager
nung der Kräfte und Bewegungen seismisch
isolierter Brücken ist nur am ­Gesamtsystem
Grundlagen:
unter Berücksichtigung der dynamischen
Lager: [DIN EN 1337-3, 2005]
Eigenschaften der Lagerung (Abschnitt 6.2)
Einwirkungen: [DIN-FB 101, 2009]
möglich. Mögliche Berechnungsverfahren,
aus denen dann die Kräfte und Bewegungen
Die Ermittlung der Kräfte und Bewegungen
der Lager abgeleitet ­werden können, sind
für Lager sind im Anhang O des o. g. DIN-
im Abschnitt 8.7.3 beschrieben.
Fachberichts und die Nachweise für be-
wehrte Elastomerlager in [DIN EN 1337-3,
Kräfte und Bewegungen aus dem
2005] geregelt.
Bauablauf
Bei der Ermittlung der Bemessungswerte
Nachweis der Summe der Elastomerver-
der Bewegungen aus der Schwankung des
zerrungen nach [DIN EN 1337-3, 2005],
konstanten Temperaturanteils (gleich­
Abschnitt 5.3.3
mäßige Temperaturänderung) muss eine
Summarische Elastomerverzerrung:
Aufstelltemperatur (mittlere Bauwerks­
temperatur zum Zeitpunkt der Verbindung εt,d = KL ∙ (εc,d + εq,d + εα,d) ≤ 7,0
von Lager und Bauwerk) angenommen
Die Anteile der Gesamtverzerrung werden
werden. Diese hängt vom Bauablauf und
wie folgt berechnet, wobei für die Schub-
dem Herstellungsverfahren ab. Da es in der
verzerrung zusätzliche Grenzwerte einzu-
Regel schwierig ist, die Bedingungen zur
halten sind:
Zeit des Einbaus vorherzusagen, sind auf
der sicheren Seite liegende Annahmen­ Elastomerverzerrung aus Vertikalbelas­
zu treffen. Dies bedeutet die Annahme ei- tung:
ner zusätzlichen (zusätzlich zum Bemes- ,  ċ Fz,d
sungswert) gleichmäßigen Temperaturän- εc,d =
G ċ Ar ċ S
derung. Der zitierte Anhang O gibt dafür
mit dem Bemessungswert der Vertikalkraft
eine Erhöhung des Bemessungswerts des
Fz,d
negativen und des positiven Temperaturan-
teils der Temperaturschwankung um je- Elastomerverzerrung aus Verschiebung:
weils 10 K vor. Wird die mittlere Bauwerks­ vxy,d
temperatur zum Zeitpunkt der Verbindung εq,d = � , 
Tq
von Lager und Bauwerk durch Temperatur-
mit dem Bemessungswert der Verschie-
messungen bestimmt, dann sind keine Er-
bung vxy,d
höhungen der Temperaturanteile der Tem-
peraturschwankung erforderlich. Elastomerverzerrung aus Lagerverdre-
Auch wenn während des Bauvorgangs hung:
der Festpunkt geändert wird, sind Vergrö- �a� ċ αa,d + b � ċ αb,d � ċ ti
ßerungen der gleichmäßigen Temperatur- ε α ,d = ε αx,d =
 ċ � (ti )
änderung zu berücksichtigen. Bei Bewe-
gungslagern können durch Lagervorein- mit dem Bemessungswert der Verdrehung α
478 6 Lagerung

Der Nachweis der summarischen Elasto- Werten die Ergebnisse einer spezifischen
merverzerrung ist im Grenzzustand der Laststellung verstanden.
Tragfähigkeit zu führen und erfordert die
Bemessungswerte der Kräfte und Bewe- Beispiel: 3-Feld-Brücke mit zwei verschie-
gungen aus diesem Grenzzustand. denen Querschnittsausbildungen
Die Kräfte und Bewegungen Fzd, vxy,d Für dieses Beispiel wurden die Auflager-
und αab,d sind dafür nach [DIN-FB 101, kräfte, Verschiebungen und Verdrehungen
2009], Anhang O zu ermitteln. Grundlage für die Einwirkungen berechnet. Die cha-
bildet die charakteristische Einwirkungs- rakteristischen Werte der einzelnen Ergeb-
kombination. Die Bemessungswerte erge- nisse sind in den Tabellen 6.4.2-1 und -2
ben sich durch die Ermittlung der Kräfte angegeben.
und Bewegungen aus den einzelnen Ein-
wirkungen der charakteristischen Einwir- Annahmen und Vereinfachungen für die
kungskombination mit anschließender Schnittgrößenberechnung:
Vergrößerung der einzelnen Ergebnisse mit
• Untersuchung am Balkensystem, die
den entsprechenden Teilsicherheitsbei-
Querrichtung ϑb und vy werden ver-
werten.
nachlässigt
Neben der Ermittlung der Kräfte und
• Effekte aus der Herstellungstechnologie,
Bewegungen für die Lager wird im Beispiel
Einlagerungszeitpunkt und Überhö-
überprüft, welche Auswirkungen eine
hung des Überbaus werden nicht be-
Nachweisführung unter Berücksichtigung
rücksichtigt. Die Lagerverformungen
zugehöriger Bemessungswerte oder eine
infolge Eigenlast und Vorspannung wer-
Nachweisführung mit Maximalwerten er-
den voll angesetzt.
gibt. Dabei werden unter „zugehörigen“

Bild 6.4.2-1   Querschnittsvariante 1, Betonvariante

Bild 6.4.2-2   Querschnittsvariante 2, Verbundvariante


6.4 Ermittlung der Kräfte und Bewegungen 479

Bild 6.4.2-3   Längsschnitt

Bild 6.4.2-4   Lagerungsplan

Tabelle 6.4.2-1  Zusammenstellung der Ergebnisse der Kräfte und Bewegungen aus den einzelnen
Einwirkungen (charakteristische Werte) für die Querschnittsvariante 1
Beschreibung AV [kN] BV [kN] ϑA [10-3] ϑB [10-3] vA [mm] vB [mm]
1 Eigenlast 1490,46 3752,09 -2,37 0,39 0,00 0,00
2 Ausbaulast 354,00 969,00 -0,63 0,10 0,00 0,00
3 Vorspannung 67,30 -67,30 4,18 -0,80 7,86 4,11
4 K+S -5,33 5,33 0,90 -0,30 30,45 21,90
5 UDL in Feld 1+3 462,00 504,00 -0,92 0,71 0,00 0,00
6 UDL in Feld 2 -54,70 577,00 0,28 -0,62 0,00 0,00
7 UDL in Feld 1+2 394,00 1147,00 -0,57 -0,05 0,00 0,00
8 TS in Feld 1 293,00 279,00 -0,75 0,40 0,00 0,00
9 TS in Feld 2 -37,70 304,00 0,20 -0,44 0,00 0,00
10 TS auf A 534,00 -0,66 0,00 0,00 0,00 0,00
11 TS auf B -0,35 534,00 0,00 0,00 0,00 0,00
12 Bremslast 0,00 0,00 0,00 0,00 -0,25 -0,25
13 Anfahrlast 0,00 0,00 0,00 0,00 0,25 0,25
Gleichmäßige
14 0,00 0,00 0,00 0,00 19,93 10,56
Abkühlung
Gleichmäßige
15 0,00 0,00 0,00 0,00 -13,70 -7,26
Erwärmung
Temperatur
16 88,50 -88,50 0,80 -0,25 0,00 0,00
Oberseite höher
Temperatur
17 -57,33 57,33 -0,52 0,17 0,00 0,00
Unterseite höher
(Der Index an den Verschiebungen/Verdrehungen kennzeichnet das Lager, nicht die Achse der Verschiebung/
Verdrehung!)
480 6 Lagerung

Tabelle 6.4.2-2  Zusammenstellung der Ergebnisse der Kräfte und Bewegungen aus den einzelnen
Einwirkungen (charakteristische Werte) für die Querschnittsvariante 2
Beschreibung AV [kN] BV [kN] ϑA [10-3] ϑB [10-3] vA [mm] vB [mm]
1 Eigenlast 721,92 1977,52 -0,20 0,05 -0,96 0,39
2 Ausbaulast 350,06 972,71 -1,07 0,18 -0,47 0,20
4 K+S -123,75 123,75 -1,32 0,60 9,78 5,94
5 UDL in Feld 1+3 453,95 501,42 -1,58 1,20 -0,32 1,19
6 UDL in Feld 2 -57,33 574,13 0,48 -1,03 -0,19 -1,01
7 UDL in Feld 1+2 382,42 1146,15 -0,98 0,07 -0,86 -0,37
8 TS in Feld 1 282,87 285,55 -1,29 0,68 -0,62 0,46
9 TS in Feld 2 -41,59 304,45 0,35 -0,74 -0,12 -0,72
10 TS auf A 524,02 3,61 0,00 0,00 0,02 0,00
11 TS auf B 3,87 516,62 0,00 0,00 -0,01 0,00
12 Bremslast -1,10 -6,35 0,00 -0,01 -0,21 -0,20
13 Anfahrlast 1,10 6,35 0,00 0,01 0,21 0,20
Gleichmäßige
14 38,46 -38,46 0,57 -0,19 23,19 11,97
Abkühlung
Gleichmäßige
15 -28,57 28,57 -0,39 0,14 -17,23 -8,89
Erwärmung
Temperatur
16 66,32 -66,32 0,94 -0,32 -3,07 -2,16
Oberseite höher

Temperatur
17 -79,63 79,63 -1,13 0,39 3,68 2,59
Unterseite höher

(Der Index an den Verschiebungen/Verdrehungen kennzeichnet das Lager, nicht die Achse der Verschiebung/
Verdrehung!)
6.4 Ermittlung der Kräfte und Bewegungen 481

Bemessungswerte der Kräfte und Bewe- größerung der mittleren Kriech- und
gungen für den Nachweis der Elastomer- Schwindbeiwerte nach [DIN-FB 102, 2009]
verzerrungen nach [DIN EN 1337, 2005], bzw. [DIN-FB 104, 2009] mit dem Faktor
Abschnitt 5.3.3 1,35 zu ermitteln. Dieser Faktor ist kein
Nach Anhang O des [DIN-FB 101, 2009] Teilsicherheitsbeiwert, sondern führt zu
sind die Bemessungswerte der Bewegungen Fraktilwerten der Kriech- und Schwind-
aus Kriechen und Schwinden unter Ver- beiwerte.

Tabelle 6.4.2-3  Bemessungswerte der Kräfte und Bewegungen für die Lager der Quers­chnitts­
variante 1
AV BV ϑA ϑB vA vB
[kN] [kN] [10-3] [10-3] [mm] [mm]
Maximale Auflagerkraft Lager A und zug ϑ
1,35(1+2)+1,0*3+1,0*4+1,5*(5+10)
max A 4141,6
+1,35*0,8*16
Lager A
1,35(1+2)+1,0*3+1,35*4+1,5*(5+10)
zug. ϑ 0,83
+1,35*0,8*16
Maximale Auflagerkraft Lager B und zug ϑ
1,35(1+2)+1,0*3+1,0*4+1,5*(7+11)
max B 8894,9
+1,35*0,8*17
Lager B
1,35(1+2)+1,0*3+1,35*4+1,5*(7+11)
zug. ϑ -0,65
+1,35*0,8*17
Maximale Verdrehung Lager A und zug. Av
zug. A 1,35*(1+2)+1,0*3+1,0*4+1,5*(5+8)
3622,6
(EK1) +1,35*0,8*17
max ϑ 1,35*(1+2)+3+1,35*4+1,5*(5+8)
-1,72
(EK 1) +1,35*0,8*17
Lager A
zug. A 1,0*(1+2)+1,0*3+1,0*4+1,5*(6+9)
1863,4
(EK 2) +1,35*0,8*16
max ϑ 1,0*(1+2)+3+1,35*4+1,5*(6+9)
3,97
(EK 2) +1,35*0,8*16
Maximale Verdrehung Lager B und zug. Bv
zug B 1,35(1+2)+1,0*3+1,0*4+1,5*(5+8)
7547,9
(EK 1) +1,35*0,8*17
max ϑ 1,35*(1+2)+3+1,35*4+1,5*(5+8)
1,30
(EK 1) +1,35*0,8*17
Lager B
zug B 1,0*(1+2)+1,0*3+1,0*4+1,5*(6+9)
5885,0
(EK 2) +0,8*1,35*16
max ϑ 1,0*(1+2)+3+1,35*4+1,5*(6+9)
-2,58
(EK 2) +1,35*0,8*16
Horizontale Verschiebung für Lager A und B
max v 1.0(3)+1.35*(4)+1.5*(14) Lager A und B 75,9 47,9
482 6 Lagerung

Tabelle 6.4.2-4  Bemessungswerte für die Kräfte und Bewegungen der Lager der Quer­schnitts­
variante 2
AV BV ϑA ϑB vA vB
[kN] [kN] [10-3] [10-3] [mm] [mm]
Maximale Auflagerkraft Lager A und zug ϑ
1,35(1+2)+1,0*4+1,5*(5+10)
max A 2885,6
+1,35*0,8*(14+0,75*16)
Lager A
1,35(1+2)+1,35*4+1,5*(5+10)
zug. ϑ -4,48
+1,35*0,8*(14+0,75*16)
Maximale Auflagerkraft Lager B und zug ϑ
1,35(1+2)+1,o*4+1,5*(7+11)
max B 6697,5
+1,5*0,8*(0,35*15+17)
Lager B
1,35(1+2)+1,35*4+1,5*(7+11)
zug. ϑ 1,70
+1,35*0,8*(0,35*15+17)
Maximale Verdrehung Lager A und zug. Av
zug. A 1,35*(1+2)+1,0*4+1,5*(5+8)
2428,7
(EK1) +1,35*0,8*(0,35*15+17)
max ϑ 1,35*(1+2)+1,35*4+1,5*(5+8)
-9,16
(EK 1) +0,8*1,35*(0,35*15+17)
Lager A
zug. A 1,35*(1+2)+1,0*4+0*(6+9)
1442,5
(EK 2) +1,35*(14+0,75*16)
max ϑ 1,35*(1+2)+1,35*4+0*(6+9)
-2,11
(EK 2) +1,35*(14+0,75*16)
Maximale Verdrehung Lager B und zug. Bv
zug B 1,35(1+2)+1,0*4+1,5*(5+8)
5383,8
(EK 1) +1,35*0,8*(0,35*15+17)
max ϑ 1,35(1+2)+1,35*4+1,5*(6+9)
4,41
(EK 1) +1,35*0,8*(0,35*15+17)
Lager B
zug B 1,35(1+2)+1,0*4+1,5*(5+8)
5424,4
(EK 2) +1,35*0,8*(0,35*15+17)
max ϑ 1,0(1+2)+1,35*4+1,5*(6+9)
-2,08
(EK 2) +1,35*0,8*(14+0,75*16)
Horizontale Verschiebung für Lager A und B
1.35(1+2)+1.35*(4)
max v Lager A und B 46,3 27,6
+1.35*(18+0.75*17)

Bemessung der Lager unter Querschnitt 1 Bemessung der Lager unter Querschnitt 2
(Massiv) (Verbund)
Es wurden unverankerte Lager nach [DIN Es wurden unverankerte Lager nach [DIN
EN 1337-3, 2005] mit den untenstehenden EN 1337-3, 2005] mit den untenstehenden
Geometrien gewählt und der summarische Geometrien gewählt und die summarische
Elastomerverzerrungsnachweis geführt. Elastomerverzerrung ermittelt.
6.4 Ermittlung der Kräfte und Bewegungen 483

Tabelle 6.4.2-5   Summarische Elastomerverzerrung für die Lager der Querschnittsvariante 1


Lagerbemessung – QS 1, Lager A
Quer­ Fz,d – ϑ Quer- Fz,d – ϑ
schnitt 1 max max zug schnitt 1 max max zug
Lager A – max – zug – max Lager B – max – zug – max
a [mm] 400 400 400 a [mm] 500 500 500
b [mm] 500 500 500 b [mm] 600 600 600
aʹ [mm] 392 392 392 aʹ [mm] 492 492 492
bʹ [mm] 492 492 492 bʹ [mm] 592 592 592
n 9 9 9 n 6 6 6
t [mm] 11 11 11 t [mm] 11 11 11
s [mm] 4 4 4 s [mm] 4 4 4
Fz [kN] 4141,6 4141,6 1863,4 Fz [kN] 8894,9 8894,9 5885
vx [mm] 75,9 75,9 75,9 vx [mm] 47,5 47,5 47,5
ϑa [rad] 3,97E-03 8,30E-04 3,97E-03 ϑb [rad] 2,58E-03 6,50E-04 2,58E-03
A [mm²] 200000 200000 200000 A [mm²] 300000 300000 300000
Aʹ [mm²] 192864 192864 192864 Aʹ [mm²] 291264 291264 291264
Ar [mm²] 155521 155521 155521 Ar [mm²] 263144 263144 263144
S 9,92 9,92 9,92 S 12,21 12,21 12,21
[N/ [N/
Gd 0,8 0,8 0,8 Gd 0,8 0,8 0,8
mm²] mm²]
εc,d 5,035 5,035 2,265 εc,d 5,189 5,189 3,433
εq,d 0,767 0,767 0,767 εq,d 0,720 0,720 0,720
εαx,d 0,292 0,061 0,292 εαx,d 0,444 0,112 0,444
Σε 6,093 5,863 3,324 Σε 6,353 6,021 4,597

Bild 6.4.2-5   Anteile bei zugehörigen/maximalen Rechenwerten für die Querschnittsvariante 1


484 6 Lagerung

Tabelle 6.4.2-6  Summarische Elastomerverzerrung für die Lager der Querschnittsvariante 2


Lagerbemessung – QS 2, Lager A
Quer­ Nsd - ϑ Quer­ Nsd – ϑ
schnitt 2 max max zug schnitt 2 max max zug –
Lager A – max – zug – max Lager B – max – zug max
a [mm] 350 350 350 a [mm] 450 450 450
b [mm] 450 450 450 b [mm] 550 550 550
aʹ [mm] 342 342 342 aʹ [mm] 442 442 442
bʹ [mm] 442 442 442 bʹ [mm] 542 542 542
n 6 6 6 n 4 4 4
t [mm] 11 11 11 t [mm] 11 11 11
s [mm] 4 4 4 s [mm] 4 4 4
Fz [kN] 2885,6 2885,6 2428,7 Fz [kN] 6697,5 6697,5 5383,8
vx [mm] 46,3 46,3 46,3 vx [mm] 27,6 27,6 27,6

ϑa [rad] 9,16E-03 4,48E-03 9,16E-03 ϑb [rad] 4,41E-03 1,70E-03 4,41E-03

A [mm²] 157500 157500 157500 A [mm²] 247500 247500 247500


Aʹ [mm²] 151164 151164 151164 Aʹ [mm²] 239564 239564 239564
Ar [mm²] 130699 130699 130699 Ar [mm²] 224605 224605 224605
S 8,76 8,76 8,76 S 11,07 11,07 11,07
[N/ [N/
Gd 0,8 0,8 0,8 Gd 0,8 0,8 0,8
mm²] mm²]
εc,d 4,723 4,723 3,976 εc,d 5,052 5,052 4,061
εq,d 0,702 0,702 0,702 εq,d 0,627 0,627 0,627
εαx,d 0,773 0,378 0,773 εαx,d 0,923 0,356 0,923
Σε 6,198 5,803 5,450 Σε 6,602 6,035 5,611

Bild 6.4.2-6   Anteile bei zugehörigen/maximalen Rechenwerten für die Querschnittsvariante 2


6.4 Ermittlung der Kräfte und Bewegungen 485

Zusammenfassung der Ergebnisse dieser zwei Beispielen verifiziert wurden, verdeut-


Beispiele für den Nachweis der summa- lichen sie die Empfehlung, die Berechnung
rischen Elastomerverzerrung mit den Maximalwerten zu führen.
In den Beispielen wurden die Bildungsre-
geln für die Ermittlung der Kräfte und Be- Nachweis der Verdrehungsgrenzbedin-
wegungen aufgezeigt und untersucht, ob gung oder „Klaffen in der Lagerfuge“
die Verwendung zugehöriger Werte bei der Für den Nachweis der Verdrehungsgrenz-
Bildung der Einwirkungskombinationen bedingung oder „Klaffen der Lagerfuge“
für die Lagerbemessung eine Optimierung (Abs. 5.3.3.6 von [DIN EN 1337-3:2005])
der erforderlichen Lagergröße ermöglicht. werden die Verformungen vz,d, ϑa,d und ϑb,d
Es wurden mögliche Variationen zwi- benötigt, wobei sich die Verformung vz,d als
schen den Rechenwerten der Auflagerkraft Lagerstauchung aus Fz,d berechnet.
und der Verdrehung untersucht. Auf die
Berücksichtigung zugehöriger Werte bei Nachweis:
den Lagerverschiebungen wurde nicht ein-
  ntFz,d a� θ a,d + b � θ b,d
gegangen, da die maßgeblichen Einwir- � + � �
kungen, welche Verschiebungen hervorru- Gd S  Eb A� 
fen, entweder ständiger Natur sind (Vor-
spannung, Kriechen und Schwinden) oder Dieser Nachweis ist im Grenzzustand der
keine Interaktion mit der Vertikallast und Tragfähigkeit zu führen.
Verdrehung aufzeigen (gleichmäßige Ab- Der linke Term der Gleichung ergibt vz,d
kühlung/Erwärmung). und der rechte Term wird im Folgenden
In den ermittelten Summen der Elasto- mit vα,d bezeichnet.
merverzerrung dominiert die Summe der Die ungünstige Konstellation für diesen
Verzerrungen aus Vertikallast und Ver- Nachweis besteht in einer geringen verti-
schiebung die Gesamtsumme bei Weitem. kalen Einsenkung (geringe Auflast) und
Aus diesem Grund zeigt die Verwendung einer großen Verdrehung. Es stellt sich da-
zugehöriger Werte kein signifikantes Er- bei wiederum die Frage, ob Maximalwerte
gebnis, die ermittelten Summen verringern oder zugehörige Werte verwendet werden
sich nur geringfügig. können. Diese Fragestellung wird ebenfalls
Auch wenn diese Aussagen keine Allge- am o. g. Beispiel untersucht.
meingültigkeit haben, da sie nur an diesen

Tabelle 6.4.2-7  Bemessungswerte der minimalen Auflagerkraft und der zugehörigen Verdrehung,


Querschnittsvariante 1
Minimale Auflast Av und zug. Verdrehung
min A 0,95*(1+2)+1,0*3+1,0*4+1,5(6+9)+1,35*0,8*17 1611,8
Lager A
zug ϑ 0,95*(1+2)+3+1,35*4+1,5*(6+9)+1,35*0,8*17 2,71
Minimale Auflast Bv und zug. Verdrehung
min B 0,95*(1+2)+1,0*4+1,0*3+0*(6+9)+1,35*16 4303,6
Lager B
zug ϑ 0,95*(1+2)+3+1,35*4+1,5*16 -1,13
486 6 Lagerung

Tabelle 6.4.2-8  Nachweis „Klaffen der Lagerfuge“, Querschnittsvariante 1


Quer­ Nsd – ϑ Quer­ Nsd – ϑ
schnitt 1 min min zug – schnitt 1 min min zug
Lager A – max – zug max Lager B – max – zug – max
a [mm] 400 400 400 a [mm] 500 500 500
b [mm] 500 500 500 b [mm] 600 600 600
aʹ [mm] 392 392 392 aʹ [mm] 492 492 492
bʹ [mm] 492 492 492 bʹ [mm] 592 592 592
n 9 9 9 n 6 6 6
t [mm] 11 11 11 t [mm] 11 11 11
s [mm] 4 4 4 s [mm] 4 4 4
Fz [kN] 1611,8 1611,8 1863,4 Fz [kN] 4303,6 4303,6 5885,0
ϑa [rad] 3,97E-03 2,71E-03 3,97E-03 ϑb [rad] 2,58E-03 1,13E-03 2,58E-03
vz,d [mm] 2,52 2,52 2,91 vz,d [mm] 2,12 2,12 2,90
vα,d [mm] 0,52 0,35 0,52 vα,d [mm] 0,42 0,19 0,42

Tabelle 6.4.2-9  Bemessungswerte der minimalen Auflagerkraft und der zugehörigen Verdrehung,


Querschnittsvariante 2
Minimale Auflast Av und zug. Verdrehung
0,95*(1+2)+4+1,5*(6+9)+1,35*0,8
min A 649,5
*(0,35*15+17)
Lager A
0,95*(1+2)+1,35*4+1,5*(6+9)
zug ϑ -3,11
+1,35*0,8*(0,35*15+17)
Minimale Auflast Bv und zug. Verdrehung
min B 0,95*(1+2)+4+1,35*(14+0,75*16) 2807,4
Lager B
zug ϑ 0,95*(1+2)+1,35*4+1,35*(14+0,75*16) 0,45

Tabelle 6.4.2-10  Nachweis „Klaffen der Lagerfuge“, Querschnittsvariante 2


Quer­ Nsd – ϑ Quer­ Nsd – ϑ
schnitt 2 min min zug schnitt 2 min min zug
Lager A – max – zug – max Lager B – max – zug – max
a [mm] 350 350 350 a [mm] 450 450 450
b [mm] 450 450 450 b [mm] 550 550 550
aʹ [mm] 342 342 342 aʹ [mm] 442 442 442
bʹ [mm] 442 442 442 bʹ [mm] 542 542 542
n 6 6 6 n 4 4 4
t [mm] 11 11 11 t [mm] 11 11 11
s [mm] 4 4 4 s [mm] 4 4 4
Fz [kN] 649,5 649,5 2428,7 Fz [kN] 2807,4 2807,4 5383,8
ϑa [rad] 9,16E-03 3,11E-03 9,16E-03 ϑa [rad] 4,41E-03 4,50E-04 4,41E-03
vz,d [mm] 1,06 1,06 3,98 vz,d [mm] 1,31 1,31 2,51
vα,d [mm] 1,04 0,35 1,04 vα,d [mm] 0,65 0,07 0,65
6.6 Planungsunterlagen 487

Zusammenfassung der Ergebnisse für toren abhängig sind, wird der Geltungs­
den Nachweis „Klaffen der Lagerfuge“ bereich der in den entsprechenden Teilen
Der Nachweis des Klaffens der Lagerfuge der Europäischen Norm angegebenen
ließ sich im untersuchten Beispiel nicht im- Werte eingeschränkt. Die Verwendung der
mer mit den Maximalwerten erfüllen. Der angegebenen Widerstände setzt voraus,
Abstand zwischen Lagerstauchung aus dass die Lager nicht folgenden Einflüssen
Normalkraft und Lagerstauchung aus Ver- ausgesetzt sind:
drehung vergrößert sich bei Verwendung
• Temperaturen außerhalb der definierten
der zugehörigen Werte erheblich, sodass
Grenzen,
die Verwendung zugehöriger Werte zur Er-
• Geschwindigkeiten der Verschiebungen
füllung der Nachweisbedingung sinnvoll
und Verdrehungen, die nicht vom Ver-
ist. Da dieser Nachweis bei kleinen Aufla-
kehr herrühren (also nicht für Erd­
sten, die durch Verkehrslaststellungen mit
beben),
entlastender Wirkung auch bei Tragwerken
• Verschmutzung in den Kontaktflächen.
kleiner Stützweite entstehen können, oft
nicht erfüllbar ist, wurde für verankerte La- Bei Lagerungen mit Festpunkten ist die am
ger ein Mindestwert für Fz/A' von 3 N/mm² Festpunkt angreifende horizontale Stütz-
festgelegt. Im vorliegenden Beispiel würde kraft aus dem Widerstand des gesamten
für die Variante Minimalwert/Maximal- Lagerungssystems zu bestimmen. Dabei ist
wert auch dann der Nachweis nicht erfüllt, zu beachten, dass die Kräfte die aus den
da eine Pressung von 3,6 N/mm² vorhan- ­Widerständen resultieren, teils günstig und
den ist. teils ungünstig wirken. Bei der Berechnung
sind deshalb die günstig und ungünstig
wirkenden Bemessungswerte der ständigen
6.5 Lagerwiderstände Lasten für die Ermittlung der horizontal
angreifenden Stützkraft infolge Reibung­
Lager erzeugen entweder Rückstellkräfte bei Bewegungslagern zu berücksichtigen.
(Verformungslager), die proportional zu Bei Verwendung von bewehrten Elas­
den Verschiebungen sind, oder Reibungs- tomerlagern aus unterschiedlicher Herstel-
kräfte (Gleitlager, Rollen­lager), die propor- lung trifft dies für die unterschiedlichen
tional zu den Vertikalkräften sind. Diese Schubmoduli zu.
Lagerwiderstände wirken über den Über- Die Widerstände der Lager und Erd­
bau auf die unverschieblichen Lager ein bebenvorrichtungen bei Erd­beben­be­an­
und sind bei deren Auflager­reaktionen spruchungen hängen von der Stärke des
zu berücksichtigen. Alle verdrehbaren Bebens und der konkreten Verformungs­
­Lager weisen Rückstell­momente bzw. Rei- charakteristik ab. Diese ­sind nur durch Ver-
bungsmomente auf, deren Wirkungen suche ermittelbar ­und ­müssen vom Lager-
auf Über- und Unterbauten ebenfalls be­ hersteller erfragt werden.
rücksichtigt werden müssen, oft aber auch
vernachlässigt werden können. Die von
der Bauart und dem Material beziehungs- 6.6 Planungsunterlagen
weise Mat­e­rialpaarungen abhängigen Wi-
derstände sind in den Normen der je­ Die Wahl der Lagerung und die Auswahl
weiligen Lager (vgl. Tab. 6.1-3) angegeben. und Anordnung der Lager für eine Brücke
Da die Bewegungs- und Verformungs­ erfordern eine Zusammenarbeit zwischen
widerstände von einer Vielzahl von Fak- Bauherrn, Planer, Bauausführenden und
488 6 Lagerung

Lagerhersteller. Dieser Sachverhalt findet ­ agerversetzplan angefertigt, der auch die


L
auch während der Planung der Brücke Angabe b) erfüllt.
­seinen Niederschlag. Dokumentiert wird Für die Anfertigung der Lagerstatik
dies durch den Lagerungsplan, den Lager- durch den Lagerhersteller ist eine Lagerliste
versetzplan und die Lagerliste. Nach [DIN erforderlich. Die Erstellung der genannten
EN 1337-1] sollte der Lagerungsplan fol- Unterlagen ist Aufgabe des Tragwerkspla-
gende Angaben enthalten: ners. Der Lagerhersteller entwirft die de-
taillierten Lagerpläne nach Anfertigen der
a) Brücke im Grundriss mit Darstellung Lagerstatik, welche die Anforderungen e)
der Lager (Symbole) erfüllen.
b) Details in den Lagerungspunkten Die Lagerliste muss alle erforderlichen
c) Art der Lager an jeder Stelle Bemessungswerte der Kräfte und Be­
d) Eine Tabelle, in der die Anforderungen wegungen für die maßgebenden Kombina-
für jedes Lager aufgelistet sind tionen der beiden Grenzzustände für die
e) Details zum Lager und zum Einbau und Nachweisführung der Lager beinhalten.
Ausbau In der Regel können die Lager für die
Maxima von Kraft und Bewegung ausgelegt
In der gegenwärtigen Praxis beinhaltet der werden. Wird die Wirtschaftlichkeit dabei
Lagerungsplan im Entwurfs- und Bau- beeinträchtigt, dann sind auch zugehörige
werksplan die Angaben a) und d). Während Werte erforderlich. Letzteres ist vor allem
der Ausführungsplanung wird dieser vor- bei torsionsweichen Überbauquerschnitten
liegende Plan konkretisiert. Das im Detail zu beachten. Am Beispiel der Einfluss­
konkrete Lager und der Lagerhersteller flächen von offenen und geschlossenen
sind bekannt. In dieser Phase wird der Querschnitten bei Durchlaufträgern wird

Bild 6.6-1   Einflussfläche für die Auflagerkraft einer Dreifeldbrücke mit offenem (torsionswei-
chem) Querschnitt [Ramberger, 2002]

Bild 6.6-2   Einflussfläche für die Auflagerkraft einer Dreifeldbrücke mit geschlossenem (torsions-
steifen) Querschnitt [Ramberger, 2002]
6.7 Messungen von Kräften und Bewegungen an Lagern 489

in den Bildern 6.6-1 und 6.6-2 der Unter- die durch die IFF Engineering & Consul-
schied verdeutlicht. ting GmbH, Leipzig, zur Verfügung gestellt
Da die Nachweisführung der Lager alle wurden [IFF, 1992-97], ergab bei den ge-
Verbindungen im Lager und alle Ausrüs- nannten Tragwerksarten trotz sorgfältig
tungselemente umfasst, sind auch die cha- geodätischer Ausrichtung der Lagerpunkte
rakteristischen Werte der Lagerkräfte und Abweichungen von den gerechneten Auf­
Bewegungen aus jeder Einzeleinwirkung in lagerkräften von 50 bis 200%. Zurzeit wer-
die Lagerliste aufzunehmen. Für die ge- den von Bergmeister [Bergmeister, 2001]
nannten Elemente können andere Kombi- umfangreiche Messungen, einschließlich
nationen maßgebend werden. Kraftmessungen, an Brücken der Brenner-
autobahn vorgenommen.
Messungen von Verschiebungen und
6.7 Messungen von Kräften Verdrehungen an Lagern im Bauwerk wur-
und Bewegungen an Lagern den meist zur Validierung der Bedingun-
gen der Zulassungsversuche und zur Er-
Lager sind Bauteile, deren Funktionsfähig- mittlung von aufsummierten Gleitwegen
keit nur bei sorgsamer Behandlung gewähr­ zur Abschätzung der Lebensdauer durch-
leistet ist. Zur Absicherung der Trag- und geführt. Angaben dazu sind in [Ibac F 195,
Funktionsfähigkeit werden vor den Über- 1984, Ibac F 192, 1990, Hakenjos, 1985 und
einstimmungserklärungen oder Zulassun- IBL Nr. 804, 1977] zu finden. Summarisch
gen die Bauteile Lager geprüft und während wurde dabei festgestellt,
der Produktion laufend überwacht. Die
• dass die Aufsummierung der kurzzeiti-
Prüfungen werden unter definierten Rand-
gen, aus Verkehrsbelastung resultieren-
bedingungen ausgeführt. Verhaltensstu­
den Bewegungen gegenüber den Tempe-
dien zur Wirkungsweise unter realen Be-
raturbewegungen den größeren Anteil
dingungen und Einwirkungen können nur
am aufsummierten Gleitweg haben.
durch Messungen an Lagern im Bauwerk
• dass die Reibungsbeiwerte unter den re-
mit begleitenden Messungen am Bauwerk
alen Temperatur- und Lasteinwirkungen
geführt werden. Dabei sind die Kräfte und
eine starke Streubreite haben, deren
Bewegungen von Interesse.
Auswirkung auf die Lebensdauer der
Messungen von Kräften oder Pressun-
­Lager noch nicht hinreichend bekannt
gen an den Lagerpunkten sind nur wenige
ist.
bekannt. Obwohl sensorbestückte (mei-
stens Topf-) Lager zur Auflagerkraftmes- In [Weitsch, 2002] werden Messungen von
sung angeboten und auch verschiedentlich Verschiebungen und Verdrehun­gen an
eingebaut wurden, sind Messergebnisse ­Lagern während der Überfahrt eines LkW’s
nicht zugänglich. Da bei Stahlbrücken mit mit bekannter Konfiguration, Last und
tor­sionsweichen Querschnitten mehrfach ­Geschwindigkeit ausgewertet und analogen
Schäden zum Beispiel an den Endquerträ- Rechenergebnissen gegenübergestellt.
gern festgestellt wurden, wird dem Problem ­Weitere Verformungsmessungen an Lagern
der Herstellung der planmäßigen Lage- unter Verkehr sind aus der Literatur nicht
rungsbedingungen, also einer auflagerkraft­ bekannt, so dass die Messungen von Weitsch
gesteuerten Einlagerung bei diesen oder gegenwärtig nur als Trend gewertet werden
auch bei Brücken mit geometrisch kompli- können. Gemessen wurde an den Lagern
zierten Grundrissen mehr Aufmerksamkeit der Talbrücke über die Schwarza, einer
gewidmet. Eine Auswertung der dabei ge- neunfeldrigen einteiligen Stahlverbund-
messenen Auflagerkräfte ohne Korrektur, brücke mit einer maximalen Höhe über
490 6 Lagerung

Bild 6.7-1   Lage der Messstellen im Lagerungsplan. Die ausgefüllten Lager wurden gemessen.

675 m

Schwarza

L1131
Erfurt Schweinfurt

55 m 75 m 80 m 85 m 85 m 85 m 80 m 70 m 60 m

Bild 6.7-2   Längsansicht der Talbrücke über die Schwarza

Gelände von 65 m. Der Lagerungsplan mit hängig. Auch ein Halt in den Feldmitten
der Angabe der gemessenen Lager ist im und ein 15-sekundiges Einwirken der
Bild 6.7-1 dargestellt. Alle Lager der Brücke Last zeigt keine Veränderungen. Ledig-
sind Kalottenlager. lich die dynamischen Anteile sind ge-
Die Längsansicht der Brücke ist im Bild schwindigkeitsabhängig.
6.7-2 dargestellt. • Zwischen Rechnung und Messung wer-
Zum Zeitpunkt der Messungen standen den gute Übereinstimmungen erzielt.
die Brückenbauarbeiten kurz vor dem Die Rechnung wurde im Gesamttrag-
­Abschluss. Fahrbahnübergangskonstruk­ werksmodell allerdings ohne Lager­
tionen, Kappen und die endgültige Fahr­ widerstände geführt. Im Bild 6.7-3
bahn­decke waren noch nicht fertig gestellt. ­werden die Ergebnisse für die Lager­
Die Messungen wurden bei unterschiedli- achse 50 dargestellt. Die Brückenlängs-
chen Geschwindigkeiten des Testfahr­zeugs achse ist als x-Achse definiert.
geführt. Es wurde bei Schrittgeschwindig-
keit, 10 km/h, 30 km/h und 50 km/h gemes- Die Messungen der Verschiebungen in
sen. Zusätzlich wurden Langsamfahrten Achsrichtung konzentrieren sich auf die
mit einem jeweiligen 15 s Halt in den Lager am Widerlager Achse 0. Da im Mess-
­einzelnen Feldmitten durchgeführt. Der zeitraum die Bauwerkstemperaturen stie-
Messzeitpunkt war im Mai bei einer mitt­ gen, sind die Verschie­bungen Überlage­
leren Außentemperatur von 26 °C mit rungen aus Temperatur und Verkehr. Dabei
­starker Sonneneinstrahlung. Bei den Rota- sind folgende Ergebnisse von Interesse:
tionen sind folgende Ergebnisse erzielt
• Die Verschiebungen zeigen eine starke
worden:
Abhängigkeit vom Fahrverhalten. So-
• Der Verdrehungsverlauf an den einzel- wohl die unterschiedlichen Geschwin-
nen Lagerpunkten ist von der Fahrzeug­ digkeiten als auch Zwischenhalte führen
geschwindigkeit (10 bis 50 km/h) unab- zu unterschiedlichen Ergebnissen.
6.7 Messungen von Kräften und Bewegungen an Lagern 491

Bild 6.7-3   Gemessene und gerechnete Lagerverdrehungen bei Achse 50 um die y-Achse

• Der Einfluss des Fahrverhaltens ist ge- obachtet. Aus diesen Darstellungen ist
genwärtig rechnerisch nicht realistisch deutlich zu erken­nen, dass die Verkehrs­
ermittelbar. einflüsse die Längsverschiebun­gen infolge
Tempe­ratur stören. In der Regel kommt es
Im Bild 6.7-4 wird ein Messergebnis bei zum kurzzeitigen Stillstand der Längsver-
Überfahrt in Schrittgeschwindigkeit dar­ge­ schiebungen.
stellt, wobei an den markierten Stellen die Im Bild 6.7-5 wird die gemessene Ver-
ungeplante Überfahrt eines unbeladenen schiebung bei einer Überfahrt des Testfahr­
Baustellenfahrzeugs die Verschiebungen zeugs mit 30 km/h dargestellt. Diese Mess-
beeinflusst. Die auftretende Treppenlinie ergebnisse zeigen einen relativ kontinuier-
wurde bei derartigen Ereignissen stets be­ lichen Verschiebungsverlauf.

Bild 6.7-4   Horizontalverschiebung Achse 0 bei Schrittgeschwindigkeit und Störung durch ein


Baustellenfahrzeug
492 6 Lagerung

Bild 6.7-5   Horizontalverschiebung Achse 0 bei einer Überfahrt mit 30 km/h

Alle dargestellten Messergebnisse sind ­ agerarten und deren messtechnischen Er-


L
Einflusslinien der Verformungen der an­ fassung sowie ein Vorschlag zur Dokumen-
gegebenen Lager. tation als Muster gegeben.
Die grundlegenden Anforderungen an
die Lagerung sind entsprechend Abschnitt
6.8 Inspektion und Instandhaltung 6.2 eine dauerhaft sichere Übertragung der
der Lager und Lagerungen Stützkräfte sowohl vertikal als auch in der
Lagerungsebene und eine dauerhaft zwän-
Lager und Lagerungen sind so zu entwer- gungsarme Realisierung der Bewegungen.
fen, dass die Lager inspiziert, gewartet und Die Inspektion der Lagerung kann in der
wenn erforderlich ausgewechselt werden Regel nur die Bewegungen in der Lage-
können. Dieser Grundsatz, in EN 1337, rungsebene umfassen.
Teil 1 formuliert, ist seit mehr als 30 Jahren Die Prüfung der Stützkräfte erfordert
in Deutschland Praxis. Die Inspektion der eine entsprechende Ausrüstung.
Lager und Lagerung erfolgt, sofern kein Die Verschiebungen in der Lagerungs­
­besonderer Anlass vorliegt, im Rahmen der ebene werden bei gelagerten Tragsystemen
Überwachung und Prüfung der Brücken, dominant von der Bauwerksmitteltempera-
für die es seit 1930 in Deutschland die tur infolge klimatischer Einwirkungen und
DIN 1076 gibt. Mehrfach aktualisiert und bei Betonbrücken zusätzlich vom zeitab-
durch Richtlinien begleitet, stellt diese hängigen Kriech- und Schwindverhalten
Norm eine wesentliche Grundlage im Er- verursacht. Die Aufnahme des Ist-Zustan­
haltungssystem der Brücken dar. des der Lagerverschiebungen erfordert des-
Dem speziellen Problemkreis der In- halb zwingend die gleichzeitige möglichst
spektion und Instandhaltung der Lager ist kontinuierliche Aufnahme der Schatten­­
zusätzlich die EN 1337, Teil 10 gewidmet. außenlufttemperatur.
Dort werden allgemeine Anforderungen Die Bauwerksmitteltemperatur wird von
und spezielle Kontrollen für einzelne geometrischen, baustoffspezifischen und
6.8 Inspektion und Instandhaltung der Lager und Lagerungen 493

klimatischen Parametern beeinflusst und wird, führt der letztgenannte Fall in der
ist deshalb nicht direkt über die Schatten- Regel ­lediglich zur Überbemessung des
außenlufttemperatur ermittelbar. ­Lagers.
Die Methode der Verschiebungs­messung Die Verdrehungen der Lager in der
ist abhängig von der Lagerart und der Aus- ­Lagerebene werden durch die direkten
rüstung des Lagers. Der „Ist-Zustand“ der Überbaulasten und dem linearen Tempera-
Verschiebungen bei der vorhandenen turgradienten im Überbau bestimmt. Ein
­Bauwerksmitteltemperatur ist mit dem „Nullzustand“ der Verdrehung ist kaum
Sollzustand bei gleicher Bauwerksmittel- ­definierbar. Je nach Material und Herstel-
temperatur zu vergleichen. Die Ermittlung lungsart wurde der Überbau aus ästhe­
des Sollzustands setzt die Kenntnis eines tischen Gründen vorgekrümmt eingelagert.
definierten Anfangszustands voraus. Zu Die Lager werden aber gerade eingebaut.
diesem Zweck wird in DIN EN 1337, Teil 11 Die Kontrolle der Verdrehungen reduziert
für die einzelnen Lager die Nullmessung sich somit auf die Messung der aktuellen
zum Zeitpunkt des Funktionsbeginns mit Verdrehungen des Lagers. Die Messung der
der jeweiligen aktuellen Luft und/oder Verdrehung ist wieder von der Lagerart ab-
­Bauwerkstemperatur und deren Doku­ hängig, in DIN EN 1337, Teil 10 sind dafür
mentation gefordert. einige Hinweise gegeben.
Ein sachgerechter Einbau der Lager ist Die Stütz- oder Auflagerkräfte sind bei
für die dauerhafte Funktion der Lagerung den Hauptprüfungen nur messbar, wenn
über die erwartete Lebensdauer von aus- die Brücke mit Kraftmesslagern ausgerüstet
schlaggebender Bedeutung. Die Dokumen- wurde. Diese Lager sind meist als Topflager
tation des Nullzustands beim Einbau hat im Angebot, werden jedoch nur in be­
für die Inspektion allerdings eine vergleich- sonderen Fällen eingesetzt. Bei diesen
bare Bedeutung. Im Abschnitt 10.2.8 wer- ­Lagern wird über einen Drucksensor im
den hinsichtlich des Einbaus von Lagern Elastomer auf die Kraft geschlossen. In der
weitere Aspekte beleuchtet. Regel beschränkt sich aber die Inspektion
Treten beim Vergleich des Ist- und Soll- stützkraftseitig auf die visuelle Kontrolle
zustands der Verschiebungen Unregel­ der Lager.
mäßigkeiten an einem oder mehreren La- Eine funktionsfähige Lagerung setzt
gern auf, dann ist in der Regel die Ursache funktionsfähige Lager voraus. Die Inspek­
im Verformungsverhalten des Tragwerks zu tion der Lager erfordert deshalb zusätzliche
suchen. Derartige Ursachen können sein: prinzipielle und lagerartspezifische Kon-
trollen, wie zum Beispiel:
• Bei der Ermittlung der Lagerbewe-
gungen wurden die Wirkungen des Ge-
Allgemeine Aspekte
samtsystems nicht beachtet.
• Ausreichende verbleibende Bewegungs-
• Es sind Bewegungen an Widerlagern
fähigkeit, in Abhängigkeit von der La-
oder Stützen/Pfeilern durch unplan­
gerart und der aktuellen Bauwerkstem-
mäßige Setzungen im Baugrund aufge-
peratur
treten.
• Sichtbare Mängel am Lager
• Bei der Ermittlung der Bewegungen
• Sichtbare Mängel an den angrenzenden
wurde die Steifigkeit der Unterbauten
Bauteilen
nicht berücksichtigt.
• Korrosionsschutz
Während in den beiden ersten Fällen meist • Lagerbettung und -verankerung
eine Lagerinstandsetzung erforderlich • Zustand der Gleit- und Rollflächen
494 6 Lagerung

Bild 6.8-1 Pressenansatz auf Hilfsgerüst, Trag- Bild 6.8-2 Pressenansatz auf Pfeiler, Tragwerk
werk abgelassen ausgehoben

• Zustand und Funktionsfähigkeit der Der überwiegende Teil der genannten


Festhaltungen. ­Maßnahmen kann nur im entlasteten oder
ausgehobenen Zustand des Tragwerks aus-
Lagerartabhängige Aspekte geführt werden. Der Aushub kann zwar zu
• bei Gleitteilen mit PTFE Elementen die Verkehrseinschränkungen, jedoch sollte er
Messung der Spalthöhe zwischen der nicht zu Verkehrssperrungen führen. Das
Gleitplatte und der Trägerplatte Anheben des gelagerten Bauteils zum Aus-
• bei Elastomerlagern die visuelle Kon- wechseln von Lagern ist im Rahmen der
trolle der Gleichmäßigkeit der Verfor- Regelungen für die Einwirkungen auf
mungen und eventueller Risse ­Brücken [DIN-FB 101, 2009] als typische
• bei Topflagern die Messung der in Ver- Einwirkung definiert. Das Anhebemaß, die
drehrichtung gegenüberliegenden Ab- Bemessungssituation und die zu berück-
stände zwischen Topf und Deckel sichtigenden Verkehrslasten sind geregelt.
• bei Rollen und Kalottenlagern die Mes- Weitere mögliche Einwirkungen können
sung der Verdrehwinkel Bewegungen oder Horizontal­kräfte infolge
• bei Führungen die Messung des größten des aktuellen Verformungszustands des
Spiels der Gleitfuge Tragwerks sein. Dafür sind Hinweise in EN
1337, Teil 10 gegeben.
Sind bei der Prüfung der Lagerung und der Die Pressen zum Aushub sind in der
Lager Mängel aufgetreten, so müssen diese ­Regel auf den Pfeilern und Widerlagern
beseitigt werden. a­nzuordnen. Demzufolge ist dies bei der
Geometriewahl des Entwurfs zu berück-
Die Instandsetzung von Lagern kann bein- sichtigen. In exponierten Fällen kann der
halten: Pressenansatz auf den Pfeilerfundamenten
vorgesehen werden, was dann ein boden-
• Eine Lagekorrektur der Lager
ständiges Gerüst zum Aushub erforderlich
• Die Auswechslung des gesamten Lagers
macht.
oder einzelner Teile
Die Instandsetzung von Lagern bedarf
• Erneuerung oder Ergänzung des Korro-
in jedem Fall besonderer Fachkunde und ist
sionsschutzes
meist mit erheblichem manuellem Auf-
• Unterstopfarbeiten
wand verbunden. Langlebige, nutzungs-
• Risssanierung bei oberflächigen Elasto-
und verschleißarme Lagerkonstruktionen
merrissen
sind deshalb immer vorzuziehen.
7 Unterbauten
Ursula Freundt

7.1 Überblick Brücke und der Wahl des statischen Sys-


tems wird auch die konkrete konstruktive
Unterbauten von Brücken umfassen die Form der Unterbauten entschieden. Sie
Widerlager, Stützen und Pfeiler sowie deren sind wesentliche Elemente der Gestaltung.
Gründungen. Bei kleinen und mittleren Die Lagerungsebene ist in der Regel zwi-
Brücken beträgt der Aufwand für die Un- schen Über- und Unterbau angeordnet. Al-
terbauten bis zu 60% des Gesamtaufwands. lerdings kann diese, zum Beispiel bei Bo-
Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer gen- oder Rahmenbrücken, auch zwischen
gründlichen rechnerischen und konstruk- Unterbau und Gründung liegen.
tiven Durcharbeitung. Die wesentliche
Funktion der Unterbauten ist die Lagerung
des Überbaus und die Weiterleitung der 7.2 Widerlager
Kräfte an die Gründung. Die Lagerung um-
fasst die stützenden Elemente eines Bau- 7.2.1 Definition, Aufgaben
werks und die Art und Weise, wie diese und Konstruktionsprinzip
Elemente wirken. Je nach Lagerungsart
werden zwischen Überbau und Unterbau Der Fachterminus Widerlager geht auf die
Verschiebungen und Verdrehungen freige- Zeit der Wölbtragwerke zurück. „Zwischen
geben oder verhindert. Alle Einwirkungen feste Widerlager werden elastische, gegen
auf den Überbau, sowohl die vertikalen und unzulässige Verformungen widerstandsfä-
horizontalen Lasten als auch die Reakti- hige Gewölbe gespannt“ [Melan, 1948]. Die
onen der Verformun­gen, müssen in die Aufgabe der Widerlager war damit deutlich
Gründung abgeleitet werden. Dafür stehen beschrieben und sie hat auch heute für Bo-
viele Ausbildungsformen zur Verfügung. genbrücken Bestand. Die Widerlager von
Dies betrifft die feste Verbindung des Über- Bogenbrücken haben die Aufgabe, die Käm­p­
baus mit den Widerlagerwänden oder Stüt- ferkraft aufzunehmen und weiter­zuleiten.
zen und Pfeilern, die gelenkige Verbindung Sie sind somit die Fortsetzung des Bogens
oder der Einsatz von Bauteilen, den Lagern, und ihre Form wird vordergründig durch
die Verdrehungen zwischen zwei Bauteilen die Gründungsverhältnisse bestimmt.
ermöglichen, Lasten übertragen und Ver- Heute steht der Begriff Wider­lager für
schiebungen ermöglichen oder verhin- das Abschlussbauwerk an Brücken­enden,
dern. unabhängig von Tragwerksart und Gestal-
Zu den Unterbauten einer Brücke gehö- tung. Die Widerlager bilden die Endaufla-
ren demzufolge auch die Bogen, die den gerung von Brücken und den Beginn des
Überbau stützen. Darauf wird im Abschnitt weiterführenden Verkehrsdamms. Diese
5.4 Bogenbrücken eingegangen. Die Lager Doppelfunktion charakterisiert ihre Aufga-
als Bauteile werden im Kapitel 10, Abschnitt be, ihre Beanspruchung und ihre kons­
10.2 beschrieben. Mit dem Entwurf der truktive Ausbildung.
496 7 Unterbauten

Aufgabe die Übernahme des Erddrucks aus


dem Damm ist, eignen sich auch dafür
wandartige Elemente. Die Lastabtragung
der einzelnen Bauteile des Widerlagers
­erfolgt über die Gründung in den Bau-
grund. Die in der Gesamtheit entstehende
räumlich gegliederte Kons­truktion bildet
das Widerlager. Bild 7.2-1 veranschaulicht
das erläuterte Prinzip anhand eines kasten­
förmigen Widerlagers.
Am fertigen Bauwerk dominieren die
Bild 7.2-1   Kastenförmiges Widerlager – Prin- Böschungsgestaltung und die Gesamtan-
zipdarstellung sicht der Brücke. Die Bauteile des Wider­
lagers sind nur bedingt sichtbar. Bild 7.2-2
Als Endauflagerung der Brücken über- zeigt ein Widerlager im Endzustand mit
nimmt das Widerlager die vertikalen und entsprechender Ausstattung (Böschungs-
horizontalen Lasten aus dem Überbau. Da- treppe, Entwässerungsmulde)
für eignen sich wandartige Elemente, das Als Baustoff kommt praktisch nur noch
Bauteil wird deshalb auch Widerlagerwand Stahlbeton zur Anwendung. Zur Verbesse-
genannt. Die Widerlagerwand ist gleichzei- rung der optischen Wirkung im Rahmen
tig Stützbauwerk für den im Geländesprung der Bauwerksgestaltung werden häufig Ver-
beginnenden Verkehrsdamm und über- blendungen aus Natursteinen oder künst­
nimmt den Erddruck. lichen Steinen (Klinker) ausgeführt. Kons­
Im Böschungsbereich sind weitere Bau- truktionen aus unbewehrtem Beton, Natur-
teile erforderlich, die den zur Verkehrsfüh- stein oder Klinker werden nur noch selten
rung erforderlichen Erdkörper abschließen. und für kleinere Durchlassbauwerke ausge-
Sie werden Flügel genannt, und da ihre führt.

Bild 7.2-2   Widerlager einer Balkenbrücke im Endzustand


7.2 Widerlager 497

7.2.2 Anordnung von Widerlagerwand


und Flügeln – Widerlagerarten

Die Vielfalt der bestehenden konstruktiven


Formen der Widerlager hängt von der Tras-
senführung des Verkehrswegs (schiefe oder
gekrümmte Führung), der Art des unter-
führten Verkehrswegs bzw. des über­führten
Verkehrswegs (Schiene, Straße bzw. Ge­
wässer oder Tal), der Tragwerksart und­
der Bauhöhe der Brücke, der Höhe des
­Erddamms und der Tragfähigkeit des Bau- Bild 7.2-3   Flügelformen und Böschungsformen
grunds ab. Widerlager sind auch Gestal-
tungselemente der Brücke und somit Teil
ihrer Formensprache. ­ auwerk im teilweise eingeschütteten
B
Die Anordnung der Flügelwände be- ­Zustand.
stimmt die Grundform des Widerlagers. Im Für das Widerlager mit Parallelflügeln
Bild 7.2-3 sind die prinzipiellen Flügelstel- bestimmt die Länge der Flügelwand die Art
lungen im Bezug zur Brückenlängsachse des Widerlagers. Steht die Widerlagerwand
dargestellt. Danach unterscheidet man am Böschungsfuss, werden die Flügel meist
­Parallelflügel, Schrägflügel und Bösch­ so lang, dass sie eine Gründung benötigen
ungsflügel (senkrecht zur Längsachse). und es entsteht ein Kastenwider­lager nach
Es gibt natürlich die Möglichkeit, unter- Bild 7.2-2. Wird das Widerlager nahe der
schiedliche Flügelanordnungen zu kom­ Dammkrone angeordnet, sind die Flügel-
binieren. Im Bild 7.2-4 ist ein kleineres wände kurz und können als Krag­flügel an
Durchlassbauwerk mit Schrägflügeln dar- die Widerlagerwand angehängt werden. Die
gestellt. Für den Übergang zum Straßen- so entstehende Form wird einfaches Wider-
damm sind zusätzliche Parallelflügel er­ lager genannt. Bild 7.2-6 zeigt prinzipiell die
forderlich. Bild 7.2-5 zeigt das gleiche Möglichkeiten.

Bild 7.2-4   Durchlassbauwerk mit Schrägflügeln und Parallelflügeln für den Übergang zum Stra-
ßendamm
498 7 Unterbauten

Bild 7.2-5   Bauwerk hinterfüllt vor dem Einbau der Straßenbefestigung

Die Anordnung der Widerlager hat meist als eigenständige Bauteile ausgeführt
e­inen dominanten Einfluss auf die Ge­ und durch eine Raumfuge von der Wider-
staltung des Gesamttragwerks und die Ein- lagerwand getrennt.
gliederung in das Landschaftsbild. Große Die Querschnittsform und die Geome­
Flügelwände führen zu einer Torwirkung trie im Grundriss von Widerlagern sind von
der Brücke. Kleine Flügelwände fügen die den dargestellten funktionellen Parametern
Brücke in die Landschaft ein. Mit der abhängig. Die Breite des Wider­lagers wird
­größeren Stützweite sind jedoch auch durch die Konstruktion des Überbaus be-
­höhere Baukosten verknüpft. stimmt. Die Länge der Flügel ist von der
Schräg- oder Böschungsflügel bilden Böschungsneigung und der Anordnung
den Abschluss für die Böschung unmittel- der Widerlagerwand abhängig.
bar am Widerlager. Die Ausbildung eines Wirtschaftlichkeitsüberlegungen und
Böschungskegels wie bei Widerlagern mit die zunehmende Technisierung führen zu
Parallelflügeln entfällt. Sie kommen häufig Weiterentwicklung und Sonderformen
bei kleineren ­rahmenartigen Tragwerken auch im Bereich der Widerlager. Stellver-
zur Anwendung. Die Flügelwände werden tretend seien hier das Spundwandwider­
lager sowie die Bohrpfahlwand genannt. In
beiden Fällen wird das eigentliche Grün-
dungsbauteil so ausgebildet, das es die
Funktion der Dammsicherung und Lastab-

Bild 7.2-6   Anordnung von Widerlagern im Bild 7.2-7   Prinzip der Schneidenlagerung auf


Böschungsbereich Spundbohlen (HOESCH-Bauweise)
7.2 Widerlager 499

tragung aus dem Überbau übernimmt. Am


Kopf der Bohrpfahl- oder Spundwand wird
ein Betonbalken ausgeführt, der die Funk-
tion der Auflagerbank übernimmt. Bild
7.2-7 zeigt das Prinzip der so genannten
Schneidenlagerung auf Stahlspundbohlen.
Die Bohrpfahlwand kann als offene bzw.
geschlossenen Wand ausgebildet werden.
Im ersten Fall sind zusätzliche Wandele-
mente (Vorsatzschale o. ä.) erforderlich, um
das Erdreich der Hinterfüllung zu sichern,
Bild 7.2-8   Bohrpfahlwiderlager einer Rah-
(Bild 7.2-8). menbrücke mit Kolkschürze
Widerlager sind Gestaltungselemente der
Brücke und somit Teil ihrer Formenspra­che.
Zu diesem Zweck bieten auch Beton­ober­ Brücke, vielfach aber auch nach einem Ge-
flächen und Schalungsstruktur, sowie Ver- staltungskonzept für alle Brücken eines Tras­
blendungen mit künstlichen oder natür­ senabschnittes entschieden. Bild 7.2-9 zeigt
lichen Steinen umfangreiche Möglichkei­ten. aus [DEGES, 1996] beispielhaft eine Flügel-
Die Gestaltung wird mit dem Entwurf der verblendung mit Natursteinmauerwerk.

konische Schalung

vertikale Schalung

horizontale, gehobelte Brett- oder Betonplanschalung 1.00


1.00
Geländerendfeld

senkrechte,
sägerauhe Brettschalung
horizontale, sägerauhe Brettschalung
45º

sägerauhe Brettschalung regelmäßiges Schichtenmauerwerk


mit unregelmäßigen Schichtenhöhen
20–35 cm

Ansicht Flügelwand

Bild 7.2-9   Gestaltungskonzeption Widerlager für eine Balkenbrücke [DEGES, 1996]


500 7 Unterbauten

7.2.3 Konstruktion der Bauteile der Ausladung hinter der Auflagerlinie ist
die Ausbildung einer massiven Wandkon-
7.2.3.1 Widerlagerwand struktion unwirtschaftlich und sie wird
deshalb aufgelöst. Der so entstandene
Die Widerlagerwand besteht aus der aufge- Hohlraum bietet Platz für den Zugang zur
henden Wand und bei gelagerten Kon- Lagerebene.
struktionen einer Auflagerbank und einer Den oberen Teil der Widerlagerwand
erdseitigen hinter dem Überbauende ange- bildet die Auflagerbank, welche die Aufla-
ordneten Kammerwand (Bild 7.2-10). Die gerkräfte aus dem Überbau in die Wider­
Tiefe der Auflagerbank in der Lagerebene lagerwand einleitet. Die lokale Lastaufnah-
wird durch die Konstruktion des Überbaus me und Verteilung führt zu Beanspruchun-
und seinem notwendigen Bewegungsspiel- gen, für die sowohl die Betonqualität als
raum bestimmt. Die Querschnittsform auch die Bewehrungsanordnung ausgelegt
und Bauweise (Stahl, Spannbeton) des sein muss. Dies wird bei der Berechnung
Überbaus bestimmen die erforderliche der Unterbauten im Abschnitt 8.6. näher
Längenentwicklung über die Auflagerlinie erläutert. Konstruktiv sind die Anordnung
hinaus. Dabei entstehen Widerlagertiefen, und Geometrie der Lager sowie der erfor-
die als Wandquerschnitt für die Abtragung derlichen Pressenaufstandsflächen zum
der Lasten nicht erforderlich sind. Es er- späteren Auswechseln der Lager zu beach-
folgt eine rückseitige Verjüngung der ten. Der Platzbedarf ist vor allem bei schief-
Wand. Bei großen Talbrücken mit hohen winkligen Grundrissen nicht zu unter-
Überbauquerschnitten und entsprechen- schätzen (Bild 7.2-11).

Bild 7.2-10   Widerlagerwand
bei gelagerten Überbauten

Bild 7.2-11   Auflagerbank
mit Lagersockel und Pressenauf-
standsflächen
7.2 Widerlager 501

Bild 7.2-12   Kammerwand
und Überbauabschluss

Der Schutz des Überbaus vor der Hin­ lagerwand und Überbau, wie bei Rahmen-
terfüllung des Widerlagers erfolgt durch brücken, oder bei der Ausbildung eines
die Anordnung einer so genannten Kam- Betongelenks bei kleinen Stützweiten
merwand. Die Funktion und die konstruk- ­entfällt die Kons­truktion der Kammer-
tive Ausbildung der Kammerwand hängt wand, da die Schutzfunktion nicht er­
von den Verschiebungen und Verdre- forderlich ist.
hungen des Überbauendes ab. Bei kleinen Die aufgehende Widerlagerwand zeigt
Stützweiten bis etwa 15 m und der Anord- keine konstruktiven Besonderheiten. Die
nung eines längsfesten Lagers sind als Rela- Breite richtet sich nach dem Querschnitt
tivbewegungen zwischen Überbau und der Brücke. Bei großen Widerlagerbreiten
Unterbau nur die Verdrehungen des Über- ist die Ausbildung von Fugen erforderlich,
bauendes zu realisieren, z. B mit einer Fu- um Zwangsbeanspruchungen kontrolliert
genausbildung entsprechend Bild 7.2-12. abzubauen. Bei getrennten Überbauten er-
Bei größeren Stützweiten und damit folgt meist auch eine klare Trennung der
größeren Überbauhöhen und bei der An- Unterbauten durch eine Raumfuge. Die
ordnung eines längsbeweglichen Lagers Anordnung und konstruktive Ausbildung
werden die Bewegungen so groß, dass spe- der Fuge sollte mit großer Sorgfalt erfolgen,
zielle Fahrbahnübergangskonstruktionen da sie immer eine Schwachstelle in der
erforderlich werden, die in der Kammer- Konstruktion hinsichtlich Dauerhaftigkeit
wand verankert sind. Bei Übergangskon­ bildet. Obwohl die Widerlagerwand in ih-
struktionen mit Dehnlängen über 80 mm rer konstruktiven Ausbildung prinzipiell
ist eine Wartung dieser Bauteile aus der dargestellt werden kann, ist ein Widerlager
unteren Ebene sinnvoll. Die Kammerwand wie auch eine Brücke immer eine „Einzel-
wird in diesem Fall so angeordnet, dass ein anfertigung“. Ein Planer wird einige Details
begehbarer Wartungs- und Kontrollgang übernehmen können, das komplette Wi-
gebildet wird. Bei Überbaukonstruktionen derlager nie.
aus vorgespanntem Beton befinden sich an In gleicher Weise gibt es auch Sonderlö-
den Überbauenden die Verankerungen sungen, die wegen ihrer Vielfalt hier nicht
der Spannglieder. Das bedeutet, dass die dargestellt werden können. Unter 7.2.2
Kammerwand erst nach dem Aufbringen wurden stellvertretend das Spundwand­
der Vorspannung betoniert werden kann. widerlager und die Bohrpfahlwand er-
Dies birgt einige technologische und wähnt. Eine weitere Lösung der Herstellung
­bewehrungstechnische Probleme, die bei von Widerlagerwänden bietet die Bauweise
der Planung zu beachten sind. Bei einer aus bewehrter Erde. Dabei werden im
monolithischen Verbindung von Wider­ Dammbaumaterial zusätzliche stabilisie-
502 7 Unterbauten

rende Bauelemente, z. B. Geogitter, als Be- sollten dann von der Widerlagerwand
wehrung angeordnet. Über dieses Stütz- durch eine Raumfuge getrennt werden. Es
bauwerk können bei entsprechender Di- entstehen eigenständige Flügelbauwerke als
mensionierung die Lasten aus dem Über- Stützmauern. Durch Anordnung einer
bau abgetragen werden. In [bau-zeitung, Schubverbindung, wie Querkraftbolzen
1994] werden Widerlager aus bewehrter oder einer verzahnten Raumfuge, Bild
Erde als wirtschaftliche Konstruktion für 7.2-13, werden unterschiedliche Wandbe-
eine Eisenbahnbrücke beschrieben. Grund wegungen senkrecht zur Wandebene zwi-
der Anwendung war ein setzungsempfind- schen den einzelnen Bauteilen vermieden.
licher Baugrund. Gestaltungsfragen stehen Das bei Parallelflügeln in den Damm ge-
bei diesen Kons­truktionen den Tragsicher- führte Flügelende wird dem Böschungsver-
heitsfragen nach. lauf entsprechend schräg ausgeführt. Um
eine ordnungsgemäße Verdichtung der
später einzubauenden Hinterfüllung zu ge-
7.2.3.2 Flügel
währleisten, wird diese Schräge unter ei-
Aufgaben und Flügelformen wurden be- nem Winkel von ≥ 60° ausgebildet. Bei
reits beschrieben. Flügel werden in der Re- Winkeln < 60° entstehen unter dem Flügel­
gel in die Widerlagerwand eingespannt. ende Bereiche, die mit entsprechendem
Dadurch wird eine statisch günstige Bean- Verdichtungsgerät nicht mehr erreicht wer-
spruchung erreicht, die wirtschaftliche den können. In diesem Fall, der vor allem
Konstruktionen erlaubt. Bei großen Flügel- für Kragflügel angewendet wird, erhält die
längen und vor allem bei Anordnung von Stirn­fläche des Flügels eine so genannte
Schräg- oder Böschungsflügeln ist dies al- Unterschneidung, die aber schalungstech-
lerdings nicht mehr gegeben. Die Flügel nisch aufwendig ist (Bild 7.2-14).

Bild 7.2-13   Raumfugenausbildung
zwischen Widerlager- und Flügelwand
(verzahnte Raumfuge)

Bild 7.2-14   Flügelausbildung mit


Unterschneidung
7.2 Widerlager 503

Bild 7.2-15   Kragarm auf


Parallel­­­flügel im Übergangsbereich
zum Straßendamm

Im Übergang von der Brücke bis zur 1994] gegeben. Es sind Mindestanforde-
Krone des Verkehrsdamms sind für den rungen zur Ausführung von Hinterfüllun-
Verkehrsteilnehmer Sicherungsmaßnah- gen zum Anlegen von Verkehrsflächen de-
men erforderlich. Deshalb werden die seit- finiert, der Hinterfüllungsbereich zum
lichen Kappen des Überbaus im Bereich Damm hin wird abgegrenzt, die Auswahl,
des Widerlagers auf den Parallelflügeln der Zeitpunkt des Einbaus und der Einbau
­weitergeführt. Den oberen Flügelabschluss des Hinterfüllungsmaterials mit der not-
bildet eine Randkappe, und sie erhält die wendigen Verdichtung wird empfohlen. Es
gleichen Ausstattungsmerkmale (Geländer, werden Aussagen für die sinnvolle Anord-
Leitplanke) wie die Überbaukappe. nung der rückwärtigen Entwässerung und
der zugehörigen Filterschichten getroffen.
Zusätzlich werden Vorschläge zu konstruk-
7.2.3.3 Entwässerung und Hinterfüllung tiven Details für Widerlagerbauwerke ge­
geben.
Obwohl die Hinterfüllung des Widerlagers Auf einige konstruktive Kriterien wurde
kein Bauteil im eigentlichen Sinne ist, be- im vorangegangenen Abschnitt zu den Flü-
darf sie wegen ihres Einflusses auf das Wi- geln bereits eingegangen. Die Zugänglich-
derlager und die Qualität des Verkehrswegs keit des Hinterfüllbereichs für entsprechen-
einer besonderen Darstellung. de Verdichtungstechnik ist auch für die
Während die Brücke einschließlich ihrer Widerlagerwand vor allem bei entspre-
Widerlager und Gründung, abgesehen von chender erdseitiger Ausladung der Aufla-
den Setzungen, vordergründig linear elasti- gerbank zu gewährleisten (60°). Bei schie-
sche Verformungen erfährt, sind im fen Brücken entstehen in den spitzen Ecken
Dammbereich im Hinterfüllmaterial pla- Bereiche die nicht ordnungsgemäß ver-
stische Verformungen zu erwarten, was zu dichtet werden können. Solche Nischen
Setzungsunterschieden zwischen Brücke oder Zwickel sind bei der geometrischen
und Damm führen kann. Um dies weitge- Durchbildung der Bauteile zu vermeiden
hend zu vermeiden, sind einerseits die Aus- oder durch den Einbau einer so genannten
bildung der zu hinterfüllenden Bauteile zu Verdämmung aus Magerbeton beim Hin­
beachten und andererseits das Hinterfüll- terfüllen zu befestigen.
material und seine Verdichtung gezielt aus- Das Hinterfüllmaterial sollte sich auf
zuwählen. Empfehlungen und Anforde- 100% der einfachen Proctordichte verdich-
rungen für die geeignete Wahl des Hinter- ten lassen. Besondere Probleme entstehen
füllmaterials sind in [Arbeitsausschuss: bei Eisenbahnbrücken für den Hochge-
Einfluss der Hinterfüllung auf Bauwerke, schwindigkeitsverkehr und Ausbildung ei-
504 7 Unterbauten

Bild 7.2-16   Entwässerung Widerlagerhinterfüllung

ner festen Fahrbahn. Die dabei durch Set- 7.2.4 Entwurf von Widerlagern
zungsunterschiede auftretenden Krüm-
mungsradien im Übergangsbereich können 7.2.4.1 Widerlager für gelagerte Überbauten
Fahrkomfort und Fahrsicherheit beein-
trächtigen. In [Jaup/Kempfert, 2001] werden Unter gelagerten Überbauten werden hier
anhand von Modellversuchen mit und ohne Brücken verstanden, die zwischen Überbau
Übergangskonstruktionen die konstruk­ und Unterbau mit Lagern ausgestattet sind.
tiven Ausbildungen dieses Bereichs opti- Die Lager werden auf einem Lagersockel auf
miert. Eine empirische Formel soll die prak- der Auflagerbank angeordnet. Da nach ge-
tische Anwendung erleichtern. genwärtigem Erfahrungsstand die Lebens-
Bedingt durch die Ausbildung des Wi- dauer der Brücke höher als die der Lager ­ist,
derlagers aus Beton besteht erdseitig die sind auf der Auflagerbank Aufstellflächen
Gefahr des Aufstauens von Wasser, das für Pressen vorzusehen, die beim Auswech-
über den Damm in die Hinterfüllung ge- seln der Lager zum Anheben der Überbau-
langt. Diesem entgegenzuwirken, werden konstruktion dienen. Wie bereits beschrie-
erdseitig entsprechende Vorkehrungen ge- ben, bestimmen diese konstruktiven Be­
troffen. Hierzu gehört die Anordnung einer dingungen die Abmessungen der Auflager-
entsprechenden Drain- und Sickerschicht bank. Der Entwurf von Widerlagern gela-
aus einer geotextilen Drainmatte in Verbin- gerter Brücken erfolgt unter Beachtung der
dung mit der Ausbildung einer Sicker- aufgeführten Belange nach ausgewogener
schicht aus grobkörnigem wasserdurchläs- Variantenanalyse entsprechend der im Bild
sigem Hinterfüllmaterial. Am Fuß der 7.2-17 dargestellten Übersicht. Erst dann
Wand bzw. auf Höhe des Grundwasserspie- folgt die Geometrieausgestaltung nach sta-
gels wird eine Sicker- oder Drainleitung tischen und herstellungsgerech­ten Erfor-
ausgebildet, über die anfallendes Wasser dernissen. Die Anordnung und Wahl von
der Vorflut zugeführt wird, Bild 7.2-16. Arbeits- sowie konstruktiv erforderlichen
Alle beschriebenen Maßnahmen dienen Fugen ist unter Berücksichtigung der Her-
der Dauerhaftigkeit der Widerlagerkon­ stellungstechnologie und der geometrischen
struk­tion und eines quasi setzungsfreien Abmessungen der einzelnen Bauteile zu
Übergangs von der Brücke zu dem an- wählen. Arbeitsfugen sollten so gewählt
schließenden Verkehrsweg. werden, dass sie möglichst nicht im Bereich
7.2 Widerlager 505

1:n
Verkehrsraum

Straßenachse

Überbaubewegungen

min a = 30 cm
Arbeitsfugen
Zugänglichkeit
der Lager /
Lagerwechsel

Sickerschicht

Dränrohr

verdichtungsfähiges,
Bild 7.2-17   Prinzipielle Entwurfsschritte für ein Widerlager schwerdurchlässiges
Material
506 7 Unterbauten

Bild 7.2-18   Betongelenk

von Sichtflächen liegen. Für Schein- und Hinterfüllung ausgeglichen. Übergangs-


Raumfugen sollte die Anordnung so erfol- konstruktionen können entfallen und
gen, dass eine möglichst einfache Ausbil- durch eine dauerelastische Fuge im Brü-
dung gegeben ist. ckenbelag ersetzt werden. Für die Ausbil-
Die Wahl der Baustoffe ist abhängig von dung der Betongelenke gibt es verschiedene
den Umwelteinflüssen. Bei unterführten Möglichkeiten. Eine dauerhafte Ausbildung
Straßen liegen die Widerlager oft im Sprüh- ist konstruktiv und herstellungstechnisch
nebelbereich. Grund- und Schichtenwasser nicht zu unterschätzen. Bild 7.2-18 stellt
verhalten sich häufig aggressiv gegenüber eine mögliche Ausbildung dar.
Beton. Allerdings erfordern diese Faktoren Die gezielte Interaktion zwischen Hin­
keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen und terfüllung und Widerlagerwand und die
sind durch geeigneten Beton beherrschbar. Ausnutzung der damit verbundenen Ver-
Die Darstellung widerspiegelt den Vor- formungsreaktionen werden in [England
gang bei mittleren und großen Brücken. Sie et al., 2000] unter dem Begriff integrale
verdeutlicht gleichermaßen den baulichen Brücken auch für Stützweiten bis 85 m be-
Aufwand, der für Widerlager erforderlich schrieben.
ist. Die prinzipielle Entwicklung beinhaltet
keine Hinweise auf Gestaltungsfragen. Hier
sind bei Beachtung der konstruktiven 7.2.4.2 Widerlager bei rahmenartigen Brücken
Grundforderungen viele Formen möglich.
Auch kleine gelagerte Brücken benöti- Bei Rahmenbrücken kann eine Ausbildung
gen Widerlager. Die kleinere Stützweite des Widerlagers durch wandartige End­
verändert nicht die funktionellen Anforde- stiele erfolgen. Durch die biegesteife Ver-
rungen. Die reduzierten Bewegungsgrößen bindung zwischen Überbau und Wider­lager
gestatten jedoch andere Ausbildungen. entfallen die konstruktiven Probleme des
Zum Beispiel können bis Spannweiten ­von Endauflagers. Die Flügelausbildung ent-
etwa 15 m einfache Betongelenke auf bei- spricht dem bisher Dargestellten. Liegt die
den Widerlagerwänden angeordnet wer- Rahmenecke bereits in der Dammkrone, so
den. Längen­änderungen des Überbaus können aufgelöste Endstiele angeordnet
werden in diesen Fällen durch Verdrehung werden. Die Möglichkeiten beim Entwurf
der Widerlagerwände und Verformung der von Rahmenbrücken sind im Abschnitt 5.3
7.3 Stützen und Pfeiler 507

dargestellt. Eine Trennung von Überbau auch über konkrete Abmessungen geführt
und Unterbau zumindest bei einfeldrigen [Holst, 1990-1], [Leonhardt, 1979]. In allen
Rahmenbrücken ist nicht sinnvoll. Fällen sind Pfeiler die kompakteren Kon-
struktionen. Sie erwecken den Eindruck
großer Standhaftigkeit, die sie auch haben
7.2.4.3 Widerlager für Bogenbrücken und sie werden deshalb vorwiegend im
Wasser bei Seen oder Flüssen oder bei ho-
Die Widerlager bilden hier die Fortsetzung hen Talbrücken verwendet. Der Vorteil der
des Bogens. Die Bogendrucklinie muss im Sichtfreiheit unter der Brücke und der
Widerlager eine solche Lastausbreitung er- Durchstrahlung des gesamten Bauwerks
fahren, dass die Beanspruchung des Bau- wird durch die Ausbildung von Stützen er-
grunds nicht überschritten wird. Bogenwi- reichbar.
derlager sind somit die Gründung des Bo- Da ihre wesentliche Funktion in der Ab-
gens und werden deshalb unter 5.4 darge- tragung der Lasten und Aufnahme der Ver-
stellt. Es ist besonders auf eine geringe formungen des Überbaus besteht, ist die
Verformung zu achten. Die Wahl von Bo- Anordnung und Ausbildung der Stützen
genbrücken setzt deshalb guten Baugrund, und Pfeiler nicht vom Gesamtsystem der
am besten gewachsenen Fels, voraus. An- Brücke und der detaillierten Überbauquer-
dernfalls sind hohe Aufwendungen für die schnittsgestaltung zu trennen. Das Trag-
Widerlager zu erwarten. Es sei aber hier werk stellt sich sowohl dem Betrachter als
darauf hingewiesen, dass bei einem ent- auch dem Entwerfenden als Einheit.
sprechenden Verlauf der Kluftlinien des Pfeiler und Stützen bestehen aus dem
Felses der Hang durch die Richtung der aus Kopf, der die Auflagerbank darstellt, dem
dem Bogen resultierenden Auflagerkraft Schaft und der Gründung. Die Verbindung
stabilisiert werden kann. mit dem Überbau und dem Fundament
kann abhängig vom Entwurf unterschied-
lich ausgeführt werden. Die prinzipiellen
7.3 Stützen und Pfeiler Möglichkeiten in Brückenlängsrichtung
sind in Tabelle 7.3-1 schematisch darge-
7.3.1 Definition, Aufgaben stellt. In Querrichtung reichen die Systeme
und Konstruktionsprinzip von der Pendelstütze bis hin zur so genann-
ten Pfeilerscheibe, in Abhängigkeit von der
Stützen und Pfeiler sind Unterstützungen erforderlichen Steifigkeit.
mehrfeldriger Brückenüberbauten zwischen Die Ausbildung der Verbindung beein-
den Widerlagern. Sie entstehen bei Durch- flusst die Wirkungen im Gesamtsystem und
laufkonstruktionen oder aneinander gereih­ die Beanspruchung der Stützen und Pfeiler.
ten Balken, Rahmen oder Bogen. Die Defini­ Sie haben die Auflagerreaktionen der Über-
tionen für Stützen und Pfeiler werden von bauten aufzunehmen und über die Grün-
verschiedenen Autoren unterschiedlich dung in den Baugrund abzuleiten, wobei sie
verwendet. Unter Pfeilern werden wandar- auch eine aussteifende Funktion in Längs-
tige Bauteile, die über die Breite der Haupt- und Querrichtung der Brücke übernehmen.
träger des Überbaus reichen, verstanden, Pfeiler werden heute in Stahlbeton aus-
wohingegen die Abmessungen in Richtung geführt. Die Anwendung von Naturstein-
der Auflagerlinie von Stützen wesentlich oder Klinkermauerwerk erfolgt heute nur
unter der Überbaubreite liegen oder aus noch im Rahmen der Sanierung bei denk-
mehreren Elementen bestehen. Damit sind malgeschützten Bauwerken. Für die Gestal-
die Grenzen fließend, teilweise werden sie tung an neuen Brückenbauwerken kommt
508 7 Unterbauten

Tabelle 7.3-1  Verbindungsarten zwischen Stützen und Überbau bzw. Fundament

praktisch nur noch Verblendmauerwerk 7.3.2 Anordnung und Querschnitts­


zur Anwendung. Bei Stützen kann Stahlbe- gestaltung von Pfeilern
ton auch als Hauptbaustoff genannt wer-
den, wobei Stahlstützen gelegentlich sinn- Es wurde bereits dargestellt, dass Pfeiler
voll und attraktiv sind. In Einzelfällen kom- vielfach in Flüssen zur Anwendung kom-
men auch Stahlverbundstützen zur Anwen- men. Ihre Anordnung wird dann von der
dung. Wird keine Einspannung mit dem Nutzung durch die Schifffahrt oder/und
Überbau vorgesehen, so erfolgt die Lastab- durch die hydraulischen Verhältnisse be-
tragung über Lager. Diese werden so auf stimmt. Dies ist auch in den Vorlandberei-
dem Stützenkopf angeordnet, dass sie zu- chen gegeben. Die Querschnittsformen
gänglich sind. Es sollten ebenfalls Pressen- sind generell aus dem Rechteck ableitbar.
plätze zum Lagerwechsel angeordnet wer- Dabei werden entsprechend den hydrauli-
den. Für Stützen und Pfeiler gibt es vielfäl- schen Anforderungen die Kanten gerun-
tige Formen. Auf die gestalterische Bedeu- det oder gebrochen. Es kommen sowohl
tung wurde bereits verwiesen. Die Doku- Voll- als auch Hohlquerschnitte zur Aus-
mentation 2000 [BMVBW, Abt. Straßenbau, führung. Da Strompfeiler in der Regel eine
Straßenverkehr, 2000] definiert Gestal- geringe Höhe haben, unterliegen die Voll-
tungsgrundsätze und zeigt 30 Beispiele. querschnitte nur einer geringen Beanspru-
Stützen und Pfeiler sind Unterstützun- chung infolge der Lastabtragung des Über-
gen des Überbaus zwischen den Widerla- baus in Längs- und Querrichtung, aber
gern. Sie begrenzen damit häufig unter­ die Herstellung massiger Betonbauteile
führte Verkehrswege und für die Unfall­ führt zu ungünstigen Beanspruchungen
situationen auf diesen, wie Schiffsanprall aus abfließender Hydratationswärme und
oder Anprall von Fahrzeugen, sind beson- Schwinddifferenzen. Bei der Ausführung
dere Vorkehrungen zu treffen. Einwirkun­ als Hohlquerschnitt ist der Innenraum
gen, die aus solchen Unfallsituationen re- begehbar und kann für Einrichtungen
sultieren und bei der Tragwerksberechnung der Brückenunterhaltung genutzt wer­
zu berücksichtigen sind sowie konstruktive den. Der Materialeinsatz ist geringer, dafür
Schutzmaßnahmen, werden im Abschnitt sind die Wände höher beansprucht. Bei
8.6 behandelt. Passive Schutzeinrichtungen Anwendungen im Fluss dominieren die
wie Schutzdalben, Gleitwände, Leitplanken Vollquerschnitte. Die Lagerung der Über-
etc. sind eigenständige Bauwerke und Bau- bauten wird vorrangig über Lager reali-
teile, die einen direkten Anprall auf die tra- siert. Zur Berücksichtigung des Schiffs­
gende Konstruktion verhindern. Hierauf anpralls sind besondere Vorkehrungen zu
wird im Kapitel 10 näher eingegangen. treffen.
7.3 Stützen und Pfeiler 509

Bild 7.3-1   Typische Pfeiler-


querschnitte und Pfeilerkopf­
ausbildung

Die Anordnung von Pfeilern hoher Tal- zeigt stellvertretend drei prinzipielle Quer-
brücken ist eine Frage des Gesamtkonzepts schnittsformen von Pfeilern mit ihrer
der Brücke. Die Anordnung der Pfeiler im Kopfausbildung. Während beim Hohl­
System bestimmt den Gesamteindruck der pfeiler der Zugang zur Lagerebene über
Brücke. Regelmäßigkeit und Symmetrie er- den Schaft erfolgen kann, ist bei den ande-
zeugen einen harmonischen Gesamtein- ren Varianten nur ein Zugang vom Über-
druck. Gleiches gilt auch für das Verhältnis bau oder durch Einsatz spezieller Geräte-
Überbauhöhe zu Pfeilerdicke. Ausgewoge- technik (Hub­bühne, Brückenuntersicht­
ne Proportionen vermitteln Sicherheit und gerät) möglich.
Vertrauen der Brückenkonstruktion. Zu- Bei langen Talbrücken wechseln ent-
nehmend führen die Berücksichtigung von sprechend der Talform die Stützhöhen. Bei
Natur und Umweltfragen zu Brückenent- der Entwurfsentscheidung ist dann beson-
würfen und zu Festlegungen von Pfeiler- ders auf die Wirkung der unterschiedlich
stellungen. hohen aber möglichst gleich ausgebildeten
Pfeiler hoher Talbrücken stellen andere Pfeiler im Zusammenhang mit dem Über-
Anforderungen an die Konstruktion als bau zu achten, wie das im Bild 7.3-2 [Peter/
Strompfeiler. Die Querschnitte sind eben- Wetzel, 2002] dargestellt ist. Für die unter-
falls aus dem Rechteck abgeleitet und kön- schiedlichen Überbauhöhen wurde der
nen hier bis zum Quadrat geführt werden. Pfeilerkopf entsprechend angepasst.
Die Kanten werden aus gestalterischen Die Lagerung der Überbauten erfolgt in
Gründen gerundet oder gebrochen. Die der Regel über Lager. Die Beanspruchung
Pfeiler haben meist nach oben hin einen von Pfeilern hoher Talbrücken wird durch
leichten Anzug. Sie werden oft als Hohl- die vertikalen Lasten des Überbaus, Wind
querschnitt ausgebildet und nehmen Ein- in Querrichtung und Lagerwiderstände in
richtungen zum Begehen und für die Ent- beiden Richtungen hervorgerufen. Bei
wässerung des Überbaus auf. Bild 7.3-1 ­hohen Pfeilern kommen Stabilitätsbetrach-
510 7 Unterbauten

Überbauhöhe 3,70 m Überbauhöhe 3,70 m Überbauhöhe 6,50 m

+474.30

+455.30

Bild 7.3-2   Pfeiler unterschiedlicher Höhen


[Peter/Wetzel, 2002] +422.00

tungen dazu. Sind mehrere Pfeiler unter- keit für die Aufnahme von Längskräften zu
schiedlicher Höhe und mit unterschiedli- gewährleisten. Aus dieser Situation heraus
chen Lagern vorhanden, dann ist eine Be- wurde das System A-Bock entwickelt, bei
trachtung des Gesamtsystems unerlässlich. dem die großen Längskräfte über schräg
Eine gut überlegte Berechnung und Kon- angeordnete Stützen abgetragen werden.
struktion ist erforderlich. Der Überbau als zweiteiliger Durchlauf­
Die spezifischen Probleme bei Eisen- träger ist über eine Längskraftkopplung
bahnbrücken, vor allem im Bereich des verbunden.
Hochgeschwindigkeitsnetzes, haben im
Brückenbau zur Entwicklung verschiedener
Tragsysteme zur Ableitung der Horizontal- 7.3.3 Anordnung und Querschnitts­
kräfte in Brückenlängsrichtung geführt. Die gestaltung von Stützen
hohen Brems- und Anfahrlasten sowie die
Wechselwirkungen zwischen Gleis und Die Wahl der Stützenstellung ergibt sich
Überbau und den daraus resultierenden wie bei den Pfeilern aus dem System und
Zwängungen erfordern in Abhängigkeit­ der Gesamtsituation der Brücke. Der vor-
von der Bauwerkslänge und den Steifig- handene Baugrund, vorhandene Verkehrs-
keitsverhältnissen im Tragwerk Sonderkon- wege oder topographische Besonderheiten
struktionen für den Überbau, sowie auch können allerdings Zwangspunkte sein. In
spezielle Lösungen für die Unterbauten. Querrichtung und in der Grundrissgeome-
Bei großen Brückenlängen reichen die trie ergeben sich abhängig vom Überbau-
Widerlager allein nicht mehr zur Abtra- querschnitt mehrere Lösungsmöglichkei-
gung der Längskräfte aus. Tiefe Täler füh- ten. Der bisher beschriebene Pfeiler, der die
ren bei Talbrücken zu unwirtschaftlichen Breite des Haupttragwerks in Anspruch
Pfeilerabmessungen und aufwendigen nimmt, wird hier in Einzelstützen oder
Gründungen, um die erforderliche Steifig- Wandstreifen aufgelöst. Werden die Einzel-
7.3 Stützen und Pfeiler 511

Bild 7.3-3   Möglichkeiten aufgelöster Stützen

stützen bei aufgelösten Überbauquerschnit- Im Aufriss sind gerade, V-förmige oder Y-


ten nicht direkt unter den Hauptträgern Gestaltungen möglich. Die Wahl der For-
angeordnet oder reicht die Quersteifigkeit men ist nur in der Einheit des Gesamtent-
nicht aus, dann sind Querriegel oder Aufla- wurfs möglich. Dennoch können gewisse
gerbalken erforderlich. So können rahmen- Regeln abgeleitet werden. Zum Beispiel
artige Stützen erzeugt werden, die durch sind runde Stützen, da diese richtungsneu-
Neigungen der Stützen auch eine gute Ge- tral sind, bei schiefwinkligen und/oder ge-
staltung erlauben. Bild 7.3-3 stellt prinzi­ krümmten Brücken ratsam.
pielle Möglichkeiten dar.
Die Geometrie der Stützen wird neben
der Bemessung und den Gestaltungsabsich­ 7.3.4 Pfeiler- oder Stützenkopf
ten auch von der Anordnung der Lager be-
einflusst. Die Querschnittsform kann rund, Die Form des Stützenkopfs ist von der Art
quadratisch, rechteckig und alle diese For- der Verbindung mit dem Überbau geprägt.
men umschreibenden Geometrien haben. Werden Lager angeordnet dann reicht bei
512 7 Unterbauten

Bild 7.3-4   Ausbildung von Stützenköpfen

mäßig hohen Stützen der Bemessungsquer- des Stützenkopfs ist nur noch durch eine
schnitt oft nicht zur Aufnahme von Lager gezielte Ausladung zu erreichen. Ein Bei-
und Pressenansatzpunkt aus. Dann kann es spiel (Bild 7.3-5) verdeutlicht das Prinzip.
sinnvoll sein, den Stützenkopf anzuziehen, Der Stützenkopf bildet die Auflagerbank
wie das zum Beispiel im Bild 7.3-4 darge- und die Lagersockel sind darauf angeord-
stellt ist. Allerdings setzt dies bei geglieder- net. Es ist deshalb eine gute Zugänglichkeit
ten Tragwerken breite Hauptträger voraus, erforderlich. Dies wird entweder durch den
da Überstände des Stützenkopfs den Ge- Überbau mit entsprechenden Austrittsöff-
samteindruck negativ beeinflussen. nungen oder durch Brückenbesichtigungs-
Bei Brücken, die in Längsrichtung aus geräte realisiert (Bild 7.3-6). Bei Hohlpfei-
mehreren Einfeldträgern bestehen oder bei lern kann der Zugang über den Pfeilerschaft
denen in Querrichtung stark gegliederte führen.
Überbauquerschnitte vorhanden sind, muss
der Stützenkopf mehrere Lager aufnehmen.
Die entsprechende Ausbildung wird Ham-
merkopf genannt. Die erforderliche Breite

Bild 7.3-6   Zugang zum Stützenkopf über den


Bild 7.3-5   Hammerkopfausbildung Kastenträger des Überbaus
7.3 Stützen und Pfeiler 513

Wird der Überbau mit den Stützen ver- auf dem Prinzip des Parallelogramms auf,
bunden, entstehen rahmenartige Tragwerke. in dessen Diagonale Hydraulikzylinder für
Diese Tragwerke sind im Abschnitt 5.3 be- die Schreitbewegungen, also fürs Vorwärts-
schrieben. kommen sorgen. Ausgehend von der
Bei Mehrfeldbrücken werden auch Grundstellung, in der beide Bühnen auf ei-
Mischlagerungen sinnvoll. Die Auswahl ner Ebene am Bauwerk verankert sind, wird
wird auch durch das Herstellungsverfahren nach dem Lösen der Verankerungen durch
des Überbaus beeinflusst. So können bei das Ausfahren der Hydraulikzylinder eine
Einsatz des Freivorbaus Anforderungen des Bühne nach oben gedrückt und in der
Bauzustands und des Endzustands opti- neuen Lage wieder am Bauwerk verankert.
miert werden. Die Einspannung von Stütze Mit dem Einfahren der Hydraulikzylinder
und Überbau erfolgt monolithisch, wobei zieht sich die zweite Bühne nach oben, um
statische und gestalterische Gründe zu un- ebenfalls am Bauwerk verankert zu wer­
terschiedlichen Formen führen. den. Es ist also immer eine Seite des Klet­
ter- bzw. Schreitgerüstes fest mit dem Bau-
werk verbunden. Diese Schalung wurde
7.3.5 Herstellung speziell für den Bau der unter einem Win-
kel von 60° auf­gehenden Äste des Y-Pfeilers
Wie vorher erläutert, bildet der Stahlbeton der Talbrücke „Zahme Gera“ entwickelt
den Hauptbaustoff für Stützen und Pfeiler. (Bild 7.3-7).
Vorzugsweise erfolgt die Fertigung vor Ort.
Der Einsatz von Stahlbetonfertigteilen oder
Stahlstützen bleibt auf kleinere Bauwerke 7.3.6 Pylone
oder Fußgängerbrücken beschränkt. Bei-
spielhaft für die Fertigung hoher Pfeiler von Als Bestandteil des Haupttragsystems einer
Talbrücken wird hier das Prinzip der Schrägkabel- oder Hängebrücke sind Pylo-
„Schreitschalung“ [NOE, 2000] vorgestellt. ne keine Unterbauten im herkömmlichen
Das Konzept dieser Schreitschalung baut Sinn. Hinsichtlich ihrer Tragwirkung als

Bild 7.3-7   Einsatz der Schreitschalung am Y-Pfeiler der Talbrücke Zahme Gera (Werksfoto Adam
Hörnig-AG, NL Weimar)
514 7 Unterbauten

vorrangig auf Längskraft beanspruchtes tung nicht möglich ist. Zu den Tiefgrün-
Bauteil ist die Funktion aber prinzipiell die dungen zählen zum Beispiel Pfahlgrün-
Gleiche. dungen, Druckluftgründungen oder Brun-
nengründungen. Die erforderlichen Bau-
gruben und deren Sicherung, vor allem in
7.4 Gründungen bebauten Gebieten, können auch zur Wahl
von Tiefgründungen führen. Einen Über-
7.4.1 Aufgaben und Überblick blick über übliche Gründungsarten in Ab-
hängigkeit von geologischen und hydrologi-
Die Auswahl der Gründungskonstruktion schen Verhältnissen gibt die Tabelle 7.4-1.
und die Berücksichtigung der Interaktion
Bauwerk – Baugrund sind sowohl in stati-
scher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht 7.4.2 Flachgründungen
grundlegende Entscheidungen für den Ent-
wurf der Brücke. Gründungskosten können 7.4.2.1 Allgemeine Grundsätze –
je nach Baugrund und hydrologischen Ver- Konstruktionsprinzipien
hältnissen bei kleinen Tragwerken bis zu
80% des Überbaus betragen. Baugrundbe- Eine Flachgründung wird in der Regel dort
urteilung, Gründungsgutachten und die ausgeführt, wo der anstehende Baugrund
Zusammenarbeit von Baugrundgutachter schon in geringer Tiefe so beschaffen ist,
und Tragwerksplaner sind wesentliche Ga- dass das Bauwerk ausreichend standsicher
ranten für ein standsicheres Tragwerk. Die gegründet werden kann. Das für die Last­
Gründung hat die Aufgabe, alle Lasten der einleitung in den Baugrund angeordnete
Brücke und in der Regel des beginnenden Fundament leitet die Kräfte flächenhaft in
Erddamms dauerhaft, sicher und ohne den Baugrund ein. Die Fundamentfläche
schädliche Setzungen in den tragfähigen muss so groß sein, dass die zulässige Belas-
Baugrund zu übertragen. Geometrie und tung des Baugrunds nicht überschritten
Abmessungen sind sowohl von den Eigen- wird. Als Baustoff kommt aus heutiger Sicht
schaften des Baugrunds und den hydrologi- für Brückenbauwerke praktisch nur noch
schen Verhältnissen als auch vom System Stahlbeton zur Anwendung. Unbewehrte
und der Größe der Brücke abhängig. Gene- Block- oder Streifenfundamente führen
rell kann zwischen Flach- und Tiefgrün- wegen der abzuleitenden Kräfte zu unwirt-
dungen unterschieden werden. schaftlichen Abmessungen. Die aufnehm-
Steht unter den Widerlagern und Stüt- baren inneren Beanspruchungen sind von
zungen tragfähiger Baugrund in ausrei- den verwendeten Materialien und den me-
chender Mächtigkeit an, dann können chanischen Eigenschaften des Baugrunds
Flachgründungen ausgeführt werden. Im abhängig. Hieraus resultieren Mindestan-
Brückenbau sind dies Einzelfundamente forderungen für die Dicke der Fundamente
mit rechteckigem oder quadratischem und ihre konstruktive Ausbildung.
Grundriss oder Fundamentplatten. Liegt Maßgebende Kriterien für das Versagen
der tragfähige Baugrund so tief, dass auch einer Flachgründung sind die Grund­
durch besondere Zusatzmaßnahmen, wie bruch-, Kipp-, und Gleitsicherheit sowie
z. B. Baugrundaustausch, keine mit vertret- die Auftriebssicherheit. Die prinzipielle
barem Aufwand auszuführende Flachgrün- Nachweisführung zur Standsicherheit wird
dung möglich ist, wird eine Tiefgründung im Abschnitt 8.6.4 näher erläutert. Einen
gewählt. Dies trifft auch bei Gründungen weiteren Grenzzustand der Tragfähigkeit
im Wasser zu, bei denen eine Wasserhal- bilden die außergewöhnlichen Verformun-
7.4 Gründungen 515

Tabelle 7.4-1 Übliche Gründungen in Anlehnung an [Weidemann, 1982]


Gründungsart Bodenverhältnisse Wasserverhältnisse Baugrube
Flachgründung tragfähiger Baugrund in kein Wasser offene Baugrube mit
geringer Tiefe ­Böschungen bzw.
­Baugrubenverbau
mäßiger offene Baugrube,
Wasserandrang ­Pumpensumpf
starker umspundete Baugrube
Wasserandrang Pumpensumpf
Brunnen- tragfähiger Baugrund in kein Wasser
gründung mäßiger Tiefe
Mäßiger Offene Wasserhaltung
Wasserandrang
Senkkasten tragfähiger Baugrund in starker Gründungen im
(Druckluftgründung) großer Tiefe Wasserandrang ­offenen Wasser oder
unter Wasser
Rammpfähle tragfähiger Baugrund in beliebig
mäßiger bis großer Tiefe
Bohrpfähle tragfähiger Baugrund in beliebig Bohrloch verrohren,
mäßiger bis großer Tiefe Stützflüssigkeit

gen, die zu einem Versagen des Tragwerks 7.4-1 zeigt die prinzipiellen Verfahren der
führen. Für einfache Fälle unter Berück- Baugrundverbesse­rung. Sie gibt einen Ge-
sichtigung vorgegebener Randbedingun- samtüberblick.
gen wie Bodenart, Geometrie, Einbindetie- Für die Gründung von Brücken kom-
fe, Wasserverhältnisse darf anstatt des men wegen der lokalen Ausdehnung der
Grundbruch- und Setzungsnachweises er- Fundamente und der meist hohen Lasten
satzweise der Sohldrucknachweis geführt aus der Tragkonstruktion folgende Verfah-
werden [DIN 1054]. ren zur Anwendung.
• Verdichtung des Bodens
7.4.2.2 Baugrundverbesserung Übliche Verfahren zur Verdichtung sind
die Tiefenrüttlungen (Rütteldruckver-
Wie in Tabelle 7.4-1 dargestellt setzt eine dichtung).
Flachgründung tragfähigen Baugrund vor- Durch die Verdichtung wird die Lage-
aus. Ist die Beschaffenheit des anstehenden rungsdichte des anstehenden Bodens
Bodenmaterials nicht ausreichend, um die verbessert. Die Erhöhung der Lage-
Fundamentlasten aufzunehmen, besteht rungsdichte von locker gelagerten Bo-
die Möglichkeit der Baugrundverbes­serung. denschichten verbessert wesentlich sei-
Prinzipiell ergeben sich drei unterschied­ ne Tragfähigkeit. Grundvoraussetzung
liche Verfahren, deren Anwendung jedoch ist, dass die Kohäsion im Boden so klein
stark von der Bodenart und seinen Eigen- ist, dass er durch Rütteln verdichtet wer-
schaften abhängt, um wirtschaftliche Re- den kann. Durch Wasserzufuhr kann
sultate zu erzielen. Die Systematik im Bild das Verfahren unterstützt werden.
516 7 Unterbauten

Bild 7.4-1   Verfahren zur Baugrundverbesserung


– Übersicht nach [Smoltczyk, 1991]

• Bodenaustausch schaften (Scherfestigkeit, Kohäsion)


Bei weniger mächtigen nicht tragfähigen verbessert, was zu einer Steigerung der
Bodenschichten werden diese ganz oder Tragfähigkeit führt. Das Hauptanwen-
teilweise durch geeignetes Material er- dungsfeld dieser Verfahren liegt im
setzt. Der Bodenaustausch erfolgt lokal Straßenbau. wo das Bindemittel in die
begrenzt unter der Fundamentfläche. oberflächennahen Schichten gut ein­
Bei Bodenaustausch im Grundwasser ist gebracht und untergemischt werden
der Einsatz von Magerbeton vorteilhaft, kann. Für Brückenbauwerke kommen
da hier eine aufwendige Verdichtung im wesent­lichen die Injektionsverfah-
entfallen kann. ren zur Anwendung, die es erlauben,
• Bodenverfestigung auch tiefer liegende Schichten zu er­
Durch den Zusatz von Bindemitteln reichen.
werden die bodenmechanischen Eigen-
7.4 Gründungen 517

7.4.2.3 Herstellung beeinflusst. Aufgrund ihrer Steifigkeit kön-


nen vor allem Pfähle mit größerem Durch-
Flachgründungen werden auf dem trag­ messer auch Biegebeanspruchungen auf-
fähigen Baugrund direkt hergestellt. Die nehmen. Die Einspannung im Baugrund
Gründungsebene muss im Endzustand erfolgt über die seitliche Bettung des Pfahl-
unterhalb des durch Frosteinwirkungen schafts. In den Bildern 7.4-2 und 7.4-3 sind
beeinträchtigten Bodens liegen. Während zwei Brückentragwerke mit Pfahlgrün­
der Herstellung muss verhindert werden, dungen dargestellt.
dass die Oberfläche des Erdreichs durch Bei der dargestellten Bohrpfahlgrün-
Nässe und mechanische Einwirkungen dung (Bild 7.4-2) werden die Horizontal-
aufweicht und zerstört wird. Deshalb wird kräfte aus dem Brückentragwerk über den
unmittelbar nach dem Herstellen des im Baugrund elastisch gebetteten Pfahl ab-
Gründungsplanums eine so genannte getragen. Die seitliche Bettung erzeugt eine
­Sauberkeitsschicht aus Magerbeton auf­ Einspannung des Pfahls. Die erforderliche
gebracht. Liegt das Gründungsplanum un- Einbindelänge des Pfahls ergibt sich in Ab-
terhalb des Grundwasserspiegels, sind hängigkeit von der Biegesteifigkeit des
entsprechende Maßnahmen zur Wasser- Pfahls sowie den aufnehmbaren seitlichen
haltung und zur Sicherung gegen Auftrieb Bodenpressungen des Erdstoffs. Im Bild
erforderlich. 7.4-3 werden die Rammpfähle als Pfahl-
bocksystem angeordnet. Durch die Nei-
gung der Pfähle können Horizontalkräfte
7.4.3 Pfahlgründungen abgetragen werden. Der Pfahl wird quasi
nur durch Längskräfte beansprucht. Die ge-
7.4.3.1 Pfahlsysteme und Konstruktion neigte Anordnung ist auch bei Bohrpfählen
bis etwa 1:10 möglich.
Ist der anstehende Baugrund für die Aus-
bildung einer Flachgründung ungeeignet,
werden die weniger tragfähigen Schichten 7.4.3.2 Bohrpfähle und ihre Herstellung
mit den Gründungsbauteilen durchfahren
und die Lasten direkt in tiefer liegende trag- Kennzeichnend für den Bohrpfahl ist seine
fähige Schichten abgeleitet. Im Brückenbau Fertigung vor Ort in einem Hohlraum im
weit verbreitet ist der Einsatz von Pfahl- Baugrund, der in der Regel durch Bohren
gründungen, deren Konstruktion und Aus- aber auch durch andere Verfahren wie
führung im Folgenden näher beschrieben Nassbaggern, Spülbohren etc. hergestellt
wird. Die Pfahlkräfte werden konzentriert wird. Der Pfahlschaft wird direkt gegen den
über die Pfahlspitze und bei entsprechen- anstehenden Boden betoniert. Durch den
der Einbindung über Reibung zwischen Druck des Frischbetons entsteht eine sehr
Pfahlmantelfläche und umschließenden gute Verzahnung mit dem umgebenden
Boden abgetragen. Das Durchfahren der Erdstoff. Bis zum Einbringen des Betons ist
nicht tragfähigen Bodenschichten erfolgt in der Regel eine Sicherung der Bohrloch-
entweder durch seitliches Verdrängen des wandung vor Auflockerung erforderlich.
Erdstoffs beim Rammen oder durch Ent­ Dies geschieht entweder durch Verrohrung
fernen des Materials beim Bohren. Die oder durch einen Flüssigkeitsüberdruck
Tragfähigkeit einer Pfahlgründung wird (Stützflüssigkeit). Neben den runden Pfäh-
wesentlich durch die Baugrundbedingun- len mit Durchmessern von 0,3 m bis 3,0 m
gen, die Pfahleigenschaften, das Verfahren werden auch andere Querschnittsformen,
der Einbringung und die Pfahlanordnung wie Schlitzwände (Barretts), die nach dem
518 7 Unterbauten

Bild 7.4-2   Bohrpfahlgründung für Widerlager und Pfeiler – Pfähle im Baugrund eingespannt

Bild 7.4-3   Rammpfahlgründung für eine Fußgängerbrücke – Lastabtragung über Pfahlbock­


system

gleichen Prinzip gefertigt werden, zu den 7.4.3.3 Verdrängungspfähle


Bohrpfahlverfahren gerechnet. Die Bohr-
pfähle erhalten in der Regel eine umlauf­ Im Vergleich zum Bohrpfahl, wird hier
ende Bewehrung, die vor dem Einbringen beim Einbringen in den Baugrund der Erd-
des Betons im Kontraktorverfahren als stoff im Bereich des Pfahlquerschnitts ver-
vorgefertigter Bewehrungskorb in das drängt. Die klassische Variante des Ver-
Bohrloch eingeführt wird. Bild 7.4-4 zeigt drängungspfahls ist der Rammpfahl. Dieser
einen Bewehrungskorb für einen Bohr- wird aus Stahlbeton, Stahl oder früher aus
pfahl. Das Fußkreuz, die Abstandshalter Holz gefertigt und durch ein Fallgewicht in
und Distanzringe dienen der Sta­bilisierung den Boden getrieben. Bedingt durch die
und der Lagesicherung des Bewehrungs- technische Entwicklung erfolgt das Ein-
korbs. bringen heute meist durch so genannte
Schnellschlagrammen, durch Einrütteln
7.4 Gründungen 519

Bild 7.4-4   Bewehrungskorb für einen Bohrpfahl

oder Einpressen. Zu den Verdrängungs- 7.4.4 Auswahlkriterien und Entwurf


pfählen zählen auch die verschiedenen Ar- der Gründung
ten von Ortbeton-Verdrängungspfählen,
bei denen ein entsprechendes Rohr mit ge- Voraussetzung für die technische Entwurfs-
schlossenem Fußende in den Boden getrie- bearbeitung der Gründung des Brücken-
ben, mit Beton verfüllt und wieder gezogen bauwerks sind die bodenmechanischen In-
wird. Durch die Verdrängung des Erdstoffs formationen und geotechnischen Rahmen-
beim Eindringen und die damit verbunde- bedingungen für den jeweiligen Standort
ne Verdichtung wird in der Regel die Trag- des Tragwerks. Diese Informationen wer-
fähigkeit des Baugrunds verbessert. den dem Bauingenieur in Form eines Bau-
Rammhindernisse oberhalb der tragfä- grundgutachtens zur Verfügung gestellt. Im
higen Schichten können das Eintreiben des Rahmen des Baugrundgutachtens erfolgt
Pfahls verhindern oder stark erschweren. die Analyse und daraus die ­resultierende
In Gebieten mit dichter Bebauung und Be- Beschreibung der Eigenschaften des Bau-
siedlung ist besonders abzuwägen, ob die grunds, die eine qualitativ und quantitativ
mit dem Eintreiben einhergehenden Er- abgesicherte technische Entwurfsplanung
schütterungen und Lärmbelästigungen für das Gesamttragwerk ermöglicht. Weite-
vertretbar sind und, ob dadurch z. B. Schä- re Entwurfskriterien ergeben sich aus den
digungen an benachbarten Gebäuden auf- Anforderungen, resultierend aus der Ge-
treten können. samtsituation des Tragwerks.
8 Berechnung

8.1 Einwirkungen auf Brücken wichtszustand. Bei statisch unbestimmten


Systemen kann unter der Voraussetzung
Manfred Keuser linear-elastischen Materialverhaltens und
unter Berücksichtigung der Verträglich-
8.1.1 Allgemeines keitsbedingungen ebenfalls ein eindeutiger
Gleichgewichtszustand berechnet werden.
Brücken sind hochbeanspruchte Ingenieur­ Bei Verwendung nichtlinearer Material-
bauwerke, die einer Vielzahl höchst unter- gleichungen ist dies nicht mehr möglich, da
schiedlicher Einwirkungen ausgesetzt sind. hier das Superpositionsprinzip nicht gilt
Die Einwirkungen können nach ihrer Ent- und der Einfluss der Lastgeschichte zu be-
stehung wie folgt gegliedert werden: rücksichtigen ist. Hierauf wird an anderer
Stelle gesondert eingegangen. Üblicherwei-
• Einwirkungen aus dem Bauwerk, se werden die schwerkraftbedingten Ein-
• Einwirkungen aus der Bauwerksnut- wirkungen, z. B. die Eigenlast der Kon-
zung, struktion, als Lasten bezeichnet.
• Einwirkungen aus der Bauwerksumge- Einwirkungen aus Zwängungen wie z. B.
bung. Temperaturen, Auflagerbewegungen etc.
Dabei treten durchaus Interaktionen auf, so sind dadurch charakterisiert, dass sie an
z. B. bei den Einwirkungen aus Kriechen statisch bestimmten Systemen keine
und Schwinden des Betons, die nach ihrer Schnittgrößen, sondern lediglich Verfor-
Entstehung den Einwirkungen aus dem mungen hervorrufen. Bei statisch unbe-
Bauwerk zu­zuordnen sind, deren Absolut- stimmten Systemen führt die Behinde­rung
werte wie insbesondere auch ihre zeitliche der spannungsfreien Verformungen zu Be-
Entwicklung stark von der Bauwerksumge- anspruchungen, die direkt proportional zu
bung geprägt sind. Eine andere Art der Un- den Steifigkeiten der untersuchten Kon-
terscheidung zwischen den verschiedenen struktionen sind. Da sowohl bei Stahlkons-
Ein­wirkungen kann aus der Betrachtung truktionen z. B. durch die Ausbildung von
der unterschiedlichen Auswirkungen auf Fließgelenken und bei Massivbrücken in-
die System­reaktionen an statisch bestimm- folge der Rissbildung das Materialverhalten
ten und unbestimmten Systemen gewon- insbesondere in der Nähe der Traglasten
nen werden. stark nichtlinear ist, sind die aus Zwängun-
Man unterscheidet dabei zwischen gen resultierenden Schnittgrößen in der
Regel nicht proportional zu den entspre­
• Einwirkungen aus Lasten und Kräften,
chenden Einwirkungen. Im Extremfall ei-
• Einwirkungen aus Zwängungen.
nes duktilen Tragwerks, bei dem lokales
Einwirkungen aus Lasten und Kräften er- Versagen ausgeschlossen werden kann, ha-
zeugen an einem statisch bestimmten Sys- ben die Einwirkungen aus Zwängungen
tem einen eindeutig definierten Gleichge- theoretisch keinen Einfluss auf die Stand­
522 8 Berechnung

sicherheit. Für die Nachweise im Grenzzu- und Baustatik zu bemessen waren. Parallel
stand der Gebrauchstauglich­keit sind die zu Werkstoff- und Bemessungsnormen
Schnittgrößen infolge der Einwirkungen wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts
aus Zwängungen von deutlich größerer Be- auch zur Definition der Einwirkungen
deutung. Normenwerke entwickelt um sicherzustel-
Da Brücken stets Bestandteile von Ver- len, dass Brücken für eine bestimmte
kehrswegen oder Versorgungseinrichtun- Nut­zung auch den gleichen Anforderun-
gen sind, müssen sie den hierfür definierten gen genügen. Mit der weiteren Zunahme
Anforderungen an die Tragfähigkeit und des Straßenver­kehrs, insbesondere des
Gebrauchstauglichkeit genügen. Mit der Schwerlastverkehrs, wurden die im Nor-
Entwicklung der modernen Verkehrssys­ menwerk fest­gelegten Fahr­zeuglasten im-
teme auf Straße und Schiene haben in den mer wieder erhöht. Die nach der DIN 1072,
vergangenen 200 Jahren auch die relevan- Ausgabe 1941 anzusetzenden Einwirkun-
ten Einwirkungen in ganz erheblichem gen aus dem Straßenverkehr sind in der
Maße zugenommen. Dies wird deutlich am Tabelle 8.1-1 angegeben und aus dem Bild
Beispiel der Straßenbrücken, für die bis 8.1-1 ersichtlich.
zum Ende des 19. Jahrhunderts Fuhrwerke Neben der Berücksichtigung der stati-
und Menschenansammlungen die maßge- schen Ersatzlasten der Bemessungsfahr-
benden Einwirkun­gen aus der Nutzung zeuge wird in [DIN 1072, 1941] der Ein­fluss
darstellten. Hierfür waren Holz- und Mau- dynamischer Effekte durch einen lasterhö-
erwerksbrücken völlig ausrei­chend, die henden Schwingbeiwert j berücksichtigt.
von Baumeistern nach empirischen Regeln Die­ser stützweitenabhängige Schwingbei-
konstruiert und errichtet wurden. Durch wert wirkt sich insbesondere bei kurzen
die Erfindung des Automobils entstanden Spannwei­ten mit einem Höchstwert von
deutlich größere Fahrzeuglasten, für die 1,64 stark aus, seine Bedeutung nimmt mit
die Brücken nach den Regeln der Technik zunehmenden Spann­weiten ab. Im Jahr
auf den inzwischen bekannten wissen- 1951 wurde in Deutschland mit dem Ent-
schaftlichen Grundlagen aus der Mechanik wurf einer neuen DIN 1072 das 60-To-

Tabelle 8.1-1   Tabelle der Regellasten aus DIN 1072, Ausgabe April 1941
Brückenklasse I II III IV
Gesamtgewicht t 24 16 7
Dampfwalze Vorderrad t 10   7 5
Hinterrad t 7   4,5 1
Ersatzlast t/m2 1,6   1,1 0,5
Gesamtgewicht t 12   9 6
Lastkraftwagen Vorderrad t 2   1,5 0,75
Hinterrad t 4   3 2,25
Ersatzlast t/m2 0,8   0,6 0,4
Für die Hauptträger 25 – 25 t/m2 0,5   0,45 0,4
Menschengedränge bei einer Stützweite 25 – 125 Geradlinig
(auch als Ersatz für von [m] > 125 t/m2 einzuschalten
andere Lasten s. o.) 0,4   0,35 0,3
Für die übrigen Teile t/m2 0,5   0,45 0,4
8.1 Einwirkungen auf Brücken 523

Fahrzeug für die höchste Brückenklasse


eingeführt. Zur Be­rücksichtigung der wei-
teren Zunahme der Fahrzeuglasten und des
Verkehrsaufkommens wurden in der Neu­
fassung der DIN 1072 im Jahr 1985 die
Lastbilder grundsätzlich beibehal­ten, für
die höchste Brückenklasse 60/30 war je-
doch neben dem SLW 60 in der Hauptspur
zusätzlich ein SLW 30 in der Nebenspur zu
berücksichtigen, s. Bild 8.1-2.
Statistische Untersuchungen, die im
Auftrag des Bundesverkehrsministeriums
vom Fraunhofer Institut für Betriebsfestig-
keit, dem Institut für Stahlbau der RWTH
Aachen [Sedlacek/Jacquemond, 1984] und
dem In­stitut für Massivbau der TH Darm-
stadt [König/Gerhardt, 1985] durchgeführt
wurden, zeigten, dass die Zu­nahme des Bild 8.1‑1   Lastmodelle nach DIN 1072, Aus-
Schwerlastverkehrs zu Veränderungen in gabe April 1941

Bild 8.1‑2   Lastmodelle nach DIN 1072, Ausgabe 1985


524 8 Berechnung

Tabelle 8.1-2   Übersicht über nationale Normen mit Angaben zu Einwirkungen


Norm Bezeichnung Geltungsbereich
DIN 1072 Verkehrslasten für Straßen­brücken Deutschland bis 30.04.2003
DS 804 Eisenbahnbrücken Deutschland bis 30.04.2003
DIN Fachbericht 101 Einwirkungen auf Brücken Deutschland ab 01.05.2003
ÖNORM B 4002 Straßenbrücken Österreich ab 1970
RVS 15.114 ab 1999
SIA 160 Einwirkungen auf Tragwerke Schweiz ab 1989
BS 5400-2 und Specification of Loads; Loads for England ab 1978
BD 57 Highway Bridges ab 1988
AASMTO Bridge Design Specification USA ab 1994

den Fahrzeugkollektiven führte. Darüber als bei Bahnbrücken, für die bereits eine
hinaus war die Problematik der Ermüdung, europäische Lastnorm in den achtziger Jah-
die insbesondere bei Stahl- und Stahl­ver­ ren vorlag, wurde 1992 für Straßenbrü­cken
bundbrü­cken nicht vernachlässigt werden erstmals im ersten Entwurf des EURO-
kann, bis dato ebenso wenig im Vorschrif- CODE 1, Teil 3: Verkehrslasten auf Brücken
tenwerk berück­sichtigt worden wie wirk- [EC-1, 1991] eine einheitliche europäische
lichkeitsnahe Ansätze zur Berücksichtigung Lastnorm vorgestellt. Dem darin enthalte-
der Fahrbahnuneben­heiten bei der Berech- nen Lastkonzept, das auf statistischen Un-
nung der Schwingbeiwerte. tersuchungen zur Definition der Lastmo-
Mit der absehbaren weiteren Erhöhung delle basiert, wurde der Verkehr bei Au­xerre
der zulässigen Achslasten bei Lkws und der auf der Autobahn Paris – Lyon zugrunde
signifikanten Zunahme der genehmigungs- gelegt [Nather, 1993].
pflichtigen Schwertransporte wurde der Zur Auswertung der Daten und zur Si-
Anstoß zu einer Fortschreibung der Last- mulation der dynamischen Effekte wurden
norm für Straßenbrücken gegeben. Anders mittels numerischer Simulationsprogram-

Tabelle 8.1-3   Charakteristische Merkmale des Auxerre – Verkehrs [Nather, 1993]


Fahrspur 1 Fahrspur 2
Fahrzeugfluss 24 Std. 8158 1664
Schwerverkehrsfluss 24 Std. 2650 153
Verteilung der Lkw-Typen im Schwerverkehrsfluss:
Zweiachser 22,7 % 27,6 %
Dreiachser 1,3 % 3,5 %
Sattelschlepper 65,2 % 58,4 %
Lkw mit Anhänger 10,8 % 10,5 %
8.1 Einwirkungen auf Brücken 525

me für Zeitschritt-Berechnungsverfahren die Lasten infolge außergewöhnlicher


folgende Punkte untersucht: Schwertransporte abdecken. Solche Sonder-
transporte, die die nach der Straßenver-
• dynamisches Verhalten unterschiedli-
kehrsordnung zulässigen Lasten überschrei-
cher Brücken,
ten, sind genehmigungspflichtig. In der
• dynamische Charakteristiken der Fahr-
Genehmigung sind die auf der Brücke für
zeuge,
den Sondertransport zulässige Geschwin-
• Einfluss von Fahrbahnunebenheiten,
digkeit mit zu regeln. Außerdem ist festzu-
• Einfluss von unterschiedlichen Ge-
legen, ob die Fahrt über die Brücke nur im
schwindigkeiten.
Alleingang erfolgen darf und welche Fahr-
Ziel der Untersuchungen war die Defini­ zeugabstände einzuhalten sind.
tion äquivalenter Lastmodelle und Regel- Mit dem [DIN-FB 101, 2003] wurde im
lasten, mit denen der reale Verkehr umfas- Mai 2003 in Deutschland erstmals eine
send abgebildet werden kann. Im Jahr 1991 Lastnorm für Brücken eingeführt, die alle
wurde CEN mit der Erarbeitung der EU- Arten von Straßen-, Eisenbahn- und Geh-
ROCODES beauftragt mit dem Ziel, ein in und Radweg­brücken umfasst. Der DIN-
sich schlüssiges Gesamt­werk von Lastnor- Fachbericht 101 stellt die Umsetzung des
men EC-1 und Bemessungsnormen EC-2 europäischen Normenkonzepts [EC-1,
Stahl- und Spannbeton, EC-3 Stahl und 1991] in das nationale für Deutschland gül-
EC-4 Verbund zu entwickeln. Der erste tige Normenwerk dar. Die Unterschiede zu
Entwurf wurde Anfang 1992 vorgestellt. den zukünftigen Lastnormen in ande­ren
Im Gegensatz zu den früheren Normen- europäischen Ländern beschränken sich
werken ist in den Fahrzeuglasten des DIN- auf die „boxed values“ (gerahmte Werte),
Fachberichts 101 [DIN-FB 101, 2003] und z. B. die α-Faktoren, mit denen die charak-
der europäischen Lastnorm [EC-1, 1991], teristischen Werte der Lasten modifiziert
sowohl in den Ein­zel- als auch in den Flä- werden, weshalb auf die Darstellung weite-
chenlasten, die dynami­sche Wirkung be- rer Lastnormen hier verzichtet wird.
reits enthalten. Lediglich für die Ermü- Grundlage der Nachweise im Grenzzu-
dungsnachweise ist der Einfluss der Stoß- stand der Tragfähigkeit und im Grenz­
wirkung im Bereich der Fahrbahnübergän- zustand der Gebrauchstauglichkeit ist das
ge zusätzlich zu berücksichtigen. Bei den semiprobabilistische Sicherheitskonzept
Lasten aus Eisenbahnverkehr wird hinge- [DIN 1055–100, 2001], das auch die Basis
gen ein dynamischer Lasterhöhungsfaktor für die Bemessungsnormen in den DIN-
beibehalten. Fachberichten 102, 103 und 104 bildet.
Eine detaillierte Darstellung der Grund­
lagen hierzu ist z. B. in [Rackwitz, 1996],
8.1.2 Grundlagen [Spaethe, 1992], [ Schueller, 1996], [Mehl-
horn, 1998] enthalten. Damit ist ein in sich
In der Praxis ist es nicht möglich, die Bau- schlüssiges Si­cherheits- und Nachweiskon-
werke mit den realen Belastungen aus der zept gegeben.
Bauwerksnutzung zu berechnen. Es sind Maßgebend für die Definition der Las-
deshalb Regellastbilder zu definieren, die ten aus der Nutzung einer Brücke durch
der Bemessung der Bauwerke zugrunde zu Straßen-, Eisenbahn- oder Geh- und Rad-
legen sind. [Rackwitz, 1996] erläutert die verkehr sind die charakteristischen Werte.
Grundlagen zur Ermittlung von Regellast- Sie werden in der Regel auf statistischer
bildern, worauf hier verwiesen wird. Er Grund­lage, d. h. aufgrund einer begrenzten
weist darauf hin, dass die Regellasten nicht Überschreitungswahrscheinlichkeit für
526 8 Berechnung

eine Brücke wäh­rend ihrer üblichen Nut- fälle zu definieren. Für die Überlagerung der
zungszeit als Fraktilwerte definiert. Hier- Schnittgrö­ßen aus den einzelnen Lastfällen
von abgeleitet werden nicht häufige Werte, werden für die zu führenden Nachweise
mit einer Wiederkehrperiode von einem Kombinationsregeln definiert. Beispiele
Jahr, häufige Werte, mit einer Wiederkehr- hierfür sind die Überlagerung von veränder-
periode von einer Woche sowie quasi- lichen vertikalen und horizon­talen Lasten
ständige Werte, mit deren Auftreten jeder­ durch die Festlegung von Verkehrslastgrup-
zeit zu rechnen ist. Diese Werte werden pen, vgl. [DIN-FB 101, 2009], dort Tabelle 4,
durch Multiplikation der charakteristi- oder die Regelungen zur Über­lagerung
schen Wer­te mit α-Faktoren berechnet, vgl. mehrerer veränderlicher Einwirkungen aus
[DIN-FB 101, 2009]. Die Bemessungs- Straßen- und Eisen­bahn­ver­kehr.
werte erge­ben sich durch Multiplikation Für die Beschreibung der in der Realität
der charakteristischen Werte mit den je­ hochkomplexen Temperatureinwirkungen
weili­gen Teil­sicher­heitsbeiwerten, die in wird in [DIN-FB 101, 2009] ein gegenüber
Tabelle 8.1-4 angegeben sind. den früheren Vorschriften erweiterter An-
Für die Ermittlung der maßgebenden Be- satz gewählt. Die Grundlagen hierzu wer-
messungsschnittgrößen sind maßgebende den im Abschnitt 8.7.1 erläutert. Bei der
Bemessungssituationen und kritische Last- Überlagerung der Lastfälle in den Bemes-

Tabelle 8.1-4  Teilsicherheitsbeiwerte für Einwirkungen: Grenzzustände der Tragfähigkeit für


Straßenbrücken nach [DIN-FB 101, 2009]

Einwirkungen Bezeichnung Bemessungssitua­tion


S/V A
Dauernde Einwirkungen: Eigenlasten der
tragenden und nichttragenden Bauteile,
dauernde Einwirkungen des Baugrundes,
Grundwasser und Wasser
Ungünstig γGsup 1,35 1,00
günstig γGinf 1,00 1,00
Horizontaler Erddruck aus Boden und Auflast γGsup 1,50 –
Vorspannung γP 1,00 1,00
Setzungen γGset 1,00 –
Verkehr
Ungünstig γQ 1,50 1,00
günstig 0 0
Andere variable Einwirkungen
Ungünstig γQ 1,50 1,00
günstig 0 0
Außergewöhnliche Einwirkungen γA – 1,00
S: Ständige Bemessungssituation
V: Vorübergehende Bemessungssituation
A: Außergewöhnliche Bemessungssituation
8.1 Einwirkungen auf Brücken 527

Tabelle 8.1-5   Bemessungswerte für Einwirkungen zur Anwendung bei Einwirkungskombina­


tionen
Bemessungs­ Ständige Unabhängige veränderliche Außergewöhnliche
situation Einwirkungen Gd Einwirkungen Qd Einwirkungen und
Einwirkung infolge
Erdbeben
Ständig und γG · Gk ; (γP · Pk) Vorherr­ Andere
vorübergehend schende
γQ1 · Qk1 γQi · φ0i · Qki
Außer­­­­ γGA · Gk  ; (γPA · Pk) φ11 · Qk1 φ2i · Qki γA · Ak oder Ad
gewöhnlich
Erdbeben Gk φ21 · Qk1 φ2i · Qki γ1 · AEd

sungssituationen sind die Kombinationsre- setzt, um einen den übrigen Einwirkungen


geln zu beachten. entgegengesetzten Beanspruchungszustand
zu erzeugen und so die geringe Betonzugfes-
tigkeit zu kompensieren. Die Berechnung
8.1.3 Einwirkungen aus dem Bauwerk vorgespannter Konstruktionen ist ausführ-
lich in [Mehlhorn, 1998] dargestellt, im Ab-
• Eigenlast
schnitt 8.5 wird in diesem Buch darauf ein-
• Vorspannung
gegangen, siehe auch Abschnitte 5.1 und
• Kriechen und Schwinden
5.2.1. Deshalb werden hier nur die Unter-
Bei den Einwirkungen aus dem Bauwerk schiede in den Einwir­kun­gen für die ver-
handelt es sich um ständige Einwirkungen, schiedenen Arten der Vorspannung kurz
d. h. Einwirkungen mit sehr niedriger Be- dargestellt. Durch die Vorspan­nung werden
lastungsgeschwindigkeit. Die Eigenlast der Kräfte senkrecht und gegebenenfalls auch
Konstruktion wird aus dem Volumen der parallel zur Achse des Spannglieds an den
Bauteile, multipliziert mit ihrer Wichte er- Stellen hervorgerufen, an denen Beton und
mittelt. Die hierbei anzusetzenden cha­ Spannglied miteinander in Kontakt sind, s.
rakteristischen Werte können z. B. [DIN Bild 8.1-3.
1055-1, 2002] entnommen werden: Technische Angaben zu den einzelnen
Die Vorspannung mittels hochfester Spannverfahren wie Reibungsbeiwerte, un-
Spannglieder aus Stahl oder in Sonderfällen gewollte Umlenkwinkel etc. sind den jewei-
aus Glas- oder Kohlefasermaterial wird im ligen allgemeinen bauaufsichtlichen Zulas-
Wesentlichen im Betonbrückenbau einge- sungen zu entnehmen.
Bei Betonbrücken treten in vielen Fäl­
len Beanspruchungen aus Kriechen und
Tabelle 8.1.6   Rechenwerte der Wichten zur Schwinden des Betons auf (s. Abschnitte
Ermittlung der Eigenlasten 8.5.4 und 8.5.5). Hierdurch werden folgen-
Stahlbeton γ = 25 kN/m3 de Einwirkungen hervorgerufen:
• Spannkraftverluste
Holz γ = 4 – 8 kN/m3 • Schnittgrößenumlagerung bei Ände-
Stahl γ = 78,5 kN/m3 rung des statischen Systems von statisch
unbestimm­ten Konstruktionen
528 8 Berechnung

Bild 8.1‑3   Kontaktwirkungen zwischen Beton und Spannglied; Kraftübertragung aus Vorspan-


nung vom Spannglied auf den Beton

• Schnittgrößenumlagerung bei Setzun- 8.1.4 Einwirkungen aus der Bauwerks­


gen oder Lagerbewegungen von statisch nutzung
unbestimmten Konstruktionen
Bei den Einwirkungen aus der Bauwerks-
Detaillierte Angaben zu dieser Thematik nutzung wird unterschieden zwischen
sind in [Mehlhorn, 1998] enthalten. Auch
• ständigen Einwirkungen
bei Holzbrücken haben die Einflüsse von
• veränderlichen Einwirkungen
Kriechen und Schwinden ganz erhebliche
• außergewöhnlichen Einwirkungen
Auswirkungen auf die Schnitt­größen und
Verformungen, vgl. hierzu [Neuhaus, 1994] Unter ständigen Einwirkungen sind die
und [Reyer/Benning, 1998], und dürfen Lasten aus festen Einbauten wie Kappen,
nicht vernachlässigt werden. Dichtung, Fahrbahnbelag, Lampen, Gelän-
8.1 Einwirkungen auf Brücken 529

Bild 8.1‑4   Ständige Einwirkungen aus der Nutzung einer Straßenbrücke

dern, Energieversorgungs- und Signalan­ [DIN-FB 101, 2009] für die Herstellung ei-
lagen etc. zusammengefasst. Veränderliche ner Ausgleichsgradiente 0,50 kN/m2 zu-
Einwirkungen beschreiben die Lasten aus sätzlich anzusetzen sind, die Eigenlast der
der Nutzung unter normalen An­wendungs­ Dichtung, der Kappen, der Leiteinrichtun­
bedingungen aus Kraftfahrzeug-, Bahn- gen und der übrigen vorgenannten festen
oder Personenverkehr oder einer anderen Einbauten.
Nutzung. Außergewöhnliche Einwir- Veränderliche Vertikallasten aus Fahr-
kungen beinhalten die Lasten aus Anprall zeugverkehr sind in 3 Lastmodellen be-
von Fahrzeu­gen an tragende Bauteile, au- schrieben. Die charakteristischen Werte
ßergewöhnliches Auftreten und außerge- der Lasten, s. Tabelle 8.1-7 und Bilder 8.1-5
wöhnliche Stellung von Fahrzeuglasten. bis -7, ergeben sich aus den Grundwerten
Nachfolgend sind für unterschiedlichste des EC–1 durch Multiplika­tion mit Fakto-
Nutzungen von Brücken die wesentlichen ren α, die der nationalen Regelung unterlie-
Einwirkungen aus der Nutzung zusammen- gen.
gestellt, detaillierte Informationen hierzu Lastmodell 1
sind dem [DIN-FB 101, 2009] zu entneh- Hauptlastmodell für die Nachweise im
men. Auf weitere nationale Lastnormen Grenzzustand der Tragfähigkeit und der
wird nicht eingegangen, da absehbar ist, Gebrauchstauglichkeit
dass das Konzept der EUROCODES auch
in den übrigen europäischen Ländern ein- Lastmodell 2
geführt werden wird. Lastmodell für die Bemessung von Einzel-
bauteilen
Lastmodell 3
8.1.4.1 Einwirkungen aus Straßenverkehr Lastmodell für Ermüdungsnachweise
Lasten aus Militärfahrzeugen sind nach
Die Einwirkungen aus Straßenverkehr sind
[STANAG, 1969] anzusetzen.
im [DIN-FB 101, 2009], dort Kap. 4, defi-
Als veränderliche Horizontallasten
niert.
sind zu berücksichtigen:
Ständige Einwirkungen aus der Nut-
zung einer Straßenbrücke sind die Eigen- • Brems- und Anfahrlasten
last des Fahr­bahnbelags, wobei nach­ • Zentrifugallasten
530 8 Berechnung

Tabelle 8.1-7   Grundwerte und angepasste Grundwerte der Verkehrslasten für Lastmodell 1 und 2
nach [DIN-FB 101, 2009]
Stellung Doppelachse Gleichmäßig
verteilte Last
Grundwert αQi angepasster
Grundwert
Achslast Qik in kN Achslast αQi ⋅ Qik qik (oder qrk)
in kN in kN/m2
Fahrstreifen 1 300 0,8 240 9,0
Fahrstreifen 2 200 0,8 160 2,5
Fahrstreifen 3    0 –    0 2,5
Andere Fahrstrei­fen    0 –    0 2,5
Restfläche (qrk)    0 –    0 2,5

Bild 8.1‑5   Lastmodell 1 (Haupt-Lastmodell) nach [DIN-FB 101, 2009]

• Erddruck auf Widerlager und Funda- • Anpralllasten an Überbauten


mente infolge Verkehrslasten • Anpralllasten auf Schrammborde
• Anpralllasten auf Schutzeinrichtungen
Zur Überlagerung von veränderlichen Ver- • Anpralllasten an tragende Bauteile
tikal- und Horizontallasten werden Ver-
und zur Erfassung abirrender Fahrzeuge
kehrslastgruppen definiert, s. [DIN-FB
folgende Vertikallasten
101, 2009].
Als außergewöhnliche Einwirkungen • Fahrzeuge auf Geh- und Radwegen
sind folgende Horizontallasten zu berücksichtigen.
• Anpralllasten an Pfeiler und andere stüt- Weitere typische Einwirkungen für Stra-
zende Bauteile ßenbrücken sind:
8.1 Einwirkungen auf Brücken 531

Für die Bemessung von Einzelbauteilen ist


eine Einzelllast Qfwk = 10 kN mit einer Auf-
standsfläche von 10 cm × 10 cm anzuset­
zen. Sofern dies planmäßig vom Bauherrn
vorgesehen ist, sind Dienstfahrzeuge zu
berück­sichtigen.
Als veränderliche Horizontallasten sind
nach [DIN-FB 101, 2009] zu berücksichti-
gen:
Bild 8.1‑6   Lastmodell 2 (Einzelachse) nach • 10 Prozent der sich aus der gleichmäßig
[DIN-FB 101, 2009] verteilten Vertikallast ergebende Gesamt­
last,
• Einwirkungen auf Geländer • 60 Prozent des Gewichts des Dienstfahr-
• Lasten aus Ver- und Entsorgungsleitun- zeugs.
gen
• Einwirkungen aus dem Anheben des Außergewöhnliche Einwirkungen für
Überbaus zum Auswechseln von Lagern Geh- und Radwegbrücken
• Lasten aus Fahrzeuganprall an stützende
8.1.4.2 Einwirkungen aus Fußgänger- Bauteile
und Radverkehr • Lasten aus Fahrzeuganprall an den
Überbau
Ständige Einwirkungen sind wie bei einer • Unplanmäßige Anwesenheit von Fahr-
Straßenbrücke die Eigenlast des Belags, die zeugen auf der Brücke. Das Lastmodell
Eigenlasten der Kappen, der Geländer und und die Lasten sind im Bild 8.1-8 defi-
der übrigen festen Einbauten. niert
Veränderliche Vertikallasten sind in
2 Lastmodellen definiert. Das Hauptlast- Dem dynamischen Verhalten von Geh-
modell sieht eine gleichmäßig verteilte Last und Radwegbrücken ist besondere Auf-
qfk = 5,0 kN/m2 vor, die bei Geh- und Rad- merksamkeit zu schenken, da häufig Kon-
wegbrücken mit Stützweiten von mehr als struktionen zum Einsatz kommen, die
10 m wie folgt abgemindert werden darf: durch die Benutzer zu Schwingungen ange-
regt werden können. Dies wird im Ab-
120
2,5 ≤ qk = 2,0 + ≤ 5,0 in [kN/m2 ] schnitt 8.7.2 behandelt.
Lsj + 30
mit qk = Verkehrslast
Lsj = betrachtete Einzelstützweite

Bild 8.1‑7   Lastmodell 3 (Ermüdungslastmodell) nach [DIN-FB 101, 2009]


532 8 Berechnung

Bild 8.1‑8   Lasten für unplanmäßige Anwesen-


heit eines Fahrzeugs als außergewöhnliche Be-
lastung einer Geh- und Radwegbrücke

8.1.4.3 Einwirkungen aus Eisenbahnverkehr UIC bereits seit lan­gem in Europa harmoni-
siert sind. Für Straßenbahnen, Schmalspur-
Im Gegensatz zu den Straßenbrücken bahnen, Zahnrad- und Standseilbahnen
werden in [DIN-FB 101, 2009] die Ver- wird auf spezielle Regelungen verwiesen.
kehrslasten für Eisenbahnbrü­cken aus der Wie bei Straßenbrücken sind auch für
[DS 804, 2000] nahezu unverändert aus Eisenbahnbrücken gesonderte Regelungen
dem bisherigen Vorschriftenwerk [DS 804, für die Ermittlung von Verkehrslastengrup-
2000] übernommen, da sie im Rahmen der pen definiert.

Bild 8.1‑9   Ständige Einwirkungen aus der Nutzung einer Eisenbahnbrücke


8.1 Einwirkungen auf Brücken 533

Ständige Einwirkungen aus der Nut- b) für Gleise mit normaler Unterhaltung
zung einer Eisenbahnbrücke resultieren
wie bei Straßen­brücken aus den Kappen, 2,16
φ3 = + 0,73 mit 1,00 ≤ Φ 3 ≤ 2,00
der Fahrbahn (Schotter, feste Fahrbahn), LΦ − 0,2
Lärmschutzwänden und Fangvorrichtun-
gen. Zusätzlich sind die eisenbahnspezifi- mit LΦ = maßgebende Länge in m gem.
schen Einbauten wie Fahrleitung, Signale, [DIN-FB 101, 2009], dort Tabelle 6.2
Kabelkanäle und Kabel zu berücksichti- Darüber hinaus ist bei Eisenbahnbrü-
gen. cken die Gefahr von Resonanz und über-
Die veränderlichen Vertikallasten wer- mäßigen Schwingungen zu untersu­chen,
den in [DIN-FB 101, 2009] in den Lastmo- vgl. [DIN-FB 101, 2009], dort Kap. IV und
dellen UIC 71 für den Per­sonenverkehr Anhänge E-H. Auf die Grundlagen des
und SW für den Schwerlastverkehr be- Schwingungsverhaltens von Brücken wird
schrieben. im Abschnitt 8.7.2 eingegangen.
Für die Lastverteilung durch die Schiene Als veränderliche Horizontallasten
sowie Schwellen und Schotter werden in sind zu berücksichtigen:
[DIN-FB 101, 2009] Re­gelungen definiert.
• Zentrifugallasten (Fliehkräfte)
Die dynamische Wirkung des Eisenbahn-
• Seitenstoß (Schlingerkraft)
verkehrs wird zum einen durch Multiplika-
• Einwirkungen von Anfahren und Brem-
tion der charakteristischen Vertikallasten
sen
mit einem dynamischen Beiwert ϕ berück­
• Druck- und Sogwirkung aus Zugverkehr
sichtigt.
(aerodynamische Einflüsse)
a) für sorgfältig unterhaltene Gleise • Erddruck aus Verkehrslasten auf Wider-
lager und Fundamente
2,16
φ2 = + 0,82 mit 1,00 ≤ Φ 2 ≤ 1,67 Außergewöhnliche Einwirkungen aus Ei-
LΦ − 0,2 senbahnverkehr sind in zwei Bemessungs-

Bild 8.1‑10   Lastmodell 71 und charakteristische Werte der Vertikallasten für ein Gleis

Bild 8.1‑11   Lastmodell SW und charakteristische Werte der Vertikallasten der Lastmodelle SW


für ein Gleis
534 8 Berechnung

situationen zur Berücksichtigung eventuel- stoß parallel zur Bauteil­oberfläche anzuset-


ler Entgleisungen anzusetzen: zen. In der Regel wird bei der Bemessung
von Brü­ckenpfeilern eine stati­sche Ersatz-
• Bemessungssituation I: Entgleisungen
last aus Schiffsstoß angesetzt. Zur Berück-
von Eisenbahnfahrzeugen, bei denen die
sichtigung der dynamischen Einflüsse wer-
ent­gleis­ten Fahrzeuge im Gleisbereich
den die statischen Ersatzlasten durch Multi­
der Brücke bleiben
plikation der dynami­schen Ersatzlasten mit
• Bemessungssituation II. Entgleisung­
einem dynamischen Lastfaktor DLF, dessen
­von Eisenbahnfahrzeugen, bei denen die
Wert zwischen 1,3 und 1,7 liegt, multipli-
entgleisten Fahrzeuge im Gleisbereich
ziert. Tabelle 8.1-8 enthält die dynamischen
auf ihrer Kante lie­gen bleiben und nicht
Stoßlasten nach [DIN-FB 101, 2009].
von der Brücke fallen
In Kraftwerken, im Tage- und Bergbau,
Für die Bemessungssituation I und II in Industriebetrieben, Hafenanlagen etc.
werden in [DIN-FB 101, 2009] bzw. [DIN werden Band­brücken zum Transport von
1055-9, 2003] vertikale Ersatzlasten defi- Massengütern verwendet. Die anzuset-
niert. Als Horizontallasten sind anzuset- zenden Vertikal- und Hori­zontallasten aus
zen: den Transportbändern einschließlich der
damit beförderten Güter ist vom Hersteller,
• Anpralllasten aus entgleisten Eisenbahn-
in der Regel ein Spezialmaschinenbauun-
fahrzeugen unter Tragwerken
ternehmen im Einvernehmen mit dem
• Anpralllasten aus Straßenfahrzeugen
Bauherrn und dem Tragwerksplaner fest-
unter der Brücke
zulegen.
• Fahrleitungsbruch
Viele Brücken, insbesondere in inner-
Weitere Angaben zu außergewöhnlichen städtischen Bereichen, werden zur Über-
Einwirkungen sind in [Rackwitz, 1996] führung von Rohrleitungen genutzt, spe­
enthalten. zielle Rohrleitungsbrücken dienen aus­
schließ­lich diesem Zweck. Als Einwirkun-
gen aus Rohrleitungen treten im Wesentli-
8.1.4.4 Sonstige Einwirkungen chen Vertikallasten aus der Eigen­last des
aus der Bauwerksnutzung Rohrs und dessen Füllung auf. Daneben
können Horizontallasten aus Zwang infolge
Bei Kanalbrücken und bei Brücken, die von Temperaturdifferenzen auftreten.
Wasserstraßen mit Schiffsverkehr überque-
ren, sind Anpralllasten aus Schif­fen auf die
Flusspfeiler und den Überbau zu berück- 8.1.5 Einwirkungen aus der Bauwerks­
sichtigen. Da die Größe der anzusetzen­den umgebung
Einwirkungen von einer Vielzahl von Fak-
toren abhängt, ist hierüber mit der ver­ Unabhängig von der Konstruktion und ih-
antwortli­chen Wasser- und Schifffahrtsver- rer Nutzung als Verkehrsbauwerk sind Brü-
waltung eine Festlegung zu treffen. Grund- cken Einwirkungen aus der Bauwerksum-
lagen hierzu sind in [Rackwitz, 1996], dort gebung ausgesetzt.
Abschnitt 11, enthalten. Beim Schiffsstoß Temperatureinwirkungen werden in
wird zwischen dem Frontalstoß in Fahrt­ [DIN-FB 101, 2009], dort Kapitel V, defi-
richtung und dem Flankenstoß recht­ niert. Hierauf wird im Abschnitt 8.7.1 de-
winklig zur Fahrtrichtung und normal tailliert eingegangen.
zur Bau­teilober­fläche unterschieden. Beim Setzungen von Fundamenten und das
Flankenstoß ist gleichzeitig der Reibungs- Lageranheben zum Austausch von Brü-
8.1 Einwirkungen auf Brücken 535

Tabelle 8.1-8   Nennwerte für dynamische Stoßlasten Fdyn nach [DIN 1055-9, 2003]
Wasserstraßen – Klasse a) Dynamische Stoßlasten
Frontal – Stoßlast Flanken – Stoßlast
FFdyn FLdyn
MN MN
I 2,0 1,0
II 3,0 1,5
III 4,0 2,0
IV 5,0 2,5
Va 8,0 3,5
Vb/Via 10,0 4,0
Vib 14,0 5,0
Vic 17,0 8,0
VII 20,0 10,0
a Schiffs-Charakteristiken nach Wasserstraßen-Klassifikation (nach Europäische Kommission für
Europa ECE, Hauptarbeitsgruppe Binnenschifffahrt Resolution Nr. 30.12 November 1992)

ckenlagern verursachen bei statisch unbe- Hierauf wird im Abschnitt 8.7.3 gesondert
stimmten Konstruktionen Schnittkräfte. eingegangen.
Für das Anheben der Lager ist mindestens
eine vertikale Verschiebung der Auflager-
achse von 1 cm anzusetzen, sofern nicht 8.1.6 Bauzustände
konstruktionsbedingt ein höherer Wert
erforderlich wird. Die prognostizierten Set- Im Bauzustand werden Brücken spezi-
zungen sind dem Bodengutachten zu ent- fischen Einwirkungen aus dem Bauverfah-
nehmen. Bei Stahl- und Stahlverbundbrü- ren und Bauablauf unterworfen, bei ab-
cken kann das Absenken bzw. Anheben von schnittsweisem Bauen sind darüber hinaus
Auflagerachsen zur Einbringung eines verschiedene statische Systeme entspre-
Zwangsmo­ments genutzt werden, das als chend den jeweiligen Bauzuständen zu
Vorspannung wirkt. unter­suchen. Die Einwirkungen in den
Windlasten sind im [DIN-FB 101, 2009], Bauzuständen sind in jedem Einzelfall pro-
dort Anhang N, definiert. jektspezifisch zu definieren. Die Vertikallas­
Schneelasten können bei Brücken in der ten resul­tieren insbesondere aus folgenden
Regel vernachlässigt werden. Sie sind bei Ursachen:
über­dachten Brü­cken, Klappbrücken oder
bei Nachweisen für Bauzustände zu berück- • Lagerung von Baumaterial, Rüstungen
sichtigen. Die charakte­ristischen Werte kön- etc. auf dem Überbau
nen [DIN 1055-5, 2007] entnommen wer- • Betoniervorgänge
den. • angehängte Gerüste (Freivorbau, Vor-
Erdbebenlasten sind in erdbebenge- schubgerüst)
fährdeten Gebieten zu berücksichtigen. • Lasten aus Schwerlastfahrzeugen
536 8 Berechnung

• Lasten aus Hebezeugen (Krane, Der- modernen Brückenbau dar. So bestimmte


ricks, etc.) die Erforschung der theoretischen Grundla-
gen und die Entwicklung effizienter Metho-
Die Horizontallasten resultieren insbe-
den zur Berechnung des Tragverhaltens von
sondere aus folgenden Ursachen:
Baukonstruktionen, neben der Entwicklung
• Windlasten von Baustoffen und Bauverfahren, ganz maß­
• Abspannungen gebend die Entwicklung des Brückenbaus.
• Verankerungen Nicht nur die Römer bauten ihre Stein-
• Bremskräfte bogenbrücken nach empirisch gewonnenen
• Stabilisierungskräfte Erkenntnissen, die von Baumeister zu Bau-
meister überliefert wurden, auch bis ins
Bei abschnittsweise hergestellten Stahlbe-
Mittelalter wurden Brücken, wie z. B. die
ton- und Spannbetonkonstruktionen sind
Steinerne Brücke über die Donau in Re-
bei der Berechnung der Schnittgrößen und
gensburg 1140, ohne Kenntnis der theore-
Verformungen die Umlagerungen der
tischen Grundlagen des Tragverhaltens re-
Schnittgrößen aus ständigen Einwirkungen
alisiert. In keinem der in Bild 8.2.1 aufge-
infolge des Kriechens des Betons zu beach-
zeigten Felder für Innovationen gab es
ten.
nennenswerte Fortschritte, teilweise ging
sogar Wissen verloren. Erste Neuerungen
zeigten sich in der Renaissance, als es itali-
8.2 Systeme, Tragverhalten, enischen Baumeistern als Ersten gelang,
Schnittgrößen mit Hilfe geometrischer Methoden durch
Veränderung der Radien der Brückenun-
Manfred Keuser terseite deutlich schlankere steinerne Bo-
genbrücken zu errichten. So zeigten sich
8.2.1 Grundlagen nach 1500 Jahren erstmals grundlegende
Neuentwicklungen im Steinbrückenbau.
Den Bau einer Brücke geht heute in aller Erste Ansätze, über die Geometrie
Regel eine sehr detaillierte Planung voraus, hi­naus, die Mechanik der Baukonstrukti-
die als wesentlichen Bestandteil die Berech- onen zu entwickeln, stammen von Leonar-
nung der zu erwartenden Beanspruchungen do da Vinci (1452–1519), s. Bild 8.2-2, und
der Konstruktion enthält. Die Möglichkeit Galileo Galilei (1564–1642), s. Bild 8.2-3
zur Erstellung der statischen Berechnung [Galilei, 1993]. Allerdings waren die von
als Grundlage für die Planung und den Bau Galilei aufgestellten Proportionalitätsbezie-
einer Brücke hat im Vergleich zur gesamten hungen wegen fehlender Erkenntnisse zum
Geschichte des Brückenbaus zwar nur eine Materialverhalten nicht geeignet, das Trag-
relativ kurze Tradition, stellt jedoch eine der verhalten auch einfacher Konstruktionen
unverzichtbaren Voraussetzungen für den zutreffend zu beschreiben. Erst mit der Ent-
wicklung der Grundlagen der Mechanik in
der Zeit der Aufklärung, die mit Namen wie
Navier (1785–1836), Hooke (1635–1703),
Johann Bernoulli (1667–1748) und Jacob
Bernoulli (1654–1705) eng verknüpft ist,
wurde die Basis für heutige Berechnungs-
methoden im Brückenbau gelegt. Da zur
gleichen Zeit, initiiert durch die gesteiger-
Bild 8.2‑1   Innovationsbereiche im Brückenbau ten Anforderungen aus dem Verkehrsauf-
8.2 Systeme, Tragverhalten, Schnittgrößen 537

Bild 8.2‑2   Zusammensetzung der Kräfte nach Leonardo da Vinci [Straub, 1964]

kommen, insbesondere durch die Erfindung es erfolgten Untersuchungen zum dynami-


der Eisenbahn, mit der Entwicklung von schen Verhalten der Baukonstruktionen
Baustählen und leistungsfähigen dampfge- z. B. durch Wöhler (1819–1914). Während
triebenen Hebezeugen auch in den beiden zunächst die Entwicklung von Differential-
übrigen Feldern für Innovation grundle- gleichungen für einzelne Bauteile wie Stab,
gende Neuerungen zur Anwendung ge- Seil, Balken, Platte, Scheibe und deren Auf-
bracht wurden, vollzog sich im 19. Jahrhun- lösung für spezielle Randbedingungen im
dert innerhalb kurzer Zeit eine rasante Ent- Vordergrund stand, wurde in den vergan-
wicklung im Brückenbau. Filigrane Stahl- genen zwei Jahrzehnten darauf aufbauend
brücken mit Spannweiten von über 200 m die Entwicklung numerischer Methoden,
konnten berechnet, konstruiert und gebaut mit denen komplexe Strukturen berechnet
werden, wo in den Jahrhunderten zuvor die werden können, voran getrieben. So ist es
maximalen Spannweiten von Steinbrücken kein Zufall, dass die erste elektronische Da-
auf wenig mehr als 30 m begrenzt waren. tenverarbeitungsanlage 1940 von Konrad
Die Konstruktion der Stahlbrücken war Zuse, einem Bauingenieur in Berlin, entwi-
stark von den im Vergleich zu heute noch ckelt wurde [Zuse, 1993], um die in stati-
deutlich eingeschränkten Berechnungs- schen Berechnungen vorkommenden Glei-
möglichkeiten geprägt. Graphische Verfah- chungssysteme automatisiert lösen zu kön-
ren, wie z. B. die Berechnung der Kräfte in nen. Auch wenn die heute in der Praxis
Fachwerk-Konstruktionen nach Ritter eingesetzten Finite-Element-Rechenpro-
(1826–1908) dominierten. gramme die Berechnung auch sehr kom-
Im 20. Jahrhundert wurden die gra- plexer Strukturen erlauben, so setzt ihre
phischen Verfahren durch analytische Me- Anwendung gerade wegen dieser vielfälti-
thoden zur Berechnung von Schnittgrößen gen Möglichkeiten ein hohes Maß an
und Verformungen abgelöst. Mit dem Bau Kenntnis über die Grundlagen der Modell-
zunehmend schlankerer Konstruktionen bildung und der Berechnungsmethoden
wurde die theoretische Erforschung der bei dem anwendenden Ingenieur voraus.
Stabilität, stellvertretend ist hier Euler Bei den traditionellen wie auch bei den
(1707–1783) zu nennen, erforderlich und modernen numerischen Berechnungsver-
538 8 Berechnung

Bild 8.2‑3   Berechnungsmodell des eingespannten Balkens nach [Galilei, 1993]

fahren kann die Modellbildung in vier Be- delt. Bei der Anwendung von Normen ist
reiche gegliedert werden, vgl. Bild 8.2-4. dabei zu prüfen, in wie weit diese für den
Die umfassende Kenntnis der Grundlagen jeweiligen Einzelfall die Einwirkungen in
in allen Bereichen der Modellbildung ist ausreichendem Umfang beschreiben. Bei der
unabdingbare Voraussetzung, um aussage- quantitativen Bestimmung der Einwirkun­
kräftige Ergebnisse der Berechnungen zu gen ist zu berücksichtigen, welchem Ziel die
erzielen. Dabei ist stets zu beachten, dass es jeweilige Schnittgrößenberechnung dient:
sich um Modelle handelt, die die Realität
• Nachweis der Standsicherheit (Kippen,
nur innerhalb ihrer Anwendungsgrenzen
Gleiten)
abbilden können. In der Regel erfolgt die
• Nachweis im Grenzzustand der Tragfä-
Modellbildung im Brückenbau auf der Ma-
higkeit
kroebene, vgl. [Keuser/Purainer, 2003], für
• Nachweis im Grenzzustand der Ge-
Detailbereiche jedoch, wie z. B. die Veran-
brauchstauglichkeit
kerungen von Spanngliedern oder die An-
schlüsse der Hänger bei Stabbogenbrücken, Nachfolgend wird insbesondere auf die
ist eine detailliertere Modellierung auf der Modellierung der Geometrie, der Lasten,
Mesoebene erforderlich. des mechanischen Verhaltens und des Ma-
Die Grundlagen für die Lastmodelle terials bei Tragwerken des Brückenbaus
werden detailliert im Abschnitt 8.1 behan- eingegangen. Hinsichtlich der theoreti-
8.2 Systeme, Tragverhalten, Schnittgrößen 539

mechanisches geometrisches
Modell Modell

Material- Last-
modell modell

a) Teilmodelle

Mikrobereich:
Detailpunkte

Rippe eines Bewehrungsstabs

Mesobereich:
Bauteile Z Z

Dehnkörper mit Bewehrungsstab

Makrobereich:
Bauwerke

Plattenbalkenbrücke

b) Modellebenen
Bild 8.2‑4   Modellbildung für statische Berechnungen

schen Grundlagen wird auf [Ramm/Hoff- Regel wesentlich höhere Lasten und deut-
mann, 1995] verwiesen. Der heutige Stand lich größere Abmessungen in Längs- und
der Technik erlaubt die detaillierte Berech- Querrichtung auftreten als im üblichen
nung einer breiten Vielfalt von Brücken- Hochbau. Eine technisch-wirtschaftliche
tragwerken, vgl. Bilder 8.2-5 und 8.2-6. Die Optimierung und eine sichere Bemessung
Wahl eines geeigneten statischen Modells erfordern daher eine möglichst weitgehen-
ist dabei naturgemäß von dem jeweiligen de Berücksichtigung aller Tragmechanis-
Tragwerkstyp abhängig. Daher wird in die- men. Dabei werden die wesentlichen Ein-
sem Abschnitt neben der Darstellung der zelbauteile einer Brücke, die zumeist durch
Grundlagen der Modellbildung und Be- Lager miteinander verbunden sind,
rechnung diese an einzelnen ausgewählten
• Überbau
Beispielen erläutert.
• Widerlager
Eine besondere Betrachtung der Modell-
• Pfeiler
bildung und der Berechnung der Schnitt-
größen und Verformungen ist im Brücken- für die Nachweise in den Grenzzuständen
bau deshalb notwendig, da hier in aller der Tragfähigkeit und der Gebrauchstaug-
540 8 Berechnung

Bild 8.2‑5   Beispiele für Primär-Tragwerke, Brückenlängsrichtung

Bild 8.2‑6   Beispiele für Sekundär-Tragwerke, Brückenquerrichtung

lichkeit getrennt berechnet. Für die Ge- Sie erzeugen einerseits lokale Beanspru-
samtstabilität und für die Abtragung der chungen in den unmittelbar belasteten Bau­
Horizontallasten ist jedoch wie bei Rah- teilen und andererseits Beanspruchungen
men-, Schrägkabel- und Hängebrücken im Haupttragsystem einer Brücke. Daneben
eine Berechnung des Gesamttragwerks er- sind die Horizontallasten in Längs- und
forderlich. Hinsichtlich der Berechnung Querrichtung der Brücke abzutragen. Die
von Schrägkabelbrücken wird auf [Walther, traditionelle Vorgehensweise bei der Be-
1994], bezüglich Spannbandbrücken auf rechnung von Brückentragwerken sieht für
[Eibl et al., 1973-1] verwiesen. die Berechnung der Schnittgrößen die Auf-
teilung der Gesamtstruktur in Teilstruktu-
ren vor, die auf der Grundlage der bekann-
8.2.2 Überbauten ten theoretischen Grundlagen und der
verfügbaren Rechenhilfsmittel einer stati-
Die dominierenden Einwirkungen auf die schen und gegebenenfalls einer dynami-
Überbauten sind die Vertikallasten und schen Berechnung zugänglich sind. So hat
die zugehörigen Zwangseinwirkungen sich mit den Fortschritten in der Mechanik,
(Temperatur, Setzungen, Vorspannung). in der Baustatik in den numerischen Me-
8.2 Systeme, Tragverhalten, Schnittgrößen 541

thoden und in den vergangenen Jahrzehn- Sekundärtragwirkung unterschieden. Das


ten zunehmend mit der Entwicklung immer Längssystem wird durch ebene oder räum-
preiswerterer und leistungsfähigerer Re- liche Balkentragwerke auf der Grundlage
chenprogramme und Computer ein grund- der Technischen Biegelehre abgebildet.
legender Wandel in der Vorgehensweise bei Beim Kastenträger kann so der Gesamt-
der Modellierung und Berechnung von querschnitt, beim Plattenbalken ein Steg
Tragwerken im Brückenbau hin zur Unter- mit dem zugehörigen Teil der Fahrbahn-
suchung komplexerer Systeme vollzogen. platte beschrieben werden. Bei dieser Vor-
gehensweise wird im mechanischen Modell
ausschließlich die Haupttragwirkung abge-
8.2.2.1 Eindimensionale Systeme bildet, und nur die in diesem Modell abge-
bildeten Schnittgrößen können somit be-
Da jedoch auch heute die traditionelle Vor- rechnet werden. Alle übrigen Beanspru-
gehensweise eine breite Anwendung findet chungen, die nicht im Modell abgebildet
und sie außerdem hinsichtlich des Ver- werden, müssen gesondert untersucht und
ständnisses der Lastabtragung von Vorteil die Ergebnisse überlagert werden.
ist, wird die Modellbildung in diesem Kapi- Das Quersystem, das beim Plattenbal-
tel exemplarisch am Beispiel einer Zwei- ken durch die Fahrbahnplatte gebildet wird,
feldträgerbrücke mit zweistegigem Platten- kann ersatzweise durch Balkensysteme ab-
balkenquerschnitt in Massivbauweise vor- gebildet werden, s. Bild 8.2-6, falls keine
gestellt. Hinsichtlich der Besonderheiten Berechnung als Plattentragwerk erfolgt,
anderer Brückentypen wird auf die ent­ vgl. 8.2.2.2. Die Lagerungsbedingungen für
sprechenden Kapitel dieses Buches sowie die Fahrbahnplatte werden durch die Bie-
z. B. auf [Leonhardt, 1979], [Menn, 1990], ge- und Torsionssteifigkeit der Längsträger
[Schleicher, 2003] und [Holst/Holst, 2004] und, sofern vorhanden, der Querträger so-
hingewiesen. wie deren Durchbiegungen und Verdre-
Voraussetzung für die nachstehend be- hungen bestimmt. Da diese in Brücken-
schriebene Vorgehensweise ist die umfas- längsrichtung nicht konstant sind, werden
sende Kenntnis der theoretischen Grund­ in der Regel Bereiche in Feldmitte und in
lagen und der Lastabtragungsmechanismen der Nähe der End- und Zwischenauflager
der jeweils zu berechnenden Brückenkons- untersucht. Die Schnittgrößen können, wie
truktion. In der Wahl des mechanischen in Bild 8.2-6 gezeigt, in zwei Teilsystemen
Modells wird zunächst zwischen Längs- berechnet und anschließend überlagert
und Quertragsystem bzw. Primär- und werden. Die detaillierte Darstellung dieser

Bild 8.2‑7   Zweifeldträger, Balkenmodell


542 8 Berechnung

Berechnungsmethode kann [Holst/Holst, Weist das Bauwerk eine schiefwinklige


2004] entnommen werden. Die Einspan- Lagerung auf, d. h. die Auflagerachsen sind
nung der Fahrbahnplatte in Längsrichtung nicht senkrecht zur Brückenlängsachse an-
in die Querträger ist für eine Berechnung geordnet, so empfiehlt sich eine Abbildung
mit Balkenmodellen wegen der zweiachsi- der Konstruktion in einem zweiaxialen
gen Lastabtragung ungeeignet, so dass hier Modell, vgl. 8.2.2.2, um die Einflüsse der
zweiaxiale Modelle anzuwenden sind. Steifigkeiten von Längs- und Quertragglie-
Zur Aufstellung des statischen Systems dern angemessen berücksichtigen zu kön-
sind neben der Wahl der geeigneten Diffe- nen. Gleiches gilt auch für im Grundriss
rentialgleichung, für das Beispiel in Bild gekrümmte Brücken.
8.2-7 die Differentialgleichung des ebenen Das geometrische Modell wird durch
Balkens nach der technischen Biegelehre, die Brückengeometrie und durch die An-
die Auflagerbedingungen so festzulegen, forderungen des mechanischen Modells
dass sie die zu berechnende Konstruktion definiert. Für einen Durchlaufträger nach
angemessen beschreiben. Entscheidend ist der Technischen Biegelehre sind neben den
dabei die Steifigkeit der stützenden Bautei- Stützweiten die Querschnittswerte zu be-
le. Nur wenn sie im Vergleich zur Steifigkeit stimmen:
des gestützten Bauteils deutlich höher ist
ebener Balken A, Iy
(Faktor ca. 100:1) kann von einer unver-
räumlicher Balken A, Iy  , Iz
schieblichen Lagerung oder von einer star-
Torsion IT , Iω
ren Einspannung ausgegangen werden: Ist
dies nicht der Fall, kann die Lagerung durch Da es sich um große Abmessungen handelt,
Federn abgebildet werden. Falls die Berech- kann in Brückenquerrichtung in der Regel
nung der Federsteifigkeiten nicht mit aus- nicht von konstanten Verzerrungs- und
reichender Sicherheit möglich ist, z. B. bei Spannungszuständen ausgegangen werden,
Einspannungen im Pfeiler oder Widerlager, so dass die mitwirkenden Breiten zu ermit-
ist die Untersuchung eines oberen und un- teln sind. Mit dieser Thematik haben sich
teren Grenzwerts der Steifigkeit der Ein- zahlreiche Forscher beschäftigt und Nähe-
spannung sinnvoll. Darüber hinaus ist die rungslösungen auf der Grundlage geeigne-
Auswirkung der Auflagerverschiebungen ter mechanischer Modelle zur Berechnung
und –verdrehungen zu untersuchen. der Querschnittswerte unter Berücksichti-

Bild 8.2‑8   Mitwirkende Plattenbreite, Spannungsverteilung in Druckgurten


8.2 Systeme, Tragverhalten, Schnittgrößen 543

gung der Scheiben- und Plattensteifigkeit dungen im Betonbau werden nur in Aus-
der Fahrbahnplatte sowie der Biege- und nahmefällen in statischen Berechnungen
Dehnsteifigkeit der Stege entwickelt. Dabei von Überbauten explizit berücksichtigt.
wird die tatsächliche Breite der Fahrbahn- Hinsichtlich der Auswirkungen des nicht-
platte bzw. des Anteils, der auf den jeweili- linearen Materialverhaltens bei Betonbrü-
gen Steg entfällt, auf die mitwirkende Breite cken wird auf [Ernst, 1976 und Mehlhorn/
reduziert, für die die tatsächlich über dem Ernst, 1976] verwiesen. Eine näherungs-
Steg auftretende größte Normalspannung weise Berücksichtigung der Auswirkungen
konstant über die mitwirkende Plattenbrei- nichtlinearen Materialverhaltens erfolgt in
te wirkend angenommen wird und zur glei- der Regel durch Modifikation der Steifig-
chen resultierenden Kraft in der Druckzone keiten. Die Auswirkungen auf Schnittgrö-
führt, vgl. Bild 8.2-8. ßen und Verformungen können in der
[Brendel, 1960], [Stritzke, 1977] und statischen Berechnung z. B. durch die Ab-
[Schleeh, 1973] haben für Massivbrücken minderung des Elastizitätsmoduls oder
Hilfsmittel zur Berechnung der mitwirken- besser durch die Verwendung nichtlinea-
den Plattenbreite unter Berücksichtigung rer Momenten-Verkrümmungs-Beziehun-
unterschiedlicher Belastungsarten (Flä- gen erfasst werden, vgl. 8.2.3.2.
chen-, Streifen-, Einzellast), der Steifigkeit Das Lastmodell ist wie das geometrische
der Platte im Verhältnis zur Steifigkeit Modell stark durch das mechanische Mo-
der Stege entwickelt. [DIN 1075, 1981] re- dell vorbestimmt. Die Einwirkungen aus
gelt als Norm die Berechnung der mit­ Lasten und Zwang müssen so aufbereitet
wirkenden Plattenbreite in Deutschland. werden, dass sie äquivalent zur tatsächli-
Mit der gleichen Thematik zur Tragwir- chen Beanspruchung auf das statische Sys-
kung von Stahlkonstruktionen beschäfti- tem des ebenen oder räumlichen Balkens
gen sich die Arbeiten von [Schmidt/Peil, aufgebracht werden können. Das bedeutet,
1976], [Schmack­pfeffer, 1970] und [Alb­ dass die Lasten in Brückenquerrichtung zu
recht, 1976]. einer Resultierenden zusammengefasst
Bei der Festlegung des geometrischen werden müssen, die in der Systemlinie
Modells ist neben der Abbildung der Bau- des Balkens angreift. Die Exzentrizität der
werksgeometrie die Lage der Bemessungs- Resultierenden ergibt sich als das zugehöri-
punkte zu definieren. Im Längssystem wer- ge Torsionsmoment. Die Berechnung der
den bei parallelgurtigen Trägern die einzel- Lastresultierenden erfolgt mittels Querein-
nen Felder üblicherweise in 10 Teilab- flusslinien, bei deren Ermittlung die Steifig-
schnitte gleicher Länge unterteilt, an denen keiten der einzelnen Bauteile des Überbaus
jeweils die Nachweise im Grenzzustand der (Fahrbahnplatte, Längsträger, Querträger)
Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglich- und gegebenenfalls der stützenden Bauteile
keit geführt werden. Veränderliche Quer- zu berücksichtigen sind. Über die theo­
schnittsabmessungen wie Vouten oder retischen Grundlagen hinaus haben sich
Stegverstärkungen sind bei der Festlegung [Beck, 1953], [Trost, 1961], [Bieger, 1962],
der Bemessungspunkte zu berücksichtigen. [Nötzold, 1969] und [Holst/Holst, 2004]
Im Quersystem wird die Bemessung in der mit dieser Thematik beschäftigt und prak-
Regel an den Stellen der Extremwerte der tisch anwendbare Verfahren entwickelt.
Schnittgrößen durchgeführt. Während Trost in seiner Arbeit Stütz- und
Das Werkstoffmodell sieht als Regelfall gegebenenfalls Feldquerträger zwingend
die Verwendung linear-elastischen Mate- voraussetzt, hat [Nötzold, 1969] erstmals
rialverhaltens vor. Nichtlinearitäten wie eine Methode entwickelt, bei der auf Quer-
das Plastifizieren im Stahlbau oder Rissbil- träger verzichtet werden kann. Da querträ-
544 8 Berechnung

1)
1) 2) 3) 2)

0,75 3)
1,00 0,85

1) starre Lagerung der Fahrbahnplatte auf den Längsträgern


2) Plattenbalken mit üblichen Abmessungen
3) Kastenträger mit normalem Seitenverhältnis (1:1 bis 1:2)
und Plattenbalken mit breiten Stegen
Bild 8.2‑9   Quereinflusslinien für zweistegige Plattenbalken mit unterschiedlichen Steifigkeits­
verhältnissen Platte/Steg nach [Holst/Holst, 2004]

gerlose zweistegige Plattenbalken in Quer- In der ganz überwiegenden Zahl der Re-
richtung deutlich weicher sind, wird in chenprogramme wird die andere Möglich-
dem Berechnungsverfahren nach [Nötzold, keit gewählt. Dabei wird die Last jeweils in
1969] die Berücksichtigung der Lagerung kurzen Abschnitten, in der Regel in den
in Brückenquerrichtung sowie der Steifig- Zehntelpunkten über ihre zugehörige Ein-
keiten der Unterbauten berücksichtigt. flusslänge aufgebracht und es werden die
Bild 8.2-9 zeigt die qualitativen Verläufe aus diesem Anteil der Belastung sich erge-
von Quereinflusslinien für unterschiedli­ benden Schnittgrößen berechnet. Anschlie-
che Steifigkeiten der Längsträger für 2-ste- ßend wird in den einzelnen Zehntelpunk-
gige Plattenbalken. Für übliche Quer­ ten überprüft, ob eine Schnittgröße einen
schnittsabmessungen kann im Rahmen positiven oder negativen Wert aufweist und
einer Vorbemessung überschlägig eine dieser dann zum Schnittgrößen-Maximum
Querverteilung von 0,85/0,15, bei Platten-
balken mit breiten Stegen von 0,75/0,25
angenommen werden.
Mit den so aufbereiteten Einwirkungen
werden die Schnittgrößen für die Einzel-
lastfälle berechnet. Für die ständigen Ein- Bild 8.2‑10   Einflusslinie für das Moment M1,
wirkungen werden die Lasten in der jeweils Zweifeldträger
örtlich auftretenden Größe auf das System
aufgebracht. Bei der Berechnung der
Schnittgrößen aus den veränderlichen
Einwirkungen gibt es grundsätzlich zwei
Möglichkeiten, die ungünstigste Laststel-
lung zu bestimmen. Die erste Möglichkeit,
die Auswertung von Einflusslinien, wird
überwiegend für Vorberechnungen ange- Bild 8.2‑11   Momentengrenzlinie aus verän-
wandt. derlichen Einwirkungen, Dreifeldträger
8.2 Systeme, Tragverhalten, Schnittgrößen 545

oder Minimum aufaddiert. Zusätzlich wer- von Beton-Kastenträgerbrücken geben


den die übrigen, zu diesem Teil-Lastfall ge- [Schlaich/Scheef, 1982]. Zur Berechnung
hörigen Schnittgrößen entsprechend auf- der Zusatzbeanspruchungen, die daraus re-
addiert. Als Ergebnis erhält man Verläufe sultieren, dass die Querschnittsform nicht
für die maximalen und minimalen Schnitt- erhalten bleibt, haben u.a. [Steinle, 1970],
größen mit den entsprechenden zugehö- [Glahn, 1980] und [Lindlar, 1984] Verfah-
rigen übrigen Schnittgrößen, z. B. für einen ren entwickelt, bei denen die Profilver­
ebenen Balken: formung und die daraus resultierenden
Schnittgrößen auf der Grundlage einer
Bemessungs- zugehörige Analogie zum elastisch gebetteten Balken
schnittgröße Schnittgrößen berechnet werden. Bei diesem Verfahren
max/min M zug. V, zug. MT wird die Torsionsbeanspruchung in einen
max/min V zug. M, zug. MT Anteil, der eine Profilverdrehung und einen
max/min MT zug. M, zug. V zweiten Anteil, der eine Profilverformung
hervorruft, aufgeteilt.
Bei dieser Vorgehensweise ist nicht mehr Den eine Profilverdrehung erzeugen-
nachvollziehbar, aus welcher Laststellung den Anteil beschreibt die Theorie der St.
die Schnittgrößen an den einzelnen Bemes- Venant’schen Torsion unter Ansatz eines in
sungspunkten berechnet wurden. Die Be- Umfangrichtung konstanten Schubflusses.
rechnung der Schnittgrößenextreme infol- Der sich aus den Gleichgewichtsbedingun-
ge veränderlicher Einwirkungen kann mit gen unter der Berücksichtigung der Falt-
dieser Methode praktisch nur mittels ge­ werkwirkung in den Ecken des Kastenquer-
eigneter Rechenprogramme durchgeführt schnitts ergebende Anteil, der eine Profil-
werden, da sie einen hohen numerischen verformung hervorruft, wird durch die
Aufwand erfordert. In der praktischen An- Wölbkrafttorsion erfasst. Hierfür können
wendung stellt diese Methode heute das Lösungen auf der Grundlage einer Analo-
Standardverfahren in der Schnittgrößener- gie zur Theorie des elastisch gebetteten Bal-
mittlung dar. kens aufgestellt werden, da beide mit den
Wie beim Plattenbalken können auch gleichen Differentialgleichungen beschrie-
beim Kastenträger die Einflüsse aus der ben werden. Dabei wird die Steifigkeit des
Trag­wirkung in Querrichtung über geson- Kastenquerschnitts in Querrichtung durch
derte Modelle erfasst und in die Berech- die Bettungsziffer CB und in Längsrichtung
nung der Schnittgrößen und Verformun- durch das Trägheitsmoment Iers eines Er-
gen am Hauttragsystem eingebracht wer- satzbalkens beschrieben, z. B. nach [Menn,
den. Einen Überblick über die Berechnung 1990].

Bild 8.2‑12   Torsionsbeanspruchung von Kastenträgern


546 8 Berechnung

nach [DIN 1075, 1981]


la/h ≥ 18;    la/b ≥ 4
la: Abstand der Querträger
b: mittlere Kastenbreite
h: mittlere Kastenhöhe
nach [Menn, 1990]
Bild 8.2‑13   Beanspruchungen aus Profilver-
formung lo ≥ 2 ⋅ (b + h)
lo: Einfeldträger: Spannweite
Durchlaufträger: Abstand der Momenten-
Die Profilverformung erzeugt neben nullpunkte
Querbiegemomenten auch zusätzliche Kragträger: doppelte Spannweite
Längs­normalspannungen. Die Querbiege-
momente können bei gebräuchlichen
Querschnittsabmessungen nach [Leon- 8.2.2.2 Zweidimensionale Systeme
hardt, 1979] mit ca. 20 % des größten Ein-
spannmoments am Anschnitt der Fahr- Bei Haupttragwerken, z. B. bei Plattenbrü-
bahnplatte zum Steg abgeschätzt werden. cken die sich nicht durch eindimensionale
Die zusätzlichen Längsnormalspannungen Systeme beschreiben lassen sowie zur Be-
sind nur dann zu berücksichtigen, wenn die rechnung der Fahrbahnplatten wird eine
folgenden Grenzwerte überschritten wer- Berechnung als ebenes Flächentragwerk er-
den: forderlich. Bei der direkten Berechnung

Bild 8.2‑14   Randbedingungen für den elastisch gebetteten Balken als Ersatzsystem zur Er­fassung
der Profilverformung
8.2 Systeme, Tragverhalten, Schnittgrößen 547

der Schnittgrößen mittels der Plattendiffe- für Fahrbahntafeln von Brücken entwickelt.
rentialgleichung stellen die zutreffende Be- Die Einflüsse aus unterschiedlichen Aufla-
rücksichtigung der Geometrie und der gersteifigkeiten werden bei der Berechnung
Randbedingungen gravierende Probleme der Schnittgrößen mittels Tabellenwerken
dar. Da die stützenden Bauteile, wie z. B. die über Zusatzbetrachtungen an Balkentrag-
Längsträger, keine starre Lagerung und in werken abgeschätzt. Der Umfang der Er-
Längsrichtung veränderliche Steifigkeiten gebnisse von Berechnungen mittels Tabel-
der Auflagerbedingungen darstellen, schei- lenwerken ist in aller Regel stark einge-
tert, abgesehen von sehr einfachen Platten- schränkt, da hier zumeist nur Schnittgrößen
tragwerken, eine geschlossene Lösung. Dar- an ausgewählten Punkten sowie Maxima
über hinaus ist die Abbildung verschiedener und Minima angegeben werden.
Laststellungen der Belastungsfahrzeuge Daher hat sich ab 1950 für die Abbil-
sehr aufwendig. Für die praktische Anwen- dung von Platten im mechanischen Mo-
dung wurden daher insbesondere für die dell die näherungsweise Berechnung mit
Berechnung von Fahrbahnplatten Tabellen- Hilfe von Trägerrosten zum gebräuchlichen
bzw. Tafelwerke aufgestellt, mit denen pra- Verfahren herauskristallisiert. Hierbei wird
xisrelevante Plattentragwerke berechnet die Platte in Streifen in Längs- und Quer-
werden können. Neben Literatur für allge- richtung aufgeteilt, die an den Kreuzungs-
meine Plattentragwerke wie z. B. [Pu- punkten biege- und torsionssteif miteinan-
cher, 1968] oder [Stiglat/Wippel, 1983], hat der verbunden sind. Eine detaillierte Be-
[Rüsch, 1981] spezielle Berechnungshilfen schreibung dieses Rechenverfahrens geben

Bild 8.2‑15   Statisches System einer Fahrbahnplatte mit Einspannung in Längs- und Querträger
548 8 Berechnung

Bild 8.2‑16   Zweistegiger Plattenbalken, ebene Modelle

[Homberg/Trenks, 1962]. Bei Plattenbal- zum einen die Ermittlung adäquater Biege-
ken werden die Stege durch exzentrisch an- und Torsionssteifigkeiten der einzelnen
geschlossene räumliche Balkenelemente Längs- und Querträger, insbesondere unter
abgebildet. In [Menn, 1990] wird ein Ver- Berücksichtigung nichtlinearen Material-
fahren zur Berechnung derartiger Systeme verhaltens. Zum anderen ist die Rückrech-
beschrieben. Dabei ist insbesondere auf nung der Schnittgrößen des Trägerrosts auf
eine zutreffende Modellierung der Steifig- Plattenschnittgrößen schwierig, da sich die
keiten unter Berücksichtigung der Exzent- DGL des Balkens nicht als Grenzfall der
rizitäten der einzelnen Träger zu achten. Platten-DGL ergibt. Die numerische Be-
Auf eine zutreffende Beschreibung der rechnung wurde erst durch den Einsatz
Steifigkeit der Stege durch Querschnitts- elektronischer Datenverarbeitungsanlagen
werte unter Berücksichtung der mitwirken- praktisch handhabbar, da nur so die auftre-
den Plattenstreifen ist zu achten. Bei dieser tenden Gleichungssysteme einer praktisch
Methode gibt es mehrere Probleme. Dies ist umsetzbaren Lösung zugänglich wurden.
8.2 Systeme, Tragverhalten, Schnittgrößen 549

Mit der rasanten Entwicklung der numeri- numerische Berechnung nach der Finite-
schen Rechenmethoden wird die Verwen- Element-Methode, da hierbei sowohl im
dung von Trägerrostmodellen zunehmend mechanischen als auch im geometrischen
durch Plattensysteme auf der Grundlage Modell die Abbildung sehr viel wirklich-
der Finite-Element-Methode abgelöst. Da- keitsnäher erfolgen kann als in einer
bei wird im mechanischen Modell das Trägerrostberech­nung.
Plattentragverhalten im Rahmen der Durch die schiefwinklige Auflagerung
­Approximation durch ein numerisches erfährt der Überbau eine Einspannung in
­Näherungsverfahren beschrieben, vgl. die Querträger. Die Einspannmomente der
[Wunderlich/Redanz, 1995]. Das geomet- Längsträger in die Endquerträger, bei den
rische Modell bildet das Tragwerk im Innenstützen die Differenzen der Biegemo-
Grundriss mit hoher Genauigkeit ab, die mente zwischen den beiden Auflagerrän-
Dickenrichtung wird durch die Integration dern, erzeugen Torsionsmomente in den
der Spannungen über die Plattendicke er- Querträgern, die Biegemomente in den
fasst. Hinsichtlich des Materialmodells Querträgern Torsionsmomente in den
und des Last­modells gelten die Aussagen Längsträgern. Durch die schiefwinklige La-
von 8.2.2.1. gerung weisen die Längsträger in senkrecht
Bei schiefwinklig gelagerten Brücken, zur Längsachse angeordneten Schnitten
d. h. bei Brücken deren Auflagerachsen unterschiedliche Durchbiegungen auf, was
nicht senkrecht zur Längsachse des Über- zu einer Torsionsbeanspruchung in den
baus angeordnet sind, wird sowohl bei Plat- Längsträgern führt. Die Größe der Ein-
ten- als auch bei Balkenbrücken eine Be- spann- und Torsionsmomente hängt von
rücksichtigung der Schiefe dann erforder- der Schiefe sowie von den Steifigkeiten der
lich, wenn diese weniger als 80° beträgt. einzelnen Bauteile ab. Ein geeignetes In-
Für Plattenbrücken empfiehlt sich eine strument zur Überprüfung der Ergebnisse

Bild 8.2‑17   Brückendraufsicht mit wichtigen geometrischen Größen

Bild 8.2‑18   System einer schiefwinklig gelagerten Dreifeldbrücke


550 8 Berechnung

Bild 8.2‑19   Systeme für horizontal gekrümmte Brücken

der EDV-Berechnung stellen daher Hand- dT M


= −  + eq + t  = − mT
rechnungen mit Grenzwertbetrachtungen ds  r 
– gelenkige Lagerung/starre Einspannung  (8.2-1)
– dar. Bei Massivbrücken ist die Reduzie- d2 M
 1 dT 
= − q − 
rung der Steifigkeiten infolge von Rissbil-  ds 2  r ds 
dung zu berücksichtigen. 
Bei im Grundriss gekrümmten Brü- Die Torsionsbelastung des horizontal ge-
cken werden, von Fertigteilbrücken abgese- krümmten Trägers setzt sich aus drei Be-
hen, in der Regel die Längsträger gekrümmt standteilen zusammen:
ausgeführt. Hierdurch ergibt sich eine kon-
tinuierliche Kopplung von Biege- und Tor- • exzentrisch angreifende vertikale Belas-
sionsmomenten in den Längsträgern. Die tung, z. B. aus Verkehr
entsprechende Formulierung der Differen- • Torsionsmomenten-Belastung, z. B. aus
tialgleichung des horizontal gekrümmten Wind
Trägers ist nachfolgend kurz dargestellt. • Umlenkung der Biegemomente infolge
Aus Gleichgewichtsbetrachtungen am der horizontalen Krümmung
Trägerelement ergeben sich die Differenti-
algleichungen des horizontal gekrümmten
Trägers zu:

Bild 8.2‑20   Element eines horizontal gekrümmten Trägers


8.2 Systeme, Tragverhalten, Schnittgrößen 551

8.2.2.3 Dreidimensionale Modelle Dreieckselementen erhalten, da hiermit bei


den zumeist in kommerziellen FE-Pro-
Während die Berechnung von Plattenbrü- grammen verwendeten Elementen mit Ver-
cken mittels ebener FE-Modelle sich inzwi- formungsansätzen die Platten- und Schei-
schen zum Regelfall entwickelt hat, werden ben-Differentialgleichungen besser ange-
komplexere Strukturen wie Plattenbalken nähert werden können.
oder Kastenträger, bei denen zwischen Im geometrischen Modell wird die
Längs- und Quertragwirkung eindeutig Konstruktion in den Schwerlinien der ein-
unterschieden werden kann, im Massiv- zelnen Bauteile abgebildet. Bei Massivbrü-
brückenbau in der Regel auch heute zu- cken ergibt sich damit bei Verwendung von
meist mittels eindimensionaler Systeme Schalen- oder Faltwerkselementen die Pro-
berechnet. Dies ist nicht zuletzt dadurch blematik, dass die Bauteildicken in die Stei-
bedingt, dass das gesamte Vorschriftenwerk figkeit eingehen, jedoch im geometrischen
im Massivbau auf einer stabwerksorientier- Modell nur unzureichend beschrieben wer-
ten Modellierung des mechanischen Ver- den. Dies wirkt sich insbesondere in den
haltens und die Bemessung auf Schnittgrö- Bereichen der Konstruktion aus, in denen
ßen basiert, die in einer räumlichen FE- Bauteile monolithisch miteinander verbun-
Berechnung eine aufwendige Rückrech- den sind, z. B. im Anschluss Längsträger/
nung erfordern. In Ausnahmefällen werden Querträger und Fahrbahnplatte/Längsträ-
auch bei Massivbrücken Plattenbalken und ger. Dies führt dazu, dass die Spannweiten
Kastenträger als räumliche Tragwerke mit- und damit die Schnittgrößen überschätzt
tels Faltwerksmodellen auf der Grundlage werden. Durch Kopplung der Freiheitsgrade
der FEM abgebildet. Im Stahl- und Stahl- der Elemente im Bereich der Dicke des ein-
verbundbrückenbau setzt sich die Abbil- spannenden Bauteils kann dieser Effekt hin-
dung mittels dreidimensionaler Faltwerks- sichtlich der globalen Schnittgrößenverläufe
modelle nach der FEM in der Praxis deut- abgemindert werden. Andererseits wird die
lich stärker durch als im Massivbrücken- Qualität der Ergebnisse für die lokalen
bau. [Schleicher, 2003] gibt einen detail- Schnittgrößen mit dieser Vorgehensweise
lierten Überblick über die Abbildung der- deutlich verschlechtert. Bei Stahlbauteilen
artiger Tragstrukturen im mechanischen stellt sich diese Problematik wegen der ge-
und geometrischen Modell. Die span- ringen Materialdicken nicht in dem Umfang
nungsorientierten Nachweise im Stahlbau wie bei massiven Konstruktionen. Hierbei
erlauben hier eine Aufbereitung der Re- haben Viereckselemente im Vergleich zu
chenergebnisse ohne aufwendige Ermitt- Dreieckselementen dann Nachteile in den
lung resultierender Schnittgrößen. Diese Möglichkeiten einer guten Abbildung, wenn
Form der Abbildung erfordert im mecha- sie keinen isoparametrischen Elementansatz
nischen Modell die Wahl geeigneter Ele- aufweisen, sondern an eine starre Form, z. B.
mentansätze. Hierzu können Faltwerksele- das Rechteck, gebunden sind. Die theoreti-
mente verwendet werden, die durch die schen Grundlagen werden in [Wunderlich/
Überlagerung eines Scheibenelements mit Redanz, 1995] detailliert beschrieben. Zur
einem Plattenelement entstehen, wobei in Wahl einer geeigneten Elementdichte sind
der Steifigkeitsmatrix keine Kopplung der in der Regel mehrere Berechnungen mit
beiden Tragwirkungen enthalten ist, wie charakteristischen Lasten durchzuführen,
dies bei Schalenelementen, die ebenfalls für um ein Optimum zwischen dem erforderli-
derartige Berechnungen geeignet sind, der chen Aufwand in Abbildung und Berech-
Fall ist. Bei der Wahl des Elementtyps nung und der Qualität und Aussagekraft der
sollten Viereckselemente den Vorzug vor Ergebnisse zu erreichen. Moderne Rechen-
552 8 Berechnung

Bild 8.2‑21   Zweifeldbrücke,
FE-Faltwerk-Modell

programme bie­ten hierzu teilweise die Mög- begrenzte Bereiche der Konstruktion zu-
lichkeit, mittels automatischer Netzadaption sätzliche Betrachtungen erforderlich wer-
die Elementdichte den Beanspruchungsver- den. Dies sind z. B.:
läufen anzupassen. • Auflagerpunkte, Pressenansatzpunkte
• Verankerungs- und Umlenkbereiche
von Spanngliedern
8.2.2.4 Detailbereiche
• Querträger
• Steifen
Für die Berechnung der Hauptbeanspru-
• Knotenpunkte wie z. B. Anschlüsse von
chungen von Brückentragwerken erfolgt
Hängern
die Modellierung im Makrobereich. Dabei
werden lokale Beanspruchungen nicht in Die Abbildung von Teilen der Konstruktion
den Modellen erfasst oder nur unzurei- erfolgt in der Regel auf der Meso-Ebene,
chend genau abgebildet, so dass für örtlich vgl. [Keuser/Purainer, 2003], mit Hilfe der

σ = p · a/h

h/4
P a/ D
a/2 α h/4
Z
a/2 h/4
a/4
h/4

h/4 h/2 h/4


b)

Bild 8.2‑22   Beispiele für Berechnungsmodelle von Detailbereichen. a Spannungen aus einer FE-
Berechnung des Hängeranschlusses einer Stabbogenbrücke [Schleicher, 2003]; b Stabwerksmodell
für den Verankerungsbereich eines Spannglieds
8.2 Systeme, Tragverhalten, Schnittgrößen 553

Finite-Element-Methode. Für ebene Bean- • Änderung der Geometrie


spruchungen werden die in 8.2.2.3 genann- • Änderung der statischen Systeme
ten Faltwerks- und Schalenelemente ver- • Änderung der Einwirkungen
wendet. Für dreidimensionale Aufgaben- • Änderung der Lagerung
stellungen sind diese nur bedingt geeignet,
so dass hier räumliche Elemente mit dreidi- Entsprechend dem verwendeten Bauver-
mensionalen Verschiebungsansätzen zum fahren und den Baustoffen ergeben sich
Einsatz kommen. Im Werkstoffmodell ist Modelländerungen bei folgenden Bauver-
eine deutliche differenziertere Beschrei- fahren:
bung als auf der Makroebene erforderlich, • Herstellung auf Lehrgerüst oder Vor-
um lokale Spannungskonzentrationen, schubrüstung
Plastifizierungen und Rissbildungen wirk- • Taktschieben
lichkeitsnah beschreiben zu können. Im • Freivorbau
Betonbau hat neben den numerischen Be- • Mischbauweise (Fertigteile mit Ortbe­
rechnungsmethoden nach wie vor der Ein- ton­ergänzung)
satz von Stabwerksmodellen zur Beschrei- • Herstellung mit Hilfsstützen
bung des Tragverhaltens im Zustand II eine • Herstellung der Fahrbahnplatte im Pil­
große Bedeutung. Zwei Beispiele für die gerschrittverfahren oder kontinuier­
Berechnung von Brückendetails sind im lich
Bild 8.2-22 dargestellt. • Abschnittsweise Herstellung der Fahr-
bahnplatte in Querrichtung
8.2.2.5 Bauzustände Bei Betonkonstruktionen ist dabei zusätz-
lich zu beachten, dass sich infolge des Krie-
Bei Brücken handelt es sich um Tragstruk- chens und Schwindens des zu unterschied-
turen mit großen Abmessungen, die in der lichen Zeitpunkten eingebauten Betons
Regel in mehreren Bauabschnitten herge- zusätzliche Beanspruchungen ergeben und
stellt werden. Dabei müssen die Berech- dass die Schnittgrößenverläufe zeitabhän-
nungsmodelle für die einzelnen Bauzustän- gige Anteile aufweisen. Neben der Be-
de die im Zuge der Herstellung auftretenden schreibung der Auswirkungen von Krie-
Veränderungen berücksichtigen. Insbeson- chen und Schwinden im Lastmodell muss
dere können folgende Änderungen auftre- im mechanischen Modell die Erfassung die
ten, die für die Modellierung von Bedeu- Beschreibung dieser Phänomene möglich
tung sind: sein.

Bild 8.2‑23   Änderung des statischen Systems: Taktschieben


554 8 Berechnung

Bild 8.2‑24   Änderung des statischen Systems: Mischbauweise

Im Werkstoffmodell ist das zeitabhän- Wechselwirkung erforderlich. Eine aus-


gige Materialverhalten in geeigneten For- führliche Darstellung der Berechnung der
mulierungen zu berücksichtigen. Hier wird Unterbauten ist im Abschnitt 8.6 enthalten,
auf [Mehlhorn, 1998] verwiesen. Für die so dass hier im wesentlichen auf die Mo-
Berechnung abschnittsweise hergestellter dellbildung und die statischen Systeme ein-
Spannbetonbrücken in Mischbauweise un- gegangen wird.
ter Verwendung von Fertigteilen beschreibt
[Neurath, 1983] ein Berechnungsverfah-
ren, bei dem das nichtlineare Materialver- 8.2.3.1 Widerlager
halten unter Berücksichtigung der zeit­
abhängigen Kriech- und Schwindprozesse Wie bei den Überbauten werden auch bei
näherungsweise berücksichtigt wird. den Widerlagern traditionell einzelne Teil-
systeme berechnet und die Ergebnisse an-
schließend überlagert. Dabei ist zu beach-
8.2.3 Unterbauten ten, dass Widerlager in aller Regel Falt-
werkskonstruktionen sind, die sowohl
Zusätzlich zu den in 8.2.2 beschriebenen durch Biegung als auch durch Memb-
Aspekten der Modellbildung wird bei den rankräfte beansprucht werden. Die Berech-
Unterbauten im Bereich der Gründungen nung kann mittels ebener Schnitte erfolgen,
die Modellierung der Baugrund-Bauwerks- die horizontal und vertikal so angeordnet

Bild 8.2‑25   Abbildung der Baugrund-Bauwerks-Wechselwirkung


8.2 Systeme, Tragverhalten, Schnittgrößen 555

werden dass die wesentlichen Tragwirkun­ Für die Einleitung der Auflagerkräfte
gen erfasst werden können, vgl. Bilder wird an Stelle einer Scheibenberechnung in
8.2-26, -27 und -29. Die Plattentragwirkung der Regel ein Stabwerksmodell als Ersatz-
wird in diesem Fall durch Zusatzbetrach- system untersucht, vgl. Bild 8.2-28. Dabei
tungen erfasst. Eine detaillierte Beschrei- wird die Normalkraftbeanspruchung der
bung der einzelnen Lastansätze ­geben Widerlagerwand mittels Gleichgewichtsbe-
[Holst/Holst, 2004]. trachtungen unter Vernachlässigung der
Eine bessere Berücksichtigung der Plat- Verträglichkeit abgeschätzt. Im unmittelba-
tentragwirkungen erlaubt die Berechnung ren Bereich der Auflagersockel sind zusätz-
nach [Eibl et al., 1979]. Es werden zunächst lich die Spaltzugkräfte zu berechnen.
die Schnittgrößen in den einzelnen Plat­ten Eine gegebenenfalls erforderliche Tief-
der Teilsysteme getrennt berechnet, an- gründung mittels Pfählen oder Brunnen
schließend wird an den gemeinsamen wird bei dieser Vorgehensweise ebenfalls
­Verbindungskanten jeweils zweier Platten getrennt von den übrigen Bauteilen berech-
ein Momentenausgleich durchgeführt. Die net, vgl. Bild 8.2-30. Dabei wird die Boden-
Scheibenkräfte ergeben sich aus den Aufla- platte des Widerlagers, die gleichzeitig als
gerreaktionen bzw. Querkräften am Plat- Pfahlkopfplatte dient, als starr angesehen.
tenrand der jeweils anschließenden Platte. Die Pfähle werden als horizontal elastisch
gebettete Stäbe betrachtet und sind in die
Pfahlkopfplatte eingespannt. Binden die
Pfähle in eine steife tragfähige Schicht, z. B.
einen Felshorizont ein, wird an Unterkante
Pfahl ein starres vertikales Lager angeord-
net. Bei Einbindung in weiche Schichten
wird eine vertikale Bettung entsprechend
den Angaben des Bodengutachtens zur Be-
rücksichtigung der Mantelreibung gewählt.
Bei sehr weichen Schichten ist die Möglich-
keit des Auftretens negativer Mantelrei-
bung, d. h. der Einleitung von Eigenlasten
aus dem Baugrund in die Pfahlgründung zu
beachten. Die resultierenden Einwirkungen
Bild 8.2‑26   Kastenwiderlager, Berechnungs- aus dem aufgehenden Widerlager ein-
schnitte schließlich der Eigenlast der Pfahlkopfplat-

Bild 8.2‑27   Kastenwiderlager, statische Teilsysteme


556 8 Berechnung

Bild 8.2‑28   Beispiel für Systeme zur Berechnung von Kastenwiderlagern nach [Eibl et al., 1988]

te wird im Schwerpunkt der Platte angesetzt gleich zu den Überbauten in aller Regel
und auf der Grundlage des Weggrößenver- größerer Komplexität der Lastabtragung zu
fahrens auf die einzelnen Pfähle als Hori- sehen, die eine Aufteilung des Gesamtsys­
zontal- und Vertikalkräfte sowie Pfahlkopf- tems in einfacher zu berechnende Teilsys­
momente verteilt. Die Schnittgrößen in den teme schwierig macht. Darüber hinaus hat
einzelnen Pfählen werden ausschließlich an die Berechnung von Widerlagern mit FE-
elastisch gebetteten Balken ermittelt. Programmen in der Regel für den Aufstel-
In den vergangenen Jahren hat sich in ler der Statischen Berechnung wirtschaftli-
der Praxis mehr noch als bei den Überbau- che Vorteile, nicht zuletzt da Geometrie
ten die numerische Berechnung von Wi- und Einwirkungen zumindest qualitativ oft
derlagern als räumliche Faltwerkssysteme durch Modifikation der Daten früherer Be-
mit Hilfe der Finite-Element-Methode rechnungen generiert werden können. Ein
durchgesetzt. Der Grund ist in der im Ver- Beispiel für ein geometrisch anspruchsvol-
les Widerlager, das mittels FEM berechnet
wurde zeigt Bild 8.2-31.

8.2.3.2 Pfeiler

Brückenpfeiler, insbesondere bei hohen


Talbrücken mit großen Stützweiten, wer-
den in der Regel als stabförmige Bauteile
mit Massiv- oder Hohlquerschnitt ausge-
führt. Bei Brücken, die in geringer Höhe
über Gelände verlaufen und bei Flussbrü-
cken werden die Pfeiler zumeist als massive
Stahlbetonscheiben ausgebildet, deren Be-
rechnung grundsätzlich analog zu der einer
Bild 8.2‑29   Stabwerksmodell für eine Wider- Widerlagerwand ohne eingespannte Flügel
lagerwand erfolgt, so dass hier nicht nochmals darauf
8.2 Systeme, Tragverhalten, Schnittgrößen 557

Bild 8.2‑32   Statisches System eines Brücken-


pfeilers

eingegangen wird. Pfeiler sind durch hohe


Normalkräfte aus den vertikalen Auflager-
kräften des Überbaus sowie durch Biege-
momente und Querkräfte aus den horizon-
talen und vertikalen Auflagerkräften und
Bild 8.2‑30   Pfahl- bzw. Pfahl-Platten Grün- den Windlasten in Längs- und Querrich-
dung tung der Brücke belastet.
Bei der Beschreibung des Pfeilers als in
die Gründung eingespannten Kragarm
wird als mechanisches Modell der Balken
nach der Technischen Biegelehre verwen-
det. Wegen der hohen Normalkraftbean-
spruchung ist dabei neben der Regelbe-
messung ein Nachweis unter Berücksichti-
gung der Zusatzschnittgrößen aus den
Verformungen nach Theorie II. Ordnung
zu führen. Da diese in hohem Maße von
den Steifigkeiten abhängen, sind im Werk-
stoffmodell die Abnahme der Biegesteifig-
keit infolge Rissbildung und der Einfluss
des Kriechens infolge der Dauerlasten zu
berücksichtigen. Für die wirklichkeitsnahe
Berechnung der Verformungen und Schnitt-
größen unter Berücksichtigung der Steifig-
keiten im Zustand II hat sich die Verwen-
dung von M-N-κ-Beziehungen als sinnvoll
erwiesen. Für die praktische Anwendung
Bild 8.2‑31   FE-System eines Widerlagers mit wird für einen definierten Querschnitt und
Pfahlgründung eine konstante Normalkraft an ausgezeich-
558 8 Berechnung

κ = Verkrümmung der
M Biegelinie
N = const.
M4 R = Verkrümmungsradius
M3
4
M2 3 1 Beginn der Rissbildung
2
2 Bewehrung auf der
Zugseite
M1 1 M
1 3 Bewehrung auf der
κ= =
Druckseite
R EI
1 4 Querschnitt versagt auf Zug
κ  oder Druck
m
Bild 8.2‑33   Vereinfachte Momenten-Verkrümmungs-Beziehung

neten Punkten der Zusammenhang zwi- ßen unter Berücksichtigung der Theorie II.
schen dem Biegemoment, der Biegesteifig- Ordnung und des wirklichkeitsnahen Ma-
keit und der Verkrümmung der Biegelinie terialverhaltens nach dem Prinzip der vir-
ermittelt. tuellen Kräfte berechnen.
Falls die Querschnittsabmessungen oder
x M M ⋅ dx x
die Normalkraft über die Trägerhöhe nicht w( x ) = ∫
1
= ∫ κ (x ) M1 (x ) dx
konstant ist, wird der Pfeiler in Abschnitte o EI o
unterteilt, für die näherungsweise die je- (8.2–5)
weiligen Mittelwerte der Querschnittswerte Da es sich in der Regel um nichtlineare Mo-
und der Schnittgrößen als konstant ange- menten- und Steifigkeitsverläufe handelt,
setzt und so der kontinuierliche Verlauf kann die Integration nicht geschlossen
treppenförmig angenähert wird. Dies gilt durchgeführt werden. Daher kommen nu-
beispielsweise für die Pfeiler hoher Talbrü- merische Integrationsverfahren, z. B. nach
cken, die in der Regel zum Pfeilerkopf hin Simpson zur Anwendung, bei denen die
schlankere Abmessungen haben und durch gekrümmten Verläufe abschnittsweise
die Eigenlast des Pfeilers auch eine verän- para­belförmig erfasst werden. Die so ermit-
derliche Normalkraft aufweisen. telte Kopfverschiebung ist infolge der Zu-
Mit dem gem. Bild 8.2-33 erstellten Zu- satzmomente größer als der Wert, der in die
sammenhang zwischen Biegemoment und Ermittlung von Mo eingegangen ist. Daher
Querschnittssteifigkeit lassen sich nun die erfolgt die Berechnung der endgültigen
Verformungen und daraus die Schnittgrö- Verformung w (x) inkrementell.

V
M Mo κo 1
w (x) linear-
x M
elastischer
Anteil

ΔMII H

M1 κ1 H
Stat. System Biegemomente M Verkrümmung κ Virtuelles Moment H
Bild 8.2‑34   Berechnung einer Kragstütze nach Theorie II. Ordnung
8.2 Systeme, Tragverhalten, Schnittgrößen 559
n
w ( x ) = w o ( x ) + ∑ ∆ wi ( x ) Sonderfällen,
(8.2−6) wie z. B. zur Berechnung der
i =1
 (8.2–6)
Schienenspannungen bei Eisenbahnbrü-
mit wi (x ) = wi (x ) − wi −1 (x ) cken und bei hohen Talbrücken mit Begren-
wo (wx ) (x) formung nachnach Theorie zung der Horizontalverformungen, wird die
VerVerformung
o
∆ w ( x ) Verformungszuwachs Berechnung
nach Theorie II. Ordnungder Haupttragwirkungen an
i I. Ordnung
im Re chenschritt i einem Gesamtsystem erforderlich, bei dem
∆wi (x) Verformungszuwachs nach
Über- und Unterbauten miteinander ver-
Theorie II. Ordnung im
bunden sind, vgl. Bild 8.2-35. Bei Brücken
Rechenschritt i
mit geringer Steifigkeit der Unterbauten
Die Berechnung kann abgebrochen werden, werden zur Berechnung der Schnittgrößen
wenn der Verformungszuwachs ∆wi (x) ei- nach Theorie II. Ordnung Berechnungen
nen Toleranzwert, z. B. 5% der Verformung am Gesamtsystem erforderlich, da die stüt-
nach Theorie I. Ordnung, unterschreitet. zende Wirkung des Überbaus auf die Pfeiler
nur so wirklichkeitsnah erfasst werden
kann. Dieser Fall kann bei großen Pfeilerhö-
8.2.4 Gesamtsysteme hen und bei Gründungen mit geringer Stei-
figkeit auftreten. Die Abbildung erfolgt im
Bei Rahmen-, Schrägkabel- und Hängebrü- mechanischen Modell in der Regel mittels
cken, bei Balkenbrücken in einer Reihe von räumlicher Stabwerkselemente, die im geo-

Bild 8.2‑35   Berechnung der Schnittgrößen aus Horizontallasten in Längs- und Querrichtung am


Gesamtsystem
560 8 Berechnung

metrischen Modell in den Schwerlinien der 1. Grenzzustand der Tragfähigkeit: Unter


einzelnen Bauteile angeordnet sind. Falls die den Einwirkungen, die bei der Errich-
Lagerwege durch konstruktive Maßnahmen tung, während der Nutzung einschließ-
begrenzt sind, ist dies durch die Berücksich- lich Instandsetzungsarbeiten und wäh-
tigung von Systemen mit veränderlicher rend der geforderten Reststandzeit auf-
Gliederung, zum Beispiel durch die Einfüh- treten, darf das Tragwerk nicht einstür-
rung verformungsabhängiger Auflagerbe- zen. Grenzzustände der Tragfähigkeit
dingungen, zu berücksichtigen. Alternativ sind:
hierzu kann eine Modellierung mittels Falt- – Verlust des statischen Gleichgewichts
werks- oder Schalenelementen erfolgen, vgl. (Umstürzen oder Gleiten des als star-
Abschnitt 8.2.2.3. Im Werkstoffmodell ist ren Körper gedachten Tragwerks oder
insbesondere bei den Pfeilern das nichtline- einzelner Teile: Lagesicherheitsnach-
are Materialverhalten zu berücksichtigen, weis);
vgl. 8.2.3.2, z. B. durch wirklichkeitsnahe – Bruch oder dem Bruch gleichgestellte
M-N-κ-Beziehungen. Die Beschreibung der Verformungen von Tragwerksteilen
Einwirkungen im Lastmodell entspricht der durch Erreichen der Fließgrenze;
in 8.2.2.1 erläuterten Vorgehensweise. Da- – Verlust der Stabilität des Bauwerks
bei ist zu beachten, dass bei Verwendung oder einzelner Teile;
nichtlinearer Materialgleichungen die Über- – Entstehung eines Mechanismus des
lagerung von Einzellastfällen nicht zulässig Gesamttragwerks oder von Trag-
ist. Daher sind hier die ungünstigsten hori- werksteilen (kinematische Kette).
zontalen Lasten sowie Zwang gemeinsam Diese Versagensart ist im Brückenbau
auf das System aufzubringen. allenfalls bei außergewöhnlichen Ein-
wirkungen (Erdbeben, Anprall) von
Bedeutung.
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 2. Grenzzustand der Gebrauchstauglich-
keit: Um seine Funktion erfüllen zu kön-
Günter Ramberger, nen, muss das Tragwerk bei der geplan-
Francesco Aigner ten Nutzung die geforderten Gebrauchs­
und Thomas Petraschek eigenschaften besitzen. Grenzzustände
der Gebrauchstauglichkeit sind unter
8.3.1 Grundlagen anderem:
– Verformungen, die die Nutzung oder
Unabhängig vom Baustoff und der Bauwei- das Erscheinungsbild beeinträchti-
se werden in den Europäischen Normen gen;
(EN) Nachweise der Tragfähigkeit und der – Schwingungen, die die Nutzung be-
Gebrauchstauglichkeit der Tragwerke ge- einträchtigen;
fordert, bei dynamisch beanspruchten – Abheben an Lagern (ohne Umsturz-
Konstruktionen bzw. Konstruktionsteilen gefahr).
außerdem der Nachweis der Ermüdungs- 3. Grenzzustand der Ermüdungsfestigkeit:
festigkeit. Die Grundlagen für die Nach- – Bruch in einem Querschnitt infolge
weise sind in der [EN 1990] niedergeschrie- von Materialermüdung.
ben. Die Nachweise beziehen sich auf
Grenzzustände, die als jene Zustände defi- Die anstelle von Großversuchen geführten
niert sind, bei deren Überschreitung die rechnerischen Nachweise erfolgen unter
geforderten Eigenschaften nicht mehr er- Einbeziehung folgender mathematischer
füllt sind. Modelle:
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 561

1. Einwirkungsmodell: Die für den Nach- sich mit Hilfe statistischer Methoden
weis maßgebenden Einwirkungen (Las- Wahrscheinlichkeiten angeben, mit de-
ten, Verschiebungen, Temperatureinwir- nen die Grenzzustände erreicht werden
kungen) werden aufgrund von Beobach- (Versagenswahrscheinlichkeiten). Um
tungen und Messungen bzw. aufgrund die praktische Berechnung nicht mit den
des vorgesehenen Betriebs festgelegt­ Dichtefunktionen durchführen zu müs-
und sind in den Belastungsnormen sen (probabilistisches Sicherheitskon-
[EN 1991] niedergeschrieben. Die Norm zept), sondern diese mit festgelegten Grö-
unterscheidet ständige Einwirkungen ßen durchführen zu können und damit
G, veränderliche Einwirkungen Q und wesentlich zu vereinfachen, werden die
außergewöhnliche Einwirkungen A. Bei Einwirkungen und Widerstände von ei-
Brückennachrechnungen kommen zu- nander entkoppelt und es werden aus den
weilen anstelle der Normen‑Lastmodelle charakteristischen Größen (95%‑Fraktil-
reale Betriebslastenzüge in Frage, wobei werte bei Einwirkungen, 5%‑Fraktilwerte
spezifische Betriebsbeschränkungen be- bei Widerständen) durch Berücksichti-
rücksichtigt werden können. gung von Teilsicherheitsfak­toren γSd ≥ 1
2. Widerstandsmodell: Der Widerstand (für Einwirkungen) bzw. γRd ≥ 1 (für Wi-
eines Tragwerks ist von geometrischen derstände) Bemessungswerte der Einwir-
Größen a und von Werkstoffeigenschaf- kungen Gd, Qd und Widerstände Rd ge-
ten X abhängig. Im Gegensatz zu den wonnen. Die statischen Nachweise wer-
Einwirkungen und der sicherheitstheo- den mit diesen Bemessungswerten ge-
retischen Beurteilung sind die Trag- führt (semiprobabilistisches Sicherheits-
werks- bzw. Bauteilwiderstände vom ver- konzept). Teilsicherheitsbeiwerte γSd > 1
wendeten Baustoff abhängig. Die Regeln sind für den Tragsicherheitsnachweis zu
zur Ermittlung der Widerstände sind in verwenden, wenn dadurch der Nachweis
den baustoffspezifischen Normen nie- ungünstiger wird, anderenfalls ist γSd = 1
dergeschrieben (Stahlbau: EN 1993). zu setzen. Beim Nachweis der Gebrauchs­
3. Sicherheitsmodell: Grundlagen und nor- tauglichkeit ist γSd = γRd = 1. Bei der Er-
menmäßige Aufbereitung des zugrunde mittlung von Gd, Qd wird durch Einfüh-
liegenden semiprobabilistischen Sicher- rung von Kombinationsbeiwerten ψi ≤ 1
heitskonzepts sind in [EN 1990] angege- dem Umstand Rechnung getragen, dass
ben. Das Si­cherheitsmodell verknüpft das bei Überlagerung sämtlicher relevanter
Einwirkungsmodell mit dem Wider- Einzeleinwirkungen das Zusammenwir-
standsmodell. Es erfasst die Streuungen ken statistisch unabhängiger Einwir-
bei den Einwirkungen und Widerständen kungen in voller Größe, d.h. mit den Ein-
und Idealisierungen bei der Modellbil- zelwerten Qki , unwahrscheinlich ist. Mit
dung und regelt das Sicherheitsniveau. den Kombinationsbeiwerten können alle
Einwirkungen und Widerstände sind kei- veränderlichen Einzeleinwirkungen (be-
ne genau angebbaren Größen, sondern gleitende Einwirkungen: i ≥ 2) bis auf
hängen von streuenden Größen ab eine (führende Einwirkung: i = 1) abge-
(Einwirkun­gen, Materialwerte, Bauteil- mindert werden.
geometrie). Daher lässt sich eine Sicher-
heit gegen das Erreichen der o.g. Grenz- Es ist nachzuweisen, dass unter den maßge-
zustände durch eine Gegenüberstellung benden Einwirkungen die betrachteten
von Erwartungswerten nicht zahlenmä- Grenzzustände im Sinne der geforderten
ßig angeben. Sind die Ausgangsgrößen Versagenswahrscheinlichkeiten nicht er-
durch Dichtefunktionen gegeben, lassen reicht bzw. überschritten werden. In der
562 8 Berechnung

EN 1990 sind die Versagenswahrschein- Bei der Ermittlung des Querschnittswider-


lichkeiten mit 10−6 pro Jahr für Grenzzu- stands muss örtliches Beulen dünnwandiger
stände der Tragfähigkeit und mit 10−3 pro Querschnittsteile infolge von Druckspan-
Jahr für Grenzzustände der Gebrauchstaug- nungen berücksichtigt werden. Abhängig
lichkeit festgelegt. von den Breiten‑Dicken‑Verhältnissen b/t,
dem Spannungsverlauf und den Randbe-
Nachweisformat für den Tragfähigkeits- dingungen der betrachteten Einzelbleche
nachweis (Grenzzustand: Verlust des sind vier Querschnittsklassen definiert:
Gleich­gewichts):
Klasse 1 – plastische Querschnitte: Die
Ed, dst ≤ Ed, stb Querschnitte können voll plastizieren
wobei: (Fließgelenkbildung) und besitzen im
durchplastizierten Zustand eine aus­
Ed, dst Ungünstige (destabilisierende) reichende Rotationskapazität, so dass
Auswirkung der Einwirkungen eine Momentenumlagerung möglich ist;
Ed, stb Günstige (stabilisierende)
Auswirkungen der Einwirkungen Klasse 2 – kompakte Querschnitte: Die
Querschnitte können voll plastizieren
Der Widerstand des Tragwerks oder von
(Fließgelenkbildung), besitzen jedoch
Tragwerksteilen gegenüber den Einwirkun-
im durchplastizierten Zustand keine Ro-
gen kann über den Widerstand gegenüber
tationskapazität, so dass eine Momenten­
den Einwirkungen, über den Querschnitts-
umlagerung nicht möglich ist;
widerstand oder über den Widerstand in
der Querschnittsfaser ausgedrückt werden. Klasse 3 – halbkompakte Querschnitte:
Nachweisformate für den Tragfähigkeits- Die Querschnitte können nicht plasti-
nachweis (Grenzzustand: Fließen): zieren, am höchstbeanspruchten Quer-
schnittsrand kann jedoch die Streck-
QRk
QSd ≤ = QRd grenze fy ausgenützt werden;
 γM
Klasse 4 – elastische Querschnitte: Ohne
(Einwirkungsniveau)
Aussteifungen kann am höchstbean-
QRk spruchten Querschnittsrand die Streck-
SSd ≤ SSd (QSd ) ≤ = QRd grenze fy nicht ausgenützt werden.
γM
(Querschnittsbeanspruchung) Je nach Ausnutzung von plastischen Reser-
ven und der damit verbundenen Fähigkeit
der Momentenumlagerung kennt die
[EN 1993] drei Berechnungsarten für den
Tragfähigkeitsnachweis:
(Faserbeanspruchung)
wobei: Verfahren P‑P: Fließgelenktheorie (oder
Fließzonentheorie), siehe [Rubin et al.,
Q Einwirkungen 1982]. Erfordernis: Plastische Quer-
S Querschnitts- schnitte an den Stellen, wo sich Fließge-
beanspruchung lenke bilden bzw. kompakter Quer-
σv v. Mises-Vergleichsspannung schnitt beim letzten Fließgelenk;
fy Fließgrenze
γM Teilsicherheitsbeiwert Verfahren E‑P: Elastische Schnittgrö-
Index „Sd“ Einwirkungsseite ßenberechnung, Querschnittsnachweise
Index „Rd“ Widerstandsseite unter Berücksichtigung der Plastizier-
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 563

barkeit. Erfordernis: Kompakter Quer- solchen Fällen müssen die aus den einzel-
schnitt beim Fließgelenk; nen Tragsystemen resultierenden gleichar-
tigen Spannungen (σx, σy  , τxy) addiert wer-
Verfahren E‑E: Elastische Schnittgrö-
den. Der Tragsicherheitsnachweis kann nur
ßenberechnung, Nachweis der elasti-
in den Querschnittsfasern geführt werden:
schen Grenzlast.
fy
Bei Vollwandkonstruktionen des Brücken- s v = s v (QSd ) ≤ f Rd = .
baus sind hohe, aus Blechen zusammenge- gM
schweißte Querschnitte mit dünnen Stegen Das Gleiche gilt beim Nachweis der Ermü-
und gegebenenfalls dünnen Gurtungen dungsfestigkeit.
charakteristisch. Um die elastische Grenz- Bei Tragfähigkeitsnachweisen sind die
last solcher Querschnitte ausnützen zu kön- Wirkungen von Imperfektionen zu berück-
nen (Fließen in der Randfaser), müssen die sichtigen. Es gibt geometrische Imperfek­
dünnen gedrückten Bleche ausgesteift wer- tionen (z. B. ungewollte Vorkrümmungen,
den. Nach [EN 1993‑2, 2007] sind für den Schiefstellungen, Anschlussexzentrizitäten)
Tragfähigkeitsnachweis im Stahlbrücken- und strukturelle Imperfektionen (Eigen-
bau die Verfahren E‑E und E‑P zugelassen, spannungen aus dem Walz- oder Schweiß-
eine plastische Schnittkraftberechnung (Re- prozess, Inhomogenitäten, Anisotropien
chenverfahren P‑P) nur bei außergewöhn- usw.). Für die praktische Berechnung wer-
lichen Einwirkungen. Neben der Span- den strukturelle Imperfektionen zunächst
nungsbegrenzung ist bei elastischer Schnitt- durch geometrische Imperfektionen ausge-
kraftberechnung (Berechnungsverfahren drückt und diese in der Regel durch Ersatz-
E‑E und E‑P) die Gültigkeit des Superposi- lasten in der statischen Berechnung berück-
tionsgesetzes von besonderer Bedeutung. sichtigt. Die Größen der zu berücksichti-
Dadurch können Schnittkräfte infolge von genden Imperfektionen sind in den bau-
veränderlichen Lasten (Verkehrslasten) stoffspezifischen Normen (z. B. [EN 1993‑1‑1
durch Auswertung von Einflusslinien oder oder 1993‑2, 2007]) angegeben. Die Imper-
Einflussflächen ermittelt werden. fektionen sind in der Weise zu berücksichti-
Im Brückenbau kommen häufig Sys­ gen, dass die Bemessungssituation dadurch
teme vor, die aus ineinander geschachtelten ungünstiger wird. Eng mit dem Problem der
Einzelsystemen bestehen. So kommen bei- Größe der Imperfektionen sind die Ausfüh-
spielsweise dem Fahrbahnblech einer or- rungs- und Toleranznormen verknüpft. Bei
thotropen Platte mit Längs- und Querträ- einfachen Stabilitätsnachweisen (Knick-
gern folgende Funktionen zu: nachweis) sind die Imperfektionen in Tabel-
len bereits eingearbeitet und werden beim
• Örtliche Lastübertragung der auf das
Nachweis nicht direkt berücksichtigt.
Fahrbahnblech wirkenden Lasten auf
die Längsträger (Biegespannungen)
Nachweisformat für den Gebrauchstaug-
• Obergurt der Längsträger (Membran­
lichkeitsnachweis (Grenzzustand: Verfor-
spannungen)
mungen):
• Obergurt der Querträger (Membran­
spannungen) Ed ≤ Cd
• Gurtung des Hauptträgers (Membran­ wobei:
spannungen)
Ed Auswirkung der maßgebenden Last-
Ähnlich zu behandeln sind Spannungszu- kombination (z. B. Durchbiegung)
stände, die aus globalen Anteilen und aus Cd Grenzwert der Auswirkung
örtlichen Lasteintragungen bestehen. In (z. B. Grenzwert der Durchbiegung)
564 8 Berechnung

Beim Gebrauchstauglichkeitsnachweis wer­ rüstgeometrie), wird bei der Fertigteilbau-


den nur die Formänderungen infolge der weise des Stahlbaus die Sollform durch
Nutzlasten (Verkehrslasten) berücksichtigt. entsprechende Formgebung des einzubau-
Formänderungen infolge ständiger Einwir- enden Tragwerks bzw. der einzubauenden
kungen werden durch Überhöhung ausge- Tragwerksteile (Bauteile) erzielt. Die in der
glichen und sind daher für den Nachweis Werkstatt hergestellte Form des Trag­
der Gebrauchstauglichkeit ohne Bedeu- werks, die nach dem Zusammenbau (g1)
tung. und nach Aufbringung aller ständigen Ein-
wirkungen (g2) unter der Wirkung der
Schwerkraft die Sollform ergibt, wird Werk-
8.3.2 Ausgewählte Probleme stattform genannt. Sie entspricht der Trag-
werksform im spannungslosen Zustand.
In den folgenden Abschnitten werden Die Werkstattform wird aus der Sollform
exemplarisch einige im Stahlbrückenbau erhalten, indem von dieser die Verformun-
typische statische Probleme herausgegrif- gen infolge von g = g1 + g2 in negativer
fen: Richtung aufgetragen werden (Über­
höhung). Bezugstemperatur ist die Jahres-
1. Sollform und Festlegung der Werkstatt- mitteltemperatur T0 = +10 °C, auf die alle
form Bauwerks- und Bauteilabmessungen be­
2. Systemvorspannung bei statisch unbe- zogen werden. Dies ist vor allem bei Sys­
stimmten Systemen temen von Bedeutung, die unter Tempera-
3. Berechnung von Montagezuständen tureinwirkungen ihre Form verändern, z. B.
4. Ermüdungsfestigkeit bei Bogen- und Rahmenbrücken. Verwen-
5. Nebenspannungen in Fachwerken det man beim Zuschnitt der Einzelposi­
6. Theorie II. Ordnung bei Hängebrücken tionen Stahlmaßbänder, d. h. Maßbänder
7. Beulen ebener Bleche mit dem gleichen thermischen Ausdeh-
nungskoeffizienten αT wie die abzumessen-
8.3.2.1 Sollform und Werkstattform den Teile, braucht keine Anpassung der
Längen infolge des Temperatureinflusses
Ausgangspunkt für die Formgebung eines berücksichtigt zu werden. Es wird dann
Tragwerks ist die Sollform. Darunter ver- zwar „absolut falsch“, jedoch „relativ rich-
steht man jene Geometrie, die das Tragwerk tig“ gemessen. Anders verhält es sich, wenn
unter der Wirkung der Eigenlast g1 Seile auf einer ortsfesten, in ihren Mess-
(Stahlkonstruktion)
­ und der ständigen marken von der Temperatur praktisch un-
Lasten g2 (z. B. Schotterbett, Randbalken, abhängigen Ablängbank abgelängt werden.
Gleiskörper) aufweisen soll. Die Sollform In diesem Fall ist beim Ablängen der Seile
ist durch die Angaben der Streckenplanung der Temperaturunterschied zwischen der
hinsichtlich der Fahrweggeometrie (Schie- o. g. Bezugstemperatur der Konstruktion
nenoberkante oder Fahrbahnoberkante) (+10 °C) und der Temperatur der Abläng-
vorgegeben. Durch den Fahrbahnaufbau bank zu berücksichtigen. Bild 8.3-1 zeigt
und die Tragwerksquerschnitte ist damit die Werkstattform einer kleinen Schrägka-
die Tragwerksachse festgelegt. Anders als belbrücke, deren Fahrbahn­oberkante in
bei Tragwerken in Ortbetonbauweise, bei einer Kuppe mit dem Radius r = 10000 m
denen die Sollform durch geeignete Form- liegt.
gebung der Unterstützungen beim Einbrin-
gen des weichen Betons erfolgt (Lehrge-
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 565

Bild 8.3‑1   Werkstattform einer Schrägkabelbrücke

8.3.2.2 Systemvorspannung bei statisch unbelasteten System ein von Null verschie-
unbestimmten Systemen dener Schnittkraftzustand. Die Differenz
zwischen den für das gleiche Lastbild zu
Bei einem n‑fach statisch unbestimmten ermittelnden Schnittkraftzuständen S und
System können unter der Wirkung eines S* entspricht einer Systemvorspannung.
bestimmten Lastbildes n von einander un- Die Systemvorspannung ist ein Eigenspan-
abhängige statische Größen (Schnittgrößen nungszustand (Summe der Auflagerkräf-
X*i bzw. Verformungen δ*i) frei gewählt te = 0). Besteht zwischen Spannungen und
werden und man erhält damit den Schnitt- Dehnungen ein umkehrbar eindeutiger
kraftzustand S* . Bezeichnet man die ent- Zusammenhang (Elastizitätstheorie), so ist
sprechenden Größen, die sich aus einer einem bestimmten Schnittkraftzustand S
konventionellen statisch unbestimmten genau ein Verschiebungszustand δ zuge-
Berechnung ergeben, mit Xi bzw. δi und ordnet und umgekehrt. Daher kann man
den daraus resultierenden Schnittkraftzu- den Schnittkraftzustand S* durch entspre-
stand mit S und ist Xi ≠ X*i bzw. δi ≠ δ*i , so chende Formgebung der werkstattmäßig
ist auch Si ≠ S*i . Damit existiert bereits am gefertigten Bauteile erzeugen. Somit sind
566 8 Berechnung

bei statisch unbestimmten Systemen die 1. M F1,g + max. M F1,q = MSt1,g + min. MSt1,q
Schnittkräfte unmittelbar von der Geomet-
rie abhängig und die Schnittkraftberech- 2. M F3,g + max. M F3,q = MSt 2,g + min. MSt 2,q
nung ist mit der Werkstattform untrennbar
3. M1 = 0 (Pylon momentenfrei)
verknüpft, die Festlegung der Werkstatt-
form ist ein äußerst wichtiger Teil jeder sta- Die ersten beiden Bedingungen zielen auf
tischen Berechnung. Die einfache Möglich- eine möglichst gleichmäßige Ausnützung
keit einer Systemvorspannung durch die und damit günstige Dimensionierung des
Formgebung ist insofern von besonderer Streckträgers, die dritte Bedingung auf eine
wirtschaftlicher Bedeutung, als mit einem in einfache Formgebung des Pylonen. Bild
der Regel erträglichen Mehraufwand an Ma- 8.3-2 zeigt die Momentenlinien Mg , Mq ,
terial in einigen Tragwerksteilen ein Eigen- Mp , M–g , Mg  +   q  , M–g   +  q (alle auf Gebrauchs-
spannungszustand in das Gesamttragwerk last-Niveau) sowie die zugehörige Werk-
eingebracht werden kann, durch den sich stattform, die sich aus der Sollform durch
für den Endzustand die Schnittkräfte opti- Abziehen der Biegelinie w–g ergibt. Ein Ver-
mal einstellen lassen. Bezieht man sich dabei gleich mit Bild 8.3-1 zeigt, wie durch die
insbesondere auf die ständig wirkende Be- Änderung der Werkstattform eine völlig
lastung g = g1 + g2  , so braucht man bei der andere Schnittkraftverteilung erzielt wer-
ohnehin notwendigen Festlegung der Werk- den kann.
stattform nur zusätzlich den der gewünsch- Bei Bauteilen mit Normalkraft (Pylon,
ten Systemvorspannung zugeordneten Ver- Streckträger, Seile) sind bei der Festlegung
formungszustand zu berücksichtigen. Der der Werkstattform selbstverständlich auch
Zustand g1 + g2 + P = g + P „ständig wirken- die entsprechenden Längenänderungen zu
de Belastung + Systemvorspannung“ wird berücksichtigen. Seile erhalten die Kraft,
zu dem Zustand „ständige Last“ zusammen- die sich aus der statischen Berechnung er-
gefasst und weiterhin mit –g bezeichnet. Die gibt, durch entsprechende Ablängung. Im
Werkstattform solcherart vorgespannter, gezeigten Fall ist der Streckträger um 6 mm
statisch unbestimmter Systeme wird grund- länger und der Pylon um 3 mm länger zu
sätzlich genauso ermittelt wie jene nicht vor- fertigen, als es dem Nullzustand entspricht.
gespannter Systeme, indem das Verfor- Um die vorgesehenen Seilkräfte zu erhal-
mungsbild des Zustandes „ständige Last“ ten, sind die Seile um 108 bzw. 107 mm kür-
(ohne Vorspannung: g; mit Vorspannung: –g ) zer einzubauen, als es dem spannungslosen
ermittelt und von der Sollform in negativer Zustand entspricht. Aus dem Bild erkennt
Richtung aufgetragen wird. Betrachtet man man, dass durch die gewählte Systemvor-
z. B. die in Bild 8.3-1 dargestellte Schräg­ spannung wesentlich geringere max./min.
kabelbrücke, so lassen sich durch Vorspann- Schnittkräfte im Streckträger entstehen und
maßnahmen, d. h. durch Festlegung einer dieser daher besser ausgenützt wird. Die
geeigneten, von der Werkstattform für stän- Seilkräfte und Normalkräfte im Pylon wer-
dig wirkende Belastungen abweichenden den dafür deutlich größer: Die Seilkräfte
Werkstattform für das teuere Fahrbahndeck infolge g + q betragen 2630 bzw. 2490 kN,
wesentliche Einsparungen in den Massen jene infolge g– + q 5230 bzw. 5120 kN. Im
erzielen. Außerdem wird die werkstattmäßi- Pylon beträgt die Normalkraft infolge g + q
ge Fertigung des Pylonen einfacher. Bei dem −2400 kN und infolge g– + q −4700 kN. Die
dreifach statisch unbestimmten System Mehrkosten für diese Elemente, die bei ei-
kann man drei voneinander unabhängige ner Schrägkabelbrücke üblicher Bauart ca.
statische Größen wählen. Im vorliegenden 10–20% der Gesamtmasse des Tragwerks
Fall wurde gewählt: ausmachen, stehen in keinem Verhältnis zu
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 567

Bild 8.3‑2   Systemvorspannung bei einer Schrägkabelbrücke


568 8 Berechnung

den überaus bedeutenden Ersparnissen statisch nachzuweisen, wobei es sehr


beim konstruktiv aufwendigen Streckträger zweckmäßig ist, den Montageablauf zu-
(Kastenquerschnitt mit orthotroper Fahr- nächst schematisch (zeichnerisch) darzu-
bahnplatte). Beispielsweise betragen bei der stellen. Nach Beendigung der Montage und
Rheinbrücke Oberkassel (Montage siehe nach dem Aufbringen aller ständig wirken-
Kapitel 9.2.5) die Massen von Streckträger, den Belastungen und allfälliger Auflager­
Pylonen und Seilen ca. 7000 t, 600 t und bewegungen ist der Schnittkraftzustand
500 t; ohne Systemvorspannung hätten sich „ständige Last“ vorhanden. Dieser Schnitt-
ca. 11000 t, 450 t und 300 t ergeben. Außer- kraftzustand setzt sich aus den ständig
dem verursachen bei Seilen das Ablängen, wirkenden Belastungen g = g1 + g2 und der
die Aufbringung der Seilköpfe und der Ein- bei statisch unbestimmten Systemen even-
bau den Hauptteil der Kosten, kaum jedoch tuell vorhandenen Systemvorspannung P
das Seilmaterial selbst. Im gegenständlichen zusammen und charakterisiert vollständig
Fall werden durch die Systemvorspannung das fertig montierte Tragwerk unter dem
auch die maximalen Auflagerkräfte am lin- genannten Lastbild g bzw. g– = g + P. Da
ken und mittleren Auflager betragsmäßig nach Beendigung der Montage und Auf-
größer. bringung der Ausbaulasten g2 im Tragwerk
Bei Instandsetzungsarbeiten, Umbauar- die vorausberechneten Schnittkraft- und
beiten und schließlich bei Abbruch ist die Verformungszustände infolge g bzw. g– vor-
Wirkung einer Systemvorspannung auf handen sind („Endzustand“), lassen sich
jeden Fall zu berücksichtigen. Wegen des grundsätzlich beliebige Montagezustände
Eigenspannungszustandes besteht keine durch Rückrechnung aus dem Endzustand
Proportionalität zwischen äußeren Einwir- statisch nachweisen. Für die praktische Be-
kungen und den Bauteil- bzw. Querschnitts- rechnung von Tragwerken, die nach den
beanspruchungen, d.h. es können durch das beiden im Stahlgroßbrückenbau am häu-
Entfernen von Lasten maßgebende Lastsi- figsten angewendeten Montageverfahren –
tuationen entstehen, für die alle Tragfähig- Freivorbau und Lancieren (Montage von
keitsnachweise (Querschnittsnachweise, Stahlbrücken siehe Kapitel 9.2) – errichtet
Bauteilnachweise) erfüllt sein müssen. werden, ist es jedoch einfacher und daher
zweckmäßig, diese beiden Herstellungsme-
8.3.2.3 Berechnung von Montagezuständen thoden unterschiedlich zu behandeln.
Bei Tragwerken, die im Freivorbau her-
Montageberechnungen dienen der sta- gestellt werden, sowie bei Tragwerken, bei
tischen Beurteilung von Systemen vor dem denen die Tragelemente vorher montiert
Endzustand, der Festlegung von Pressen- werden (z. B. Hängebrücken), sind die
wegen, Stapelkräften, Vorspannkräften in Montagezustände hinsichtlich der Lage-
Seilen u. a. m. Die statische Untersuchung rungsbedingungen Teile des Endsystems,
der Zwischenzustände bei der Fertigteil- d.h. in diesem enthalten. Daher ist in diesen
bauweise des Stahlbaus entspricht in ihrer Fällen der oben beschriebene Lösungsweg
Bedeutung der statischen Untersuchung besonders zweckmäßig. Ausgangszustand
der Lehrgerüste von Ortbetonbrücken. Der ist der durch die ständige Last g bzw. g– und
Umstand, dass sich die weitaus größte An- die Sollform beschriebene Endzustand. Aus
zahl an Unfällen im Bauwesen bei der Her- dem Endzustand werden die betrachteten
stellung und Montage der Bauwerke ereig- Montagesysteme als Teilsysteme mittels
net [Scheer, 2000], zeigt die überragende Schnittführung herausgezogen. An Stelle
Bedeutung der Montageberechnungen. des noch nicht vorhandenen Teils der Kon-
Alle maßgebenden Zwischenzustände sind struktion (Restsystem) sind an den Teilsys-
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 569

temen die Schnittkräfte aus ständiger Last betrachteten Montagezustand wirken-


mit entgegengesetztem Vorzeichen anzu- den Lasten angreifen: gM  , GM . Schnitt-
setzen, da zwar für das Teilsystem dessen kräfte: SM3
endgültige Schnittkräfte angesetzt werden,
das Restsystem jedoch noch nicht vorhan- Zur Erläuterung der beschriebenen Vor-
den ist, dieses jedoch schließlich das Teil­ gangsweise wird ein Durchlaufträger über
system mit den Schnittkräften belasten vier Felder betrachtet, der von einer Seite
wird. Die äußeren Einwirkungen sind aus im Freivorbau montiert wird. Bild­
im zugrundegelegten Schnittkraftzustand 8.3-3 zeigt das bis zum Punkt E montierte
„ständige Last“ bereits enthalten und da- Teilsystem mit dem Hebegerät K. Gesucht
her nicht eigens anzusetzen. Die Ausbau- sind:
lasten g2 (Fahrbahnbelag, Schotterbett, 1. Stapelhöhe im Punkt 2, so dass im Punkt
Randbalken, Lärmschutzwände usw.) wer- 3 das Lager erreicht wird
den zu einem späteren Zeitpunkt aufge- 2. Schnittkräfte des Montagesystems
bracht, daher sind diese Lasten, die im
Schnittkraftzustand „ständige Last“ vor- Ausgegangen wird vom Tragwerk im Endzu­
handen sind, tatsächlich jedoch noch nicht stand. Dieser Zustand ist charakterisiert durch
wirken, entgegen ihrer Wirkungsrichtung die Schnittkräfte infolge g– = g1 + g2 + P = g + P.
auf das Teilsystem aufzubringen. Dasselbe Durch Vorgabe von drei Schnittgrößen,
gilt auch für allfällige, noch nicht aufge- z. B. der Stützenmomente M–g , 1, M–g , 2, M–g  , 3,
brachte Widerlagerverschiebungen, die im kann man das dreifach statisch unbe-
Zustand „ständige Last“ enthalten sind. stimmte System vorspannen, siehe Abschnitt
Montagelasten (z. B. Hebezeuge), die im 8.3.2.2. Das Teilbild a zeigt das Ausgangs­
Zustand „ständige Last“ nicht enthalten system, das Teilbild b die Schnittkräfte M–g
sind, tatsächlich jedoch auf das Teilsystem und V–g des Endzustandes. Das Teilbild c
wirken, sind für die Berechnung der Teil- zeigt das bis zum Punkt E montierte Trag-
systeme zusätzlich zu berücksichtigen. So- werk mit dem Vorbaugerät K. Gegenüber
mit ergeben sich die Schnittkräfte bzw. dem Endzustand fehlen hier die Ausbaulas-
Verformungen für einen untersuchten ten g2 bzw. es wirken zusätzlich das Gewicht
Montagezustand M durch Überlagerung des Vorbaugerätes GK, das Gewicht des zu
der Schnittkräfte bzw. der Verformungen montierenden Schusses ∆GE‑3 sowie Mon-
folgender Systeme: tagenutzlasten qM. Das Teilbild d zeigt das
Teilsystem mit den am Schnittufer mit ver-
1. Endsystem unter ständigen Lasten g kehrten Vorzeichen eingetragenen Schnitt-
bzw. g– größen des Endzustandes und die entspre-
2. M1: Montagesystem, an dessen Schnitt- chenden Schnittkräfte, das Teilbild e zeigt
stellen zum Restsystem die Schnittkräfte das Teilsystem mit den noch nicht vorhan-
des Endzustandes mit gegengleichem denen und daher abzuziehenden Ausbau-
Vorzeichen angreifen: –S–g. Schnittkräfte: lasten g2 und die entsprechenden Schnitt-
SM1 kräfte. Die Teilbilder f und g zeigen das
3. M2: Montagesystem, an dem die im Teilsystem mit den Gewichten GK (Hubge-
Endzustand enthaltenen, jedoch noch rät) und GE‑3 (Schuss E-3) und den stetig
nicht aufgebrachten Lasten entgegen ih- verteilten Montagelasten qM , wiederum die
rer endgültigen Wirkungsrichtung an- Schnittkräfte sowie die Biegelinie. Damit
greifen: −g2 . Schnittkräfte: SM2 der letzte Bauteil unter den genannten
4. M3: Montagesystem, an dem die im End- Lasten gerade auf das Lager im Punkt 4
zustand nicht enthaltenen, jedoch im passt, muss der Punkt 2 um das Maß ∆h2
570 8 Berechnung

Bild 8.3‑3   Montageberechnung durch Rückrechnung aus dem Endzustand

angehoben werden, wobei die Bedingung Schrägkabelbrücke. Das Endsystem ist aus
∆h2 · (wE, ∆h2 = 1 + w'E, ∆h2 = 1 · ∆l ) + w3M = 0 dem Teilbild a ersichtlich. Im Endsystem
erfüllt sein muss. Das Teilbild h zeigt die wirken die Schnittkräfte M–g , V–g , N–g . Das
Schnittkräfte und die Biegelinie des unter- Teilbild b zeigt den betrachteten Bauzu-
suchten Teilsystems. Für die Schnittkräfte stand mit dem Hebezeug, das Teilbild a die
gilt allgemein: S = S–g + SM 1 + SM 2 + SM 3 . Schnittführung. Das Teilbild c zeigt das
Als zweites Beispiel zeigt Bild 8.3-4 Montagesystem mit den negativ angesetz-
­schematisch einen Bauzustand einer im ten Schnittkräften des Endzustandes S–g
Freivorbau errichteten, symmetrischen (Schnittkräfte: SM 1), das Teilbild d zeigt das
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 571

Bild 8.3‑4   Montageberechnung durch Rückrechnung aus dem Endzustand

Montagesystem mit den negativ angesetz- henlage aufgesetzt. Auf das so gelagerte Sys-
ten Ausbaulasten g2 (Schnittkräfte: SM 2) tem werden alle Lasten aufgebracht (Gewicht
und das Teilbild e das Montagesystem mit gSt der montierten Konstruktion, Montage-
den Montagelasten (Schnittkräfte: SM 1). lasten qM ) und daraus die Schnittkräfte für
Die Schnittkräfte dieses Montagezustandes den Bauzustand ermittelt. Damit ergeben
betragen wiederum S = S–g + SM 1 + SM 2 + sich die Schnittkräfte bzw. Verformungen
SM 3 . für einen untersuchten Montagezustand M
Bei Tragwerken, die durch Einschieben durch Überlagerung der Schnittkräfte bzw.
(Lancieren) hergestellt werden, ändern sich der Verformungen folgender Systeme:
die Lagerungsbedingungen laufend. Unab-
1. Zwängungen infolge statisch unbe-
hängig von der Endlage wird jeder Träger-
stimmter Lagerung des gewichtslosen
querschnitt zum Feld- bzw. Stützquer-
Systems aufgrund statisch unbestimm-
schnitt. Gerade die im Endzustand gering
ter Lagerung
beanspruchten Tragwerksteile (Bereiche
2. Eigenlast gSt der Konstruktion des be-
der Momentennullpunkte) müssen oft mit
trachteten Montagesystems
Rücksicht auf die Montage stärker dimensi-
3. Montagelasten qM , QM
oniert werden als es der Endzustand erfor-
dert. Da die Montagesysteme im Endsystem Durch die ab drei Lagerpunkten vorhande-
nicht enthalten sind, ist es bei der Montage- ne statisch unbestimmte Lagerung entste-
berechnung im Allgemeinen zweckmäßiger, hen Zwängungskräfte in den Lagern und
nicht – wie beim Freivorbau – vom End­ Zwängungsschnittgrößen im System, die
zustand zurückzurechnen, sondern von sich mit jeder Lage des Lancierfortschrittes
der bereits bestehenden Bauteilgeometrie ändern und die bei den statischen Nachwei-
(Werk­stattform) auszugehen und die Bau- sen unbedingt zu berücksichtigen sind, da
zustände direkt nachzuweisen. Ausgangszu- die Nachweise nach dem Verfahren E‑E zu
stand ist die Werkstattform, in die durch führen sind und bei den dünnwandigen
eine entsprechende Formgebung eine Sys- Querschnitten der Klasse 4 der Stabilität
temvorspannung eingebracht werden kann. (Beulen) eine überragende Bedeutung zu-
Das vorgeschobene System wird im betrach- kommt.
teten, vorgeschobenen Zustand auf alle zur Zur Erläuterung der beschriebenen Vor-
Verfügung stehenden Lager in richtiger Hö- gangsweise wird nochmals der im Bild­
572 8 Berechnung

Bild 8.3‑5   Montageberechnung durch direkte


Berechnung des Bauzustands

8.3-3 behandelte Durchlaufträger über vier Nachweis der Ermüdungsfestigkeit zu füh-


Felder betrachtet, der von einer Seite aus ren. Vor allem bei Brücken mit kürzerer
lanciert wird. Bild 8.3-5 zeigt schema­ Stützweite sowie bei hochdynamisch bean-
tisch die Schritte für die Montageberech- spruchten Bauteilen, z. B. Fahrbahnträgern,
nung. ist der Ermüdungsnachweis vielfach maß-
Das Teilbild a zeigt das fertige Bauwerk gebend. Es gibt bis heute keine Theorie zur
und die Werkstattform, das Teilbild b den zahlenmäßigen Berechnung der Zeitfestig-
untersuchten Bauzustand. Im Teilbild c keit oder der Ermüdungsfestigkeit aufgrund
sieht man den in den Punkten A und 2 ge- der Kerbgeometrie, d. h. es können keine
lagerten Balken. Tatsächlich liegt der Bal- Wöhlerlinien (siehe unten) aufgrund der
ken auch in den Punkten 0 und 1 auf den Charakteristik eines Kerbdetails berechnet
Lagern auf. Die entsprechenden Wege sind werden. Daher muss gerade beim Ermü-
als eingeprägte Verschiebungen ∆h0 , ∆h1 dungsnachweis weitgehend auf Versuche
zu behandeln. Das Teilbild d zeigt schließ- zurückgegriffen werden. Grundlagen und
lich das Montagesystem mit den Lasten gSt Berechnungsverfahren im Sinne der heuti-
(Gewicht des Stahlträgers) und qM (Mon­ gen Normung siehe [Haibach, 1989]. Der
tagelasten). aktuelle Stand der Technik, auch im Zu-
sammenhang mit [EN 1993-1-9, 2007], ist
in [Good Design Practice, 2000] zusam-
8.3.2.4 Ermüdungsfestigkeit mengestellt. Für Konstruktionen des Stahl-
baus sind geschweißte Details mit entspre-
Häufige Lastwechsel führen bei vorwiegend
chend hohen Schrumpfeigenspannungen
nicht ruhend belasteten Bauwerken bzw.
charakteristisch und es sind folgende Ein-
Bauteilen, z. B. bei Eisenbahn- oder Stra-
flüsse für das Ermüdungsverhalten von be-
ßenbrücken, infolge Materialermüdung zu
sonderer Bedeutung:
Bruchversagen bei Spannungszuständen,
die unterhalb der Bruchfestigkeit bzw. • Lastspielzahl N
Streckgrenze des Materials liegen. Daher ist • Spannungsdifferenzen ∆σ = σo – σu
bei solchen Konstruktionen neben den üb- • Konstruktive Ausbildung (Kerbwir-
rigen statischen Nachweisen auch der kung)
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 573

Vergleichsweise gering ist dagegen der rell 2 · 106 mal, heute 5 · 106 mal, bei Schub-
Einfluss des mittleren Spannungsniveaus beanspruchung 108 mal). Spannungen
σ o + σu oberhalb der Dauerfestigkeit ∆σR < ∆σD
σm = 02 und der Materialfestigkeit,
2 werden als Zeitfestigkeit bezeichnet.
außer bei reiner Druckschwellbeanspru- Typisch für alle Ermüdungsversuche
chung nicht geschweißter Konstruktions- sind selbst bei sorgfältigster Versuchs-
details. Anders als im Maschinenbau, wo durchführung große Streuungen. Um den-
die Festigkeitsuntersuchungen (einschließ- noch eine plausible Aussage über das Er-
lich Ermüdung) an 1:1‑Modellen (Proto­ müdungsverhalten eines Bauteils machen
typen) durchgeführt werden, werden im zu können, muss eine hinreichend große
Bauwesen (und im Großmaschinenbau) Anzahl möglichst identischer Versuche
die Nachweise an mathematischen Model- durchgeführt werden und es müssen aus
len geführt. Besonders im Fall des Ermü- den Einzelergebnissen mittels statistischer
dungsnachweises müssen dabei Versuchs- Methoden Fraktilwerte (5%, 50%, 95%) ab-
ergebnisse aus Kleinteil- und Bauteilversu- geleitet werden. In doppeltlogarithmischer
chen herangezogen werden. Das Ergebnis Darstellung und unter Berücksichtigung
eines Wöhlerversuches ist der Zusammen- von Lastspielzahlen N  ≥  104 (geringere
hang zwischen der Lastspielzahl N und der Lastspielzahlen entsprechen einem „low-
bei festgehaltener Unterspannung σu er- cycle“-Versagen und fallen nicht unter „Er-
tragbaren Oberspannung σo bei periodi- müdung“) erhält man näherungsweise eine
scher Beanspruchung, siehe Bild 8.3-6. Gerade mit dem Anstieg 1/m, siehe Bild
Bild 8.3-7 zeigt das Ergebnis eines Wöh­ 8.3‑8, wodurch die analytische Behandlung
lerversuches in Form einer Wöhlerlinie in besonders einfach wird.
einfachlogarithmischer Darstellung. Mit dem Schnittpunkt a der Wöhler­
Man erkennt, dass sich die ertragbare linie mit der Abszisse
Spannung mit steigender Lastspielzahl ei- log a = log ND + m · log ∆σD  
nem Grenzwert σD nähert. Als sogenannte
Dauerfestigkeit σD gilt jene Spannung, die erhält man für Lastspiele N < ND die Zeit-
„unendlich oft“ ertragen wird (früher gene- festigkeit ∆σR in Abhängigkeit von
1

��
  a ––

m
der Lastspielzahl N zu ∆σR = 3 bzw. die
N
zu der Zeitfestigkeit ∆σR gehörende ertrag-
   a
bare Lastspielzahl zu N = 6 . Mit Hin-
∆σR

Bild 8.3‑6   Periodische Belastung

Bild 8.3‑7   Wöhlerlinie in einfachlogarithmi- Bild 8.3‑8   Normierte Wöhlerlinie in doppelt­


scher Darstellung logarithmischer Darstellung
574 8 Berechnung

mittels Schadensakkumulationshypothe-
sen, von denen jene nach Palmgren-Miner
(„Miner-Regel“) am häufigsten verwendet
wird. Zunächst werden die durch Berech-
nung ermittelten oder durch Dehnungs-
messungen am Bauwerk festgestellten
Spannungen an der untersuchten Stelle
Bild 8.3‑9   Nichtperiodische Beanspruchung
nach einem Zählalgorithmus geordnet und
in Spannungsspiele ∆σ = ∆ε · E umgerech-
net. Bei den Zählalgorithmen bleibt in der
Regel die Reihenfolge des Auftretens der
Spannungsspiele ∆σi unberücksichtigt. Die
wichtigsten Zählalgorithmen sind die in
[EN 1993-1-9] beschriebene Rainflow-Me-
thode und die Reservoir-Methode (Bild
8.3‑10).
Bei korrekter Anwendung liefern beide
Methoden identische Ergebnisse. Treten
Bild 8.3‑10   Reservoir-Methode verschiedene Beanspruchungen ∆σi , die
nach Ni Lastspielen zum Ermüdungsbruch
blick auf den „Betriebsfestigkeitsnachweis“ führen (periodische Belastung), ni-mal auf,
wird die Wöhlerlinie für Spannungsdiffe- so entspricht einem Lastspiel die Teilschä-
renzen ∆σ < ∆σD weitergeführt. digung 1/Ni und ni Lastspielen die Teilschä-
Das ursprüngliche, in den älteren Vor- digung ni  /Ni. Bedingung für das Ermü-
schriften verankerte und aus dem Maschi- n
nenbau kommende Konzept sah vor, sich dungsversagen ist ∑ i = 1 . Vorausset-
Ni
gegen die „Dauerfestigkeit“ abzusichern,
was einer „unendlich langen“ Standzeit des zung ist, dass das Material keine Kaltverfes-
Bauwerkes entspricht. tigung erfahren hat und dass die Mittel-
Tatsächlich ist die Beanspruchung realer spannung σm annähernd konstant ist. Bei
Bauteile im Bauwesen keineswegs perio- der Miner-Regel handelt es sich um eine
disch, siehe Bild 8.3-9. Näherung, im Versuch ergeben sich für
n
Auch werden nicht mehr „dauerschwing- ∑ i Werte, die von 1,0 nach beiden Sei-
feste“ Konstruktionen verlangt, d.h. Kon- Ni
struktionen, die „unendlich lange“ halten, ten deutlich abweichen können. Ermü-
sondern Konstruktionen, die für die vorge- dungsversuche mit nichtperiodischer Be-
sehene Lebensdauer (z. B. 120 Jahre) aus- lastung haben gezeigt, dass einzelne Span-
reichend bemessen sind. Der entsprechen- nungsspiele ∆σR > ∆σD ein Abfallen der
de Nachweis wird als „Betriebsfestigkeits- Dauerfestigkeit bewirken. Daher sind
nachweis“ bezeichnet. Um die Zahl der beim Nachweis auch Spannungsdifferenzen
Versuchsparameter nicht übermäßig an- < ∆σD zu berücksichtigen, und zwar bis zum
wachsen zu lassen, sind praktisch nur Er- „Schwellenwert der Ermüdungsfestigkeit“
müdungsversuche für periodische Belas- ∆σL   . Das ist jene Spannungsdifferenz, un-
tung möglich. Die Übertragung der realen terhalb der unter keinen Umständen Schä-
Beanspruchungen, z. B. des Querträgers digungen erfolgen. Für den praktischen
einer Straßenbrücke auf den Sonderfall Nachweis wird die Wöhlerlinie ab ND bis NL
einer periodischen Beanspruchung, erfolgt = 108 weitergeführt, allerdings mit der
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 575

wesentlich geringeren Neigung m + 2. eines Querschnitts. Innerhalb eines Quer-


Spannungsspiele unterhalb des entspre- schnitts kann es die verschiedensten Kerb-
chenden Wertes ∆σL haben keinen Einfluss. gruppen geben. Unter anderem sind in [EN
Die o. g. Formeln für die Umrechnung 1993-1-9] folgende Konstruktionsdetails
nichtperiodischer Beanspruchungen sind vorgesehen:
dann entsprechend anzupassen, siehe z. B.
• Nicht geschweißte Konstruktionsdetails
[Haibach, 1989].
• Geschweißte zusammengesetzte Quer-
Durch Aufsummieren der Teilschädi-
schnitte
gungen ni  /Ni und Umrechnung auf die
• Quernähte
­„Ge­samtlastspielzahl“ ∑ ni lässt sich mit
• Nichttragende bzw. tragende Schweiß-
NE · ∆σE  m = a
nähte
die „schadensäquivalente Spannungs-
• Hohlprofile und Hohlprofilanschlüsse
schwingbreite für einstufige Lastkollek- • Orthotrope Platten von Eisenbahnbrü-
1
 ∑ni ⋅ ∆σ i  m cken
tive“ bestimmen: ∆σ E =   .
 NE  Wesentlich einfacher als mit individuell be-
Der rechnerische Ermüdungsnachweis stimmten, realen Spannungsspielen ist bei
lautet: Eisenbahn- und Straßenbrücken der Nach-
weis der Betriebsfestigkeit für konkrete Be-
∆σ R (N E )
γ Ff ⋅ ∆σ E2 ≤ triebsverhältnisse durch Benützung ge-
γ Mf normter Lastmodelle (z. B. Lastmodell 71
bzw.
für Eisenbahnbrücken) unter Verwendung
∆τ (N ) des dynamischen Beiwertes Φ2 und des An-
γ Ff ⋅ ∆τ E2 ≤ R E
γ Mf . passungsbeiwertes: λ = λ1 · λ2  · λ3  · λ4 ≤ λmax :
Darin bedeuten: ∆σE 2 = λ · Φ2 · ∆σp mit ∆σp = | σp, max – σp, min |.
Der Wert λ ist auf 2 Millionen Lastspiele
• ∆σR (NE): Schadensäquivalente Span- bezogen. Die Einzelfaktoren berücksichti-
nungsschwingbreite für einstufiges Last- gen folgende Effekte:
kollektiv und dazugehörige Lastspiel-
zahl λ1 … Spannweitenbeiwert (berücksichtigt
• γFf : Teilsicherheitsbeiwert für die Ermü- den Typ der Einflusslinie und den der
dungsbelastung Schädigungsberechnung zugrunde
• γMf : Teilsicherheitsbeiwert für die Er- gelegten Verkehr)
müdungsfestigkeit λ2 … Verkehrsstärkenbeiwert (Anpassung
der Größe des Verkehrsaufkommens)
Der Faktor γMf liegt zwischen 1,0 und 1,35
λ3 … Lebensdauerbeiwert (Anpassung an
und ist davon abhängig, ob die Konstruk­
die Nutzungszeit der Brücke)
tion als schadenstolerant oder nicht scha-
λ4 … Berücksichtigt bei Eisenbahnbrü-
denstolerant eingestuft wird bzw. ob sie
cken die Anzahl der Gleise und bei
kontrollierbar oder nicht kontrollierbar ist.
Straßenbrücken die Effekte aus den
Die „Kerbgruppe“ ist die Zeitfestigkeit
Nebenspuren
eines bestimmten Kerbdetails ∆σC bei
NC = 2 · 106 Lastspielen. Der Bezug auf NC Detaillierte Angaben für die Faktoren λ fin-
ergibt sich aus dem Bedürfnis, die in über den sich in [EN 1993-1-9, 2007]. Setzen
100 Jahren auf 2 · 106 Lastspiele durchge- sich in dem untersuchten Querschnitts­
führten Dauerschwingversuche ohne Um- punkt die Spannungen aus „globalen“ und
rechnung übernehmen zu können. Die „lokalen“ Anteilen zusammen, z. B. Fahr-
Kerbgruppe gilt für eine einzelne Faser bahnblech einer als Hauptträgergurt mit-
576 8 Berechnung

wirkenden orthotropen Platte, so ist die Daraus resultieren ermüdungsmäßig be-


dem Er­müdungsnachweis zugrundezule- währte Konstruktionsdetails, die allesamt
gende Spannungsdifferenz aus den Einzel- das Ziel verfolgen, innerhalb eines Quer-
anteilen zu überlagern: schnitts oder eng begrenzten Bereichs den
∆σE 2 = λloc · Φloc · ∆σloc + λglo · Φglo · ∆σglo . höher beanspruchten Fasern günstigere
Überlagern sich in einem Punkt mehre- Kerbdetails zuzuordnen bzw. ungünstigere
re der genannten Kerbfälle, so ist der un- Kerbdetails an Stellen kleinerer Beanspru-
günstigste maßgebend und wird allein be- chung zu legen.
rücksichtigt. Die Kerbfälle sind auf Nenn-
spannungen bezogen. Die Nennspannun-
gen sind durch eine elastische Berechnung 8.3.2.5 Berechnung von Fachwerken:
nach den Regeln der elementaren Festig-
keitslehre und ohne Berücksichtigung von Berechnet man ein ideales Gelenkfachwerk,
Kerbwirkungen zu ermitteln, jedoch unter bei dem sämtliche Lasten in den Knoten
Berücksichtigung nicht eben bleibender angreifen (Culmannsches Fachwerk), so
Querschnitte infolge Schubverformungen, erhält man nur Normalkräfte N. Berechnet
z. B. durch Einführung „mitwirkender man dagegen ein reales Fachwerk mit stei-
­Breiten“. Werden Konstruktionsdetails vor- fen Knoten, bei welchem wiederum sämtli-
gesehen, die nicht einem der Kerbfälle zu- che Lasten in den Knoten angreifen, so er-
geordnet werden können, so müssen die hält man außer den Normalkräften N auch
tatsächlichen Spannungen in dem für den Biegemomente M(1) und daraus Querkräfte
Rissbeginn als maßgebend vermuteten V(1). Die Biegemomente M(1) entstehen aus
Punkt durch die Anwendung von Span- der Verschiebung der Knotenfigur infolge
nungskonzentrationsfaktoren K oder direkt der Längenänderungen in den Stäben. Die-
als Hot-Spot-Spannungen herangezogen se sind reine Zwängungsmomente, d. h. für
werden. Hot-Spot-Spannungen können das Gleichgewicht nicht notwendig und
mittels elastischer FE-Berechnung ermit­ sind um so größer, je größer die Biegestei-
telt werden. Ihre Anwendung setzt ent­ figkeit der Fachwerkstäbe ist. Bei den übli-
sprechende Spezialkenntnisse voraus. chen Konstruktionen betragen die Bie-
Da der Ermüdungsnachweis unter Be- gespannungen σM(1) nicht mehr als ca. 10%
nützung der zutreffenden Kerbgruppe je- der Spannungen σN infolge der Normal-
weils in einer Faser geführt wird, muss kräfte und werden für den Tragsicherheits-
keineswegs die höchstbeanspruchte Stelle nachweis vernachlässigt (Nebenspannun-
(z. B. die Stelle mit dem Maximalmoment gen). Aus Gleichgewichtsgründen ergeben
oder der Maximalspannung) maßgebend sich durch die Querkräfte V(1) Änderungen
sein. Auch innerhalb eines Querschnitts der Normalkräfte N, die jedoch vernachläs-
können kleinere Beanspruchungen (Span- sigbar klein sind. Die Vernachlässigung der
nungsdifferenzen) in Bereichen ungünsti- Biegemomente und Querkräfte ist nach
ger Kerbdetails gegenüber größeren Bean- dem Statischen Satz der Plastizitätstheorie
spruchungen in Bereichen günstigerer zulässig, wonach für die (plastische) Trag-
Kerbdetails maßgebend sein. Von entschei- fähigkeit allein die Gleichgewichtsbedin-
dender wirtschaftlicher Bedeutung ist die gungen, nicht jedoch die Verträglichkeits-
Wahl von Konstruktionsdetails mit hohen bedingungen erfüllt sein müssen. Biegemo-
Kerbgruppen bei hoher Beanspruchung mente M(2), die aus einer zwischen den
bzw. die Verlegung von Konstruktionsde- Knoten wirkenden Belastung (Querträger
tails mit niedrigen Kerbgruppen an niedrig des Fahrbahnrosts) herrühren, sind dage-
beanspruchte Stellen der Konstruktion. gen für das Gleichgewicht notwendig und
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 577

Tabelle 8.3-1   Statische Nachweise bei Fachwerken


Nachweis System N M(1) M(2)
ULS N: FW ϕ2 (FW) – ϕ2 (DLT)
M: Rahmen oder DLT
SLS (Fließen) N: FW ϕ2 (FW) ϕ2 (FW) ϕ2 (DLT)
M: Rahmen oder DLT
FLS Rahmen ϕ2 , λ1 (FW) ϕ2 , λ1 (FW) ϕ2 , λ1 (DLT)

daher – ebenso wie die daraus resultieren- 8.3.2.6 Berechnung von Hängebrücken
den Querkräfte V(2) – beim Tragsicherheits-
nachweis zu berücksichtigen. Die Momente Die Systemskizze einer verankerten („ech-
M(2) und Querkräfte V(2) entsprechen an- ten“) Hängebrücke ist aus Bild 8.3-11 er-
nähernd jenen eines Durchlaufträgers mit sichtlich.
starren Stützen an den Gurtknoten. Die Bei der Berechnung einer Hängebrücke
Biegemomente M(1) , die sich bei einer elas- üblicher Bauart können Längenänderun-
tischen Berechnung als biegesteifen Rah- gen und Schrägstellungen der Pylonen und
men ergeben, treten jedoch tatsächlich auf Hänger stets vernachlässigt werden. Fol-
und sind beim Nachweis der Ermüdungs- gende Einwirkungen sind für die Berech-
festigkeit zu berücksichtigen, ebenso beim nung von besonderer Bedeutung:
Nachweis der Begrenzung der Spannungen
1. Ständige Lasten
unter Gebrauchslast auf die Fließgrenze
2. Verkehrslasten
σEd,  ser ≤ fy   /γM,  ser . Ein spezielles Problem
3. Temperatureinwirkungen
stellt hier die korrekte Anwendung des
­dynamischen Beiwertes ϕ2 bzw. des Spann- Im Sinne einer wirtschaftlichen Bemes-
weitenbeiwertes λ1 dar. ϕ2 ist von der maß- sung müssen bei Hängebrücken die Schnitt­
gebenden Länge Lφ abhängig, λ1 von der kräfte unter Berücksichtigung der System-
maßgebenden Länge Lλ. Für die Ermittlung verformungen ermittelt werden (Theorie
von N und M(1) ist von der Stützweite des II. Ordnung), siehe Bilder 8.3-12 bis­
Fachwerkes auszugehen, für die Ermittlung 8.3-14.
von M(2) und V(2) jedoch von dem erwähn- Die Biegemomente im Versteifungs­
ten Durchlaufträger. Eine Übersicht gibt träger infolge einer Querbelastung g (x)
die Tabelle 8.3-1. und q (x) errechnen sich nach der Formel

Bild 8.3‑11   Verankerte Hängebrücke


578 8 Berechnung

Bild 8.3‑12   Unverformte
und verformte Kabelgeometrie

MIIq = Mq – Hq · z – H · ζ = MIq – H · ζ mit anschreiben kann. Das ist eine nicht lineare
H = Hg + Hq + Ht . Es bedeuten: Differentialgleichung zweiter Ordnung mit
variablen Koeffizienten. Zwei­maliges Diffe-
MIIg+q Moment nach Theorie II. Ordnung
I Moment nach Theorie I. Ordnung
renzieren nach x liefert für die Biegelinie
Mg+q die Differentialgleichung vierter Ordnung
(Balkenmoment)
H Horizontalkomponente der gesam- (E · I · w″)″ – (Hg + Hq) · w″
ten Kabelkraft 8·f
Hg Horizontalkomponente der Kabel- �
– q – Hq · 7 �
l2
= 0.
kraft infolge ständiger Lasten Durch Vergleich mit der Differentialglei-
Hq Horizontalkomponente der Kabel- chung des mit der Querbelastung q (x) be-
kraft infolge Verkehrslasten lasteten Zugstabs (E · I · w″)″ – S · w″ – q (x)
Ht Horizontalkomponente der Kabel- = 0 ist ein Ana­logiesystem gefunden, wenn
kraft infolge Temperaturänderungen man nach [Chwalla, 1959] setzt:
Üblicherweise wird der Versteifungsträger 8·f
so montiert, dass er infolge ständiger Lasten S = Hg + Hq , q– = q – Hq · 7 .
l2
g momentenfrei bleibt. Das Kabel hat dann Somit wird von einer Querbelastung q­
in ausgezeichneter Näherung die Form ein Teil q– durch den biegesteifen Balken
­einer quadratischen Parabel. Es gilt die
­Differentialgleichung E · I · w″ + M(II) = 0, 8·f
und ein Teil Hq · 7 durch die Zugkraft-
die man auch in der Form l2
E · I · w″ – H · w + (Mq – Hq · y) = 0 und Formänderung des Kabels aufgenom-
bzw. men. Das zugehörige Ersatzsystem ist aus
E · I · w″ – H · w + M(I) = 0 Bild 8.3-13 ersichtlich.
Die Aufteilung von p ist durch die Ver-
träglichkeitsbedingung (Durchbiegung des
Kabels = Durchbiegung des Balkens für
dehnsteife Hänger) festgelegt. Wegen der
Nichtlinearität der Differentialgleichung
Bild 8.3‑13   Querbelasteter Zugstab (Analogie- gilt das Superpositionsgesetz zunächst
system) nicht. Es bleibt jedoch gültig, wenn man die
Kraft H konstant hält. Daher kann die prak-
tische Berechnung dadurch erfolgen, dass
für festgehaltene Kräfte H, z. B. H1 = Hg und
H2 = Hg + Hq , die Schnittkräfte in herkömm­
licher Weise mittels Einflusslinien berech-
net werden. Diese Einflusslinien gelten na-
türlich nur für den vorgegebenen Wert H
(„beschränkte Einflusslinien“). Für die zu
dem betrachteten Lastfall gehörenden Wer-
Bild 8.3‑14   Einflusslinien einer Hängebrücke te H1 ≤ H ≤ H2 können die Schnittkräfte
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 579

mittels linearer Interpolation zwischen H1 ze die Tragfähigkeit wegen übergroßer Ver-


und H2 gewonnen werden. Genauere Werte formungen praktisch erschöpft ist, gibt es
lassen sich durch Einschaltung eines wei- beim Beulen einen für praktische Belange
H1 + H2 durchaus interessanten überkritischen Be-
teren Wertes für H, z. B. Hm = 03 , reich, der im Sinne einer wirtschaftlichen
2
mittels parabolischer Interpolation berech- Bemessung herangezogen werden kann.
nen. Die erforderlichen konstruktiven Vorgaben
Die Differentialgleichung des mit q– be- und Nachweisformate für die Tragsicher-
lasteten Zugstabs lässt sich in Sonderfällen heit sind in der [EN 1993‑1‑5] nieder­
analytisch lösen [Rubin/Vogel, 1982]. Im geschrieben. Theoretische Hintergründe
allgemeinen Fall eines variablen Trägheits- und Anwendungsbeispiele dieser Norm
momentes ist die Lösung mittels Seilpoly- ­siehe [Johansson et al., 1999]. Die Rege-
gongleichung besonders einfach [Stüssi/ lungen dieser Norm unterscheiden sich
Dubas, 1971]. Bei Abkühlung entstehen im teilweise erheblich von jenen älterer Nor-
Kabel die maximale Zugkraft und im Ver- menwerke und werden daher in diesem
steifungsträger die betragsmäßig größten Abschnitt kurz beschrieben und erläutert.
negativen Momente. Bei Erwärmung ent- Um die an idealisierten Modellen abgelei-
stehen im Kabel die minimalen Zugkräfte teten Bemessungsregeln unter Berücksich-
und im Versteifungsträger die größten po- tigung von Bauteilimperfektionen und un-
sitiven Momente. Bild 8.3‑14 zeigt für den ter Einbeziehung überkritischer Tragreser-
360 m weit gespannten Versteifungsträger ven an die Zuverlässigkeitsanforderungen
einer Hängebrücke die Einflusslinien für des Eurocode anzupassen, mussten die Er-
das ­Moment in Feldmitte. gebnisse der theoretischen Ableitungen an
Bauteilversuchen kalibriert werden. Da die
drei verschiedenen Einwirkungsarten –
8.3.2.7 Beulen rechteckiger Scheiben längsgerichtete Normalspannungen σx ,
quergerichtete Nor­malspannungen σy in-
Einleitung folge konzentrierter Lasten sowie Schub-
spannungen τxy – hinsichtlich der überkri-
Bei den im Brückenbau vielfach verwende- tischen Tragreserven an verschiedenen
ten, aus schlanken Blechen zusammenge- mathematischen Modellen behandelt wer-
setzten dünnwandigen Querschnitten kann den, werden diese Wirkungen einzeln be-
infolge von Instabilitätserscheinungen handelt und am Schluss mittels Interakti-
(Beulen) die elastische Grenzlast oft nicht onsbedingungen zusammengeführt. Fol-
ausgenützt bzw. nur durch eine entspre- gende Abschnitte der [EN 1993‑1‑5] sind
chende Aussteifung erreicht werden (Quer- für den Beulnachweis unmittelbar von Be-
schnitte der Klasse 4 nach [EN 1993‑1‑1, deutung:
2007]). Für das Instabilwerden des Gleich-
gewichts sind stets Druckspannungen ver- Abschnitt 4: Beulen infolge von Längs-
antwortlich, die durch Normalkräfte und spannungen
Biegemomente bzw. durch örtliche Bean- Abschnitt 5: Schubbeulen
spruchungen, aber auch durch Schubspan- Abschnitt 6: Beanspruchbarkeit bei Quer-
nungen, die stets paarweise auftreten und belastung
Hauptspannungen σ = ± | τ | hervorrufen, Abschnitt 7: Interaktion
verursacht werden können. Anders als Abschnitt 9: Konstruktive Durchbildung
beim Stabknicken (Biegedrillknicken), bei und Berechnung von Längs-
dem mit dem Erreichen der Stabilitätsgren- und Quersteifen
580 8 Berechnung

Abschnitt 10: Beulnachweis mittels redu- (lineare Beultheorie) und überkritisches


zierter Spannungen Tragverhalten einer Rechteckscheibe
Anhang A: Beulwerte unter Druckspannungen
Anhang C: Hinweise zur Berechnung Das Phänomen des Beulens wird an
mit Finiten Elementen einer rechteckigen Scheibe unter den Längs-
spannungen σx gezeigt. Bild 8.3-15 zeigt das
Die rechnerische Behandlung erfolgt in al-
Bauteil in dem ausgelenkten Zustand, der
len Fällen in der gleichen Weise: Aus dem
sich bei Erreichen der Stabilitätsgrenze
vollplastischen Querschnittswiderstand,
­einstellt und neben dem unausgelenkten
z. B. Npl , und dem Verzweigungswert, z. B.
Zustand existiert (Verzweigungslast).
Ncr (Euler), wird die bezogene Schlankheit
– Infolge der Membrankräfte σx · t entste-
λ berechnet und daraus ein Abminderungs-
hen an der Biegefläche w (x, y) Abtriebs-
beiwert, mit dem der vollplastische Wert
kräfte qa , die für das ursprünglich ebene
multipliziert wird, um den Bauteilwider-
Flächentragwerk eine Querbelastung dar-
stand zu erhalten.
stellen. Für eine homogene, isotrope, elasti-
Da die [EN 1993‑1‑5, 2007] nicht nur
sche Platte mit der konstanten Dicke t unter
für den Brückenbau sondern allgemein
der Flächenlast q (x, y) gilt die Differential-
gilt, finden sich keine Angaben über An-
forderungen an die Gebrauchstauglich- q E · t3
gleichung ∆∆w = 3 mit N = 09
keit. Diese sind in anderen Normen ange-    N 12 · (1 – μ2)
geben. Bezüglich des Beulens fordert die (Plattensteifigkeit). Setzt man für die
[EN 1993‑2, 2007] eine Begrenzung der Querbelastung q (x, y) die Abtriebskräfte
Plattenschlankheit, um der Gefahr des qa nach Bild 8.3.1‑15 ein, so erhält man die
Stegblechatmens zu begegnen. Beulgleichung für die lineare Beultheorie
 ∂4w ∂ 4w ∂ 4w  ∂2w
Beulen als Phänomen der Gleichgewichts- N ⋅  4 + 2 ⋅ 2 2 + 4  + σ x ⋅ t ⋅ 2 = 0 .­
verzweigung des Membranzustandes  ∂x ∂x ∂y ∂y  ∂x

Bild 8.3‑15   Gleichgewicht einer Rechteckplatte bei Erreichen der Stabilitätsgrenze


8.3 Berechnung von Stahlbrücken 581

Von Interesse ist das kleinste, von Null


­verschiedene Spannungsniveau, bei ­dem
die Differentialgleichung erfüllt ist. An­
den Rändern b ist meist ein linearer
­Spannungsverlauf gegeben. Bezugswert ist
die betragsmäßig größte Druckspannung
σ1 , die Spannung am anderen Ende be­
trägt ψ · σ1 mit 1 ≥ ψ ≥ –∞. Die kritische
Beul­spannung σcr wird durch Multipli­
kation der Eulerschen Bezugsspannung
E · π2 t 2
σE = 09 ·��
12 · (1 – μ2) b3 mit dem Beulwert k
Bild 8.3‑16   Girlandenkurve für eine unausge-
steifte Platte mit ψ = 1
erhalten: σcr = kσ · σE . Sie entspricht jener
Spannung, die sich im Augenblick der
Gleichgewichtsverzweigung am höher be-
lasteten Rand einstellt. Der Beulwert k ist verhältnis α abhängigen Beulwerte einer
abhängig von den Randbedingungen, dem unausgesteiften Rechteckscheibe unter
Spannungsverhältnis ψ und dem Seiten- gleichmäßigen Druckspannungen (ψ = 1).
verhältnis α = a/b. Unverschieblich gela- Für jede in Längsrichtung angesetzte
gerte Blechränder werden üblicherweise Anzahl m von Halbwellen erhält man eine
auf der sicheren Seite als frei drehbar gela- Lösungskurve k (α), insgesamt entsteht eine
gert angenommen. Die Beulwerte können Girlandenkurve. Für ein betrachtetes Sei-
mit einem zweidimensionalen Fourier- tenverhältnis α ist daraus der Minimalwert
Ansatz ermittelt werden. Für einige Son- maßgebend. Die „Zwickel“ zwischen den
derfälle kann die Beulgleichung direkt ge- Einzelkurven werden normalerweise ver-
löst werden (Gleichgewichtsmethode), in nachlässigt, d. h. für Lösungskurven mit
allgemeinen Fällen (unausgesteifte bzw. m ≥ 2 wird der Minimalwert der Kurve mit
ausgesteifte Scheiben unter allgemeinen m = 1 angesetzt. Für unausgesteifte Schei-
Normalspannungsverteilungen bzw. unter ben betragen die minimalen Beulwerte kσ
Schubspannungen) führt die Differenzen- für ψ = 1 (reiner Druck), ψ = 0 und ψ = −1
methode oder die Energiemethode zum (reine Biegung) der Reihe nach 4,0 , 7,81
Ziel. Die Energiemethode liefert Nähe- und 23,9. Auch für ausgesteifte Scheiben
rungslösungen, deren Genauigkeit durch ergibt sich für die Beulwerte kσ (α) eine Gir-
einen hinreichend hohen Ansatz von Si- landenkurve. Der Beulwert kσ wird für die
nuswellen auf ein für praktische Anwen- Berechnung der bezogenen Plattenschlank-

dungen hinreichendes Maß gesteigert wer- heit λ p herangezogen, mit welcher sich der
den kann. Grundlagen, Aufbereitung und Abminderungsbeiwert ρ ergibt.
Beulwerttafeln für vierseitig gestützte Durch Spannungsumlagerung zu den
Rechteckscheiben siehe [Klöppel/Scheer, steiferen Randbereichen sowie infolge der
1960] und [Klöppel/Möller, 1968]. Für nach Überschreitung der Stabilitätsgrenze
Sonderfälle ausgesteifter Scheiben mit ei- sich einstellenden Membranspannungen σy
ner oder zwei Längssteifen gibt die ergibt sich ein praktisch nutzbarer, überkri-
[EN 1993‑1‑5] Näherungswerte für die tischer Bereich, ohne dass die Verformun-
Beulwerte an. Beim Vergleich mit den o.g. gen allzu sehr anwachsen. Bild 8.3-17 zeigt
Diagrammen von Klöppel ist zu beachten, Spannungsverteilungen einer ausgebeulten
dass der Verhältniswert γ verschieden defi- Rechteckscheibe im überkritischen Be-
niert ist. Bild 8.3‑16 zeigt die vom Seiten- reich, σx > σcr .
582 8 Berechnung

Bild 8.3‑17   Spannungsumlagerung im überkritischen Bereich

fy b 1
Unausgesteifte und ausgesteifte Rechteck­ heiten λp = = ⋅
σ cr t 28,4 ⋅ ε ⋅ kσ
schei­ben unter Längsspannungen σx .
Plattenartiges und knickstabähnliches ermittelt. Mit diesen Werten werden aus
Versagen der modifizierten Winter‑Formel [Winter,
Die bei ausgesteiften Blechfeldern üblichen 1947]
Bezeichnungen sind aus Bild 8.3-18 er­
sichtlich. λp − 0,055 ⋅ (3 + ψ )
Die Berechnung unausgesteifter und ρρ == 2
aus­gesteifter Scheiben unter längs­gerich­ λp
teten Normalspannungen σx ist in [EN Abminderungsfaktoren ρp bestimmt. Die
1993‑1‑5] behandelt. Die prinzipielle Vor- Winter-Formel berücksichtigt geome-
gehensweise ist dem Fluss­diagramm, Bild trische und strukturelle Imperfektionen
8.3-19, zu entnehmen. sowie überkritische Tragreserven. Sie ist an
Versuchen geeicht. Für reinen Druck erhält
Unausgesteifte Scheiben und Einzelfelder man die auch für das Stabknicken zutref-
ausgesteifter Scheiben fende originale Winterkurve. Bild 8.3-20
Zunächst werden mit den Beulwerten kσ der zeigt die modifizierten Winter-Kurven für
Einzelfelder die bezogenen Plattenschlank- beidseitig gelagerte Bleche.

Bild 8.3‑18   Bezeichnungen
bei ausgesteiften Blechfeldern
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 583

Bild 8.3‑19   Beulen unter Längsspannungen σx [Johansson et al., 1999]


584 8 Berechnung

der mit den jeweiligen Einzelfaktoren ρ (αp   ,


ψp) abgeminderten Einzelbleche und des

Gesamtquerschnitts. Mit λp wird aus der ori-
ginalen Winter‑Formel wiederum ein Ab-
minderungsfaktor ρ bestimmt, aus dem un-
ter Berücksichtigung des knickstabähn-
lichen Verhaltens der endgültige Abminde-
rungsfaktor ρc bestimmt wird.

Plattenartiges und knickstabähnliches


Verhalten
Scheiben mit kleinem Seitenverhältnis­
Bild 8.3‑20   Modifizierte Winterkurven α < 1,0 sowie längsausgesteifte Scheiben wei-
sen im Gegensatz zu den bisher betrachteten
Das Ausbeulen infolge von Normalspan- Scheiben beim Ausbeulen ein mehr oder
nungen (Druckspannungen) wird in der weniger knickstabähnliches Verhalten auf.
[EN 1993‑1‑5, 2007] durch die Einführung Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass sich

effektiver Breiten beff = ρ · b in der Druck­ im ausgebeulten Zustand in einem größeren
zone des ausgesteiften Blechs berücksichtigt. Bereich an Stelle einer doppelt ­gekrümmten
Die effektiven Breiten sind so festgelegt, Fläche eine nahezu einfach gekrümmte
dass der nunmehr nach Querschnittsklasse ­Fläche ausbildet, wodurch die erwähnte
3 (d. h. ohne Beulerscheinungen) berech- Spannungsumlagerung sowie die Querzug-
nete Restquerschnitt unter der vorgege- spannungen geringer ausfallen bzw. prak-
benen M‑N‑Kombination den gleichen tisch ganz verschwinden (Bild 8.3-22).
Widerstand aufweist wie der Originalquer- Das knickstabähnliche Verhalten wird
schnitt unter Berücksichtigung der Beul­ durch die bezogene Schlankheit
erscheinungen. Die Verwendung und Be-
rechnung der Faktoren ρ ist in der Norm fy
λc = β A ,c⋅
geregelt. Wirkt außer dem Biegemoment M σ cr ,c
auch eine Normalkraft N, so ist das Zusatz- charakterisiert. Daraus wird unter Ansatz
moment infolge der Verschiebung der eines Imperfektionsbeiwerts αe der Abmin-
Schwerlinie des effektiven Querschnitts ge- derungsfaktor χc ermittelt. Für die Fläche
genüber dem Originalquerschnitt zu be- gilt der gleiche Faktor βA,c wie für das plat-
rücksichtigen, siehe Bild 8.3-21. tenartige Stabilitätsversagen. σcr, c ist die
Eulersche Knickspannung der an den
Ausgesteifte Scheiben Längsrändern ungelagerten Scheibe (Knick­
Bei ausgesteiften Scheiben ist außer den stab) mit ihrem vollen Querschnitt.
Einzelfeldern auch das Gesamtfeld rech- Aus den beiden Faktoren ρ und χc , die
nerisch nachzuweisen. Mit dem Beulwert das plattenartige bzw. das knickstabähnli-
kσ des Gesamtfelds wird die bezogene che Verhalten des Gesamtfeldes charakteri-
Plattenschlankheit sieren, wird mittels Interpolation der Fak-
tor ρc gewonnen, der das Gesamtverhalten
fy
λp = β A,c⋅ des Bauteils erfasst und entsprechend den
σ cr , p Angaben der Norm auf das Gesamtfeld an-
ermittelt. Der Abminderungsbeiwert gewendet wird. Damit erhält man ebenso
wie beim Einzelfeld einen effektiven Ge-
Ac, eff, loc ergibt sich aus der Summe
β A,c = samtquerschnitt mit den Querschnitts-
Ac
8.3 Berechnung von Stahlbrücken 585

werten Aeff, Ieff und Weff . Mit diesen wird reich von Seitenverhältnissen α gute Ergeb-
der Querschnitt für die elastische Grenzlast nisse liefert [Johansson et al., 1999]. Die
nachgewiesen. Durch diese Vorgehenswei- kritische Beulspannung τcr beträgt analog
se können bei Zugrundelegung plastischer zum Blech unter Normalspannungen τcr =
Querschnittswiderstände auch Hybrid­ kτ · σE   . Der Beulwert kτ der unausgesteiften
träger (verschiedene Fließgrenzen in den Scheibe ist vom Seitenverhältnis α = a/b an-
Flanschen und im Steg) wirtschaftlich hängig. Um die Biegefläche hinreichend
nachgewiesen werden. genau zu beschreiben, muss ein Fourier-
Ansatz mit verhältnismäßig vielen Halb-
Unausgesteifte und ausgesteifte Rechteck- wellen gewählt werden. Der Beulwert kτ
scheiben unter Schubspannungen τxy setzt sich aus dem Anteil kp der Platte und
Dieser Fall ist im Abschnitt 5 der [EN dem Anteil kτsl der Steifen zusammen. Zur
1993‑1‑5] behandelt. Die prinzipielle Vor- besseren Anpassung an Versuchswerte wird
gehensweise ist dem Flussdiagramm in Bild der Anteil kτsl gegenüber dem theoretischen
8.3-23 zu entnehmen. Wert auf 1/3 abgemindert. kτ wird für
Das Beulen unausgesteifter Scheiben die Berechnung der bezogenen Platten-
unter reiner Schubbeanspruchung wird f yw
nach der modifizierten Spannungsfeld­ schlankheit λw = benötigt. Der
theorie behandelt, die in einem großen Be- τ cr

Bild 8.3‑21   Kastenträger mit effektiven


Breiten beff

Bild 8.3‑22   Plattenartiges und knickstabähnliches Verhalten


586 8 Berechnung

Bild 8.3‑23   Beulen unter Schubspannungen τxy [Johansson et al., 1999]


8.3 Berechnung von Stahlbrücken 587

Nachweis des schubbeanspruchten Blechs Je nach Randbedingungen unterscheidet


erfolgt schließlich mit dem Abminderungs- die Norm drei Fälle (siehe Bild 8.3-25), für
beiwert χw, der auf den vollplastischen die verschiedene Werte kF gelten. Durch die
Schubwiderstand angewendet wird: Einführung theoretischer Lasteinleitungs­
breiten ly wird eine vollplastische Kraft
t ⋅ h w ⋅ f yw . Fy = fyw · tw · ly berechnet. Daraus wird nach
Vbw, Rd =
3 ⋅ γ M1 der allgemeinen Definition der bezogenen
Der Anteil χw gibt den Beitrag des Steges Schlankheit mit Fcr nach Bild 8.3‑25 die
wieder. Zusätzlich ist die Berücksichtigung Fy
der Flansche, die das Blech zusätzlich aus- bezogene Schlankheit λ F = ermittelt
steifen, möglich. Dieser Beitrag ist aber we- Fcr
nig bedeutend und wird deshalb zuweilen und daraus der Abminderungsbeiwert

vernachlässigt. Von Bedeutung ist auch der χF (λ p), mit dem sich die effektiven Last­
Beitrag starrer oder verformbarer Endquer- einleitungsbreiten Leff = χF · ly ergeben. Da-
steifen. Bild 8.3-24 zeigt die Abminderungs- mit erhält man schließlich für den Wider-
faktoren χw in Abhängigkeit der bezogenen stand der quer beanspruchten Scheibe:

Schlankheit λp , bei deren Ermittlung je fyw ⋅ t w ⋅ l eff
nach Ausbildung der Endquersteifen ver- FRd =
γ M1
schiedene Formeln gelten. Unausgesteifte und ausgesteifte Recht­
eckscheiben unter kombinierten Beanspru-
Unausgesteifte und ausgesteifte Recht­ chungen σx , τxy und σy
eckscheiben unter örtlichen Normalspan- Der gesamte Berechnungsablauf für kombi­
nungen σy nierte Beanspruchungen ist im Abschnitt 7
Dieser Fall ist im Abschnitt 6 der [EN der [EN 1993‑1‑5] behandelt. Die prinzi-
1993‑1‑5, 2007] behandelt. Die prinzipielle pielle Vorgehensweise zeigt das Bild
Vorgehensweise ist dem Flussdiagramm in 8.3-26.
Bild 8.3-25 zu entnehmen. Aus den äußeren Einwirkungen und den
Der Widerstand eines unausgesteiften jeweiligen Widerständen werden die Ver-
oder ausgesteiften Blechs gegenüber der hältniswerte η1 , η2 und η3 ermittelt. Für die
Beanspruchung durch örtliche Druckspan- Interaktion der Spannungen σx und σy ist
nungen wurde aufgrund theoretischer ein lineares, für die Interaktion der Span-
Überlegungen und FE‑Berechnungen ab- nungen σx und τxy ein parabolisches Gesetz
geleitet, die an Versuchen geeicht wurden. angegeben.

Bild 8.3‑24   Beitrag des


Stegs an der Schubtragfähigkeit
588 8 Berechnung

Bild 8.3‑25   Beulen unter örtlichen Normalspannungen [Johansson et al., 1999]


8.3 Berechnung von Stahlbrücken 589

Bild 8.3‑26   Gesamtablauf der Berechnung für Querschnitte der Klasse 4 [Johansson et al., 1999]
590 8 Berechnung

( ) ( )
Steifigkeitsanforderungen und statischer 2 2
Nachweis der Quer- und Längssteifen σ z,Ed τ Ed
+ 3⋅
Angaben über Quer- und Längssteifen fin- ρz ⋅ f y / γ M1 χw⋅ f y / γ M1
den sich im Abschnitt 9 der [EN 1993‑1‑5].
Die angegebenen, vereinfachten Berech- die in ihrem Aufbau einer Vergleichsspan-
nungsregeln gehen davon aus, dass die nung entspricht.
Quersteifen so steif sind, dass sie für die
Längssteifen eine starre Lagerung darstel-
len (Mindeststeifigkeit). Für die Ermittlung
der erforderlichen Biegesteifigkeit findet
8.4 Ausgewählte Nachweise
sich eine Formel, in die auch der Tragfähig- bei einer Verbundbrücke
keitsnachweis (Spannungsnachweis) ein-
gearbeitet ist. Längssteifen sind als Knick- Ulrike Kuhlmann
stäbe mit dem Quersteifenabstand als und Annette Detzel
Knicklänge nachzuweisen. Um das Biege-
drillknicken offener Steifenquerschnitte
(z. B. Winkelquerschnitte oder Flacheisen) 8.4.1 Allgemeines
zu vermeiden, ist zur Erzielung der not-
wendigen Torsionssteifigkeit für die Steifen In diesem Bemessungsbeispiel wird eine
eine Steifigkeitsbedingung angegeben. Stabbogenbrücke untersucht.
Es soll aus Platzgründen nur auf die Ver-
Beulnachweis durch die Einführung bundtragwirkung zwischen der Betonfahr-
reduzierter Spannungen bahnplatte und der Stahlkonstruktion ein-
Im Abschnitt 10 der [EN 1993‑1‑5, 2007] gegangen werden. Exemplarisch wird in
sind Formeln für den Beulnachweis unaus- diesem Beispiel der Endquerträger berech-
gesteifter und ausgesteifter Bleche auf der net.
Grundlage einer Spannungsreduzierung Die gezeigten Nachweise umfassen die
angegeben. Im Gegensatz zu der Vorge- Querschnittsnachweise für den Verbund-
hensweise nach den Abschnitten 4‑7 wird träger, sowie die Nachweise der Verbund­
für die Bestimmung der bezogenen Platten- fuge im Grenzzustand der Tragfähigkeit.

schlankheit λ p der gesamte Spannungszu- Für weitere Nachweise, die erforderlich
stand, bestehend aus den Spannungen sind, z. B. Gebrauchstauglichkeit, Ermü-
σx, Ed   , σz, Ed und τxz, Ed , herangezogen. Mit dung, wird auf weiterführende Literatur
den Faktoren αult, k (Abstand der v. Mises- verwiesen.
Vergleichsspannung gegenüber der Fließ- Außerdem wird gezeigt, wie die Steifig-
grenze) und αcr (Laststeigerungsfaktor ge- keit der Fahrbahn für die Haupttragwir-
genüber der Verzweigungslast, in der Regel kung unter Berücksichtigung der Rissbil-
nur mittels EDV berechenbar) erhält man dung ermittelt werden kann.
α ult ,k Die Bemessung der Verbundkonstrukti-
den globalen Wert λp = und mit on erfolgt nach [DIN-FB 104, 2003] unter
α cr Einbeziehung der [DIN-FB 101, 2003],
diesem wie oben gezeigt die Abminde- [DIN-FB 102, 2003] und [DIN-FB 103,
rungsfaktoren ρx , ρz und χw    . Damit erhält 2003]. Der Nachweis erfolgt mit dem Be-
man schließlich die Nachweisformel messungsverfahren: elastisch–elastisch.

( )( )
2 2
σ x,Ed σ z,Ed σ x,Ed
+ −
ρx ⋅ f y / γ M1 ρz ⋅ f y / γ M1 ρx ⋅ f y / γ M1
8.4 Ausgewählte Nachweise bei einer Verbundbrücke 591

Bild 8.4‑1   Haupttragsystem: Stabbogenbrücke

Bild 8.4‑2   Querschnitt: Außenliegende Versteifungsträger, Betonfahrbahn längsorientiert

8.4.2 Steifigkeit der Fahrbahnplatte 1) Man wählt eine Dehnsteifigkeit (EA)c


der Platte. Addiert zur Dehnsteifigkeit
Die Fahrbahnplatte ist am Fußpunkt der des Stahlprofils des Versteifungsträgers
Bogen mit den Hauptträgern kraftschlüssig erhält man die Dehnsteifigkeit des ge-
verbunden und wirkt somit für die Aufnah- samten Zugbands (EA)V = (EA)c + Ea · Aa
me der Zugkraft im Zugband mit. Der An- und errechnet hiermit die Schnittgrößen
teil der Normalkraft, der von der Beton- im statischen System (geeigneter Start-
fahrbahn aufgenommen wird, hängt von Ecm ⋅ 1/2 ⋅ Ac
der Steifigkeit der Platte ab. Die Steifigkeit wert: (EA)c = ).
der Betonplatte wiederum wird durch das n0
Maß der Rissbildung im Beton bestimmt. 2) Die ermittelte Normalkraft im Zugband
Die auftretende Normalzugkraft (die zu wird entsprechend der Steifigkeitsver-
Rissbildung führt) und die Steifigkeit der hältnisse (EA)c/EaAa auf Beton- und
Betonfahrbahn sind also voneinander ab- Stahlquerschnitt verteilt. Die Normal-
hängig und müssen iterativ bestimmt wer- kraft im Beton gibt Auskunft darüber, ob
den. die Rissnormalkraft unterschritten (Zu-
592 8 Berechnung

stand I) oder überschritten wird und ob Ai, eff = (EA)c,eff   /Ea


bereits ein abgeschlossenes Rissbild vor-
= 8,541 · 109 N/210 000 N/mm2
liegt (Zustand III) oder nicht (Zustand
II). In Abhängigkeit vom vorliegenden = 406,72 cm2
Zustand kann eine zugehörige Steifigkeit
Die Querschnittsfläche des Hauptträgers
der Betonfahrbahn ermittelt werden.
im vorliegenden Beispiel beträgt 604,1 cm2.
Diese wird in der Regel vom gewählten
Durch die Berücksichtigung der Lastabtra-
Startwert abweichen.
gung über die Betonplatte erhöht sich die
3) Iterativ wird nun solange mit einer ange-
Steifigkeit des Zugbandes also um ca. 67%.
passten Steifigkeit die Normalkraft im
Die mit diesem Näherungsverfahren er-
Beton ermittelt, bis die Eingangssteifig-
mittelte Steifigkeit ist in der Regel niedriger,
keit mit der resultierenden Steifigkeit aus
als die Steifigkeit, die mit dem iterativen
der Rissbildung hinreichend genau über-
Verfahren ermittelt wird. Der Anteil der
einstimmt.
Stahlträgermitwirkung wird also zu hoch
Dieses offensichtlich aufwendige Verfahren abgeschätzt, dies führt zu einer konservati-
kann durch eine näherungsweise Berech- ven Bemessung des Stahlquerschnitts. Um
nung der effektiven Steifigkeit der Beton- die Normalkraft in der Betonplatte aus­
fahrbahn nach [DIN-FB 104, 2003]-II- reichend konservativ abzuschätzen, muss
4.7.1(3) umgangen werden. Bei diesem sowohl im Grenzzustand der Tragfähig­
Verfahren wird eine vom Beanspruchungs- keit als auch im Grenzzustand der Ge-
zustand unabhängige konstante Dehnstei- brauchstauglichkeit eine Mindestnormal-
figkeit (EA)c,eff ermittelt. kraft im Betonquerschnitt angesetzt wer-
den, die von der Normalkraft aus der
(Es ⋅ As ) Schnittgrößenermittlung unabhängig ist.
(EA)c,eff =
(1 − 0,35) / (1 + ρs ⋅ no )
min N s = 1,15 ⋅ Ac ⋅ f ct,eff ⋅ (1 + ρs ⋅ n0 )
mit min N Sd = 1,45 ⋅ Ac ⋅ f ct,eff ⋅ (1 + ρ s ⋅ n0 )
Es E-Modul des Betonstahls (nach [DIN- mit f ct,eff = 0,7 ⋅ f ctm
FB 104, 2003]-II-3.2(2) darf vereinfa-
chend für Es = Ea = 210 000 N/mm² an- Die hier betrachtete Brücke wurde aus Be-
genommen werden) ton C30/37 hergestellt. Die mittlere Zugfes-
As Querschnittsfläche der Längsbeweh- tigkeit für diesen Beton beträgt 2,9 N/mm2.
rung in der Betonfahrbahn Somit ergibt sich für
As fct,eff = 0,7 · 2,9 N/mm2 = 2,03 N/mm2
ρs Bewehrungsgrad ρs = 5
Ac min Ns = 1,15 · 32,8 cm · 4,65 m
n0 Reduktionszahl Ea/Ecm (Hinweis: Die-    · 2,03 N/mm2 · (1 + 0,0157 · 6,58)
ser Faktor wird im Betonbau Verhält-
   = 3928,4 kN
niszahl genannt)
min NSd = 1,45 · 32,8 cm · 4,65 m
Im vorliegenden Beispiel beträgt die effek-
tive Dehnsteifigkeit der Betonfahrbahn (je    · 2,03 N/mm2 · (1 + 0,0157 · 6,58)
Hauptträger) nach dieser Näherung    = 4953,2 kN

(EA)c,eff = 8,541 · 109 N Im vorliegenden Beispiel beträgt die Nor-


malkraft in der Betonfahrbahnplatte infol-
Die fiktive Stahlfläche, die dieser Steifigkeit ge ständiger Lasten und Verkehr (Grenzzu-
entspricht, beträgt stand der Tragfähigkeit) nur 4138 kN. Die
8.4 Ausgewählte Nachweise bei einer Verbundbrücke 593

für die Bemessung der erforderlichen Be- Für den Stützbereich gilt näherungsweise
wehrung relevante Kraft ist also fast 20% bei = Le/8 mit Le = Abstand der Momenten-
größer. nullpunkte
bei = 0,25 · 2 · 5,225 m/8 = 0,327 m
8.4.3 Verbundtragwirkung beff = 0,160 m + 2 · 0,327 m = 0,813 m
Im Folgenden wird anhand der Bemessung Die Ermittlung der Gesamtquerschnitts-
des Endquerträgers gezeigt, wie für die werte erfolgt hier exemplarisch für den
Lastfälle Eigenlast, Schwinden, Kriechen Feldquerschnitt. Die Querschnittswerte des
und Verkehr die elastische Tragfähigkeit Stützquerschnitts sind entsprechend mit
des Verbundquerschnitts berechnet wird. der zugehörigen mittragenden Breite zu er-
Außerdem wird die erforderliche Dübelan- mitteln. Im Stützbereich wird die Mitwir-
zahl und Dübelanordnung in der Verbund- kung des Betons zwischen den Rissen ver-
fuge ermittelt. nachlässigt. Der Gesamtquerschnitt besteht
Mittragende Breite des Betonobergurts nur aus den Anteilen des Bau- und des Be-
nach [DIN-FB 104, 2003]-II-4.2.2.2 tonstahls.
beff = bo + 2 · bei
bo = Abstand der äußersten Dübel auf dem
Stahlobergurt (siehe Skizze).
bei = mittragende Breite des Betongurts auf
beiden Seiten des Stegs.
Für den Feldbereich gilt näherungsweise
bei = Le/8 mit Le = Abstand der Momenten-
nullpunkte
bei = 0,85 · 5,225 m/8 = 0,555 m
beff = 0,160 m + 2 · 0,555 m = 1,27 m Bild 8.4‑4   Abmessungen Betongurt

Bild 8.4‑3   Statisches System des Querträgers


594 8 Berechnung

Betonquerschnitt: Material C30/37


beff = 1,27 m
hc = 32,8 cm
Ac = 4165,6 cm2
   beff · hc3
Ic = 02 = 373 459,9 cm4
12
Bild 8.4‑5   Abmessungen Stahlprofil
N
Ecm = 31 900 92
mm
Die Betonfläche und das Trägheitsmoment
werden in äquivalente Stahlquerschnitts-
werte umgerechnet:
  N
Ea = 210 000 92
mm
Ea
n0 = 7 = 6,583
Ecm
   A Bild 8.4‑6   Abmessungen Gesamtstahlquer-
Ac0 = 5c = 632,77 cm4 schnitt
n0
Ic nom c = 4,5 cm (= Betondeckung nach
I c0 = = 56 730,3 cm 4
n0 [DIN-FB 102, 2003]-II-4.1.3.3(114)P)
Stabdurchmesser ds = 1,2 cm
Stahlquerschnitt: Material S235
hc d
Aa = 338,14 cm2 zs1 = − nom c − s = 11,3 cm
2 2
za = 45,23 cm2 zs2 = – zs1 = – 11,3 cm
Ia = 377 119 cm4 Das Gesamtträgheitsmoment des Stahl-
Betonstahl: querschnitts beträgt
∅ 12/12,5 jeweils oben und unten ISt = 461 807,12 cm4
cm2 Gesamtverbundquerschnitt:
as = 2 · 9,05 7
m Zeitpunkt t = 0, keine Schwind- und Kriech­
einflüsse
As = as · beff = 22,99 cm2
Ai0 = ASt + Ac0 = 993,90 cm2
Gesamtstahl: aSt = zSt = Abstand Schwerlinie Betonquer-
, cm2
ASt = Aa + As = 36113 schnitt – Gesamtstahlquerschnitt

hc ASt ⋅ aSt
zsa = za + = 61,63 cm zi0 = = 20,97 cm
2 Ai 0

zsa ⋅ Aa Si0 = Ac0 · zi0 = 13 267,66 cm3


zSt = = 57,71 cm
ASt Ii0 = Ic0 + ISt + Si0 · aSt = 1 284 174,77 cm4
8.4 Ausgewählte Nachweise bei einer Verbundbrücke 595

Einfluss aus Schwinden und Kriechen ΨS = 0,55


a) Schwinddehnung εcs  ∞ = εcas  ∞ + εcds  ∞
nS = n0 · (1 + ΨS · φ1d)
nach [DIN-FB 102, 2003]-II-3.1.5.5(8)
Zur Berechnung der Schwinddehnung = 6,583 · (1 + 0,55 · 3,28) = 18,459
wird die tatsächliche Betonfläche be- Die Reduktion für Kriechen wirkt auf
rücksichtigt und nicht die mitwirkende den Betonquerschnitt:
Betonbreite des Endquerträgers. Der
Achsabstand zwischen den Querträgern Zeitlich konstante Beanspruchung:
beträgt 4,05 m. Die Betonplatte hat am Ac
AcB = = 223,04 cm2
Ende einen Überstand von 1,0 m. nB
Effektive Dicke des Querschnitts:
Ic
I cB = = 19 996,6 cm 4
4,05 m nB
b= + 1,0 m = 302,5 cm
2 Schwinden:
u = 2 · (b + hc) = 670,6 cm A
AcS = c = 225,67 cm2
nS
Ac,   vorh = b · hc = 9922 cm3
Ic
2 ⋅ Ac,vorh I cS = = 20 231,93 cm 4
h0 = = 29,59 cm nS
u
Gesamtquerschnittswerte für t → ∞
Schrumpfdehnung εcas∞ = –0,065 [DIN- Lastfall ständige Lasten
FB 102, 2003]-II-3.1.5.5 Bild 3.120
Trocknungsschwinddehnung εcds∞ = AiB = AcB + ASt = 584,17 cm2
–0,311 [DIN-FB 102, 2003]-II-3.1.5.5
ASt ⋅ aSt
Bild 3.121 ziB = = 35,67 cm
Schwinddehnung εcs  ∞ = –0,376‰ AiB
b) Endkriechzahl φ nach [DIN-FB 102,
SiB = AcB · ziB = 7956,8 cm3
2003]-II-3.1.5.5 Bild 3.119
Feuchte Umgebungsbedingung (außen: IiB = IcB + ISt + SiB · aSt = 940 967,3 cm4
relative Luftfeuchte = 80%)
Lastfall Schwinden
Belastungsbeginn: t0 = 1d
AiS = AcS + ASt = 586,80 cm2
φ1d = 3,28
ASt ⋅ aSt
Ausschalen und Ausbaulasten: Belas- ziS = = 35,51 cm
tungsbeginn t = 50 d AiS

φ50d = 1,67 SiS = AcS · ziS = 8014,4 cm3


Kriechbeiwert für ständige Lasten nach IiS = IcS + ISt + SSB · aSt = 944 528,3 cm4
[DIN-FB 104, 2003]-II-4.2.3(4)
ΨB = 1,10
8.4.4 Nachweise im Grenzzustand
nB = n0 · (1 + ΨB · φ50d) der Tragfähigkeit
= 6,583 · (1 + 1,1 · 1,67) = 18,676
Im Grenzzustand der Tragfähigkeit müssen
Kriechbeiwert für Schwinden nach für den Verbundträger unter anderem die
[DIN-FB 104, 2003]-II-4.2.3(4) folgenden Nachweise geführt werden:
596 8 Berechnung

• Nachweis der Tragfähigkeit des Quer- Schnittgrößen


schnitts für die Elemente Baustahl, Be- Zum Zeitpunkt t = 0:
wehrungsstahl und Beton (im vorliegen- 1) Aus Eigenlast:
den Fall wird eine Bemessung nach dem a) Last auf Stahlträger
Verfahren elastisch-elastisch durchge- Stahleigenlast, Beton + Schalung
führt). Nachweise der Betonplatte (z. B. gd = 43,6 kN/m
Rissbildung, Mindestbewehrung, ört­ b) zeitlich konstante Lasten aus Entscha-
liche Lastabtragung, werden hier nicht len und Ausbau
durchgeführt) ĝd = g (Ausbau) – g (Entschalen)
• Stabilitätsnachweise (Montagezustand) = 11,9 kN/m
(wird hier nicht durchgeführt) 2) aus Verkehrslasten
• Nachweis der Verbundfuge: Anzahl und a) Gleichstreckenlast auf Hauptspur
Verteilung der Dübel unter Traglast und Nebenspur
An­­schluss des Betongurts qd = 18,3 kN/m
b) Gleichstreckenlast p nur im linken
Die folgenden vereinfachten Lasten auf den Feld
Endquerträger basieren auf dem Lastmo- qd = 18,3 kN/m
dell 1 nach [DIN-FB 101, 2003]. Die Teil­ c) SLW – Last: Laststellung
sicherheitsbeiwerte für ständige Lasten
(γf = 1,35) und Verkehr (γf = 1,5) sind be- Es handelt sich bei der Brücke um die Über-
rücksichtigt. Im vorliegenden Beispiel sind führung eines Wirtschaftsweges. Darum
keine Temperatur-, Wind- oder sonstigen wird nur 1 SLW auf Fahrstreifen 1 ange-
Lasten nach [DIN-FB 101, 2003] berück- setzt, kein SLW auf Fahrstreifen 2.
sichtigt. Vereinfachend wird für das minimale
Die Schnittgrößen werden mit dem Stützenmoment und das maximale Feldmo-
Prinzip der virtuellen Kräfte ermittelt. Die ment die gleiche Laststellung angenommen:
Steifigkeitsunterschiede zwischen ungeris-
senem Feldquerschnitt und gerissenem Zum Zeitpunkt t → ∞:
Stützquerschnitt werden über spezielle 1) Aus konstanten Lasten:
Koppeltafeln berücksichtigt. Die Tafeln und a) Last auf Stahlträger
Beispiele für die Anwendung können der wie zum Zeitpunkt t = 0
Literatur entnommen werden, z. B. [Kuhl- b) zeitlich konstante Lasten aus Entscha-
mann et al., 1999]. len und Ausbau

Bild 8.4‑7   Laststellung SLW


8.4 Ausgewählte Nachweise bei einer Verbundbrücke 597

Der Einfluss des Kriechens unter ns = 18,46


kons­tanten Lasten wird durch redu-
Ea = 210 000 N/mm2
zierte Widerstandswerte berücksich-
tigt. εcs,∞ = –0,376‰ = –0,000376
kN
2) aus Verkehrslasten 21000
Ea cm 2
wie zum Zeitpunkt t = 0 N Sch = ε cs,∞ ⋅ ⋅Ac = −0,000376 ⋅ ⋅ 416
3) Schwinden ns 18,46
Durch das Schwinden der Fahrbahnplat- kN
te entsteht eine Zugnormalkraft 21000
Ea im Be- cm 2
N Sch = ε cs,∞ ⋅
ton. Aus Gleichgewichtsgründen ⋅Acmuss
= −0,000376 ⋅ ⋅ 4165,6 cm2 = 1781,9 kN
ns 18,46
diese Schwindnormalkraft auf den Ver-
bundquerschnitt als Druckkraft wirken.
MSch = NSch · ziS = 1781,9 kN · 35,51 cm
Aus dem Versatz zur Schwerlinie resul-
tiert das Schwindmoment MSch = 632,8 kNm

Momentenverläufe [kNm] Querkraftverläufe [kN]


am halben System

Stahlträger: Ma Stahlträger: Va

Ständige Lasten: t = 0 Ständige Lasten: t = 0

Ständige Lasten: t → ∞ Ständige Lasten: t → ∞

Verkehr: qSt Verkehr: qSt

Bild 8.4‑8   Schnittgrößen am halben System


598 8 Berechnung

Verkehr: qF Verkehr: qF

Verkehr: QSLW Verkehr: QSLW

Schwinden: Schwinden:

Schwinden: Normalkraft [ kN ]

Bild 8.4‑8  (Fortsetzung)

Querschnittsnachweise für den müssen vom Gesamtstahlquerschnitt auf-


Grenzzustand der Tragfähigkeit: genommen werden. Die Betonierlast wirkt
Stützquerschnitt: t = 0 auf den reinen Baustahlquerschnitt.
Es wird ein komplett gerissener Betonquer- ha = 817 m + 2 · 22 mm = 86,1 cm
schnitt angenommen. Die Schnittkräfte
za = 45,23 cm

hc
ha + − zSt
M 2 N
σ a ,u = a ⋅ (ha − za ) + ( M g ,St + M p,St + M P,St ) ⋅ = −34,9 > f yd ,a
Ia I St mm2
m
 N
= −235
mm2

zSt + zs1 N N
σ s = ( M g ,St + M p,St + M P,F ) ⋅ = 30,41 2
< f yd ,s = 435
I St mm mm2
8.4 Ausgewählte Nachweise bei einer Verbundbrücke 599

Feldquerschnitt: t = 0
hc
ha + − zi0
M 2 N N
σ a ,u = a ⋅ (ha − za ) + ( M g ,F + M p,F + M P,F ) ⋅ = 32,4 < f yd ,a = 235
Ia Ii0 mm2 mm2
hc
zi0 +
σ c,o = (M g ,F + M p,F + M P,F ) ⋅ 2 = − 1,63 N > f = 0,85 ⋅ f ck = −17,0 N
cd
I i 0 ⋅ n0 mm2 γc mm2

Stützquerschnitt: t → ∞
hc
ha + − zSt
M 2 N
σ a ,u = a ⋅ (ha − za ) + ( M B,St + M p,St + M P,St + MS,St ) ⋅ = − 82,4 > f yd ,a
Ia I St mm2
N
= − 235
mm2
zSt + zs1 N N
σ s = (M B,St + M p,St + M P,St + MS,St ) ⋅ = 107,3
, 2
< f yd ,s = 435
I St mm mm2

Feldquerschnitt: t → ∞
hc h
ha + − ziB ha + c − zi 0
M 2 2
σ a ,u = a ⋅ (ha − za ) + M B,F ⋅ + ( M p,F + M P, F ) ⋅
Ia I iB Ii0
hc
ha + − ziS
2 N N N
+ M S,F ⋅ − S = 30,4 < f yd , a = 235
I iS AiS mm2 mm2

hc hc hc
+ z iB + zi0 + z iS
2 2 NS N
σ c,o = M B,F ⋅ + ( M p,F + M P,F ) ⋅ + MS,F ⋅ 2 − + S
I iB ⋅ nB I i 0 ⋅ n0 I iS ⋅ nS AiS ⋅ nS Ac

N f N
= − 0,14 > f cd = 0,85 ⋅ ck = −17,0
mm 2 γc mm2

Verbundfuge: Abmessungen:
a) Widerstandskraft der Dübel d = 22,2 mm Schaftdurchmesser
Die Betonplatte wird über Kopfbolzen­ des Dübels
dübel ∅ 7/8″ mit dem Stahlprofil schubfest h = 12,5 cm Gesamthöhe
verbunden. Die Bemessung der Kopfbol- des Bolzens
zendübel erfolgt nach [DIN-FB 104, 2003]-
dKopf = 35 mm Durchmesser
II-6.
des Dübelkopfs
Teilsicherheitsbeiwert im Grenzzustand
der Tragfähigkeit: h/d = 5,6 ⇒ α = 1,0 für h/d > 4
γv = 1,25 fu = 360 N/mm²
600 8 Berechnung

fck = 30 N/mm² Feld 1 l1 = 1,27 m


Ecm = 31 900 N/mm² kN
194,4 ⋅ 1,271 m
Die Grenzscherkraft eines Kopfbolzendü- m
nerf = = 2,77 ⇒ 33DDübel
bel
bels ergibt sich aus dem jeweils kleineren 89,2 kN
Wert der nachfolgenden Gleichungen
[DIN-FB 104, 2003]-II-6.3.2.1(1)): Feld 2 l2 = 1,17 m

0,8 ⋅ f u ⋅ π ⋅ d 2 kN
154,9 ⋅ 117
, m
a) PRd = = 89,2 kN m
4 ⋅γv nerf = = 2,03 ⇒ 3 D bel
Dübel
   89,2 kN
1
b) PRd = 0,25 ⋅ α ⋅ d 2 ⋅ f ck ⋅ Ecm ⋅
γv Feld 3 l3 = 0,73 m
= 96,4 kN
kN
⇒ min PRd = 89,2 kN −122,1 ⋅ 0,73 m
m
nerf = = 1,0 ⇒ 11 Dübel
bel
Nachweis für t = 0 89,2 kN
V(x) für t = 0
Feld 4 l4 = 1,27 m
Aufzunehmender Schubfluss in der Ver-
bundfuge kN
161,7 ⋅ 1,27 m
S S m
T ( x ) = V ( x ) ⋅ =V (x ) ⋅ i 0 nerf = = 2,3 ⇒ 33 Dübel
bel
I I i 0 89,2 kN

T1 = 194,4 kN/m Feld 5 l5 = 0,784 m


T2 = 154,9 kN/m kN
−399,2 ⋅ 0,784 m
T3 = 119,23 kN/m m
nerf = = 3,5 ⇒ 4 Dübel
bel
T4 = –99,3 kN/m 89,2 kN
T5 = –122,1 kN/m Nachweis für t → ∞
T6 = –161,7 kN/m Die Schubkraft aus Schwinden wirkt der
T7 = –374,7 kN/m Schubkraft aus Verkehr und ständigen Las-
T8 = –399,2 kN/m ten teilweise entgegen. Der Einfluss der
Entlastung aus ständigen Lasten wird ver-
Anzahl der Dübel: nachlässigt.
Tdi ⋅ li Anteil der ungünstig wirkenden Quer-
nerf = kraft aus ständigen Lasten und Verkehr:
PRd

Bild 8.4‑10   Verlauf der bemessungsrelevanten


Bild 8.4‑9   Verlauf der max. Querkräfte Querkräfte
8.4 Ausgewählte Nachweise bei einer Verbundbrücke 601

T5 = –122,1 kN/m Feld 3 l3 = 0,73 m (Vereinfachend wird


T8 = –399,2 kN/m hier für die ständige Last mit den Werten
von t = 0 gerechnet. Die Abweichung zum
Nach [DIN-FB 104, 2003]-II-6.2.4(2) darf Zeitpunkt t → ∞ beträgt weniger als 1%)
bei Kopfbolzendübeln der Schubfluss aus
Schwinden über die Lasteinleitungslänge kN
−122,1 − 76,2 ⋅ 0,73m
beff (mitwirkende Breite der Betonfahr- m
nerf = = 2,5 ⇒ 3 bel
bahn) konstant angenommen werden. 89,2 kN
−N S −1781,9 kN kN ⇒ 3 Dübel
TN = = = −14031
,
beff 1,27 m m
Feld 4: l3 = 1,27 m

kN
, − 76,2)
(14031 ⋅ 1,27 m
m
nerf = = 18,9 ⇒19 be
89,2 kN
⇒ 19 Dübel

Feld 5: l3 = 0,784 m (Vereinfachend wird


hier für die ständige Last mit den Werten
von t = 0 gerechnet. Die Abweichung zum
Zeitpunkt t → ∞ beträgt weniger als 1%)
Bild 8.4‑11   Schubfluss am halben System
kN
−399,2 − 76,2 ⋅ 0,784 m
m
nerf = = 3,5⇒4 bel
Aus Querkraft VS: 89,2 kN
⇒ 4 Dübel

Anordnung der Dübel:


Maximaler Längsabstand:
Bild 8.4‑12   Vs am halben System
e≤ { 6 ∙ h =80196,8
c
cm
cm
S kN ⇒ 80 cm wird maßgebend
TS = VS iS = −76,2
I iS m Minimaler Längsabstand: e ≥ 5 d = 11,1 cm
Dübel im Feld 1 und 4 in 2 Reihen à 11
Anzahl der Dübel: Stück
Abstand e = 1,27 m/11 = 11,5 cm > 11,1 cm
Feld 1 l1 = 1,27 m
Gewählter Abstand im Feld 2 + 3:
kN
−14031
, − 76,2 ⋅ 1,271 m e = 0,73/3 = 0,24 m
m
nerf = = 211
, ⇒ 22 bel
89,2 kN Gewählter Abstand im Feld 5:
⇒ 22 Dübel e = 0,784/4 = 0,20 m

Feld 2 l2 = 1,17 m Abstände in Querrichtung:


Bemessungsrelevant ist der Zeitpunkt t = 0 Minimaler Randabstand eRand = 2 cm
602 8 Berechnung

Schnitt B-B wird maßgebend, da sowohl


die überzuleitende Kraft größer als auch die
Dübelumrissfläche kleiner als die Gurtan-
schnittsfläche ist und weniger Bewehrung
diese kreuzt.
Bild 8.4‑13   Anzahl der Dübel je Feld Überzuleitende Kraft:
kN kN
Tmax = (14031
, + 76,2) = 1479,3
m m
Ac − Ab−b kN
vsd = Tmax ⋅ = 1392,9
Ac m
Tragfähigkeit nach [DIN-FB 104, 2003]-II-
6.5.1 und [DIN-FB 102, 2003]-II-4.3.2.4.4

( As1 ⋅ f yd , s ) ⋅ 2 ⋅ cot θ

vRd = min  Ac v ⋅ 0,75 ⋅ f cd
Bild 8.4‑14   Querbewehrung und Dübelflächen
 tan θ + cot θ

mit Druckstrebenwinkel θ = 45°
Minimaler Dübelabstand emin = 2,5 · d 2 2
= 2,5 · 22,2 cm = 5,55 cm  31,42 mm /m ⋅ 435 N/mm ⋅ 2
 = 2733,5 kN
gewählt: 8 cm Randabstand + 16 cm Dübel­ 
vRd = min 4450 cm2 /m ⋅ 1,0 ⋅ 0,75 ⋅ 17 N/mm2
abstand + 8 cm Randabstand 
⇒ b = 32 cm  = 2836,9 kN/m2

Nachweis der Querbewehrung: vRd = 2733,5 kN/m > vsd = 1392,9 kN/m
Obere Stahllage ∅ 16/10
⇒ as = 20,11 cm2/m
Untere Stahllage ∅ 20/10 8.4.5 Ermüdungsnachweis
⇒ as = 31,42 cm2/m
Nach bisheriger in Deutschland gültiger
Ac,eff = 4165,6 cm2 Normung musste für Straßenbrücken kein
Ermüdungsnachweis geführt werden. Dies
Gurtanschnittsfläche
hat sich mit Einführung der DIN-Fachbe-
AA–A = hc · (eDübel + dKopf ) · 1 m = 639,6 cm2 richte geändert. Folgende Nachweise müs-
sen geführt werden:
Dübelumrissfläche
1. Für Bau-, Beton- und Spannstahl: Nach-
AB–B = hDübel · (eDübel + dKopf ) · 1 m weis der Ermüdung mit schädigungsä-
= 243,8 cm2 quivalenten Spannungsschwingbreiten
[DIN-FB 104, 2003]-II-4.9.6)
Anrechenbare Betonfläche 2. Für druckbeanspruchte Betonquer-
AA–A 2 schnitte: Nachweise nach [DIN-FB 102,
cv = 2 · hc/1 m = 6560 cm /m
2003]-II-4.3.7.
AB–B
cv = (eDübel + dKopf + 2 · hDübel)/1 m 3. Für Kopfbolzendübel: Nachweis der Er-
= 4450 cm2/m müdung, basierend auf Spannungs-
8.4 Ausgewählte Nachweise bei einer Verbundbrücke 603

schwingbreiten [DIN-FB 104, 2003]-II- ∆τc = 90 N/mm2, der Bezugswert der Er-
6.1.5). müdungsfestigkeit für ∆τR bei Nc =
2 × 106 Lastspielen
Zu 1.:
∆σ Rk (N *) Treten unter der nicht-häufigen Lastkom-
γ Ff ⋅ ∆σ E ≤ bination im Betongurt Zugspannungen auf,
γ Mf
muss auch die nachfolgende Bedingung
mit überprüft werden:
γFf Teilsicherheitsbeiwert für Er­mü­ γ Ff ⋅ ∆σ E
dungslasten ≤ 1,0 , und
∆σ c
γMf Teilsicherheitsbeiwert für die
Be­anspruchbarkeit unter Ermü- γ Mf, a
dung
∆σE schadensäquivalente Span- γ Ff ⋅ ∆σ E γ Ff ⋅ ∆τ 2E
+ ≤ 1,3
nungsschwingbreite ∆σ c ∆τ c
∆σRk   (N*) charakteristischer Wert der Er- γ Mf, a γ Mf , v
müdungsfestigkeit für die maß-
gebende Ermüdungsfestigkeits- mit
kurve und die Lastwechselzahl γMf, a = γMf , Teilsicherheitsbeiwert für die
N* Beanspruchbarkeit unter Er-
Zu 3: müdung
∆τ c ∆σc Bezugswert der Ermüdungs-
γ Ff ⋅ ∆τ E2 ≤ festigkeit ∆σR für die maßge-
γ Mf , v
bende Kerbfallklasse für Nc =
γFf Teilsicherheitsbeiwert für Ermü- 2 × 106 Lastwechsel
dungslasten Exemplarisch wird im Folgenden der Er-
γMf,v =1,25, Teilsicherheitsbeiwert für müdungsnachweis für die Kopfbolzendübel
die Beanspruchbarkeit der Verbund- durchgeführt.
mittel unter Ermüdung Die Schnittgrößen müssen mit dem Er-
∆τE schädigungsäquivalente Schubspan- müdungslastmodell 3 (ELM3) nach [DIN-
nungsschwingbreite FB 101, 2003] ermittelt werden.

Bild 8.4‑15   Laststellung des ELM3 nach DIN-FB 101


604 8 Berechnung

Es muss die Spannungsdifferenz aus der und im Feld 5:


ungünstigsten und günstigsten Laststellung Si0
von 4 Achslasten in Höhe von 120 kN er- Dv3 = –98,0 kN · 5 = – 101,3 kN/m
mittelt werden. Der Teilsicherheitsbeiwert Ii0
für Ermüdungslasten muss nach [DIN- Dv3    
FB 103, 2003]-II-9.3 zu 1,0 gewählt wer- Dτp3 = 99
nDüb · ADüb
den.
Die ungünstigste Laststellung wird aus kN
   –101,3 5
der Berechnung im Grenzzustand der Trag-     m
= 90008
fähigkeit übernommen. Die SLW-Lasten 5,01(Düb/m) · π · (0,0222 m)2/4
können nicht außerhalb des durch die
Schrammborde begrenzten Fahrbahnbe- MN
= –52,2 7
reichs auftreten. Die Laststellung mittig m
über der Mittelstütze bringt eine geringere
Die anderen Bereiche sind nicht bemes-
Schubflussdifferenz als die Laststellung
sungsrelevant.
mittig im zweiten Feld. Die Schubflussdiffe-
Die schädigungs­äqui­valente Schub­span­
renz ist der Unterschied zwischen dem
nungs­schwing­breite Δτ2E ergibt sich nach
Höchstwert aus der max. Laststellung und
[DIN-FB 104, 2003]-II-6.1.5(4) (4) zu
0. Die Schnittgrößen können somit über
das Verhältnis der anzusetzenden Lasten Dτ2E = λv · Ф · Dτp
ermittelt werden:
mit
Last aus dem Grenzzustand der Tragfä-
higkeit: Pk, SLW = 240 kN Ф = Ф2 = 1,0 für Straßenbrücken, nach
120 [DIN-FB 103, 2003]-II-9.4.1(5)
Q1,ELM3 = 118,7 kN ⋅ = 39,6 kN
1,5 ⋅ 240 λv = λv1 · λv2 · λv3 · λv4 ≤ λmax

120 λv1 berücksichtigt die Spannweite, λv2 die


Q2,ELM3 = −87,7 kN ⋅ = −29,2 kN Verkehrsstärke, λv3 die geplante Nutzungs-
1,5 ⋅ 240
zeit und λv4 die Begegnungshäufigkeit bei
120 Schwerverkehr auf beiden Fahrstreifen.
Q3,ELM3 = −293,9 kN ⋅ = −98,0 kN λv1 = 1,55 nach [DIN-FB 104, 2003]-II-
1,5 ⋅ 240
6.1.5(3) für Straßenbrücken bis 100 m
Hieraus folgt die max. Schubflussdifferenz Spannweite
1
und die Spannungsschwingbreite im Feld 2:
Q  N 8
λv 2 = m1 ⋅  obs 
Si0 Q0  N 0 
Dv1 = 39,6 kN · 5 = 40,1 kN/m
Ii0
mit Q0 = 480 kN und N0 = 0,5 · 106 als Be-
Dv1    
Dτp1 = 99 zugswerte [DIN-FB 103, 2003]-II-9.5.2(4),
   nDüb · ADüb Exponent nach [DIN-FB 104, 2003]-II-
kN 6.1.5(3)
40,1 5
    m • Qm1 ist das durchschnittliche Gesamt­
= 90006 gewicht der Schwerlastwagen. Für den
4,1(Düb/m) · π · (0,0222 m)2/4
vorliegenden Wirtschaftsweg wird das
N Durchschnittsgewicht zu Qm1 = 200 kN
= 25,3 9
mm2 angenommen.
8.4 Ausgewählte Nachweise bei einer Verbundbrücke 605

• Für örtliche Straßen mit geringem LKW- 8.4.6 Nachweis im Grenzzustand


Anteil ist Nobs = 0,05 · 106. der Gebrauchstauglichkeit
1
200 kN  0,05 ⋅ 106  8 Im Grenzzustand der Gebrauchstauglich-
λv 2 = ⋅  = 0,312 keit müssen unter anderem die folgenden
480 kN  0,5 ⋅ 106 
Nachweise geführt werden:
λv3 = 1,0 nach [DIN-FB 103, 2003]- 1. Rissbreitenbegrenzung im Beton
II-9.5.2(5) für eine geplan- 2. Spannungsbegrenzung in den Elemen-
te Nutzungsdauer von 100 ten Baustahl, Betonstahl und Beton
Jah­ren. 3. Begrenzung der Verformung unter Ge-
λv4 = 1,0 Dieser Beiwert berücksich- brauchslast (für Straßenbrücken sind
tigt die gegenseitige Beein- geeignete Grenzwerte mit dem Bauherrn
flussung mehrerer Schwer- zu vereinbaren).
lastspuren. Der vorliegende 4. Nachweis der Verbundfuge: Anzahl und
Wirtschaftsweg wird nur Verteilung der Dübel unter Gebrauchs-
einspurig befahren. last
λmax = 2,5/1,8 für den Feldbereich/Stütz­
bereich, nach [DIN-FB 103, Zu 1.: Der Nachweis der Rissbreitenbe-
2003]-II-9.5.2(6) grenzung erfolgt analog zum Nach-
weis für Betonbrücken nach [DIN-
λv = 1,5 · 0,312 · 1,0 · 1,0 = 0,484 FB 102, 2003]. Diese Problematik
Die schädigungsäquivalente Schubspan- wird in diesem Buch in den Ab-
nungsschwingbreite im Feld 2 und 5 wird schnitten 8.5.6 und 8.5.7 behandelt.
hiermit zu Zu 2.: Der Nachweis der Spannungsbe-
grenzung und der Verformungs-
N N
∆τ 2E2 = 0,484 ⋅ 1,0 ⋅ 25,3 2
= 12,2 nachweis erfolgen über eine elasti-
mm mm2 sche Berechnung unter Gebrauchs-
und last. Die Vorgehensweise entspricht
N N der Berechnung im Traglastfall. Auf
∆τ 2E5 = 0,484 ⋅ 1,0 ⋅ 52,2 = 25,3
mm2 mm2 eine Ausführung wird hier darum
verzichtet.
Der Bereich 5 ist maßgebend. Der Nach- Zu 3.: Nachweis der Verbundfuge:
weis lautet: Im Grenzzustand der Gebrauchstaug-
∆τ c lichkeit beträgt der Bemessungswert
γ Ff ⋅ ∆τ 2E ≤ der Längsschubkrafttragfähigkeit
γ Mf , v
60% der charakteristischen Grenz-
90,0 scherkraft PRk des Verbundmittels.
1,0 ⋅ 25,3 ≤ = 72,0
1,25 0,6 · PRk = 0,6 · PRd · γv = 0,6 · 89,2 kN · 1,25
mit = 66,9 kN

∆τc = 90,0 N/mm2 nach [DIN-FB 104, Der Nachweis wird analog zum Nachweis
2003]-II-6.1.5(4). im Grenzzustand der Tragfähigkeit geführt.
Offensichtlich wird für die Anzahl der
Dübel der Nachweis im Grenzzustand der
Gebrauchstauglichkeit maßgebend, da der
Lastanteil aus Schwinden mit γFser = γFult =
1,0 gleich bleibt.
606 8 Berechnung

8.5 Betonbrücken wird sie erzeugt, indem Spannglieder aus


Stahl oder aus Faserverbundwerkstoffen
Gerhard Mehlhorn vorgedehnt und im gespannten Zustand
und Thomas Jahn mit dem Beton verbunden werden. Man
kann die Vorspannung aber auch durch
8.5.1 Vorspannung von Betonbrücken eine zweckmäßige Wahl des Bauvorgangs
erzielen, z. B. durch Vorbelastung, durch
Betonbrücken mit größeren Stützweiten planmäßige Auflagersenkung bei durchlau-
werden heute in der Regel vorgespannt. Der fenden Trägern oder durch Pressen, die von
Grundgedanke der Vorspannung ist, den Widerlagern aus Druckkräfte auf das vor-
aus Lasten entstehenden Spannungen einen zuspannende Bauteil ausüben. Eine weitere
gewollten, entgegenwirkenden Spannungs- Möglichkeit stellt die elektrothermische
zustand zu überlagern. Vordehnung von Spanngliedern aus Stahl
Beton weist nur eine verhältnismäßig dar. Hier soll ausschließlich die Erzeugung
geringe Zugfestigkeit auf. Sie beträgt etwa der Vorspannung mittels Spanngliedern
1/20 bis 1/10 seiner Druckfestigkeit und aus hochfestem Stahl (Spannstahl) betrach-
ist zum Tragen von Lasten meist nicht ver- tet werden.
fügbar, weil sie durch unvermeidbare inne- Spannverfahren unterscheiden sich hin-
re Spannungen (infolge ungleichmäßigen sichtlich der Anordnung der Spannglieder,
Austrocknens und/oder Temperaturunter- des Zeitpunkts der Erzeugung der Vorspan-
schieden) teilweise oder ganz aufgebraucht nung und der Art des Verbunds.
wird. Daher lag es mit der Entwicklung des
Stahlbetons nahe, die Idee der Vorspan- 1. In Abhängigkeit von der Verbundwir-
nung auf diesen Werkstoff anzuwenden. kung:
Durch das Vorspannen soll der Spannungs- 1.1 Vorspannung ohne Verbund:
zustand im Tragwerk aus Beton im Ge- externe Vorspannung:
brauchszustand so beeinflusst werden, Die Spannglieder liegen außerhalb
dass im Beton keine Risse oder nur solche des Betonquerschnitts und tragen
mit sehr geringen Rissbreiten auftreten. an den Umlenk- und Verankerungs-
Dies lässt sich dadurch erreichen, dass vor- stellen die Vorspannkräfte in das
gedehnte und dadurch vorgespannte Stäh- Bau­teil ein.
le sich gegen den Beton abstützen und interne Vorspannung:
damit auf den Beton Druckkräfte ausüben. Die Spannglieder liegen innerhalb
Da die Vorspannung einer Platte oder eines des Betonquerschnitts. Drähte, Stä-
Trägers nicht ohne Verformung erfolgen be oder Litzen werden in einer Kor-
kann, treten am statisch unbestimmt gela- rosionsschutzumhüllung geführt
gerten Tragwerk wegen der Verformungs- (der Spannstahl kann sich in der
behinderung zusätzlich Zwangschnittgrö- Längsrichtung frei bewegen und ist
ßen auf. Diese sind bei den Schnittgrößen­ nur an den Verankerungsstellen fest
ermittlungen und bei den Nachweisen in mit dem Tragwerk verbunden).
den Grenzzuständen zu berücksichtigen. 1.2 Vorspannung mit sofortigem Ver-
Die infolge äußerer Last und Zwang im bund:
Tragwerk entstehenden Zugspannungen Die Spannglieder werden nach dem
werden durch die Vorspannung über- Vor­spannen so in den Beton einge-
drückt. bettet, dass gleichzeitig mit dem Er-
Die Vorspannung kann verschiedenartig härten des Betons Verbund zwischen
aufgebracht werden. In den meisten Fällen beiden Materialien entsteht (glatte
8.5 Betonbrücken 607

Einzeldrähte sind dafür ungeeignet Beim Vorspannen vor dem Erhärten des
und deshalb nicht zulässig). Betons, der sogenannten Spannbettvor-
1.3 Vorspannung mit nachträglichem spannung, Bild 8.5-1, der Vorspannung mit
Verbund: sofortigem Verbund, wird der Spannstahl
Der Beton wird zunächst ohne Ver- im „Spannbett“ vor dem Betonieren vorge-
bundwirkung zwischen Spannglie- spannt.
dern und Beton vorgespannt, später Der vorgespannte Spannstahl wird an
wird die Verbundwirkung herge- den Enden in ortsfesten Blöcken verankert.
stellt. Mit dem Erhärten des in die Schalung ein-
2. In Abhängigkeit von der Art der Veran- gebrachten Betons wird der Verbund zwi-
kerung: schen Spannstahl und Beton wirksam. Nach
2.1 Endverankerungen mit besonderen ausreichender Erhärtung des Betons wird
Ankerkörpern, die Verankerung des Spannstahls an den
2.2 Endverankerungen durch den Ver- Enden gelöst. Wegen der Verbundwirkung
bund zwischen Spannstahl und Be- kann sich der Spannstahl nicht auf seine ur-
ton (Verankerung durch Haftungs-, sprüngliche Länge, die er vor dem Spannen
Reibungs- und Scherverbund). hatte, verkürzen. Bei idealem (perfektem)
3. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Verbund zwischen Spannstahl und Beton
Vorspannens der Spannglieder: müssen der Spannstahl und der Beton sich
3.1 Spannen vor dem Erhärten des um das gleiche Maß verkürzen. Die verblei-
Betons, bende Zugkraft im Spannstahl und die
3.2 Spannen nach dem Erhärten des Druckkraft im Beton sind gleich groß.
Betons. Dieses Verfahren wird ausschließlich bei

Bild 8.5‑1   Prinzip der Vorspannung mit sofortigem Verbund


608 8 Berechnung

der Produktion von Betonbauteilen in Fer- Einpressmörtel ausgefüllt (Bild 8.5-2c).


tigteilwerken angewendet. Durch bereichs- Ein wesentliches Merkmal der Spann-
weises Umwickeln der Spannglieder mit verfahren mit nachträglichem Verbund ist,
Kunststoff-Umhüllungen (abisolieren) wird dass die Spannglieder weitgehend beliebige
in diesen Bereichen der Verbund verhin- Spanngliedführungen erlauben. Lediglich
dert, wodurch bei Vorspannung im Spann- durch die einzuhaltenden Krümmungsra-
bett die eingetragene Vorspannkraft über dien wird der Spanngliedverlauf beschränkt.
die Bauteillänge variiert werden kann. Es ist auch möglich, die Spannglieder an
Bei Spannverfahren mit nachträglichem beliebigen Stellen innerhalb des Tragwerks
Verbund werden Spannstähle in Hüllrohren enden zu lassen. Dadurch können, für be-
(Hüllrohre aus Kunststoff oder Stahl), un- liebige Stellen Größe, Lage und Richtung
gespannt, innerhalb der Schalung verlegt der erforderlichen Vorspannkräfte sowie
(Bild 8.5-2a). Die Spannstähle, die aus der Zeitpunkt ihrer Aufbringung den Er-
Drähten, Stäben oder Litzen bestehen, blei- fordernissen angepasst werden. Die An-
ben innerhalb der Hüllrohre in Längsrich- spannstellen müssen jedoch für den Spann-
tung beweglich und werden nach dem Be- vorgang zugänglich sein.
tonieren gegen den erhärteten Beton unter Bei der externen Vorspannung, Bild
Verwendung besonderer Spanneinrich- 8.5-3, werden die Spannglieder außerhalb
tungen gespannt und verankert (Bild 8.5- des Betonquerschnitts angeordnet. Die
2b). Anschließend wird zu Erzeugung der Vorspannung erfolgt gegen das Betonbau-
Verbundwirkung und zum Schutz des teil, wobei die Vorspannkräfte an den Ver-
Spannstahls vor Korrosion der noch vor- ankerungs- und Umlenkstellen in das Bau-
handene Luftraum in den Hüllrohren mit teil eingetragen werden. Diese Vorspannart

a) Spannglied ungespannt im Hüllrohr

b) Vorspannen

c) Vorgespanntes Spannglied verankert und


mit Einpressmörtel verfülltes Hüllrohr

-P -P

Bild 8.5‑2   Prinzip der Vorspannung mit nachträglichem Verbund


8.5 Betonbrücken 609

wird ohne Verbund ausgeführt, mit den aufgebrachten Vorspannkraft mindestens


Vorteilen der Nachspannbarkeit und der 20% der gesamten erforderlichen Vorspann-
Austauschbarkeit der Spannstähle. kraft betragen. Außerdem sind erhöhte An-
Die Verwendung externer und interner forderungen für Nachrüstungsmaßnahmen
Spannglieder führt zur sogenannten Misch- zur Instandhaltung und zur eventuellen spä-
bauweise, die in der Regel wirtschaftlicher teren Verstärkung zu beachten [DIN-
als die rein-externe Vorspannung ist. Vor FB 102, 2009]-III, Abschnitt 3.4 (1) P.
allem bei im Freivorbauverfahren errichte-
ten Brücken und bei im Grundriss stark
gekrümmten Brücken kann bei der Ver- 8.5.2 Schnittgrößen infolge Vorspannung
wendung externer Spannglieder auf die
Mischbauweise kaum verzichtet werden. Die Schnittgrößen (Spannungen, Kräfte
Auch bei im Taktschiebeverfahren herge- und Verformungen) werden an Balken in
stellten Brücken und bei sehr schlanken rechtwinklig zur Balkenachse liegenden
Brücken kann die Verwendung der rein­ Schnitten ermittelt. Bei gegen die Balken-
externen Vorspannung zu konstruktiven achse gekrümmt oder schräg verlaufenden
Schwierigkeiten führen. Spanngliedern kann man wegen der sehr
Bei der Mischbauweise ist zu unterschei- geringen Neigung α der Spanngliedachse
den, ob es sich bei den internen Spannglie- (bei i. d. R. schlanken vorgespannten Plat-
dern um solche mit oder ohne Verbund ten und Balken, gilt nicht für Querträger-
handelt. Die internen Spann­glieder ohne scheiben) die vertikale Komponente der
Verbund, die wegen der Austauschbarkeit Vorspannkraft P · sin (α) vernachlässigen.
eine zweifache Umhüllung (inneres und Für die gesamte Tragwerkslänge kann mit
äußeres Hüllrohr) haben müssen, sind wie guter Näherung PH ≈ P gesetzt werden.
die externen Spannglieder kontrollier-, aus-
tausch- und nachspannbar. Austauschbar
sein muss dabei der Spannstahl zusammen 8.5.2.1 Querschnittswerte
mit dem inneren Hüllrohr und dem
Korrosions­schutzfett. Es ist selbstverständ- Bei Berechnungen an vorgespannten Trag-
lich, dass bei den rechnerischen Nach­ werken dürfen keine Querschnittsanteile
weisen mit Nettoquerschnittswerten zu vernachlässigt werden, da sonst unzutref-
rechnen ist, s. Abschnitt 8.5.2.1. fende Schnittgrößenverläufe ermittelt wer-
Handelt es sich bei der Mischbauweise den. Bei Druckplatten von Plattenbalken-
für die Längsvorspannung der Brücke um und Kastenquerschnitten ist die tatsächlich
die Kombination von externen Spannglie- mitwirkende Plattenbreite, z. B. nach [Bren-
dern mit Spanngliedern im Verbund, muss del, 1959], zu berücksichtigen.
nach [DIN-FB 102, 2009]-III, Abschnitt 3.2 Für die statische Berechnung von Bau-
der Anteil der mit externer Vorspannung teilen, die vor dem Erhärten des Betons

Bild 8.5‑3   Prinzip der externen Vorspannung


610 8 Berechnung

vorgespannt werden, benötigt man ideelle Bei vorgespannten Bauteilen mit inter-
Querschnittswerte, weil bereits vor dem Ab- nen Spanngliedern ohne Verbund wirken
setzen der Vorspannkraft Verbund zwi- die Vorspannkräfte auf den Beton-Netto-
schen Spannstahl und Beton besteht. Auch Querschnitt. Wegen des fehlenden Ver-
zur Ermittlung von Beanspruchungen an bunds dürfen ideelle Querschnittswerte
Bauteilen, die mit nachträglichem Verbund nicht verwendet werden. Das Spannglied
vorgespannt werden, sind für die nach der wird als reibungslos im Hüllrohr liegendes
Herstellung des Verbunds aufgebrachten Zugband betrachtet, dessen Spannungsän-
Belastungen die ideellen Querschnittswerte derungen unter Last sich aus der Gesamt-
maßgebend. verzerrung der Betonfaser in Höhe der
An Querschnitten, die nach dem Erhär- Spanngliedachse ergibt.
ten des Betons vorgespannt werden, kann Im Folgenden werden Gleichungen zur
für die Bestimmung der vor der Herstellung Ermittlung von Querschnittswerten des Be-
des Verbunds entstehenden Beanspru- tonquerschnitts, des Spannstahlquerschnitts
chungen, also auch für Beanspruchungen sowie des Verbundquerschnitts angegeben.
infolge der Vorspannung, bei in der Regel im
Verhältnis zum Betonquerschnitt der Zug- a) Spannstahl – Querschnittswerte
zone geringem Spann- und Betonstahlquer- (Index p):
schnitt, mit Beton-Brutto-Querschnittswerten Die Gesamtquerschnittsfläche der Spann­
gerechnet werden. Bei großem Spannstahl- stähle wird aus der Summe der Einzelflä-
bewehrungsgrad oder bei genaueren, mate- chen der Spannstähle ermittelt:
rialsparenden Berechnungen benötigt man
m
neben den ideellen Querschnittswerten Ap = ∑ Ap, j (8.5-1)
noch die Querschnittswerte des Betonquer- j =1
schnitts, bei dem die Querschnittsflächen
der Hüllrohre der Spannglieder abgezogen Ap,j … Fläche des einzelnen Spannglieds
werden (Beton-Netto-Querschnittswerte). m … Anzahl der Spannglieder
Der Stahlquerschnitt bleibt hierbei unbe-
rücksichtigt. Diese Querschnittswerte sind
für die Ermittlung der Beanspruchungen aus
den Eigenlasten und den Vorspannkräften
maßgebend. Der Ansatz von Beton-Netto-
Querschnittswerten sollte insbesondere für
Nachweise an Querschnitten mit Spann-
gliedkopplungen (Berücksichtigung aller
vor dem Verpressen vorhandener Hohlräu-
me) erfolgen. Bei der Ermittlung der ideellen
Querschnittswerte am Verbundquerschnitt
sind zu den Beton-Brutto-Querschnittswerten
nur die (αp – 1)-fachen Querschnittsflächen
des Stahls (αp = Ep /Ec) anzusetzen, da die
mit Verpressmörtel ausgefüllten Hohlräume
in den Hüllrohren näherungsweise als Be-
tonquerschnitte behandelt werden, siehe
z. B. Gl. (8.5-25). Ideelle Quer­schnittswerte
gelten für alle Lasten, die zeitlich nach Her-
stellung des Verbundquerschnitts aufge- Bild 8.5‑4   Vorgespannter Betonquerschnitt,
bracht werden. Bezeichnungen
8.5 Betonbrücken 611

Die Abstände y–p und z–p der geometrischen Die Abstände der Schwerachsen des Brut-
Schwerachsen des Gesamt-Spannstahl- to-Querschnitts von der globalen y–- bzw.
querschnitts bezogen auf das globale y–-z–- z–-Achse betragen:
Koordinatensystem ergeben sich zu:
1 m
1 m yb = ⋅ ∑ y j ⋅ Acb, j (8.5-7)
yp = ⋅ ∑ y p, j ⋅ Ap, j (8.5-2) Acb j =1
Ap j =1
1 m
1 m zb = ⋅ ∑ z j ⋅ Acb, j (8.5-8)
zp = ⋅ ∑ z p, j ⋅ Ap, j (8.5-3) Acb j =1
Ap j =1
y–j y–-Koordinate des Schwerpunkts
y–p, j Abstand des Schwerpunkts des des Teilquerschnitts
Spannglieds von der z–-Achse z–j z–-Koordinate des Schwerpunkts

z p, j Abstand des Schwerpunkts des des Teilquerschnitts
Spannglieds von der y–-Achse
Für die Flächenmomente 2. Grades (Träg-
Für die Trägheitsmomente der Gesamt- heitsmomente) bzgl. der globalen Achsen
Spannstahlfläche bezüglich des Schwer­ gilt:
achsenkoordinatensystems folgt: m
I ycb = ∑ I ycb, j + z j2 ⋅ Acb (8.5-9)
m j =1
I yp = ∑ I yp, j + Ap, j ⋅ (z p − z p, j )2 (8.5-4)
j =1 m
I zcb = ∑ I zcb, j + y 2j ⋅ Acb (8.5-10)
m j =1
I zp = ∑ I zp, j + Ap, j ⋅ ( y p − y p, j )2 (8.5-5)
j =1
Iycb, j Flächenmoment 2. Grades des
Iyp, j , Izp, j Eigenträgheitsmomente des j-ten Teilquerschnitts bzgl. der
j-ten Spannglieds y-Schwer­achse
Izcb, j Flächenmoment 2. Grades des
Die Eigenträgheitsmomente der Spann­ j-ten Teilquerschnitts bzgl. der
glieder werden in den Gln. (8.5-4) und z-Schwerachse
(8.5-5) i. d. R. vernachlässigt, weil sie um
Größenordnungen kleiner sind als die Stei­ Die Flächenmomente 2. Grades bzgl. der
ner’schen Anteile. Die angegebenen Glei- Schwerachsen des Bruttoquerschnitts sind:
chungen gelten auch für Betonstahlquer- I ycb = I ycb − z b2 ⋅ Ab (8.5-11)
schnitte (Index s) und für die Querschnitts-
flächen von Hüllrohren (Index h). I zcb = I zcb − y b2 ⋅ Ab (8.5-12)
b) Beton – Brutto – Querschnittswerte Nach [Fleßner, 1962] lassen sich die Brutto-
(Index cb): Querschnittswerte polygonal berandeter
Für den in Bild 8.5-4 dargestellten Quer- Querschnitte, wie sie vor allem bei Brü-
schnitt lässt sich die Beton-Bruttoquer- ckenüberbauten anzutreffen sind, einfach
schnittsfläche aus der Summe der Teilquer- mit Hilfe der Eckpunkt-Koordinaten des
schnittsflächen bestimmen. Rands bestimmen (siehe Bild 8.5-5) und
m Gln. (8.5-13 bis -19). Für die vorgegebenen
Acb = ∑ Acb, j (8.5-6) Richtungen der Koordinatenachsen ist der
j =1
Rand des Querschnitts so zu umfahren,
Acb, j Teilquerschnittsfläche dass die Querschnittsfläche immer rechts
m Anzahl der Teilquerschnittsflächen des Rands liegt. Damit der Polygonzug ge-
612 8 Berechnung

1 k
I ycb = ⋅ ∑ ( y j ⋅ z j+1 − y j+1 ⋅ z j )
12 j =1
⋅ (z j2 + zj ⋅ zj+1 + z 2j+1) (8.5-18)

I zcb = 1 ⋅ ∑ ( y j ⋅ z j+1 − y j+1 ⋅ z j )


k

12 j =1

 ⋅ ( y 2j + y j ⋅ y j+1 + y 2j+1) (8.5-19)

Iy–cb   , I–z cb Flächenmomente 2. Grades


des Querschnitts bezogen auf
die globalen Achsen
Die Trägheitsmomente bezüglich des
Schwerpunkt-Koordinatensystems lassen
sich nach den Gln. (8.5-11) und (8.5-12)
Bild 8.5‑5   Knotennummerierung und Rich- bestimmen. [Käuffler, 1989] gibt Gleichun-
tungssinn der Koordinatenachsen gen an, mit denen Querschnittswerte poly-
gonal berandeter Querschnitte mit kreisför-
migen Randabschnitten bestimmt werden
schlossen ist, entspricht der letzte Eckpunkt können.
dem ersten. Dieses Verfahren eignet sich
besonders gut für die rechnergestützte Be- c) Beton – Netto – Querschnittswerte
rechnung von Querschnittswerten. (Index cn):
Die in den Gln. (8.5-20) bis (8.5-24) enthal-
1 k tenen Werte Ap, y–p und y–p können bei Be-
Acb = ⋅ ∑ y j ⋅ z j+1 − y j+1 ⋅ z j (8.5-13) rechnungen an Beton-Querschnitten mit
2 j =1
 unverpressten Hüllrohren durch den Hüll-
y–j, z–j globale Koordinaten der Eck- rohrquerschnitt Ah bzw. die globalen Koor-
punkte, j = 1, 2, … , k dinaten y–h und z–h ersetzt werden.
k Anzahl der Eckpunkte + 1
Acn = Acb − Ap  (8.5-20)
1 k
Sycb = ⋅ ∑ ( y j ⋅ z j+1 − y j+1 ⋅ z j ) ⋅ (z j + z j+1) 1
6 j =1 yn = ⋅ ( Acb ⋅ y b − Ap ⋅ y p )  (8.5-21)
 (8.5-14) Acn
1 k 1
S zcb = ⋅ ∑ ( y j ⋅ z j+1 − y j+1 ⋅ z j ) ⋅ ( y j + y j+1) zn = ⋅ ( Acb ⋅ z b − Ap ⋅ z p )  (8.5-22)
6 j=1 Acn
 (8.5-15)
Sy–cb  , S–z cb statische Momente des Quer- I ycn = I ycb + Acb ⋅ (z b −z n )2

schnitts bezogen auf die glo- − (I yp + Ap ⋅ (z p − z n)2 ) (8.5-23)
balen Achsen
I zcn = I zcb + Acb ⋅ ( y b − yn)2
(8.5-16) 
y b = S zcb Acb − (I yp + Ap ⋅ ( y p − yn)2 ) (8.5-24)
z b = Sycb Acb  (8.5-17)
d) Ideelle Querschnittswerte (Index ci):
y–b, z–b globale Koordinaten des Die ideellen Querschnittswerte gelten am
Schwer­­­­punkts Verbundquerschnitt. Unter Ansatz der Bie-
8.5 Betonbrücken 613

ge- und Dehnsteifigkeiten werden aus den zur Überlagerung von Biegezugspannun-
Spannstahlflächenkennwerten äquivalente gen eingesetzt wird, werden die maßge-
Betonflächenkennwerte ermittelt und zu benden Gleichungen zur Bestimmung der
den Querschnittswerten der tatsächlichen Schnittgrößen infolge Vorspannung am
Betonfläche addiert. Die angegebenen Glei- Biegebalken angegeben. Ausführliche Her-
chungen treffen nur unter der Annahme leitungen der Bestimmungsgleichungen
des linear elastischen Materialverhaltens für Schnittgrößen an mit sofortigem Ver-
im Bereich der untersuchten Schnittgrößen bund vorgespannten Querschnitten sind in
zu. [Mehlhorn, 1998] und [Mehlhorn et al.,
 2002] enthalten.
Aci = Acb + (α p − 1) ⋅ Ap (8.5-25)
 Gleichungen für die Schnittgrößen an
mit: zentrisch vorgespannten Querschnitten
αp = Ep/Ec erhält man, indem der Abstand der Spann-
gliedlage zur Schwerachse zcp zu null ge-
Die anderen Querschnittswerte werden setzt wird.
analog berechnet. Für die globalen Koordi- Nach dem Aufbringen der Spannbett-
naten des ideellen Schwerpunkts folgt: Vorspannkraft P(0) ergibt sich die Größe
1 der Dehnung des Spannstahls ε(0)
p,  p (Vordeh­
yi = ( Acb ⋅ y b + (α p − 1) ⋅ Ap ⋅ y p ) nung im Spannbett) zu:
Aci
 (8.5-26)
δ p(0,p) σ p(0,p) P (0)
1 ε p(0,p) = = =  (8.5-30)
zi = ( Acb ⋅ z b + (α p − 1) ⋅ Ap ⋅ z p ) lp Ep Ep ⋅ Ap
Aci
 (8.5-27)
In Gl. (8.5-30) bedeuten:
Die Trägheitsmomente bzgl. der ideellen
Schwerachsen ergeben sich aus: ε(0)
p,  p Spannbettdehnung des Spann-
stahls,
I yci = I ycb + Acb ⋅ (zi − z b )2 δ(0)
p,  p Verlängerung des Spannstahls in-
+ (α p −1) ⋅ (I yp + Ap ⋅ (zi − z p )2 ) folge der im Spannbett auf den
 (8.5-28) Stahl aufgebrachten Vorspannkraft
P(0),
I zci = I zcb + Acb ⋅ ( yi − y b )2 lp Länge des Spannstahls im unbelas-
+ (α p − 1) ⋅ (I zp + Ap ⋅ ( yi − y p )2 ) teten Zustand,
 (8.5-29) σ(0)
p,  p Spannbettspannung im Spann-
stahl,
P(0) über die Spannpresse in den
8.5.2.2 Schnittgrößen am statisch bestimmt Spannstahl im Spannbett eingetra-
gelagerten Tragwerk gene Vorspannkraft,
Ep Elastizitätsmodul des Spannstahls,
Ap Querschnittsfläche des Spann-
8.5.2.2.1 Spannen vor dem Erhärten des Betons
stahls.
Das Spannen des Spannstahls erfolgt im Nach dem Lösen der Spannbettverankerung,
Spannbett. Sofort nach dem Einbringen siehe Bild 8.5.1 c), wirkt die Vorspannkraft
des Betons tritt mit der Erhärtung des Be- an der Stelle des Spannglieds auf das Bauteil.
tons der Verbund zwischen Beton und Der Balken verkürzt sich, und wegen der ex-
vorgespanntem Stahl ein. Da im Beton- zentrischen Spanngliedlage erfährt er zudem
Brückenbau die Vorspannung vor allem eine Verkrümmung. Die verbleibenden
614 8 Berechnung

Schnittgrößen des Betons und des Spann- Die verbleibende Stahldehnung nach dem
stahls werden mit einem Querstrich verse- Lösen der Verankerung ergibt sich zu:
hen. Die Eigenlast, die durch das Abheben ε p,p = ε p(0,p) + ε cp,p = ε p(0,p) + ∆ε p,p . (8.5-31)
des Balkens von der Schalung infolge Ver-
krümmung wirksam wird, bleibt bei den Diesen Verzerrungen entsprechen die
Gleichungen zur Bestimmung der nach dem Spannungen:
Absetzen der Vorspannung verbleibenden σ p,p = σ p(0,p) + α p ⋅ σ cp,p . (8.5-32)
Vorspannkraft zunächst unberücksichtigt.
Es liegt somit aus Vorspannung ein reiner σ–p,  p nach dem Lösen der Verankerung
Eigenspannungszustand vor. Zur Ermittlung verbleibende Spannung im Spann-
der tatsächlichen Schnittgrößen muss die stahl,
Eigenlast auf den Verbundquerschnitt wir- σ(0)
p,  p Spannbett-Spannung im Spann-
kend angesetzt werden. stahl,
Vor und nach dem Lösen der Spannbett- σ–cp,   p Spannung im Beton nach Lösen
verankerung wirken im Element mit der der Verankerung.
infinitesimalen Länge dx = 1 des Verbund- Die im Spannstahl verbleibende Vorspann-
querschnitts die im Bild 8.5-6 angegebenen kraft ist:
Schnittgrößen. –
Unter der Voraussetzung perfekten Ver- P = A · σ– .
p p,  p
bunds zwischen Beton und Stahl gilt die Im Beton wirken:
Verträglichkeitsbedingung: – – – –
N c,  p = –P und M c,  p = –P · zcp .
–ε = ∆ε–
cp, p p, p Zwischen den Kräften im Spannstahl vor
–ε durch Lösen der Verankerung des und nach dem Lösen der Spannbettveran-
cp, p
Spannstahls verursachte Be- kerung bestehen die Beziehungen:
tonstauchung in Höhe der Spann-  Ep ⋅ Ap  A 2 
stahlfaser, P (0) = P ⋅ 1 + ⋅ 1 + c ⋅ z cp 
∆ε–p,  p Änderung der Spannstahldehnung  Ec ⋅ Ac  Ic  
infolge Lösen der Verankerung.  (8.5-33)

Spannbettkraft aufgebracht

( )
0
P(
0) εp,p P(
0)

dx = 1

Lösen der Spannbettverankerung


Mc,p Mc,p

Nc,p Nc,p
P P
−εcp,p εp,p −∆εp,p

Bild 8.5‑6   Infinitesimales Element mit der Länge dx = 1; Schnittgrößen und Verzerrungen aus
Vorspannung bei Aufbringung der Spannbettvorspannkraft P(0) und nach dem Lösen der Spann-
bettverankerung
8.5 Betonbrücken 615

−1 a) Spannbeton ohne Verbund:


 Ep ⋅ Ap  Ac 2 
P = P (0) ⋅ 1 + ⋅ 1 + ⋅ z cp  Die Spannglieder liegen hierbei ent­
 Ec ⋅ Ac  Ic  weder außerhalb des Betons (externe
 (8.5-34) Vorspannung) oder sie werden längs-
verschieblich in mit Fett gefüllten
Ac, Ic und zcp stellen Netto-Beton-Quer-
Kunststoffummantelungen innerhalb
schnittswerte entsprechend den Gln. (8.5-
des Betons geführt.
20), (8.5-22) und (8.5-23) dar.
b) Spannbeton mit nachträglichem Ver-
Bei Spannbetonbauteilen, bei denen die
bund:
Spannglieder vor dem Erhärten des Betons
Die Spannglieder werden in Hüllroh­
vorgespannt werden, wirken alle äußeren
ren geführt. Nach dem Vorspannen
Lasten - auch die beim Aufbringen der Vor-
erfolgt das Auspressen der Hüllrohre
spannkraft gleichzeitig wirksam werdende
mit Zementmörtel.
Eigenlast - auf den Verbundquerschnitt.
Zur Ermittlung der Spannungsvertei-
In den vorgenannten Fällen erfolgt das
lung im Querschnitt werden perfekter Ver-
Spannen erst, wenn der Beton genügend
bund zwischen Beton und Stahl sowie die
erhärtet ist und zwar gegen den erhärteten
Bernoullische Hypothese vom Ebenbleiben
Beton.
der Querschnitte vorausgesetzt.
Beim Spannen nach dem Erhärten des
Die Annahme des perfekten Verbunds
Betons wird in der Regel gleichzeitig mit
bedingt, dass die aus äußeren Lasten
dem Aufbringen der Vorspannung die Be-
(G + Q) herrührenden Verzerrungen in
anspruchung aus Eigenlast wirksam.
Höhe der Stahlfaser im Beton und im Stahl
Das Aufbringen der Vorspannung er-
gleich sind.
folgt i. d. R. mit Spannpressen, die sich ge-
εp,  g +  q = εcp,  g  +  q gen das vorzuspannende Bauteil abstützen.
Die Spannungsverteilung im Balken aus Die eingetragene Vorspannkraft wird am
äußeren Lasten kann somit nach den für Manometer der Presse abgelesen. Zur Kon-
nicht vorgespannten und vorgespannten trolle werden zusätzlich die Spannwege ge-
bewehrten Beton allgemeingültigen Bezie- messen. Hierbei ist zu beachten, dass so-
hungen für den Zustand I ermittelt werden. wohl am Manometer als auch bei der
Die Spannungen im Verbundquerschnitt Spannwegmessung stets nur die Werte aus
infolge äußerer Lasten Ng +q und Mg + q erge- Vorspannung und der gleichzeitig wir-
ben sich zu: kenden Eigenlast zusammen abgelesen
werden können. Aus diesem Grund wird
Ng + q M g + q für die folgenden Betrachtungen die Vor-
σ c ,g + q = + ⋅ z ci
Aci I ci (8.5-35) spannkraft P als die Kraft definiert, die am
 Ende des Spannvorgangs am Manometer
 N g +q M g +q  der Spannpresse abgelesen wird und die
σ p,g +q = α p ⋅  + ⋅ zip  .
 sich an einer beliebigen Stelle des Spann-
 Aci I ci 
glieds mit Hilfe des Reibungsgesetzes aus
der an der Anspannstelle aufgebrachten
8.5.2.2.2 Spannen nach dem Erhärten Vorspannkraft bestimmen lässt. Schnitt-
des Betons größen, die während des Spannvorgangs
wirksam werden, sind auf den reinen Be-
Beim Spannen nach dem Erhärten des Be- tonquerschnitt zu beziehen, d. h. auf das
tons werden nach der Art des Verbunds statisch bestimmte Hauptsystem des aus
zwei Verfahren unterschieden: dem Betontragwerk und dem Zugband be-
616 8 Berechnung

stehenden innerlich statisch unbestimmten Höhe der aufgebrachten Spannkraft P0 und


Systems. Bei Spannbeton mit nachträg- die Verteilung von P (x) über die Spann-
lichem Verbund werden nach dem Vor- gliedlänge l.
spannen die Hüllrohre verpresst. Die nach- Für die nachträgliche Kontrolle der im
träglich auf das Bauteil aufgebrachten La- Spannbett vorhandenen Kraft, besteht bei
sten (Ausbaulasten, Verkehrslasten) wirken Vorspannung ohne Verbund die Möglich-
auf den Verbundquerschnitt; entsprechend keit das Spannglied innerhalb einer defi-
sind bei der Berechnung dieser Schnittgrö- nierten Länge in Querrichtung auszulen-
ßen ideelle Querschnittwerte anzusetzen. ken und aus der für eine bestimmte Auslen-
Somit kann für die Spannungen im Be- kung erforderlichen Kraft auf die vorhan-
ton infolge P und der gleichzeitig mit dem dene Spannkraft zu schließen.
Anspannen wirksam werdenden Eigenlast Bei sehr langen im Beton liegenden
angeschrieben werden: Spanngliedern kann die Spannstahldeh-
nung bzw. der Spannweg an Zwischenstel-
M g1 P P ⋅ z cp len (Fenstern) kontrolliert werden.
σ c,g1+ p = ⋅ zc − − ⋅ zc .
Ic Ac Ic Es wird hier vorausgesetzt, dass die Ver-
 (8.5-36) teilung der Spannkraft P (x) (Spannkraft an
Die Spannung im Spannstahl ergibt sich zu: der Anspannstelle P0 = P (x = 0) und der
P Reibungseinfluss (vgl. Abschnitt 8.5.2.2.3))
σ p,g1+ p = .  (8.5-37) sowie die beim Spannen wirkenden Schnitt-
Ap
größen Nc,p (x), Mc,p (x) und Mc,g1 (x) be-
Ac  , Ic und zc sind Netto-Beton- Querschnitts­ rechnet wurden. Im Bild 8.5-7 sind die Ver-
werte. Anmerkung: Bei Vorbemessungen läufe der Schnittgrößen qualitativ für den
werden Beton-Brutto-Querschnittswerte vorgespannten Einfeld­träger mit einem
verwendet, da der Spannstahlquerschnitt Spannglied angegeben.
erst ermittelt werden muss. Der Spannweg δSp an der Anspannstelle
Für die Ermittlung der Spannungen in- des Spannglieds setzt sich im wesentlichen
folge Belastungen, die bei Vorspannung mit aus zwei Anteilen zusammen (Schlupf ver-
nachträglichem Verbund nach dem Her- nachlässigt):
stellen des Verbunds aufgebracht werden, δp, p Anteil aus Spannstahldehnung,
gelten die Gl. (8.5-35). δcp, p + g1 Anteil aus Betonstauchung in
Die Betonspannungen infolge Vorspan- Höhe des Spannglieds.
nung besitzen dann eine sinnvolle Größen-
ordnung, wenn ihre Beträge etwa der Grö- Für die einsträngige Vorspannung ergibt
ße der Spannungen infolge äußerer Lasten sich der Spannweg zu:
entsprechen. δSp = δp, p – δcp, p  + g1 . (8.5-38)
Deshalb ist es besonders wichtig, die
während des Spannvorgangs aufgebrachten Die „Schlupfwerte“ (missverständliche Be-
Vorspannkräfte sorgfältig zu kontrollieren. zeichnung), die in den einzelnen allgemein
Hierzu stehen zwei Möglichkeiten zur Ver- bauaufsichtlichen Zulassungen der Spann-
fügung: verfahren angegeben sind, setzen sich in
der Regel aus zwei Anteilen zusammen.
1. Ablesen der Spannkraft P0 an der An-
Der eine Anteil ergibt sich beim Vorspan-
spannstelle (Manometer),
nen aus der Eindrückung der Verankerung
2. Kontrolle der berechneten Spannwege.
unter der Pressenkraft in den Beton. Der
Beide Kontrollmöglichkeiten zusammen zweite Anteil ist als ein für das jeweilige
ergeben einen Beurteilungsmaßstab für die Spannverfahren spezifischer Nachlassweg
8.5 Betonbrücken 617

Bild 8.5‑7   Schnittgrößenverlauf aus Vorspannung im von einer Seite vorgespannten Träger

zu betrachten und berücksichtigt z. B. bei Damit wird:


Keilverankerungen den Keilschlupf (bei
l l
Gewindeverankerungen entsprechend die P (x ) P(x )
δ Sp = ∫ dx + ∫ dx
Verschiebung aus dem Gewindespiel) und 0 Ep ⋅ Ap 0 c ⋅ Ac
E
die Verformungen der Verankerungsteile
l
beim Umsetzen der Vorspannkraft von der P ( x ) ⋅ z cp ( x ) − M g1 ( x )
+∫ ⋅ z cp (x ) dx .
Presse auf die Verankerung. Zur Berech-  0 Ec ⋅ I c
nung der Auswirkungen des Schlupfs auf  (8.5-40)
den Verlauf der Vorspannkraft siehe z. B.
[Mehlhorn et al., 2002]. Es sei hier darauf hingewiesen, dass bei den
Die beiden Spannweg-Anteile nach der meisten in der Baupraxis vorkommenden
Gl. (8.5-38) ergeben sich zu: Anwendungen das letzte Integral in Gln.
(8.5-39,40) im Verhältnis zu den übrigen In-
l l
P(x )  tegralen vernachlässigbar klein ist, weil der
δ p,p = ∫ ε p,p (x ) dx =∫ dx  Minuend und der Subtrahend im Zähler des
0 0 Ep ⋅ Ap  Integrals die gleiche Größenordnung haben.
l l 
 Näherungslösungen der Integrale Gln.
P(x )
δ cp,p+g1 = ∫ ε cp,p+g1 (x ) dx = − ∫ dx  (8.5-39, 40) zur Berechnung der Verformun­
0 0 E c ⋅ Ac 
 gen erhält man z. B. mit der Simp­son’schen
l
−P (x ) ⋅ z cp (x ) + M g1 (x )  Regel. Dazu wird die Fläche unter der zu
+∫ ⋅ z cp (x ) dx  integrierenden Funktion in eine gerade
0 Ec ⋅ I c Anzahl n gleich breiter Streifen parallel zur
 (8.5-39) y-Achse unterteilt (siehe Bild 8.5-8).
618 8 Berechnung

Bild 8.5‑8   Unterteilung der gesuchten Fläche unter der zu integrierenden Funktion

Das bestimmte Integral ergibt sich nähe- Spannbewegung auf, welche die an der An-
rungsweise zu: spannstelle eingetragene Vorspannkraft
verringern. Selbst bei planmäßig gerade ge-

A≈ ⋅ ( y0 + 4 ⋅ y1 + 2 ⋅ y2 + 4 ⋅ y3 führten Spanngliedern entstehen wegen der
3 unvermeidlichen Abweichung der Spann-
+ … + 2 ⋅ yn−2 + 4 ⋅ yn−1 + yn ) . (8.5-41) glieder von der Soll-Lage (Abweichung von
Bei mehrsträngiger Vorspannung werden der theoretisch vorausgesetzten Geraden)
die Vorspannkräfte auf die einzelnen Spann- Reibungsbehinderungen beim Vorspannen.
glieder nacheinander aufgebracht. Hierbei Die Ermittlung der infolge Reibung ein-
ist zu berücksichtigen, dass die anfängliche tretenden Größe der Vorspannkraft P (x)
Vorspannkraft (Initialkraft P(i)) der vorher an jeder beliebigen Stelle x in Bezug auf die
gespannten Spannglieder infolge Betonver- an der Anspannstelle aufgebrachte Kraft P0
kürzung beim Vorspannen der nachfolgen- ergibt sich nach Gl. (8.5-43):
den Spannglieder abnimmt. P (x ) = P0 ⋅ e − µ ⋅ϑ (x) . (8.5-43)
Allgemein gilt für den Spannweg bzw.
die beim Vorspannen aufzubringende Initi- mit:
alkraft des j-ten Spannglieds von insgesamt ϑ (x) = Θges + k · x Gesamtumlenkwinkel,
n Spanngliedern: Umlenkwinkel im Bogenmaß
n−1 [rad],
δ Spj = δ pj,pj − δ cpj,pj − ∑ δ cpj,p ( j+1) , Θges planmäßiger Gesamt-Umlenkwin-
j =1
kel,
Ep ⋅ Apj n−1 k·x unplanmäßiger Umlenkwinkel.
P0(ij),p = P0 j,pj − ⋅ ∑ δ cpj,p ( j+1) .
l j =1 Die planmäßigen Umlenkwinkel sind bei
 (8.5-42) Spanngliedführungen mit Gegenkrüm-
mungen jeweils zwischen benachbarten
8.5.2.2.3 Einfluss des Reibungswiderstands Wendepunkten sukzessive zu bestimmen
beim Vorspannen und die Absolutbeträge der Winkel sind bis
zur betrachteten Stelle zu addieren. In man-
Bei allen Arten des Vorspannens nach dem chen Büchern wird angegeben, dass bei der
Erhärten des Betons treten beim Vorspan- Ermittlung des Umlenkwinkels ϑ nur der
nen infolge Reibung Behinderungen der größere der beiden Anteile, entweder Θ
8.5 Betonbrücken 619

oder k·x berücksichtigt zu werden braucht. stellt wurde, verformen die Vorspannkräfte
Diese Aussage ist nach Auffassung der das Tragwerk. Bei statisch bestimmter La-
­Autoren falsch. Es liegt auf der Hand, dass gerung sind diese Verformungen frei mög-
der planmäßige geometrische Umlenk­ lich; sie werden also durch die Lagerung
winkel Θ immer zu berücksichtigen ist. Der nicht behindert und verändern die Aufla-
unplanmäßige Umlenkwinkel soll unver- gerkräfte nicht. An Tragwerken mit statisch
meidbare Umlenkungen (z. B. horizontale unbestimmter Lagerung können sich die
Abweichungen eines in vertikaler Ebene Verformungen nicht unbehindert einstel-
gekrümmten Spannglieds, Durchhänge len. Dem Tragwerk werden durch die Fest-
zwischen den Spanngliedunterstützungen) haltungen Zwänge auferlegt, die wiederum
erfassen. Üblicherweise wird angenom- Zwangskräfte und Auflagerreaktionen her-
men, dass der Reibungsbeiwert μ längs des vorrufen. Zur Berechnung der Zwangskräf-
Spannglieds konstant bleibt. Diese Voraus- te stehen verschiedene Methoden zur Ver-
setzung gilt aber nur näherungsweise. Der fügung. Im Folgenden sollen dazu das aus
Reibungsbeiwert ist vielmehr durch die der Statik bekannte Kraftgrößenverfahren
örtlichen Gegebenheiten verschieden. Dies und das Verfahren unter Ansatz der Um-
ist durch die lokal unterschiedlichen Be- lenkkräfte bei gekrümmt geführten Spann-
schaffenheiten der aufeinandergleitenden gliedern erläutert werden.
Materialien bedingt. Bei der Kontrolle der
Spannwege treten mitunter Abweichungen a) Das Kraftgrößenverfahren
zwischen den Soll- und den Ist-Werten auf, Beim r-fach statisch unbestimmten System
die auch auf die vorausgesetzte Näherungs- werden r Zwangskräfte Xr geweckt. Es gilt:
annahme zurückzuführen sind. Treten un- P* = P  (8.5-44)
erklärlich große Abweichungen auf, sind r
die Ursachen unbedingt festzustellen. N c*,p = N0c,p + ∑ Xi ,p ⋅ N ci  (8.5-45)
i =1
Bei in zwei Ebenen gekrümmten Spann-
gliedern, sind die maßgebenden Umlenk- r
winkel vektoriell zu bestimmen. Werte für μ M c*,p = M c0,p + ∑ Xi ,p ⋅ M ci  (8.5-46)
i =1
und k sind den Zulassungsbescheiden des
jeweiligen Spannverfahrens zu entnehmen. r
Qc*,p = Qc0,p + ∑ Xi ,p ⋅ Qci  (8.5-47)
Zum Ausgleich der Reibungsverluste i =1
beim Vorspannen können die Vorspann-
kräfte vorübergehend beim Anspannen er- Xi,p sind die statisch Überzähligen.
höht aufgebracht werden (Abschnitt 8.7.2 Die Vorspannkraft P unter Beachtung des
(2) der [DIN 1045-1, 2008]). Anschließend Reibungsgesetzes nach Gleichung (8.5-43)
erfolgt vor der Verankerung der Spannglie- 0 , M 0 , Q0 – also die
ist bekannt, und N c,p c,p c,p
der ein Nachlassen der Anspannkraft. Für Schnittgrößen des Eigenspannungszustands
die Berechnung des Verlaufs der nach Ab- am statisch bestimmten Hauptsystem – las-
schluss des Spannvorgangs verbleibenden sen sich daraus in einfacher Weise errech-
Spannkraft wird auf [Mehlhorn et al., 2002] nen. Die Größen Nci , Mci und Qci sind die
verwiesen. Schnittgrößen am statisch bestimmten
Hauptsystem infolge der statisch Überzähli-
gen Xi = 1. Die Zwangskräfte Xi,p folgen aus
8.5.2.3 Schnittgrößen an statisch
den Kontinuitätsforderungen zur Schlie-
unbestimmt gelagerten Balkentragwerken
ßung der im statisch bestimmten Hauptsys-
Wie bei der Vorspannung statisch bestimmt tem auftretenden Klaffungen als Folge des
gelagerter Balkentragwerke bereits festge- Lastfalls Vorspannung (Bild 8.5-9).
620 8 Berechnung

Bild 8.5‑9   Vorgehensweise bei der Bestimmung der Zwangsschnittgröße infolge Vorspannung

b) Ansatz der Umlenkkräfte glieds in der Schwerachse liegen, erhält


Die meisten vorgespannten Konstrukti- man auf diese Weise sofort M*c,p insgesamt.
onen sind schlanke, auf Biegung bean- Wenn die Endverankerungen nicht in der
spruchte Balken, z. B. Durchlaufträger oder Balkenschwerachse liegen, müssen die da-
Platten. Hier bietet sich eine wesentliche raus resultierenden Endmomente geson-
Vereinfachung zur rechnerischen Behand- dert berücksichtigt werden.
lung des Lastfalls Vorspannung am statisch Im Bild 8.5-10 sind ein über mehrere
unbestimmten System an, indem man die Felder durchlaufender Balken mit Kragarm
vom Spannglied auf den Beton wirkenden und die zur Ermittlung des Verlaufs des
Umlenkkräfte näherungsweise lotrecht Vorspannmoments M*c,p anzusetzenden
wirkend annimmt. Um­lenkkräfte und Endmomente darge-
Die Umlenkkräfte u, können näherungs- stellt. Die Berechnung des Systems kann
weise ermittelt werden zu: nach den bekannten Methoden der Stabsta-
′′ (x ) tik erfolgen. Hier soll nicht näher darauf
u ≈ P (x ) ⋅ z cp
 eingegangen werden.
Bei den normalerweise in der Baupraxis
Bei parabelförmigem Spanngliedverlauf
vorkommenden Spanngliedführungen wer-
ergibt sich die gleichmäßig verteilte Um-
den die Spannglieder nicht einer mathe­
lenkkraft näherungsweise zu:
matischen Form gehorchend verlegt. Die
8⋅f Integrale zur Berechnung von Verfor-
u≈P⋅  (8.5-49)
l2 mungen am statisch bestimmten Haupt­
mit: system können deshalb in der Regel nicht
mit Hilfe von Integraltafeln gelöst werden,
f Parabelstich sondern es muss ein Näherungsverfahren
l Abstand der Wendepunkte. angewendet werden. Dafür empfiehlt sich
Bei der Ermittlung des Verlaufs der Spann- beson­ders das Simpson‘sche Verfahren
gliedlage und damit des Biegemoments (s. Seiten 547/548) zur numerischen Inte­
M*c, p am statisch unbestimmten System aus gration.
den Umlenkkräften kann man nun Ein- Das Vorspannen der Träger hat den
flusslinien benutzen, die man im Allgemei- Sinn, den Beton so zu überdrücken, dass
nen für die Ermittlung der Biegemomente unter den gesamten Einwirkungen keine
aus den anderen Lastfällen sowieso braucht. oder nur geringere Zugspannungen auftre-
Wenn die Endverankerungen des Spann- ten. Hieraus ergibt sich bei einer oberfläch-
8.5 Betonbrücken 621

Bild 8.5‑10   Ansatz der Umlenk- und Verankerungskräfte zur Bestimmung der Schnittkräfte
infolge Vorspannung am Durchlaufträger

lichen Betrachtung scheinbar eine einfache z1 = 0


und selbstverständliche Lösung für die
z
Spanngliedführung:
1. Die Spannglieder sind auf der aus äuße- A B
rer Belastung herrührenden Biegezug- l
seite anzuordnen. z
2. Die Spannglieder sind so zu führen, dass
die Umlenkkräfte aus Vorspannung der Bild 8.5‑11   An einem Ende gelenkig gelager-
äußeren Querbelastung entgegenwirken, ter, am anderen Ende eingespannter Träger mit
damit die Querkraft aus Vorspannung gerader Spannliedführung und exzentrischer
der Querkraft aus äußerer Belastung Lage des Spannglieds am eingespannten Ende.
entgegenwirkt.
3. Die Höhe der Vorspannkraft wird nach
oben und unten so begrenzt, dass insge- Fall 1: gerades Spannglied mit einer Ex­
samt keine zu hohen Zug- und Druck- zentrizität an der Einspannstelle
spannungen auftreten. (Bild 8.5-11)

Aus der Erfüllung der drei Forderungen er- Es ergibt sich:


gibt sich für den Balken auf zwei Stützen die 1
im Bild 8.5-2 skizzierte Spanngliedführung. Ec ⋅ I c ⋅ δ10 = − ⋅ P ⋅ z 2 ⋅ l ⋅ 1 , zB < 0
3
Bei statisch unbestimmter Lagerung sind
wegen der zusätzlich auftretenden Zwangs- 1
Ec ⋅ I c ⋅ δ11 = ⋅ l ⋅ 12
beanspruchungen die Verhältnis­se aber 3
nicht so einfach. Um ein Gefühl für die aus
Vorspannung herrührenden Zwangsmo-
Xp = 1
mente zu bekommen, werden einige Spann-
gliedführungen beim einseitig einge-
spannten, auf der anderen Seite gelenkig
gelagerten Balken betrachtet. Zur Vereinfa- M 0c,p (x) −P ⋅ z2
chung dieser grundsätzlichen Betrach-
tungen wird der Einfluss der Reibung ver-
nachlässigt. M c,1 (x) Xp = 1
622 8 Berechnung

Die Vorzeichen der Exzentrizitäten z wer-


den entsprechend der Richtung der Koor- z2
dinatenachse angesetzt. 1

Zwangsmoment: A B
l
Xp = –δ10/δ11 = P · z2
z
M c*,p (x ) = M c0,p (x ) + Mc,1 (x ) ⋅ X p = 0
Bild 8.5‑12   An einem Ende gelenkig gelager-
Der Wert des Moments infolge Vorspan- ter, am anderen Ende eingespannter Träger mit
nung ist Null. Es ergibt sich also für den gan- gerader Spanngliedführung und exzentrischer
zen Träger eine zentrische Vorspannung. Lage des Spannglieds am gelenkigen Auflager

Fall 2: gerades Spannglied mit einer Ex­­ B


zentrizität am gelenkigen Lager f1

(Bild 8.5-12) f2
A
1
Ec ⋅ I c ⋅ δ10 = − ⋅ P ⋅ z 1 ⋅ l ⋅ 1 , z1 > 0 u2
6
1

1
Ec ⋅ I c ⋅ δ11 = ⋅ l ⋅ 12
3 l1 l2
l
1
Xp = ⋅ P ⋅ z1 z
2
3 x
*
Einflusslinie für MB,p
M c*,p (x ) = − P ⋅ z 1 ⋅ 1 − ⋅  A1 A2 der Einspannstelle
 2 l Einflusslinie für MB,p* an der Einspannstelle

M A* ,p = −P ⋅ z 1 M B*,p = P ⋅ z 1 2 Bild 8.5‑13   An einem Ende gelenkig gelager-


ter, am anderen Ende eingespannter Träger mit
Xp = 1 gekrümmter Spanngliedführung

Man erkennt, dass eine Vergrößerung


des positiven Vorspannmoments bei B
M 0c,p (x) −P ⋅ z1 erzielt wird, wenn die Exzentrizität bei A
vergrößert bzw. wenn der Bereich 2 verklei-
M c,1 (x) nert und der Bereich 1 vergrößert wird. Die
Xp = 1
Vergrößerung der Exzentrizität bei B hat
dagegen keinen direkten Einfluss auf das
Vorspannmoment M*c, p (indirekt jedoch
Fall 3: gekrümmter Spanngliedverlauf durch entsprechende Krümmungsverände-
(Bild 8.5-13) rungen).
Abschließend sind noch zwei polygonale
M c*,p (x = l ) = u1 ⋅ A1 − u2 ⋅ A2
Spanngliedlagen, wie sie z. B. bei Vorspan-
M c*,p (x = l ) > 0, wenn A1 ⋅ u1 > A2 ⋅ u2 nung mit externen Spanngliedern üblich
M c*,p (x = l ) < 0, wenn A1 ⋅ u1 < A2 ⋅ u2 sind, und die zugehörigen Momente am sta-
tisch bestimmten Hauptsystem, die Momen-
Andere Spanngliedführungen lassen sich te infolge der Einheitslast sowie die Größe
auf die Fälle 1–3 zurückführen. der statisch Überzähligen angegeben.
8.5 Betonbrücken 623

1
=P⋅
z2 2 ⋅ l2
⋅ z 1 ⋅ l12 + z1 ⋅ l ⋅ ( l + l1) + z3 ⋅ l2 ⋅ (2 ⋅ l + l1)
A B + 3 ⋅ (z3 + z 4 ) ⋅ l ⋅ l3 + (z3 + 2 ⋅ z 4 ) ⋅ l 32 
l1 l2
l
M A0 ,p = −P ⋅ z 1 MA ,1 = 0
z
M10,p = −P ⋅ z2 M1,1 = 1 l ⋅ l1
Bild 8.5‑14.1   An einem Ende gelenkig gela- M20,p = −P ⋅ z3 M2,1 = 1 l ⋅ (l1 + l2 )
gerter, am anderen Ende eingespannter Träger
mit polygonaler Spanngliedführung und exzen- M B0 ,p = −P ⋅ z 4 MB ,1 = 1
trischer Lage des Spannglieds am gelenkigen
Auflager und an der Einspannstelle
Jede kontinuierlich verlaufende Spann-
1 gliedlage kann beliebig genau durch Poly-
Xp = P ⋅ 2
2⋅l gonzüge approximiert werden, siehe Bild
 2 2 8.5-15.
Analog zu den vorangegangenen Spann-
⋅(z 2 + z 3 )⋅l 1 ⋅l 2 gliedverläufen kann die statisch Überzäh-
1 lige für einen Träger mit polygonaler
=P⋅ Spanngliedlage mit beliebig vielen Eck-
2 ⋅ l2
punkten und den im Bild 8.5.15 skizzierten
⋅ z 1 ⋅l12 + z2 ⋅ l ⋅ (l + l1) + z3 ⋅ l2 ⋅ (2 ⋅ l + l1) Auflagerbedingungen wie folgt bestimmt
werden:
M A0 ,p = −P ⋅ z 1 MA ,1 = 0
Xp = −δ �δ = P ċ ċ � �( ċ zi+ + zi ) ċ li +  ċ
M10,p = −P ⋅ z2 M1,1 = 1 l ⋅ l1  n−
 l  i=
M B0 ,p = −P ⋅ z 3 MB ,1 = 1 ċ

Xp = −δ �δ = P ċ � �( ) (z ) � ċlj � .


 n− 
i−
ċ ċ z i+ + z i ċ l i +  ċ i+ + z i ċ l i ċ
 ċ l  i= j=

z2 z3 Die Abstände l1, l2, … , ln zwischen den Or-


dinaten brauchen nicht äquidistant sein.
A B Die Gleichung lässt sich z. B. mit Excel ein-
l1 l2 l3 fach auswerten.
l

Bild 8.5‑14.2   An einem Ende gelenkig gela-


gerter, am anderen Ende eingespannter Träger
z2 z3 zi zi+1 zn-1
mit polygonaler Spanngliedführung und exzen-
trischer Lage des Spannglieds am gelenkigen
Auflager und an der Einspannstelle A B
l1 l2 l3 li li+1 ln-1
l
1
Xp = P ⋅
2 ⋅ l2 z xi
(z1 + 2·z2 ) · l12 +
Bild 8.5‑15   An einem Ende gelenkig gelager-
· (z2 + 2· z3 ) · l22 + 3 ·(z2 + z3 )· l1 · l2 + ter, am anderen Ende eingespannter Träger mit
(z3 + 2· z4 ) · l32 + 3 ·(z3 + z4 ) · (l1 + l2 ) · l3 beliebiger polygonaler Spanngliedführung
624 8 Berechnung

Für das Moment infolge der Vorspannung nischen Biegetheorie bestimmt werden, da
P am statisch bestimmten Hauptsystem gilt es sich in der Regel um dreidimensionale
an der Stelle xi: Spannungszustände handelt. Die Bean-
spruchungen sind nach der Elastizitätsthe-
M 0i,1(xi) = –P · zi
orie zu ermitteln. Selbst unter der verein-
und für die Größe des Moments infolge der fachten Annahme, dass ideal-elastisches
Einheitslast an der Stelle xi kann geschrie- Materialverhalten (Hooke‘scher Werkstoff)
ben werden: vorausgesetzt wird, ist die Erfassung des
Spannungszustandes für allgemeine Fälle
Mi,1(xi) = 1/l · xi
schwierig und erst durch die Entwicklung
geeigneter numerischer Verfahren (Finite
Es sei noch darauf hingewiesen, dass in der
Element Methode und Methode der Rand­
Regel bei der Vorspannung statisch unbe-
elemente) ermöglicht worden.
stimmter Systeme neben den Zwangsmo-
Die sich aus den anzustellenden Be-
menten und Auflagerkräften auch, aus dem
trachtungen ermittelten Zugkräfte sind
Zwangsmoment herrührend, neben den
durch Bewehrung aufzunehmen, die so
statisch bestimmten Anteilen, die sich aus
auszubilden ist, dass eine ausreichende
der Spanngliedführung (Neigung und
Rissverteilung mit entsprechend kleinen
Krümmung der Spanngliedführung) erge-
Rissbreiten entsteht. Es ist deshalb zweck-
ben, zusätzliche Anteile für die Querkräfte
mäßig in diesen Bereichen eine gleichmä-
entstehen.
ßig verteilte Bewehrung mit guten Ver-
bundeigenschaften anzuordnen. Es wird
empfohlen, bei der Dimensionierung die
8.5.3 Einleitung konzentrierter Kräfte
sonst üblichen Stahlspannungen bei Beton-
stählen nicht auszunutzen.
8.5.3.1 Allgemeine Betrachtungen
Weiterhin sei angemerkt, dass die Aus-
breitung der konzentriert angreifenden
An Stellen der Eintragung konzentrierter
Ankerkraft im sogenannten St. Venant’schen
Kräfte bzw. Lasten in Tragwerke, z. B. Ein-
Störbereich erfolgt, dessen Länge bei Ein-
tragung und Übertragung von Auflager-
zelverankerungen etwa der Balkenhöhe
kräften A, B oder Einzellasten F (siehe
bzw. -breite und bei mehreren Veranke-
Bild 8.5-16), entstehen in den Eintragungs-
rungen zwischen diesen auch etwa den Ent-
bereichen hohe örtliche Beanspruchungen.
fernungen der Achsabstände benachbarter
Zu diesen Bereichen zählen in ganz beson-
Ankerkräfte entspricht.
derem Maße auch die Stellen der Eintra-
In den folgenden Kapiteln werden einige
gung von Vorspannkräften P.
Erkenntnisse aus der Scheibentheorie für
Die Schnittkräfte an den Stellen der kon-
die Eintragung konzentrierter Kräfte [Girk-
zentrierten Lasteintragung können nicht
mann, 1963], [Mang, 1995], [Mehlhorn,
auf Grundlage der vereinfachten Tech-
1998] angegeben.

8.5.3.2 Einleitung von Ankerkräften


am Trägerrand

Bei der Ermittlung der Beanspruchungen


Bild 8.5‑16   Beispiele zur Eintragung konzen- von konzentrierten Lasten, z. B. Vorspann-
trierter Kräfte kräften, an den Stirnseiten von Trägerenden
8.5 Betonbrücken 625

Bild 8.5‑18   σz-Verlauf aus Teilstreckenlast im


Schnitt z = 0

Bild 8.5‑17   Durch a) eine Einzellast bzw. b) eine


Teilstreckenlast belasteter Bauteilrand (in der
Ansicht)

hat man es in der Regel mit Bauteilen zu tun, stand h vom belasteten Rand nahezu ver-
die hinsichtlich der Lasteintragungsstelle schwinden.
dreiseitig berandet sind. Der der Lasteintra- In den Bildern 8.5-19 a) und b) sind die
gungsstelle gegenüberliegende Rand kann in für mittigen Lastangriff von [Guyon, 1960]
den meisten Fällen als unendlich weit ent- und [Iyengar, 1960] angegebenen Ergeb-
fernt betrachtet werden. Für den Angriff nisse für die resultierende Spaltzugkraft Z,
einer mittigen Einzellast bzw. einer Teilstre- der Verlauf der Querzugspannungen σz  ,
ckenlast gegenüber dem unendlich weit ent- die Lagen der sich für z = 0 ergebenden
fernten Rand (Bild 8.5-17), interessieren vor Punkte, in denen die Spannungen max σz
allem die zur Lastwirkungslinie normal ge- und σz = 0 auftreten, dargestellt. σ0 sind die
richteten Spannungen σz  . Normalspannungen infolge P.
Parallel zur Angriffsrichtung der Last Auf Grundlage rechnerisch und experi-
geführte Schnitte geben einen deutlichen mentell ermittelter Hauptspannungen, für
Einblick in die Verteilung der Druck- und die mittig bzw. am Rand angreifenden Stre-
Zugspannungen im jeweiligen Schnitt. Im ckenlasten, lassen sich sehr ein­fache Ersatz-
Bild 8.5-18 ist als Beispiel der qualitative modelle (Bilder 8.5-20 und 8.5-21) entwi-
Verlauf der σz-Spannungen im Schnitt z = 0 ckeln, mit denen die resultierende Spalt-
infolge einer Teilstreckenlast gezeigt. Die zugkraft auf einfache Weise bestimmt wer-
resultierende Druck- bzw. Zugkraft erhält den kann.
man durch bereichsweise Integration über Für eine mittig am Trägerende eingetra-
diese Kurve. Die quer zur Lastrichtung wir- gene Streckenlast ergibt sich aus Bild
kende Zugkraft wird als Querzugkraft oder 5.5-20:
Spaltzugkraft bezeichnet. P  a
Anhand des Bilds 8.5-18 ist zu erken- Z= ⋅ 1 −   (8.5-50)
nen, dass die Spaltzugspannungen im Ab- 4  h
626 8 Berechnung

Bild 8.5‑19   a) Verlauf der Querzugspannun­gen σz  , b) resultierende Spaltzugkraft Z und Lagen für
max σz und σz = 0

Bild 8.5‑20   a) Ersatzmodell für mittige Teilstreckenlast am Trägerende, b) Bewehrungsanordnung


bei zentrischer Lasteintragung

Ober- und unterhalb der Ankerplatte treten P  a 


σ xo = − ⋅ 1 + 3 ⋅ 1 − 
am belasteten Rand ebenfalls Zugspannun- h ⋅b   h 
gen auf [Mehlhorn et al., 2002], die durch
Bewehrung abzudecken sind. Die Beweh- P  a 
σ xu = − ⋅ 1 − 3 ⋅ 1 − 
rung ist deshalb wie in Bild 8.5-20 darge- h ⋅b   h 
stellt auszubilden.
Für die exzentrisch am Trägerrand ein- h a
getragene Einzellast ist der Verlauf der Nor- z o = ⋅ 1 − 
6  h
malspannungen am Ende der Störzone
linear. Aus der äußeren Belastung ergibt Das maximale Biegemoment im von
sich das Moment auf die Mittellinie bezo- [Mehmel, 1957] vorgeschlagenen Ersatz-
gen zu: balken ergibt sich zu:
M = P ⋅ (h − a) 2
P ⋅h  a 3 a 2
max M = − ⋅  2 − 3 ⋅  1 − 
Damit ergeben sich die Randspannungen 54  h  h
und die Lage der Spannungsnulllinie zu:
8.5 Betonbrücken 627

Für die Scheibe kann der Hebelarm der in- nung auf εs ≤ 1 ‰ begrenzt werden. Auf
neren Kräfte mit h/2 angenommen werden. eine gute Verankerung der Bewehrung ist
Damit ergibt sich die Spaltzugkraft zu: zu achten! Diese Empfehlungen gelten auch
für die nachfolgend betrachteten Veranke-
P  a 3 a 2 rungsfälle.
Z=− ⋅  2 − 3 ⋅  1 −   (8.5-51) Wird die Einzellast exzentrisch einge-
27  h  h
tragen, d. h. sie liegt zwischen den beiden
Unter Beachtung des Verlaufs der Span- eben besprochenen Extremlagen, kann
nungen empfiehlt sich die im Bild 8.5-21 man die auftretenden Spaltzugkräfte in Ab-
dargestellte Bewehrung. hängigkeit von e/h entsprechend den fol-
Bei der Ermittlung der erforderlichen genden von [Guyon, 1960] vorgeschla-
Bewehrung zur Aufnahme der Spaltzug- genen Modellvorstellungen (Bild 8.5-22)
kräfte infolge zentrischer oder exzentrischer ermitteln. Statt des Verhältnisses a/h ist in
Eintragung der Vorspannkräfte sollte zur diesem Fall a/h' in der Gl. (8.5-50) zu
Begrenzung der Rissbreiten die Stahldeh- setzen.

Bild 8.5‑21   a) Ersatzmodell für ein exzentrisch am Rand belastetes Trägerende nach
[Mehmel, 1957]; b) Bewehrungsanordnung bei exzentrischer Randlast

Bild 8.5‑22   Ersatzmodelle nach Guyon für a) e/h < 0,3, b) e/h > 0,3
628 8 Berechnung

Bei gegen die Trägerachse geneigt ge-


führten Spanngliedern werden die Veran-
kerungen ebenfalls entsprechend geneigt
angeordnet. Untersuchungen zur Span-
nungsverteilung zur Abschätzung der er-
forderlichen Bewehrung sind in [Sargious, Bild 8.5‑23   Quervorspannung mit interner
1960] angeführt. Werden am Trägerende Spanngliedverankerung
mehrere Spannglieder verankert, können
die für auf zwei oder mehr Stützen gelagerte
Scheiben bekannten Lösungen zur Abschät-
zung der Zugkraftresultierenden verwendet
werden. Es sei hier auf die dies­bezüglichen
Veröffentlichungen von [Bay, 1960], [Thei-
mer, 1958] und [Thon, 1958] hingewiesen.
Bild 8.5‑24   Längsvorspannung mit interner
Spanngliedverankerung
8.5.3.3 Einleitung von Kräften im Inneren
eines Bauteils

Zur besseren Anpassung der Momenten- Im Bild 8.5-25 ist der Spannungsverlauf in
verläufe aus der Vorspannung an die aus Abhängigkeit von x/h angegeben, wobei
der äußeren Einwirkung und zur Einspa- der linke Plattenrand gestützt (entspricht
rung von Spannstahl werden Spannglieder der Anspannstelle) und der rechte frei ist.
häufig im Inneren eines Bauteils veran- Die im Bauteilinneren eingetragene kon-
kert. Beispiele dafür sind Spannglieder für zentrierte Kraft hat sich im Abstand h von
die Quervorspannung von Platten in Plat- der Einleitungsstelle gleichmäßig verteilt.
tenbalken (Bild 8.5-23) und nicht durch- Für den Fall der Reaktion zu P in x → –∞
gehende Spannglieder der Längsvorspan- der dem Problem der Verankerung eines
nung bei Durchlaufträgern (Bild 8.5-24) Spanngliedes im Inneren entspricht, sind
genannt. außerdem die Hauptspannungen im Bild
Zunächst werden die sich nach der Ela- 8.5-26 angegeben.
stizitätstheorie ergebenden Spannungen σx Aus dem Spannungsverlauf wird ersicht-
eines im Inneren verankerten Spannglieds lich, dass bei uneingeschränkter Gültigkeit
betrachtet, wie sie von [Haberland, 1968] der Elastizitätstheorie, im Krafteinleitungs-
für den Scheibenstreifen ermittelt wurden. bereich zunächst die halbe Ankerkraft als

Bild 8.5‑25   Spannungen σx infolge einer Last P im Punkt x = 0, y = 0 mit der Reaktion bei x → –∞
nach [Haberland, 1968]
8.5 Betonbrücken 629

Bild 8.5‑26   Hauptspannungen bei Innenverankerung mit Reaktion P bei x → –∞

Zugkraft nach hinten zu verankern ist. Die- 8.5.4 Vorspannkraftverluste infolge des
ser Kraftanteil klingt jedoch sehr schnell ab. Kriechens und Schwindens des Betons
Im Bild 8.5-26 sieht man sehr gut den Kraft- und der Relaxation des Spannstahls
verlauf. Die zweckmäßige Ausbildung der
Bewehrung ist somit leicht möglich. Infolge des Kriechens und Schwindens des
Werden Spannbetonbauteile in einzeln Betons entsteht bekanntlich unter langzei-
hintereinander liegenden Bauabschnitten tig wirkender Beanspruchung zusätzlich
hergestellt, erfolgt das Vorspannen des je- zum elastischen auch ein plastischer, bean-
weils fertiggestellten Abschnittes an der spruchungsabhängiger Verformungsanteil,
Bauabschnittsgrenze. Anschließend werden dessen Größe u. a. vom Zeitpunkt der
die vorgespannten Spannglieder mittels Lastaufbringung und von der Dauer der
Kopplungselementen verlängert und nach Lasteinwirkung abhängt und sich erst nach
Fertigstellung des nächsten Bauabschnitts langer Zeit einem Endwert annähert.
am anderen Spanngliedende vorgespannt. Gleichzeitig, aber unabhängig von den Last­
Die ursprünglich in der vorherigen Arbeits- einwirkungen, schwindet der Beton. Beide
fuge („Koppelfuge“) angeordneten Veran- zeitabhängigen Betonverkürzungen haben
kerungen werden dabei weitgehend ent­ eine Verkürzung des Spannstahls und da-
lastet; die Spanngliedkraft wird über das mit eine Verringerung der Größe der Vor-
Koppelungselement übertragen. Erläute- spannkraft zur Folge. Auf diese Zusam-
rungen zur Verteilung der Spannungen in menhänge wird ausführlich u. a. in [Kupfer,
der Koppelfuge werden im Abschnitt 5.2 1984], [Mehlhorn, 1998], [Mehlhorn et al.,
gegeben. 2002], [Rüsch/Jungwirth, 1976], [Trost,
Auf weiterführende Literatur zur Proble- 1967], [Wolff/Mainz, 1972] und [Zerna/
matik der Kopplung einzelner Bauabschnitte Stangenberg, 1987] eingegangen.
durch Vorspannen [Baur/Göhler, 1972],
[Hoshino, 1974], [Kordina, 1979], [Mehl-
horn/Hoshino, 1974], [Mehlhorn et al.,
1983], und [Pfohl, 1973] wird verwiesen.
630 8 Berechnung

8.5.4.1 Vorgespannte äußerlich statisch nennenswerter Spannungszuwachs im


bestimmte Tragwerke ohne Verbund Spannglied entsteht. Es ist nicht sinnvoll,
externe Spannglieder kontinuierlich über
Bei Vorspannung ohne Verbund, z. B. bei mehrere Felder durchlaufen zu lassen.
externen Spanngliedern, bei der verbund- Bei Brücken mit externer Vorspannung
freien Quervorspannung von Fahrbahn- ist, wie bereits gesagt, der Spannkraftver-
platten und bei Tragwerken mit nachträgli- lauf auf der ganzen Spanngliedlänge zwi-
chem Verbund mit noch nicht verpressten schen den Verankerungen nahezu konstant,
Spanngliedern, muss beim Nachweis im wenn die Reibung an den Umlenkstellen
Grenzzustand der Tragfähigkeit der ver- vernachlässigt wird. Für den im Bild 8.5-27
gleichsweise zum Endzustand kleinere dargestellten innerlich einfach statisch
Querschnittswiderstand beachtet werden. unbestimmten Einfeldbalken mit einem
Da­rauf ist ganz besonders bei auf Vorschub­ Strang externer Spannglieder (das statisch
rüstungen herzustellenden Brücken, bei bestimmte Hauptsystem ergibt sich, wie
Freivorbaubrücken und beim Taktschiebe- dargestellt, durch Aufschneiden des Spann-
verfahren zu achten. Der wesentliche Un- glieds) werden beispielhaft die Spannglied-
terschied zwischen der Vorspannung mit kräfte aus den Einwirkungen aus äußeren
und ohne Verbund besteht darin, dass sich Lasten, Vorspannung und aus Kriechen
bei der Vorspannung mit Verbund die und Schwinden des Betons sowie der Rela-
Spannungsänderung im Spannstahl im be- xation des Spannstahls angegeben.
trachteten Querschnitt aus der Änderung Als äußere Einwirkungen sind hier nur
des Verzerrungszustands ergibt, während die kriecherzeugenden dauernd wirkenden
bei Vorspannung ohne Verbund sich die Lasten g und die zum Zeitpunkt t = t0 auf-
Spannungsänderung im Spannstahl, die bei gebrachte anfängliche Vorspannkraft Pm0
Vernachlässigung der Reibung über die zu betrachten. Diese Kraft ist bei Vernach-
Länge annähernd konstant verläuft, aus den lässigung der Reibung über die ganze Länge
Längenänderungen der Betonfasern jeweils des Spannstrangs konstant. Die Schnittgrö-
in der Höhe des Spannglieds über die ganze ßen im Betontragwerk betragen:
Länge des Spannglieds zwischen den Ver- N c,P0 (t = t 0 ) ≈ −Pm 0 (8.5-53)

ankerungen ergibt. Bei der konstruktiven
Durchbildung von vorgespannten Tragwer- M c,P0 (x,t = t 0 ) ≈ −Pm0 ⋅ z cp (x ) .  (8.5-54)
ken ohne Verbund sollten die Spannglieder
deshalb stets so angeordnet werden, dass Die sich aus den Einwirkungen aus äußeren
schon bei kleinen Balkenverformungen ein Lasten ergebenden Schnittgrößen erhält

zA zB
Schwerachse
x z cp ( x )

X1

A B
l
z

Bild 8.5‑27   System des unterspannten Trägers, dargestellt als offenes System


8.5 Betonbrücken 631

man aus einer statisch unbestimmten Rech- Trägers beteiligt, er ist stets kleiner als 1.
nung nach dem Kraftgrößenverfahren, wo- In der Regel liegt der Wert α unter 0,1.
bei ein linear elastisches Verhalten des Trag- Die Belastung aus äußeren Einwirkungen
werks vorausgesetzt wird. Die Schnittgrößen wird also bei normal bemessenen Tragwer-
am statisch bestimmten Hauptsystem erhal- ken zu mehr als 90% vom Betonbalken
ten den Kopfzeiger 0. Die Verschiebungs- getragen, und das Spannglied beteiligt
größen für dauernd wirkende Lasten g aus sich durch die Hängewirkung nur in einer
dem Schwinden des Betons εs (beachten: Größenordnung um 10% an der Abtragung
εs < 0, weshalb auch Ps < 0) ergeben sich zu: der Lasten aus den äußeren Einwirkungen.
1 Der Zuwachs der Kraft im Spannglied
δ p1,1 ≈ ⋅ l  (8.5-55) aus der andauernd wirkenden Belastung g
Ep ⋅ Ap
ergibt sich zum Zeitpunkt t = t0 zu:
l z 2 (x )
l cp
δ c1,g
δ c1,1 ≈ +∫ dx  (8.5-56)
Ecm ⋅ Ac 0 Ecm ⋅ I c Pg = − (8.5-61)
δ11 
l
l l z 2cp (x )
δ11 ≈ + +∫ dx Mit den Schnittgrößen aus den Einwir-
 Ep ⋅ Ap Ecm ⋅ Ac 0 Ecm ⋅ I c kungen aus der dauernd wirkenden Bela-
 (8. 5-57) stung und der Spanngliedkraft können die
Spannungen und Verzerrungen im Beton-
l N c0,g l M c0,g (x ) ⋅ z cp (x ) tragwerk und im Spannglied zum Zeit-
δ c1,g ≈ − ∫ dx − ∫ dx punkt der Lastaufbringung t = t0 nach den
0 Ecm ⋅ Ac 0 Ecm ⋅ I c
üblichen Berechnungsmethoden bestimmt
 (8.5-58) werden. Die zeitabhängigen Spannkraft-
δ c1,s = − ε s ⋅ l  (8.5-59) verluste im Spannglied ergeben sich dann
unter Berücksichtigung der Mittelwerte der
Die Verschiebungsgrößen aus der Ver- Betonverzerrungen und der Betonspan-
kehrslast ergeben sich analog, wenn in der nungen über die Länge des Spannglieds
Gleichung (8.5-58) der Fußzeiger g durch nach der Gleichung (8.5-62):
q ersetzt wird, worauf hier nicht weiter ein-
gegangen wird. In der Gleichung (8.5-62) bedeuten:
Es wird noch der Steifigkeitsbeiwert α
∆σp,   c +   s   +   r (t, t0) Spannungsänderung im
eingeführt:
Spannglied aus Kriechen und
δ c1,1 δ c1,1 Schwinden des Betons und
α= =  (8.5-60) aus der Relaxation des Spann-
δ p1,1 + δ c1,1 δ1,1
stahls zum Zeitpunkt t
Der Steifigkeitsbeiwert α gibt an, mit wel- αp = Ep/Ecm Verhältnis der Elastizitätsmo-
chem Anteil sich das Spannglied an der duln des Spannstahls Ep und
Gesamttragwirkung des unterspannten des Betons Ecm

1 l 1 l 
α p ⋅ ϕ (t,t 0) ⋅  ⋅ ∫ σ c,g (x,z cp ) dx + ⋅ ∫ σ c,Pm0 (x, z cp ) dx  + ε c,s (t,t 0 ) ⋅ Ep + ∆σ p,r
l
 0 l 0 
∆σ p,c+s +r (t , t 0) ≈
Ap  Ac l 2 
1 + αp⋅ ⋅ 1 + ⋅ ∫ z cp (x ) dx  ⋅ 1 + χ ⋅ ϕ (t,t 0 )
 Ac  Ic 0  (8.5-62)
632 8 Berechnung

Ecm Mittelwert als Sekantenmodul σp0 infolge dauernd wirkenden Lasten und
der Betonspannungsfunktion Vorspannung dem allgemein bauaufsicht-
vom Koordinatenursprung zur lichen Zulassungsbescheid des Spannstahls
Betonspannung σc = 0,4 · fc zu entnehmen. Anhaltswerte sind im Bild
1 1
2 · ∫  σc, g (x, zcp) dx Mittelwert der Be- 8.5-28 angegeben. Nach [DIN-FB 102,
l 0 tonspannungen aus den stän- 2009] Abschnitt 4.2.3.5.5 (8) darf für die
digen Einwirkungen in Höhe Ermittlung von ∆σp, r als Ausgangsspan-
des Spannglieds. Der Mittelwert nung σp0 für das Verhältnis der Ausgangs-
ist aus den Werten über die ge- spannung zur charakteristischen Zug­fes­
samte Länge des Spannglieds zu tig­keit angenommen werden: σp0 ≈ σp, g0
bestimmen. – 0,3 · �∆σp,   c +   s   +   r  �, wobei σp, g0 die
1 1
2 · ∫  
σ c, p0 (x, zcp) dx Mittelwert der Be- anfängliche Spannung in den Spannglie-
l 0 tonspannungen aus dem An- dern aus dauernd wirkenden, äußeren
fangswert der Vorspannkraft in ständigen Einwirkungen g und Vorspan-
Höhe des Spannglieds. Der Mit- nung ist.
telwert ist aus den Werten über Für den zeitlichen Verlauf der Kriech-
die gesamte Länge des Spann- verformungen des Betons wird nach Euro-
glieds zu bestimmen. code 2, T. 1-1 ein Produktansatz aus dem
εs (t, t0) geschätztes Schwindmaß des Produkt des Grundwerts φ0 und der Zeit-
Betons zum Zeitpunkt t seit Be- funktion βc (t – t0) gewählt:
lastungsbeginn t0
ϕ (t,t 0 ) = ϕ0 ⋅ β c (t − t 0 )  (8.5-63)
∆σp, r Spannungsänderung im Spann-
glied aus der Relaxation des Die Schwindverformung εcs (t – ts) eines
Spannstahls, abhängig von der Betons bei einem Alter t, der ab einem Alter
Spannstahlspannung ts austrocknen konnte, ergibt sich bei An-
Ap , Ac Querschnittsflächen des Spann- wendung des Produktansatzes nach dem
glieds und des Betons Eurocode 2, T. 1-1 aus dem Produkt des
Ic Flächenmoment 2. Grades des Grundwerts des Schwindens εcs0 und der
Betonquerschnitts Zeitfunktion βs (t – ts):
zcp (x) Abstand der Schwerpunkte des
Betonquerschnitts und des ε cs (t − t s ) = ε cs 0 ⋅ βs (t − t s )  (8.5-64)
Spann­­glieds im Querschnitt an
Die Grundwerte φ0 , εcs0 und die Zeit­
der Stelle x
funktionen βc (t – t0) und βs (t – ts) für das
χ Relaxationskennwert (darf im
allgemeinen 0,8 gesetzt werden) Kriechen und Schwinden des Betons sind
im Eurocode 2, T. 1-1 [DIN V ENV 1992-
Weil ∆Pr = Ap · ∆σp, r von der Größe der 2], in der [[DIN 1045-1, 2008] und im
endgültigen Vorspannung abhängig ist, [DIN-FB 102, 2009] angegeben und mit
muss zunächst für ∆Pr ein Anfangswert den für ihre Ermittlung maßgebenden
geschätzt werden, der durch eine Iterati- Einflüssen erläutert, worauf hier verwie-
onsrechnung zu verbessern ist bis die sen wird.
Gl. (8.5-62) mit dem sich für die endgültige Nach [DIN-FB 102, 2009] dürfen für
Vorspannung ergebenden Wert für den Normalbetone die Endkriechzahlen
Relaxationsverlust erfüllt ist. Die Span- φ∞ = φ (∞, t0) und die Schwinddehnungen
nungsänderung ∆σp, r ist in Abhängigkeit εcs∞ vereinfachend nach den Bildern 8.5-29
von der Größe der Spannstahlspannung bis 8.5-31 ermittelt werden. Die angege-
8.5 Betonbrücken 633

Bild 8.5‑28   Schätzwerte für den Relaxationsverlust in Abhängigkeit vom Vorspanngrad

Bild 8.5‑29   Endkriechzahl φ (∞, t0) für Normalbeton und hochfesten Beton bei trockenen Umge-
bungsbedingungen (relative Luftfeuchte RH = 50%), nach [DIN-Fachbericht 102, 2009]
634 8 Berechnung

Bild 8.5‑30   Endkriechzahl φ (∞, t0) für Normalbeton und Hochleistungsbeton bei feuchten Um-
gebungsbedingungen (relative Luftfeuchte RH = 80%, für Brücken in der Regel maßgebend), nach
[DIN-FB 102, 2009]

Bild 8.5‑31   Schrumpfverzerrung εcas   ∞ zur Zeit t → ∞ für Normalbeton, nach [DIN-FB 102,
2009]

benen Werte gelten für kriecherzeugende Umgebungsbedingungen mit einer mittle-


Betondruckspannungen von nicht mehr ren relativen Luftfeuchte zwischen 40%
als 45% der vorhanden charakteristischen und 100% und mittleren Temperaturen
Zylinderdruckfestigkeit zum Zeitpunkt des zwischen 10°C und 30°C ausgesetzt sind.
Aufbringens der kriecherzeugenden Span- Die Kriechverzerrung des Betons εc, c (∞, t0)
nung und für Bauteile, die den üblichen zum Zeitpunkt t → ∞ darf dann, bei zeit-
8.5 Betonbrücken 635

lich konstanter kriecherzeugender Span- der Spannungs-Stauchungs-Linie


nung, nach Gleichung (8.5-65) berechnet nach 28 Tagen
werden. σc über die betrachtete Zeit konstan­
σ te kriecherzeugende Betonspan-
ε c,c (∞ ,t 0 ) = ϕ (∞, t 0 ) ⋅ c  (8.5-65) nung
Ec 0
t0 Betonalter bei Belastungsbeginn
In Gleichung (8.5-65) bedeuten: in Tagen
φ (∞, t0) Endkriechzahl für mittlere rela­ Die Schwindverzerrung des Betons εcs∞
tive Luftfeuchten von 80% nach zum Zeitpunkt t → ∞ geht nach dem in
Bild 8.5-30 oder zwischen 50% [DIN 1045-1, 2008] gewählten Ansatz aus
und 80% durch lineare Extrapolati- einer Addition der Anteile Schrumpfver-
on unter Verwendung der Bilder zerrung und Trocknungsschwindverzer-
8.5-29 und 8.5-30. Die Anwendung rung hervor:
der Betonfestigkeitsklassen C55/67 ε cs∞ = ε cas∞ + ε
bis C100/115 ist nach dem [DIN- cds∞ (8.5-66)

FB 102, 2009] zur Zeit in Deutsch-
land nicht vorgesehen. Die Anwen- In Gleichung (8.5-66) bedeuten:
dung dieser Festigkeitsklassen in εcas∞ Schrumpfverzerrung zum Zeit-
Deutschland bedarf deshalb einer punkt t → ∞ nach Bild 8.5-31
Zustimmung im Einzelfall. εcas∞ Trocknungsschwindverzerrung
Ec0 Elastizitätsmodul des Betons als zum Zeitpunkt t → ∞ nach Bild
Anstieg der Tangente im Ursprung 8.5-32

Bild 8.5‑32   Trocknungsschwindverzerrung εcds∞ zur Zeit t → ∞ für Normalbeton, nach


[DIN-FB 102, 2009]
636 8 Berechnung

8.5.4.2 Ermittlung der Spannkraftverluste entstehen und deshalb bereits während


bei Vorspannung mit Verbund ihres Entstehens durch das Kriechen des
Betons teilweise abgebaut werden. Diese Er-
Bei Vorspannung mit Verbund werden scheinung wird „Schwindkriechen“ genannt.
die Spannungsverluste aus Kriechen und Hier werden nur die Schnittgrößenum-
Schwinden des Betons und der Relaxation lagerungen bei Systemänderungen infolge
des Spannstahls grundsätzlich ebenfalls wie der Behinderung der Kriechverformungen
vor ermittelt. Der Unterschied besteht aber des Betons betrachtet. Wird das Schwinden
darin, dass querschnittsweise vorgegangen des Betons vernachlässigt und der Elastizi-
wird und die jeweiligen Spannungs- und tätsmodul als konstant (nicht zeitabhängig)
Verzerrungszustände für die Ermittlung vorausgesetzt, vereinfacht sich die auf [Di-
maßgebend sind. Die Berechnung erfolgt schinger, 1939] zurückzuführende Diffe-
nach der Gleichung (8.5-67):
α p ⋅ ϕ (t,t 0) ⋅ (σ c,g + σ c,pm0 ) + ε c,s (t,t 0 ) ⋅ Ep + ∆σ p,r
∆σ p,c+s +r (t,t 0 ) ≈  (8.5-67)
Ap  Ac 2 
1 + αp⋅ ⋅ 1 + ⋅ z cp  ⋅ 1 + χ ⋅ ϕ (t,t 0 )
Ac  Ic 

8.5.5 Schnittgrößenum­l agerungen bei rentialgleichung für das Kriechen und


Systemänderungen und abschnittsweisem Schwinden des Betons:
Bauen
dε c 1 dσ c (ϕ ) 
= ⋅ + σ c (ϕ )  (8.5-68)
Es ist bekannt, dass durch das Schwin­ dϕ Ec  dϕ 
den des Betons beim innerlich oder äußer-
lich statisch unbestimmten System infolge Von dieser Gleichung, einer zeitabhängigen
Behinderung der Verformungen Zwangs- σc-εc-Beziehung infolge Kriechen des Be-
schnittgrößen entstehen. Wird die Behin- tons, wird bei den folgenden Betrachtungen
derung der Schwindverformungen durch ausgegangen und dabei auch in allen Fällen
die Bewehrung vernachlässigt, so werden näherungsweise der geringe Einfluss der
die Schnittgrößen von vorgespannten Behinderung der Verformung durch die
Durchlaufträgern infolge des Schwindens Stahleinlagen vernachlässigt.
des Betons nicht geändert, sofern ordnungs­ Es ist festzuhalten:
gemäß bewegliche Lager eingebaut sind Ohne Änderung der Belastung oder des
und deren Reaktionen auf die Schwind­ Systems entstehen keine zusätzlichen Kräfte
verkürzung infolge Lagerreibung als ver- infolge Kriechens des Betons.
nachlässigbar angesehen werden können. Da jedoch die Vorspannkraft P durch
Bei Rahmen, Bogen und anderen Trag- Kriechen und Schwinden des Betons ab-
werken mit unverschieblichen Auflagern nimmt (Änderung der Belastung) ändern
entstehen infolge Behinderung der Schwind- sich sämtliche aus der Vorspannung resul-
verformungen des Betons Zwangsschnitt- tierenden Schnittgrößen (z. B. Mc, p , Vc, p ,
größen, die analog zu denjenigen aus Tem- Tc, p). Da diese Abnahme von P in jedem
peraturänderung berechnet werden kön- Schnitt verschieden ist und die statisch
nen und deshalb auf deren Ermittlung hier Überzähligen durch P beeinflusst werden,
nicht eingegangen wird. ist eine genaue Ermittlung der Änderung
Allerdings sei hier darauf hingewiesen, von Mc, p und Vc, p langwierig und nur auf
dass diese Schnittgrößen im Laufe der Zeit iterativem Wege möglich.
8.5 Betonbrücken 637

In der Praxis ermittelt man den Spann- feldträger und ihre Verformungen darge-
kraftverlust infolge Kriechens und Schwin- stellt.
dens des Betons für die maßgebenden Wenn die beiden Träger an der Stützung
Schnitte und verändert alle aus der Vor- B nicht verbunden sind, können sich beide
spannung resultierenden Schnittgrößen Träger unabhängig voneinander verformen;
proportional dem Spannkraftverlust aus d. h., die zum Zeitpunkt t = 0 vorhandenen
Kriechen und Schwinden in dem jeweils Verformungen würden sich infolge Krie-
betrachteten Schnitt. chens des Betons vergrößern. Diese Kriech-
verformungen könnten nahezu unbehin-
Schnittgrößenumlagerung infolge dert erfolgen, weil die Behinderung der
Behinderung der Kriechverzerrungen Kriechverformungen durch die Bewehrung
bei Zusammenfügen zweier gleich- innerhalb der beiden Einzelsysteme und
alter Fertigteilträger zu einem Zweifeld- durch die Lagerreibung vernachlässigbar
träger gering ist. Es läge also voraussetzungsge-
Im Brückenbau werden häufig Fertigteil- mäß unbehindertes Kriechen des Betons
träger zu Durchlaufträgern zusammenge- vor. Über der Stütze entstünde eine Zunah-
spannt. Dies erfolgt z. B., um Fugen zu me der Klaffung, die erst nach einem län-
vermeiden, um die Lasten am statisch un- geren Zeitraum einem Endwert zustreben
bestimmten System abzutragen, was ge- würde.
genüber statisch bestimmt gelagerten Trä- Stellt man über der Stütze B die Konti-
gern eine wirtschaftlichere Dimensionie- nuität durch Anordnung einer Kontinui-
rung ermöglicht, um Wartungskosten zu tätsbewehrung im Zugbereich und Ortbe-
senken oder um vor allem eine kontinu- tonverguss, der auch die Übertragung der
ierliche Biegelinie ohne Knickpunkte zu Druckkräfte gewährleistet, her, so werden
erreichen. Im Bild 8.5-33 sind zwei Ein- die Kriechverformungen des Betons be-

Bild 8.5‑33   Nicht miteinander verbundene Einfeldträger (unverformt und verformt)

Bild 8.5‑34   Zeitliche Änderung des Verlaufs der Biegemomente My (x, t)


638 8 Berechnung

hindert. Es muss sich also ein Stützenmo- Es wird nun die Lösung nach der Theo-
ment X1 über der Stützung aufbauen (Bild rie von Trost angegeben. Hierzu wird der
8.5-34), das am Träger oben Zug und unten Zweifeldträger in zwei Einfeldträger ge-
Druck erzeugt. trennt und das Stützenmoment als statisch
Die Biegemomente zum Zeitpunkt t er- Überzählige eingeführt. Im statisch be-
geben sich zu: stimmten Grundsystem entsteht aus Krie-
chen des Betons die gegenseitige Klaffung
M y (x,t ) = M y ,0 (x ) + M y ,1 (x ) ⋅ X1 (t ) der beiden Schnittufer:
 (8.5-69) * = δ10 · φ
δ10
Es bedeuten:
Sie muss durch das allmählich entstehende
My, 0 (x) Biegemoment zum Zeitpunkt Stützenmoment rückgängig gemacht wer-
t=0, d. h. unmittelbar nach den (Voraussetzung ist, dass das Stützen-
­Herstellen des kontinuierlichen moment im Zustand I aufgenommen wer-
Systems (wenn kein Zwangs- den kann).
moment aus Vorspannung bei
Erzeugen der Kontinuität ent- * = δ11 · (1 + χ · φ)
δ11
steht, ist My, 0 (x) identisch mit Es ergibt sich somit für das Stützenmo-
dem Zustand vor der Herstel- ment:
lung der Kontinuität)
My, 1 (x) Biegemoment infolge der sta- δ*
X1 = − 10
tisch Überzähligen X1 = 1 *
δ11
X1 (t) Zeitabhängige Zwangsschnitt-
größe ϕ
X1 = X1 ⋅ (8.5-71)
1 + χ ⋅ ϕ 
Die zeitabhängige Zwangsschnittgröße
X1 (t) ist zu bestimmen. Für die Herleitung Die beiden Lösungen (8.5-70) und (8.5-71)
wird auf [Mehlhorn, 1998 und Mehlhorn des Problems werden in der Tabelle 8.5-1
et al., 2002] verwiesen. Mit zahlenmäßig miteinander verglichen.
Dabei werden die Kriechbeiwerte für
1 den Zeitpunk t → ∞ von φ∞ = 0 bis φ∞ = 3,0
δ10 = ⋅ ∫ M1 ⋅ M0 dx ,
Ecm ⋅ I c x variiert. Der Relaxationskennwert wird
vereinfacht, wie allgemein üblich zu χ = 0,8
1 angenommen.
δ11 = ⋅ ∫ M12 dx und
Ecm ⋅ I c x Man erkennt, dass sich für die Kräfteum-
lagerungen nach der Theorie von Dischin-
δ ger stets etwas größere Werte als nach
X1 = − 10 der wirklichkeitsnäheren Lösung von Trost
δ11
ergeben.
ergibt sich die Lösung:
Schnittgrößenumlagerungen bei
X1 = X1 ⋅ (1 − e −ϕ )  (8.5-70) abschnittsweisem Bauen
Bei Brücken mit großem Betonbedarf ist

X1 ist die ideelle Schnittgröße, die entstan- es oft betontechnologisch oder aus arbeits-
den wäre, hätte man das System sofort als technischen oder wirtschaftlichen Grün-
Durchlaufträger hergestellt. Die Gleichung den nicht möglich, die Brücke in einem
(8.5-70) stellt die Lösung des Problems nach Arbeitsgang zu betonieren. Man baut des-
der Theorie von Dischinger dar. halb in diesen Fällen in Bauabschnitten.
8.5 Betonbrücken 639

Tabelle 8.5-1   Vergleich der Entwicklung des Natürlich legt man die Bauabschnittsgren-
Stützenmoments infolge des Kriechens des Be- zen nicht über die Unterstützungen, son-
tons nach den Theorien von Dischinger und dern betoniert in das anschließende Feld
Trost. Verlauf von e–φ einen Kragarm mit einer Länge, die etwa 1/5
φ∞ bis 1/4 der Feldweite entspricht. Dadurch
φ∞ 1 – e–φ∞ e–φ∞
1 + χ . φ∞
98 wird erreicht, dass bereits im Bauzustand
über der Stütze ein Biegemoment entsteht,
Gl. Gl. Gl. dessen Größenordnung möglichst nahe
(8.5-70) (8.5-71) (8.5-75) demjenigen des Endmoments ist und die
Dischinger Trost Betonierfuge in der Gegend des Momen-
tennullpunkts des endgültigen Systems
0,0 0,000 0,000 1,000
liegt. Es werden die Verhältnisse für einen
0,5 0,393 0,357 0,607 abschnittsweise hergestellten Zweifeldträ-
ger gemäß Bild 8.5-35 betrachtet.
1,0 0,632 0,556 0,368
Die Differentialgleichung und ihre Lö-
1,5 0,777 0,682 0,223 sung lauten:
2,0 0,865 0,769 0,135 dX1
+ X1 = X1  (8.5-72)
2,5 0,918 0,833 0,082 dϕ
3,0 0,950 0,882 0,050 X1 = X1 + C ⋅ e −ϕ .  (8.5-73)

Bild 8.5‑35   Biegemomente zu den Zeiten t = 0 und t → ∞ bei der Herstellung eines Zweifeld­
trägers in zwei Abschnitten
640 8 Berechnung

Mit der Randbedingung φ = 0 ergibt sich: bleme und Erdbebenbeanspruchungen


wird im Abschnitt 8.7 ergänzend einge­
X1 = X1 + C ⋅ 1 = X1B → C = X1B − X1
gangen.
und daraus folgt: Für die Grenzzustände der Tragfähig­
keit sind die Nachweise zu führen, die die
X1 = X1 − ( X1 − X1B ) ⋅ e −ϕ  (8.5-74) Standsicherheit betreffen. Dazu gehören,
dass das Tragwerk oder Teile davon nicht
Entsprechend ergibt sich: durch Bruch, kritische Verformungen oder
M = M L − ( M L − M B ) ⋅ e −ϕ  (8.5-75) Ermüdung versagt. Auch die Nachweise,
dass das Versagen ohne Vorankündigung
Die Differenzen zwischen dem „Lehrge­ und der Verlust der Lagesicherheit ausge-
rüstzustand“ ML (Biegemoment, das ent- schlossen sind, gehören dazu. Die Bemes-
standen wäre, hätte man das Bauwerk so- sungsregeln für die Tragfähigkeitsnach­
fort in einem Betoniervorgang auf einem weise nach dem [DIN-FB 102, 2009] sind
Lehrgerüst hergestellt und wäre das Lehr- praktisch identisch mit den entsprechenden
gerüst gleichmäßig abgesenkt worden) und Nachweisen nach [DIN 1045-1, 2008], wes-
dem Bauzustand MB werden im Laufe der halb hier nicht näher darauf einge­gangen
Zeit abgebaut, d. h. die Schnittgrößen des wird. Dazu wird auf [Mehlhorn et al., 2002]
in Abschnitten hergestellten Bauwerks nä- verwiesen.
hern sich denen, die entstanden wären, Für die Bemessung und die konstruktive
wenn man das Bauwerk sofort in „einem Ausbildung der Brücken ist die Ge-
Guss“ errichtet hätte. Es ist deshalb sinn- brauchstauglichkeit von besonderer Bedeu-
voll, die Bauabschnittsgrenzen von vorn- tung, weshalb hier darauf besonders einge-
herein so zu wählen, dass die Umlagerung gangen wird und dabei einige wesentliche
der Schnittgrößen möglichst gering wird. Bemessungsbedingungen genannt werden.
Die Werte e–φ sind mit in der Tabelle 8.5-1 Um mit hinreichender Zuverlässigkeit ein
angegeben. Es ist meistens vertretbar, wenn für den vorgesehenen Nutzungszweck dau-
man das in Abschnitten hergestellte Bau- erhaftes, gebrauchstaugliches Verhalten des
werk nach den beiden Grenzzuständen: Bauwerks erwarten zu lassen, sind die Be-
„Lehrgerüstzustand“ und Bauzustand be- tondruckspannungen, die Betonstahl- und
misst. Spannstahlspannungen, die Rissbreiten
und die Tragwerksverformungen durch die
Nachweise in den Grenzzuständen der Ge-
8.5.6 Bemessungsgrundlagen brauchstauglichkeit zu begrenzen. Bei vor-
gespannten Brücken und deren Bauteilen
Für die Bemessung, also die Festlegung der ist auch die Einhaltung des Grenzzustands
Querschnittsabmessungen, den Bedarf an der Dekompression nachzuweisen. Die sich
Spann- und Betonstahl, deren Lage, Vertei- aus den Umweltbedingungen ergebenden
lung und Festigkeitsklassen sind vor allem Anforderungen an die konstruktive Durch-
die Untersuchungen in den Grenzzustän- bildung sind bereits beim Entwurf zu be-
den der Gebrauchstauglichkeit maßgebend. rücksichtigen, um die für die Dauerhaftig-
Danach sind selbstverständlich noch die keit erforderlichen Vorkehrungen zum
Nachweise in den Grenzzuständen der Schutz der Baustoffe, z. B. vor Korrosion,
Tragfähigkeit zu führen. rechtzeitig treffen zu können.
Auf die Einwirkungen auf Brücken wird In Abhängigkeit von den Umweltein­
im Abschnitt 8.1 eingegangen. Auf Tempe- wirkungen, denen ein Bauwerk ausgesetzt
raturbeanspruchungen, Schwingungspro- ist, die nicht von der mechanischen Bean-
8.5 Betonbrücken 641

Tabelle 8.5-2   Expositionsklassen für Bewehrungskorrosion und Betonangriff sowie Mindestan-


forderungen an die Betonfestigkeitsklassen nach [DIN-FB 100, 2005], Tabellen 1, F2.1 und F2.2  a
Klasse Beschreibung der Beispiele für die Zuordnung von Mindestanforderun­
Umgebung Expositionsklassen gen an die Beton­
festigkeitsklassen
und den Wasser­
zementwert w/z
1. Bewehrungskorrosion, ausgelöst durch Karbonatisierungb
XC1 – Trocken oder – Beton, der ständig unter Was- C16/20
und ständig nass ser ist w/z ≤ 0,75
XC2 – Nass und selten – Erdberührte Gründungsbau-
trocken teile, die nicht in der Nähe der
Geländeoberfläche liegen
XC3 Mäßige Feuchte Durchlüftete Innenbereiche von C20/25
Bauteilen mit Hohlquerschnitten, w/z ≤ 0,65
z. B. von Kastenträgern
XC4 Wechselnd nass und – Luftberührte Außenbauteile C25/30
trocken (Beregnung ausgesetzt), z. B. w/z ≤ 0,60
Brückenüberbauten und Pfeiler
– Erdberührte Gründungsbau-
teile in der Nähe der Erdober­
fläche (bis 50 cm unter der
Geländeoberfläche)
2. Bewehrungskorrosion, ausgelöst durch Chloride aus Taumitteln
XD1 Mäßige Feuchte Bauteile im Sprühnebelbereich, C30/37
z. B. bei Überbauten w/z ≤ 0,55
XD2 Nass und selten Vertikale Flächen im Spritzwas- C35/45
trocken serbereich, bei denen das Spritz- w/z ≤ 0,50
wasser abgeleitet wird, z. B.
Widerlager und Pfeiler
XD3 Wechselnd nass und Horizontale Flächen im Spritz- C35/45
trocken wasserbereich taumittelbehandel- w/z ≤ 0,45
ter Verkehrsflächen, z. B. Fahr-
bahndecken, Kappen
3. Bewehrungskorrosion, ausgelöst durch Chloride aus Meerwasser
XS1 Salzhaltige Luft Alle Bauteile in Küstennähe C30/37
w/z ≤ 0,55

XS2 Unter Wasser Bauteile, die ständig unter Meer- C35/45


wasser liegen w/z ≤ 0,50
642 8 Berechnung

Tabelle 8.5-2   (Fortsetzung)

Klasse Beschreibung der Beispiele für die Zuordnung von Mindestanforderun­


Umgebung Expositionsklassen gen an die Beton­
festigkeitsklassen
und den Wasser­
zementwert w/z
3. Bewehrungskorrosion, ausgelöst durch Chloride aus Meerwasser
XS3 Im Spritzwasser- Bauteile im aus Sturm herrühren- C35/45
und Sprühnebelbe- dem Sprühnebel- und Spritzwas- w/z ≤ 0,45
reich serbereich

4. Betonangriff durch Frost mit und ohne Taumitteln


XF1 – Mäßige Wasser­ Außenbetonteile C25/30
sättigung ohne w/z ≤ 0,60
Taumittel

XF2 – Mäßige Wasser­ – Bauteile im Sprühnebel- oder C35/45


sättigung mit Spritzwasserbereich von tau- w/z ≤ 0,50
Taumittel mittelbehandelten Verkehrs­
flächen
– Bauteile im Sprühnebelbereich
von Meerwasser
XF3 – Hohe Wassersätti- – Vertikale Flächen im Spritz- C35/45
gung ohne Tau- wasserbereich, bei denen das w/z ≤ 0,50
mittel Spritzwasser abgeleitet wird,
z. B. bei Widerlagern und
Pfeilern
– Bauteile in der Wasserwechsel-
zone von Süßwasser
XF4 Hohe Wassersätti- – Mit Taumitteln behandelte C30/37 LP-Beton a
gung mit Taumittel horizontale Flächen, z. B. w/z ≤ 0,50
Kappen,
– Bauteile in der Wasserwechsel-
zone von Meerwasser
5. Betonangriff von Gründungen durch chemische Bestandteile
XA1 Chemisch schwach Unterbauten in betonangreifen- C25/30
angreifend c den Böden w/z ≤ 0,60

XA2 Chemisch mäßig – Unterbauten in betonangrei- C35/45


und oder stark angrei- fenden Böden w/z ≤ 0,45
XA3 fend c – Mit Meerwasser in Berührung
kommende Unterbauten
a Nach [DIN-FB 100, 2005] ist nur die Verwendung von Normalbeton vorgesehen.
b 4% Mindestluftgehalt bei einem Größtkorn von 32 mm und einer Konsistenz C1
c Grenzwerte für den Angriff zur Einstufung in die Expositionsklassen XA sind der Tabelle 8.5-3
zu entnehmen.
8.5 Betonbrücken 643

spruchung (also durch Schnittgrößen), Aufgabe, eine sichere Übertragung von


sondern durch physikalische und chemi- Verbundkräften zu gewährleisten. Eine
sche Angriffe verursacht werden, werden eventuell angeordnete konstruktive Beweh-
nach [DIN 1045-1 und -2, 2008] und [DIN- rung, in ansonsten als unbewehrt anzuse-
FB 100, 2005] die in der Tabelle 8.5-2 ange- henden Bauteilen, muss auch dann den
gebenen Expositionsklassen unterschie- Anforderungen nach den Tabellen 8.5-4
den. genügen, wenn diese Bewehrung nicht bei
Für die Herstellung des Betons sind in Nachweisen in den Grenzzuständen der
[DIN 1045-1, 2008] und [DIN-FB 100, Trag­fähigkeit oder der Gebrauchstauglich-
2005] Mindestbetonfestigkeitsklassen ab- keit berücksichtigt wird. Die Betondeckung
hängig von den Expositionsklassen festge- c (c: cover → bedecken, schützen) ist der
legt (s. Tabellen 8.5-2 und -3). Auf die in ­Abstand zwischen der äußeren Oberfläche
[DIN EN 206-1, 2001] und [DIN 1045-2, der Bewehrung und der nächstgelegenen
2008] zur Sicherstellung der Dauerhaftig- Betonoberfläche. Eine Mindestbeton­
keit gestellten Anforderungen an die Be- deckung muss zur Sicherstellung der Ver-
tonzusammensetzung, insbesondere die bundkraftübertragung, der Verhinderung
Grenzwerte hinsichtlich des minimalen des Abplatzens der Betonoberfläche, des
Zementgehalts, des höchstzulässigen Was- Korrosionsschutzes und des angemessenen
ser-Zementwertes w/z, sowie gegebenen- Brandschutzes vorhanden sein.
falls des Mindestluftgehalts und andere Der Schutz der Bewehrung vor Korro­
Anforderungen, wird hingewiesen. sion erfolgt durch das im Beton vorhandene
Die Festlegung der Expositionsklassen alkalische Milieu, das im Bereich der Be-
dient auch der Festlegung der Mindestan- wehrung nur durch ausreichende Betonde-
forderungen an die Betondeckung hinsicht- ckung dauerhaft aufrecht erhalten werden
lich des Schutzes vor Korrosion. Die Min- kann. Außerdem ist eine ausreichende
destbetondeckung hat darüber hinaus die Nachbehandlung des Betons, der eine hohe

Tabelle 8.5-3   Grenzwerte der chemischen Bestandteile im Boden und Wasser für den Betonan-
griff zur Einstufung in die Expositionsklassen XA nach [DIN-FB 100, 2005], Tabelle 2
Betonangriff durch Expositionsklasse XA1 Expositionsklassen
XA2 und XA3
SO42– in mg/l im Wasser ≥ 200 und ≤ 600 > 600 und ≤ 6000
SO42– in mg/kg im Bodena ≥ 2000 und ≤ 3000 b > 3000 b und ≤ 24000
pH-Wert ≥ 5,5 und ≤ 6,5 ≥ 4,0 und < 505
CO2 in mg/l kalklösend im Wasser ≥ 15 und ≤ 40 > 40
NH+4 in mg/l im Wasser ≥ 15 und ≤ 30 > 30 und ≤ 100
Mg2+ in mg/l im Wasser ≥ 300 und ≤ 1000 > 1000
a Tonböden mit einer Durchlässigkeit unter 10-5 m/s dürfen in eine niedrigere Klasse eingestuft
werden.
b Wenn durch wechselndes Trocknen und Durchfeuchten oder durch kapillares Saugen die Gefahr
der Anhäufung von Sulfationen im Beton besteht, ist der obere Grenzwert von 3000 mg/kg auf
2000 mg/kg herabzusetzen.
644 8 Berechnung

Qualität und Dichtigkeit haben muss, not- achse der äußersten Biegezugbe-
wendig. Die erforderliche Betondeckung wehrung, nach DIN 4102,
ist von den Umweltbedingungen und der ds1 Durchmesser der Längsbeweh-
Betonfestigkeit abhängig. Da es nicht mög- rung (Biegezugbewehrung),
lich ist, ideal ohne Abweichungen von den dSW Durchmesser der Querbewehrung
Sollwerten zu bauen, sind zur Gewährlei- (Bügel).
stung der vorgeschriebenen Mindestbeton-
deckungen der Bewehrung bei der kon- Die Werte cv sind der Bemessung der Bau-
struktiven Planung diese unvermeidlichen teile bei der Festlegung der statischen Nutz-
Abweichungen durch Vorhaltemaße zu höhe zugrunde zu legen und in den Beweh-
berücksichtigen. Die Vorhaltemaße hängen rungszeichnungen anzugeben. Die Min-
von der Art des Bauteils, der Bauausfüh- destbetondeckung cmin darf in Abhängig-
rung, der baulichen Durchbildung (Beweh- keit von der maßgebenden Expositions-
rungsführung) und dem Qualitätsmanage- klasse nach der Tabelle 8.5-2 nicht kleiner
ment ab. Die Werte nach [DIN 1045-1, als der entsprechende Wert nach den Tabel-
2008] für Vorhaltemaße sind in den Tabel- len 8.5-4 sein. Die Werte cmin müssen bei
len 8.5-4 angegeben. Das Nennmaß der Be- der Bauausführung auch noch nach dem
tondeckung cv setzt sich aus dem Min­ Betonieren gewährleistet sein.
destmaß cmin und einem zusätzlichen Vor­ Die Werte für das Vorhaltemaß dürfen
haltemaß ∆c zusammen: um 5 mm abgemindert werden, wenn dies
durch eine entsprechende Qualitätskont-
cnom = cmin + ∆c
rolle bei Planung, Entwurf, Herstellung und
Aus der Anforderung, dass für jedes einzel- Bauausführung gerechtfertigt ist.
ne Bewehrungselement das notwendige Die aufnehmbaren Verbundkräfte zwi-
Nennmaß der Betondeckung einzuhalten schen Stahl und Beton sind neben der Be-
ist, ergibt sich das Verlegemaß cv der Be- tonfestigkeit und der Stahlfestigkeit auch
wehrung. vom Bewehrungsdurchmesser abhängig.
Um ausreichende Verbundkräfte sicher zu
bei Platten: übertragen und eine gute Betonverdichtung
zu gewährleisten, soll die Mindestbeton­

� c + ∆c deckung der Bewehrungsstäbe daher nicht
� min
cv � � ds + ∆c kleiner sein als:


� u − ds �
• der Stabdurchmesser ds der Betonstahl-
bei Balken: bewehrung oder der Vergleichsdurch-
messer eines Stabbündels dsV , (der Ver-
cmin + ∆c gleichsdurchmesser ergibt sich zu: dsV =


� dSW + ∆c ds · √3
ns, mit ns : Anzahl der Bewehrungs-
cv � �

� ds + ∆c − dSW stäbe eines Stabbündels),

u − ds � − dSW • der 2,5-fache Nenndurchmesser dp einer
Litze oder der 3-fache Nenndurchmes-
mit: ser dp eines gerippten Drahts in Spann-
cmin Mindestmaß der Betondeckung, betonbauteilen mit sofortigem Verbund,
Δc Vorhaltemaß, • der äußere Hüllrohrdurchmesser eines
u … Abstand der hitzebeanspruchten Spannglieds mit nachträglichem Ver-
Betonoberfläche von der Schwer- bund.
8.5 Betonbrücken 645

Für Spannbetonbauteile mit internen Im [DIN-FB 102, 2009] sind Anforde-


Spanngliedern ohne Verbund gelten für die rungen hinsichtlich der Begrenzungen der
Mindestbetondeckung in den Veranke- Spannungen und der Rissbreite sowie der
rungsbereichen und im Bereich der freien Dekompression festgelegt. Die Bauwerke
Länge des ummantelten Spannglieds die und Bau­teile müssen einer Expositionsklas-
Angaben in den allgemeinen bauaufsichtli- se nach [DIN-FB 100, 2005] (Tabelle 8.5-2)
chen Zulassungen. zugeordnet werden. Im [ARS 11/2003]
Oberflächenbewehrungen und Beweh- sind für Betonüberbauten Anforderungs-
rungen in ansonsten als unbewehrt anzuse- klassen festgelegt, Tabelle 8.5-5. In [DIN
henden Bauteilen müssen den Anforderun- 1045-1, 2008] sind die in der Tabelle 8.5-6
gen an die Betondeckung genügen, auch ange­gebenen Mindestanforderungsklassen
wenn die Bewehrung für die Nachweise in in Abhängigkeit von der Expositionsklasse
den Grenzzuständen der Tragfähigkeit und zusammen gestellt. Nach dem [DIN-FB
Gebrauchstauglichkeit nicht in Anspruch 102, 2009] ist vom Auftraggeber festzu­
genommen wird. legen, in welche Anforderungsklasse die
Weitere Regelungen zur Betondeckung Einstufung für den Entwurf und die Bau-
hinsichtlich von Bauteilen aus Leichtbeton ausführung der Brücke zu erfolgen hat.
und verschleißbeanspruchten Bauteilen Dies kann als erfüllt gelten, wenn die Ein-
sind der [DIN 1045-1, 2008], Abschnitt 6.3 stufung nach den Tabellen 8.5-6 und –7
zu entnehmen. erfolgt. Für den Bau- und Endzustand gilt

Tabelle 8.5-4 a   Mindestwerte für die Betondeckung nach Tabelle 4 aus [DIN 1045-1, 2008]
Expositionsklasse Mindestbetondeckung cmin [mm] Vorhaltemaß ∆c
[mm]
Betonstahl Spannglieder im so­
fortigen und im nach­
träglichen Verbund c
XC1 10 20 10
XC2 und XC3 a, b 20 30 15
XC4 a, b 25 35
XD1 bis XD3 a, b, d 40 50
XS1 bis XS3 a, b
a Die Werte dürfen für Bauteile aus Normalbeton, deren Betonfestigkeit um 2 Festigkeitsklassen
höher liegt, als nach Tab. 8.5-2 mindestens erforderlich ist, um 5 mm vermindert werden. Für
Bauteile der Expositionsklasse XC1 ist diese Abminderung nicht zulässig.
b Wird Ortbeton kraftschlüssig mit einem Fertigteil verbunden, dürfen die Werte an den der Fuge
zugewandten Rändern auf 5 mm im Fertigteil und auf 10 mm im Ortbeton verringert werden.
Die Bedingungen zur Sicherstellung des Verbunds müssen jedoch eingehalten werden, sofern die
Bewehrung im Bauzustand ausgenutzt wird. Auf das Vorhaltemaß darf auf beiden Seiten der
Verbundfuge verzichtet werden.
c Die Mindestbetondeckung bezieht sich bei Spanngliedern mit nachträglichem Verbund auf die
Oberfläche des Hüllrohrs.
d Im Einzelfall können bei XD3 besondere Maßnahmen zum Korrosionsschutz der Bewehrung
nötig sein.
646 8 Berechnung

Tabelle 8.5-4 b   Mindestwerte für die Betondeckung nach Abschnitt 4.1.3.3 und Tabelle 4.101 des
[DIN-FB 102, 2009]-II
Bauteil Mindestbetondeckung cmin [mm] Vorhaltemaß
∆c [mm]
Betonstahl Spannstahl
Überbau aus vorgespann- 40 n.∅ 5a
tem Stahlbeton mit ∅: Nenndurchmesser des
sofortigem Verbund Spanndrahts
n = 2: bei Litzen
n = 3: bei gerippten Drähten
Liegen Spannglieder unter der
Oberfläche der Fahrbahnplatte
oder der Deckplatte von Fußgän-
gerbrücken, muss
cmin ≥ 100 mm bei Längsspann-
gliedern und
cmin ≥ 80 mm bei Querspannglie-
dern sein
Überbau aus vorgespann- ∅A und ≥ 50 mm
tem Stahlbeton mit nach- ∅A: Außendurchmesser des
träglichem Verbund Hüllrohrs
Liegen Spannglieder unter der
Oberfläche der Fahrbahnplatte
oder der Deckplatte von Fußgän-
gerbrücken, muss
cmin ≥ 100 mm
bei Längsspanngliedern und
cmin ≥ 80 mm bei
Querspanngliedern betragen.
Kappen und dgl. und an 40 –
nicht betonberührten
Flächen bei Straßen­
brücken
Kappen und dgl. und an 30 –
nicht betonberührten
Flächen bei Eisenbahn-
brücken
Kappen und dgl. und an 20 –
betonberührten Flächen
bei Straßen- und Eisen-
bahnbrücken
An nicht erdberührten 40 –
Flächen von Unterbauten
An erdberührten Flächen 50 –
von Unterbauten
8.5 Betonbrücken 647

Tabelle 8.5-4 b   (Fortsetzung)

Bauteil Mindestbetondeckung cmin [mm] Vorhaltemaß


∆c [mm]
Betonstahl Spannstahl
Gegen Strukturschalung 40 – 5a
oder auf vorbereiteten
Untergrund gegen un­
ebene Oberflächen
geschütteter Beton
Direkt gegen die Erde 75 –
geschütteter Beton
Ist die Betonoberfläche aggressiven Wirkungen durch chemische Einflüsse, z. B. Taumitteln
im Spritz- oder Sprühbereich, oder Meerwasser ausgesetzt, muss die Mindestbetondeckung
cmin = 50 mm betragen [DIN-FB 102, 2009]-II, Abschnitt 4.1.3.3 (114) P. Bei chemisch stark
angreifender Umgebung sind zusätzliche Schutzmaßnahmen vorzusehen, um einen direkten
Kontakt mit chemisch angreifenden Stoffen zu verhindern.
Zur Sicherstellung des Verbunds und der erforderlichen Verdichtung des Betons darf die Beton-
deckung nicht kleiner sein als:
– der Stabdurchmesser des Betonstahls, der Vergleichsdurchmesser eines Stabbündels (Stabbün-
del dürfen nur mit Zustimmung des Bauherrn verwendet werden)
– der Nennwert des Größtkorndurchmessers des Zuschlags
– der um 5 mm erhöhte Wert des Stabdurchmessers des Betonstahls, des Vergleichsdurchmes-
sers eines Stabbündels oder des Außendurchmessers des Hüllrohrs des Spannglieds, wenn der
Größtkorndurchmessers des Zuschlags mehr als 32 mm beträgt
a Das nach [DIN 1045-1, 2008] erforderliche Vorhaltemaß von ∆c = 15 mm ist nach [DIN-FB 102,
2009] nicht gefordert. Es ist deshalb unbedingt auf eine besonders sorgfältige Qualitätskontrolle
bei Entwurf und Bauausführung zu achten! Andernfalls, und dies wird von den Autoren empfoh-
len, sollte das größere Vorhaltemaß nach der [DIN 1045-1, 2008] für die unten liegende Beweh-
rung in Brücken-Überbauten eingehalten werden.

dieselbe Anforderungsklasse. In Sonder- grad (voll, beschränkt, teilweise und nicht


fällen kann eine Einzelfallentscheidung vorgespannter Beton) bezeichneten Eintei-
sinnvoll sein, die zwischen dem Tragwerks- lungen. Der Dekompressionsnachweis ist
planer und dem Bauherrn abzustimmen für vorgespannte Brücken von vorrangiger
ist. Für Gründungen und Unterbauten Bedeutung. Durch diesen Nachweis wird
aus bewehrtem Beton gilt die Mindestan- die Auftretenswahrscheinlichkeit von Ris-
forderungsklasse D. Die Anforderungs- sen minimiert, vereinzelte Risse können
klasse E hat im Brückenbau keine Bedeu- aber nicht verhindert werden. Auch bei
tung. sehr hoch vorgespannten Konstruktionen
In der Tabelle 8.5-7 sind die im [DIN- können singuläre Risse nicht mit Sicherheit
FB 102, 2009] einzuhaltenden Nachweisbe- verhindert werden. Es ist deshalb sinnvoll,
dingungen für den Grenzzustand der De- nicht zu hoch vorzuspannen, sondern zur
kompression und die Begrenzung der Riss- Begrenzung der Rissbreiten genügend Be-
breiten angegeben. Die Anforderungen tonstahl anzuordnen [Leonhardt, 1979],
entsprechen etwa den bisher als Vorspann- [Menn, 1986].
648 8 Berechnung

Tabelle 8.5-5   Mindestanforderungsklassen für Betonüberbauten nach [ARS 11/2003]


Längssystem, Art der Anforderungsklassen
Vorspannung
Für die Längs­ Für die Querrich­ Für die Querrich­
richtung tung, wenn in der tung, wenn in der
Querrichtung Querrichtung
nicht vorgespannt vorgespannt wird a
wird
Stahlbetonüberbau: in Längs- D D Db
richtung nicht vorgespannt
Spannbetonüberbau mit Cc D B
Spanngliedern im Verbund
oder Mischbauweise
Kastenträger mit ausschließlich Cd D Db
externen Spanngliedern
a Für die Quervorspannung von Fahrbahnplatten dürfen nach [DIN-FB 102, 2009]-III, 3.3 (1) P
nur austauschbare, interne Spannglieder ohne Verbund angewendet werden. Die Ankerkörper
der Querspannglieder sind an den Plattenrändern so anzuordnen, dass ein beidseitiges späteres
Nachspannen möglich ist. Teile der Verankerungen dürfen nicht in den Kappenbeton einbinden
[ZTV-ING-3, 2003], 2.3.2 (5).
b Die in der Tabelle 8.5-10 angegebene Begrenzung der Betonrandzugspannungen in der Brücken-
querrichtung sind einzuhalten. Zusätzlich ist der Nachweis der Rissbreitenbegrenzung in Brü-
ckenquerrichtung unter den gleichen Bedingungen wie in der Brückenlängsrichtung zu führen.
c Für statisch bestimmte Längstragsysteme ist bei vorgespanntem Stahlbeton mit Spanngliedern
im Verbund oder bei der Mischbauweise die Anforderungsklasse B anstatt C zu wählen.
d Die Mindestanforderungsklasse D darf für Spannbeton-Kastenbrücken gewählt werden, wenn für
die Festlegung der Vorspannung der Nachweis der Dekompression für die Einwirkungskombina-
tion mit dem Beiwert ψ2 = 0,3 für alle Einwirkungen aus Verkehr geführt wird. Die Einwirkungen
aus Temperatur und Bauwerkssetzungen brauchen dabei nicht berücksichtigt zu werden.

Tabelle 8.5-6   Mindestanforderungsklassen in Abhängigkeit von der Expositionsklasse gemäß


Tabelle 19 der [DIN 1045-1, 2008]
Expositionsklasse Mindestanforderungsklassen für die Vorspannarten Stahlbetonbau­
teile
Vorspannung Vorspannung Vorspannung
mit nachträgli­ mit sofortigem ohne Verbund
chem Verbund Verbund
XC1 D D F F
XC2-XC4 Ca C E E
XD1, XD2, Ca B E E
XD3 b, XS1-3
a Wird der Korrosionsschutz anderweitig sichergestellt, darf Anforderungsklasse D verwendet
werden (s. Allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen der Spannverfahren).
b Im Einzelfall können zusätzlich besondere Maßnahmen für den Korrosionsschutz notwendig
sein.
8.5 Betonbrücken 649

Tabelle 8.5-7    Anforderungen in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit an die Begren-


zung der Rissbreiten und die Dekompression nach der Tabelle 4.118 des [DIN-FB 102, 2009]-II
Anforderungs­ Einwirkungskombination für den Nachweis der Rechenwert der
klasse charakteristischen
Dekompression Rissbreitenbegrenzung Rissbreite wk [mm]
A nicht häufig selten 0,2
B häufig nicht häufig
C quasi ständig häufig
D – häufig
E – quasi ständig 0,3

Rissbildungen sind in Betontragwerken Tabellen 8.5-11 und 8.5-12 kompakt zu-


unter Zugbeanspruchung, Biegung, Quer- sammengestellt. In den Tabellen sind eini-
kraft, Torsion und Zwang wegen der ver- ge Erläuterungen und Begründungen ent-
hältnismäßig geringen Zugfestigkeit des halten.
Betons praktisch unvermeidbar und sind Wird eine in Längsrichtung vorge-
deshalb kein Mangel, wenn die Rissbreiten spannte Brücke in der Querrichtung nicht
und -tiefen so begrenzt sind, dass die Nut- vorgespannt, sind die im Zustand I zu
zung, die Dauerhaftigkeit und das Erschei- ermittelnden Betonzugspannungen am
nungsbild des Tragwerks nicht als Folge Querschnittsrand in der Brückenquerrich-
der Rissbildungen unangemessen beein- tung unter der seltenen Einwirkungskom-
trächtigt werden. Dazu ist es erforderlich, bination auf die in der Tabelle 8.5-10 ange-
dass der Verbund zwischen Beton und gebenen Werte zu begrenzen. Diese Be-
Stahl ­gewährleistet und der Korrosions- grenzung der Zugspannungen dient nicht
schutz ­sicher gestellt ist. An Stelle weniger der notwendigen Begrenzung der Riss­
breiter und tiefer Risse mit großen Rissab- breiten. Der Nachweis der Rissbreiten­
ständen sollen sich viele Risse mit kleinen begrenzung in Brückenquerrichtung ist
Rissabständen und geringen Rissbreiten vielmehr unter den gleichen Nachweisbe-
und ­-tiefen ausbilden. Für den Grenz­ dingungen wie in der Brückenlängsrich-
zustand der Dekompression dürfen bei den tung zu führen.
Anforderungsklassen A bis C unter der Die mechanischen Grundlagen des Zu-
maßgebenden Einwirkungskombination sammenwirkens von Beton und Stahl vor
keine Betonzugspannungen an dem dem und nach der Rissbildung im Beton und die
Spannglied am nächsten liegenden Rand Herleitung der Gleichungen zur Berech-
auftreten. Die Anforderungen an die Dau- nung der Rissbreiten und -abstände sind in
erhaftigkeit und das Erscheinungsbild entsprechenden Lehrbüchern, z. B. [Mehl-
eines Bauteils gelten als erfüllt, wenn die horn et al., 2002], dargestellt. Danach erge-
in den Tabellen 8.5.6 bis 8.5-12 angege­ ben sich die unter Berücksichtigung lang
benen Anforderungen eingehalten wer- andauernder Einwirkung sowohl für den
den. Die Begrenzung der Betonspan- Einzelriss als auch für die abgeschlossene
nungen nach [DIN-FB 102, 2009] ist in Rissbildung in [DIN 1045-1, 2008] und im
den Tabellen 8.5-8 bis 8.5-10 und die der [DIN-FB 102, 2009]-II, Abschnitt 4.4.2.4
Beton- und Spannstahlspannungen in den angegebenen Gleichungen zur Ermittlung
650 8 Berechnung

Tabelle 8.5-8   Begrenzung der Betondruckspannungen für den Grenzzustand der Gebrauchstaug-


lichkeit nach [DIN-FB 102, 2009]-II, Abschnitt 4.4.1.2
Wenn die im ungerissenen Zustand berechneten Zugspannungen unter der Regel
seltenen Lastkombination den Wert fctm (fctm nach Tabelle 3.1 im [DIN-FB 102,
2009]-II) überschreiten, sind die Spannungen für den gerissenen Zustand zu
ermitteln. Bei Zugrundelegung des gerissenen Betonquerschnitts darf angenom-
men werden, dass sich der Beton elastisch verhält, jedoch keine Zugspannungen
aufnehmen kann. Der versteifende Einfluss aus der Mitwirkung des Betons
zwischen den Rissen ist unter diesen Annahmen zur Berechnung der Spannungs-
begrenzung zu vernachlässigen.
Beanspruchung zul σc Ausnahmen, zusätzliche Bedin­
gungen und Anmerkungen
Bei nicht-häufiger Ein- ≥ –0,6 . fck Diese Begrenzung ist zur Vermei- 4.4.1.2,
wirkungskombination dung von übermäßiger Mikroriss- (103) P
und Mittelwert der bildungen und von Längsrissen im
Vorspannung. Beton einzuhalten.
Bei mit ρ ≥ 1,0% umschnürter
Druckzone dürfen die Absolutwerte
der Druckspannungen um 10%
überschritten werden. ρ ist die auf
die Querschnittsfläche der Druck-
zone bezogene Menge der Um-
schnürungsbewehrung.
Bei quasi-ständiger ≥ –0,6 . fc (t) a Bei der Herstellung von Fertigteilen 4.4.1.2,
Einwirkungskombi­ darf bei strengen, unabhängigen (103) P
nation und bei Eintra- Überprüfungen der zeitlichen
gung des Mittelwerts Entwicklungen der Betondruckfes-
der Vorspannung zur tigkeit und der Vorspannverluste
Zeit t. während der Bauausführung der
Wert –0,6 . fc (t) um 10% unter-
schritten (also 10% höhere zulässige
Druckspannung) werden. fc (t) ist
der Mittelwert der Betondruckfes-
tigkeit zur Zeit t der Eintragung der
Vorspannung.
Bei quasi-ständiger ≥ –0,6 . fc (t) a Übersteigt der Betrag der Beton- 4.4.1.2,
Einwirkungskombi­ druckspannung den Wert (102) P
nation und bei Eintra- 0,45 . fc (t), ist die Nichtlinearität
gung des Mittelwerts des Kriechens zu berücksichtigen.
der Vorspannung zur fc (t) ist der Mittelwert der Beton-
Zeit t. druckfestigkeit (Absolutwert) zum
Zeitpunkt t der Eintragung der
Vorspannkraft.
8.5 Betonbrücken 651

Tabelle 8.5-8   (Fortsetzung)
Wenn die im ungerissenen Zustand berechneten Zugspannungen unter der Regel
seltenen Lastkombination den Wert fctm (fctm nach Tabelle 3.1 im [DIN-FB 102,
2009]-II) überschreiten, sind die Spannungen für den gerissenen Zustand zu
ermitteln. Bei Zugrundelegung des gerissenen Betonquerschnitts darf angenom-
men werden, dass sich der Beton linerar elastisch verhält, jedoch keine Zugspan-
nungen aufnehmen kann. Der versteifende Einfluss aus der Mitwirkung des Betons
zwischen den Rissen ist unter diesen Annahmen zur Berechnung der Spannungs-
begrenzung zu vernachlässigen.
Beanspruchung zul σc Ausnahmen, zusätzliche Bedin­
gungen und Anmerkungen
Bei quasi-ständiger ≥ –0,45 . fck Durch diese Begrenzung sollen 4.4.1.2,
Einwirkungskombinati- überproportionale Kriechverfor- (104)* P
on und dem Mittelwert mungen vermieden werden.
der Vorspannung, wenn
die Gebrauchstauglich-
keit, die Tragfähigkeit
oder die Dauerhaftigkeit
des Bauwerks wesent-
lich durch das Kriechen
beeinflusst wird.
Bei seltener Einwir- < –1,0 N/mm2 In diesen Bereichen ist bei Bautei- 4.4.2.2,
kungskombination und len mit Vorspannung mit Verbund (3)* und
den maßgebenden die Mindestbewehrung zur Riss- [ARS
charakteristischen Wer- breitenbegrenzung nicht erforder- 11/2003]
ten der Vorspannung. lich. Dies gilt aber nicht für die (14)
Bereiche an Arbeitsfugen, in denen
stets eine Mindestbewehrung erfor-
derlich ist. Diese ergibt sich aus
Gl. (8.5-81). Parallel zur Arbeitsfu-
ge ist diese Bewehrung mit kc = 1
zu ermitteln und auf einer Länge
anzuordnen, die der Überbauhöhe,
jedoch nicht mehr als 2 m, ent-
spricht. Senkrecht zur Arbeitsfuge
ist die Mindestbewehrung beider-
seits der Arbeitsfuge auf eine Länge
gleich der Überbauhöhe zuzüglich
der Verankerungslänge, jedoch
nicht mehr als 4 m, anzuordnen.
Ist die Arbeitsfuge eine Koppelfuge,
ist dort der Mittelwert der Vor-
spannkraft auf 75% abzumindern.
Diese Abminderung gilt auch für
den Nachweis der Begrenzung der
Rissbreiten.
a Bei vorgespannten Fertigteilen mit sofortigem Verbund darf der Spannungsgrenzwert auf 0,7 . fct
angehoben werden, sofern dies durch Versuche oder Erfahrungen gerechtfertigt ist [DIN-FB 102,
2009]-IV, 4.4.1.2 (102) P.
652 8 Berechnung

Tabelle 8.5-9   Zulässige Betonzugspannungen in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit


nach dem [DIN-FB 102, 2009]-II, Abschnitte 4.4.1.1 und 4.4.2.1
Ort und Beanspruchung zul σc Anmerkungen Regel
In der Zug- und Druckzone a ≤ fctm Wird fctm überschritten, 4.4.1.1,
unter seltener Einwirkungs- ist im gerissenen Zustand (5)
kombination und dem Mittel- (Zustand II) zu rechnen.
wert der Vorspannung mit der fctm ist in der Tabelle 3.1
Berechnung im ungerissenen des [DIN-FB 102, 2009]-II
Zustand (Zustand I). angegeben.
Unter der maßgebenden Ein- ≤0 Für den Grenzzustand der 4.4.2.1,
wirkungskombination, entspre- Dekompression, wenn für (106) P
chend Tabelle 8.5-7, [DIN-FB die Anforderungsklassen A,
102, 2009]-II und dem charak- B und C nach der Tabelle
teristischen Wert der Vorspan- 4.118 des [DIN-FB 102,
nung für den Grenzzustand 2009]-II (Tabelle 8.5-7)
der Dekompression an dem bemessen wird.
Rand, der dem Spannglied am
nächsten liegt, bei den Anfor-
derungsklassen A, B oder C.
Zugspannungen am unteren ≤ 0,85 . fctk; 0,05 fctk; 0,05 ist in der Tabelle 3.1 4.4.2.1,
Bauteilrand bei Straßen, Geh- des [DIN-FB 102, 2009]-II (107) P
und Radwegbrücken unter der angegeben.
maßgebenden Einwirkungs-
kombination und dem charak-
teristischen Wert der Vorspan-
nung b.
a Als Zug- und Druckzone werden die Bereiche verstanden, in denen aus äußeren Einwirkungen
Zug- oder Druckspannungen entstehen.
b Die mögliche Streuung der Vorspannkraft ist durch einen oberen und unteren charakteristischen
Wert der Vorspannkraft zu berücksichtigen (Faktoren rsup, rinf s. [DIN-FB 102, 2009]-II, Ab-
schnitte 2.5.4.2 (4) und für den Bauzustand 4.4.2.1 (107) P).

Tabelle 8.5-10   Zulässige Betonrandzugspannungen a in der Brückenquerrichtung nach Tabelle


4.118 a) des [DIN-FB 102, 2009]-II bei in Längsrichtung vorgespannten Brücken ohne Vorspan-
nung in Querrichtung
Betonfestigkeitsklasse C 30/37 C35/45 C40/50 C45/55 C50/60
zul σc [N/mm2] 4,0 5,0 5,5 6,0 6,5
a unter seltener Einwirkungskombination und dem Mittelwert der Vorspannung, im Zustand I
ermittelt.
8.5 Betonbrücken 653

Tabelle 8.5-11   Betonstahlspannungen im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit nach [DIN-


FB 102, 2009]-II, Abschnitte 4.4.1.3 und 3.2.2
Beanspruchung zul σc Anmerkungen Regeln
Unter nicht-häufiger Ein- ≤ 0,8 . fyk Im Betonstahl dürfen keine 4.4.1.3, (1) P und
wirkungskombination und nichtelastische Dehnungen (105) sowie
dem charakteristischen auftreten. Es darf nur Beton- 3.2.2, (109)P
Wert der Vorspannung a stahl mit hoher Duktilität
verwendet werden.
a Die mögliche Streuung der Vorspannkraft ist durch einen oberen und unteren charakteristischen
Wert der Vorspannkraft zu berücksichtigen (zusätzliche Sicherheitselemente rsup , rinf als Faktoren,
s. [DIN-FB 102, 2009]).

des Rechenwerts der Rissbreite und des die Festigkeitsklasse maßgebend,


Riss­abstands: bei der das Auftreten der Risse zu
w k = sr ,max ⋅ (ε sm − ε cm )  erwarten ist. Wenn der Zeitpunkt
(8.5-76)
der zu erwartenden Rissbildung
mit: nicht mit Sicherheit innerhalb der
f ct ,eff ersten 28 Tage festgelegt werden
σ sII − 0,4 ⋅ ⋅ 1 + α E ⋅ ρeff  kann, ist mindestens eine Zugfes­
ρeff 
ε sm − ε cm = tigkeit von 3 N/mm2 anzusetzen.
Es ρeff der effektive Bewehrungsgrad un-
σs
≥ 0,6 ⋅ (8.5-77) ter Berücksichtigung des unter-
 Es schiedlichen Verbundverhaltens
des Beton- und Spannstahls ergibt
ds σ s ⋅ ds
sr ,max = ≤ (8.5-78) sich aus:
3,6 ⋅ ρeff 3,6 ⋅ f ct ,eff
 A As + ξ 12 ⋅Ap
Es bedeuten: ρeff = s =
 Ac,eff Ac,eff (8.5-79)
wk der Rechenwert der Rissbreite mit:
sr, max der größte Rissabstand bei abge-
schlossenem Rissbild ds
ξ1 = ξ ⋅
εsm der Mittelwert der Dehnung der dp
Bewehrung bei Berücksichtigung
der Mitwirkung des Betons zwi- As und Ap sind die Querschnittsflächen des
schen den Rissen Betonstahls bzw. des sich im Verbund be-
εcm der Mittelwert der Dehnung des findlichen Spannstahls innerhalb der wirk-
Betons zwischen den Rissen samen Betonzugzone Ac,eff . ξ1 ist das Ver-
σsII die Spannung im Betonstahl im hältnis ξ der mittleren Verbundfestigkeiten
betrachteten gerissenen Quer- von Spannstahl und Betonstahl (Tabelle
schnitt 8.5-13) unter Berücksichtigung der unter-
Es schiedlichen Durchmesser. Ac,eff kenn-
αE = 7 Verhältnis der Elastizitäts-
Ecm zeichnet den Wirkungsbereich, in dem die
moduln Bewehrung die Rissbreiten so beeinflusst,
fct, eff die wirksame Zugfestigkeit zum wie bei einem Stahlbetonzugstab mit gleich-
betrachteten Zeitpunkt. Dabei ist mäßig verteilter Längsbewehrung.
Tabelle 8.5-12   Spannstahlspannungen im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit nach [DIN-FB 102, 2009]-II, Abschnitt 4.4.1.4 und [DIN 1045-1, 654
2008] und während des Spannvorgangs (einschließlich des eventuellen Überspannens zum Ausgleich der Spannkraftverluste) nach [DIN-FB 102, 2009]-II,
Abschnitt 4.2.3.5.4
Beanspruchung zul σp Ausnahmen, Erläuterungen Regel
Unter quasi-ständiger Einwirkungs- ≤ 0,65 . fpk Für externe und auswechselbare interne Spannglieder 4.4.1.4, (1)*P
kombination mit dem Mittelwert der ohne Verbund, wenn deren Auswechselbarkeit zweifellos
Vorspannung nach Abzug der Spann- sichergestellt ist, gilt diese Begrenzung nicht.
kraftverluste t → ∞ in jedem Quer- Die Begrenzung σp ≤ 0,65 . fpk unter
schnitt (maßgebend sind die am höchs- der quasi-ständigen Einwirkungskombination dient
ten beanspruchten Querschnitte im dazu, der Gefahr der Spannungsrisskorrosion zu begeg-
Feld und über den Stützen). nen.
1. Spannung σ0, max beim Vorspannen 0,8 ⋅ f pk Der kleinere Wert ist jeweils maßgebend. Zu 1. nach
am Spannanker während des Vor- ≤ Spannbettkraft P(0)
max oder Anspannkraft (Pressenkraft) 4.2.3.5.4, (2)*P
spannvorgangs unter der aufge- 0,9 ⋅ f p0,1k am Spannanker P0, max .
brachten Höchstkraft (Pressenkraft) Das Überspannen ist nur zulässig, wenn die Spannpresse
einschließlich des Überspannens. eine Messgenauigkeit der aufgebrachten Vorspannkraft
2. Unter seltener Einwirkungskombina- von ± 5%, bezogen auf den Endwert der Vorspannkraft, Zu 2. nach
tion zu jedem Zeitpunkt t. sicherstellt. [DIN 1045-1,
2008], 11.1.4 (2)
Abgeminderte Spannung σ0, max bei 0,8 ⋅ f pk ⋅ e − µ ⋅ γ ⋅(κ −1) Der kleinere Wert ist maßgebend. 4.2.3.5.4, (2)*P
Spanngliedern mit nach­träglichem ≤ − µ ⋅γ ⋅(κ −1) μ … Reibungsbeiwert
Verbund unter der planmäßigen 0,9 ⋅ f p0,1k ⋅ e k … ungewollter Umlenkwinkel pro Längeneinheit
Höchstkraft am Spannanker während μ und k nach der Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulas-
des Vorspannvorgangs (Vorhaltemaß), sung des Spannverfahrens γ = Θ + k . x mit Θ a Summe
damit auch im Fall eines notwendigen, der planmäßigen Umlenkwinkel bis zur Länge x. x ist die
Überspannens der Spannglieder wegen Spanngliedlänge vom Spannanker aus gemessen, über
nicht vorhergesehener, erhöhter Rei- die die Reibung beim ersten Anspannen spannkraftmin-
bungsverluste die gewünschte Vorspan- dernd wirkt.
nung über die Bauteillänge erreicht
werden kann und die zulässige Span-
8 Berechnung

nung nicht überschritten wird.


κ … Vorhaltemaß zur Sicherung der Überspannreserve
– für Spannglieder ohne Verbund: κ = 1,0
– bei ungeschützter Lage der Spannglieder im Hüllrohr
(Bauablauf beachten!):
κ = 1,5 bis zu 3 Wochen ungeschützt
8.5 Betonbrücken

κ = 2,0 mehr als 3 Wochen ungeschützt


Auf das Vorhaltemaß sollte bei vorgespanntem Stahlbe-
ton mit nachträglichem Verbund nicht verzichtet wer-
den. Wird darauf verzichtet, sind mit der Bauherrschaft
abzustimmende konstruktive Maßnahmen zu treffen.
Mittelwert der Spanngliedspannung 0,75 ⋅ f pk Der kleinere Wert ist maßgebend. 4.2.3.5.4, (3)*P
σpm, 0 zum Zeitpunkt t = 0, unmittelbar ≤ Das Vorspannen ist unter Aufsicht sorgfältig zu kontrol-
nach dem Absetzen der Vorspannkraft 0,85 ⋅ f p0,1k lieren und zu protokollieren.
auf den Beton. Um zul σp = 0,65 . fpk bei Vorspannung mit nachträgli-
chem Verbund in den relevanten Querschnitten auszu-
nutzen, wird Überspannen mit Ablassen (eventuell
mehrmals) beim Vorspannen empfohlen. Damit kann
diese schärfere Begrenzung gegenüber den Vorstehenden
meistens vermieden werden.
a Bei in zwei Ebenen gekrümmten Spanngliedern, sind die maßgebenden Umlenkwinkel vektoriell zu bestimmen. Die Summe der planmäßigen Umlenk-
winkel bis zum betrachteten Querschnitt ergibt sich bei räumlich gekrümmten Spanngliedern aus den vertikalen und horizontalen Umlenkwinkeln

Θvert. und Θhor. : → Θ = ∑ Θ2vert. + Θ2hor .


655
656 8 Berechnung

Tabelle 8.5-13   Verhältnis ξ der Verbundfestigkeit des Spannstahls zu der des Betonrippenstahls
nach [DIN-FB 102, 2009]-II, Tabelle 4.115 a
Spannglieder mit sofortigem Spannglieder mit
Verbund nachträglichem Verbund
Glatte Stäbe – 0,3
Litzen 0,6 0,5
Profilierte Drähte 0,7 0,6
Gerippte Stäbe 0,8 0,7
Signifikante unterschiedliche Höhenlagen von Beton- und Spannstahl sind zu beachten.

Die wirksame Fläche Ac,eff darf gemäß σsII die Betonstahlspannung im Zu-
Bild 8.5-36 mit Hilfe des 2,5fachen Ab- stand II, bei Bauteilen mit im Ver-
stands der Randzugfaser vom Schwerpunkt bund liegenden Spanngliedern ist
der Bewehrung bestimmt werden. σsII nach Gl. (8.5-81) zu ermitteln
Der Nachweis der Begrenzung der Riss- As die Querschnittsfläche des Beton-
breite kann auch indirekt, ohne direkte stahls in der Zugzone
Berechnung der Rissbreite, durch die Be- h die Bauteilhöhe
grenzung der Durchmesser und der gegen- d die statische Nutzhöhe
seitigen Abstände der Bewehrungsstäbe b die Breite der Zugzone
geführt werden. Hierbei sind zunächst die fct, 0 die Zugfestigkeit des Betons, auf die
Stahlspannungen σsII für den betrachteten die Werte nach Tabelle 8.8-14 be­
gerissenen Querschnitt (Zustand II) unter zogen sind, beträgt fct, 0 = 3,0 N/
der maßgebenden Einwirkungskombinati- mm2
on und bei vorgespannten Bauteilen mit fct, eff die wirksame Zugfestigkeit zum
den maßgebenden charakteristischen Wer- betrachteten Zeitpunkt, wie bei
ten der Vorspannung zu ermitteln. Der Gl. (8.5-78)
Grenzdurchmesser ds* und der zulässige
Abstand der Bewehrungsstäbe ergeben sich Die angegebenen Gleichungen zur Bestim-
zur ermittelten Stahlspannung σsII aus der mung der Rissbreiten und -abstände gelten
Tabelle 8.5-14 und sind in Abhängigkeit nur für Bereiche, die sich genügend nahe
von der wirksamen Betonzugfestigkeit zur im Verbund liegenden Bewehrung be-
fct, eff und der Bauteilhöhe h wie folgt um­ finden, d. h. innerhalb der wirksamen Be-
zurechnen: tonzugzone. Außerhalb dieser Bereiche
können größere Risse auftreten, wenn diese
σ s� ⋅ As f ct ,eff Bereiche auf Zug beansprucht sind. Des-
ds = ds* ⋅ ≥ ds* ⋅
4 ⋅ (h − d ) ⋅ b ⋅ f ct ,0 f ct ,0 halb sind alle Betonteile in der Nähe aller
Außenflächen ausreichend zu bewehren.
(8.5-80)
Im Brückenbau dürfen nur gerippte Beton-
In Gl.
 (8.5-80) bedeuten: stähle mit Stabdurchmessern von mindes-
ds umgerechneter Grenzdurchmes- tens 10 mm verwendet werden, und der
ser gegenseitige Abstand der Betonstähle darf
d*s der Grenzdurchmesser nach Ta- nicht größer als 20 cm sein. Der lichte Ab-
belle 8.5-14 stand zwischen parallelen Stäben muss
8.5 Betonbrücken 657

Bild 8.5‑36   Definitionen der wirksamen Zugzonen des Betons Ac,eff zur Ermittlung des effektiven
Bewehrungsgrads ρeff

Tabelle 8.5-14   Grenzdurchmesser d*s und größte Stababstände bei Betonstählen nach [DIN-
FB 102, 2009]-II, Tabellen 4.120 und 4.121
Stahlspan­ Einzuhaltender Rechenwert Einzuhaltender Rechenwert der
nung σsII in der Rissbreite: wk = 0,3 mm Rissbreite: wk = 0,2 mm
N/mm2
Grenzdurch­ Höchstwerte für Grenzdurch­ Höchstwerte für
messer der die zulässigen messer der die zulässigen
Beton­stähle Stababstände Betonstähle Stababstände
in mm in mm in mm in mm
160 42 300 28 200
200 28 250 18 150
240 19 200 13 100
280 14 150 9 50
320 11 100 7    –
360 8 50 6    –
Im Brückenbau sind gerippte Betonstähle mit mindestens 10 mm Durchmesser zu verwenden. Ihr
gegenseitiger Abstand darf nicht größer als 20 cm sein, [DIN-FB 102, 2009]-II, Abschnitt 5.1, (4) P
und (5).

mindestens 20 mm betragen. Die waage- hohen Bewehrungskonzentrationen, insbe-


rechten und senkrechten lichten Abstände sondere bei sich kreuzender Bewehrung,
der Betonstähle müssen mindestens so bei der Festlegung der gegenseitigen Ab-
groß wie der größte Durchmesser der Stäbe stände der Bewehrungsstäbe darauf zu
und mindestens 5 mm mehr als der Größt- achten, dass die Durchmesser der Beweh-
korndurchmesser des Zuschlags sein. Bei rungsstähle Abweichungen von ihren Soll-
der konstruktiven Durchbildung ist bei werten haben. Die Höhen der Schräg- und
658 8 Berechnung

Längsrippen haben zur Folge, dass die zugzone Act nur für die betreffende Beweh-
Bewehrungsstähle einen größeren Platz rungslage gilt. Z. B. ist deshalb bei zugbe-
benötigen als der Nenndurchmesser er­ anspruchten Gurtplatten kc nur auf die
fordert. In diesen Fällen sollte beachtet äußere Bewehrungslage zu beziehen und
werden, dass die äußeren Querschnittsab- bei der Ermittlung von Act nur die halbe
messungen, ausgedrückt durch dmax  , ein- Gurtplattendicke zu berücksichtigen.
schließlich der Rippen, 20% größer als die Mit dem Beiwert k1 wird der Längskraft-
Nenndurchmesser ds sein können (dmax ≈ einfluss berücksichtigt. In der Regel ist bei
1,2 · ds). Bei Bewehrungsanordnungen in vorgespannten Konstruktionen die Längs-
mehreren horizontalen Lagen sollen die kraft eine Druckkraft. Dafür gilt:
Stäbe der einzelnen Lagen vertikal überein­
1,5 · h
ander liegen. Ausreichende Betonierlü- k1 = 91
cken sind bei der Bewehrungsanordnung h′
vorzusehen. mit:
Sofern die Bemessung keine höheren
Werte ergibt, ist nach dem [DIN-FB 102, h Höhe des Querschnitts oder des Teil-
2009], Abschnitt 4.4.2.2 als Mindestbeweh- querschnitts
rung (Ausnahme siehe Tabelle 8.5-8) zur h′ = h für h < 1 m
Vermeidung breiter Einzelrisse aus Zwangs- h′ = 1 m für h ≥ 1 m.
oder Eigenspannungen erforderlich: Mit dem Beiwert k wird der Einfluss
Act des nichtlinearen Verlaufs der Betonzug­
As ≥ kc ⋅ k ⋅ f ct ,eff ⋅ (8.5-81) spannungen berücksichtigt. Brücken sind
σ s� 
Außen­bauteile. Deshalb treten in der Regel
σsII ist die zulässige Spannung im Betonstahl Eigenspannungen infolge der nichtlinearen
in Abhängigkeit vom Grenzdurchmesser Temperaturfelder auf. Hierfür ist bei im
d*s nach der Tabelle 8.5-14. fct, eff ist wie in Bauteil selbst hervorgerufenem Zwang (z. B.
Gl. (8.5-78) zu ermitteln. Act ist die Quer- Abfließen der Hydratationswärme) für:
schnittsfläche, die vor der Erstrissbildung
rechnerisch unter Zugspannung steht. Mit k = 0,8 für h ≤ 300 mm
dem Beiwert kc wird der Einfluss der Span- k = 0,5 für h ≥ 800 mm
nungsverteilung innerhalb der Zugzone Act zu setzen. Zwischenwerte dürfen linear in-
vor der Erstrissbildung berücksichtigt. terpoliert werden.
Bei von außerhalb des Bauteils hervor-
 σc 
kc = 0,4 ⋅ 1 +  ≤1 gerufenem Zwang (z. B. bei Stützensen-
 k1 ⋅ f ct ,eff  kung) ist k = 1,0 zu setzen.
 
Für einen Wirkungsbereich in einem
σc ist die Betonspannung im ungerissenen Quadrat mit 300 mm Seitenlänge um die
Zustand (negativ bei Längsdruck) in der Achse des Spannglieds herum darf der
Faser der Schwerachse des Querschnitts Spannstahl im Verbund bei der Ermittlung
oder Teilquerschnitts (bei Platten und Bal- der erforderlichen Bewehrung berücksich-
ken in der Regel die Betonspannung aus tigt werden, wobei das unterschiedliche
dem Längskraftanteil der Vorspannung, Verbundverhalten zu beachten ist (s. o.).
mit zunehmender Vorspannung wird Bei profilierten Querschnitten (Plattenbal-
kc kleiner) unter der Einwirkungskombina- ken, Kastenträgern) ist die Mindestbeweh-
tion, die am Gesamtquerschnitt zur Erst- rung für jeden Teilquerschnitt (Stege und
rissbildung führt. Es ist zu beachten, dass Gurte) zu bestimmen. Bei vorgespannten
der Beiwert kc und die Fläche der Beton- Konstruktionen mit Vorspannung im Ver-
8.5 Betonbrücken 659

bund ist in den Bereichen, in denen unter


der seltenen Einwirkungskombination
Betondruckspannungen über –1 N/mm2
vorhanden sind, die Mindestbewehrung
entsprechend [DIN-FB 102, 2009] nicht
erforderlich. Die konstruktive Mindestbe-
wehrung nach [DIN 1045-1, 2008], dort
die Tabellen 29 und 30, muss aber stets vor-
handen sein.
In Arbeitsfugen ist die Betonzugfestig-
keit deutlich geringer als in ungestörten
Bereichen. Deshalb gelten dort andere Be-
dingungen. An Arbeitsfugen ist stets eine
Mindestbewehrung erforderlich. Diese er-
gibt sich aus Gl. (8.5-81). Parallel zur Ar-
beitsfuge ist diese Bewehrung mit kc = 1 zu
ermitteln und auf einer Länge anzuordnen,
die der Überbauhöhe, jedoch nicht mehr
als 2 m, entspricht. Senkrecht zur Arbeits-
fuge ist die Mindestbewehrung beiderseits
der Arbeitsfuge auf eine Länge gleich der
Überbauhöhe zuzüglich der Verankerungs-
länge, jedoch nicht mehr als 4 m, anzuord-
nen.
Ist die Arbeitsfuge gleichzeitig eine Kop-
pelfuge, ist durch genauere Untersuchung
der Spannungszustände die erforderliche
Bewehrung zu ermitteln. Es ist auch zu be-
achten, dass an der Koppelfuge die Vor-
spannkraft herabgesetzt ist. Der Mittelwert
der Vorspannkraft ist dort auf 75% abzu-
mindern. Diese Abminderung gilt auch für
den Nachweis der Begrenzung der Rissbrei-
ten. Als Mindestbewehrung ist die für Ar-
beitsfugen parallel und senkrecht zur Fuge
erforderliche (s. o.) maßgebend.
Kastenträger sind große gegliederte
Querschnitte. Bei ihnen treten deshalb
hohe Eigenspannungen auf. Aus der Über-
lagerung der Eigen- und Zwangsspannun-
gen wird in der Bodenplatte, in der prak-
tisch eine zentrische Zugbeanspruchung
auftritt, die Betonzugfestigkeit häufig über- Bild 8.5‑37   Geometrie des Überbaus
schritten. Für Kastenträger mit externer
Vorspannung sollte daher die erforderliche
Mindestbewehrung in allen Fällen nach der
Gleichung (8.5-81) ermittelt werden.
660 8 Berechnung

Die waagerechten und senkrechten lich- 8.5.7.1.2 Betondeckung und statische Höhe
ten Abstände der Spannglieder mit nach-
träglichem Verbund müssen größer als 80% Nach [DIN-FB 102, 2009] ist das Vorhalte-
des äußeren Hüllrohrdurchmessers sein, sie maß mit 0,5 cm zu berücksichtigen. Dieser
dürfen aber nicht kleiner als 40 mm in ver- Wert erscheint den Autoren für den unten
tikaler und 50 mm in horizontaler Richtung liegenden Betonstahl im Brückenbau zu
sein. Bei Vorspannung mit sofortigem Ver- klein. Durch montagebedingtes Betreten
bund muss der horizontale lichte Abstand bereits verlegter Bewehrung treten blei-
der Litzen mindestens so groß wie der bende Verformungen ein, die 0,5 cm über-
Durchmesser der Litzen sein, er darf aber schreiten können. Das Vorhaltemaß wird
nicht kleiner als 20 mm und muss mindes- deshalb für die untere Bewehrungslage
tens 5 mm mehr als das Größtkorn des nach [DIN 1045-1, 2008] mit 1,5 cm ange-
Zuschlags betragen. Der vertikale lichte setzt (Tabelle 8.5-4b, Fußnote).
Abstand muss mindestens so groß sein wie
• für den Betonstahl oben:
der Durchmesser der Litzen, und er muss
mindestens 10 mm und so groß wie das min cs = 4,0 cm, nom cs = 4,5 cm
Größtkorn des Zuschlags sein.
Damit folgt für die statisch nutzbare
Höhe des Betonstahls:
8.5.7 Berechnungsbeispiel, über drei Felder dslo = h – nom c – ∅sq – ∅sl /2
durchlaufende, vorgespannte Plattenbrücke = 80 – 4,5 – 1,4 –1,4/2 = 73,4 cm
≈ 73,0 cm
8.5.7.1 Einleitung
Abstand der geometrischen Schwerachse
des Überbaus von der des Betonstahls:
Die durchlaufende Platte des Berechnungs-
beispiels soll in Längsrichtung vorge­ zcso = dslo – zco = 0,730 – 0,368
spannt werden. Für den Überbau wird eine = 0,362 m
mitt­lere Konstruktionshöhe von h = 0,80 m
• für den Betonstahl unten:
gewählt. Ausgewählte Nachweise in den
Grenzzuständen der Tragfähigkeit und der dslu = 80 – 5,5 – 1,4 –1,4/2 = 72,4 cm
Gebrauchstauglichkeit werden exempla- ≈ 72,0 cm
risch für Biegung mit Längskraft geführt. zcsu = dslu – zcu = 0,720 –0,432 = 0,288 m
• für die Hüllrohre der Spannglieder
8.5.7.1.1 Weitere Annahmen oben:
Unter der Fahrbahn muss aus Gründen
In Brückenlängsrichtung wurde die Anfor- des Schutzes der Spannglieder vor Kor-
derungsklasse C und in Querrichtung die rosion (Tabelle 8.5-4b) die Betonde-
Anforderungsklasse D gewählt (Tabelle ckung der Hüllrohre betragen:
8.5-5). Hinsichtlich der Anforderungen an min cH ≥ 10,0 cm, nom cH = 10,5 cm
die Dauerhaftigkeit ist der Stahlbeton-
Überbau der Expositionsklasse XD 3 und Das in diesem Beispiel verwendete Hüll-
XF 2 zuzuordnen (Tabelle 8.5-2). rohr besitzt einen Außendurchmesser
von 7,2 cm (siehe Abschnitt 8.5.7.3.3).
Für die statisch nutzbare Höhe der
Spannglieder gilt:
8.5 Betonbrücken 661

dpo = h – nom cH – ∅H/2 + e

105
= 80,0 – 10,5 – 7,2/2 + 1,2

129
= 67,1 cm � 0,671 m

368
72
zcpo = dpo – zcu = 0,671 – 0,432

239
12
= 0,239 m Schwerachse

80
• für die Hüllrohre der Spannglieder un-

301
ten:

432
12
min cH ≥ ∅H = 7,2 cm

131
nom cH = 7,7 cm < nomc + ∅sq + ∅sl

83
= 5,5 + 1,4 + 1,4 = 8,3 cm
gewählt: min cV = 8,3 cm Bild 8.5‑38   Betondeckungen der Hüllrohre
dpu = h – cV – ∅H/2 – e und Spanngliedlagen
= 80,0 – 8,3 – 7,2/2 – 1,2
≈ 67,0 cm � 0,670 m
Vorbemessung ist der einzulegende Spann-
zcpu = dpu – zco = 0,670 – 0,368
stahlquerschnitt jedoch noch unbekannt.
= 0,302 m
Für die Schnittgrößenermittlung in dieser
∅sq , ∅sl , ∅H Durchmesser der Quer-, Planungsphase ist es ausreichend, mit den
Längsbewehrung, Hüllrohr- Brutto-Querschnittswerten des Überbaus
außendurchmesser (Tabelle 8.5-15) zu rechnen. Die Bestim-
e Exzentrizität der Spannglie- mung der Brutto-Querschnittswerte er-
dachse zur Hüllrohrachse folgte nach den in Abschnitt 8.5.2.1 angege-
(hier 1,2 cm) benen Gln. (8.5-6 bis -12).
dsl statische Höhe des Betonstahls
dpu , dpo statische Höhe der unteren
bzw. oberen Spannglieder 8.5.7.2 Charakteristische Werte
zcsu , zcso Abstand der Schwerachse des der Einwirkungen
Überbaus von der Schwerach-
se desunten bzw. oben liegen- Grundlage für die Ermittlung der Einwir-
den Betonstahls kungen ist der [DIN-FB 101, 2009].
zcpu , zcpo Abstand der Schwerachse des
Überbaus von der Schwerach-
se desunten bzw. oben liegen- 8.5.7.2.1 Ständige Einwirkungen
den Spannstahls
Eigenlast Überbau g1
Die Eigenlast des Überbaus wird im FE-
8.5.7.1.3 Querschnittswerte der Überbau-Platte Programm ermittelt.
Die Wichte des Stahlbetons beträgt
Für die Ermittlung von Schnittgrößen am 25 kN/m3.
nach dem Erhärten des Betons vorge-
Ausbaulasten g2
spannten Querschnitt werden in Abhän-
Eigenlast des Fahrbahnbelags (Dicke 8 cm)
gigkeit vom Fertigungsgrad Netto- und
und Gradientenausgleich (0,5 kN/m2)
ideelle Querschnittswerte (Verbundquer-
schnittswerte) benötigt. Zum Zeitpunkt der gBel = 24 · 0,08 + 0,5 = 2,4 kN/m2
662 8 Berechnung

Tabelle 8.5-15   Brutto-Querschnittswerte des Überbaus


Querschnittswerte Brutto-Querschnittswerte
Stelle Felder 1/2 Stützen B/C
Betonfläche Ac a [m2] 8,60 8,60
Abstand SA oberer Rand zco [m] –0,368 –0,368
Abstand SA unterer Rand zcu [m] 0,432 0,432
z-Koord. Spannstahl oben zcpo [m]      – –0,239
z-Koord. Spannstahl unten zcpu [m] 0,301      –
Trägheitsmoment Iyc a [m4] 0,450 0,450
Widerstandsmoment Wco [m3] –1,222 –1,222
Widerstandsmoment Wcpo [m3]      – –1,882
Widerstandsmoment Wcpu [m3] 1,466      –
Widerstandsmoment Wcu [m3] 1,042 1,042
a Der Index b (entspr. Gln. 8.5-6 bzw. 8-5-12) wurde hier weggelassen.

Eigenlast der Kappe


gKap = 25 · 0,23 = 5,75 kN/m2
Lasten aus dem Kappenüberstand

A Kap = 0,205 m2
g– = 25 · 0,205 = 5,12 kN/m
Kap
–1 – 1 = 0,176 · 5,12 = 0,903 kNm/m
m Kap

Last aus dem Geländer Bild 8.5‑39   Kappengeometrie

gGel = 0,5 kN/m


Lasten infolge Stützensenkung ∆s
m1Gel
–1
= 0,15 · 0,5 = 0,075 kNm/m Die Brückenpfeiler sind auf Fels gegründet.
Zwangsschnittgrößen infolge Stützensen-
Linienlast und Moment aus dem Kappenü-
kung werden deshalb nicht erwartet.
berstand beziehen sich auf das Kragarm­
ende, Schitt1-1, (Bild 8.5-39).
Vorspannung P
Last aus den Leitplanken Der Überbau wird mit nachträglichem Ver-
bund vorgespannt. Um die Wirkung der
gLsp = 0,8 kN/m
Reibung zu vermindern, werden die Spann-
Die Ausbaulasten aus Fahrbahnbelag, Kap- glieder beidseitig angespannt.
pen, Geländer und Leitplanken wirken erst Die näherungsweise Ermittlung der er-
nach dem Aufbringen der Vorspannkraft forderlichen Vorspannkraft erfolgt im Ab-
und dem Verpressen der Hüllrohre. schnitt 8.5.7.3.3.
8.5 Betonbrücken 663

8.5.7.2.2 Veränderliche Einwirkungen Betonplatte wird mit 45° angenommen. Die


Lastverteilungsflächen und gleichmäßig
Verkehrslasten qUDL, qTS verteilten Flächenlasten ergeben sich ent-
Der Ermittlung der Beanspruchungen aus sprechend Bild 8.5-42.
Verkehrslast wird das Lastmodell 1 (Ab- Zur Vereinfachung der Lasteingabe in
schnitt 8.1.4.1) zugrunde gelegt. Beidseitig der FE-Rechnung wird das untersuchte
der Fahrbahn sind Gehwege vorgesehen. Brückenfeld mit einer Grundlast von
Die Fahrbahn ist entsprechend [DIN- 2,5 kN/m2 belastet. In der Fahrspur 1 ergibt
FB 101, 2009] als der Teil der gesamten sich für die gleichmäßige Restflächen-
Straßenfläche definiert, der zwischen den last UDL: q–1k = 9,0 – 2,5 = 6,5 kN/m2. Die
Schrammborden liegt, falls diese eine Min- Achslasten der Regelfahrzeuge wirken zu-
desthöhe von 7 cm über dem Straßenbelag sätzlich zu den UDL-Lasten.
aufweisen. Damit ergibt sich in diesem Bei- Brems- und Anfahrlasten brauchen bei
spiel eine Fahrbahnbreite von 7,50 m. Nachweisen am zwängungsfrei gelagerten
Bei zwei rechnerischen Fahrspurbreiten Überbau nicht berücksichtigt zu werden.
von 3,00 m beträgt die Breite der Restfläche
1,50 m. Temperatureinwirkungen ∆T
Das Lastmodell besteht aus zwei Teilen. Der Überbau ist so gelagert, dass sich für
Einem Doppelachsfahrzeug (Tandem-Sys­ den konstanten Temperaturanteil ∆TN kei-
tem, TS) mit einer charakteristischen Achs- ne bemessungsrelevanten Zwangsschnitt-
last von Qik = αQi · Qi und einer gleichmäßig größen ergeben.
verteilten charakteristischen Belastung Die charakteristischen Werte der linear
(Uniform Distributed Load, UDL) von veränderlichen Temperaturanteile ∆TM fol-
qik = αqi · qi  . gen unter Beachtung der möglichen Ab­
Der dynamische Erhöhungsfaktor ist minderung nach [DIN-FB 101, 2009]-V,
bereits in Qk und qk enthalten. Tabelle 6.2 durch den 8cm dicken Belag zu:
Auf den Kappen wird für die Gehwege
∆TM = 15,0 · 0,82 = 12,3 K
eine Verkehrslast von 2,5 kN/m2 angesetzt.
oben wärmer als unten
Bei der Schnittgrößenermittlung werden in
Querrichtung zwei Laststellungen unter- ∆TM = –8,0 · 1,00 = –8,0 K
sucht, siehe Bilder 8.5-40 und 8.5-41. unten wärmer als oben

Spur 1: αQ1 = 0,8 Q1 = 300 kN/Achse Q1k = 0,8 · 300 = 240 kN/Achse
αq1 = 1,0 q1 = 9,0 kN/m2 q1k = 1,0 · 9,0 = 9,0 kN/m2

Spur 2: αQ2 = 0,8 Q2 = 200 kN/Achse Q2k = 0,8 · 200 = 160 kN/Achse
αq2 = 1,0 q2 = 2,5 kN/m2 q2k = 1,0 · 2,5 = 2,5 kN/m2

Ersatzflächenlasten für Radlasten Windlasten w


Die Radlasten der Doppelachsfahrzeuge Windlasten werden bei den hier angestell-
wirken auf einer Aufstandsfläche von 40 cm ten Nachweisen des Überbaus nicht be-
× 40 cm. Der Lastverteilungswinkel durch rücksichtigt.
den Straßenaufbau bis zur Mittellinie der
664 8 Berechnung

Bild 8.5‑40   Laststellung 1, TS- und UDL-Las­ten werden in Querrichtung mittig angeordnet

Bild 8.5‑41   Laststellung 2, die Räder des Doppelachsfahrzeugs (TS) sowie die UDL-Last der Fahr-
spur 1 befinden sich am Schrammbord

Bild 8.5‑42   Ersatzflächenlasten benachbarter Räder in Querrichtung


8.5 Betonbrücken 665

8.5.7.3 Schnittgrößenermittlung fpd = 1522/1,15 = 1323 MN/m2


Ep = 195 · 103 MN/m2 .
8.5.7.3.1 FE-Modell

Der Überbau wurde mittels isoparame- 8.5.7.3.2 Schnittgrößen der Einzellastfälle


trischer, kombinierter Platten- und Schei-
benelemente nach der Theorie von Reiss- In den Bildern 8.5-44 bis 8.5-49 sind die
ner/Mindlin (schubnachgiebige Platte, Verläufe der Momente in der Platte infolge
Schubverzerrungen näherungsweise be- der Einzellastfälle an den maßgebenden
rücksichtigt) diskretisiert. Die Ansatz- Stellen als Ergebnis der FE-Rechnung an­
funktionen für die Durchbiegungen und gegeben. Mittels Simpson-Regel werden die
die Rotationen sind mit einem symme- resultierenden Momente über die Quer-
trischen quadratischen (d. h. nichtkon- schnittshälfte ermittelt. Der Index x weist
formen) Ansatz nach Wilson/Taylor und darauf hin, dass das Moment (um die
Bathe/Dvorkin bilinear erweitert [Hart- y-Achse) drehend Normalspannungen in
mann/Katz, 2002]. Das Element besitzt der x-Richtung hervorruft.
vier Gauß­punkte.
Der geometrische Verlauf der Spann-
glieder wird durch Splinefunktionen be- 8.5.7.3.3 Bestimmung der erforderlichen
schrieben. Die Vorspannung wird als Vor- Vorspannkraft
spannsteifigkeit in der Steifigkeitsmatrix
berücksichtigt. Der Bestimmung der erforderlichen Vor-
Die den FE-Materialmodellen zugrunde spannkraft wird der Nachweis der Dekom-
gelegten Materialkennwerte entsprechen pression zugrundegelegt. Dieser Nachweis
der [DIN 1045-1, 2008] und der [EN 10138, fordert, dass unter der maßgebenden Ein-
2000]: wirkungskombination zur Zeit t → ∞ keine
Betonzugspannungen (zul σc ≤ 0) an dem
Beton: C 35/45 (mit Zement der Festig-
Rand auftreten dürfen, der dem Spannglied
keitsklasse 42,5R)
am nächsten liegt (Tabelle 8.5-9).
fck = 35 MN/m2, Für die Anforderungsklasse C (in Brü-
fcd = 0,85 · 35/1,5 ≈ 19,8 MN/m2, ckenlängsrichtung) ist dieser Nachweis un-
ter der quasi-ständigen Einwirkungskombi-
fctm = 3,2 MN/m2,
nation (Tabellen 8.5-7 und 8.5-27) zu füh-
fctk;  0,05 = 2,2 MN/m2, ren. Die Kombinationsbeiwerte für die
fctk;  0,95 = 4,2 MN/m2 , quasi-ständigen Werte veränderlicher Ein-
wirkungen sind in der Tabelle 8.5-28 ange-
Ecm = 33,3 · 103 MN/m2  .
geben. Die Vorspannkraft ist mit den
Betonstahl: BST 500 S (hohe Duktilität) charakteris­tischen Werten Pk, sup/inf = rsup/inf ·
fyk = 500 MN/m2, Pm, t an­zusetzen. Bei Vorspannung mit
nachträg­lichem Verbund gilt: rsup = 1,10
fyd = 500/1,15 = 435 MN/m2, und rinf = 0,90, [DIN-FB 102, 2009], Ab-
Es = 200 · 103 MN/m2. schnitt 2.5.4.2 (4).
Die Bestimmung der maßgebenden
Spannstahl: St 1770
Schnittgrößen infolge Verkehrslasten er-
fpk = 1770 MN/m2 , folgt, indem die Last der Regelfahrzeuge
fp0, 1k = 1522 MN/m2, schrittweise in Brückenlängsrichtung über
das FE-Modell „gefahren“ wird. Die UDL-
666 8 Berechnung

Bild 8.5‑43   Elementierung des Überbaus in Längs- und Querrichtung

Bild 8.5‑44   Maßgebende Momente mx,g1 und resultierende Momente Mx, g1 in der Platte infolge
Eigenlasten g1
8.5 Betonbrücken 667

Bild 8.5‑45   Maßgebende Momente mx,g2 und resultierende Momente Mx, g2 in der Platte infolge
Ausbaulasten g2

Bild 8.5‑46   Maßgebende Momente mx,UDL und resultierende Momente Mx,UDL in der Platte infol-
ge UDL-Verkehrslasten qUDL

Bild 8.5‑47   Maßgebende Momente mx,TS und resultierende Momente Mx,TS in der Platte infolge
TS-Verkehrslasten qTS
668 8 Berechnung

Bild 8.5‑48   Maßgebende Momente mx,T+ und resultierende Momente Mx,T+ in der Platte infolge
linearen Temperaturunterschieds (Plattenoberseite 12,3 K wärmer, als Plattenunterseite)

Bild 8.5‑49   Maßgebende Momente mx,T– und resultierende Momente Mx,T– in der Platte infolge
linearen Temperaturunterschieds (Plattenunterseite 8,0 K wärmer, als Plattenoberseite)

Lasten werden entsprechend der zu be- Bild 8.5-41). Die Grenz­momentenlinien


rechnenden maßgebenden Schnittgröße infolge Verkehrslasten (UDL+TS) in Brü-
feldweise angeordnet. Die maßgebenden, ckenlängsrichtung sind im Bild 8.5-50
resultierenden Momente einer Überbau- dargestellt.
hälfte infolge Eigen- und Verkehrslasten Die Größe der erforderlichen Vorspann-
sind in der Tabelle 8.5-16 angegeben. Hier- kraft hängt vom gewählten Spanngliedver-
bei wird für die Momente infolge Verkehrs- lauf ab, siehe Abschnitt 8.5.2.3. In einer
lasten nur die Hälfte des Überbaus in ersten Nährung (Vorbemessung) lässt sich
Querrichtung betrachtet, auf dem die die erforderliche Vorspannkraft mit Hilfe
größten TS-Lasten wirken (Laststellung 2, der Gl. (8.5-82) bestimmen:
8.5 Betonbrücken 669

 
1 M F,G+∑ψ ⋅Q Wcu − zul σ cu MS,G+∑ψ ⋅Q Wco − zul σ co 
erf Pt→∞ ≈ 1,30 ⋅ ⋅  +  (8.5-82)
2  1 Ac + z cpF Wcu 1 Ac + z cpS Wco 
 
mit:
MF, G + ∑ ψ · Q Moment im Feld 1 infolge Unter Zugrundelegung der getroffenen
quasi-ständiger Einwir- Voraussetzungen lässt sich Gl. (8.5-82) in
kungskombination einfacherer Form anschreiben:
MS, G + ∑ ψ · Q Moment über der Stütze in-
folge quasi-ständiger Ein-
wirkungskombination

 2 2 
M F,G + ∑ ψ 2i ⋅ M F,Qi M B,G + ∑ ψ 2i ⋅ M B,Qi
1 i =1 i =1
erf Pt→∞ ≈ 1,30 ⋅ ⋅ +
2  Wcu Ac + z cpF Wco Ac + z cpB 

1  2,101 + 0,2 ⋅ 1,777 + 0,5 ⋅ 0,450 4,101 + 0,2 ⋅ 1,701 + 0,5 ⋅ 0,936 
= 1,30 ⋅ ⋅  + 
2  1,042 8,6 + 0,307 1,222 8,6 + 0,239 
= 12,44 MN
Tabelle 8.5-16   Maßgebende, resultierende Momente für eine Querschnittshälfte infolge Eigenlas-
ten, Verkehrslasten (UDL + TS) und Temperatur
Stelle resultierende Momente
Mx, g  1 [MNm] Mx, q [MNm] Mx, T [MNm]
Feld 1 (x = 5,6 m) 2,102 1,777 0,450/–0,293 2
Stütze B (x = 16,0 m) –4,100 –1,701 1,348/–0,936
Feld 2 (x = 26,0 m) 1,995 1,875 1,230/–0,800
1 Der Index x weist darauf hin, dass das Moment (um die y-Achse) drehend Normalspannungen
in x-Richtung hervorruft.
2 Plattenoberseite wärmer ∆T = 12,3 K bzw. Plattenunterseite wärmer ∆T = –8,0 K.

Bild 8.5‑50   Grenzmomente infolge Verkehrslasten (UDL + TS)


670 8 Berechnung

Für den weiteren Verlauf der Berechnungen und infolge Schlupfs von ca. 3% wird­
wird ein Spanngliedtyp gewählt. der Wert der Spannkraft für den gesam­ten
Überbau an der Anspannstelle mit­
gewählt: ges P (x = 0)t → ∞ = 2 · 12,44/(0,93 · 0,97) =
BBV L 9 (150 mm2/Litze, bbv-Litzenspann- 27,60 MN gewählt.
verfahren), Apl = 13,5 cm2/Spannglied, Die Koordinaten des gewählten Spann-
Kennwerte der Litze entsprechend der gliedverlaufs sind im Bild 8.5-51 angege-
Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung, ben. Um das Stützenmoment infolge stän-
Zulassungsbescheid [Z-13.1-77, 2004]: diger Lasten durch die Vorspannung gün-
Hüllrohr ∅Hi/∅Ha: 65/72 mm stig zu beeinflussen, wird das Spannglied an
der Anspannstelle exzentrisch zur Schwer-
ungewollter Umlenkwinkel: k = 0,30°/m
achse verlegt (siehe Abschnitt 8.5.2.3). In
Reibungsbeiwert: μ = 0,20 den Feldern erhält der Spanngliedverlauf
Schlupf am Spannanker: ∆ssl = 3 mm entsprechend dem Grenzmomentenverlauf
eine „bauchige“ Form.
Wegen der zu erwartenden Verluste infolge Im Rahmen der Vorbemessung wurde
Reibung von ca. 7% (siehe Tabelle 8.5-17) das aus dem Verlauf des vorgespannten
Spannglieds, unter Berücksichtigung der
Reibung, resultierende Zwangsmoment
mit Hilfe der Simpson‘schen Regel, Glei-
Tabelle 8.5-17   Ermittlung der Reibungsver- chung (8.5-41), bestimmt. Die statisch
luste in Achse 20 (Stütze B) Überzähligen ergeben sich aus den Glei-
x Θ k·x ϑ e–μ · ϑ chungen (8.5-83). Die Ermittlung des Ge-
[m] [rad] [rad] [rad] [–] samtmoments infolge Vorspannung er-
folgte entsprechend Gleichung (8.5-48).
16,0 0,280 0,084 0,364 0,93
−δ10 ⋅ δ 22 + δ 20 ⋅ δ12
�������������������������������������
planmäßiger Umlenkwinkel des Spann- X1 = 2
δ11 ⋅ δ 22 − δ12
glieds von der Anspannstelle bis zur be-
 (8.5-83)
trachteten Stelle
−δ 20 ⋅ δ11 + δ10 ⋅ δ12
ϑ = Θ + k · x, Summe der planmäßigen und X2 = 2
unplanmäßigen Umlenkwinkel δ11 ⋅ δ 22 − δ12


Bild 8.5‑51   x-, z-Koordinaten des Spanngliedverlaufs im Überbau


8.5 Betonbrücken 671

Tabelle 8.5-18   Momente infolge Vorspannkraft P (0)t → ∞ („Handrechnung“ ohne Schlupf) und
maximale Spannungen infolge quasi-ständiger EWK (FE-Rechnung)

Stelle Moment infolge Vor­ Betonspannungen [MN/m2], t → ∞


spannung
Mcp, t → ∞ [MN/m2] σco, g + p + 0,2 · q + 0,5 · T σcu, g + p + 0,2 · q + 0,5 · T

Feld 1 (x = 5,6 m) –7,232 –0,30 –4,93


Stütze B (x = 16,0 m) 9,158 –2,44 –0,59
Feld 2 (x = 26,0 m) –4,398 –2,88 –1,30

Die unter quasi-ständiger Einwirkungs- zul σ 0,max


kombination (keine Berücksichtigung des 
0,80 ⋅ f pk = 0,80 ⋅ 1770
Schlupfs) auftretenden Spannungen an den ≤ e − µ ⋅γ ⋅(κ −1) ⋅ 0,90 ⋅ f
 p0,1k = 0,90 ⋅ 1522
maßgebenden Stellen sind in der Tabelle
2
8.5-18 angegeben.
= e − µ ⋅γ ⋅(κ −1) ⋅ 1416 MN m
  2
1370 MN m (8.5-85)

8.5.7.3.4 Ermittlung des erforderlichen Es wird davon ausgegangen, dass der Spann-
Spannstahlquerschnitts stahl maximal drei Wochen unverpresst (un-
geschützt) im Hüllrohr verbleibt → κ = 1,5.
Die maximale Spannung im Spannstahl, Der Wert x zur Bestimmung des Gesamtum-
die unmittelbar nach dem Spannen auf den lenkwinkels γ (x) = Θ (x) + k · x entspricht
Beton aufgebracht werden darf (Tabelle bei beidseitiger Vorspannung der Strecke,
8.5-12) beträgt: über die die Vorspannkraft beim ersten
Anspannen infolge Reibung abnimmt.
0,75 ⋅ f pk = 0,75 ⋅ 1770
 In der Tabelle 8.5-19 ist die zulässige
 = 1327 MN m2 Spannstahlspannung angegeben.
zul σ pm,0 ≤  Die Überspannreserve (1 – e–μ · k · (κ – 1))
0,85 ⋅ f p0,1k = 0,85 ⋅ 1522
beträgt in diesem Beispiel ca. 6%.
 = 1294 MN m2
 Unter der Annahme von 10% Spann-
kraftverlust infolge Kriechens, Schwindens
Die Spannung σ0, max beim Vorspannen am
und Relaxation folgt für den Wert der an-
Spannanker während des Vorspannvor-
fänglichen Vorspannkraft:
gangs unter der aufgebrachten Höchst­
kraft (Pressenkraft) darf einschließlich des erf Pt→0 (0) = 27,60/0,9 = 30,7 MN
Überspannens den kleineren der beiden und für den erforderlichen Spannstahl-
Werte: σ0, max ≤ (0,80 · fpk; 0,90 · fp0,1k) nicht querschnitt am Gesamtüberbau:
überschreiten.
Damit auch im Fall eines notwendigen, Pm ,0 30,7 ⋅ 104
erf Ap = = = 239,5 cm2
unplanmäßigen Überspannens der Spann- zul σ pm ,0 1282
glieder bei erhöhten Reibungsverlusten die  (8.5-86)
gewünschte Vorspannung über die Bau-
erf Ap 239,5
teillänge erreicht werden kann, ist darüber erf n = = = 17,7  (8.5-87)
hinaus die Spannstahlspannung abzumin- Ap1 13,5
dern (Tabelle 8.5-12):
672 8 Berechnung

Tabelle 8.5-19   Zulässige Spannstahlspannung


x [m] Θ [rad] k · x [rad] γ [rad] e–μ · γ · (κ – 1) [–] zul σ0, max [MN/m2]
26,0 0,528 0,134 0,662 0,936 1282

Bild 8.5‑52   Ansicht Spannanker

gewählt: 8.5.7.3.5 Verlauf der Vorspannkraft


18 Litzenspannglieder, BBV L 9 (150 mm2/
Litze, bbv-Litzenspannverfahren), Die Vorspannung erfolgt über beidseitig an
den Enden des Überbaus angeordnete
Ap1 = 13,5 cm2/Spannglied,
Spannanker. Der rechnerische Verlauf der
vorh Ap = 18 · 13,5 = 243,0 cm2
Spannkräfte nach Eintreten des Schlupfs ist
Anspannkraft pro Spannglied: im Bild 8.5-53 dargestellt.
30,7/18 = 1,706 MN

Die Anordnung der Spannglieder im Brü- 8.5.7.3.6 Momente infolge Vorspannung


cken-Querschnitt ist im Bild 8.5-52 ange-
geben. Im Bild 8.5-54 dargestellt.

Bild 8.5‑53   Spannkraftverlauf nach dem Umsetzen der Pressenkraft zur Zeit t = 0, unter Berück-
sichtigung des Schlupfs von ∆s = 3 mm (FE-Rechnung)
8.5 Betonbrücken 673

Bild 8.5‑54   Momente mx, p in der Platte infolge Vorspannung (FE-Rechnung) und resultierende
Momente Mx, p (Ermittlung mittels Simpson-Regel)

8.5.7.3.7 Spannkraftverlust infolge Kriechens,


Schwindens und Relaxation
Für die Ermittlung der Betonspan-
Für die Ermittlung der Spannkraftverluste nungen unter der quasi-ständigen Einwir-
sind die Betonspannungen in Höhe der kungskombination zur Bestimmung der
Spanngliedachse unter der quasi-ständigen Kriechverluste ist es ausreichend, Brutto-
Einwirkungskombination maßgebend. Querschnittswerte anzusetzen.

σ cp = σ cp,g + 0,2 ⋅ σ cp,q + 0,5 ⋅ σ cp,T + σ cp,p


≈ ( M cp,g1 + M cp,g 2 + 0,2 ⋅ M cp,q + 0,5 ⋅ M cp,T ) Wcp + ( M cp,p Wcp +N c,p Ac )
= 2 ⋅ (1,653 + 0,448 − 0,2 ⋅ (0,169 + 0,209) − 0,5 ⋅ 0,293) 1,466
− 2 ⋅ (3,355 1,466 + 14,382 8,60) = −5,36 MN m2  (8.5-88)

Tabelle 8.5-20   Betonspannungen einzelner Lastfälle sowie unter quasi-ständiger Einwirkungs-


kombination in Höhe der Spanngliedachse, zur Zeit t = 0
Stelle x Wcp σcp,g1 σcp,g2 σcp,p σcp,q σcp,T σcp
[m] [m] [MNm] [MNm] [MN] [MNm] [MNm] [MN/m2]
5,6 1,466 2,26 0,61 –7,92 –0,52 –0,40 –5,36
16,0 –1,882 3,41 0,95 –8,24 –0,27 –1,53 –4,70
26,0 1,466 2,15 0,57 –6,07 –0,60 –1,09 –4,01
674 8 Berechnung

Die Betonspannungen zur Zeit t = 0 in εcs, ∞ = εcas  ∞ + εcds  ∞ Endschwindmaß


Höhe der Spanngliedachse sind in der Ta- = –0,07‰ – 0,30‰ (Bilder 8.5-31
belle 8.5-20 angegeben. �–0,00037 und 8.5-32)
Die Verluste an Vorspannkraft infolge
Kriechens, Schwindens und Relaxation zur Ap = 243,0 cm2,
Zeit t → ∞ werden mit Gleichung (8.5-67), αp = Ep/Ec = 195/33,3 = 5,86
siehe Abschnitt 8.5.4.2, berechnet.

α p ⋅ ϕ (∞, t 0 ) ⋅ (σ c,g + σ c,pm0 ) + ε c, s (∞, t 0 ) ⋅ Ep + ∆σ p,r


∆σ p,c+s+r (∞, t 0 ) ≈  (8.5-89)
Ap  Ac 2 
1 + αp ⋅ ⋅ 1 + ⋅ z cp  ⋅ 1 + χ ⋅ ϕ (∞, t 0 )
Ac  Ic 

Das Aufbringen der Vorspannkraft und Die Ermittlung der Spannungsänderung


das gleichzeitige Absenken der Traggerüste im Spannstahl ∆σp, r infolge Relaxation er-
erfolgt nach t0 = 10 Tagen. Zu dieser Zeit folgt auf Grundlage der Gleichung σpm0 ≈
muss der Mittelwert der Zylinderdruck­ σp, g + pm0 – 0,3 · | ∆σp, c + s + r | und des Bildes
festigkeit des Überbau-Betons mindestens 8.5-28 iterativ.
34 N/mm2 betragen [DIN-FB 102, 2009], Während des Anspannens wird bei
Abschnitt 4.2.3.5.2, Tabelle 4.102. Für den gleichzeitigem Absenken des Lehrgerüsts
Beton des Überbaus wird ein Zement der sichergestellt, dass der Eigenlastanteil der
Festigkeitsklasse 42,5 R verwendet. Der Platte wirksam wird. Die vorhandene Span-
Wert der re­lativen Luftfeuchte beträgt nung im Spannglied berechnet sich zu:
RH = 80%.
σp, g + pm0 = Pt  =  0/Ap
Weiterhin ist gegeben:
Für die Bemessungsstelle im Feld 1, ­x = 5,6 m,
Ac = 8,6 m2 wird die Ermittlung der Spannungsverluste
uc = 2 · (12,5 + 8,0) = 26,6 m im Spannstahl infolge Kriechens, Schwin-
dens und Relaxation beispielhaft angegeben.
h0 = 2 · Ac/uc = 2 · 8,6/26,6 Für die vorhandene Spannung im Spann-
= 0,647 m � 64,7 cm glied (Feld 1) ergibt sich:

φ (∞, t0) = 1,7   Endkriechzahl σp, g + pm0 = 2 · 14,38/243 · 104 = 1184 MN/m2
(Bild 8.5-30)

Tabelle 8.5-21   Spannungsverluste im Spannstahl infolge Kriechens, Schwindens und Relaxation


Stelle σp, g + pm0 ∆σp, r ∆σp, c + s + r σp, g + pm, ∞ Spannkraft­
[MN/m2] [MN/m2] [MN/m2] [MN/m2] verlust [%]
Feld 1 (x = 5,6 m) 1184 –19 –131 1053 11,0
Stütze B (x = 16,0 m) 1162 –17 –126 1036 10,8
Feld 2 (x = 26,0 m) 1101 –12 –112 989 10,1
8.5 Betonbrücken 675

Der Wert für die Spannungsverluste wird gebenen Gleichungen (8.5.20-29). Bei der
mit ∆σp, c + s + r = –131 MN/m2 abgeschätzt. Bestimmung der Netto-Querschnittswerte
Stimmt der letztendlich mit Gleichung wird mit dem Außendurchmesser der Hüll-
(8.5-89) berechnete Wert für ∆σp, c + s + r nicht rohre gerechnet. Außerdem ist zu berück-
mit dem geschätzten Wert überein, muss sichtigen, dass sich die Spannglieder im
der Wert für ∆σp, c + s + r iterativ angepasst Krümmungsbereich an die Hüllrohrwan-
werden. dung anschmiegen. Beispielhaft sind die
Netto- und ideellen Querschnittswerte der
σp0 ≈ 1184 – 0,3 · 131 = 1145 MN/m2
untersuchten Schnitte in der Tabelle 8.5-22
Mit Hilfe des Bildes 8.5-28 erhält man für angegeben.
σp0/fpk = 1145/1770 = 0,65 den Wert ∆σpr/ In der Tabelle 8.5-24 sind die charakteris­
σp0 ≈ 0,017 und damit den Relaxationsver- tischen Werte der vertikalen Auflagerreak-
lust zu ∆σpr = –19 MN/m2. tionen zusammengestellt.

5,86 ⋅ 1,7 ⋅ (2,48 − 7,77) − 0,00037 ⋅ 195000 − 19


∆σ p,c+s +r (∞, t 0) ≈ N m2
= −131 MN
243 ⋅ 10−4  8,6 
1 + 5,86 ⋅ ⋅ 1 + ⋅ 0,3072  ⋅ 1 + 0,8 ⋅ 1,7
8,6  0,45 

Die berechneten maximalen Verluste an 8.5.7.5 Nachweise für Biegung mit Längs-
Vorspannkraft infolge K + S + R (Tabelle kraft im Grenzzustand der Tragfähigkeit
8.5-21) liegen in der Größenordnung des
angenommenen Werts (10%), der der Er- 8.5.7.5.1 Ermittlung der maßgebenden
mittlung der erforderlichen Spannkraft und Bemessungsmomente
des erforderlichen Spannstahlquerschnitts
zugrunde gelegt wurde. Deshalb braucht Der Nachweis im Grenzzustand der Trag-
die Schnittgrößenermittlung nicht korri- fähigkeit auf Biegung erfolgt für die stän­
giert zu werden. dige und vorübergehende Bemessungs­
situation.
∑ γ Gj ⋅ Gkj " + " γ p ⋅ Pk 
8.5.7.4 Querschnittswerte der Überbauplatte j =2

" + " γ Q1 ⋅ Qk1 " + " i∑ γ Qi ⋅ψ 0,i ⋅ Qki


unter Berücksichtigung der Hüllrohre (8.5-90)
und der Spannglieder im Verbund =1
Die maßgebenden Bemessungswerte der
Die Berechnung der Querschnittswerte Momente infolge äußerer Einwirkungen
erfolgt nach den in Abschnitt 8.5.2.1 ange- ergeben sich wie folgt:

Im Feld 1:
MEd = γg1 · Mc, gk1 = 1,35 · 1,653 = 2,232 MNm
+ γg2 · Mc, gk2 = 1,35 · 0,448 = 0,605 MNm
+ γq1 · Mc, qk1 = 1,50 · (0,593 + 1,184) = 2,666 MNm
+ γ∆TM · ψ0 · Mc,∆Tk = 1,50 · 0,80 · 0,450 = 0,540 MNm
992
MEd = 6,042 MNm
676 8 Berechnung

Über der Stütze:


MEd = γg1 · Mc, gk1 = 1,35 · (–3,211) = –4,335 MNm
+ γg2 · Mc, gk2 = 1,35 · (–0,890) = –1,202 MNm
+ γq1 · Mc, qk1 = 1,50 · (–0,968 – 0,733) = –2,552 MNm
+ γ∆TM · ψ0 · Mc,∆Tk = 1,50 · 0,80 · 0,450 = –1,123 MNm
994
MEd = –9,211 MNm

Tabelle 8.5-22   Netto- und ideelle Querschnittswerte des Überbaus


Querschnittswerte Netto-Querschnittswerte ideelle Querschnittswerte
Stelle Felder 1/2 Stützen B/C Felder 1/2 Stütze B/C
Betonfläche Ac [m2] 8,53 8,53 8,72 8,72
Abstand SA oberer –0,365 –0,370 –0,372 –0,365
Rand zco [m]
Abstand SA unterer 0,435 0,430 0,428 0,435
Rand zcu [m]
z-Koord. Spannstahl      – –0,253      – –0,236
oben zcpo [m]
z-Koord. Spannstahl 0,322      – 0,303      –
unten zcpu [m]
Trägheitsmoment Iyc [m4] 0,442 0,445 0,461 0,457
Widerstands- –1,211 –1,202 –1,238 –1,251
moment Wco [m3]
Widerstands-      – –1,758      – –1,936
moment Wcpo [m3]
Widerstands- 1,375      – 1,522      –
moment Wcpu [m3]
Widerstands- 1,018 1,036 1,078 1,049
moment Wcu [m3]
8.5 Betonbrücken 677

Tabelle 8.5-23   Schnittgrößen der Einzellastfälle für eine Querschnittshälfte an den Stellen der
untersuchten Schnitte als charakteristische Werte
Stelle Felder 1/2 Stützen B/C Feld 2
Einwirkung x = 5,60 m x = 16,00 m x = 26,00 m
Eigenlast Konstruktion Mc, g1k [MNm] 1,653 a –3,211 1,580
Ausbaulasten Mc, g2k [MNm] 0,448 –0,890 0,415
Vorspannkraft t=0 [MN] –14,382 –14,121 –13,374
Nc, pk
t→∞ –12,814 –12,610 –12,023
Moment aus t=0 [MNm] –3,355 4,667 –2,170
Vorspannung Mc, pk
t→∞ –2,989 4,168 –1,951
UDL min [MNm] –0,169 –0,968 –0,246
Mc, qk, UDL
max 0,593 –0,101 0,652
TS min [MNm] –0,209 –0,733 –0,193
Mc, qk, TS
max 1,184 0,151 1,223
Temperatur ∆TM,  neg, –8,0 [MNm] –0,293 –0,936 –0,800
∆TM, pos, +12,3 0,450 1,439 1,230
a positive Momente erzeugen Zug auf der Plattenunterseite in x-Richtung.

Tabelle 8.5-24   Vertikale Auflagerreaktionen unter den charakteristischen Werten der Einwir-
kungen

Stelle Achse Achse Achse Achse


Einwirkung 10 20 30 40
Eigenlast Konstruktion g1 [MN] –0,683 a –2,157 –2,157 –0,683
Ausbaulasten g2 [MN] –0,176 –0,601 –0,601 –0,176
Vorspannkraft Pm t=0 [MN] –0,105 0,105 0,105 –0,105
t→∞ –0,095 0,095 0,095 –0,095
UDL qUDL min MB, C [MN]      – –0,683 –0,683      –
max M1, 3 –0,234      –      – –0,234

TS qTS min MB, C [MN]      – –0,426 –0,426      –

max M1, 3 –0,309      –      – –0,309

Temperatur ∆TM, neg, –8,0 [MN] 0,056 –0,056 –0,056 0,056

∆TM, pos, +12,3 –0,086 0,086 0,086 –0,086


a positiv in Richtung der z-Achse.
678 8 Berechnung

Das Stützenmoment wird um den Betrag ∆MEd reduziert [DIN-FB 102, 2009], Ab-
schnitt 2.5.3.3:
∆M Ed = FEd ,sup ⋅ bsup 8  (8.5-91)
dabei sind:
FEd, sup Bemessungswert der zugehörigen Auflagerreaktion
bsup Auflagerbreite
Die Auflagerbreite bsup darf unter einem Lastausbreitungswinkel von 45° in Höhe der
Schwerachse der Überbauplatte berechnet werden. Bei einer Lagerbreite von 0,40 m ergibt
sich bsup = 0,40 + 0,80 = 1,20 m.
Die Auflagerkraft FEd,sup ergibt sich zu:

FEd, sup = γg1 · Fc, gk1 = 1,35 · 2,157 = 2,912 MN


+ γg2 · Fc, gk2 = 1,35 · 0,601 = 0,811 MN
+ γq1 · Fc, qk1 = 1,50 · 1,110 = 1,665 MN
+ γ∆TM · ψ0 · Fc,∆Tk = 1,50 · 0,80 · 0,056 = 0,067 MN
992
FEd, sup= 5,455 MN

∆MEd = 5,445 · 1,20/8 = 0,818   (ausgerundetes Stützenmoment)


MEd = –9,211 + 0,818 = –8,393 MNm

Im Feld 2:
MEd = γg1 · Mc, gk1 = 1,35 · 1,580 = 2,133 MNm
+ γg2 · Mc, gk2 = 1,35 · 0,415 = 0,560 MNm
+ γq1 · Mc, qk1 = 1,50 · (0,652 + 1,223) = 2,813 MNm
+ γ∆TM · ψ0 · Mc,∆Tk = 1,50 · 0,80 · 1,230 = 1,476 MNm
992
MEd = 6,982 MNm

8.5.7.5.2 Ermittlung der Dehnung des ∆εp1 = εs1 = 14,0‰


Spannstahls im Grenzzustand der Tragfähigkeit
ζ = 0,92
im Feld 1, an der Stelle x = 5,6 m
(Platten­unterseite): Für die Spannstahldehnung ergibt sich bei
Fließbeginn im Grenzzustand der Tragfä-
M Ed ,p 6,042 higkeit:
µEd ,p = = = 0,149
b ⋅ d2p ⋅ f cd 4,5 ⋅ 0,6752 ⋅ 19,8 εpd = fpd/Ep = 1323/195 · 10–3

 (8.5-92) = 6,78 · 10–3�6,78‰ . (8.5-93)
Aus dem Allgemeinen Bemessungsdia- Die ermittelte Stahldehnung ∆εp1 infolge
gramm kann die Dehnung des Spannstahls äußerer Beanspruchung überschreitet die
im Grenzzustand der Tragfähigkeit abgele- Fließdehnung εpd . Der Spannstahl fließt im
sen werden. Grenzzustand der Tragfähigkeit schon un-
8.5 Betonbrücken 679

ter alleiniger Wirkung der äußeren Bemes- Auch über der Stütze und im Feld 2 wird
sungslast. Die Vordehnung braucht deshalb die Zugkraft infolge des Moments im
nicht ermittelt zu werden. Grenzzustand der Tragfähigkeit durch den
M Ed ,p vorhandenen Spannstahlquerschnitt aufge-
1 nommen.
erf Ap1 = ⋅  (8.5-94)
σ p1d z In dem Fall, dass der Spannstahlquer-
schnitt nicht ausreicht, ist zusätzlich Be-
1 6,042 tonstahl einzulegen. Sowohl der Spann-
= ⋅ ⋅ 104 = 73,5 cm2
1323 0,92 ⋅ 0,675 stahl als auch der Betonstahl beteiligen
< 121,5 cm2 = 243 2 = vorh Ap1 sich dann am Lastabtrag. Die Ermittlung
des erforderlichen Betonstahlquerschnitts
Im Feld 1 ist an der Stelle der größten Bie- ist z. B. in [Mehlhorn et al., 2002] angege-
gebeanspruchung rechnerisch kein Beton- ben.
stahl erforderlich. Der Spannstahlquer-
schnitt besitzt genügend Reserven um die
Bemessungslasten aufnehmen zu können. 8.5.7.6 Mindestbewehrung
über der Stütze (Plattenoberseite): Um die Dauerhaftigkeit und das äußere
8,393 Erscheinungsbild des Betonüberbaus zu
µEd ,p = = 0,209 gewährleisten, ist eine Mindestbewehrung
4,5 ⋅ 0,6712 ⋅ 19,8
anzuordnen. Mit ihr wird verhindert, dass
∆εp1 = 8,5‰ > 6,78‰ = εpd sich infolge rechnerisch nicht berücksichti-
gten Zwangs, Eigenspannungen oder bei
(Spannstahl fließt im GZT)
Abweichungen der Vorspannung vom an-
ζ = 0,88 genommenen Wert breite Einzelrisse bilden
[DIN-FB 102, 2009], Abschnitt 4.4.2.2.
1 8,393
erf Ap1 = ⋅ ⋅ 104 = 107,4 cm2
1323 0,88 ⋅ 0,671
< 121,5 cm2 = vorh Ap1 8.5.7.6.1 konstruktive Mindestbewehrung



maximaler Stababstand smax = 200 mm
� as = 3,93 cm2/m (8.5-95)
Bewehrungsdurchmesser ds ≥ 10 mm

im Feld 2, an der Stelle x = 26,0 m (Platten­ 8.5.7.6.2 Mindestbewehrung zur Vermeidung


unterseite): des Versagens ohne Vorankündigung
6,982
µEd ,p = = 0,172 Bei Entstehen eines Risses muss im Quer-
4,5 ⋅ 0,6752 ⋅ 19,8 schnitt mindestens so viel Betonstahl vor-
handen sein (Robustheitsbewehrung), dass
∆εp1 = 11,4‰ > 6,78‰ = εpd dieser die zuvor im Beton vorhandene Zug-
(Spannstahl fließt im GZT) kraft aufnehmen kann [DIN-FB 102, 2009],
ζ = 0,90 Abschnitt 4.3.1.3. Damit soll ein sprödes
Versagen ohne Vorankündigung bei der
1 6,982 Erstrissbildung vermieden werden. Das
erf Ap1 = ⋅ ⋅ 104
1323 0,90 ⋅ 0,675 Rissmoment wird unter der Annnahme,
= 86,9 cm2 < 121,5 cm2 = vorh Ap1 dass die Vorspannung im betrachteten
680 8 Berechnung

Tabelle 8.5-25   Mindestbewehrung zur Vermeidung des Versagens ohne Vorankündigung


Stelle Wc Mr,eq ds as gewählt
[m3] [kNm] [m] [cm2/m]
Feld 1 (x = 5,6 m) 1,042 2292 0,72 7,9 ∅ 14/15
Stütze B (x = 16,0 m) 1,222 2688 0,73 9,1 ∅ 14/15
Feld 2 (x = 26,0 m) 1,042 2292 0,72 7,9 ∅ 14/15

Querschnitt vollständig ausgefallen ist, < 1,0 N/mm2 auftreten, ist eine Mindestbe-
durch Betonstahl unter Ausnutzung des wehrung nach Gleichung 8.5-81 einzulegen.
charakteristischen Werts der Streckgrenze Hierbei darf der Spannstahl, der in einem
des Betonstahls (Sicherheit von 1,0) abge- Bereich von höchstens 300 mm um die Be-
deckt. wehrung aus Betonstahl angeordnet ist, be-
Mr ,ep rücksichtigt werden. Auf der sicheren Seite
as = mit zs ≈ 0,9 · d , liegend werden in diesem Berechnungsbei-
f ⋅ z ⋅b
yk s spiel die Spannstahlflächen nicht angesetzt.
Ermittlung der Mindestbewehrung zur
Mr, ep = Wc · fctk; 0,05  (8.5-96) Rissbreitenbegrenzung:

1,042 ⋅ 2,2 ⋅ 104 – im Feld 1 an der Stelle x = 5,60 m:


as = = 7,9cm2 m
500 ⋅ 0,9 ⋅ 0,72 ⋅ 9,0 Pk, inf, t → ∞ = 0,9 · (–12,814) = –11,533 MN

Entsprechend [DIN-FB 102, 2009], Ab- Ac = 8,6/2 = 4,3 m2


schnitt 4.3.1.3 (107) und (108), ist die Min- σc = –11,533/4,3 = –2,68 N/mm2
destbewehrung gleichmäßig über die Breite
h' = h = 0,80 m
sowie anteilmäßig über die Höhe der Zug-
zone zu verteilen. Die im Feld erforderliche k1 = 1,5
untere Mindestbewehrung muss zur Ver- fct, eff = fctm = 3,2 N/mm2
besserung der Duktilität unabhängig von
den Regelungen zur Zugkraftdeckung zwi-  2,68 
kc = 0,4 ⋅ 1 −  = 0,18
schen den Auflagern durchlaufen.  1,5 ⋅ 3,2 
In Stützenbereichen sollte die obere Min­
destbewehrung nach Gleichung (8.5-96) in k = 0,5
den Bereichen angeordnet werden, in de-
nen unter der nicht-häufigen Einwirkungs-
kombination Zugspannungen im Beton
auftreten. Für diesen Nachweis sollte die
statisch bestimmte Wirkung der Vorspan-
nung nicht, die statisch unbestimmte Wir-
kung jedoch berücksichtigt werden.

8.5.7.6.3 Mindestbewehrung zur Rissbreiten-


begrenzung

In Bereichen, in welchen unter der seltenen


Einwirkungskombination Betonzugspan- Bild 8.5‑55   Spannungsverteilung im Beton-
nungen oder Betondruckspannungen |σc| Querschnitt unmittelbar vor der Erstrissbildung
8.5 Betonbrücken 681

z2 Der Durchmesser der Bewehrung wird mit


σ c2 = ⋅ (σ c −σ c1) + σ c ds = 14 mm gewählt.
z1
Somit ergibt sich der Grenzdurchmesser
σ c1 zu:
ht = z1 ⋅
σ c1 − σ c f ct ,0 3,0
ds* = ds ⋅ = 14 ⋅ = 131
, mm
3,2 f ct ,eff 3,2
= 0,432 ⋅ = 0,235 m
3,2 + 2,68
und die zulässige Betonstahlspannung
Act = 1,0 · 0,235 = 0,235 m2/m aus Tabelle 8.5-14 für den Rechenwert der
Rissbreite wk = 0,2 mm zu:
Die zulässige Spannung σsII im Betonstahl
zur Sicherstellung der zulässigen Rissbreite σs = 239 N/mm2 .
ist abhängig vom Durchmesser der Be­
Der Querschnitt der Mindestbewehrung
wehrung. Die Werte in der Tabelle 8.5-14
zur Rissbreitenbegrenzung folgt aus Glei-
sind auf die Betonzugfestigkeit von fct, 0 =
chung 8.5-81:
3,0 N/mm2 bezogen. Der zulässige Durch-
messer muss deshalb nach Gleichung 0,235
as = 0,18 ⋅ 0,5 ⋅ 3,2 ⋅
(8.5-97) ([DIN-FB 102, 2009], Abschnitt 239
4.4.2.2 (6)*) angepasst werden:
= 2,8 ⋅ 10−4 � 3,0 cm2 m
kc ⋅ k ⋅ ht f ct ,eff f ct ,eff
ds = ds*⋅ ⋅ ≥ ds* ⋅ Die Querschnitte der Mindestbewehrung
4 ⋅ (h − d ) f ct ,0 f ct ,0 über den Stützen (Achsen 20/30) und im
 (8.5-97) Feld 2 sind in der Tabelle 8.5-26 zusam-
mit: mengestellt.
ds* Grenzdurchmesser der Bewehrung
nach Tabelle 8.5-14
8.5.7.7 Grenzzustände der Gebrauchs­
h Bauteilhöhe
tauglichkeit
d statische Nutzhöhe
ht Höhe der Betonzugzone unmittelbar
8.5.7.7.1 Bemessungswerte der Einwirkungen
vor der Erstrissbildung
im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit
0,18 ⋅ 0,5 ⋅ 0,235 f ct ,eff f ct ,eff (Längsrichtung)
ds = ds* ⋅ ⋅ ≥ ds* ⋅
4 ⋅ (0,80 − 0,72) f ct ,0 f ct ,0
Die Nachweise im Grenzzustand der
f ct ,eff f ct ,eff Gebrauchstauglichkeit gewährleisten, dass
ds = 0,07 ⋅ ≥ ds* ⋅ die festgelegten Anforderungen an die Nut-
f ct ,0 f ct ,0 zungsbedingungen eines Bauwerks rechne-
risch erfüllt sind.

Tabelle 8.5-26   Mindestbewehrung zur Rissbreitenbegrenzung


Stelle Pk,  inf,t  → ∞ σc2 σc kc hf as
[MN] [MN/m2] [MN/m2] [m] [cm2/m]
Feld 1 (x = 5,6 m) –11,533 –7,69 –2,68 0,18 0,235 2,8
Stütze B (x = 16,0 m) –11,349 –9,49 –2,64 0,18 0,202 2,4
Feld 2 (x = 26,0 m) –10,821 –8,07 –2,52 0,19 0,242 3,1
682 8 Berechnung

Tabelle 8.5-27   Einwirkungskombinationen für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit


nach [DIN-FB 101, 2009]-II, Abschnitt 9.5.2 (2)

Einwirkungskombination Bildungsvorschrift
charakteristische (seltene) ∑ Gkj " + " Pk " + " Qk1 " + " ∑ ψ 0,i ⋅ Qki
j ≥1 i >1

nicht-häufige ∑ Gkj " + " Pk " + "ψ 1′,1 ⋅ Qk1 " + " ∑ ψ 1, i ⋅ Qki
j ≥1 i >1

häufige ∑ Gkj " + " Pk " + "ψ 1,1 ⋅ Qk1 " + " ∑ ψ 2,i ⋅ Qki
j ≥1 i >1

quasi-ständige ∑ Gkj " + " Pk " + " ∑ ψ 2,i ⋅ Qki


j ≥1 i ≥1

∑ Gkj " + " Pkbedeutet


Anmerkung: " + " ∑in
ψ 2Kombination
,i ⋅ Qki mit.
j ≥1 i ≥1

Tabelle 8.5-28  ψ-Faktoren für Straßenbrücken Beispielhaft wird die Momentenbean-


nach [DIN-FB 101, 2009]-IV, Tabelle C.2 spruchung für die seltene Einwirkungskom-
Einwirkung Verkehrslast Tempera­ bination im Feld 1 (x = 5,60 m) ermittelt.
tur Die Schnittgrößen infolge Vorspannung
sind nicht mit angegeben, da für die ver-
Bezeich- TS UDL Tk schiedenen Nachweise entweder deren cha-
nung rakteristischen Werte Pk, sup/inf = rsup/inf ∙ Pm, t
ψ0 0,75 0,40 0,80 a (entsprechend [DIN-FB 102, 2009], Ab-
schnitt 2.5.4.2) oder der Mittelwert Pm, t zu
ψ1 0,75 0,40 0,60 berücksichtigen sind.
ψ2 0,20 0,20 0,50 Sämtliche Spannungsnachweise für den
Querschnitt über der Innenstütze werden
ψ1′ 0,80 0,80 0,80 mit dem ausgerundeten Stützenmoment
a im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (siehe Tabelle 8.5-29) durchgeführt. Von
nachweisrelevant. den Autoren wird empfohlen, für die Ein-
wirkungskombination g1 + p das Stützen-
moment aus der Einwirkung g1 stets auszu-
Die in der Tabelle 8.5-27 angegebenen runden, weil aus dieser Einwirkungskom-
Einwirkungskombinationen werden für bination bei zu großem Moment Mg1 (ohne
die Grenzzustände der Gebrauchstaug- Ausrundung) an der Konstruktionsunter-
lichkeit unterschieden. Die benötigten seite scheinbar zu hohe Druckspannungen
ψ-Faktoren sind in der Tabelle 8.5-28 an- infolge g1 + p auftreten würden, die in Rea-
gegeben. lität gar nicht wirken. Zumindest sollte dies
stets überprüft werden.

ME, selten = Mc, gk1 = 1,653 MNm


+ Mc, gk2 = 0,448 MNm
+ Mc, qk1 = 0,593 + 1,184 = 1,777 MNm
+ ψ0 ∙ Mc, ∆Tk = 0,80 ∙ 0,450 = 0,360 MNm
992
ME, selten = 4,238 MNm
8.5 Betonbrücken 683

Tabelle 8.5-29   Momente an den Nachweisstellen infolge der Einwirkungskombination


Stelle Einwirkungskombination
seltene nicht-häufige häufige quasi-ständige
ME [MNm] ME [MNm] ME [MNm] ME [MNm]
Feld 1 (x = 5,6 m) 4,238 3,793 3,245 2,682
Stütze B (x = 16,0 m) –6,551/–5,964   a –6,023/–5,471 –5,588/–5,067 –4,909/–4,458
Feld 2 (x = 26,0 m) 4,854 4,233 3,588 2,985
a nicht ausgerundetes Moment/ausgerundetes Moment.

8.5.7.7.2 Nachweise in den Grenzzuständen der spannungen unter der seltenen Einwir-
Gebrauchstauglichkeit in Brückenlängsrichtung kungskombination den Wert fctm über-
schreiten. Für den verwendeten Beton gilt:
8.5.7.7.2.1 Begrenzung der Spannungen fctm = 3,2 N/mm2. Befindet sich der Quer-
schnitt im Zustand I, werden die Spannun-
Nachweise am gerissenen oder gen infolge Eigenlast g1 und Vorspannkraft
ungerissenen Querschnitt Pm, t  =  0 mittels der Netto-Querschnitte (sie-
Die Spannungen werden je nach Beanspru- he Tabelle 8.5-22) berechnet. Die Berech-
chung am gerissenen (Zustand II) oder un- nung der Spannungen infolge der Einwir-
gerissenen (Zustand I) Querschnitt ermit- kungen, die nach Herstellung des Verbunds
telt [DIN-FB 102, 2009], Abschnitt 4.4.1.1. zwischen Spannstahl und Beton aufgebracht
Im Allgemeinen sollte der gerissene Zu- werden, erfolgt mit ideellen Querschnitts-
stand angenommen werden, wenn die im werten. Wie im Bild 8.5-56 zu erkennen ist,
ungerissenen Zustand berechneten Zug- geht der Querschnitt in der Mitte des Felds 2

Bild 8.5‑56   Maximale Querschnitts-Randspannungen σc [N/mm2] infolge seltener Einwirkungs-


kombination und charakteristischer Vorspannkräfte Pkt → ∞
684 8 Berechnung

Bild 8.5‑57   Minimale Querschnitts-Randspannungen σc [N/mm2] infolge nicht-häufiger sowie


quasi-ständiger Einwirkungskombination und der mittleren Vorspannkraft Pm,  t  =  0 unmittelbar
nach dem Umsetzen der Vorspannkraft auf das Bauteil

Bild 8.5‑58  Minimale Querschnitts-Randspannungen σc [N/mm2] infolge nicht-häufiger sowie


quasi-ständiger Einwirkungskombination und der mittleren Vorspannkaft Pm, t → ∞ nach Eintreten
der Spannkraftverluste

(von x = 24,8 bis 26,0 m) in den Zustand II 0,6 ∙ fck = 0,6 ∙ 35 = 21 N/mm2  (8.5-98)
über. (für nicht-häufige Einwirkungs-
 kombina­tion) 
Nachweis der zulässigen Betondruck- 0,45 ∙ fck = 0,45 ∙ 35 
spannungen = 15 N/mm2 (8.5-99)
Bei Spannbetonbauteilen sind die Beton-
(für quasi-ständige Einwirkungs-
druckspannungen unter der nicht-häufigen
kombination)
sowie unter der quasi-ständigen Einwir-
kungskombination und dem Mittelwert der Die Bilder 8.5-57, 58 zeigen, dass die Beträ-
Vorspannung Pm, t zu begrenzen. ge der Betonrandspannungen bei Ansatz
8.5 Betonbrücken 685

des Mittelwerts der Vorspannung zu keinem εs1, εs2 Verzerrungen des Betonstahls in-
Zeitpunkt, weder unter der nicht-häufigen folge äußerer Einwirkungen
noch unter der quasi-ständigen Einwir- ∆εp Dehnung des Spannstahls infolge
kungskombination, die zulässigen Span- äußerer Einwirkungen
nungen überschreiten. ε(0)
p,p Vordehnung des Spannstahls
x Höhe der Betondruckzone
Nachweis der zulässigen Betonstahl- h–x Höhe der Betonzugzone
spannungen
Zur Verhinderung nichtelastischer Deh- Resultierende Kräfte:
nungen im Betonstahl, sollten die Zugspan- Fs1 = εs1 ∙ Es ∙ As1  (8.5-101)
nungen im Stahl unter der nicht-häufigen
Einwirkungskombination und den cha­rak­ Fs2 = –εs2 ∙ Es ∙ As2 (8.5-102)
teristischen Werten der Vorspannung Fp = (∆εp + ε(0)
p,p) ∙ Ep ∙ Ap  (8.5-103)
un­ter Berücksichtigung der zeitabhängigen
Spannkraftverluste den Wert 0,8 ∙ fyk nicht Fc = –εc2 ∙ Ec ∙ x/2 ∙ b  (8.5-104)
überschreiten (Tabelle 8.5-11).
Fct = –εc1 ∙ Ec ∙ (h – x)/2 ∙ b (8.5-105)
σs ≤ 0,8 ∙ fyk = 0,8 ∙ 500 = 400 N/mm2
mit:
 (8.5-100)
x = εc2 ∙ ds1/(εc2 – εs1) (8.5-106)
Der Nachweis der Betonstahlspannungen
wird im gerissenen Querschnitt geführt. εc1 = εc2 + h/ds1 ∙ (εs1 – εc2)  (8.5-107)
Das Materialverhalten sowohl des Be­
εs2 = εc2 + ds2/ds1 ∙ (εs1 – εc2) (8.5-108)
tons als auch des Betonstahls wird linear
elastisch angenommen. Weiterhin wird das ∆εp = εc2 + dp/ds1 ∙ (εs1 – εc2) (8.5-109)
Ebenbleiben des verformten Querschnitts
und perfekter Verbund zwischen Spann- Gleichgewichtsbedingungen:
stahl bzw. Betonstahl und Beton voraus­
gesetzt. Im Folgenden werden die im Quer- ∑ F = 0 = Fs1 + Fp + Fct – Fc – Fs2
schnitt wirkenden Kräfte, Bild 8.5-59, sowie  (8.5-110)
die Gleichungen zur Berechnung der resul- ∑ M = 0 = Fs1 ∙ (ds1 – dp)
tierenden Stahlkräfte angegeben.
+ Fct ∙ ((2 ∙ h + x )/3 – dp)
Es bedeuten: + Fc ∙ (dp – x/3)
σc1, σc2 Betonspannungen am gezogenen + Fs2 ∙ (dp – ds2) – ME – M*c, p
bzw. gedrückten Rand  (8.5-111)
Fct , Fc resultierende Zugkraft bzw. Druck­
kraft im Beton Je nachdem, ob die Berechnungen am
Fs1 , Fs2 resultierende Zugkraft bzw. Druck- un­gerissenen oder gerissenen Querschnitt
kraft im Betonstahl erfolgen, sind die Betonzugspannungen
Fp resultierende Zugkraft im Spann­ Gl. (8.5-105) zu berücksichtigen oder nicht.
stahl Der statisch unbestimmte Anteil des Mo-
ME Moment infolge äußerer Einwir- ments infolge Vorspannung lässt sich aus
kungen dem Gesamtmoment wie folgt bestimmen:
M*c, p statisch unbestimmter Anteil des M*c, p = Mc, p – zcp ∙ P (8.5-112)
Moments aus Vorspannung 
εc1, εc2 Verzerrungen des Betons am gezo- Durch Berechnung des Verzerrungspaars
genen bzw. gedrückten Rand εs1 und εc2, bei dem die Gleichgewichtsbe-
686 8 Berechnung

Bild 8.5‑59   Betonspannungen, resultierende Kräfte und Verzerrungen am vorgespannten Quer-


schnitt

dingungen am Querschnitt erfüllt werden, statisch unbestimmter Anteil des Moments


erhält man die resultierenden Kräfte. Die aus Vorspannung:
Betonstahlspannung folgt aus:
0,9 ∙ M*c, p = 0,9 ∙ 1,742/4,5
σs1 = Fs1/As1 = εs1 ∙ Es (8.5-113) = 0,348 MNm/m
Im Bild 8.5-60 ist erkennbar, dass der Nach-
Vorspannkraft:
weis der Betonstahlspannungen nur in der
Mitte des Felds 2 erbracht werden muss. 0,9 ∙ Pm,t→ ∞ = 0,9 ∙ 12,037/4,5
= 2,407 MN/m
Maximales Moment infolge nicht-häufiger
Einwirkungskombination: statische Höhe Betonstahl:   ds1 = 0,720 m
ME = 4,233/4,5 = 0,941 MNm/m statische Höhe Spannstahl:   dp = 0,675 m

Bild 8.5‑60   Maximale Querschnitts-Randspannungen σcu [N/mm2] infolge nicht-häufiger Einwir-


kungskombination und charakteristischer Vorspannkraft 0,9 ∙ Pk, t → ∞
8.5 Betonbrücken 687

Querschnittsfläche Betonstahl: ständigen Einwirkungskombination nach


Abzug der Spannkraftverluste auf den Wert
As1 = 10,26 ∙ 10–4 cm2/m
0,65 ∙ fpk zu begrenzen (Tabelle 8.5-12).
Querschnittsfläche Spannstahl:
σ p ≤ 0,65 ⋅ f pk = 0,65 ⋅ 1770 = 1150 N mm2
Ap = 243,0/ 9,0 = 27,0 cm2/m
 (8.5-115)
Lösung des Gleichungssystems Gln. Das oben angegebene Gleichungssystem,
(8.5-110, 8.5-111): Gln. (8.5-109, -110), lässt sich auch für die
Bestimmung der Spannstahlspannungen
Betonstahldehnung:   εs1 = 0,153‰ im gerissen Querschnitt verwenden.
Betonstauchung:   εc2 = –0,312‰ In diesem Beispiel treten rechnerisch
Zugspannungen unter der maßgebenden
Gesamtdehnung des Spannstahls: Einwirkungskombination nur am unteren
εp = ε(0)
p,p + ∆εp = 4,57 + 0,12 = 4,69‰
Bauteilrand unmittelbar rechts und links
neben der Stützung (Achse 20 bzw. Ach-
Betonrandspannung:   σc2 = –10,4 N/mm2 se 30) auf (Bild 8.5-61). Die maximale Zug-
Betonstahlspannung: spannung beträgt max σcu = 0,37 N/mm2.
Das Spannglied liegt in diesem Bereich
σs1 = 31 N/mm2 < 400 N/mm2 oberhalb der Schwerachse des Bauteils, also
Spannstahlspannung:   σp = 916 N/mm in der Druckzone. Es ist deshalb keine we-
sentliche Zunahme der Spannstahlspan-
Die Spannung im Betonstahl ist wesentlich nungen zu erwarten.
kleiner, als der zulässige Wert.
Einfacher können die Betonstahlspan-
nungen am ungerissenen Querschnitt er- 8.5.7.7.2.2 Grenzzustände der Dekompression
mittelt werden, wenn von der Annahme und der Rissbildung
ausgegangen wird, dass die Betonstahlfaser
unter Belastung die gleiche Verzerrung Nachweis der Dekompression
erfährt, wie die benachbarte Betonfaser: Bei Brückenüberbauten dürfen unter der
εcs1 = εs1 . maßgebenden Einwirkungskombination
Die Betonverzerrungen ergeben sich keine Betonzugspannungen an dem Rand
an einer beliebigen Stelle am Querschnitt auftreten, der dem Spannglied am nächsten
bei Vorspannung mit nachträglichem Ver- liegt (Tabelle 8.5-9).
bund zu:

σ c  N c , p M c , g1 + M c , p N c , E M c , g 2 + M c , q + M c , T 
εc = = + + +  Ec  (8.5-114)
Ec  Acn Wcn Aci Wci 

Die Spannung im Betonstahl folgt aus der


Gleichung (8.5-113). In diesem Berechnungsbeispiel wurde
die Forderung der Dekompression der Er-
Nachweis der zulässigen Spannstahl- mittlung der Spanngliedlage und der Be-
spannungen stimmung der Größe der erforderlichen
Die Zugspannungen im Spannstahl sind Vorspannkraft zugrunde gelegt, siehe Ab-
in jedem Querschnitt mit dem Mittelwert schnitt 8.5.7.3.3. Die maßgebende Einwir-
der Vorspannung Pm,t→∞ unter der qua­­si- kungskombination für den Nachweis der
688 8 Berechnung

Bild 8.5‑61  Maximale Querschnitts-Randspan­nungen σc [N/mm2] infolge quasi-ständiger Einwir-


kungskombination und der mittleren Vorspannkraft Pm, t → ∞ nach Eintreten der Spannkraftverluste

Dekompression ist in diesem Fall die quasi- keine Zugspannungen auftreten, die den
ständige. Die Vorspannkraft ist mit den Wert 0,85 ∙ fctk; 0,05 überschreiten (Tabelle
charakteristischen Werten anzusetzen. Zu- 8.5-9). Für dieses Beispiel gilt:
sätzlich ist für Straßenbrücken nachzuwei-
sen, dass unter der maßgebenden Einwir- σ c ≤ 0,85 ⋅ f ck = 0,85 ⋅ 2,2 = 1,8 N mm2
kungskombination am unteren Bauteilrand  (8.5-116)

Bild 8.5‑62   a) Spanngliedlage im Längsschnitt, b) maximale Querschnitts-Randspannungen


σc [N/mm2] infolge quasi-ständiger Einwirkungskombination und charakteristischer Vorspann-
kraft Pk, t → ∞
8.5 Betonbrücken 689

Im Bild 8.5-62 sind die Lage des Spann- Maximales Moment infolge häufiger Ein-
glieds im Längsschnitt und die maximalen wirkungskombination:
Querschnittsrandspannungen dargestellt.
Es ist zu erkennen, dass Betonzugspan- ME = 3,588/4,5 = 0,797 MNm/m
nungen immer an dem Bauteilrand auf­ statisch unbestimmter Anteil des Moments
treten, der den größeren Abstand zum aus Vorspannung:
Spannglied aufweist. Weiterhin überschrei-
ten die Betonzugspannungen am unteren 0,9 ∙ M*c, p = 0,9 ∙ 1,742/4,5
Rand nicht den zulässigen Wert von σc = = 0,348 MNm/m
1,8 N/mm2.
Vorspannkraft:
Nachweis der Begrenzung der Rissbreite 0,9 ∙ Pm,t → ∞ = 0,9 ∙ 12,037/4,5
in Längsrichtung = 2,407 MN/m
Die Begrenzung der Rissbreite wird bei-
spielhaft, um den Rechengang aufzuzeigen, statische Höhe Betonstahl:   ds1 = 0,720 m
zusätzlich durch eine direkte Berechnung
statische Höhe Spannstahl:   dp = 0,675 m
nachgewiesen. Der Rechenwert der Riss-
breite wk ≤ 0,2 mm ist nachzuweisen. Querschnittsfläche Betonstahl:
Berechnung der Rissbreite im Feld 1 an
der Stelle x = 5,60 m: As1 = 10,26 cm2/m
Querschnittsfläche Spannstahl:
ξ1 = ξ ⋅ ds dp
Ap = 243,0/9,0 = 27,0 cm2/m
dp
= 1,6 ⋅ Ap1 = 1,6 ⋅ 13,5 = 5,88 cm
Zum Vergleich werden die Schnittgrößen
ds = 1,4 cm am Querschnitt im Zustand I und II be-
stimmt, siehe Tabelle 8.5-30.
ξ = 0,5 (für Litzen im nachträglichen
Verbund [DIN-FB 102, 2009], Ac,eff = 4,5 ⋅ 0,07 = 0,315 m2
Tabelle 4.115 a)
As1 = 4,5 ⋅ 10,26 = 46,17 cm2/m
ξ1 = 0,5 ⋅ 1,4 5,88 = 0,35
Ap = 4,5 ∙ 243,0/9,0 = 121,5 cm2/m
Wirkungsbereich der Bewehrung:
2,5 ∙ d1 = 2,5 ∙ (5,5 + 1,4 + 1,4/2) As1 + ξ 12 ⋅ Ap
eff ρ =
= 19 cm � 0,19 m Ac,eff

h−x 80 − 67 46,17 ⋅ 10−4 + 0,352 ⋅ 121,5 ⋅ 10−4


= ≈ 7 cm � 0,07 m < 0,19 m = = 0,019
2 2 0,315

Die Höhe der Betondruckzone x wird am As1 + Ap


ρ tot =
gerissenen Querschnitt entsprechend der Ac,eff
Anforderungsklasse C unter der häu­
figen Einwirkungskombination und mit 46,17 ⋅ 10−4 + 121,5 ⋅ 10−4
= = 0,053
0,9 ∙ Pm, t → ∞ nach Eintreten der Spann- 0,315
kraftverluste mittels Gl. (8.5-105) berech-
net. σ s2 = 0,0088 10,26 ⋅ 104 = 8,6 MN m2
690 8 Berechnung

Tabelle 8.5-30  Schnittgrößen am Querschnitt an der Stelle x = 26,0 m unter häufiger Einwirkungs-


kombination und Pm, t → ∞ im Zustand I und II
Schnittgrößen Querschnitt im
Zustand I Zustand II
Betonstauchung εc2 [‰] –0,2263 –0,2389
Dehnung am gezogenen Rand εc1 [‰] 0,0452 0,0741
Betonstahldehnung εs1 [‰] 0,0180 0,0428
Dehnung des Spannstahls εp [‰] 4,5752 4,5976
Höhe der Betondruckzone x [m] 0,667 0,611
resultierende Betondruckkraft Fc [MN/m] 2,5127 2,4294
resultierende Betonzugkraft Fct [MN/m] 0,1001 0
resultierende Kraft im Betonstahl Fs1 [MN/m] 0,0037 0,0088
resultierende Kraft im Spannstahl Fp [MN/m] 2,4089 2,4206

 1 1  Nachweis der Begrenzung der Rissbreite


σ s = σ s2 + 0,4 ⋅ f ct ,eff ⋅  −
 eff ρ ρ tot  in Querrichtung
  Für die Brückenquerrichtung gilt die An-
 1 1  forderungsklasse D. Der Nachweis der Riss-
= 8,6 + 0,4 ⋅ 3,2 ⋅  − 
 0 ,019 0,053  breitenbegrenzung ist somit unter der häu-
= 52 MN m2 figen Einwirkungskombination zu führen
(Tabelle 8.5-5).
αe = 195/33,3 = 5,86 Die Überlagerung der Momente my der
einzelnen Lastfälle unter Berücksichtigung
εsm – εcm = (σs – 0,4 ∙ fct, eff /eff ρ der entsprechenden Kombinationsfaktoren
∙ (1 + αs ∙ eff ))/Es (Tabelle 8.5-28) ergibt die in Tabelle 8.5-31
angegeben maßgebenden Momente.
= (52 – 0,4 ∙ 3,2/0,019 Der Nachweis der Begrenzung der Riss-
∙ (1 + 5,86 ∙ 0,019))/200 000 breite erfolgt mit dem maximalen Moment
= –0,11 ∙ 10–3 < 0,16 ∙ 10–3 in der Platte über der Stütze ohne direkte
Berechnung.
= 0,6 ∙ 52/200 000 = 0,6 ∙ σs/Es Die aus der Einwirkungskombination
resultierende Stahlspannung wird am
ds 1,4 ge­rissenen Querschnitt über das Kräfte-
smax = =
3,6 ⋅ eff ρ 3,6 ⋅ 0,007 und Momentengleichgewicht Gln. (8.5-110,
52 ⋅ 1,4 σ s ⋅ ds 8.5-111) bestimmt.
= 56 cm > 6 cm = =
3,6 ⋅ 3,2 3,6 ⋅ f ct ,eff
Maximales Moment infolge häufiger Ein-
wk = sr, max ∙ (εsm – εcm) = 60 ∙ 0,16 ∙ 10–3 wirkungskombination:
= 0,01 mm < 0,2 mm my = 0,167 MNm/m
8.5 Betonbrücken 691

Tabelle 8.5-31   maßgebende Momente infolge häufiger Einwirkungskombination

Einwirkung ψ my [kNm/m]

Felder 1/3 Stützen B/C Feld 2

max min max min max min

Eigenlast g1 1,00 –97,5    6,4 –123,0 –124,3 16,4     9,7

Ausbaulast g2 1,00 –30,5 –30,0 –32,3 –38,8 –32,8 –32,7

Vorspannkraft 1,00 168,0 –94,0 183,5 176,8 –74,8 –84,3


Pm, t → ∞

UDL qUDL 0,40 –5,7 –4,6     4,1     3,9    6,0    –2,3

TS qTS 0,75 11,3 –6,1    6,0     5,9 52,9     0,0

∆TM 0,50 240,2 –52,2 265,1 –143,2 51,9 –41,2

häufige EWK 166,3 –150,2 166,9 –94,8 –23,2 –128,8

statische Höhe Betonstahl:   resultierende Betondruckkraft:


dsq1 = 0,730 m Fc = –0,237 MN/m
Querschnittsfläche Betonstahl, ∅ 14/15: Betonrandspannung:   σc2 = –5,3 N/ mm2
asq1 = 10,26 cm2/m Kraft im Betonstahl:   Fs1 = 0,237 MN/m
Betonstahlspannung:   σsq1 = 231 N/mm2
Lösung des Systems der Gleichungen
(8.5-110, 8.5-111):
Die Rissbreite ist auf zulässige Werte be-
Betonstahldehnung:   εs1 = 1,155‰ grenzt, wenn der Durchmesser oder die
Abstände der Bewehrungsstäbe in Abhän-
Betonstauchung:   εc2 = –0,160‰
gigkeit von der Spannung begrenzt wer-
Höhe der Betondruckzone:   den. Hier wird der Durchmesser der vor-
handenen Bewehrung in Querrichtung
x = 0,089 m
(∅ 14/15) überprüft. Zur Anwendung der
Hebelarm der inneren Kräfte: Tabelle 8.5-14 wird der Grenzdurchmes­
zs1 = 0,700 m ser d*s aus der Bedingung Gl. (8.5-80) er-
mittelt.

 f ct ,eff 3,2 
ds* ⋅ = ds* ⋅ = ds* ⋅ 1,07 
 f ct ,0 3,0 
ds ≥ 
σ II
⋅ A 231⋅ 10,26 ⋅1 0 −4  ⇒ ds* = 1,4 1,07
ds* ⋅ s s
= ds ⋅* = ds ⋅ 0,28
* = 1,3 cm
 4 ⋅ (h − d ) ⋅ b ⋅ f ct ,0 4 ⋅ (0,80 − 0,73) ⋅ 1,0 ⋅ 3,0 
 
692 8 Berechnung

Für den ermittelten Grenzdurchmesser ­ abelle 8.6.1-1 zu entnehmen. Dabei wer­


T
folgt unter Berücksichtigung des angenom- den die europäischen Regelwerke und der
menen Rechenwerts der Rissbreite wk = aktuelle Stand für den Brücken- und Grund-
0,2 mm aus Tabelle 8.5-14 die zulässige Be- bau in Deutschland aufgeführt. Gegenwär-
tonstahlspannung: tig scheinen die Festlegungen der einzelnen
Fachgebiete an den Schnittstellen noch nicht
zul σs = 240 N/mm2 > 231 N/mm2
ganz konsistent, deshalb sind teilweise Über-
= vorh σsq1 gangsregelungen getroffen worden. Das
Der Nachweis der Rissbreite ist erbracht. Nachweiskonzept des Rechnens in Grenz­
Für die anderen Werte my unter häufiger zuständen ist aber die durchgängige Basis.
Einwirkungskombination entsprechend
Tabelle 8.5-31 erübrigt sich der Nachweis.
8.6.2 Berechnung von Widerlagern

8.6.2.1 Einwirkungen auf Widerlager


8.6 Berechnung von Unterbauten
Ursula Freundt Unabhängig von der Bauart der Widerlager
sind die wesentlichen Einwirkungen:
8.6.1 Einführung • ständige Einwirkungen
– Eigenlasten des Widerlagers selbst
Liegt der Entwurf und damit die Konstruk-
– Eigenlasten des Überbaus einschließ-
tion der Unterbauten vor, ist der Nachweis
lich seiner Ausbaulasten
zu erbringen, dass der Baukörper unter den
– Lasten aus dem Erddruck
äußeren Einwirkungen immer ein stabiles
• veränderliche Einwirkungen
Gleichgewicht hat und die Festigkeiten der
– vertikale und horizontale Verkehrs-
verwendeten Materialien nicht überschrit-
lasten auf dem Überbau und den
ten werden. Der Nachweis des Gleichge-
– Kappen im Flügelbereich
wichts wird über den Vergleich der stabili-
– Erddruck aus der Verkehrsauflast auf
sierenden und der destabilisierenden Kräfte
der Hinterfüllung
erbracht und der Festigkeitsnachweis über
– aus Verformungen resultierende
den Vergleich der aufnehmbaren Beanspru-
Kräfte in der Lagerfuge
chungen und den Beanspruchungen infolge
• außergewöhnliche Einwirkungen
äußerer Einwirkungen. Für beide Nachweis-
– Anpralllasten an Schramborde und
gruppen müssen die äußeren Einwirkungen
Schutzeinrichtungen
und die Tragfähigkeit des Baugrunds be-
kannt sein. Für den Festigkeitsnachweis ist Die prinzipielle Einwirkungsanordnung
die Wahl eines geeigneten Modells zur für eine einfache Widerlagerwand mit an-
Schnittgrößenermittlung erforderlich. gehängten Flügeln wird am Beispiel unter
Die Schnittgrößenermittlung und die 8.6.2.3 gezeigt.
Nachweisführung von Unterbauten erfor- Die Einwirkungen sind in [DIN EN
dert ausreichende Kenntnisse über die 1991-2, 2004] und [DIN-FB 101, 2009] be-
Grundlagen der Einwirkungen, der Trag- schrieben.
werksplanung, des Betonbaus und des Bei Straßenbrücken gelten für die Ver-
Grundbaus. In gleicher Weise sind Kon- kehrslast auf der Hinterfüllung die charakte-
struktionsprinzipien der genannten Fachge- ristischen Lasten der Lastmodelle des Über-
biete erforderlich. Eine Zusammenstellung baus. Vereinfachend können die Lasten der
des gegenwärtig aktuellen Regelwerks ist Doppelachse durch eine gleichmäßig ver-
8.6 Berechnung von Unterbauten 693

Tabelle 8.6.1-1 Überblick über aktuelle Regelwerke


Europäische Normen Deutsche Normen
1. Grundlagen der Tragwerksplanung und Einwirkungen auf Tragwerke
DIN EN 1990 DIN-Fachbericht 101 Einwirkungen
Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung auf Brücken
DIN EN 1991-1
Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke
– Teile 1 bis 7: Allgemeine Einwirkungen
DIN EN 1991-2
Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke –
Teil 2: Verkehrslasten auf Brücken
2. Material und Konstruktion
DIN EN 1992
Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von DIN-Fachbericht 102 Betonbrücken
Stahlbeton- und Spannbetontragwerken
3. Grundlagen und Einwirkungen aus dem Baugrund, Regelungen für Gründungen
DIN EN 1997 DIN 1054
Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemes- Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd-
sung in der Geotechnik und Grundbau
DIN 4017
Baugrund – Berechnung des Grundbruch­
widerstands von Flachgründungen
DIN V 4019-100
Baugrund – Setzungsberechnungen – Teil 100:
Berechnung nach dem Konzept mit Teilsicher-
heitsbeiwerten
DIN 4085
Baugrund – Berechnung des Erddrucks
4. Konstruktion
DIN EN 1992-2
Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von
DIN-Fachbericht 102 Betonbrücken
Stahlbeton- und Spannbetontragwerken –
Teil 2: Betonbrücken
DIN EN 1993-2
Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von DIN-Fachbericht 103 Stahlbrücken
Stahlbauten – Teil 2: Stahlbrücken
DIN EN 1994-2
Eurocode 4: Bemessung und Konstruktion von
Verbundtragwerken aus Stahl und Beton – DIN-Fachbericht 104 Verbundbrücken
Teil 2: Allgemeine Bemessungsregeln und
Anwendungsregeln für Brücken
DIN EN 1995-2
Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von
Holzbauten – Teil 2: Brücken
694 8 Berechnung

teilte Belastung auf einer Belastungsfläche Bei Bauteilen, bei denen eine Bewegung in
von 3,0 m (Querrichtung) mal 5,0 m (Längs- Erddruckrichtung nicht möglich ist, sollte
richtung) ersetzt werden. Die Lastausbrei- unabhängig von der Gründung, für beide
tung darf unter einem Winkel von 30° zur Nachweisgruppen der Erdruhedruck ange-
Vertikalen angenommen werden. setzt werden.
Bei Eisenbahnbrücken dürfen die Er-
satzlasten zur Berechnung der Erddrücke
unter den Gleisen gleichmäßig verteilt über 8.6.2.2 Schnittgrößenermittlung
eine Breite von 3,00 m in einer Tiefe von von Widerlagern
0,7 m unter Oberkante Gleis angenommen
werden, wobei dynamische Wirkungen Für die Schnittgrößenermittlung ist ein ge-
nicht berücksichtigt sind. eignetes Tragmodell erforderlich. Widerlager
Die Größe des Erddrucks hängt nicht sind räumlich wirkende Tragwerke, die aus
nur von den Eigenschaften der Hinterfül- drei Flächentragsystemen bestehen. Die ver-
lung, sondern auch von den Steifigkeiten fügbare ­Rechentechnik und Software gestat-
des Bauwerks und des Baugrunds ab. tet eine Modellierung mittels Volumenele-
Eine Darstellung zur Erddruckberech- menten, der Berücksichtigung geeigneter
nung würde den Rahmen dieses Kapitels Boden­modelle und des Ansatzes physika-
überschreiten. Im Merkblatt über den Ein- lisch nichtlinearer Arbeitslinien und somit
fluss der Hinterfüllung auf Bauwerke [Ar- eine wirklichkeitsnahe Berechnung. Für die
beitsausschuss: Einfluss der Hinterfüllung Praxis müssen Berechnungsergebnisse und
auf Bauwerke, 1994] werden Regelungen Aufwand in einem akzeptablen Verhältnis
empfohlen, die mit wirtschaftlichen Überle- stehen. Widerlager sind nach unserem heu-
gungen begründet werden. Danach sollte bei tigen Erfahrungsbereich standsicher und
Bauwerken, deren Bewegung in Erddruck- haben eine geringe Schadensanfälligkeit. Das
richtung nicht beschränkt werden muss, bei: komplexe Tragverhalten wurde demnach
auch bisher gut erfasst. Deshalb folgen ein
• nachgiebiger Gründung für den Nachweis
kurzer Abriss zu den Berechnungs­verfahren
des stabilen Gleichgewichts und für die
und eine Empfehlung für die ­aktuelle Be-
Festigkeitsnachweise der aktive Erddruck
rechnung.
• unnachgiebiger Gründung für den
Die Literatur zum Problemkreis der Be-
Nachweis des stabilen Gleichgewichts
rechnung von Widerlagern ist nicht um-
der aktive Erddruck und für die Festig-
fänglich. 1973 wurde eine in sich geschlos-
keitsnachweise der Erdruhedruck be-
sene Abhandlung [Eibl et al., 1973-2] zur
rücksichtigt werden.
Berechnung von Widerlagern veröffentlicht

Bild 8.6.2‑1   Tragmodell für einfache Widerlagerwand


8.6 Berechnung von Unterbauten 695

und in den Auflagen von 1979 und 1988 Holst veröffentlichte 1990 [Holst, 1990-2]
[Eibl et al., 1988] ergänzt. und 1993 [Holst, 1993] ebenfalls ein in sich
Für die Widerlagerwand mit auskragen- geschlossenes Werk zur Schnittgrößener-
den Flügeln wird in [Eibl et al., 1988] da- mittlung von Widerlagern. Als Tragmodell
von ausgegangen, dass die Scheiben- und für das Kastenwiderlager wird ein Faltwerk
Plattenwirkungen voneinander getrennt gewählt. Faltwerke sind aus ebenen Flächen
behandelt werden können. Das entspre- zusammengefügt, die je nach ihrer Bean-
chende Tragmodell ist eine in der Funda- spruchung als Platten- und/oder Scheiben
mentebene eingespannte Platte, wie im wirken. Da die Dicke der Widerlagerwände
Bild 8.6.2-1 gezeigt. Die Beanspruchungen im Verhältnis zu ihrer Länge und Breite
der Kragflügel werden als Randbelastungs- nicht mehr als klein betrachtet werden
fälle der eingespannten Platte behandelt. kann, kommt die erweiterte Plattentheorie
Für die gängigen Belastungsfälle und Geo- nach Mindlin/Reissner zur Anwendung.
metrien stehen Momententafeln bereit. Es Das bedeutet die näherungsweise Berück-
ist die Kirchhoff ’sche Plattentheorie vor- sichtigung der Schubver­formungen der
ausgesetzt worden. Platte. In der Fundamentebene wird eine
Für das Kastenwiderlager werden die in starre Einspannung vorausgesetzt. Für die
[Eibl et al., 1988] genannten Voraussetzun- praktische Ermittlung der Momente und
gen, getrennte Behandlung von Scheiben- Scheibenkräfte infolge zentrischer und ex-
und Plattenwirkung und die Gültigkeit der zentrischer Belastungen sind in Abhängig-
Kirchhoff ’schen Plattentheorie, beibehal- keit von der ­Geometrie von Widerlager-
ten. Als Tragmodell werden für den ge- wand und Flügel Tafelwerte in graphischer
gründeten Flügel eine zweiseitig einge- Form bereitgestellt. Es wird linear-elas­
spannte Platte und für die Widerlagerwand tisches Materialverhalten vorausgesetzt. In
eine dreiseitig eingespannte Platte gewählt, [Holst, 1993] und in [Holst, 1990-2] sind
siehe Bild 8.6.2-2. Zwischen den Einspann- Berechnungs­tafeln für die Schnittgrößen
momenten des Flügels und der Widerlager- von Brückenwiderlagern veröffentlicht. So-
wand wird ein Momentenausgleich vorge- mit stehen in der Literatur Hilfsmittel zur
schlagen. Die elastische Einspannung der Verfügung, die eine ökonomische Berech-
Widerlagerwand und der Flügel im Funda- nung erlauben.
ment wird durch eine Abminderung der Das Tragverhalten von Kastenwiderla-
Starreinspannmomente in Abhängigkeit gern wird mit dem Tragmodell des dick-
von der Fundament- und Bodensteifigkeit wandigen Faltwerks deshalb gut erfasst, da:
berücksichtigt. Für die Kammerwand wird
als Tragmodell ein zweiseitig eingespannter • die interaktive Platten- und Scheiben-
unendlich langer Halbstreifen gewählt. Für wirkung der einzelnen ebenen Flächen
die praktische Anwendung liegen ebenfalls wie Flügelwand und Widerlagerwand
Momententafeln vor. berücksichtigt wird

Bild 8.6.2‑2   Tragmodell für Kastenwiderlager


696 8 Berechnung

• die äußeren Einwirkungen hinsichtlich Vergleichsrechnungen vorgestellt. Aus den


ihres Lastangriffes differenziert sind dabei berücksichtigten Annahmen lassen
• die Theorie dicker Platten die realen Ab- sich folgende wesentliche Ergebnisse ab­
messungen berücksichtigt und somit den leiten:
Verformungszustand gut widerspiegelt
Berücksichtigung der Schubverzerrung
Ein „wirklichkeitsnahes“ Modell zur Er- der Platten (Theorie dicker Platten)
mittlung der Schnittgrößen ist deshalb ein Werden die Schubverzerrungen der Platten
dickwandiges Faltwerk, das z. B. bei Flach- nicht berücksichtigt, dann ist die Verfor-
gründungen in einen Fundamentbalken mungsverträglichkeit an den gemeinsamen
eingespannt ist, der wiederum elastisch ge- Kanten von Widerlagerwand und Flügeln
lagert ist. nicht gegeben. Als Folge steigt das Einspann-
Der praktisch tätige Ingenieur model- moment an der Verbindungsstelle stark an.
liert das kastenförmige Widerlager in der Durch die Vernachlässigung der Schub-
Regel zwar als Faltwerk, allerdings auf der verzerrungen werden die Momente somit in
Basis der Kirchhoff ’schen Plattentheorie. der gründungsnahen Einspannecke Wider-
Dies entspricht der verbreiteten kommerzi- lagerwand-Flügel lokal überschätzt. Die Grö-
ellen Software. ßenordnung ist jedoch für die Bewehrungs-
Mit der Einführung des Rechnens nach ermittlung nicht von relevantem Einfluss.
Grenzzuständen wird einerseits die Auswir-
kung der Berücksichtigung nichtlinearen Berücksichtigung der Fundament- und
Materialverhaltens und andererseits der Bodensteifigkeit
Einfluss unterschiedlicher Modellannahmen Die starre Lagerung des Fundaments be-
zur Schnittgrößenermittlung interessant. wirkt eine große Einspannung zwischen
In [Lerchner/Hartl, 2001] werden für Widerlagerwand und Fundament. Real
rechtwinklige Kastenwiderlager mit ver- wird nur eine mäßige Einspannung der
einfachten Lastansätzen entsprechende Widerlagerwand ins Fundament erreicht.

Bild 8.6.2‑3   Berücksichtigung der Einspannverhältnisse nach [Lerchner/Hartl, 2001]


8.6 Berechnung von Unterbauten 697

Bild 8.6.2-3 zeigt die prinzipiellen Verhält- Mittelbereichs der Widerlagerwand redu-
nisse für unterschiedliche Annahmen. ziert werden.
Für Widerlager mit angehängten, nicht
Schnittgrößen bei Annahme selbständig gegründeten Flügelwänden gel-
nichtlinearen Materialverhaltens ten für die Modellbildung zur Schnittgrö-
In [Lerchner/Hartl, 2001] wurde ein Kas­ ßenermittlung die gleichen Aussagen. Da
tenwiderlager mit Außenabmessungen der Flügel und Widerlagerwand nicht auf die
Widerlagerwand von 9 m und der Flügel gesamte Höhe verbunden sind, werden die
von 4,5 m mit Eigenlast und einem gleich- Interaktionen geringer und somit wird der
mäßigen Erddruck von 0,05 MN/m² von Schnittgrößenverlauf nicht so stark durch
innen belastet und unter Annahme nichtli- die Modellbildung beeinflusst.
nearen Materialverhaltens berechnet. Die dargestellte Modellbildung ist für
Als Ergebnis wird festgestellt, dass die re- die Schnittgrößenermittlung des Endzu-
sultierenden Druckspannungen klein blei- stands und der Bauzustände zutreffend. Ein
ben und auch die Zugspannungen nicht zur typischer Bauzustand ist die teilweise Hin-
Rissbildung führen. Das entspricht den eige- terfüllung der Widerlager oder die Lehrge-
nen Erfahrungen und dem bekannten Sach- rüstabstützung für den Überbau auf dem
verhalt, dass Widerlager selten und meist nur Fundamentvorsprung. Die Modellkompo-
bei schiefwinkliger Ausführung mehr als die nenten gestatten diese Abbildung.
Mindestbewehrung erhalten. Im Kapitel 7 Beim Neubau von Brücken im Zuge
wurde schon darauf aufmerksam gemacht, neuer Verkehrstrassen wird häufig die kom-
dass die Geometrie oft von der Bauweise des plette Brücke fertig gestellt und die Hinter-
Überbaus und der Lagerung bestimmt wird. füllung erst im Zuge des Erdbaus der Trasse
Des Weiteren wird gezeigt, dass aus der vorgenommen. Das Tragwerk ist bereits
Lastbeanspruchung die Flügelverformun- eingelagert und auch die Fahrbahnüber-
gen allein aus Kriechen und Schwinden des gänge sind montiert. In diesen Fällen sind
Betons durch das nichtlineare Verhalten die Verformungen des Widerlagers infolge
des Materials um das dreifache gegenüber Hinterfüllung zwingend zu beachten.
linear elastischem Verhalten zunehmen Ein ebenfalls zu beachtender Bauzu-
ohne dass eine Rissbildung eintritt. Es fin- stand ist die Betonage der Widerlagerwand
det deshalb eine geringe Schnittgrößenum- auf dem bereits erhärteten Fundament. Die
lagerung vom Flügel in die Widerlagerwand abklingende Hydratationswärme führt zur
statt, und die Einspannmomente ins Fun- Verkürzung der Widerlagerwand, die durch
dament vergrößern sich leicht. das Fundament behindert wird. Die Folge
Es kann gefolgert werden, dass ein phy- sind aufgehende Risse in der Wand. Die
sikalisch nichtlineares Tragverhalten von dargestellte Modellbildung ist zwar prinzi-
Widerlagern im Grenzzustand der Tragfä- piell geeignet diesen Sachverhalt zu erfas-
higkeit für praktische Berechnungen nicht sen, was aber zwingend die Modellierung
berücksichtigt werden muss. des Fundaments voraussetzt. Einfacher ist
Als Tragwerksmodell liefert das Faltwerk ein Modell gekoppelter Scheiben.
unter Ansatz der Kirchhoff ’schen Theorie In der Regel liegen Konstruktionsregeln
und unter Berücksichtigung von Funda- [ZTV-ING] zur Berücksichtigung dieses Pro-
ment- und Bodensteifigkeit praktisch hin- blems vor. Damit ist nur bei abweichenden
reichend genaue Bemessungsschnittgrö- Geometrien eine Berechnung erforderlich.
ßen. Die Ergebnisse der Randeinspannmo- Die Darstellung zur Bildung der Trag-
mente zwischen Widerlagerwand und Flü- werksmodelle war bisher auf die Ermitt-
gel können auf das Einspannmoment des lung der globalen Schnittgrößen orientiert.
698 8 Berechnung

zueinander orthogonalen Richtungen als


ebenes Problem nach der Scheibentheorie
erfolgen. Damit lassen sich die Beanspru-
chungen überschaubar ermitteln. Experi-
mentell gewonnene Ergebnisse sind nach
wie vor unter Beachtung der dem Versuch
zugrunde liegenden Randbedingungen die
beste Vergleichsbasis. Im Bild 8.6.2-4 sind
gemessene und rechnerisch ermittelte
Spaltzugspannungen und Spaltzugkräfte
aus [Mildner, 1984] gegenüber gestellt. Die
quantitativ und qualitativ gute Erfassung
über die Scheibentheorie wird deutlich.

8.6.2.3 Berechnungsbeispiel –
Nachweisführung für Widerlager

Mit den Schnittgrößen erfolgt die Nach-


Bild 8.6.2‑4   Gegenüberstellung von Spaltzug-
weisführung für das Widerlager. Die im
spannungen/-kräften nachfolgenden verwendeten Bezeichnun-
gen und Symbole entsprechen [DIN-
FB 101, 2009] und [DIN-FB 102, 2009].
Daneben sind lokale Wirkungen zu beach- Dabei sind die Nachweise für die Gründung
ten. und für den Widerlagerkörper zu führen.
Die Nachweise der Gründung und damit
Das obere Ende der Widerlagerwand ist bei auch der Standsicherheit des Widerlagers
mit Lagern gelagerten Überbauten als Auf- werden im Abschnitt 8.6.4 behandelt. In
lagerbank ausgebildet. Die über die Lager- diesem Abschnitt wird die Führung der
fläche eingetragenen Auflagerlasten des Festigkeitsnachweise der Widerlager- und
Überbaus erzeugen in der Auflagerbank Flügelwände, sowie der Kammerwand an-
Querzugspannungen, auch Spaltzugspan- hand des Beispiels einer einfachen Wider-
nungen genannt, die durch die sich ausbrei- lagerwand mit angehängten Flügeln behan-
tenden Druckspannungen verursacht wer- delt.
den. Wenn die Teilflächenlast im Bauteil
sich gleichmäßig ausbreiten kann, entsteht 1. Einwirkungen
ein räumlicher Spannungszustand mit Zusätzlich zu berücksichtigen sind je nach
Querzugspannungen in allen Richtungen. Bauwerk, Herstellungsverfahren sowie
Vereinfachend kann die Ermittlung in zwei Baufortschritt unterschiedliche Einwirkun-

Tabelle 8.6.2-1   Bodenkennwerte für Hinterfüllung und Gründung des Berechnungsbeispiels


Bodenschicht Wichte γ Wichte γ′ Reibungswinkel Steifemodul
[kN/m3] [kN/m3] φ′ Esk [MN/m2]
Hinterfüllung 19 9 34°
Gründung 19 9 30° 80
8.6 Berechnung von Unterbauten 699

Bild 8.6.2‑5   Geometrie des Berechnungsbeispiels

Tabelle 8.6.2-2   Materialkennwerte für das gen aus den Bauzuständen, wie Belastun-
Widerlager gen aus dem Traggerüst und der Schalung
Beton C 25/30 fck = 25 N/mm2 für den Überbau, Teilhinterfüllung des Wi-
derlagers vor dem Einlagern des Überbaus
Ecm = 26 700 N/mm2 und Verkehrslasten, die sich aus dem tech-
nologischen Bauablauf ergeben (Verdich-
Betonstahl fyk = 500 N/mm2
BSt 500 S tungserddruck, Baufahrzeuge, Zwischenla-
Es = 200 000 N/mm2 gerung von Baumaterialien).
700 8 Berechnung

Tabelle 8.6.2-3   Berechnungsbeispiel – Ständige Einwirkungen


8.6 Berechnung von Unterbauten 701

Tabelle 8.6.2-3   Fortsetzung


702 8 Berechnung

Tabelle 8.6.2-4   Berechnungsbeispiel – Veränderliche Einwirkungen


8.6 Berechnung von Unterbauten 703

Tabelle 8.6.2-4   Fortsetzung


704 8 Berechnung

Tabelle 8.6.2-4   Fortsetzung


8.6 Berechnung von Unterbauten 705

Tabelle 8.6.2-5   Berechnungsbeispiel – Außergewöhnliche Einwirkungen

Die Belastungen sind jeweils nach sorg- Grenzzustand der Tragfähigkeit sind in
fältiger Abstimmung mit dem Baubetrieb Bild 8.6.2-6 dargestellt.
zu berücksichtigen. Zusätzliche Berechnungsorte sind bei
größeren Wandhöhen sinnvoll, um die Be-
2. Schnittgrößenermittlung wehrung abzustufen. Im Bereich der Flügel­
Die maßgebenden Stellen für die Ermitt- einspannung am Rand der Widerlagerwand
lung der erforderlichen Bewehrung im verlaufen die Hauptmomente und -normal-

Bild 8.6.2‑6   Maßgebende Stellen für Schnittgrößenermittlung


706 8 Berechnung

kräfte nicht orthogonal zu den Rändern. – EWK (Einwirkungskombination) 1: Ver-


Die Bemessungsschnittgrößen für die Be- kehrslast auf Hinterfüllung (Verkehrslast-
wehrung sind aus den Hauptschnittgrößen gruppe gr1, Tabelle 8.6.2-6)
in die Bewehrungsrichtung umzurechnen.
Die Schnittkraftermittlung für das Berech- MSd, gr1 = γG1*MG1 + γG2*MG2
nungsbeispiel wird entsprechend der Emp- + γE,G* ME,G + γQ*MQgr1, H
fehlung in Abschnitt 8.6.2.2 als Faltwerk NSd, gr1 = γG1*NG1 + γG2*NG2
unter Ansatz der Kirchhoff ’schen Theorie
und unter Berücksichtigung von Funda- + γE,G* NE,G + γQ*NQgr1, H
ment- und Bodensteifigkeit modelliert. Auf – EWK 2: Verkehrslast auf Überbau (Ver-
eine Darstellung der Schnittgrößen der ein- kehrslastgruppe gr2, Tabelle 8.6.2-7)
zelnen Einwirkungen wird an dieser Stelle
verzichtet. MSd, gr2 = γG1*MG1 + γG2*MG2 + γE,G* ME,G
+ γQ*[MQlk + ψ1, TS*MQ, TS
3. Nachweisführung für das Widerlager + ψ1,UDL*MQ, UDL]
Es sind die Nachweise für den Grenzzustand
der Tragfähigkeit und den Grenzzustand NSd,gr2 = γG1*NG1 + γG2*NG2 + γE,G* NE,G
der Gebrauchstauglichkeit zu führen. + γQ*[NQlk + ψ1,TS*NQ,TS
+ ψ1,UDL*NQ,UDL]
Nachweis für Biegung mit Längskraft
Die Nachweise für Biegung mit Längskraft Für die Flügeleinspannung (Ort 3/5) sind
im Grenzzustand der Tragfähigkeit werden folgende Nachweiskombinationen zu un-
für die ständige und vorübergehende Be- tersuchen:
messungssituation sowie die außergewöhn-
liche Bemessungssituation (Anprall auf – EWK 3: Verkehrslast auf Hinterfüllung
Schrammbord) in den jeweiligen maßge- (Verkehrslastgruppe gr1, Tabelle 8.6.2-8)
benden Bemessungsschnitten geführt. MSd, gr1 = γG1*MG1 + γG2*MG2
Für die Einspannstelle (Ort 2/4) der + γE,G* ME,G + γQ*MQgr1,H
Widerlagerwand im Fundament werden
folgende mögliche Einwirkungskombinati- NSd, gr1 = γG1*NG1 + γG2*NG2
onen maßgebend: + γE,G* ME,G + γQ*NQgr1,H

Tabelle 8.6.2-6   Berechnungsbeispiel – Bemessungsschnittgrößen, EWK 1


mx my mxy nx ny nxy
[kNm/m] [kNm/m] [kNm/m] [kNm/m] [kNm/m] [kNm/m]
∑ Ort 2 51,09 291,79 2,43 –44,71 –213,88 –0,92
∑ Ort 4 29,94 406,19 46,24 –11,81 –602,89 36,54

Tabelle 8.6.2-7   Berechnungsbeispiel – Bemessungsschnittgrößen, EWK 2


mx my mxy nx ny nxy
[kNm/m] [kNm/m] [kNm/m] [kNm/m] [kNm/m] [kNm/m]
∑ Ort 2 42,69 241,3 24,85 –47,72 –222,39 –0,9
∑ Ort 4 11,76 185,82 –25,19 –10,14 –500,56 30,15
8.6 Berechnung von Unterbauten 707

– EWK 4: Anprall auf Schrammbord am EWK 3 mit:


Flügelende (Tabelle 8.6.2-9) γG1 = 1,35 für Eigenlast des Widerlagers
MSd,A = γG1*MG1 + γG2*MG2 γG2 = 1,35 für Eigenlast des Überbaus
+ γE,G* ME,G + MAd γE,G = 1,35 für Erddruck aus Hinterfüllung
NSd,A = γG1*NG1 + γG2*NG2 γQ = 1,5 für Verkehr auf Hinterfüllung
(exzentrische Laststellung)
+ γE,G* NE,G + NAd
EWK (außergewöhnliche Kombination)
EWK 1 mit: 4 mit:
γG1, inf = 1,0 für Eigenlast des Widerlagers γG1 = 1,00 für Eigenlast des Widerlagers
γG2, inf = 1,0 für Eigenlast des Überbaus γG2 = 1,00 für Eigenlast des Überbaus
γG,E, sup = 1,35 für Erddruck aus Hinter­- γG3 = 1,00 für Erddruck aus Hinterfüllung
füllung
γQ = 1,00 für Seitenstoß auf Flügel
γQ = 1,5 für Verkehr auf Hinterfül-
lung (zentrische Laststellung) Unter Berücksichtigung der Bemessungs-
EWK 2 mit: schnittgrößen ergibt sich in den maßgeben-
γG1, inf = 1,0 für Eigenlast des Wider­ den Bemessungsquerschnitten die in der
lagers Tabelle 8.6.2-10 ausgegebene statisch erfor-
derliche Bewehrung im Grenzzustand der
γG2, inf = 1,0 für Eigenlast des Überbaus Tragfähigkeit.
γE,G, sup = 1,35 für Erddruck aus Hinter­
füllung Nachweis für Querkraft
γQ = 1,5 für Bremslast auf VSd < VRd1 bzw. VRd, ct (BauteilohneSchub-
Über­bau gr2 bewehrung)
ψ1 = 0,4 für zugehörige Vertikallast VSd < VRd, sy (Bauteil mit Schubbewehrung)
aus Verkehr für Bremslast VSd < VRd, max (Höchster Bemessungswert
(UDL) der Querkraft, die ohne Ver-
ψ1 = 0,75 für zugehörige Vertikallast aus sagen der Druckstreben auf-
Verkehr für Bremslast (TS) genommen werden kann)

Tabelle 8.6.2-8   Berechnungsbeispiel – Bemessungsschnittgrößen, EWK 3


mx my mxy nx ny nxy
[kNm/m] [kNm/m] [kNm/m] [kNm/m] [kNm/m] [kNm/m]
∑ Ort 3 244,28 –1,04 23,14 229,03    9,05 –20,31
∑ Ort 5 177,03 27,57 59,34 131,34 –15,69 –14,33

Tabelle 8.6.2-9   Berechnungsbeispiel – Bemessungsschnittgrößen, EWK 4


mx my mxy nx ny nxy
[kNm/m] [kNm/m] [kNm/m] [kNm/m] [kNm/m] [kNm/m]
∑ Ort 3 226,15 –10,29 14,74 148,7 28,07 –7,96
∑ Ort 5 164,26 28,84 56,84 154,41 16,13 0,89
708 8 Berechnung

Tabelle 8.6.2-10   Berechnungsbeispiel – Biegebewehrung


Luftseite Erdseite
Ort as, x [cm2/m] as, y [cm2/m] as, x [cm2/m] as, y [cm2/m]
1
2 – – 1,64 (1) 4,56 (1)
3
4 0,89 (2) – 2,16 (1) 4,47 (1)
5

Die maßgebenden Stellen für den Nachweis zugbewehrung ergibt sich näherungsweise
der Querkraft sind der Fundamentanschluss jeweils für die betrachtete Schnitt­ebene ent-
der Widerlagerwand und der Anschluss sprechend Bild 8.6.2-8 zu:
der Flügelwände an die Widerlagerwand.
 d 
ZSd = 0,25 ⋅ FSd 1 − c0 
Nachweis für Torsion  dc1 
Ein Nachweis für Torsion kann bei üblichen
Widerlagerabmessungen in der Regel ent- Daraus folgt die erforderliche Spaltzugbe-
fallen. wehrung:
ZSd
Nachweis für konzentrierte Last­ As, Z =
einleitung f yk /γ s
Im Bereich der Auflagerbank unter den La-
gern ist der Nachweis der konzentrierten Nachweis der Ermüdung
Lasteinleitung zu führen. Die aufnehmbare Der Nachweis für Ermüdung entfällt im
Teilflächenbelastung kann wie folgt ermit- Allgemeinen bei Widerlagern von Straßen-
telt werden: brücken, die nicht biegesteif mit dem Über-
bau verbunden und nicht begehbar sind.
Ac1
FRdu = Ac0 ⋅ f cd ⋅ ≤ 3,0 f cd ⋅ Ac0 Bei Eisenbahnbrücken ist der Nachweis für
Ac0 Ermüdung zu führen.
fck
mit fcd = 0,85 ∙ 6 und Acl bzw. Ac0 nach
γc
Bild 8.6.2-7
Für die entsprechende Einwirkungs-
kombination sind zu berücksichtigen:
– ständige Lasten des Überbaus
– veränderliche Lasten aus dem Überbau

FSd = 1,35 FG + 1,5 FQgr1

Die Spaltzugkräfte in der Auflagerbank sind


durch Bewehrung in Form von Wendeln
bzw. Bügeln aufzunehmen. Die vorhandene Bild 8.6.2‑7   Flächen zur Ermittlung der auf-
Spaltzugkraft und die erforderliche Spalt- nehmbaren Teilflächenbelastung
8.6 Berechnung von Unterbauten 709

wehrungsstähle in Abhängigkeit von der


Stahlspannung oder durch eine direkte
Berechnung der Rissbreite.
Zur Vermeidung breiter Einzelrisse ist in
den oberflächennahen Bereichen des Wi-
derlagerquerschnitts eine Mindestbeweh-
rung anzuordnen.
kc ⋅ k ⋅ f ct ,eff
ρs =
σs
ρs der auf den gezogenen Querschnitts-
teil Act des betrachteten Querschnitts
As
bezogene Bewehrungsgehalt 6
Act
kc Beiwert zur Berücksichtigung der
Bild 8.6.2‑8   Spaltzugbewehrung in der Aufla- Spannungsverteilung im Querschnitt
gerbank σS zulässige Spannung in der Beton-
stahlbewehrung zur Begrenzung der
Riss­breite in Abhängigkeit vom
Im Grenzzustand der Gebrauchstauglich- Grenz­durchmesser
keit sind Spannungsbegrenzungen und die fct, eff – bei Rissbildung im jungen Beton,
Begrenzung der Rissbreiten nachzuweisen. z. B. Hydratation, gleich 0,5 fctm
– bei Rissbildung nach 28 Tagen:
Spannungsbegrenzungen fctm � 3 N/mm2
Die Betonspannungen sind unter der nicht k abhängig von der Art des Zwangs
häufigen Kombination auf 0,6 fck zu be- (intern, extern) und von der Bauteil­
grenzen. Die Zugspannung in der Beton- abmessung ist der Wert zwischen 1
stahlbewehrung ist für die nicht-häufige und 0,5.
Einwirkungskombination auf den Wert
Die Begrenzung der Rissbreite der so ermit-
0,8 fyk zu begrenzen.
telten Bewehrung darf dabei durch eine
Begrenzung des Stabdurchmessers nachge-
Nachweis der Begrenzung der
wiesen werden.
Riss­breiten
Die Herstellung des Widerlagers erfolgt
Die Rissbildung in den Widerlagerbauteilen
durch die nacheinander folgende Betonage
ist so zu begrenzen, dass die ordnungsgemä-
von Fundament, Widerlager- und Flügel-
ße Nutzung und das Erscheinungsbild nicht
wänden. Während des Abkühlungs­pro­
beeinträchtigt werden. Für Stahlbetonkons-
zesses der Wände unterliegen diese immer
truktionen beträgt der Bemessungswert der
Zwängungen, da der Fundamentbalken
Rissbreite 0,2 mm, soweit keine weiterge-
schon erhärtet ist. Deshalb sind für die Un-
henden Forderungen bestehen.
terbauten, die an bestehende Bauteile beto-
Zur Begrenzung der Rissbreite sind zwei
niert werden, eine definierte konstruktive
Nachweise erforderlich:
Bewehrung [DIN-FB 102, 2009], 5.4.7.3 er-
• der Nachweis einer Mindestbewehrung forderlich.
• der Nachweis der Begrenzung der Riss- Neben den aufgeführten Schnittgrößen­
breite entweder durch eine Durchmes- ermittlungen und Nachweisführungen für
ser- und Abstandsbegrenzung der Be- Widerlagerwände und Flügelwände ist die
710 8 Berechnung

Kammerwand zu beachten. Die Kammer- schnitt 8.2) werden die Sachverhalte und
wand ist in die Widerlagerwand und in die Beurteilungs­kriterien aufgeführt, die eine
Flügelwand elastisch eingespannt. Sie er- Schnittgrößen­ermittlung am Gesamtsys-
hält Einwirkungen aus Erddruck aus Hint- tem erfordern.
erfüllung, aus Erddruck aus Verkehr auf der Im Sinne der Berechnung werden zu die-
Hinterfüllung oder aus einer Bremslast in sem Zweck Tragwerke und Tragwerksteile
Längsrichtung bei einer gleichzeitigen ver- als verschieblich oder unverschieblich (bes-
tikalen Achslast und Rückstellkräfte vom ser entsprechend [Kordina/Quast, 2003]
Fahrbahnübergang. verformungsbeeinflusst oder verformungs-
unbeeinflusst) eingeteilt. Allgemein gilt:
Tragwerke, bei denen der Einfluss
8.6.3 Berechnung von Pfeilern und Stützen
der Pfeilerkopfverschiebungen auf die
Schnittgrößen vernachlässigt werden
8.6.3.1 Einwirkungen auf Pfeiler und Stützen
kann, gelten als unverschieblich.
Stützen und Pfeiler erhalten Beanspru- Stützen und Pfeiler sind zudem Bauteile,
chungen infolge: die vorwiegend auf Druck beansprucht
werden und deren Tragfähigkeit (auch im
• ständiger Einwirkungen
getrennten System) durch ihre horizonta-
– Auflagerreaktion infolge Eigenlast
len Verformungen entlang der Pfeilerachse
des Überbaus
beeinflusst werden kann (Auswirkungen
– Auflagerreaktion infolge Vorspannung
der Theorie II. Ordnung). Im Sinne der
– Eigenlast von Stütze/Pfeiler
Berechnung werden die Einzelbauteile in
• veränderlicher Einwirkungen
verschiebliche oder unverschiebliche und
– Auflagerreaktion infolge Verkehr
in schlanke und nicht schlanke Einzelbau-
(vertikal, horizontal)
teile eingeteilt. Auch hier gilt:
– Auflagerreaktion infolge Wind auf
den Überbau (horizontal) Kann der Einfluss der Verformungen auf
– Auflagerreaktion infolge linearem die Schnittgrößen vernachlässigt wer-
Temperaturunterschied im Überbau den, dann brauchen die Auswirkungen
– Auflagereaktion infolge Längenände- der Theorie II. Ordnung nicht berück-
rungen des Überbaus sichtigt zu werden.
– Wind auf Stütze/Pfeiler Für die praktische Handhabung ist eine
– linearer Temperaturunterschied im Quantifizierung von „vernachlässigbar“
Pfeilerschaft und „schlank“ wünschenswert. Im [DIN-
• außergewöhnlicher Einwirkungen FB 102, 2009] wird dies geregelt. Danach
– Auflagerreaktion infolge Anprallsitu- müssen die Auswirkungen nach der Theo-
ation auf Überbau rie II. Ordnung berücksichtigt werden,
– direkter Anprall auf Stütze/Pfeiler wenn diese die Tragfähigkeit um mehr
als 10% verringern.
Einzeldruckglieder gelten als schlank,
8.6.3.2 Schnittgrößenermittlung und wenn sie nachfolgende Grenzwerte der
Nachweise von Pfeilern und Stützen Schlankheit λ 
Für die Schnittgrößenermittlung ist ein ge- λmax = 25    für |vEd| > 0,41
eignetes Tragsystem erforderlich. In den λmax = 16/ √|vEd|    für |vEd| < 0,41
31
Kapiteln 6 (Abschnitt 6.2) und 8 (Ab-
8.6 Berechnung von Unterbauten 711

übersteigen und sind dann unter Berück- Verformungen infolge von linearen Tempe-
sichtigung der Auswirkungen nach Th. II. raturunterschieden über den Pfeilerquer-
Ordnung nachzuweisen. schnitt aus thermischen Einflüssen dürfen
als zusätzliche Anfangsimperfektion be-
mit λ = l0/i
trachtet werden. Unverschiebliche Trag-
l0 Ersatzlänge des lotrechten Bauteils werke oder Einzeldruckglieder, die nicht als
i Flächenträgheitsradius: i = √ I/A
31 schlank gelten, brauchen nicht nach der
vEd bezogene Längskraft des Bauteils Theorie II. Ordnung nachgewiesen wer-
NEd den. Die Nachweisführung für die Schnitt-
vEd = 92 größen nach Theorie I. Ordnung erfolgt
Ac ∙ fcd
NEd Bemessungswert der mittleren Längs- dann z.B. nach [DIN FB102, 2009, 4.3.1].
kraft des Einzeldruckglieds Allgemein sind die Auswirkungen der
Ac Querschnittsfläche des Druckglieds Theorie II. Ordnung mittels physikalischer
fcd Bemessungswert der Betondruckfes- und geometrisch nichtlinearer Schnittgrö-
tigkeit ßenermittlung zu ermitteln. Vereinfachte
Annahmen für den versteifenden Einfluss
Die Verwendung der Ersatzlänge l0 erin- aus der Mitwirkung des Betons auf Zug
nert dabei noch an das Knickproblem mit ­zwischen den Rissen und zur Momenten –
Gleichgewichtsverzweigung, obwohl die Verkrümmungs – Beziehung sind im An-
Nachweisführung im Betonbau konsequent hang II von [DIN-FB 102, 2009] gegeben.
als verformungsbeeinflusstes Traglastprob- Für die Ermittlung der Auswirkungen
lem konzipiert ist. Nahe liegender wäre es der Theorie II. Ordnung am Gesamtsystem
Ersatzlängen nicht nach Maßgabe gleicher sind im Abschnitt 8.2 und in [DAfStb 525,
Knicklasten, sondern nach Maßgabe glei- 2003] Erläuterungen zu finden.
cher Verformungen zu bestimmen. Ent- Für schlanke Stützen oder Pfeiler, die als
sprechende Anmerkungen sind in [Quast/ Einzeltragsystem abgebildet werden kön-
Pfeiffer, 2003] enthalten. Bei der Festlegung nen, dürfen die Auswirkungen nach Theorie
der Ersatzlänge l0 sind wiederum die Inter- II. Ordnung vereinfachend nach dem Modell­
aktionen zwischen Bauwerk und Baugrund stützenverfahren ermittelt werden, wenn der
und die Lagerungsbedingungen am Fuß Querschnitt rechteckig oder rund ist und die
und Kopf der Stütze zu berücksichtigen. planmäßige Lastausmitte nach Theorie
Für die Schnittgrößenermittlung sind Un- I. Ordnung e0 mindestens h/10 ist. Da in der
sicherheiten bezüglich der Lage und Rich- Entwurfspraxis dieser Sach­verhalt 80% der
tung der Längskräfte durch Ansatz geome- Brücken betrifft, wird an dieser Stelle das
trischer Ersatzimperfektionen zu berück- Modellstützenverfahren erläutert.
sichtigen.
Für Einzeldruckglieder darf die geomet- Modellstützenverfahren
rische Ersatzimperfektion durch eine Erhö- Ausführliche Erläuterungen zu den Grund-
hung der vorhandenen Lastausmitte der lagen des Modellstützenverfahrens sind in
Längskräfte e0 um eine Zusatzausmitte ea , [Kordina/Quast, 2003] enthalten. Das im
in ungünstiger Richtung wirkend einge- [DIN-FB 102, 2009] beschriebene Modell-
führt werden. stützenverfahren überführt die Nachweise
1 l nach Theorie II. Ordnung in eine Quer-
ea = ⋅ 0 schnittsbemessung. Dabei dient die Ersatz-
100 ⋅ l 2
länge l0 nur zur Berechnung der zusätzli-
mit
chen Lastausmitte aus Verformungen nach
l Gesamthöhe des Tragwerks in m Theorie II. Ordnung.
712 8 Berechnung

Als Modellstütze wird eine am Fuß Wenn das Kriechen berücksichtigt werden
eingespannte Kragstütze definiert, die un- muss, darf dies durch eine Vergrößerung
ter den äußeren Einwirkungen eine einfach der Verkrümmung mit dem Faktor Kφ er-
gekrümmte Verformungsfigur aufweist, folgen.
wobei das maximale Moment am Stützen-
Kφ = 1 + β ∙ φeff ≥ 1
fuß auftritt. Der reale Verkrümmungsver-
lauf nähert sich mehr der Rechteckform, Dabei ist
je kleiner die H-Last und die bezogene
φeff die effektive Kriechzahl
Zusatzausmitte e2/h ist, der Dreiecksform
je größer die H-Last ist und wird umso φeff – φ(∞,t0) ∙ M1,perm/M1,Ed
mehr parabelförmig, je größer die bezoge-
M1,perm = Moment im GZG infolge der
ne Zusatzausmitte ist. Für große Schlank-
quasi-ständigen EWK
heiten mit großer Zusatzausmitte ergibt
sich ein annähernd parabelförmiger Ver- M1,Ed = Bemessungsmoment im GZT
krümmungsverlauf, so dass dieser Verlauf
β = 0,35 + fck/200 – λ/150 ≥ 0
zugrunde gelegt wird.
Die zweite Vereinfachung des Modell- Muss das Kriechen nicht berücksichtigt
stützenverfahrens besteht darin, dass grund- werden, gilt Kφ = 1,0.
sätzlich mit der zum Fließzustand gehören-
den Verkrümmung gerechnet wird. Die Zusatzausmitte e2 ergibt sich in Abhän-
Diese ergibt sich näherungsweise zu: 1
gigkeit von der Verkrümmung 3 des am
r
1 2 ∙ K2 ∙ Kφ ∙ εyd meisten gedehnten Querschnitts (Ein-
4 = — spannstelle) zu:
r 0,9 ∙ d
1
nach Gl. (4.69) [DIN-FB 102, 2009] mit e2 = K ⋅ l 2 ⋅
r
εyd Bemessungswert der Dehnung der
Bewehrung an der Streckgrenze In dieser Formulierung ist K der Beiwert
d Nutzhöhe des Querschnitts in Rich- für die Verkrümmung. Dieser beträgt für
tung Stabilitätsversagen den vorausgesetzten parabelförmigen Ver-
lauf ca. 4/10 bezogen auf l bzw. 1/10 bezo-
Innerhalb der Gleichung berücksichtigt der gen auf l0  . Zusätzlich wird noch ein Faktor
Beiwert K2 die Verkrümmungsabnahme K1 eingeführt, der den Übergang zwischen
bei gleichzeitigem Anstieg der Längs­ der reinen Querschnittstragfähigkeit bis
kräfte. λ = 25 und der ab λ = 35 maßgebenden
N ud − N Ed Stützentragfähigkeit regelt. Somit ergibt
K2 = sich die Zusatzausmitte e2 zu:
N ud − N bal
mit 4 l2 l2 1
e2 ≈ K1 ⋅ ⋅ = K1 ⋅ 0 ⋅
Nud Bemessungswert der Grenztragfähig- 10 r 10 r
keit des durch zentrischen Druck be- mit
anspruchten Querschnitts λ
NEd Bemessungswert der aufzuneh- K1 = 4 – 2,5 für 25 ≤ λ ≤ 35
10
menden Längskraft
=1 für λ > 35
Nbal aufnehmbare Längsdruckkraft bei
größter Momententragfähigkeit des Für weitere Hinweise sei auf [Kordina/
Querschnitts Quast, 2003] verwiesen.
8.6 Berechnung von Unterbauten 713

Die wesentlichen Randbedingungen des mitten und die Lagerungsbedingungen in


Modellstützenverfahrens bestehen im Ver- beiden Hauptebenen, die es nicht gestatten,
zicht der genauen Bestimmung der Ver- vereinfachte Verfahren anzuwenden.
krümmung und der Verformungsfigur. Die Mit abnehmender Lastausmitte und zu-
Verformungen sind somit näherungsweise nehmender Schlankheit ergeben sich grö-
unabhängig von der Art der Beanspruchung ßere Abweichungen des Modellstützenver-
und insbesondere von der noch unbe- fahrens zur Realität. Entsprechende Ver-
kannten Bewehrung. Es wird darauf hinge- gleichsbetrachtungen sind in [Kordina/
wiesen, dass infolge der grundsätz­lichen Quast, 2003] enthalten. Danach sind gerin-
Annahme der zum Fließzustand gehö- ge Abweichungen nur bei einem ausge-
renden Verkrümmung es sich bei der Zu- prägten Abknicken der Momenten- bzw.
satzausmitte e2 nicht um die im Grenzzu- Verkrümmungslinie im Bereich des Fließ-
stand der Tragfähigkeit tatsächlich auftre- punkts zu erwarten, d. h. bei hohen Beweh-
tende Stützenverformung ­handelt. Hierzu rungsgraden und randnaher Bewehrung.
siehe auch [Kordina/Quast, 2003]. Somit Verallgemeinerbare Untersuchungen hin-
kann auch die ermittelte Stützenverfor- sichtlich der Abweichungen des Modell-
mung nicht zur Beur­teilung von Lager­ stützenverfahrens wurden bislang nicht
wegen herangezogen werden. durchgeführt. Die Realitätsnähe der mittels
Das auf die Modellstütze einwirkende Modellstützenverfahren gefundenen Lö-
Gesamtmoment setzt sich aus dem Momen­ sung kann verbessert werden, in dem die
tenanteil M1 nach Theorie I. Ordnung und Spitzenausbiegung in Abhängigkeit von
dem Momentenanteil M2 nach Theorie den einwirkenden Lasten und unter Be-
II. Ordnung zusammen. rücksichtigung der Pfeilereigenlast und der
Gründungssteifigkeit korrigiert und somit
M = M1 + M2 = M1 + N ∙ etot
der Momentenanteil M2 verbessert wird.
Die Gesamtausmitte etot setzt sich aus den
drei Anteilen e0 , ea und e2 zusammen: Anwendung nichtlinearer Verfahren der
Schnittgrößenermittlung
etot = e0 + ea + e2
Für Systembetrachtungen und insbesonde-
mit re, wenn die zugehörigen Verformungen
zur Beurteilung von Lagerwegen bekannt
e0 = Lastausmitte nach Theorie I. Ord-
sein müssen, sind nichtlineare Verfahren
nung
anzuwenden. Bei der Anwendung nichtli-
ea = Zusatzausmitte infolge geometrischer
nearer Verfahren sind die Verformungen
Ersatzimperfektion
und die daraus resultierenden Schnitt­
e2 = Lastausmitte nach Th. II. Ordnung
größen auf der Grundlage der Spannungs-
Damit ist das Gesamtbiegemoment im ver- Verzerrungs-Linien für Beton und Beton-
formten Zustand bekannt. Die Ermittlung stahl zu berechnen. Zur realitätsnahen Ver-
des Bewehrungsanteils kann dann mit Hil- formungsberechnung sind Baustoffmittel-
fe von Interaktionsdiagrammen, z. B. ent- werte zu verwenden, da die Verformung als
sprechend [DAfStb 525, 2003], erfolgen. integrale Größe nur geringfügig von loka-
Die Ansätze des Modellstützenverfahrens len Schwachstellen abhängt. Da der Nach-
lassen sich grundsätzlich auch auf Druck- weis der Querschnittstragfähigkeit mit Be-
glieder mit zweiachsiger Lastausmitte über- messungswerten erfolgt, ergibt sich somit
tragen, jedoch verbleiben zusätzliche Para- eine iterative Vorgehensweise.
meter, wie die Seitenverhältnisse des Quer- Im [DIN-FB 102, 2009] ist das soge-
schnitts, der Verlauf der bezogenen Lastaus- nannte „Rechenwertverfahren“ aufgenom-
714 8 Berechnung

men. Dabei werden rechnerische Mittel- wählen. Nach [DIN-FB 102, 2009], Anhang 2
werte der Baustofffestigkeiten für Beton darf der versteifende Einfluß aus der Mitwir-
und Stahl definiert, die anschließend die kung des Betons auf Zug zwischen den Rissen
Anwendung eines einheitlichen Teilsicher- durch Ansatz einer wirksamen mittleren
heitsfaktors von γR = 1,3 ermöglichen. Spannungs-Dehnungs-Linie für den Stahl im
Rechnerische Mittelwerte der Baustoff- Verbund bei Annahme einer gerissenen Be-
festigkeiten: tonzugzone berücksichtigt werden.
fyR = 1,1 ∙ fyk Die Berücksichtigung der Gründungs-
steifigkeiten, kann durch Feder – Modelle
(Streckgrenze des Betonstahls)
erfolgen. Angaben zu Feder-Modellen für
ftR = 1,08 ∙ fyR verschiedene Gründungsvarianten und die
(Zugfestigkeit des Betonstahls) Ermittlung der jeweiligen Federsteifig-
keiten finden sich z. B. in [Klöker, 1997].
fcR = 0,85 ∙ α ∙ fck = 0,852 ∙ fck
(Betondruckfestigkeit) Mindestbewehrung
Der Grenzzustand der Tragfähigkeit gilt als Unabhängig von der Methode der Schnitt-
erreicht, wenn in einem beliebigen Quer- größenermittlung und Nachweisführung
schnitt ist eine konstruktive Mindestbewehrung
• die kritische Stahldehnung von εsu = vorzusehen. Für die einzulegende Mindest-
bewehrung sind nachfolgende ­Kriterien
0,025 oder
• die kritische Betonstauchung von εc1u = einzuhalten:
–0,0035 oder • Die Mindestlängsbewehrung der gesam-
• am Gesamtsystem oder Teilen davon der ten Querschnittsfläche ergibt sich zu:
kritische Zustand des indifferenten
Gleichgewichts 0,15 N Ed
As ,min = ≥ 0,003 Ac
erreicht ist. f yd
Quast erläutert in [Quast, 2000], dass
≤ ∅ 16 mm, s = 150 mm
dieses Verfahren für die zutreffende Be-
fyk
rechnung ungeeignet sei, da unnötigerwei- mit fyd = 8
se auch der Elastizitätsmodul des Beton- γS
stahls reduziert wird und es somit zu un- • Der Bewehrungsquerschnitt darf, auch
wirtschaftlichen Ergebnissen führen kann. im Bereich von Bewehrungsstößen 9%
So können sich unter Anwendung des der Fläche des Betonquerschnitts nicht
„Rechen­wertverfahrens“ in besonderen überschreiten. Der Durchmesser der
Fällen Abminderungen der zulässigen Stüt- Querbewehrung muss mindestens 25%
zenlasten auf bis zu 70% gegenüber der Ver- des Größtdurchmessers der Längsbeweh-
wendung geteilter Teilsicherheitsbeiwerte rung und mindestens 10 mm betragen.
ergeben. Der Anwender sollte sich der Ab-
weichungen des Rechenwertverfahrens be- Nachweis gegen Anprall:
wusst sein.
Der versteifende Einfluss aus der Mitwir- Stützen, die Einwirkungen aus Fahrzeugan-
kung des Betons auf Zug zwischen den Ris- prall ausgesetzt sind, sind entweder als aus-
sen (tension stiffening) ist zu berücksichti- zufallende Bauteile zu betrachten oder
gen. Er darf vernachlässigt werden, wenn müssen einen hinreichenden Widerstand
dies auf der sicheren Seite liegt. Zur Berück- besitzen, der die Aufnahme der kinetischen
sichtigung ist ein geeignetes Verfahren auszu- Energie ermöglicht.
8.6 Berechnung von Unterbauten 715

Bei einer Gefährdung durch Straßenver- Konstruktive Bewehrungsvorgaben sind


kehr ist der Nachweis auf Anprall in folgen- im [DIN-FB 102, 2009] enthalten. Für die
den Fällen nicht erforderlich: Nachweisführung sind folgende Einwir-
kungskombinationen maßgebend:
• volle rechteckige Stahlbetonquerschnitte
mit einer Länge l von mind. 1,6 m in Sd = 1,0 ∙ Gk + 1,0 ∙ Pk + Ad
Fahrtrichtung und einer Breite b quer + 1,0 ∙ (0,75 ∙ Ql,TS + 0,4 ∙ Ql,UDL)
zur Fahrtrichtung von b = 1,6 – 0,2 ∙ l ≥ oder
0,9 m
Sd = 1,0 ∙ Gk + 1,0 ∙ Pk + Ad
• bei Stahlbetonhohlpfeilern mit einer
Mindestwandddicke von 0,60 m. + 1,0 ∙ 0,3 ∙ QFw
oder
Wird das stützende Bauteil als ausfallendes
Sd = 1,0 ∙ Gk + 1,0 ∙ Pk + Ad
Bauteil betrachtet, sind zur Sicherung des
Lichtraumprofils die daraus resultierenden Nachweispflichtige anprallgefährdete Stüt-
Verformungen unter der häufigen Einwir- zen und Pfeiler sind außerhalb geschlos-
kungskombination nachzuweisen. sener Ortschaften und bei untergeordneten
Die Aufnahme der Anprallasten ist durch Straßen durch besondere Maßnahmen
das elastische Tragvermögen der Stütze zu sichern. Dazu gehören durchgehende
nachzuweisen, wobei der Ausfall einer Zer- Schutzeinrichtungen mit mindestens 1 m
schellschicht in Rechnung zu stellen ist. Des- Abstand vor der zu schützenden Konstruk-
weiteren ist die Schubdeckung nachzuwei- tion oder Betonsockel mit einer Mindest-
sen, wobei eine abgeminderte Bewehrungs- höhe von 80 cm, die über die Außenkante
menge eingelegt werden kann, wenn die des zu schützenden Bauteils um mindes­
Längsbewehrung vom Anprallbereich bis tens 2 m in Fahrtrichtung und 0,5 m quer
zur Einspannstelle zweilagig geführt wird. dazu hinausragen.

Bild 8.6.3‑1   Pfeilergeometrie
716 8 Berechnung

und vergleichsweise mittels einer nichtline-


aren Schnittgrößenermittlung. Die Einwir-
kungen auf die Stütze wurden vorab unter
Berücksichtigung des Systemtragverhaltens
ermittelt, die Betrachtung des Pfeilers als
Bild 8.6.3‑2   Pfeilerquerschnitt Einzeldruckglied im Sinne der Nachweis-
führung ist zulässig.

Baustoffkennwerte, System und


Einleitung der Stützenkräfte in das
Abmessungen
Fundament
Baustoffkennwerte:
Bei der Ausführung von Flachgründungen
werden die Pfeiler/Stützenkräfte in der Re- Beton: C30/37 mit
gel ohne zusätzliche Fußverstärkung in die
fcd = 0,85 ∙ 30 000/1,5 = 17 000 kN/m2
Fundamentsplatte eingeleitet und auf Bie-
gung abgetragen. Regelungen zur Nach- Stahl: BSt 500 S mit
weisführung des Fundaments sind im Ab-
fyd = 500 000/1,15 = 434 800 kN/m2
schnitt 8.6.4 enthalten.
ftd = 525 000/1,15 = 456 500 kN/m2

8.6.3.3 Berechnungsbeispiel – Stützenlänge:


Nachweisführung für schlanken Pfeiler L = 25,0 m
Am Beispiel eines schlanken Brückenpfei- Querschnittsabmessungen:
lers erfolgt die Nachweisführung im Grenz-
zustand der Tragfähigkeit unter Berücksich- b/dy /dy1 = 5,0/4,92/0,08 m
tigung der Verformungen zum einen auf der
Grundlage des Modellstützenverfahrens h/dx/dx1 = 1,5/1,42/0,08 m

charakteristische Werte der Einwirkungen:


1 Auflagerkraft infolge ständiger Einwirkungen BV,   G = 10 595 kN
2 Auflagerkraft infolge Vorspannung BV,   P = 180 kN
3.1
Auflagerkraft infolge Verkehr (gr1) BV,   gr1 = 3260 kN
3.2
Auflagerkraft infolge Verkehr (Achslast TS) BV,   TS = 800 kN
3.3
Auflagerkraft infolge Verkehr (Flächenlast UDL) BV,   UDL = 2460 kN
4 Horizontalkraft infolge Bremsen/Anfahren BH,   lk = 514 kN
5 Horizontalkraft aus Windangriff auf Brückenüberbau BH, W1 = 296 kN
(ohne Verkehr)
6 Horizontalkraft aus Windangriff auf Brückenüberbau BH, W2 = 541 kN
(mit Verkehr)
7 aus Windangriff auf Stütze w = 1,2 kN/m

8.6 Berechnung von Unterbauten 717

Tabelle 8.6.3-1   Berechnungsbeispiel - Zusatzmomente infolge ea und e2

Annahmen: Stützenfuß starr eingespannt Kφ = 1 + β ∙ φeff ≥ 1


Stützenkopf frei verschieblich β = 0,35 + fck/200 – λ/150
l0 = 2 * L
βx = 0,35 + 30/200 – 115,5/150 = –0,27 < 0
βy = 0,35 + 30/200 – 34,6/150 = 0,27 > 0
Kφ,x = 1
Kφ,y = 1 + 0,27. φeff
Eine Berücksichtigung der Kriechauswir-
kungen braucht nur für den Nachweis um
die starke Achse des Querschnitts zu erfol-
ungewollte Ausmitte ea infolge Imperfektion gen. Auf eine Verfolgung dieses Einflusses
wird im Rahmen dieses Beispiels verzich-
1 l l 25 tet, da die Beanspruchung in der Richtung
ea = ⋅ 0= = = 0,05 m nicht maßgebend für den Nachweis wird.
100 ⋅ l 2 100 100
Ermittlung der maßgebenden Einwirkungs-
zusätzliche Lastausmitte e2 infolge Auswir- kombinationen:
kungen nach Theorie II. Ordnung
a) Beanspruchung in Längsrichtung:
φ EWK (Einwirkungskombination) 1 –
φ Verkehrslastgruppe gr1 als Leiteinwir-
kung
Ed = 1,35 ∙ G + 1,0 ∙ P + 1,5 ∙ Qgr1
= 1,35 ∙ LF1 + 1,0 ∙ LF2 + 1,5 ∙ LF3.1
NSd = –1,35 ∙ 10595 – 1,0 ∙ 180
– 1,5 ∙ 3260
= –19 373 kN
718 8 Berechnung

MSd,y = 1,35 ∙ 9541 + 1,0 ∙ 162 + 1,5 ∙ 2936 Dimensionsloser Bemessungswert der
= 17 446 kNm größten Längskraft:

EWK 2 – Verkehrslastgruppe gr2 als Ac ∙ fcd = 1,5 ∙ 5,0 ∙ 0,85 ∙ 30 000/1,5


Leiteinwirkung = –127500 kN
Ed = 1,35 ∙ G + 1,0 ∙ P + 1,5 ∙ Qgr2 νEd = –19 373/–127500 = 0,152 < 0,5
= 1,35 ∙ LF1 + 1,0 ∙ LF2 → in allen Kombinationen liegt die Bean-
+ 1,5 ∙ (LF4 + 0,75 ∙ LF3.2 spruchung im Zugbruchbereich, die Be-
+ 0,40 ∙ LF3.3) messung erfolgt deshalb vereinfacht nach
[Kordina/Quast, 2003]
NSd = –1,35 ∙ 10 595 – 1,0 ∙ 180
– 1,5 ∙ (0,75 ∙ 800 + 0,40 ∙ 2460) Noc = –Ac ∙ fcd = –127500 kN
= –16 859 kN
Ermittlung der erforderlichen Bewehrung:
MSd,y = 1,35 ∙ 9541 + 1,0 ∙ 162 + 1,5
∙ (12 850 + 0,75 ∙ 720 + 0,40 ∙ 2215) EWK 2 → maßgebend für
Beanspruchung in Längsrichtung
= 34 457,0 kNm
h N 
b) Beanspruchung in Querrichtung M c = N Sd ⋅ ⋅  Sd − 1
2  N 0c 
EWK 3 – Verkehrslastgruppe gr1 als
1,5 16859 
Leiteinwirkung = −16859 ⋅ ⋅  − 1 = 10972,5
Ed = 1,35 ∙ G + 1,0 ∙ P + 1,5 ∙ Qgr1 2  127500 
+ 1,5 ∙ 0,3 ∙ (QW2 + Qw)
= 1,35 ∙ LF1 + 1,0 ∙ LF2 + 1,5 ∙ LF3.1 MSd,II − M c
A s, erf =
+ 0,45 (LF6 + LF7) zs1 ⋅ f yd
NSd = –1,35 ∙ 10595 – 1,0 ∙ 180 34457,0 − 10972,5
– 1,5 ∙ 3260 = = 806,2 cm2
0,67 ⋅ 43,5
= –19 373 kN
MSd,x = 1,35 ∙ 3131 + 1,0 ∙ 53 + 1,5 ∙ 963 EWK 4 → maßgebend für
+ 0,45 ∙ (18375 + 938) Beanspruchung in Querrichtung
= 14 415 kNm h  N Sd 
M c = NhSd ⋅ N⋅ Sd
 − 1
Mc = N Sd ⋅ ⋅ 2  N−01 
EW K 4 – Wind als Leiteinwirkung 2  N 0c   c

5,0  10775
Ed = 1,0 ∙ G + 1,0 ∙ P + 1,5 ∙ QW1 = −107755,0,0⋅  10775
⋅ − 1
= 1,0 ∙ LF1 + 1,0 ∙ LF2 + 1,5 = −10775,0 ⋅ ⋅ 2  127500− 1 
2  127500 
∙ (LF5 + LF7) = 24661 kNm
= 24661 kNm
NSd = –1,0 ∙ 10595 – 1,0 ∙ 180
= –10 775 kN MSd ,II − M c
As ,erf =
MSd, x = 1,0 ∙ 3131 + 1,0 ∙ 53 + 1,5 zs1 ⋅ f yd
∙ (13750 + 938)
25215,0 − 24661
= 25 215 kNm = = 5,3 cm2
2,42 ⋅ 43,5
Mindestbewehrung maßgebend
8.6 Berechnung von Unterbauten 719

Ermittlung der Mindestbewehrung rücksichtigung der Pfeilereigenlast erhöht


sich der Bemessungswert der Normalkraft
As, min = 0,15 ∙ 19 373,3/43,5 = 66,8 cm2
auf:
> 0,003 ∙ 500 ∙ 150 = 225 cm2
NSd = –23 187 kN.
< ∅ 16/15 : 84 ∅ 16 = 168,9 cm2 Bei der Bewehrungsvariante a) erhöht sich
Unter Anwendung des Modellstützenver- das Bemessungsmoment MSd = 29826 kNm.
fahrens ergibt sich für den Pfeilerquerschnitt Infolge der größeren Normalkraft reduziert
im Einspannbereich ein erforderlicher sich die erforderliche Bewehrung auf­
Bewehrungsquerschnitt von 806 cm², d. h. 630 cm² (� 93,7%).
ein Bewehrungsgrad von ≈ 1,1% des Be­ Im Fall der Bewehrungsvariante b)
tonquerschnitts. Das Bemessungsmoment steigt das Bemessungsmoment auf MSd =
an der Einspannstelle in der maßgeben­ 31 880 kNm. Die erforderliche Bewehrung
den Nachweiskombination 2 beträgt da­bei steigt auf 840,6 cm2 (� 97,1%).
≈ 34500 kNm. Nachfolgend erfolgt ein
­Vergleich mit den Ergebnissen einer nicht- Mit diesem Beispiel wird gezeigt, dass die
linearen Berechnung auf der Basis des nichtlineare Berechnung gegenüber dem
­Rechenwertkonzepts nach [DIN-FB 102, Modellstützenverfahren für den Fall der
2009]. durchgehenden Längsbewehrung einen
­geringeren Bewehrungsgrad in der Stütze
Ergebnisse der nichtlinearen Berechnung (630 cm² gegenüber 806 cm², entsprechend
Zum Vergleich mit den Ergebnissen des
Modellstützenverfahrens wird die nichtli-
neare Berechnung zunächst ohne Berück-
sichtigung der Eigenlast der Stütze geführt.
a) konstante Bewehrung über die
Pfeilerhöhe:
Für die maßgebende Einwirkungskom-
bination 2 ergibt sich ein erforderlicher
Bewehrungsquerschnitt von 672 cm2.
Das Bemessungsmoment an der Ein-
spannstelle beträgt Msd = 28 206 kNm.
b) abgestufte Bewehrung über die
Pfeilerhöhe:
Für die maßgebende Einwirkungskom-
bination 2 ergibt sich ein erforderlicher
Bewehrungsquerschnitt von 865 cm² an
der Einspannstelle. Die erforderliche Be-
wehrung geht bei einer Pfeilerhöhe von
ca. 15 m auf die Mindestbewehrung zu-
rück. Das Bemessungsmoment beträgt
Msd = 30 350 kNm.
Bei der vorhandenen Pfeilergeometrie kann
der Einfluss der Pfeilereigenlast nicht ohne Bild 8.6.3‑3   Erforderliche Pfeilerbewehrung
weiteres vernachlässigt werden. Unter Be- im Fall a) und b)
720 8 Berechnung

Tabelle 8.6.4-1   Versagensursachen und Grenzzustände bei Nachweis der Tragfähigkeit

also nur 78%) ermöglicht. Bei konsequen- wird der Grenzzustand der Tragfähigkeit
ter Berücksichtigung der erforderlichen unterteilt.
Bewehrung im Querschnitt mit der Min- In der Regel sind folgende Nachweise zu
destbewehrung als Untergrenze wird am führen:
Stützenfuß eine 4,2% höhere erforder­liche
• Nachweis der Einhaltung der zulässigen
Bewehrung gegenüber dem Modellstützen-
Ausmittigkeit der Sohldruckresultie-
verfahren ausgewiesen. Dies ist in der
renden anstelle des Kippsicherheits-
­Praxis unbedeutend, da die Bewehrung ­am
nachweises (GZ 1A)
Stützenfuß immer über eine ­gewisse Höhe
• Nachweis der Gleitsicherheit (GZ 1B)
geführt wird, was in der nichtlinearen
• Nachweis der Grundbruchsicherheit
­Berechnung unberücksichtigt blieb.
(GZ 1B)
• Nachweis der zulässigen Lage der Sohl-
druckresultierenden (GZ 2)
8.6.4 Berechnung von Gründungen
Als Ersatz für den Grundbruchsicherheits-
8.6.4.1 Einführung nachweis darf in einfachen Fällen der Nach-
weis der zulässigen Sohlpressungen geführt
Grundlage der Nachweisführung für die werden.
aufgehenden Betonbauteile der Unter- Beim Einsatz von Flachfundamenten
bauten ist die ausreichende Standsicherheit erfolgt die Einleitung von Pfeiler-, Stützen-
des Gründungskörpers. Im Gründungsbe- oder Wandlasten in der Regel ohne Fußver-
reich treffen sich die Sicherheits­phi­lo­so­ stärkung. Die Kräfte werden anschließend
phien des konstruktiven Ingenieurbaus und über flächige Biegung in den Baugrund
des Grundbaus. Eine detaillierte Problem­ übertragen. Das Fundament ist im Grenz-
beschreibung für die Schnittgrößenermitt- zustand der Tragfähigkeit auf Biegung und
lung und Nachweisführung ist auch aus den auf Durchstanzen nachzu­weisen.
genannten Gründen nicht Gegenstand des
Abschnittes 8.6.4. Dafür wird auf die um-
fangreiche Literatur des Grundbaus wie 8.6.4.2 Schnittgrößenermittlung
[Simmer, 1999], [Smoltczyk, 2001] oder
[Möller, 2003] verwiesen. Im Folgenden Bei der Schnittgrößenermittlung von Grün-
werden deshalb die wesentlichen Probleme dungen muss der gegenseitige Einfluss von
genannt und die Standardaufgaben aufge- Verformungen des Bodens und des Bau-
zeigt. Entsprechend den Versagensursachen werks berücksichtigt werden.
8.6 Berechnung von Unterbauten 721

Flachgründungen tigt. Das Tragwerk wird dazu unter den


Die Interaktion Boden – Bauwerk beschreibt aufgebrachten Fundamentverformungen
die Wirkung der relativen Setzungsunter- berechnet.
schiede infolge der einwirkenden Lasten auf
Grad 3: Hierbei handelt es sich um eine
die Schnittgrößen des Tragsystems und um-
komplett interaktive Vorgehensweise, in
gekehrt. Ist der Überbau sehr elastisch oder
der das gesamte Tragsystem berücksichtigt
kann das Fundament bzw. der Untergrund
wird.
als sehr steif angenommen werden, sind die
relativen Setzungen vernachlässigbar. Die Die gemeinsame Modellierung von Über-
vom Überbau auf die Gründung übertra­ bau und Gründung und die programm­
genen Lasten werden dabei nicht verändert. gestützte iterative Berechnung der Stu­fe 3
In allen weiteren Fällen ist die Interaktion ist inzwischen die übliche Vorgehens­
durch eine iterative Berechnung zu berück- weise.
sichtigen.
Entsprechend [DIN EN 1992-1-1, 2005] Pfahlgründungen
werden bei der Schnittgrößenermittlung Bei der Schnittgrößenermittlung und Nach-
für die Nachweisführung folgende Genau- weisführung von Pfahlgründungen ist ins-
igkeitsgrade unterschieden: besondere die Interaktion der Pfähle zu
berücksichtigen. Die Interaktion hängt
Grad 0: In dieser Stufe kann eine lineare hauptsächlich vom gegenseitigen Abstand
Verteilung der Bodenpressung angenom- der Pfähle, dem Verhältnis Länge zum
men werden, wenn die Bodenpressung Durchmesser der Pfähle, der Steifigkeit der
nicht die Bemessungswerte im Grenzzu- Pfähle in Relation zum umgebenden Boden
stand der Tragfähigkeit und im Grenzzu- und der sich ändernden Bodensteifigkeit
stand der Gebrauchstauglichkeit übersteigt. in Abhängigkeit von der Tiefe ab. Weiter-
Zusätzlich dürfen Setzungen im Grenzzu- führende Angaben können [Smoltczyk,
stand der Gebrauchstauglichkeit nicht von 2001] entnommen werden. Zu kombi-
Bedeutung sein, das Tragwerksystem muss nierten Pfahl – Platten Gründungen sei auf
im Grenzzustand der Tragfähigkeit genü- [Hanisch, 2002] oder [Baesmann/Riz­
gend plastische Verformungsreserven auf- kalla, 2000] verwiesen.
weisen.
Grad 1: Die Bodenpressungen können be-
stimmt werden, indem die relative Steifig- 8.6.4.3 Berechnungsbeispiele für Gründungen
keit des Fundaments und des Bodens und
die daraus resultierenden Verformungen 8.6.4.3.1 Nachweisführung für eine
bewertet werden. Für die Beurteilung, ob Flachgründung
sie in akzeptablen Grenzen liegen, müssen
Für das Berechnungsbeispiel des Widerla-
genügend Erfahrungswerte vorliegen, das
gers aus 8.6.3.2 erfolgt die Nachweisführung
die Gebrauchstauglichkeit nicht durch Bo-
für die Flachgründung und damit der
denverformung beeinflusst wird und dass
­Nachweis der Tragfähigkeit des Widerlagers.
das Tragwerkssystem ein ausreichend duk-
Geometrie und Abmessungen sind Ab-
tiles Tragverhalten im Grenzzustand der
schnitt 8.6.2.3 zu entnehmen. Die im nach-
Tragfähigkeit aufweist.
folgenden verwendeten Bezeichnungen und
Grad 2: Der Einfluss der Untergrundver- Symbole entsprechen [DIN-FB 101, 2009],
formung auf den Überbau wird berücksich- [DIN-FB 102, 2009] und [DIN 1054, 2005].
722 8 Berechnung

Tabelle 8.6.4-2   Fallbildung der gleichzeitig auftretenden Einwirkungen

Tabelle 8.6.4-3   Summe der Schnittgrößen in der Bodenfuge infolge der charakteristischen Ein-
wirkungen entsprechend Tabelle 8.6.4-2

Zusammen mit den Bremslasten sind


innerhalb der Lastgruppe 2 nur die häu-
figen Anteile der vertikalen Verkehrslasten
aus dem Lastmodell 1 zu berücksichtigen.
Die Nachweisführung für die Tragfähig-
keit des Widerlagers beinhaltet den Nach-
weis der zulässigen Lage der Resultierenden
und zulässigen Ausmitte der Sohldruckre-
sultierenden, den Gleitsicherheitsnachweis
und den Grundbruchsicherheitsnachweis Bild 8.6.4‑1   Fundamentgrundriss bei zwei­
bzw. in einfachen Fällen den Nachweis der achsiger Lastausmitte
zulässigen Bodenpressung.
8.6 Berechnung von Unterbauten 723

Die Nachweise der zulässigen Lage der Nachweis der Gleitsicherheit (GZ 1B)
resultierenden und der zulässigen Boden- Anstelle des Erdruhedrucks wird der aktive
pressungen sind unter Berücksichtigung Erddruck berücksichtigt. Es wird in der Re-
der charakteristischen Werte unter stän- gel kein entlastender Erddruck Eptd auf der
diger und veränderlicher Einwirkungen für Luftseite des Widerlagers in Ansatz ge-
die ständige und vorübergehende Bemes- bracht.
sungssituation zu führen. Nachweisformat: Td < Rtd + Ep, d
Nachweis der zulässigen Lage der Bemessungswerte der Einwirkung in
Sohldruckresultierenden Richtung des Gleitens
Fundamentabmessungen:
Für den Gleitsicherheitsnachweis wird der
a = 16,4 m; b = 3,0 m aktive Erddruck berücksichtigt. Die Schnitt-
Forderung unter Gesamtlast: Ausmitte liegt größen aus dem Erdruhedruck werden im
innerhalb der 2. Kernweite Verhältnis η = ka,h / k0 = 0,64 abgemindert.

2 2 EWK (Fall 1)
 xe  +  ye  ≤ 1
   
a b 9 Td = TGd = γG ∙ η ∙ Eagh
= 1,35 ∙ 0,64 ∙ 1034,9 kN = 894,2 kN
EWK (Fall 6) ye = 0,39; xe = 0,20
EWK (Fall 6)
2 2
 0,39   0,20  1 Td = TGd + TQd1 = 894,2 + 1,5 ∙ 0,64
  +  = 0,017 ≤ = 0,11
 3,0   16,4  9 ∙ (1730,9 – 1034,9)
= 1562,4 kN
EWK (Fall 7) ye = 0,19; xe = 0,43
2 2 Bemessungswert des Gleit­widerstands
 0,19   0,43  1 günstig wirkende veränderliche Einwir-
  +  = 0,0047 ≤ = 0,11
 3 ,0   16,4  9 kungen sind nicht zu berücksichtigen
Rtd = Rtk/γGl γGl = 1,1
EWK (Fall 9) ye = 0,33; xe = 0,30
Rtk = Nd ∙ tan δsk δsk = φk′ bei Ortbeton
2 2
 0,33   0,30  1 Nd = Nk ∙ γ γG = 1,0 für ständige
  +  = 0,012 ≤ = 0,11
 3,0   16,4  9 Einwirkungen
NW erfüllt Nd = 1,0 ∙ 7278,7 kN = 7278,7 kN
Rtd = Nd ∙ tan δsk/γGl
Rtd = 7278,7 kN ∙ tan 34°/1,1
= 4463,2 kN
Nachweis:
Rtd > Td = 4463,2 kN > 1562,4 kN
NW erfüllt
Bild 8.6.4‑2   Nachweis der Gleitsicherheit
724 8 Berechnung

Nachweis der zulässigen Sohldrücke EWK (Fall 1)


(GZ 2) Fx = 1034,9 kN; Fz = 7278,7 kN
als Ersatz für Grundbruchnachweis
tan δs = 1034,9/7278,7 = 0,142 < 0,2
Kontrolle der Anwendbarkeit für Anwendung möglich
maßgebende Kombinationen
EWK (Fall 6)
Bedingung: tan δs = Fx, y /Fz ≤ 0,2
Fx = 1730,9 kN; Fz = 7573,7 kN
tan δs = 1730,9/7573,7 = 0,229 > 0,2
Anwendung nicht möglich
EWK (Fall 7)
Fx = 1138,4 kN; Fz = 8547,8 kN
tan δs = 1138,4/8547,7 = 0,133 < 0,2
Anwendung möglich
EWK (Fall 9)
Fx = 1401,9 kN; Fz = 8093,8 kN
tan δs =1401,9/8093,8 = 0,173 < 0,2
Anwendung möglich

Ermittlung der reduzierten Fundament­


abmessungen bx′ und by′ infolge Ausmitte
b′ = b – 2 ∙ eb = 3,0 m – 2 ∙ eb
a′ = a – 2 ∙ ea = 16,4 m – 2 ∙ ea
σvorh = Fz/(a′ ∙ b′)

Vergleich mit zulässigen Bodenpressungen


EWK (Fall 1)
σzul, Grundbruch = 700 ∙ (1 – 0,142)2
Bild 8.6.4‑3   Rechnerische Grundfläche = 515 kN/m²

Tabelle 8.6.4-4   Berechnungsbeispiel – vorhandene Bodenpressungen


8.6 Berechnung von Unterbauten 725

Bild 8.6.4‑4   Grundbruchsicherheitsnachweis

EWK (Fall 7) Nachweisformat: Nd ≤ Rnd mit


0,133)2
σzul, Grundbruch = 700 ∙ (1 – Nd Bemessungswert der rechtwinklig zur
= 526 kN/m2 Sohlfläche gerichteten Komponente
der Resultierenden
EWK (Fall 9) Rnd = RN, k /γGr Bemessungswert des Sohl­
σzul,Grundbruch = 700 ∙ (1 – 0,173)2 druck­widerstands, ermittelt aus dem
= 478 kN/m2 charakteristischen Grundbruchwider-
stand RN, k /γ nach [DIN 4017, 2006]
zulässige Bodenpressungen sind eingehal-
ten → NW erfüllt Nd = 1,35 ∙ 7278,7 kN + 1,5
∙ (7573,7 – 7278,7) = 10 268,6 kN
Grundbruchsicherheitsnachweis
(GZ 1B) Fxd = 1,35 ∙ 1034,9 + 1,5
Für den Fall 6 wird der Nachweis der ∙ (1730,9 – 1034,9) = 2441,1 kN
Grundbruchsicherheit geführt, da der An-
tan δd = 2441,1/10268,6 = 0,238
teil der Horizontalkraft mehr als 20% der
(Bemessungswerte)
wirkenden Vertikalkraft beträgt und somit
der Nachweis über die zulässigen Boden- tan δ =1730,9/7573,7 = 0,229
pressungen nicht anwendbar ist. (charakteristische Werte)
726 8 Berechnung

Rn,k = a´ ∙ b´ ∙ σn,k Durch das Einhalten der maßgebenden


Nachweise ist somit die Standsicherheit des
σn,k = (c ∙ Nc + γ1 ∙ d ∙ Nd + γ2 ∙ b´ ∙ Nb) Widerlagers gewährleistet. Im nachfolgen-
den erfolgt die Bemessung des Fundaments.



Kohäsions­­

Gründungs­ Gründungs-
breitenanteil Nachweis für Biegung
anteil tiefenanteil
Der Nachweise für Biegung im Grenzzu-
mit stand der Tragfähigkeit wird für die ständi-
ge und vorübergehende Bemessungssitua-
γ1 Wichte des Bodens oberhalb der Grün-
tion in den jeweiligen maßgebenden Be-
dungssohle
messungsschnitten geführt.
γ2 Wichte des Bodens unterhalb der
Gründungssohle
Vorhandene Bodenpressungen für
d geringste Gründungstiefe unter Gelän-
Bemessung des Fundaments
deoberfläche
Fz d M xd M yd
Nd = Nd0 ∙ νd ∙ κd ∙ λd ∙ ξd σ vorh = + +
A Wx Wy
Nb = Nb0 ∙ νb ∙ κb ∙ λb ∙ ξb
Fzd eb ⋅ Vd ea ⋅ Vd
Nd0 = 18,0; Nb0 = 10,0 (φ′ = 30°) = + +
A Wx Wy
b’ 2,22
vd = 1 + ⋅ sinϕ ’ = 1 + ⋅ sin 30° = 1,07 Fundamentwerte:
a’ 16,0
A = 3,0 ∙ 16,4 = 49,2 m2
b’ 2,22
v b = 1 − 0,3 ⋅ = 1 − 0,3 ⋅ = 0,958 Ix = 3,0 ∙ 16,43/12 = 1102,74 m4
a’ 16,0
Iy = 16,4 ∙ 3,03/12 = 36,9 m4
kd = (1 − 0,7 ⋅ tan δ )3 Wx = 134,48 m3
= (1 − 0,7 ⋅ 0,229)3 = 0,592
Wy = 24,6 m3

kb = (1 − tan δ )3 = (1 − 0,229)3 = 0,458

λd = λb = 1,0; ξd = ξb = 1,0
Der Kohäsionsanteil wird nicht berück-
sichtigt.
σN, k = 618,4 kN/m2
RN, k = a′ ∙ b′ ∙ σN, k = 2,22 ∙ 16,0 ∙ 618,4
= 21 964,5 kN

Gr

Nachweis erfüllt

Auf die Ermittlung der Setzungen wird im


Rahmen dieses Beispiels verzichtet. Bild 8.6.4‑5   Fundamentgrundriss
8.6 Berechnung von Unterbauten 727

EWK (Fall 7) (maßgebend) 1,22 (231 − 175) ⋅ 1,22


mB − B = 175 ⋅ +
Fzd = 1,35 ∙ 7279 + 1,5 ∙ (8548 – 7279) 2 3
= 11 729,9 kN = 152,9 kNm/m
Mxd = 1,35 ∙ 1237,4 + 1,5 ∙ (0,19 – 0,17) → maßgebend
∙ (8548 – 7279) = 1708,6 kNm (231 − 175) ⋅ 1,2
qB −B = 175 ⋅ 1,2 +
Myd = 1,5 ∙ 0,43 ∙ (8548 – 7279) 2
= 818,6 kNm = 243,6 kN/m
σd, 1 = 238,4 + 6,1 + 69,5 = 314 kN/m2 → maßgebend

σd,  2 = 238,4 + 6,1 – 69,5 = 175 kN/m2 fck = 25 MN/m2


σd,  3 = 238,4 – 6,1 + 69,5 = 302 kN/m2 f ck 25
f cd = α ⋅ = 0,85 ⋅ = 14,16 MN/m2
σd,  4 = 238,4 – 6,1 – 69,5 = 163 kN/m2 γc 1,5

σd1A = 277 kN/m2 c = 5,5 cm


σd2B = 231 kN/m2 (Betondeckung erdberührtes Bauteil)
d = 1,2 – 0,055 – 0,05 = 1,1 m
Ermittlung der erforderlichen Bewehrung (Bewehrungsstab ∅ 10)
Bemessungsschnittgrößen für Schnitt A – A
bzw. B – B aus LFK 7 96,5
µsds = = 0,00563 ≈ 0,01
, 2 ⋅ 14166
1,0 ⋅ 11
0,8 2 (314 − 277) ⋅ 0,8 2
mA − A = 277,0 ⋅ +
2 3 ω1 = 0,01
= 96,5 kNm/m σSd = 457 MN/m2

(314 − 277) ⋅ 0,8 b ⋅ d ⋅ f cd


qA − A = 277,0 ⋅ 0,8 + As ,erf = ω1⋅
2 σ sd
= 236,4 kN/m
1,0 ⋅ 11
, ⋅ 14166
= 0,01 ⋅ = 3,4 cm2 /m
457000

Die erforderliche Biegebewehrung für die


Unterseite des Fundaments in Längsrich-
tung, sowie für die Oberseite des Funda-
ments ist geringfügig geringer.

Mindestbewehrung nach [DIN-FB 102, 2009]


Kreuzweise Bewehrung mit 0,06% von Ac ,
jedoch mindestens mit ∅ 10, s = 20 cm

, + 1,2)
(11
As ,min = 0,06 ⋅ = 6,9 cm2/m
2

Bild 8.6.4‑6   Annahme linear verteilter Boden- Mindestbewehrung für Begrenzung der


pressungen Rissbreite nach [DIN-FB 102, 2009]
728 8 Berechnung

Act fcd = 0,85 ∙ 30 000/1,5 = 17 000 kN/m2


As ,min = kc ⋅ k ⋅ f ct , eff ⋅ mit
σS
Stahl: BSt 500 S mit
fct, eff = 1,3 N/mm2
fyd = 500 000/1,15 = 434 800 kN/m2
kc = 0,4 ;   k = 0,5 ;
ftd = 525 000/1,15 = 456 500 kN/m2
Act ≈ 0,5 ∙ 1,15 = 0,58 m2 ;
Bohrpfahllänge:
σS = 240 N/mm2
L = 14,0 m
0,58
As ,min = 0,4 ⋅ 0,5 ⋅ 1,3 ⋅ = 9 ,4 cm2/m Bauteilquerschnitte:
161 Pfeiler:
gewählt für alle Begrenzungsflächen längs Rechteckquerschnitt 5,0 m ∙ 1,50 m
und quer: ∅ 12, s = 10,0 cm Pfahlkopfplatte: d = 1,50 m
Eine Schubbewehrung ist nicht erfor-
derlich. Der Nachweis des Durchstanzens Bohrpfähle: ∅ = 1,20 m
ist nicht maßgebend und wird im Rahmen
dieses Beispiels nicht geführt. Seitliche Bettung der Bohrpfähle –
Berücksichtigung der Gruppenwirkung

8.6.4.3.2 Nachweisführung für eine Tiefgründung Ermittlung der Abminderungsfaktoren αi  :


Pfahl A:   αi = αL ∙ αQA = 0,5 ∙ 0,90 = 0,45
Für das Berechnungsbeispiel des schlanken
Pfeilers aus 8.6.3.3 erfolgt beispielhaft die Pfahl B:   αi = αL ∙ αQZ = 0,5 ∙ 0,75 = 0,375
Nachweisführung für die Gründung, die als Pfahl C:   αi = αQA = 0,90
Tiefgründung mittels 8 Bohrpfählen ausge-
führt wird. Der Pfeiler ist über eine massive Pfahl D:   αi = αQZ = 0,75
Pfahlkopfplatte mit den Bohrpfählen ver-
bunden, die Tragfähigkeit der Pfahlkopf- Elastische Länge des Einzelpfahls
platte wird bei der Gründungsbemessung
nicht in Anspruch genommen. Die Model- EPfahl ⋅ I Pfahl
L=4
lierung des Pfeilers und der Gründung er- ksE ⋅ D
folgt in geeigneter Weise als Gesamtmodell.
Am Gesamtmodell aus Pfeiler und Grün- r4 ⋅π 0,64 ⋅ π
dung erfolgt zudem die Überprüfung der I Pfahl = = = 0,10179
4 4
Ergebnisse für den Pfeiler aus 8.6.3.3 im
Grenzzustand der Tragfähigkeit unter Be- ksE = 10 MN/m2 Bettungsmoduldes
rücksichtigung der Verformungen, da dort Einzelpfahls
vereinfachend von einer idealen Einspan- in Tiefe z = D
nung des Pfeilers ausgegangen wurde.
30500 ⋅ 0,10179
L=4 = 4,01 m
Baustoffkennwerte, System und 10 ⋅ 1,2
Abmessungen
Beton: C 25/30 mit l 14,0
= = 3,49
Ecm = 26 700 N/mm2 L 4,01
8.6 Berechnung von Unterbauten 729

beispiels unter Berücksichtigung der Pfei-


lereigenlast erfolgt vergleichsweise die Be-
messung am Gesamtsystem aus Pfeiler und
Gründung.

Ergebnisse der Bemessung für den Pfeiler


a) konstante Bewehrung über die Pfeiler­
höhe
Für die maßgebende Einwirkungs­
kombi­nation 2 ergibt sich ein erfor­
Bild 8.6.4‑7   Bohrpfahlanordnung derlicher Bewehrungsquerschnitt von
664 cm2 (630 cm2 ; + 5%). Das Be­
messungsmoment an der Einspannstel-
le in die Pfahlkopfplatte beträgt Msd =
30 697 kNm (29826 kNm; + 3%).
b) abgestufte Bewehrung über die Pfeiler-
höhe:
Für die maßgebende Einwirkungskom-
bination 2 ergibt sich ein erforderlicher
Bewehrungsquerschnitt von 1010 cm2
(840,6 cm2; +20%) an der Einspannstel-
le in die Pfahlkopfplatte. In einer Höhe
Bild 8.6.4‑8   Lage der Bohrpfähle innerhalb von ca. 15 m wird die Mindestbeweh-
der Pfahlgruppe rung maßgebend. Das Bemessungsmo-
ment beträgt Msd = 29 642 kNm (31 880
kNm; –7% ).
Durch die Berücksichtigung der Tiefgrün-
Ermittlung des Bettungsmoduls ksi des Pfahls dung erhöht sich in beiden Fällen die erfor-
in der Gruppe derliche Bewehrung für den Pfeiler. Die
l veränderte Verkrümmungsfigur infolge­
≥4 ksi = α i1,33 ⋅ ksE der elastischen Einspannung führt im
L
Fall b) zu einem etwas geringeren Bemes-
l sungsmoment.
≤2 ksi = α i ⋅ ksE → Zwischenwerte
L sind linear zu Nachweis der Tragfähigkeit der Bohrpfähle
interpolieren (GZ 1B)

Grenzzustand der Tragfähigkeit unter d = 1,20 m


Berücksichtigung der Verformungen u = 3,77 m
Die Nachweisführung für den Pfeiler im AFuß = 1,13 m²
Berechnungsbeispiel in 8.6.3.3 erfolgte ver-
Bohrpfahllänge = 14,0 m
einfachend für die Annahme einer idealen
Fußeinspannung des Pfeilers. Aus dem Baugrundgutachten liegen die in
Für die maßgebende Einwirkungskom- der Tabelle 8.6.4-6 enthaltenen Angaben
bination 2 (siehe 8.6.3.3) des Berechnungs- vor.
730 8 Berechnung

Tabelle 8.6.4-5  Berechnungsbeispiel – Zusam-


menstellung der Bettungsmoduli

Zusammenstellung der Bettungsmoduli


Pfahl – Lage ksx
[MN/m2]
A 3,72
B 2,95
C 8,77
Bild 8.6.4‑9   Anordnung der Mindestbeweh-
D 6,99 rung

Tabelle 8.6.4-6   Berechnungsbeispiel – Pfahlmantelreibung


Schichttiefe Schichtdicke Sondierwiderstand Kohäsion des Pfahlmantel­
h′ [m] h [m] qck [MN /m2] un­dräinierten Bodens reibung
cuk [MN/m2] qsk [MN/m2]
0 –1,0 1 0 0 0
1,0 –1,5 0,5 0,025 0,025
1,5 – 6,0 4,5 0,1 0,04
6,0 – 6,5 0,5 7,5 0,06
6,5 – 7,0 0,5 0,1 0,04
7,0 –14,0 7 ≥ 15,0 0,12

Tabelle 8.6.4-7   Berechnungsbeispiel – Pfahlwiderstand aus Pfahlmantelreibung


Schicht­ Nennwert der charakt. Wert der Pfahl­ Pfahlwiderstand aus Pfahl­
dicke Pfahlmantelfläche mantelreibungsspannung mantelreibung in Schicht i
h [m] Asi = u * h [m2] qsik [MN/m2] RSki = Asi * qsik [MN]
1,0 3,77 0,0 0,0
0,5 1,885 0,025 0,047
4,5 16,970 0,040 0,680
0,5 1,885 0,060 0,113
0,5 1,885 0,040 0,075
7,0 26,389 0,120 3,167
RSk = ∑ RSki 4,08

Tabelle 8.6.4-8   Berechnungsbeispiel – Pfahlwiderstand aus Pfahlspitzendruck


Setzungsverhältnis charakt. Wert der Pfahlspitzen­ Pfahlwiderstand aus Pfahl­
s/D druckspannung spitzendruck
qbk [MNm2] Rbk = AFuß * qbk [MN]
0,1 4 4,52
8.7 Spezielle Probleme 731

Charakteristischer axialer Pfahlwiderstand: 8.7 Spezielle Probleme


Rk = Rbk + Rsk = 4,08 + 4,52 = 8,60 MN
8.7.1 Temperaturbeanspruchung
E1d = –6,04 MN Bemessungswertedes
maßgebenden Pfahls Ingbert Mangerig und Ulf Lichte
(EWK 2, LF1)
Rk 8.7.1.1 Einleitung
Rd =
γP
Der ständige Wechsel der klimatischen Ein-
mit flüsse verursacht in Bauwerken instationäre,
nichtlinear begrenzte Temperaturverteilun-
γP = 1,4 Teilsicherheitsbeiwert für Pfahl- gen. Affin zu diesen Temperaturentwick-
widerstand auf Druck und Zug lungen entstehen thermische Dehnungen,
aufgrund von Erfahrungswerten die in statisch bestimmt gelagerten Trag-
R1k 8,60 werken Verformungen und bei statisch un-
R1d = = = 6,15 MN bestimmter Lagerung zusätzlich Zwangsbe-
γP 1,4 anspruchungen hervorrufen. Da die Tem-
peraturverteilungen nichtlinear begrenzt
E1d = 6,04 MN < R1d = 6,15 MN
sind, die Bernoulli-Hypothese jedoch ebene
→ Nachweis erfüllt Verzerrungen in den Teilquerschnitten vor-
aussetzt, treten unabhängig von der Lage-
Nachweis für Biegung rung der Tragwerke Eigenspannungen auf.
Aus dem Nachweis für Biegung im Grenz- Neben der Veränderung des Temperaturni-
zustand der Tragfähigkeit für die Bohr- veaus aufgrund des Wechsels der klimati-
pfähle ergibt sich keine Bewehrung über schen Bedingungen zählen bei Beton- und
das Maß der eingelegten Mindestbeweh- Verbundbauwerken die Auswirkungen des
rung nach [ZTV-ING] hinaus. Abfließens der Hydratationswärme sowie
unabhängig von der Werkstoffwahl bei
gewählt: 22 ∅ 20 allen Brückenbauwerken der Einbau des
d′ = 120 – 2 ∙ 7,5 cm = 105 cm Fahrbahnbelags zu den durch Wärme ver-
ursachten Beanspruchungen, deren Aus-
u′ = 1,05 ∙ π = 329 cm wirkungen zu verfolgen sind. Dies betrifft
Stababstand bei zwängungsfreier Lagerung der Trag-
werke die ausreichende Dimensionierung
= 329/22 = 15 cm < szul = 20,0 cm
der Lagerwege zur Kompensation der sai-
Wendelbewehrung sonalen Erwärmung und Abkühlung und
bei Bauweisen, die Zwängungen verursa-
= ∅ 10/15 cm
chen, die sichere Bestimmung der resultie-
Auf die weitere Darlegung der Nachweis- renden Zwangs- und Eigenspannungen. Im
führung für die Pfahlkopfplatte wird im weitesten Sinne ist unter Temperaturein-
Rahmen dieses Berechnungsbeispiels ver- wirkungen auch der Eintrag von Wärme
zichtet. beim Schweißen zu verstehen. Besondere
Beachtung erfordert die Wärmewirkung
nach Unfällen mit Brandeinwirkung durch
ausgelaufenen Treibstoff oder durch Van-
dalismus verursachten Hitzeschäden an
Brückenbauwerken.
732 8 Berechnung

Zur praxisgerechten Anwendung wer- eine erhebliche Temperaturbeanspruchung


den die komplexen Erwärmungs- und Ab- dar, welche begleitet wird von hohen lokalen
kühlungsprozesse auf repräsentative, idea- Einzellasten aus der Einbaumaschinerie.
lisierte Temperaturverteilungen reduziert. Dieser kurzzeitige Belastungszustand tritt
In den Regelwerken werden die mit großen sowohl bei Brückenneubauten als auch bei
Schwankungen behafteten Temperaturein- Belagserneuerungen im Brückenbestand
flüsse als zeitlich veränderliche Einwirkun- auf. Während der Nutzungsphase sind be-
gen geführt. Es finden sich dort Angaben triebsbedingte Temperatureinwirkungen
zur Berücksichtigung der klimatischen durch eine Fahrbahnbeheizung zum Verei-
Einflüsse, während der Wärmeeintrag auf- sungsschutz [Zichner, 1976], [SERSO, 1994]
grund des Belageinbaus, die Auswirkungen möglich. Es ist ebenfalls zu bedenken, dass
möglicher Brandeinwirkungen oder das durch Unfälle aber auch infolge Vandalis-
Abfließen der Hydratationswärme fallweise mus ein lokal begrenzter Wärmeeintrag aus
eine vertiefte Beschäftigung mit der Frage- dem Abbrennen ausgelaufenen Treibstoffs
stellung erfordern. erhebliche Beanspruchungen hervorrufen
kann. Überlagert werden diese als zeitlich
begrenzt auftretenden Wärmewirkungen
8.7.1.2 Temperatureinwirkungen durch die witterungsbedingten Klimaein-
auf Brückentragwerke wirkungen, die allein für sich bereits bei
Brücken Beanspruchungen in der Größen-
Wie bereits eingangs erwähnt, treten wäh- ordnung der Verkehrsbelastung hervorru-
rend der Montage und der Nutzung eines fen können. Wenngleich für die Dimensio-
Brückenbauwerks thermische Einwir- nierung der Brückenbauwerke die extremen
kungen unterschiedlichsten Ursprungs auf. Bauwerksreaktionen aus langjährigen Bean-
Wegen der räumlich und zeitlich ungleich- spruchungszeitreihen abzuleiten sind, so
mäßig ablaufenden Prozesse von Erwär- sind für die begrenzten Zeiträume der Bau-
mung und Abkühlung sind Eigenspan­ phase und möglicher Ertüchtigungsarbeiten
nungen, Deformationen und Zwangsbean- auch kürzere Zeitabschnitte bis hin zu de-
spruchungen die Folge. Bei der Hydratation taillierten Kenntnissen einer an der Tages-
des jungen Betons [Mehlhorn et al., 1980], zeit orientierten Temperaturentwicklung
[Zeitler, 1983], [Hellmich, 1984], [Pamp, von Bedeutung. Beispielhaft soll auf die
1991] sind aus dem Erhärtungsprozess im Festlegung des Zeitpunkts zur Einjustierung
Werkstoffgefüge Eigenspannungen zu er- der Brückenlager oder des Einbaus der
warten. Der Heißeinbau von Fahrbahnbelag Schrägkabel bei Schrägkabelbrücken ver-
stellt insbesondere für die Fahrbahnplatte wiesen werden.

Bild 8.7.1‑1   Temperatureinwirkungen auf Brückentragwerke


8.7 Spezielle Probleme 733

Bild 8.7.1‑2   Meteorologische Randbedingungen

Die sich im Bauwerk einstellenden Tem- flächen findet über Konvektion und Strah-
peraturverteilungen resultieren aus dem lung der Wärmeaustausch mit der Umge-
Zusammenspiel von Klimaeinwirkung, bung statt. Im Bauteil wird die zugeführte
Wärmeaustausch, Wärmeleitung und Wär- bzw. entzogene Wärme über Wärmeleitung
mespeicherung. Vom Energielieferanten verteilt und beeinflusst so die Temperatur-
Sonne geht eine kurzwellige Strahlung aus, entwicklung in den Tragwerken. Wegen der
die beim Auftreffen auf die Atmosphäre zeitlich veränderlichen Klimaeinwirkungen
teilweise reflektiert sowie beim Durchgang sind auch die daraus resultierenden Tempe-
durch die Atmosphäre gestreut und gefil- raturverteilungen instationär und nichtli-
tert wird, so dass nur ein abgeschwächter near, während deren absolutes Niveau vom
Anteil die Erdoberfläche als direkte Son- vorherrschenden Wetter, der Jahreszeit, der
nenstrahlung erreicht. Der in der Atmos- Bauwerksgeometrie und den thermophysi-
phäre gestreute Anteil trifft die Erdober­ kalischen Materialeigenschaften abhängt.
fläche als diffuse Sonnenstrahlung. Die Indirekte Einflussfaktoren sind die geogra-
Schwankungen der Lufttemperatur entste- phische Lage des Bauwerks, dessen Aus-
hen durch großflächige Konvektion an der richtung sowie die Querschnittsgeometrie.
Erdoberfläche und Abkühlung während Ausgehend von den Oberflächentempe-
der Nachtstunden. An den Bauwerksober- raturen des betrachteten Bauteilelements

Bild 8.7.1‑3   Zeitabhängige Temperaturentwicklung in einem Eisenbahnbrückenquerschnitt in


Spannbetonbauweise
734 8 Berechnung

und unter Beachtung der Summe der von


Außen einwirkenden Wärmeströme ergibt
sich eine Energiebilanz, die entweder eine
Wärmezufuhr und damit eine Oberflä-
chenerwärmung oder eine Wärmeabgabe
mit einer nachfolgenden Abkühlung ini­
tiiert. Das entstehende Potenzialgefälle
setzt im Querschnitt einen Wärmefluss mit
einhergehender Temperaturänderung in
Gang. Bild 8.7.1-3 zeigt exemplarisch die
zeit­abhängige Temperaturentwicklung
­eines Eisenbahnbrückenquerschnitts in
Spannbetonbauweise während eines Tages.
Mit Bezug auf die klimatischen Einwir-
kungen ist festzustellen, dass sie permanent
vorhanden sind, tägliche wie saisonale
Schwankungen aufweisen, regionalen Un-
terschieden aufgrund des regionalen Wet-
tergeschehens folgen und als Zufallsprozess
vorliegen. Diese Charakteristika sind aus
der täglichen Erfahrung geläufig. Sie spie-
geln sich folgerichtig auch in den Tempera-
turreaktionen der Brückenbauwerke wider.
Da für die Tragwerksplanung die aus extre-
men Erwärmungszuständen resultieren-
den mechanischen Auswirkungen: Verzer-
rungen/Verformungen und Spannungen/
Kräfte von Bedeutung sind, müssen praxis-
gerechte Beziehungen zwischen den, mit
den Methoden der Thermophysik analy-
sierten Temperaturentwicklungen und
den nach den Gesetzen der Mechanik be-
rechneten Bauwerksreaktionen hergestellt
werden.

8.7.1.3 Bauwerksreaktionen
Bild 8.7.1‑4   Jahreszeitliche Schwankungen der
klimatischen Temperatureinwirkungen einer Temperaturbedingte Bauwerksreaktionen
Stahlbrücke resultieren aus der Wärmedehneigenschaft
der Materialien. Im baupraktischen Bereich
können diese als temperaturproportional
angesehen werden. Für den Werkstoff Stahl
liegt der Wärmeausdehnungskoeffizient bei
1,2 · 10–5/K. Das Wärmedehnungsverhalten
von Beton schwankt hingegen abhängig
von der Zusammensetzung, dem Feuchte-
8.7 Spezielle Probleme 735

gehalt und dem Alter im Bereich αT = 0,6 · letztlich nur die beiden rechten Blöcke. Da
10–5/K bis 1,4 · 10–5/K [Weigler, 1989]. Der an Stelle der natürlichen Erwärmungsquel-
üblicherweise verwendete Mittelwert für len die zu erwartenden extremen Tempera-
Stahlbeton beträgt 1 · 10–5/K. Im DIN- turverteilungen im Brückenquerschnitt als
Fachbericht 101, der normativen Grundla- Einwirkungsgrößen angesetzt werden, wer-
ge für die Ermittlung von Einwirkungen auf den Temperaturwirkungen auch als indi-
Brücken, sind von einigen gebräuchlichen rekte Einwirkung bezeichnet.
Materialien lineare Temperatur-Ausdeh- Jegliche äußeren und inneren Tempera-
nungskoeffizienten angegeben. Sie sind in tureinflüsse führen wie bereits erwähnt zu
der Tabelle 8.7.1-1 aufgeführt. Temperaturverteilungen, die über den
Am Beispiel der klimatischen Einwir- Querschnitt ungleichmäßig verteilt und
kungen ist in Bild 8.7.1-5 die prinzipielle zeitlich veränderlich sind (Bild 8.7.1-6a). Zu
Vorgehensweise von der Einwirkung bis diesen nichtlinearen Temperaturverteilun-
zur Auswirkung schematisch dargestellt. gen würden affine Dehnungen entstehen,
Für die Tragwerksplanung interessieren wären die Ausdeh­nungsmöglichkeiten der

Tabelle 8.7.1-1   Lineare Ausdehnungskoeffizienten gebräuchlicher Materialien, aus [DIN-FB 101,


2003]
Material αT (∙ 10–5/K)
1 Aluminium, Aluminiumlegierungen 2,4
2 Nichtrostender Stahl 1,8
3 Baustahl, Schmiede- oder Gusseisen 1,0
4 Beton, mit Ausnahme von Zeilen 5 und 6 1,0
5 Beton mit Zuschlag aus Kalkstein 0,9
6 Beton mit Leichtzuschlag 0,7
9 Holz, in Faserrichtung 0,5
10 Holz, quer zur Faserrichtung 3,0 – 7,0 a
a Für andere Materialien sollten spezielle Angaben erfragt werden. Die obigen Werte sollten für die
Ermittlung der Temperatureinwirkungen verwendet werden, wenn keine niedrigeren Werte aus
Experimenten oder genaueren Untersuchungen vorliegen.

Bild 8.7.1‑5   Einwirkung und Auswirkung klimatischer Temperaturbeanspruchungen


736 8 Berechnung

Bild 8.7.1‑6   a) Ungleichmäßige Temperaturverteilung in einem Plattenbalken, b) Eigenspan-


nungen hervorrufender Anteil der Temperaturverteilung

einzelnen Fasern in den Querschnitten Brückenbau können die Eigenspannungen


voneinander unabhängig. We­gen der Vo- aus klimatischen Temperatureinflüssen
raussetzung der Bernoulli´schen Hypothe- vernachlässigt werden (Bild 8.7.1-6b),
se vom Ebenbleiben der Querschnitte stellt wenngleich Eigenspannungen, die beim
sich jedoch eine linear begrenzte Deh- Heißeinbau des Fahrbahnbelags entstehen,
nungsverteilung innerhalb der Teilquer- oder als Folge von Brandeinwirkung auftre-
schnitte ein­. Die Abweichungen der „un- ten detailliert zu untersuchen sind.
gleichmäßigen Temperaturdehnungen“ zu Bezogen auf den Gesamtquerschnitt
den streng nach mechanischen Gesetzen entstehen infolge Temperatureinwirkungen
vorgegebenen Dehnungsverteilungen bele- bei einem völlig zwängungsfrei gelagerten
gen die Existenz von Eigenspannungen. Im Tragwerk die in Bild 8.7.1-7 dargestellten

Bild 8.7.1‑7   Tragwerksreaktionen von Brückenquerschnitten infolge nichtlinearer Temperatur-


verteilungen
8.7 Spezielle Probleme 737

a b
Bild 8.7.1‑8   Temperaturverformung der Teilquerschnitte von Brückentragwerken. a) Einseitige
Sonnenbestrahlung des Untergurts eines Plattenbalkens, b) Temperaturverkrümmung des Aufla-
gerquerträgers einer Kanalbrücke

primären Bauwerksreaktionen: Längenän- eines Plattenbalkenquerschnitts durch ein-


derungen des Brückenüberbaus, Verkrüm- seitige Sonnenbestrahlung. Die Behinde-
mungen in vertikaler und horizontaler rung dieser Flanschverkrümmung lässt
Richtung, Torsion sowie Querschnittsver- bei regelmäßig vorhandenen Querschotten
wölbung und Profilverformung. Werden Zwängungsbeanspruchungen entstehen.
wie bei statisch unbestimmten Systemen die Das Bild 8.7.1-8b rechts daneben zeigt
genannten Verformungen behindert, treten am Modell des Auflagerquerträgers einer
im Tragwerk Zwangsbeanspruchungen auf. Kanalbrücke, dass neben der temperatur-
Unter Zwangsbeanspruchungen sind im bedingten Verkrümmung in Brückenlängs-
Gleichgewicht stehende Lagerreaktionen richtung auch eine Temperaturverkrüm-
und Zwangsschnittgrößen zu verstehen. mung in Querrichtung erhebliche Auswir-
Den primären Temperaturverformun- kungen auf die Lagerkräfte und demzufolge
gen der Gesamtquerschnitte sind sekundä- auch auf die Beanspruchungen der Gesamt-
re Bewegungen einzelner Querschnittsteile konstruktion haben kann.
überlagert. Bild 8.7.1-8a zeigt beispielhaft Zusätzlich zu den Tragwerksreaktionen
das seitliche Ausweichen des Untergurts des Brückenüberbaus werden auch die

Bild 8.7.1‑9   Zusammenwirken des Brückenüberbaus und der Pfeiler


738 8 Berechnung

­ brigen Konstruktionselemente des Ge-


ü MZ = ∫ σx ∙ (y – ys) ∙ dA
samttragwerks durch die Klimaeinwirkun- A
∆TMY Tunten – Toben
gen beeinflusst. Detailliert ist dies bei = EIZ ∙ αT ∙ 91 = EIZ ∙ αT ∙ 967
Schrägkabelbrücken zu verfolgen, bei de- h h
nen Überbau, Pylone und Tragkabel gegen- In diesem Zusammenhang sei auf die in
über den Wettereinflüssen nicht synchron, den Regelwerken verwendete Indexbe-
sondern aufgrund unterschiedlicher Mas- zeichnung der linearen Temperaturunter-
sen und beeinflusst vom Tagesgang der schiede hingewiesen. Ausgehend von den
Sonne zeitlich versetzt reagieren. Aber auch europäischen Regelungen der Eurocodes
bei einfachen Balkenbrücken entstehen bewirkt ein Temperaturunterschied ∆TMY
durch die Kopplung der Verformungen eine Stabverkrümmung affin zu einer Bie-
zwischen dem Versteifungsträger und den gemomentenbelastung MZ . Ferner bewirkt
Pfeilern aus klimatischen Einwirkungen ein positiver vertikaler Temperaturunter-
Zwängungen, Bild 8.7.1-9. schied eines Einfeldträgers eine negative
vertikale Durchbiegung.
Für die temperaturbedingte Verdrillung
8.7.1.4 Ersatztemperaturverteilungen besteht der Zusammenhang zwischen der
Wölbordinate ω, dem Wölbbimoment Mω
Bei der Berechnung von Straßen, Wege- und dem Wölbwiderstand Iω :
und Eisenbahnbrücken werden Tempera-
tureinwirkungen durch lineare Ersatztem- Mω = ∫ σx ∙ ω ∙ dA = ∫ (αT ∙ ∆T (y, z))
A A
peraturfelder berücksichtigt. Als Ersatz für
∙ ω (y, z) ∙ E ∙ dA = EIω ∙ αT ∙ ∆TMω
die tatsäch­lich auftretenden Temperatur-
verteilungen wird eine über den Gesamt- Weitere Idealisierungen von Temperaturzu-
querschnitt konstante und über die Quer- ständen sind im Bild 8.7.1-11 dargestellt.
schnittshöhe bzw. -breite linear veränderli- Diese orientieren sich näher an einem „tat-
che Temperatur­vertei­lung verwendet. Die sächlich“ vorhandenen Temperaturprofil,
konstante Temperaturverteilung ∆TN steht wenngleich sie nur auf die Vertikalebene
stellvertretend für die Auswirkungen in fokussiert sind und andere Temperaturre-
Brückenlängsrichtung (Längenände­rung), aktionen außer Acht lassen. Im Gegensatz
die linear veränderlichen Temperaturver- zu den linearen Ersatztemperaturvertei-
teilungen ∆TM reprä­sentieren die Bean- lungen können mit diesen Temperaturan-
spruchungen in der Vertikal- und der Ho- sätzen auch Auswirkungen in der Fahr-
rizontalebene (Verkrümmung). bahnplatte sowie den Steg- und Untergurt-
Zur Ableitung der Ersatztemperatur­ bereichen näherungsweise erfasst werden.
verteilungen aus realen, nichtlinearen Tem- Zur Extraktion der idealisierten Temperatur­
peraturfeldern kann als Modell der beid­sei­ anteile (Bild 8.7.1-10) aus nichtlinearen
tig eingespannte Stab verwendet werden. Temperaturverteilungen ist in [ENV 1991-
Aus den an diesem Modell ermittelten 2-5, 1997] eine Rechenvorschrift ange­geben.
Zwangsschnitt­größen lassen sich äquiva- Außerdem wird in [Lichte, 2004] ­ein wei-
lente, die gleichen Zwängungen erzeugende, teres ­Z erlegungsverfahren beschrieben,
idealisierte Ersatztemperaturverteilungen welches auch für Ersatztemperaturvertei-
ableiten. lungen in Anlehnung an Bild 8.7.1-11 geeig-
net ist.
N = ∫ σ ∙ dA = ∫ ε ∙ E ∙ dA
A A Im Gegensatz zu Brückenbauwerken des
Straßen- und Eisenbahnbaus besitzen Ka-
= ∫ (αT ∙ ∆TN) ∙ E ∙ dA = EA ∙ αT ∙ ∆TN
A nalbrücken ausschließlich trogförmigen
8.7 Spezielle Probleme 739

Bild 8.7.1‑10   Idealisierte Ersatztemperaturverteilungen [DIN-FB 101, 2003]

Bild 8.7.1‑11   Aus Temperaturprofilen abgeleitete Ersatztemperaturverteilungen

Bild 8.7.1‑12   Definition wärmetechnisch gleich­artiger Querschnittsbereiche einer Kanalbrücke


[Mangerig/Lichte, 2002]

Querschnitt und wegen der erforderlichen dieses Bauwerks in [Mangerig/Lichte, 2002]


Wassertiefe fast immer beträchtliche Bau- verwendet wurde.
werksabmessungen. Ein Ansatz klassischer Während zur zielsicheren Berechnung
Ersatztemperaturverteilungen für den Ge- der Tragwerksreaktionen einer Kanalbrü-
samtquerschnitt scheidet bei dieser Quer- cke auch bei Anwendung idealisierter Tem-
schnittskontur aus. Bild 8.7.1-12 zeigt für peraturprofile die Anwendung von Finite-
eine Kanalbrücke mit geneigten Trogwän- Element-Verfahren erforderlich ist, können
den eine Zusammenfassung von Flächen- beim Ansatz der klassischen Ersatztempe-
bereichen mit nahezu gleichartiger Tempe- raturverteilungen gemäß Bild 8.7.1-10 die
raturbelastung, wie sie für eine idealisierte bekannten Lösungsmethoden der Mecha-
Beschreibung der Temperatureinwirkungen nik angewendet werden.
740 8 Berechnung

8.7.1.5 Zufallscharakter der Temperatur­ der Werkstoffwahl im Tagesverlauf und bei


einwirkungen den Extremwerten der Temperaturbean-
spruchungen ab.
Da die klimatischen Einwirkungen sto­­chas­ Hervorzuheben ist der Verlauf der ver­
tischen Charakter besitzen, ist das Tem­ tikalen Temperaturunterschiede des Ver-
peraturniveau der Brückenbauwerke – bundquerschnitts gegenüber denen der
respektive die Summe der idealisierten Stahl- und Betonbrücke. Der veränderte Ta-
Ersatztemperaturanteile – ebenfalls zufalls­ gesgang resultiert aus den Materialeigen-
behaftet. Zur Bauwerksbemessung sind schaften und dem eingesetzten Materialvo-
aber diejenigen Temperaturzustände von lumen der verwendeten Werkstoffe Stahl
Interesse, die das Überschreiten der Bau- und Beton. Die massive Fahrbahnplatte
werksreaktion mit einer vorgegebenen Auf- weist gegenüber den Stahlstegen ein deut-
tretenshäufigkeit repräsentieren. lich höheres Wärmespeichervermögen auf,
Grundvoraussetzung zur Angabe dieser so dass die Stege tagsüber wärmer als die
repräsentativen Temperaturzustände ist die Fahrbahnplatte sind und des Nachts kälter.
hinreichende Kenntnis täglicher Trag- Dies verursacht beim zwängungsfrei gela-
werksreaktionen. In Bild 8.7.1-13 sind bei- gerten Einfeldträger tagsüber, obwohl über
spielhaft die tageszeitabhängigen Verläufe die Fahrbahnplatte mit Wärme versorgt,
der Ersatztemperaturverteilungen der eine Durchsenkung des Bauwerks und wäh-
Schwerpunktstemperatur TN und des verti- rend der Nachtstunden eine Aufwölbung.
kalen Temperaturunterschieds ∆TMZ dar- Die Extremwerte veränderlicher Einwir-
gestellt. Deutlich zeichnet sich ein signifi- kungen werden gemäß den geltenden Re-
kanter Einfluss der Querschnittsgestalt und gelwerken als repräsentative Werte bezeich-

Bild 8.7.1‑13   Mittlere Tagesgänge der Ersatztemperaturverteilungen TN und ∆TMZ eines Platten-


balkenquerschnitts in Stahl-, Verbund- und Betonbauweise
8.7 Spezielle Probleme 741

net, wobei die zentrale Einwirkungsgröße Beanspruchungen angepasst. Bei Stahl-


der charakteristische Wert ist. Per Definiti- und Verbundbrücken wird dies durch Ver-
on wird dieser Wert im Mittel alle 50 Jahre änderung der Bauhöhe und Variation der
einmal erreicht oder überschritten. Als Untergurt- und Stegabmessungen erreicht.
Grundlage der Extremwertbetrachtung für Entsprechend den Querschnittsabstu-
Temperaturbeanspruchungen dienen die fungen stellen sich in Längsrichtung der
aus den Tagesgängen der Ersatztempera- Brücke unterschiedliche Temperatur-
turverteilungen abzuleitenden Tagesmaxi- schwankungen und Temperaturunter-
malwerte (Bild 8.7.1-13). schiede ein. Da in der praxisgerechten An-
Wegen der saisonalen Einflüsse muss wendung von Temperatureinwirkungen für
zwischen den saisonbezogenen Extremsi- Brückentragwerke ein einheitlicher Lastan-
tuationen und den ein ganzes Jahr umfas- satz anzustreben ist, sind die unterschied-
senden Extremereignissen unterschieden lichen Temperatur­reaktionen durch
werden. Für die Tragwerksplanung sind Wichtung zu einem einheitlichen Wert zu-
letztere entscheidend; für auf einen be- sammengefasst. Bild 8.7.1-15 zeigt für ei-
grenzten Zeitraum ausgerichtete Frage­ nen Zweifeldträger, der im mittleren Stütz-
stellungen im Rahmen der Bauwerksmon- bereich über die Länge ξ · L verstärkt ist, die
tage oder -wartung interessieren jedoch Vereinheitlichung der Temperaturunter-
jahreszeitbezogene Aussagen der zu erwar- schiede ∆TMY, 1 und ∆TMY, 2 zu dem Wert
tenden Temperaturbeanspruchungen. ∆TMY  . Die angegebene Wichtung ist derart
Hierfür liefern die Regelwerke keine An- formuliert, dass der ver­einheitlichte Anteil
haltswerte, weshalb nur die Möglichkeiten ∆TMY das gleiche Stützenmoment hervor-
einer Abschätzung, der Durchführung von ruft wie die einzelnen Temperaturunter-
Temperaturmessungen am Bauwerk oder schiede ∆TMY,1 und ∆TMY,2 . Der Anteils­
die modellhafte Ermittlung saisonbezo- faktor a2 gilt unter der vereinfachten An-
gener Beanspruchungen verbleiben ([Man- nahme, dass im Längs­verlauf Querschnitts-
gerig/Lichte, 2002], [Lichte, 2004]). höhe und Wärme­dehnzahl konstant sind.
Üblicherweise sind die Querschnittsab-
messungen von Brücken dem Verlauf der

Bild 8.7.1‑14   Saisonale Schwankung von Temperatureinwirkungen


742 8 Berechnung

Bild 8.7.1‑15   Wichtung des vertikalen Temperaturunterschieds bei einstufiger Variation des


Querschnitts

8.7.1.6 Temperatureinwirkungen in den Im Bereich des Eisenbahnbrückenbaus


Regelwerken ist zusätzlich die [Richtlinie 804, 2003]
„Eisenbahnbrücken und sonstige Ingeni-
Die Bemessungsgrundlage für Tempera- eurbauwerke“ zu erwähnen. Sie enthält
tureinwirkungen auf Straßen- und Fußgän- spezifische Regelungen für die Planung und
gerbrücken sowie Eisenbahnbrücken ist der Instandhaltung. Im Prinzip verweist sie auf
DIN-Fachbericht 101 „Einwirkungen auf die DIN Fachberichte 101 bis 104, enthält
Brücken“ [DIN-FB 101, 2009]. Er ist inhalt- aber einige ergänzende Regelungen. Für
lich deckungsgleich mit der DIN 1055-7 Stahlwasserbauten finden sich in [DIN
„Einwirkungen auf Tragwerke – Temperatur­ 19704-1, 1998] „Stahlwasserbauten – Be-
einwirkungen“ [DIN 1055-7, 2002] und rechnungsgrundlagen“ ebenfalls Angaben
­lediglich redaktionell an das Konzept der zur Berücksichtigung von Temperaturein-
DIN-Fachberichte angepasst. Vorlage ist bei flüssen für spezielle Fragestellungen dieser
beiden Regelwerken stets die DIN 1991-2-5, Tragwerksstrukturen. Im Hinblick auf die
2002 nebst zugehörigem NAD. Regelungen zu Brückenlagern gelten zu-

Tabelle 8.7.1-2  Bemessungswerte der veränderlichen Einwirkungen zur Anwendung bei Einwir-


kungskombinationen [DIN-FB 101, 2003]
Anteil der unabhängigen veränderlichen Einwirkungen an der Kombinationsregel
Tragsicherheit Gebrauchstauglichkeit
Vorherr­ Andere Vorherr­ Andere
schende schende
Ständig/ γQ1 ⋅ Qk1 γQ1 ⋅ ψ0i ⋅ Qki Charakteristisch Qk1 ψ0i ⋅ Qki
vorübergehend
Außergewöhnlich ψ11 ⋅ Qk1 ψ2i ⋅ Qki Häufig ψ11 ⋅ Qk1 ψ2i ⋅ Qki
Erdbeben ψ21 ⋅ Qk1 ψ2i ⋅ Qki Quasi-ständig ψ21 ⋅ Qk1 ψ2i ⋅ Qki
Nicht häufig a ψ1′ ⋅ Qk1 ψ1i ⋅ Qki
a Für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit sollte die nicht häufige Kombination nach-
gewiesen werden.
8.7 Spezielle Probleme 743

Tabelle 8.7.1-3  ψ-Beiwerte zur Berücksichtigung der Temperaturbeanspruchung bei Brückenbau-


werken, nach [DIN-FB 101, 2003] und [DIN 1055-100, 2001]
ψ-Faktoren für die Temperatureinwirkungen ψ0 ψ1 ψ2 ψ1′ a
Straßenbrücken 0c 0,6 0,5 0,8
Geh- und Radwegbrücken (DIN FB 101)
Eisenbahnbrücken b
Tragwerke (nicht Brand) (DIN 1055-100) 0,6 0,5 0,0
a ψ1′ ist ein ψ-Faktor zur Bestimmung der nicht häufigen Lasten.
b Die Richtlinie 804 fordert, dass Zwangsschnittgrößen aus Temperatur beim Nachweis der Trag-
sicherheit stets zu berücksichtigen sind, ihre Vernachlässigung ist nicht zulässig.
c Falls nachweisrelevant sollte ψ0 = 0,8 gesetzt werden.

sätzlich [DIN 4141, 1984], [DIN EN 1337] den geltenden Regelungen ist der charakte-
und der Anhang A zur [DIN V ENV 1993-2, ristische Einwirkungswert Tk (= Qk) so fest-
2001]. gelegt, dass er im Mittel alle 50 Jahre er-
Entsprechend der geltenden Sicher­ reicht oder überschritten wird. Durch Mul-
heitsphilosophie sind bei der Bemessung tiplikation mit den Koeffizienten ψ0, ψ1 und
von Tragwerken Grenzzustände der Ge- ψ2 (Tabelle 8.7.1-3) werden Temperatur­
brauchstauglichkeit und der Tragfähigkeit beanspruchungen unterschiedlicher Wie-
zu untersuchen. Im Kontext dieser Rege- derkehrperiode berücksichtigt. Der Teil­
lungen werden die Temperatureinwirkun- sicherheitsbeiwert ist für den Fall einer
gen über Kombinationsbeiwerte in die ungünstigen Einwirkung bei ständigen und
Einwirkungskombinationen einbezogen vorübergehenden Bemessungssituationen
[DIN-FB 101, 2009]. Für den Anteil der mit γQ = 1,5 festgelegt.
veränderlichen Einwirkungen sind in der Zur Beschreibung der Temperaturein-
Tabelle 8.7.1-2 die Kombinationsanteile für flüsse werden die zuvor erläuterten lineari-
die jeweiligen Bemessungssituationen ge- sierten Temperaturanteile entsprechend
genübergestellt. Bild 8.7.1-10 verwendet. Damit dem aus
Temperaturbeanspruchungen sind ver- der Querschnittsgeometrie und dem ver-
änderliche Einwirkungen. Entsprechend wendeten Werkstoff herrührenden unter-
schiedlichen Erwärmungsverhalten häufig
Tabelle 8.7.1-4   Gruppierung wärmetechnisch eingesetzter Brückenquerschnitte Rech-
gleichartiger Brückenquerschnitte [DIN-FB nung getragen werden kann, sind typische
101, 2003] Brückenquerschnitte in drei Gruppen ein-
Gruppe Querschnittstyp geteilt (Tabelle 8.7.1-4).
Entsprechend der Eingruppierung wer-
1 Stahlüberbauten als Kasten, den charakteristische Werte für den gleich-
Fachwerk oder Plattenbalken mäßigen Erwärmungszustand Te und den
2 Verbundüberbau: Betonplatte vertikalen sowie horizontalen Temperatur-
auf einem Stahlkasten, Fachwerk unterschied ∆TMY bzw. ∆TMZ angegeben.
oder Plattenbalken aus Stahl Dem DIN Fachbericht 101 [DIN-FB 101,
2003] entnommene charakteristische Wer-
3 Fahrbahnplatten oder Überbau- te, die für eine Belagdicke von 50 mm gel-
ten aus Beton auf Betonbalken
ten, sind im Bild 8.7.1-16 zusammenfas-
oder Betonkästen
send gegenübergestellt.
744 8 Berechnung

Bild 8.7.1‑16   Zusammenstellung der charakteristischen Werte der Temperatureinwirkungen für


typische Brückentragwerke in Deutschland

Die Gesamt-Temperaturschwankung T0 ist darin der „konstante Temperaturan-


∆TN des Überbaus ergibt sich aus der Diffe- teil der Bauteile bei deren Fertigstellung“,
renz also der Bezugstemperatur der Bauwerks-
∆TN = ∆TN, pos – ∆TN, neg bemessung. Bei der Berücksichtigung des
konstanten Temperaturanteils sollten fol-
= (∆Te, max – T0) – (∆Te, min – T0) gende Effekte berücksichtigt werden [DIN
FB 101, 2003]:
8.7 Spezielle Probleme 745

• Beschränkung der bauteilspezifischen ben, mittels derer diese simultanen Aus-


Ausdehnung und Verkürzung (z. B. bei wirkungen von ∆TMY und ∆TN berücksich-
Rahmen, Bogen, Elastomerlagern) tigt werden können. Sie ist ebenfalls im
• Reibung bei Rollen- und Gleitlagern Bild 8.7.1-16 aufgeführt. Unbeachtet der
• Nicht-lineare geometrische Einflüsse normativ vorgegebenen Kombinationsfak-
(Theorie 2. Ordnung) toren haben Analyserechnungen in [Lichte,
• Bei Eisenbahnbrücken kann die Wech- 2004] gezeigt, dass die normativ vorgege-
selwirkung zwischen dem Gleiskörper benen Faktoren zur Berücksichtigung des
und der Brücke infolge eines Temperatu- gleichzeitigen Auftretens von Temperatur-
runterschieds von Überbau und Schiene schwankung und vertikalem Temperatur-
zusätzliche Horizontalkräfte in den La- unterschied teilweise unsichere Ergebnisse
gern und in den Schienen verursachen. liefern.
Für die Ermittlung von Bewegungs-
Die in Bild 8.7.1-16 wiedergegebenen verti- schwankungen, wie bei der Bemessung
kalen Temperaturunterschiede gelten für von Lagern und Dehnungsfugen erforder-
eine Belagdicke von 50 mm [Frenzel et al., lich, kommt zur Referenztemperatur T0 als
1996]. Wegen der abschirmenden Wirkung weitere Temperaturkomponente die Auf-
des Fahrbahnbelags wird der vertikale Tem- stelltemperatur hinzu. Sie muss bei der
peraturunterschied im Brückenquerschnitt Festsetzung der Lager oder der Ausbildung
durch dessen Einbaudicke merklich beein- der Dehnungsfugen berücksichtigt werden.
flusst. Deshalb sind die charakteristischen Sie weicht von der gewählten Referenztem-
Werte des vertikalen Temperaturunter- peratur ab und ist meist nur als Näherungs-
schieds ∆TMY bei abweichender Belagdi- wert durch Messung zu bestimmen.
cke mit einem dickenabhängigen Faktor Folgerichtig ist bei der Ermittlung von Be-
KSur zu multiplizieren. wegungsschwankungen gemäß [DIN FB 101,
Da die benannten Temperaturanteile in 2009] die vorgegebene Temperaturschwan-
Sum­ma ein Gesamttemperaturfeld reprä- kung ∆TN um einen Zuschlag zu vergrößern,
sentieren, wirken diese auch gleichzeitig der Unsicherheiten bei der Ermittlung der
auf das Brückenbauwerk ein. Sie bewirken Aufstelltemperatur kompensieren soll.
folglich eine kombinierte Bauwerksreak­ Es werden die in Tabelle 8.7.1-5 angege-
tion. Um dies bei der Tragwerksbemessung benen Fälle unterschieden.
zu berücksichtigen, wird in den Regel­ Der in der Tabelle 8.7.1-5 aufgeführte
werken eine Kombinationsregel angege- Fall 3 wird nur in der [Richtlinie 804, 2003]

Tabelle 8.7.1-5   Vergrößerung der anzusetzenden Temperaturanteile zur Ermittlung von Bewe-
gungsschwankungen [DIN-FB 101, 2003]
Fall Einbau der Lager bzw. Ausbildung Anzusetzende maximale
der Dehnungsfugen Temperaturschwankungen
1 Mittlere Bauwerkstemperatur beim Herstellen der (∆TN, pos + 10) K und
Verbindung ist bekannt (Messung) (∆TN, neg –­10 K) a
2 Mittlere Bauwerkstemperatur beim Herstellen der (∆TN, pos + 20) K und
Verbindung ist nicht bekannt (∆TN, neg –­20 K)
3 Betonieren auf den Lagern ohne nachträgliche keine explizite Regelung
Lagekorrektur
a ± 10 K ist eine „kann“-Regel, ansonsten sind grundsätzlich ± 20 K anzusetzen.
746 8 Berechnung

Bei Tragwerken mit voneinander unab-


hängig temperierten Bauteilen (z. B. bei
Schrägkabelbrücken: Hänger/Schrägkabel,
Überbau, Pylon) können Unterschiede der
konstanten Temperaturanteile zu ungünsti-
gen Beanspruchungen führen. Hierfür ist
zwischen den betreffenden Bauteilen ein
Unterschied der mittleren Bauteiltempera-
tur von 15 K anzusetzen, wenngleich dies
eine starke Vereinfachung der tatsächlich
auftretenden Verhältnisse darstellt und bei
exponierten Bauwerken zu hinterfragen ist.

Bild 8.7.1‑17   Charakteristische Werte der Tem­


8.7.1.7 Ermittlung von Temperatur­
peraturunterschiede für Brückenpfeiler
einwirkungen
(Eisenbahnbrücken) explizit benannt, dürf-
Für die meisten der vorkommenden Brü-
te aber grundsätzlich für alle Betonbrücken
ckenquerschnitte sind die anzusetzenden
gelten. Wird nämlich der Brückenüberbau
auf bereits in den Unterbauten fixierten La- Grenzwerte der Temperatureinwirkungen
gern errichtet, so müssen die Verschiebun- innerhalb der Normenwerke angegeben.
gen aus dem Abfließen der Abbindewärme Diese Angaben sind jedoch nicht auf Brü-
beachtet werden. Auf die Hintergründe die- ckenquerschnitte mit spezieller, individuel-
ser Empfehlung wird im Abschnitt 8.7.1.8 ler Querschnittsgestaltung übertragbar. Für
näher eingegangen. diese Fälle müssen mögliche Extremein-
Wie oben in Bild 8.7.1-9 gezeigt, ist die wirkungen sinnvoll abgeschätzt oder auf
simultane Temperaturreaktion von Brü- anderem Wege ermittelt und festgelegt wer-
ckenüberbau und Brückenpfeiler bei seit­ den. In der Regel ist eine messtechnische
licher Sonneneinwirkung von einer ge­ Lösung in Form einer Dauermessung an
genläufigen Verschiebung von Überbau einem vergleichbaren Brückenquerschnitt
und Pfeilerkopf gekennzeichnet. Grund- oder einem Prototyp unrealistisch und
sätzlich sollten auch die gesamten Tempe- unwirtschaftlich, schon aus Gründen der
raturbeanspruchungen von Brückenpfei- erforderlichen sehr langen Messdauer.
lern betrachtet werden, wenn diese zu In den letzten Jahren haben sich numeri-
Zwangskräften oder zu Bewegungen in den sche Verfahren zur Ermittlung der Tempe-
benachbarten Bauteilen führen. Als cha- ratureinwirkungen als Alternative heraus-
rakteristischer Wert des linearen Tempera- gebildet, die aufgrund der Entwicklungen in
turunterschieds zwischen gegenüber­ der EDV die rechnerische Simulation des
liegenden Außenflächen sind, wenn keine Temperaturverhaltens von Brückenquer-
Hinweise für höhere Werte existieren, nach schnitten unter Beaufschlagung idealisierter
[DIN-FB 101, 2009] für Betonpfeiler mit oder auch real gemessener Klimadaten
Hohl- oder Vollquerschnitt 5 K anzu­ ermöglichen [Zichner, 1976], [Fouad, 1998],
nehmen. [Mangerig, 1986], [Lichte, 2004]. Die Ver-
Hinsichtlich der Beanspruchungen im wendung real gemessener Klimadatenkol-
Querschnittsprofil von Brückenpfeilern ist lektive ermöglicht regional bezogene Aus-
mit einer Temperaturdifferenz von 15 K sagen und zudem auch die Anwendung
über die Wanddicke zu rechnen. statistischer Extrapolationsmethoden zur
8.7 Spezielle Probleme 747

Bild 8.7.1‑18   Modellhafte Berechnung des Temperaturverhaltens von Brückentragwerken


748 8 Berechnung

Ermittlung repräsentativer Extremwerte. änderungen hinreichend sicher beschrieben


Gleichfalls wird dadurch die Bildung von werden können, liegt die Festlegung einer
Kombinationsregeln für die unterschiedli- Referenztemperatur nahe, bezüglich derer
chen Temperaturreaktionen möglich. per Definition die Auswirkungen aus der
Die Berechnungsmodelle stellen Verstei- Temperaturänderung zu Null werden. Der
fungsträger vorwiegend als zweidimensio- häufig verwendete Ansatz einer Bezugstem-
nale, prismatische Querschnitte dar, die in peratur von 10 °C entspricht etwa der mittle-
der Regel von einer in Brückenlängsrichtung ren Lufttemperatur in Deutschland.
gleichartigen Temperaturverteilung ausge- Es liegt auf der Hand, dass eine Brücke
hen. Für veränderliche Überbauhöhen sind nicht unter konstanten Temperaturbedin-
hinreichend sichere Aussagen durch eine gungen errichtet wird. Bereits während der
Wichtung der Berechnungsergebnisse von Montage werden klimatische Temperatur-
Querschnitten mit bereichsweise konstan- einflüsse oder Effekte aus dem Schweißvor-
ten Konstruktionshöhen zu erreichen. gang im Bauwerk eingeprägt, deren Auswir-
Der Vorteil einer EDV-basierten Ermitt- kungen im Planungsprozess abzuschätzen
lung der Temperatureinwirkungen besteht sind [Schleicher, 2001]. Die Differenz zwi-
darin, dass die im Planungsstadium ver- schen der tatsächlichen Aufstelltemperatur
wendeten, genäherten Annahmen von und dem Referenzzustand ist insbesondere
Temperatureinwirkungen durch konkrete, beim Lagereinbau zu berücksichtigen, um
auf das jeweilige Vorhaben abgestimmte unplanmäßige Überbeanspruchungen, ab-
Modellrechnungen ersetzt werden. Da- hebende Lagerreaktionen oder Lagerwe­g­
durch wird es möglich, Parameterstudien überschreitungen auszuschließen.
zur Einschätzung und Bewertung spezifi- Temperaturreaktionen sind stets gekenn-
scher Rahmenbedingungen durchzufüh- zeichnet durch ihre Wirkung in beide Vor-
ren. Wegen des Aufwands dieser wissen- zeichenrichtungen: Verkürzung/Verlänge-
schaftlich orientierten Methoden wird die rung, positive Verkrümmung/negative Ver-
Anwendung dieser Verfahren jedoch auf krümmung, Druck/Zugbelastung etc. Daher
exponierte Bauwerke beschränkt bleiben. führt jede vom Ist-Zustand abweichende
Einschätzung der Aufstelltemperatur unwei-
gerlich zur Vergrößerung der Tragwerksbe-
8.7.1.8 Brücken-Aufstelltemperatur anspruchung in eine der beiden Richtungen.
Zur Ermittlung von Bewegungsschwankun-
Die Temperatureinwirkungen auf ein Bau- gen ist deshalb die Temperaturschwankung
werk liegen innerhalb bestimmter Extrem- des Brückenüberbaus um den in der Tabelle
werte (s. Bild 8.7.1-16). Da Temperaturre- 8.7.1-5 angegebenen Zuschlag von ± 10 K
aktionen stets aus einer Änderung des Er- bzw. ± 20 K zu vergrößern.
wärmungszustands resultieren, ist neben Der gleiche Mechanismus ist auch bei
den Extremwerten der Temperatureinwir- der temperaturbedingten vertikalen Bau-
kungen auch die Aufstelltemperatur eines werksverkrümmung gültig. Zur Veran-
Bauwerks zu berücksichtigen. schaulichung ist im Bild 8.7.1-19 die Situa-
Vereinfachend wird bei einem Brücken- tion einer Zweifeld-Verbundbrücke bei der
tragwerk stets davon ausgegangen, dass es Höhenjustierung des Mittellagers darge-
eine gegebene Länge, Ausrichtung, Längs- stellt. Erfolgt die Einstellung der Lagerhöhe
und Querneigung, Lage und Form hat. Tat- allein auf der Basis von Soll-Auflagerlasten
sächlich unterliegt das Bauwerk – auch wäh- aus der Eigenlast, so werden je nach Saison,
rend der Montage – infolge der tagtäglichen Witterung und der Tageszeit unterschiedli-
Wettereinwirkungen einer steten Verände- che Zwängungszustände „eingefroren“, was
rung. Damit die Auswirkungen dieser Ver- Konsequenzen auf das Niveau aller vertika-
8.7 Spezielle Probleme 749

Bild 8.7.1‑19   „Eingefrorener“ Zwängungszustand einer Verbundbrücke, resultierend aus dem


Temperaturzustand bei der Lagereinstellung

Tabelle 8.7.1-6   Abschätzung der mittleren Bauwerkstemperatur aus Messung der Oberflächen-
temperatur, aus [DIN EN 1337-11, 1998]
Platten Messungen der Temperaturen an Ober- und Unterseite in Brückenmitte
und Ermittlung der mittleren Bauwerkstemperatur aus dem Mittelwert
aus diesen beiden Temperaturen
Plattenbalken Messung der Temperaturen an Ober- und Unterseite der Fahrbahnplatte
in Brückenmitte und Bildung des Mittelwertes.
Messung der Temperaturen an den Außenseiten der beiden äußeren
Hauptträger, jeweils in Stegmitte und Bestimmung des Mittelwertes
Bildung eines Gesamtmittelwertes aus den am Flächenanteil gewichteten
Bereichsmittelwerten.
Kastenträger Die Lufttemperatur im Kastenträger liefert einen guten Näherungswert
der mittleren Querschnittstemperatur

len Lagerkräfte und damit auch auf die der Mittelwertbildung von zu messenden
Schnittgrößen im Versteifungsträger hat. Oberflächentemperaturen im Bereich der
Zumeist besteht das praktische Problem, Fahrbahnplatte und in den Brückenstegen
dass der Aufstelltemperaturzustand nur ab- entspricht (Tabelle 8.7.1-6). Eine weitere,
geschätzt werden kann. Dies liegt einerseits empirische Schätzmöglichkeit der mittle-
daran, dass sich der Temperaturzustand ren Bauwerkstemperatur findet sich in
fortwährend ändert. Andererseits können [DIN EN 1337-10, 2003]. Sie wird aus einer
meist nur Oberflächentemperaturen an dis- geschätzten niedrigsten effektiven Brück-
kreten Stellen gemessen werden, aus denen entemperatur y°C des Tages hergeleitet.
die mittlere Bauwerkstemperatur lediglich Wenn die Position der Brücke bei Erreichen
angenähert ermittelt werden kann. ihrer niedrigsten Temperatur am betref-
In [DIN EN 1337-11, 1998] Anhang A fenden Tage an einer geeigneten Stelle, wie
wird die Bestimmung der mittleren Bau- z. B. einem Fahrbahnübergang, registriert
werkstemperatur geregelt, welche letztlich wird, dann darf jede nachfolgende Bewe-
750 8 Berechnung

Tabelle 8.7.1-7  Abschätzung der niedrigsten Bauwerkstemperatur y eines Tages, aus [DIN EN


1337-10, 2003]
Betonbrücken Niedrigste Brückentemperatur (um 8 Uhr ± 1 Stunde):
y ≈ 1,14 x1 – 1,1
Dabei ist x1 die mittlere Schattentemperatur der letzten 48 Stunden,
gebildet aus:
– der niedrigsten Schattentemperatur des Tages;
– der höchsten Schattentemperatur des vorherigen Tages;
– der niedrigsten Schattentemperatur des vorherigen Tages und
– der höchsten Schattentemperatur des Tages vor dem Vortag
Verbundbrücken Niedrigste Brückentemperatur (um 7 Uhr ± 1 Stunde):
y ≈ 1,14 ⋅ x2 – 2,6
Dabei ist x2 die mittlere Schattentemperatur der letzten 24 Stunden,
gebildet aus
– der niedrigsten Schattentemperatur des Tages und
– der höchsten Schattentemperatur des vorherigen Tages
stählerne Kasten­ Niedrigste Brückentemperatur (um 6 Uhr ± 1 Stunde):
trägerbrücken y ≈ 1,1 ⋅ x3 – 1,3
Dabei ist x3 die
– niedrigste Schattentemperatur des Tages

gung zur Schätzung der augenblicklichen Unterbauten verankerten Lagern auf. Diese
Bauwerkstemperatur anhand der nied- Situation ist der in Tabelle 8.7.1-5 genannte
rigsten effektiven Temperatur y°C erfolgen­ Fall 3. Hier besteht das Prognoseproblem,
(Tabelle 8.7.1-7). Allerdings ist dieses Ver- dass die Lager auf eine Brückentemperatur
fahren in [DIN EN 1337-10, 2003] nur als voreingestellt werden müssen, die noch
Hinweis aufgeführt und ist nicht für alle nicht bekannt ist.
klimatischen Bedingungen überprüft Infolge der Entwicklung von Hydratati-
­worden. onswärme dehnt sich der frisch betonierte
Eine insgesamt verbesserte Aussage wäre Brückenquerschnitt aus und kühlt nach we-
durch im Querschnitt eingebaute Tempera- nigen Tagen wieder ab. Gleichzeitig findet
tursensoren zu erreichen. Eine weitere Mög- der Abbindeprozess mit stetig steigendem
lichkeit besteht in der Berechnung des Tem- Elastizitätsmodul statt. Wäre der Brücken-
peraturzustands der Brücke aus aktuellen querschnitt in seiner Verschieblichkeit völlig
Wettermessdaten [Vockrodt, 1995]. Hierzu unbehindert, so würden die während des
ist jedoch ein zeitlicher Verlauf der Tempe- Erhärtungsvorgangs auftretenden Verfor-
raturmessung und der Wetterdatenauf- mungen vollständig wieder zurückgehen. In
zeichnung notwendig, damit sich das zu- Realität werden die Temperaturverformun-
grunde liegende numerische Modell genau gen während des Erhärtungsprozesses durch
wie das reale Bauwerk auf die zeitnahe die Schalung und Fixierungen der Lager so-
Temperaturverteilung einstellen kann. wohl in vertikaler als auch in Längsrichtung
Eine besondere Situation der Aufstell- behindert. Die im jungen Beton behinder-
Temperaturschätzung tritt beim Betonieren ten Verformungen führen zu Plastizierun­
des Versteifungsträgers auf bereits in den gen, so dass der betonierte Abschnitt nach
8.7 Spezielle Probleme 751

Bild 8.7.1‑20   Temperaturverlauf in einem mas­siven Betonquerschnitt über einen Zeitraum von


40 Tagen nach dem Betonieren

Bild 8.7.1‑21   Verschiebung eines längsbeweglichen Lagerpunkts in 30 m Entfernung zum Über-


baufestpunkt
752 8 Berechnung

Bild 8.7.1‑22   Lagerverschiebung einer Spannbetonbrücke nach dem Vorspannen und Ausschalen,


aus [Hellmich, 1984]

dem Abfließen der Hydratationswärme punkt entfernten Lagers. Sie setzen sich nach
verkürzt und vertikal verkrümmt ist. dem Abfließen der Hydratationswärme aus
In Bild 8.7.1-20 ist die Entwicklung des der Brückenverkürzung und der Vertikal-
Temperaturverlaufs in einem massiven Stahl­ verkrümmung des Brückenquerschnitts zu-
betonquerschnitt, wie er sich über ­einen sammen. Das Bild 8.7.1-22 veranschaulicht
Zeitraum von 40 Tagen seit dem Einbau des deutlich an einem aus [Hellmich, 1984] ent-
Betons einstellte, dargestellt. Deutlich ist die nommenen Beispiel die Lagerverschiebung
Wärmeentwicklung infolge Hydratation zu einer Spannbetonbrücke.
erkennen, welche allmählich in die tägliche Die Festlegung der effektiven Aufstell-
klimabedingte Temperaturschwankung temperatur beim Betonieren des Brücken­
übergeht. Bild 8.7.1-21 zeigt die zugehörigen überbaus auf den Lagern ohne eine nach-
Längsverschiebungen eines ­30 m vom Fest- trägliche Lagekorrekturmöglichkeit kann
mit Unsicherheiten behaftet sein. Bei (the-
oretisch) freier Verschiebungsmöglichkeit
des Brückenüberbaus würde die Aufstell-
temperatur der Frischbetontemperatur ent-
sprechen. Für das in den Bildern 8.7.1-20
und 21 gezeigte Beispiel war die Aufstell-
temperatur zu
TFrischbeton + ∆THydratations­einfluss mit
∆THydratationseinfluss = 5 K ermittelt worden.
Eine Abschätzung der Frischbetontem­
peratur aus der Lufttemperatur ist kaum
möglich, da, wie Bild 8.7.1-23 zu entnehmen
ist, nur ein sehr schwacher Zusammenhang
zwischen der Frischbetontemperatur und
der zeitgleich vorherrschenden Lufttempe-
ratur besteht, zumal auch die Lufttempera-
tur nur ungenau vorherzusehen ist.
Bild 8.7.1‑23   Zeitgleiche Gegenüberstellung Eine Lösung liegt in dem Ansatz einer
von Lufttemperatur und Frischbetontempera- mittleren zu erwartenden Frischbetontem-
tur, aus [Readymix Beton, 2002] peratur. Bei dem Ansatz von z. B. 16 °C
8.7 Spezielle Probleme 753

beträgt der Schätzfehler nach Bild 8.7.1-23 der maximalen Querschnittserwärmung


bis zu ± 16 K. In Analogie zu Tabelle 8.7.1-5 ∆THydratation gegenüber der Frischbeton-
ergäben sich für die anzusetzende Tempe- temperatur abhängig und kann auf (+5 K)
raturschwankung des Brückenüberbaus … (∆THydratation –3 K) eingegrenzt werden.
folgende Zuschläge: Eine vergleichbare Situation tritt auch
(∆TN, pos + 20) K und bei Verbundbrücken auf. Der erhärtende
Beton wird durch die Verbundwirkung in
(∆TN, neg –­16 K – ∆THydratationseinfluss) seiner hydratationsbedingten thermischen
Dabei ist der Zuschlag für den Hydrata­ Verformung behindert. Als Folge dessen
tionseinfluss von der Verschiebungsbe­ verkürzt sich der Obergurt und der Verstei-
hinderung des Betonierabschnitts sowie­ fungsträger verkrümmt sich entsprechend.

Bild 8.7.1‑24   Vorschlag eines Sicherheitskonzepts zur Berücksichtigung von Temperaturschwan-


kungen
754 8 Berechnung

[Pamp, 1991] befasst sich eingehend mit existieren Verfahren zur modellhaften Er-
diesen Auswirkungen der Hydratations- mittlung von Temperatureinwirkungen.
wärmeentwicklung auf Verbundbrücken. Die zur Beschreibung des Temperatur-
Die Berücksichtigung des Aufstelltem- zustands verwendeten idealisierten Ersatz-
peraturzustands durch zusätzliche additive temperaturverteilungen wirken gleichzeitig
Aufschläge zu den klimatisch bedingten auf das Bauwerk ein, weshalb sie innerhalb
Temperaturbeanspruchungen können in der Lastannahme „Temperatureinwirkung“
ein Sicherheitskonzept eingebunden wer- durch Kombinationsregeln zu überlagern
den. Hierfür liefert Bild 8.7.1-24 einen Vor- sind. Für die Interaktion zwischen verschie-
schlag. Es stellt den Zusammenhang zwi- den Bauwerkselementen bei exponierten
schen den charakteristischen Werten der Brückentragwerken wie z. B. Schrägkabel-
Temperatureinwirkungen Tk, max und Tk, min, brücken sind Zusatzüberlegungen erfor-
dem Referenztemperaturzustand T0 und derlich.
dem Aufstelltemperaturzustand TF her. Die Neben der Berücksichtigung der extre-
wesentlichen Sicherheitselemente bestehen men Temperaturzustände eines Brücken-
zum einen in den additiven Elementen tragwerks kann der Temperaturzustand
∆T0, min bzw. ∆T0, max zur Erfassung der während des Lagereinbaus von zu beach-
Unsicherheiten bei der Abschätzung der tender Bedeutung sein, da der augenblick-
Aufstelltemperatur und zum anderen in liche Temperaturzustand fixiert wird und
einem Sicherheitselement ∆Tγ im Sinne die nachfolgenden Temperaturreaktionen
eines Teilsicherheitsbeiwerts. an diese „neuen“ Randbedingungen ge-
knüpft sind.
Der Heißeinbau von Fahrbahnbelag ist
8.7.1.9 Zusammenfassung und abschließende wegen der hohen Einbautemperaturen bis
Hinweise 250 °C eine kurzzeitige, extreme Tempera-
tureinwirkung, die von der vorherrschenden
Die Temperaturreaktionen von Brücken- Wettersituation überlagert wird. Verallge-
tragwerken resultieren aus einem komple- meinerbare Lastansätze zu diesem Bauvor-
xen Zusammenspiel der thermischen Las- gang existieren derzeit noch nicht, weshalb
ten (Klima, Hydratationswärme, Heißein- eine spezifische Beurteilung der Auswirkun-
bau von Fahrbahnbelag etc.), der Einbet- gen auf das Tragwerk nur schwer möglich
tung der Brücke in die Umgebung und der ist. Gleichwohl können erhebliche Zwän-
geometrischen und thermophysikalischen gungsbeanspruchungen in der Fahrbahn­
Bauwerkseigenschaften. Sie werden letzt- ebene auftreten und z. B. in orthotropen
lich zusammengefasst in idealisierte Ersatz- Fahrbahndecks bei der Überlagerung mit
temperaturverteilungen, die jedoch nur den Schweißeigenspannungen zur Ausbil-
einen Teil der tatsächlichen Bauwerksreak- dung lokal begrenzter Fließzonen führen.
tionen wie Längsdehnung und Tragwerks-
verkrümmung wiedergeben. Für die domi-
nierenden klimatisch bedingten Tempera- 8.7.2 Schwingungsprobleme
tureinwirkungen können damit in den
überwiegenden Fällen hinreichend sichere Hugo Bachmann
Lastannahmen getroffen werden. In den
Normenregelungen werden hierfür ent- 8.7.2.1 Immer mehr Schwingungsprobleme
sprechende Grenzwerte angegeben. Bei
Querschnittsgeometrien, die nicht durch In der Praxis des Brückenbaus treten im-
die drei Gruppen repräsentiert werden, mer mehr Schwingungsprobleme auf – es
8.7 Spezielle Probleme 755

scheint, dass die Brücken schwingungsan- Im Folgenden werden Schwingungspro-


fälliger werden. Dies hat mehrere Gründe: bleme der Haupttragelemente vorerst bei
Die Baustoffe werden gewissermaßen stets Straßen- und Eisenbahnbrücken und an-
höher gezüchtet, sie können deshalb – für schließend bei Fußgängerbrücken behan-
statische, d. h. ruhende Einwirkungen – im- delt; zudem werden Seilschwingungen kurz
mer stärker ausgenutzt werden. Das führt angesprochen. Dabei stehen das Verständ-
zu schlankeren Konstruktionen, d. h. zu nis der auftretenden Phänomene und deren
kleineren Querschnittsabmessungen bzw. ingenieurmäßige Bewältigung im Vorder-
größeren Spannweiten als bei älteren Kon- grund. Vertieftere Betrachtungen sind in
struktionen. Die Folgen sind kleinere Stei- der Spezialliteratur zu finden. Für die prak-
figkeiten und Massen. Dabei überwiegt tische dynamische Bemessung sind – so-
meist die Abnahme der Steifigkeit, was tie- fern vorhanden – einschlägige Normenbe-
fere Eigenfrequenzen mit vermehrter Reso- stimmungen heranzuziehen.
nanzgefahr bewirkt. Aber es muss auch
weniger Masse in Bewegung gesetzt wer-
den, d. h. die durch dynamische Einwir- 8.7.2.2 Straßen- und Eisenbahnbrücken
kungen eingebrachte Energie hat deutlich
stärkere Schwingungen zur Folge. Zudem 8.7.2.2.1 Problemstellung
zeigen verschiedene dynamische Einwir-
kungen – z. B. durch Fahrzeuge infolge Schwingungen bei Straßen- und Eisen-
Zunahme von Gewicht und Geschwindig- bahnbrücken können vor allem den Haupt-
keit – eine Tendenz zur Verstärkung. Und träger (Fahrbahnträger) und/oder dessen
schließlich ist manchmal auch eine ver- Fahrbahnplatte sowie einzelne schlanke
stärkte Sensibilität der von Schwingungen Konstruktionselemente wie Kabel und Py-
betroffenen Menschen festzustellen. Wohl lone von Schrägkabel- und Hängebrücken
durch die zunehmenden Umwelteinflüsse betreffen. Die Schwingungen des Hauptträ-
ist man empfindlicher geworden, es wird gers und der Fahrbahnplatte sind in aller
eher reklamiert. Regel vertikale Schwingungen.
Die zunehmenden Schwingungspro- Dynamische Einwirkungen erfolgen vor
bleme zeigen, dass Brücken heutzutage im allem durch Fahrzeuge und durch Wind.
Allgemeinen nicht mehr nur für statische Von besonderer Bedeutung ist die Über-
Lasten entworfen werden dürfen – auch fahrt von schweren Fahrzeugen mit einer
wenn die Bestimmungen in verschiedenen vielschichtigen Interaktion zwischen Fahr-
Normen immer noch diesen Anschein er- zeug und Brückenträger mit spezifischen
wecken. Oft – und das betrifft vor allem Fahrbahnunebenheiten [Cantieni, 1991],
Fußgängerbrücken – ist es auch nicht die zu Einwirkungen und Schwingungen
zweckmäßig, Brücken vorerst nur für stati- mit quasistationärem Charakter führen.
sche Lasten zu gestalten und anschließend Weitere dynamische Einwirkungen sind
eine allfällig erforderliche „dynamische Bremskräfte und Kräfte auf Leitplanken
Verbesserung“ in Betracht zu ziehen. Das usw., die jedoch mehr stoßartigen Charak-
kann ein zeitraubender Umweg sein und zu ter haben und daher zu Schwingungen mit
einem wesentlichen Mehraufwand bei der abnehmenden Amplituden führen.
Planung führen. Viel besser und weniger Bei Schwingungen von Straßen- und
aufwendig kann es sein, die dynamischen Eisenbahnbrücken handelt es sich meist
Einwirkungen und das Schwingungsverhal- um Sicherheitsprobleme (Überbeanspru-
ten bereits im frühesten Planungsstadium chung und/oder Ermüdung) und kaum
in den Entwurfsprozess miteinzubeziehen. um Gebrauchstauglichkeitsprobleme. Eine
756 8 Berechnung

Ausnahme bilden beispielsweise Straßen- weise aktiviert, und die dominante Fre-
brücken, die auch von Fußgängern benutzt quenz der dynamischen Radlasten sinkt auf
werden. Hier können starke Schwingungen 2,5 … 1,5 Hz ab (eher Hubschwingungen).
zur Beeinträchtigung des Komforts der Bei hohen Geschwindigkeiten sind die
Fußgänger führen. Solche Fälle sind ähn- Blattfedern meist voll aktiviert, und die
lich wie schwingende Fußgängerbrücken dominante Frequenz kann auf 1,5 … 1,2 Hz
(siehe Abschnitt 8.7.2.3) zu behandeln. absinken (eher Nickschwingungen). Bei
Die folgenden Ausführungen konzent- Fahrzeugen mit Luftfedern ist die Abhän-
rieren sich auf vertikale Schwingungen des gigkeit von der Fahrgeschwindigkeit gerin-
Hauptträgers (Fahrbahnträger) von Stra- ger, die dominante Frequenz der Radlasten
ßenbrücken; sie werden ergänzt durch ent- liegt im Allgemeinen bei 1,8 … 1,5 Hz.
sprechende kurze Hinweise zu Eisenbahn-
brücken.
8.7.2.2.3 Dynamische Eigenschaften von
Straßenbrücken
8.7.2.2.2 Dynamische Einwirkungen durch
Straßenlasten Eigenfrequenzen und Dämpfung von Stra-
ßenbrücken hängen von zahlreichen Pa­
Wesentliche vertikale dynamische Kräfte rametern wie Tragsystem, Querschnittsge-
aus Straßenlasten entstehen durch Schwin- staltung, verwendete Baustoffe, konstrukti-
gungen von schweren Fahrzeugen. Dabei ve Durchbildung, Lagerungsbedingungen
sind vor allem die folgenden Phänomene usw. ab und können auch bei äußerlich ähn-
und Parameter von Bedeutung: lichen Objekten stark verschieden sein. Zur
Orientierung über die vorkommenden Grö-
• Unebenheiten (Welligkeit) der Fahrbahn
ßenordnungen dienen die Bilder 8.7.2-1
• Fahrgeschwindigkeit
[Bachmann, 1997] und 8.7.2-2 [Cantieni,
• Masse (Gewicht) des Fahrzeugs und An-
1991]. Die Grundfrequenz f nimmt erwar-
zahl der Radachsen
tungsgemäß mit der größten Spannweite
• Eigenschwingfrequenzen des Fahrzeugs,
ab; dabei sind aber die erheblichen Streu-
und damit verbunden
ungen zu beachten. Auch das logarith-
– Kennlinien der Federung durch Ver-
mische Dämpfungsdekrement, welches z. B.
änderungen des Reifenprofils und der
aus dem Ausschwingen einer Brücke nach
Radaufhängung (Blattfedern oder
dem Stoß eines Fahrzeugs beim Fahren über
Luftfedern)
ein auf die Fahrbahn gelegtes Brett bestimmt
– Eigenschwingungsformen des Fahr-
werden kann, variiert in weiten Grenzen.
zeugaufbaus (Hub- und Nickschwin-
Bei Verbundbrücken (Stahlträger mit Be-
gungen)
tonfahrbahnplatte) und erst recht bei Stahl-
Für die dynamische Antwort einer Brücke brücken ist die Dämpfung im Allgemeinen
besonders wichtig sind die dominante Fre- deutlich kleiner als bei Betonbrücken. Das
quenz und die Größe der dynamischen Dämpfungsdekrement δ kann in das Dämp-
Radlasten. Bei Fahrzeugen mit Blattfedern fungsmaß ζ (Verhältnis der Dämpfung zur
sind bei tiefen Fahrgeschwindigkeiten kritischen Dämpfung) umgerechnet wer-
noch sämtliche Blattfedern blockiert, so- den mit ζ = δ/2π. Wegen der großen Streu-
dass das Fahrzeug nur auf den Reifen mit ungen geben beide Darstellungen nur grobe
2,5 … 3,5 Hz schwingt. Überschreitet die Größenordnungen, und sie können in
Fahrgeschwindigkeit ein bestimmtes Maß ­konkreten Fällen nicht zur Annahme von
(z. B. 40 km/h), werden die Blattfedern teil- Rechenwerten benutzt werden.
8.7 Spezielle Probleme 757

Bild 8.7.2‑1   Grundfrequenz von 224 Straßenbrücken als Funktion von der größten Spannweite
[Bachmann, 1997]

Hier sei betont, dass diese Angaben nur ckenschwingungen ist das sogenannte dy-
für Balkenbrücken gelten. Für Schrägkabel- namische Inkrement:
und Hängebrücken können kaum allge- Adyn – Astat
mein gültige Hinweise für die Größenord- Ф = 991 ∙ 100 [%] (1)
nung von Grundfrequenz und Dämpfung Astat
gegeben werden. Darin ist Adyn die maximale Durchbiegung
im Messpunkt unter dynamischer und Astat
die maximale Durchbiegung im gleichen
8.7.2.2.4 Schwingungsverhalten von Punkt unter statischer Belastung mit dem
Straßenbrücken gleichen Fahrzeug.
Für Rechenzwecke wird im Allgemeinen
Repräsentativ für die Antwort einer Stra- der sogenannte dynamische Beiwert ver-
ßenbrücke auf die Überfahrt eines schweren wendet:
Fahrzeugs ist die Durchbiegungs-Zeit-
Ф 1 = 1 + Ф  (2)
Funktion in der Mitte der größten Spann-
weite bzw. des weichsten Felds. Im Bild 8.7.2-4 ist das dynamische Inkre-
Bild 8.7.2-3 zeigt diese Funktion für eine ment Ф als Funktion von der Grundfre-
3-feldrige Brücke [Cantieni, 1991]. Eine quenz von 73 Betonbrücken mit üblichen
einfache Größe zur Beurteilung der Brü- Fahrbahnunebenheiten bei der Überfahrt

Bild 8.7.2‑2   Häufigkeitsverteilung des loga- Bild 8.7.2‑3   Durchbiegungs-Zeit-Funktion bei


rithmischen Dämpfungsdekrements von 198 der Überfahrt eines schweren Fahrzeugs über
Stahlbeton- und Spannbetonbrücken [Cantieni, eine Brücke [Cantieni, 1991]
1991]
758 8 Berechnung

Bild 8.7.2‑4   Dynamisches Inkrement als Funktion von der Grundfrequenz von 73 Brücken bei der
Überfahrt eines 2-achsigen Fahrzeugs [Bachmann, 1997]

eines schweren Fahrzeugs mit Blattfedern der entsprechende dynamische Beiwert ge-
dargestellt [Bachmann, 1997]. Die Umhül- ringer ausfällt. Bild 8.7.2-5 zeigt einen Vor-
lende zeigt eine wesentliche Überhöhung schlag für die dynamischen Beiwerte Ф1 für
mit Ф = 70% im Bereich der dominanten Einzelfahrzeuge (2-achsige und die beson-
Frequenz der dynamischen Radlasten von ders kritischen 3- und 4-achsigen Lastwa-
2 … 4 Hz auf. gen, keine Sattelschlepper) einerseits und
Obschon die Brückenschwingungen im für eine aus den selben Fahrzeugen gebilde­
Allgemeinen quasistationären Charakter te Kolonne andererseits [Cantieni, 1991].
haben, können sie nicht auf einfache Reso- Die Schwingungen des Hauptträgers von
nanzüberlegungen zurückgeführt werden. Straßenbrücken führen im Vergleich zur
Darauf weist auch der Befund hin, dass Wirkung derselben Fahrzeuge nur als ru-
die Größe der Dämpfung einer Brücke hende, d. h. statische Lasten zu unter Um-
keinen wesentlichen Einfluss auf das dyna- ständen wesentlich erhöhten Beanspru-
mische Inkrement zu haben scheint. Viel- chungen (Spannungen) in Längsrichtung;
mehr wird das Geschehen bei der Überfahrt sie können aber ebenso zur Ermüdung des
eines schweren Fahrzeugs über eine Brücke Hauptträgers beitragen, was vor allem bei
durch eine vielschichtige Inter­aktion zwi- Stahlbrücken und Stahl-Beton-Verbund-
schen Fahrzeug und Brücke bestimmt. Die- brücken zutrifft. Auch für den Nachweis
se bilden zusammen ein kompliziertes ge- der Ermüdungssicherheit werden daher die
koppeltes dynamisches System mit erhebli- maßgebenden statischen Lasten mit dem
chen Nichtlinearitäten, die vor allem durch dynamischen Beiwert multipliziert. Die aus
die in Abschnitt 8.7.2.2.2 erwähnte Verän- den erhöhten Lasten resultierenden Span-
derlichkeit der Fahrzeugeigenschaften be- nungen Δstat bzw. Spannungsdifferenzen
dingt sind. Für Bemessungszwecke müssen Δσstat dürfen bestimmte Grenzwerte nicht
daher weiterhin Erfahrungswerte aus Mes- überschreiten.
sungen herangezogen werden. Ergänzend sei hier bemerkt, dass bei
Für den Fall einer simultanen Überfahrt ungünstigen Belagsverhältnissen auch
von zwei und mehr Fahrzeugen in einer Schwingungen von Tragelementen der Brü-
Kolonne „kämpfen“ gewissermaßen die cke in Querrichtung (z. B. Fahrbahnplatte
Brückenschwingungen infolge der einzel- bei Straßenbrücken) wesentlich sein kön-
nen Fahrzeuge gegeneinander und kom- nen. Dabei handelt es sich um resonanz­
pensieren sich dabei teilweise, so dass das ähnliche Schwingungen der Fahrzeugach-
resultierende dynamische Inkrement bzw. sen mit dem Tragelement meist im Bereich
8.7 Spezielle Probleme 759

Bild 8.7.2‑5   Vorschlag für die dynamischen Beiwerte für ein Einzelfahrzeug Ф1 und eine Fahr-
zeugkolonne Ф2 [Cantieni, 1991]

von etwa 10 Hz. Auch hier können Ermü- 8.7.2.2.6 Maßnahmen


dungsphänomene maßgebend sein.
Während in bisherigen Normen für Mäßige Schwingungen von Straßen- und
Straßenlasten (z. B. SIA 160) der dyna- Eisenbahnbrücken können als unproble-
mische Beiwert noch explizit ausgewiesen matisch bezeichnet werden, sofern ihnen
und somit erkennbar ist, wurde bei kürzlich bei der Bemessung im obenerwähnten
erschienenen Normen (z. B. [Euro­­code 1, Sinne Rechnung getragen wird. Von großer
2000], [SIA 261, 2003]) dazu übergegan- Bedeutung ist bei Straßenbrücken der Zu-
gen, den dynamischen Lastanteil in die Ge- stand des Fahrbahnbelags; regelmäßige
samtlasten zu integrieren. Dies erklärt bei- Kontrollen und Erneuerungen sind unab-
spielsweise die gemäß [SIA 261, 2003, DIN- dingbar. Weitere Maßnahmen sind im All-
FB 101, 2009] sehr hohen Achslasten (2 Rä- gemeinen nicht erforderlich. In Fällen von
der) von 300 kN. übermäßig starken Schwingungen können
ähnlich wie bei Fußgängerbrücken (siehe
Abschnitt 8.7.2.3.9) Tilger (abgestimmte
8.7.2.2.5 Eisenbahnbrücken Massen-Feder-Dämpfer) in Betracht gezo-
gen werden. Ein solcher Fall ist in [Ge-
Bezüglich Schwingungen von Haupträgern rasch, 1985] beschrieben.
von Eisenbahnbrücken gelten grundsätz-
lich ähnliche Zusammenhänge und Über-
legungen wie bei Straßenbrücken. Hier sind 8.7.2.3 Fußgängerbrücken
die Unregelmäßigkeiten des Gleises, die
Fahrgeschwindigkeit und wiederum die 8.7.2.3.1 Problemstellung
Schwingungseigenschaften der Fahrzeuge
(Lokomotive, Wagen) und des Hauptträ- Schwingungen bei Fußgängerbrücken kön-
gers von Bedeutung. Der dynamische Bei- nen vor allem den Hauptträger (Gehweg-
wert kann in Abhängigkeit von den Spann- träger) aber auch einzelne schlanke Kon-
weiten und der Ausbaugeschwindigkeit struktionselemente wie Kabel und Pylone
angesetzt werden. Wiederum ist auch die von Schrägkabel- und Hängebrücken be-
Ermüdung zu betrachten und es können treffen. Die Schwingungen des Hauptträ-
Schwingungen von Tragelementen in Quer- gers können sowohl vertikale als auch hori-
richtung usw. wesentlich sein. zontale Schwingungen (quer und längs zur
Fortbewegungsrichtung) sein.
760 8 Berechnung

Dynamische Einwirkungen erfolgen vor • Schritt- bzw. Hüpffrequenz


allem durch das Gehen und Laufen von • Zeitlicher Verlauf der dynamischen Ein-
Fußgängern und durch Wind. Die Einwir- wirkung
kungen von Radfahrern sind im Vergleich • Anzahl der beteiligten Personen
zu denjenigen der Fußgänger nicht von Be- • „Lock-in“-Effekt
deutung. Hingegen kann die sogenannte
Übliche Schrittfrequenzen beim Gehen
mutwillige Anregung (englisch „Vandal
und Laufen sowie Frequenzen beim Hüp-
loading“) durch rhythmisches Hüpfen an
fen an Ort sind in Tabelle 8.7.2-1 wiederge-
Ort oder evtl. auch durch horizontales Hin-
geben [Baumann/Bachmann, 1988]. Grobe
und Herbewegen des Körpers von Einzel-
Mittelwerte sind 2 Hz für das Gehen sowie
personen oder Personengruppen eine maß-
2,5 Hz für das Laufen und Hüpfen. Es müs-
gebende Einwirkung sein.
sen jedoch die großen möglichen Variati-
Bei Schwingungen von Fußgänger­
onen beachtet werden.
brücken handelt es sich meist um Ge-
Von erheblicher Bedeutung ist der zeit-
brauchstauglichkeitsprobleme, indem der
liche Verlauf der einwirkenden Kraft Fp(t)
Komfort der Fußgänger beeinträchtigt
einer Person. Die Kraft kann zerlegt werden
wird, was bis zur praktischen Unbenutzbar-
in einen statischen Anteil infolge Eigenge-
keit (Sperrung) einer Brücke gehen kann.
wicht (Körpergewicht) und einen dynami-
In eher seltenen Fällen können auch Sicher-
schen Anteil als Summe von harmonischen
heitsprobleme (Überbeanspruchung und/
Funktionen („Harmonische“) mit Frequen-
oder Ermüdung) auftreten.
zen, die ein ganzzahliges Vielfaches der
Die folgenden Ausführungen konzen-
Schritt- bzw. Hüpffrequenz als Grundfre-
trieren sich auf vertikale und horizontale
quenz der Einwirkung betragen (Fourier­
Schwingungen des Hauptträgers (Gehweg-
zerlegung):
träger) von Fußgängerbrücken durch die
Einwirkung von Personen. Sie gelten auch
Fp (t ) = G + ∆G1 ⋅ sin(2π ftp )
für ähnlich ausgebildete und beanspruchte
Bauwerke wie weitgespannte Treppen, + ∆G2 sin (4 π f pt − ϕ2 )
Schiffslandestege, usw.  + ∆G3 sin(6 π f pt − ϕ3 ) (3)

G Eigengewicht der Person (i. a. G =


8.7.2.3.2 Dynamische Einwirkungen durch 800 N)
Personen ΔG1, 2, 3 Amplitude der 1. bzw. 2. bzw. 3.
Harmonischen
Wesentliche vertikale und horizontale dy- fp Schritt- bzw. Hüpffrequenz
namische Kräfte auf Fußgängerbrücken φ2,3 Phasenwinkel (zeitliche Phasen-
entstehen durch rhythmische Körperbewe- verschiebung) der 2. bzw. 3. Har-
gungen von Personen. Dabei sind vor allem monischen gegenüber der 1. Har-
die folgenden Aspekte von Bedeutung monischen

Tabelle 8.7.2-1  Schritt- bzw. Hüpffrequenzen in Hz [Baumann/Bachmann, 1988]


insgesamt langsam normal rasch
Gehen 1,4 – 2.4 1,4 – 1,7 1,7 – 2.2 2.2 – 2.4
Laufen 1,9 – 3,3 1,9 – 2.2 2.2 – 2.7 2.7 – 3,3
Hüpfen 1,3 – 3,4 1,3 – 1,9 1,9 – 3,0 3,0 – 3,4
8.7 Spezielle Probleme 761

Bild 8.7.2‑6   Zeitlicher Verlauf der vertikalen Einwirkung einer Person durch Gehen mit einer
Schrittfrequenz von 2 Hz und entsprechendes Amplitudenspektrum

In der Formel für Fp(t) wurden die ersten Für die Größen ΔGi und φi (i = Nr. der
drei Harmonischen berücksichtigt. In eher Harmonischen) wurden die im Bild ange-
seltenen Fällen – vor allem beim Hüpfen – gebenen, in [Bachmann, 1997] empfohle-
kann auch noch die 4. und gar die 5. Har- nen Werte verwendet. Da die Schrittfre-
monische eine Rolle spielen. quenz, die Art des Schuhwerks und die
Bild 8.7.2-6 zeigt den zeitlichen Verlauf individuell unterschiedliche Weise des
der vertikalen Einwirkung eines Fußgän- Auftretens und Abrollens der Füße wie
gers beim Gehen mit einer Schrittfrequenz auch Schwingungen der Unterlage von
von 2 Hz. Aufgetragen sind die gesamte, Einfluss sind, können diese Größen nicht
d. h. durch beide Füße auf die Gehfläche unwesentlich variieren [Baumann/Bach-
ausgeübte Kraft und die harmonischen mann, 1988].
Anteile derselben sowie das entsprechende Beim Laufen – je nach Art – und immer
Amplitudenspektrum (Fourierspektrum). beim Hüpfen wird der Bodenkontakt
762 8 Berechnung

Bild 8.7.2‑7   Zeitlicher Verlauf der vertikalen Einwirkung einer Person (G = 720 N) durch Hüpfen
an Ort mit 2 Hz und entsprechendes Amplitudenspektrum [Bachmann, 1997]

­ nterbrochen. Bild 8.7.2-7 zeigt den zeit­


u schwingung“ aus (mit Phasenverschie-
lichen Verlauf der vertikalen Kraft einer bung).
720 N schweren Person durch Hüpfen an
Ort und das entsprechende Amplituden- Beispiel: An einer Fußgängerbrücke aus Stahl
spektrum [Bachmann, 1997]. Wesentliche traten erhebliche Vertikalschwingungen auf.
Einflussgrößen sind vor allem die Hüpf­ Unter normalen Bedingungen während des
frequenz, die Art des Hüpfens (hoch/­ abendlichen Berufsverkehrs wurden Fre-
niedrig) und das Schuhwerk. Man erkennt, quenz und Bewegungsamplituden gemessen.
dass in diesem Beispiel das Kraftmaximum Die Anzahl der Passanten schwankte zwi-
das 6-fache (!) des Eigengewichts beträgt, schen 30 und 55 pro Minute. Es zeigte sich,
und dass wesentliche dynamische Kräfte dass die Brücke hauptsächlich in ihrer
bis zur 5. Harmonischen abgegeben Grundfrequenz von rund 4 Hz schwingt. Die
­werden. Anregung erfolgt durch die 2. Harmonische
Es muss hier ausdrücklich auf die große des zeitlichen Verlaufs der dynamischen Ein-
Bedeutung hingewiesen werden, welche wirkung mit einer Schrittfrequenz von etwa
obere Harmonische des zeitlichen Verlaufs 2 Hz.
der Einwirkung durch Personen für
­Bauwerksschwingungen haben können. Beim Gehen und Laufen üben Personen
Natürlich ist der einfachste Fall der, dass auch horizontale Kräfte auf die Unterlage
Fußgängerbrücken mit relativ niedriger aus. Solche Kräfte entstehen durch das Pen-
Grundfrequenz f0 durch die 1. Harmo­ deln des Massenschwerpunkts des Körpers
nische der dynamischen Einwirkung­ mit Verschiebungsamplituden von im All-
mit der Schritt- oder Hüpffrequenz fp zu gemeinen etwa 1 bis 2 cm quer zur Fortbe-
Resonanzschwingungen angeregt werden, wegungsrichtung bzw. in Längsrichtung im
d. h. fp = f0. Manchmal werden aber­ Vergleich zum Ort im Falle einer strikt kon-
Brücken (ebenso Turnhallendecken, Sport- stanten Fortbewegungsgeschwindigkeit.
stadien, usw.) mit einer höheren Grund­ Dabei ist zu beachten, dass die Pendelfre-
frequenz durch obere Harmonische an­ quenz – als Grundfrequenz der Einwir-
geregt, z. B. ist dann 2fp = f0 oder 3fp = f0; kung – der halben Schrittfrequenz ent-
in solchen Fällen übt die 2. bzw. 3. Harmo- spricht; sie liegt somit im Bereich von 0,7
nische gewissermaßen einen „Stoß in bis 1,7 Hz bei Schrittfrequenzen von 1,4 bis
edes 2. bzw. 3. Wellental der Bauwerks- 3,5 Hz (Tabelle 8.7.2-1). Bezieht man die
8.7 Spezielle Probleme 763

Bild 8.7.2‑8   Amplitudenspektren der horizontalen Einwirkung einer Person (G 584 N) durch


Gehen mit einer Schrittfrequenz von 2 Hz [Schulze, 1980]

Bezeichnung der einzelnen Harmonischen klein sind, genügen sie, um bei horizontal
weiterhin auf die Schrittfrequenz, so kön- weichen und somit niedrigfrequenten
nen die Amplituden der Harmonischen mit Tragwerken starke Schwingungen zu be-
ΔG1/2 , ΔG1 , ΔG3/2 , ΔG2 usw. benannt wer- wirken.
den; ΔG1/2 ist in Tat und Wahrheit die 1.
Harmonische des zeitlichen Verlaufs der Beispiel: Eine Fußgängerbrücke am Flugha-
horizontalen Einwirkung, sie wird indessen fen Genf ist als Stahlbeton-Durchlaufträger
meist als „Halbharmonische“ bezeichnet. mit Regelspannweiten von rund 15 m ausge-
Bild 8.7.2-8 zeigt Amplitudenspektren der bildet [Bachmann, 1992]. Bild 8.7.2-9 zeigt
horizontalen Einwirkung einer 584 N die Abmessungen. Die Gehwegplatte ist 4 m
schweren Person durch Gehen mit einer breit. Die Stahlbetonstützen von rund 7 m
Schrittfrequenz von 2 Hz [Schulze, 1980]. Höhe wiesen einen relativ kleinen Quer-
Man erkennt, dass auch hier obere Harmo- schnitt von 65 cm (in Brückenquerrichtung)
nische von Bedeutung sein können. In Rich- mal 30 cm (in Brückenlängsrichtung) auf, da
tung „horizontal quer“ treten vor allem sie nur für horizontale statische Windkräfte
Kräfte in der halben und der anderthalbfa- bemessen worden waren. Nach Schluss einer
chen Schrittfrequenz auf, während in Rich- abendlichen Großveranstaltung strömten
tung „horizontal längs“ vor allem solche zahlreiche Fußgänger von einer Seite her
in der ein- und zweifachen aber auch in der über die Brücke. Diese begann stark zu
halben, anderthalbfachen, usw. Schrittfre- schwingen, vor allem horizontal quer zur
quenz abgegeben werden. Je nach Person Brückenachse, aber auch in Längsrichtung.
und Bewegungszustand der Unterlage kann Es kam zu einer panikartigen Reaktion: Ein
die Größe der Amplituden im Vergleich zu Teil der Fußgänger rannte vorwärts zum
Bild 8.7.2-8 verschieden sein, z. B. sind für Ende der Brücke, um sich dort in Sicherheit
„horizontal quer“ Werte ΔG1/2/G auf ru- zu bringen, während ein anderer Teil um-
hender Unterlage bis ≈ 0,07 und auf stark kehrte und zurückrennen wollte. Die Fuß-
quer schwingender Unterlage bis ≈ 0,14 gänger erlebten die Schwingungen wie bei
möglich [Matsumoto, 1978]. Obschon die einem starken Erdbeben oder ähnlich wie auf
durch Personen beim Gehen und Laufen einem Schiff bei hohem Wellengang. Eine dy-
ausgeübten horizontalen Kräfte im Ver- namische Untersuchung zeigte, dass die
gleich zu den vertikalen Kräften relativ Grundfrequenz der Brücke horizontal quer
764 8 Berechnung

Bild 8.7.2‑10   Versteifung der Brückenstützen


von Bild 8.7.2-9 durch Ummantelung [Bach-
mann, 1992]

zur Brückenachse nur 1 Hz und in Richtung


der Brückenachse 1,75 Hz betrug. Ein Blick
auf die Amplitudenspektren von Bild 8.7.2-8
erklärt die Schwingungen: Die Brücke wurde
durch die Fußgänger in Querrichtung durch
die „Halbharmonische“ mit ΔG1/2 und in
Längsrichtung durch die Harmonische mit
der Amplitude ΔG1 angeregt. Die Brücke
musste saniert werden durch Versteifung der
bestehenden Stahlbetonstützen; diese wur-
den sorgfältig aufgeraut und mit einer neu-
en Bewehrung und Beton ummantelt
(Bild 8.7.2-10). Und um die Einspannung
der verstärkten Stützen zu gewährleisten,
mussten auch die Pfahlkopfplatten der Fun-
damente verstärkt werden. Durch diese
Maßnahmen konnten die Eigenfrequenzen
in Quer- und Längsrichtung der Brücke so
weit angehoben werden, dass keine stören-
den Schwingungen mehr auftraten, was
Bild 8.7.2‑9   Horizontal quer und längs schwin- einer nachträglichen Frequenzabstimmung
gende Fußgängerbrücke [Bachmann, 1992] (s. Abschnitt 8.7.2.3.7) entspricht.
8.7 Spezielle Probleme 765

Genauere Empfehlungen für die rechne- vieler Fußgänger werden sich daher in der
risch anzusetzenden Größen ΔGi /G und φi Zeit abwechselnd sowohl unterstützen als
für Gehen, Laufen und Hüpfen (sowie für auch teilweise kompensieren. Exakte Vor-
andere rhythmische menschliche Körper- aussagen sind kaum möglich, da eben vie-
bewegungen) als Funktion von der Schritt- le verschiedene Parameter und Zufällig-
bzw. Hüpffrequenz sind in [Bachmann, keiten eine Rolle spielen. Für praktische
1997] angegeben. Zwecke genügend genau hat sich jedoch
der Ansatz nach [Matsumoto, 1978] er-
wiesen. Demnach kann ein Faktor m de­
8.7.2.3.3 Einwirkung von mehreren Personen finiert werden, mit dem die für einen
und „Lock-in“ Effekt einzigen Fußgänger berechnete Schwin-
gungsamplitude in Brückenmitte zu mul-
Die obigen Ausführungen beziehen sich tiplizieren ist:
vorwiegend auf die Einwirkung durch eine m = λ ⋅ T0  (4)
einzige Person. Fußgängerbrücken werden
jedoch im Allgemeinen gleichzeitig durch λ: mittlere Ankunftsrate (Personen/s für
mehrere Personen beansprucht. Dabei ganze Brückenbreite) über einen be-
müssen die folgenden Arten von Einwir- stimmten Zeitraum (maximale mögli-
kungen unterschieden werden: che Ankunftsrate λmax ≈ 1,5 Personen
pro s und m Breite)
• Regellose Einwirkung T0  : erforderliche Zeit, um die Brücke der
• Synchrone Einwirkung Länge L mit der Geschwindigkeit vs zu
• „Lock-in“ Effekt passieren (T0 = L/vs).
Bei regelloser Einwirkung z. B. durch Ge- λ ∙ T0  : Anzahl der sich bei der mittleren
hen oder Laufen sind die Schrittfrequenz Ankunftsrate gleichzeitig auf der
und das Eigengewicht der beteiligten Per- Brücke befindenden Personen
sonen innerhalb eines bestimmten Berei- Dabei ist bereits berücksichtigt, dass eine
ches nach einer Häufigkeitskurve verteilt, über eine ganze Spannweite gleichmäßig
während der Phasenwinkel φ1 der 1. Har- verteilte Einwirkung nur etwa 60% der
monischen (auf beliebigen Zeit-Nullpunkt Durchbiegung durch die gleiche jedoch
bezogen) eine rein zufällige Verteilung konzentriert in Feldmitte angreifende Ein-
aufweist. Die dynamischen Einwirkungen wirkung erzeugt.

Bild 8.7.2‑11   Multiplikationsfaktor bei Einwirkung mehrerer Personen


766 8 Berechnung

Zum Beispiel ergibt sich bei einer 2 m Von erheblicher praktischer Bedeutung
breiten und 26 m weit gespannten Brücke kann das Phänomen sein, welches als
beim Durchgang von 100 Personen/Minute Rückkopplungs- und Synchronisations­
(λ = 1,66 Personen/s) und vs ≈ 1,5 m/s eine effekt oder, in Anlehnung an ähnliche Er-
Passierzeit von T0 = 26/1,5 = 17,3 s und da- scheinungen in der Aeroelastik bei Wirbel­
mit ein Faktor m = 5,4. ablösung an umströmten schwingenden
Gleichung (4) kann bei Fußgängerbau- Körpern, als „Lock-in“ Effekt bezeichnet
werken mit einer Grundfrequenz f0 im wird. Es hat sich nämlich gezeigt, dass der
Bereich der häufigsten Schrittfrequenz, Mensch beim Gehen und Laufen sich in
d. h. bei normalem Fußgängerverkehr für seinen Bewegungen einer vertikal oder
f0 zwischen 1,8 und 2.2 Hz, direkt angewen- ­horizontal schwingenden Unterlage an-
det werden. Tiefere und höhere Schritt­ passt, sobald deren Verschiebungsamplitu-
frequenzen sind deutlich weniger häufig. de einen bestimmten Schwellenwert über-
Daher kann bei Grundfrequenzen f zwi- schreitet. Dann ist nämlich kein unbeein-
schen 2.2 und 2.4 Hz und zwischen 1,8 und flusstes Gehen bzw. Laufen mehr möglich,
1,6 Hz der Faktor m linear zum Wert mmin man „fällt aus dem Tritt“ und passt sich
= 2.0 abgemindert werden. Der Wert 2.0 bezüglich Schrittfrequenz und Phasenlage
entspricht dem Dahinschreiten zweier Per- (φ1) den Schwingungen der Unterlage an.
sonen im Gleichschritt. Der Schwellenwert ist richtungs- und
Bei synchroner Einwirkung durch meh- ­frequenzabhängig und kann je nach Indi-
rere Personen – z. B. eine Gruppe von Fuß- viduum (Alter, Konstitution usw.) recht
gängern im Gleichschritt oder beim syn- unterschiedlich sein. Für vertikale Schwin-
chronen Hüpfen an Ort – ergibt sich im gungen der Unterlage mit rund 2 Hz vari-
Vergleich zur Einwirkung einer einzigen iert der Schwellenwert (Amplitude) etwa
Person eine Vergrößerung, die bei der 1. zwischen 10 und 20 mm [Baumann/
Harmonischen nahezu linear mit der Anzahl Bachmann, 1988]. Für horizontale Schwin-
der Personen n zunimmt (Bild 8.7.2-11). Bei gungen quer zur Gehrichtung mit rund
oberen Harmonischen wirken sich wegen 1 Hz ist er kleiner, bei manchen Personen
der höheren Frequenzen bzw. kürzeren Peri- beginnt die An­passung an die Schwingun-
oden stets vorhandene Unterschiede bei der gen der Unter­lage bereits bei Amplituden
zeitlichen Synchronisation und bei anderen von 2 bis 3 mm.
Merkmalen (ΔGi/G, φi usw.) stärker aus und Überschreiten die Schwingungen einer
können zu wesentlichen Abminderungen Brücke den Schwellenwert einer darauf
des Multiplikationsfaktors führen. Der Grad gehenden Person, so synchronisiert sich
der Abminderung durch unperfekte Syn- diese mit der Brückenschwingung und tritt
chronisation gegenüber einer perfekten Syn- nun gewissermaßen in jedes Wellental der
chronisation bzw. linearen Vergrößerung Schwingung (mit Phasenverschiebung), wo-
hängt außer von der Harmonischen auch mit die Brücke eine resonanzähnliche und
von den betreffenden Umständen (Frequenz­ somit ungünstigere dynamische Anregung
bereich, Art der Aktivitäten usw.) ab. Zu- erfährt. Dadurch nehmen die Verschie-
mindest für eine kleinere Anzahl von Per­ bungsamplituden zu, wodurch weitere Per-
sonen erscheint jedoch die Annahme einer sonen sich mit der Brückenschwingung und
linearen Vergrößerung als angemessen (obe- somit untereinander synchronisieren. Es
rer Grenzwert). Z. B. können der Einwir- werden also immer mehr Personen gemäß
kung „mutwillige Anregung“ bei Fußgän- der englischen Bedeutung von „to lock“ in
gerbrücken 3 hüpfende Personen mit idealer die Synchronisation „eingeschlossen“ oder
Synchronisa­tion zugrundegelegt werden. – deutsch – in diese „hereingelockt“.
8.7 Spezielle Probleme 767

Beispiel: Anlässlich der Eröffnung der neu Tabelle 8.7.2-2  Übliche Werte des Dämpfungs-
erbauten Millenniumsbrücke mit Spann­ maßes von Fußgängerbrücken [Bachmann,
weiten von 80  m – 140  m – 100  m über die 1997]
Themse in der Londoner City im Juni 2000 Dämpfungsmaß ζ
strömten zahlreiche Fußgänger über die Brü-
cke. Es entstanden starke Querschwingungen Konstruktions- min. mittel max.
mit Frequenzen bei etwa 1  Hz, die nach weise
späteren Schätzungen Amplituden von bis zu Stahlbeton 0,008 0,013 0,020
70 mm erreichten. Videoaufnahmen zeigten,
dass sich ein großer Teil der Fußgänger den Spannbeton 0,005 0,010 0,017
Schwingungen der Brücke angepasst und so Verbund 0,003 0,006 –
mit diesen synchronisiert hatte. Viele Fuß-
gänger konnten allerdings nicht mehr weiter Stahl 0,002 0,004 –
gehen und mussten sich am Geländer festhal-
ten. Die Brücke musste wieder geschlossen
werden. Im Rahmen der dynamischen Sa- wobei wie im Falle der Straßenbrücken die
nierung durchgeführte Laborversuche auf großen Streuungen zu beachten sind.
einer quer schwingenden Plattform ergaben, Die Dämpfung von Fußgängerbrücken
dass sich bei einer Amplitude von 5 mm be- – besonders von Stahlbrücken und auch
reits zwischen 30 und 50% der Fußgänger von Verbundbrücken (Stahlträger mit Be-
synchronisieren, und bei 30 mm sind es rund tongehwegplatte) – kann sehr gering sein,
80% [Imp. College, 2000]. Für eine Querbe- womit beim Passieren eines Fußgängers
schleunigung von 2% von g (vgl. Abschnitt starke Schwingungen entstehen können.
8.7.2.3.6) kann eine Synchronisation von Tabelle 8.7.2-2 gibt Hinweise für das äqui-
≈ 30% der Fußgänger angenommen werden. valente viskose Dämpfungsmaß ζ = δ/2π
aus einer Auswertung von Messungen an
43 Brücken, die durch jeweils einen einzel-
8.7.2.3.4 Dynamische Eigenschaften von nen Fußgänger angeregt wurden (nach A. J.
Fußgängerbrücken Pretlove et al. in [Bachmann, 1997]). Bei

Bezüglich Eigenfrequenzen und Dämpfung


von Fußgängerbrücken als Balkenbrücken
gelten ähnliche Zusammenhänge wie bei
Straßenbrücken (Abschnitt 8.7.2.2.3). Auf-
grund der kleineren statischen Nutzlasten
können jedoch bei gleicher Spannweite
kleinere Querschnittsabmessungen gewählt
werden, wodurch die Steifigkeit und damit
die Eigenfrequenzen kleinere Werte anneh-
men. Beispielsweise hat bei einer Spann-
weite von 30 m eine Straßenbrücke eine
Grundfrequenz von 3,3 Hz, eine ähnlich
konstruierte Fußgängerbrücke jedoch nur
eine solche von 2.8 Hz. Bild 8.7.2-12 (nach
A. J. Pretlove et al. in [Bachmann, 1997]) Bild 8.7.2‑12   Grundfrequenz von 67 Fußgän-
gibt grobe Größenordnungen für die gerbrücken als Funktion von der Spannweite
Grundfrequenz von Fußgängerbrücken, [Bachmann, 1997]
768 8 Berechnung

großen Schwingwegamplituden nimmt in die horizontale Biegegrundfrequenz, es


manchen Fällen (aber nicht immer) die kann aber auch eine höhere Biegeeigenfre-
Dämpfung zu, was eine lineare Vergröße- quenz oder eine Torsionseigenfrequenz
rung der Schwingungen mit der Stärke der sein – mit der Frequenz einer Harmo­
Einwirkung verhindert. Auch tragen zahl- nischen des zeitlichen Verlaufs der Ein­
reiche gleichzeitig auf einer Brücke befind- wirkung (Abschnitt 8.7.2.3.2) überein. Im
liche Fußgänger durch die Energiedissipa- stationären Zustand, d. h. nach dem Ein-
tion in ihrem Körper selbst zur Dämpfung schwingvorgang, dessen Dauer mit kleine-
bei. Das Ausmaß der Erhöhung der Dämp- rer Dämpfung größer wird, treten Durch-
fung gegenüber derselben Brücke ohne biegungsamplituden auf, die ein Vielfaches,
Fußgänger hängt indessen von zahlreichen z. B. das 20- oder das 100-fache (es ist das
Parametern ab und sollte bei der dyna- 1/2ζ-fache, siehe Abschnitt 8.7.2.3.7) der
mischen Bemessung vor allem bei größeren Durchbiegung aus der statisch wirkenden
Brücken eher vernachlässigt oder nur sehr Amplitude ΔG der dynamischen Ein­
vorsichtig angenommen werden. wirkung betragen können. Es wäre des­
Ähnlich wie für Straßenbrücken muss halb nicht zweckmäßig, den Einfluss der
auch hier betont werden, dass die obigen Schwingungen durch einen Zuschlag zur
Angaben nur für Balkenbrücken gelten. Für statischen Last, z. B. durch einen dynami-
Schrägkabelbrücken, Hängebrücken, Bo- schen Beiwert wie bei Straßenlasten, erfas-
genbrücken und die in der letzten Zeit sen zu wollen. Vielmehr muss die dynami-
vermehrt aufgekommenen Sonderkons- sche Durchbiegung für sich betrachtet
truktionen können kaum allgemein gültige werden.
Hinweise für die Größenordnung von
Grundfrequenz und Dämpfung gegeben
werden. 8.7.2.3.6 Anhaltswerte

Gemessene oder gerechnete Schwingwerte


8.7.2.3.5 Schwingungsverhalten von von Fußgängerbrücken (Beschleunigung
Fußgängerbrücken oder Geschwindigkeit oder Verschiebung)
können mit akzeptablen Werten, sogenann-
Repräsentativ für die Antwort einer Fuß- ten Anhaltswerten, verglichen werden. Wie
gängerbrücke auf das Passieren oder das der Name sagt, handelt es sich nicht um ge-
Hüpfen einer Person ist wiederum die nau festlegbare „zulässige“ Werte, sondern
Durchbiegungs-Zeit-Funktion in der Mitte um Werte, die eine zweckmäßige, mit einer
der größten Spannweite bzw. des weichs­ Streubreite behaftete Größenordnung und
ten Felds, grundsätzlich ähnlich wie bei somit eben nur Anhaltspunkte geben. An-
Straßenbrücken bei der Überfahrt eines haltswerte können durch die folgenden
schweren Fahrzeugs (Bild 8.7.2-3). Im Phänomene bestimmt sein:
Unterschied zu solchen ist jedoch bei Fuß­ • Physiologische Wirkungen auf Personen
gängerbrücken die statische Durchbie­ (mechanische, optische, akustische Ein-
gung verhältnismäßig klein und es zeigt wirkungen)
sich meist eine einfache harmonische • Beanspruchungen des Bauwerks bzw.
Schwingung um eine praktisch unverän- Bauteils (Verformung, Festigkeit, Ermü-
derte Nulllinie mit ausgesprochen reso- dung)
nanzähnlichem Charakter. Im ungünstigs-
ten Fall stimmt dabei eine Eigenfrequenz Für die Beschränkung der Schwingwerte
der Brücke – meist ist es die vertikale oder und somit für die Anhaltswerte sind meist
8.7 Spezielle Probleme 769

die physiologischen Wirkungen maßge- 8.7.2.3.7 Frequenzabstimmung


bend.
Die Festlegung von Anhaltswerten für Als Maßnahmen gegen übermäßige Schwin-
vertikale und horizontale Schwingungen von gungen von Fußgängerbrücken kommen
Fußgängerbrücken tangiert vor allem im im Wesentlichen die folgenden in Be-
Falle der physiologischen Wirkungen schwie- tracht:
rige Fragen und weist einen gewissen Ermes-
• Frequenzabstimmung
sensspielraum auf. Verschiedene Normen
• Berechnung einer erzwungenen Schwin-
geben denn auch unterschiedliche Anhalt-
gung und Amplitudenbegrenzung
werte oder „zulässige“ Werte. Bei deren An-
• Sondermaßnahmen
wendung ist Vorsicht geboten, da Normen ja
• Einsatz von Schwingungstilgern
kaum alle in einem konkreten Fall relevanten
Umstände berücksichtigen können, z. B. Bei einer Frequenzabstimmung wird das
Tragwerk so gestaltet, dass seine Eigen­
• häufiges, ausnahmsweise oder seltenes
frequenzen – insbesondere seine Grund­
Ereignis
frequenz – bestimmte Anforderungen er-
• experimentell erhärteter oder rechne-
füllen; das Tragwerk wird also bezüglich
risch (oft sehr unsicher) ermittelter
seiner Schwingungseigenschaften ähnlich
Schwingwert
„abgestimmt“ wie ein Musikinstrument.
• erwünschter Komfortgrad
Für die Berechung der Eigenfrequenzen
• erwartete Akzeptanz durch die Benutzer
werden als Bauwerksparameter „nur“ die
(z. B. Hängebrücke in Gebirgstal ≠ Trep-
Steifigkeiten und Massen nicht aber die
pe in Warenhaus)
oft schwierig vorherzusagende Dämpfung
• weitere konkrete Gegebenheiten
benötigt.
Anhaltswerte sind grundsätzlich frequenz- In Richtung „vertikal“ ist aufgrund der
abhängig. Sie werden im Allgemeinen in der häufigsten Schrittfrequenzen von Fußgän-
Form einer Beschleunigung, evtl. auch einer gern (Tabelle 8.7.2-1) und des entsprechen-
Geschwindigkeit, angegeben. Bei vertikalen den Amplitudenspektrums (Bild 8.7.2-6)
Schwingungen kann je nach Umständen die Gefahr am größten, dass eine Fußgän-
eine Beschleunigung von 0,5 bis 1 m/s2, d. h. gerbrücke zu erheblichen Schwingungen
5 bis 10% von g (g = Erdbeschleunigung) angeregt wird, wenn eine ihrer Frequenzen
akzeptiert werden. Die unteren Werte füh- zwischen 1,6 und 2.4 Hz liegt. Eigenfre-
ren normalerweise nicht zu Beanstandun- quenzen im Bereich von 1,6 bis 2.4 Hz sind
gen. Auf horizontale Schwingungen, vor deshalb zu vermeiden. Und wegen des Phä-
allem quer zur Gehrichtung, ist der gehende nomens der 2. Harmonischen (Abschnitt
Mensch wesentlich empfindlicher. Deshalb 8.7.2.3.2) sollten bei Bauwerken mit ver-
ist als grober Anhaltswert eine Beschleuni- hältnismäßig geringer Dämpfung und
gung von 1 bis 2% von g zu empfehlen. Masse (vor allem Stahl- und Verbundbrü-
Zudem sollten Schwingwege vertikal von cken) auch Eigenfrequenzen im Bereich
≈ 10 mm und horizontal von ≈ 2 mm nicht zwischen 3,5 und 4,5 Hz vermieden wer-
überschritten werden, sofern der „Lock-in“ den. Werden Fußgängerbrücken häufig
Effekt und somit eine Synchronisation der durch Läufer („Jogger“) mit höheren häufi-
Bewegungen der einwirkenden Personen gen Schrittfrequenzen (Tabelle 8.7.2-1)
vermieden werden soll (Abschnitt 8.7.2.3.3). überquert, müssen analoge Folgerungen
Differenziertere Angaben zu bestimmten gezogen werden. Demnach sind (auch)
Arten von Anhaltswerten sind z. B. in Eigenfrequenzen im Bereich von 2.1 und
[Bachmann, 1997] zu finden. 2.9 Hz zu vermeiden.
770 8 Berechnung

In Richtung „horizontal quer“ ist auf- Maßnahme, die sich aber im Allgemeinen in
grund des Amplitudenspektrums (Bild der Praxis bewährt hat; sie kann vor allem­
8.7.2-8 links) die Schwingungsgefahr am bei den häufig vorkommenden „normalen“
größten, wenn eine Brücke Eigenfrequen- ­Balkenbrücken mit Spannweiten bis etwa
zen bei etwa 1 Hz sowie allenfalls auch bei 50 m zur Anwendung empfohlen werden.
2 oder 3 Hz hat. Während etliche Fälle von
querschwingenden Brücken bei etwa 1 Hz
(≈ 0,7 bis 1,3 Hz) bekannt sind, ist dies von 8.7.2.3.8 Berechnung einer erzwungenen
solchen mit etwa 2 oder gar 3 Hz nicht der Schwingung und Begrenzung der Amplituden
Fall; deren Steifigkeit und Masse dürfte im
Allgemeinen so groß sein, dass durch die Die Frequenzabstimmung einer vorerst nur
relativ geringen Seitenkräfte der Fußgänger für statische Lasten entworfenen Fußgän-
keine störenden Schwingungen angeregt gerbrücke kann je nach Umständen zu
werden. Auf jeden Fall liegt eine Frequenz- einem erheblichen Mehraufwand führen.
abstimmung auf > 3,4 Hz auf der sicheren In solchen Fällen können speziellere Unter-
Seite. suchungen angezeigt sein. Im Vordergrund
In Richtung „horizontal längs“ können steht meist die Berechnung einer erzwun-
analoge Überlegungen angestellt und kri- genen Schwingung und Vergleich der resul-
tische Frequenzbereiche identifiziert wer- tierenden Amplituden mit Anhaltswerten.
den, insbesondere bei etwa 1 Hz sowie mög- Wenn nötig müssen dann Maßnahmen
licherweise bei 2 Hz und allenfalls auch bei getroffen werden, um die Amplituden zu
3 Hz (Bild 8.7.2-8 rechts). Häufig ist es begrenzen.
allerdings so, dass bei in Längsrichtung Für eine stationäre harmonische Reso-
rechnerisch weichen Brücken die Lagerrei- nanzschwingung (Zustand nach dem Ein-
bung Schwingungen verhindert. Bei Rah- schwingvorgang) bei Einwirkung einer
menbrücken jedoch ist Vorsicht geboten. einzelnen Person in Feldmitte gilt:
Bild 8.7.2-13 zeigt die kritischen Fre- d = ds/2ζ ;   v = 2π f ds/2ζ ;
quenzbereiche für Fußgängerbrücken, die
durch eine Frequenzabstimmung möglichst a = 4π 2 f 2 ds/2ζ (5)
zu vermeiden sind. d, v, a Amplituden der Durchbiegung bzw.
Die Frequenzabstimmung von Tragwer- Geschwindigkeit bzw. Beschleuni-
ken ist eine relativ grobe und pauschale gung in Feldmitte

Bild 8.7.2‑13   Kritische Frequenzbereiche für Fußgängerbrücken, die durch Frequenzabstimmung


vermieden werden können
8.7 Spezielle Probleme 771

ds Statische Durchbiegung infolge ΔG etwa 3,5 und 4,5 Hz und niedriger Dämp-
f Eigenfrequenz der Brücke und Fre- fung mit der Berechnung einer erzwunge-
quenz der maßgebenden Harmoni- nen Schwingung zu klären versucht werden,
schen mit der Amplitude ΔG ob Veränderungen bei der Steifigkeit wie
ζ Dämpfungsmaß Vergrößerung der Querschnittsabmessun-
gen usw. angezeigt sind.
Die Einwirkung mehrerer Personen kann Als Sondermaßnahmen kommen vor
durch die Multiplikation bei regelloser Ein- allem unkonventionelle Versteifungen in
wirkung mit dem Faktor m und bei syn- Frage, die natürlich meistens die Eigenfre-
chroner Einwirkung mit der Anzahl der quenzen erhöhen, z. B.
Personen n erfasst werden (s. Abschnitt
8.7.2.3.3). Anleitungen zu Berechnungen • nur für Nutzlasten wirksame Einspan-
mit Berücksichtigung des Einschwingvor- nung des Hauptträgers bei einem oder
gangs und weiterer Einflüsse werden z. B. in mehreren Widerlagern
[Bach­mann, 1997] und [Grund­mann et al., • Anbringen eines steiferen Geländers
1993] gegeben. Natürlich können auch üb- („Gebrauchstauglichkeits-Tragwerk“)
liche Computerprogramme eingesetzt wer- • Seilabspannungen (vertikal, horizontal
den; dabei empfiehlt sich aber immer eine oder schräg)
Überprüfung der Resultate durch einfache Eine Erhöhung der Dämpfung durch Ver-
Handrechnungen, die ja auch den Überblick änderungen am Tragwerk, an Verbindun-
und das Verständnis der Zusammenhänge gen, an Lagern usw. kann ebenfalls in Be-
fördern und damit helfen, grobe Fehler zu tracht gezogen werden, doch stehen dem
vermeiden. In jedem Fall besteht eine sehr meist erhebliche praktische Schwierigkei-
wichtige direkte Abhängigkeit der Rechen- ten entgegen. Hingegen kann der Einsatz
ergebnisse vom Dämpfungsmaß ζ. Dieses ist von Schwingungstilgern eine wirksame
oft sehr schwierig genauer vorherzusagen und kostengünstige Alternative sein.
und muss deshalb vorsichtig angenommen
werden (Tabelle 8.7.2-2), was die Nützlich-
keit einer „genauen“ Schwingungsberech- 8.7.2.3.9 Beruhigung durch Schwingungstilger
nung erheblich beeinträchtigen kann.
Der Vergleich der berechneten Amplitu- Tilger sind Massen-Feder-Dämpfer, die be-
den mit Anhaltswerten zeigt, ob Maßnah- züglich ihrer Eigenfrequenz und Dämp-
men wie Erhöhung der Steifigkeit usw. fung genau abgestimmt sein müssen auf die
ergriffen werden müssen. Hiermit kann dynamischen Eigenschaften des zu beruhi-
versucht werden, die Amplituden auf ein genden Tragwerks. Tilger können verwen-
akzeptables Maß zu begrenzen. det werden für die
Erfahrungen haben gezeigt, dass bei
Fußgängerbrücken mit einer vertikalen • Schwingungssanierung von bestehen-
Grundfrequenz von etwa 2 Hz die Berech- den Brücken
nung einer erzwungenen Schwingung mit • Planung und dynamische Bemessung
Amplitudenbegrenzung meist zu ähnlichen von neuen Brücken
Ergebnissen führt wie eine Frequenzab- Ein Tilger ist also ein schwingendes Zusatz-
stimmung. Differenziertere Erkenntnisse system, das an ein schwingendes Hauptsys-
sind eher bei Brücken mit höheren Eigen- tem angebracht wird. Er besteht aus einer
frequenzen zu erwarten. Z. B. kann bei Masse, einer Feder und einem Dämpfer
Stahl- und Verbundbrücken mit einer verti- (oder mehreren parallelen Federn und
kalen Grundfrequenz im Bereich zwischen Dämpfern). Eine gute Abstimmung der Til-
772 8 Berechnung

gerfrequenz bewirkt Trägheitskräfte der ζ s = cs /(2 ks /ms )


Tilgermasse, die den auf das Hauptsystem
xt, s Verschiebung der Tilgermasse bzw.
einwirkenden dynamischen Kräften ent­
modalen Masse des Hauptsystems
gegenwirken und dessen Resonanzschwin-
gungen erheblich reduzieren können. Wäh- Für die beiden Massen können die Bewe-
rend also die Schwingungsamplituden des gungs-Differentialgleichung des Gleichge-
Hauptsystems wesentlich verringert wer- wichts aufgestellt und das gekoppelte Glei-
den, sind große Verschiebungsamplituden chungssystem gelöst werden [Bachmann,
des Zusatzsystems erforderlich. Die durch 1997] [Bachmann/Weber, 1995]. Die Aus-
die dynamische Einwirkung zugeführte En- drücke für die optimale Eigenfrequenz fopt
ergie geht zu einem großen Teil in den stark und die optimale Dämpfung ζopt des Tilgers
schwingenden Tilger; sie wird vor allem im ergeben sich zu
oder den Dämpfern des Tilgers dissipiert.
In den allermeisten Fällen sind die fs 3(mt /ms )
f opt = ; ζ opt =
Schwingungen in einer bestimmten Eigen- 1 + mt /ms 8 (1 + mt /ms )3
frequenz des Hauptsystems problematisch (6)

und müssen reduziert werden. Das Haupt-
system kann dann als äquivalenter Ein- mit den Eigenfrequenzen f s = ks /ms /(2π )
massenschwinger mit der entsprechenden
des Hauptsystems und f t = k t /mt / (2 π )
modalen Masse usw. modelliert werden.
des Tilgers.
Zusammen mit dem Zusatzsystem ergibt
Die optimale Eigenfrequenz des Tilgers
sich ein 2-Massen Schwinger gemäß Bild
ist somit etwas kleiner als die Eigenfrequenz
8.7.2-14. Dabei bedeuten:
des Hauptsystems (≈ 95 bis 99%), und sie ist
mt    Tilgermasse – wie auch die optimale Dämpfung – abhän-
ms    Modale Masse des Hauptsystems (Brü- gig vom Massenverhältnis mt/ms , das zweck-
cke) mäßigerweise etwa im Bereich von 0,01 bis
kt, s   Federkonstante des Tilgers bzw. Haupt- 0,05 gewählt wird. Bemessungs­hilfen sind in
systems [Bachmann/Weber, 1995] gegeben.
ct, s   Dämpfungskonstante des Tilgers bzw.
Hauptsystems mit Dämpfungsmaß
ζ t = ct /(2 kt /mt ) bzw.

Bild 8.7.2‑14   Dynamisches Modell des Haupt- Bild 8.7.2‑15   Beispiel für den Einfluss des
systems (Tragwerk) mit Tilger [Bachmann, Dämpfungsmaßes eines Tilgers auf die Schwin-
1997] gungen des Hauptsystems [Bachmann, 1997]
8.7 Spezielle Probleme 773

Berechnungen von Resonanzkurven überprüft werden [Bachmann/Weber,


zeigen, dass die maximalen Amplituden 1995], und es muss dafür genügend Platz
des Hauptsystems durch einen Tilger we- (inkl. Reserve für den Fall übermäßiger
sentlich reduziert werden können, die Re- Einwirkungen) vorgesehen werden.
duktion ist jedoch sehr empfindlich auf • Die Feinabstimmung eines Tilgers (Fre-
kleine Änderungen der Tilgerfrequenz ft; quenz) muss nicht nur bei dessen Her-
diese muss daher möglichst gut mit der stellung in der Werkstätte sondern auch
optimalen Frequenz fopt übereinstimmen. am Bauwerk – meist am besten durch
Demgegenüber haben auch erhebliche Ab- Beifügen oder Wegnehmen von kleinen
weichungen der Tilgerdämpfung ζt von der Teilen der Tilgermasse und weniger
optimalen Dämpfung ζopt relativ geringe durch Veränderung der Tilgerfedern –
Folgen, wie aus Bild 8.7.2-15 ersehen wer- vorgenommen werden können. Denn
den kann. Im dargestellten Fall liegt ζopt bei Berechnungsergebnisse zu Bauwerk und
9%. Sowohl für erheblich zu kleine (3%) als Tilger weichen oft von den wirklichen
auch für zu große (15%) Dämpfung ist die Werten ab, und insbesondere die Bau-
Reduktion der Schwingungen des Haupt- werksfrequenzen können sich mit der
systems durch den Tilger immer noch be- Zeit verändern, z. B. durch den Einbau
trächtlich. eines neuen Belags oder Geländers,
Für die Anwendung von Tilgern zur durch Veränderung der Steifigkeit von
Schwingungsberuhigung von Fußgänger- Betonträgern durch Rissebildung usw.
brücken können die folgenden praktischen Tilger sollten deshalb auch stets so plat-
Hinweise nützlich sein: ziert und montiert werden, dass sie für
Kontrollen und eine Neu-Abstimmung
• Ein Schwingungstilger vom oben darge- möglichst gut zugänglich sind.
stellten Typ ist nur in einem engen Fre-
quenzband wirksam und wenn er auf Beispiel: Eine Fußgänger und Radfahrerbrü-
eine bestimmte Eigenfrequenz des zu cke in Dietikon bei Zürich ist als Durchlauf-
beruhigenden Systems abgestimmt ist. träger aus Stahl über 4 Felder mit einer
Er arbeitet nicht befriedigend, sofern das Hauptspannweite von 25 m und einer lichten
Hauptsystem mehrere Eigenfrequenzen Breite von 2,5 m ausgebildet [Bachmann,
nahe beieinander aufweist (z. B. Biege- 1992]. Bild 8.7.2-16 zeigt eine Ansicht. Der
und Torsions-Grundfrequenz), die durch Geh- und Fahrweg wird durch quadratische
die dynamische Einwirkung angeregt vorfabrizierte Stahlbetonplatten gebildet, die
werden. auf Neopreneplatten auf den Querträgern
• Ein Tilger ist umso wirksamer, je größer aufgelagert sind. Nach der Inbetriebnahme
die Tilgermasse verglichen mit der mo- zeigten sich starke Schwingungen bereits
dalen Masse des Hauptsystems und je beim Passieren von einzelnen Fußgängern
kleiner die Dämpfung des Hauptsystems und geringere aber gut spürbare Schwingun-
ist. Tilger sind daher besonders effizient gen auch bei der Überfahrt einzelner Rad-
bei Stahl- und Verbundbrücken, die im fahrer. Eine dynamische Untersuchung ergab
Vergleich zu Betonbrücken im Allge- eine Grundfrequenz von 2,48 Hz; diese lag
meinen eine geringere Masse und eine also über dem nach den Regeln der Fre-
kleinere Dämpfung haben und deshalb quenzabstimmung „verbotenen“ Bereich
besonders schwingungsanfällig sein (Abschnitt 8.7.2.3.7 und Bild 8.7.2-13). Die
können. ausgeprägte Schwingungsanfälligkeit erklär-
• Die Verschiebungsamplituden der Til- te sich aus der extrem niedrigen Dämpfung.
germasse müssen durch Berechnungen Das Dämpfungsmaß betrug nur 0,23% bei
774 8 Berechnung

Bild 8.7.2‑16   Fußgänger und Radfahrerbrücke aus Stahl mit niedriger Dämpfung und entspre-
chend starken Schwingungen [Bachmann, 1992]

Bild 8.7.2‑17   Schwingungstilger zur dynamischen Sanierung der Brücke von Bild 8.7.2-16 [Bach-
mann, 1992]

einer Beschleunigung von ≈ 1 m/s2 und das Eigengewicht kompensiert gewesen, die
0,40% bei ≈ 4 m/s2; somit war fast nur Brücke hätte von ihren Auflagern abgehoben
­Ma­terialdämpfung (Stahl) und nur eine ge- und einen eigentlichen Luftsprung gemacht,
ringe Systemdämpfung (Verbindungen, Lager, wie das in anderen Fällen schon vorkam.
usw.) vorhanden. Durch eine an Ort hüpfende Die Dynamische Sanierung erfolgte durch
Person konnten Brückenschwingungen mit 2 Schwingungstilger (Bild 8.7.2-17) von
einer Beschleunigung in Brückenmitte von ≈ 9 schmaler Bauart, die in der Mitte der Haupt-
m/s2 (!) erzielt werden. Das sind 90% der Erd- spannweite an der Innenseite der Stahlträger
beschleunigung. Bei 100% (gemittelt) wäre angebracht und mit einer Blechverschalung
8.7 Spezielle Probleme 775

Bild 8.7.2‑18   Schwingungen der Brücke von Bild 8.7.2-16 durch Hüpfen einer Person mit blo-
ckierten und mit aktiven Tilgern [Bachmann, 1992]

versehen wurden. Die Tilger sind somit von der dreieckförmigen Untersysteme aus
der Gehwegplatte her für Kontrollen usw. gut Brückenträger, Pylon und Seil ein zumin-
zugänglich. Bild 8.7.2-18 zeigt die Brücken- dest in vertikaler Richtung vergleichsweise
schwingungen beim Hüpfen einer Person, steifes und entsprechend schwingungsun-
mit blockierten und mit aktiven Tilgern. Die empfindliches System [Petersen, 2001]. Die
Tilger sind in diesem Fall äußerst effizient: Schrägkabel selbst hingegen sind wegen
Sie reduzieren die Schwingungen um etwa ­ihrer oft großen Länge (Schlankheit) und
den Faktor 20 auf einen Wert von ≈ 0,5 m/s2 geringen Dämpfung als stark schwingungs-
(≈Anhaltswert). anfällige Bauteile einzustufen.
Die Tilgertechnik wird in Zukunft eine Als Seile (Kabel) kommen vor allem zwei
noch größere Bedeutung erlangen. Unter verschiedene Arten zum Einsatz:
anderem dürften auch Tilgersysteme wich- • Verschlossene Spiralseile aus mehreren
tig werden, bei denen auf einfache z. B. Lagen von Rund- und Z-Drähten ohne
elektromagnetische Weise die Federsteifig- Hüllrohr
keit und das Dämpfungsmaß verändert • Parallel-Draht und -Litzen-Bündel aus
und somit z. B. Eigenschwingungen des Runddrähten in einem dickwandigen
Hauptsystems mit unterschiedlichen Fre- Kunststoff- oder Stahlrohr, verpresst mit
quenzen durch einen einzigen Tilger ge-
Zementmörtel oder Epoxydharz usw.
dämpft werden können. Hinweise dazu zwecks Versteifung bzw. Korrosions-
sind in [Footbridge, 2002] zu finden. schutz.

8.7.2.4 Schrägkabel 8.7.2.4.2 Dynamische Einwirkungen

8.7.2.4.1 Problemstellung Als Schwingungsanregung der Schrägkabel


kommen winddynamische Phänomene
Im Großbrückenbau und bei Fußgänger- und Fußpunktanregung in Betracht.
brücken werden vermehrt Konstruktionen Durch Wind können infolge alternie-
mit Schrägkabeln – auch Schrägseile ge- render Wirbelablösung Querschwingungen
nannt – verwendet. Im Vergleich zu Hänge- sowohl in der Grundschwingungsform als
brücken, die vor allem durch Windeinwir- auch in ­höheren Eigenschwingungsformen
kung zu Schwingungen angeregt werden (mit mehreren Knoten) erzeugt werden.
können, sind Schrägkabelbrücken wegen Solche Schwingungen sind eher bei dünnen
776 8 Berechnung

kurzen Seilen – z. B. von Fußgängerbrücken der umströmte Querschnitt verändert sich


– zu erwarten [Petersen, 2001]. Bei langen im Rhythmus der Schwingungsfrequenz.
schwereren und dickeren Seilen, wie sie im Bei noch höherer Windgeschwindigkeit
Großbrückenbau verwendet werden, sind werden die Rinnsale am Seilquerschnitt
die Anregungskräfte zu klein. Die kriti- weiter nach oben getrieben, und es entsteht
schen Windgeschwindigkeiten nehmen mit durch die Auf- und Abtriebskräfte aus den
dem Durchmesser und der Eigenfrequenz Winddruckdifferenzen eine vertikale Seil-
der Seile zu und können – auch wegen der schwingung. Bild 8.7.2-19 zeigt die Verhält-
höheren Eigenschwingungsformen – im nisse mit von links nach rechts zunehmen-
ganzen Spektrum üblicher Windgeschwin- der Windgeschwindigkeit. Bei Wind und
digkeiten liegen. Regen rechtwinklig zur Seilebene treten
Eher seltener, weil nur bei eng benach- ähnliche Phänomene auf [Petersen, 2001].
barten parallelen Seilen (Abstand ≤ 3- bis Für die Fußpunkterregung von Schräg-
4-fachem Seildurchmesser) von Bedeu- kabeln sind vor allem Schwingungen des
tung, sind die Phänomene Buffeting (Puf- Brückenträgers infolge Fahr- oder Fußgän-
fern infolge Nachlaufturbulenz) und be- gerverkehr verantwortlich, es können aber
stimmte Arten von Galloping. Hingegen auch solche des Brückenträgers oder des Py-
treten immer wieder Fälle mit durch Regen lons durch Windeinwirkung sein. Fällt die
und Wind induzierten Seilschwingungen Frequenz des schwingenden Brückenträgers
(„Regen-Wind-Galloping“) auf. Diese set- oder Pylons mit einer Eigenfrequenz des
zen ganz bestimmte Wetterbedingungen Seils zusammen, kann Resonanz auftreten.
hinsichtlich Regenintensität (nicht zu hoch) Auch die Anregung einer Seilfrequenz durch
sowie Windstärke und -richtung in Bezug die 2. Harmonische des zeitlichen Verlaufs
zum Seil voraus. Es handelt sich um kom- der Brückenbewegung ist möglich.
plizierte, selbst angefachte bzw. gesteuerte
Vorgänge mit den am Seil ablaufenden Re-
genrinnsalen. Bei Wind und Regen in Rich- 8.7.2.4.3 Dynamische Eigenschaften von
tung der vertikalen Seilebene wird ab einer Schrägkabeln
gewissen Windgeschwindigkeit das Regen-
rinnsal zweigeteilt. Setzen horizontale Wegen des geringen Einflusses der Biege-
Schwingungen ein, so führen die beiden Re- steifigkeit kann ein Seil näherungsweise wie
genrinnsale eine pendelnde Bewegung auf eine Saite behandelt werden. Die Eigenfre-
der kreiszylindrischen Oberfläche aus, d. h. quenzen ergeben sich aus

Bild 8.7.2‑19   Phänomene bei durch Regen und Wind induzierten horizontalen bzw. vertikalen
Schwingungen mit von links nach rechts zunehmender Windgeschwindigkeit [Petersen, 2001]
8.7 Spezielle Probleme 777

n S 8.7.2.4.5 Maßnahmen gegen Seilschwingungen


fn = (7)
2l µ
 Es wurden schon zahlreiche verschiedene
konstruktive Maßnahmen zur Reduktion
S Seilkraft
von Seilschwingungen vorgeschlagen und
μ Massenbelegung
realisiert. Anzustreben sind
l Seillänge
n = 1, 2, 3… Nr. der Eigenform (n + 1 = An- • Geometrische Begrenzung der Seilbie-
zahl der Schwingungsknoten) gung bei der Verankerung,
• Energiedissipation durch Dämpfungs­
Die Dämpfung bei Biegeschwingungen ist
elemente.
im Falle von verschlossenen Seilen sehr
klein; das Dämpfungsmaß ζ (Grundschwin- Beides kann verwirklicht werden z. B.
gungsform) liegt in der Größenordnung durch das Anbringen eines Stahlrohrs mit
von nur 0,1%. Bei Parallel-Draht und -Lit- einem ringförmigen Neoprene-Dämpfer
zen -Bündeln liegt es wegen des Hüllrohrs (Bild 8.7.2-20 links). Eine andere Möglich-
und der Verpressung höher. keit, besonders bei langen Seilen, ist deren
Abstützung mit handelsüblichen Stoß-
dämpfern in 2 bis 4 m Entfernung von
8.7.2.4.4 Schwingungsverhalten von Seilen der Verankerung (Bild 8.7.2-20 rechts).
Dabei ist allerdings der Platzbedarf bzw.
Bei langen Seilen sind schon häufig Auslen- ein all­fälliger Verlust an Brückenbreite zu
kungen im Dezimeterbereich und seltener beachten.
bis etwa 1 Meter (!) beobachtet worden. Oft werden auch übereinander liegende
Solche – aber auch schon viel kleinere – Seile untereinander verbunden. Die Ver-
Amplituden können eine sehr ungünstige bindungsseile können bezüglich der
Ermüdungsbeanspruchung bewirken. Be- Schwingungen der Tragseile als „Störseile“
sonders gefährdet sind die Verankerungs- bezeichnet werden. Bild 8.7.2-21 zeigt un-
bereiche, wo eine Hin- und Herbiegung des terschiedliche mögliche Anordnungen, die
Seils zu der dort ohnehin vorhandenen jeweils ihre Vor- und Nachteile aufweisen.
mehraxigen Beanspruchung hinzukommt. Gemeinsam ist, dass bei Schwingungen
Dies hat schon oft zu Ermüdungsbrüchen ­eines Tragseils die Nachbarseile in die Be-
und der Notwendigkeit einer Auswechs- wegungen miteinbezogen werden. Wegen
lung der Seile geführt. der unterschiedlichen Längen und Seil­

Bild 8.7.2‑20   Reduktion von Seilschwingungen durch a) Neoprene-Dämpfer in Stahlrohr oder


b) handelsübliche Stossdämpfer [Petersen, 2001]
778 8 Berechnung

net werden, können dort in Längsrichtung


sehr große Trägheitskräfte abzutragen sein,
die durch die gesamte Massenträgheit des
Überbaus bestimmt werden. Dadurch kann
bei Stahlbalkenbrücken Beulen der Stege
beziehungsweise der Unterflansche eintre-
ten. Bei Fachwerkbrücken kann die Gefahr
Bild 8.7.2‑21   Unterschiedliche Anordnungen des Ausknickens der dort meist sonst sehr
von „Störseilen“ [Petersen, 2001] schwach bemessenen Untergurtstäbe ein-
treten. In Erdbebengebieten ist in letzter
Zeit allerdings die Lagerungsvariante mit
kräfte sind die Eigenfrequenzen verschie- längsfester Lageranordnung an einem Brü-
den, es treten Verstimmungs- und Dämp- ckenwiderlager immer seltener angewendet
fungseffekte auf. Weitere Ideen und Hin- worden.
weise zu möglichen Maßnahmen gegen In Gebieten starker Seismizität ist es be-
Seilschwingungen enthält das ausgezeich- sonders wichtig, dass die vom Erdbeben
nete Buch [Petersen, 2001]. erzwungenen Verschiebungen des Über-
baus an den beweglichen Lagern aufge-
nommen werden können, ohne dass ein
8.7.3 Erdbebenbeanspruchung Lager versagt oder der Überbau vom Aufla-
ger herabfällt.
Masaaki Hoshino Das dynamische Verhalten von Groß-
und Ekkehard Fehling brücken, insbesondere Rahmenbrücken,
aufgeständerten oder durchdringenden Bo-
8.7.3.1 Einleitung genbrücken sowie von Schrägkabel- und
Hängebrücken unterscheidet sich vom Ver-
Der Lastfall Erdbeben darf beim Entwurf halten der Balkenbrücken und ist im All­
von Brücken in Gebieten mit Erdbebenge- gemeinen komplexer. Daher können hier-
fährdung keinesfalls vernachlässigt werden. für kaum verallgemeinernde Aussagen ge-
Anders als Eigen- und Verkehrslasten, die in macht werden, so dass die Erdbebensicher-
senkrechter Richtung einwirken, entstehen heit bei solchen Brücken im Einzelfall
aus der Erdbebenbeanspruchung vordring- genauer zu untersuchen ist.
lich Verformungen und Lasten in horizon-
taler Richtung, die für die Bemessung von
Brückenbauteilen maßgebend werden kön- 8.7.3.2 Charakteristik von Erdbeben
nen. In der Regel ist dies besonders für die
Bemessung von Lagern, Pfeilern und Fun- Obwohl Erdbeben durch verschiedene
damenten der Fall. Ursachen hervorgerufen werden können,
Im Allgemeinen wird der Überbau von sind Bruchvorgänge an den Rändern der
Balkenbrücken in Massivbauweise durch sich gegeneinander bewegenden tektoni-
Erdbeben nicht gefährdet. Auch der Über- schen Platten als am wichtigsten anzuse-
bau von Balkenbrücken und Fachwerkbrü- hen. Nach der Lehre der Plattentektonik,
cken in Stahlbauweise wird normalerweise, deren Ursprung auf eine schon im Jahre
außer in Hinsicht auf die Querverbände, 1912 erschienene Veröffentlichung von Al-
durch Erdbeben nicht maßgeblich bean- fred Wegener zurückgeht, besteht die Erd-
sprucht. Sofern allerdings längsfeste Lager rinde aus rund zwölf Platten. Besonders
nur an einem Brückenwiderlager angeord- starke Erdbebenaktivität ist entlang des
8.7 Spezielle Probleme 779

Rands der Pazifischen Platte zu verzeich- bens nach C. F. Richter in folgendem, em-
nen, wovon Staaten wie Chile, Mexiko, pirisch ermittelten, Zusammenhang:
USA, Japan, Taiwan, die Philippinen und
Neuseeland besonders betroffen sind. Die log  E [Nm] = 4,8 + 1,5 M  (2)
freigesetzte Energie von dort registrierten Die Kenntnis der Erdbeben-Magnitude
Erdbeben soll etwa 75% der bei Erdbeben allein genügt allerdings nicht, um das mög-
in der gesamten Welt freigesetzten Energie liche Ausmaß von Schäden an Baukon-
betragen. Die zweite wichtige Erdbebenzo- struktionen an einem bestimmten Ort zu
ne verläuft von der Himalaja-Region über beurteilen. Das Schadensausmaß wird sehr
den Iran und die Türkei bis zum Mittel- stark vom Übertragungsweg der vom Erd-
meerbereich. beben verursachten Wellen und mithin in
Ein Erdbeben kann durch eine Reihe erster Linie von der Entfernung zum Epi-
charakteristischer Parameter gekennzeich- zentrum mitbestimmt. Aus diesem Grund
net werden. Dazu gehören wurde der Begriff der Erdbebenintensität
• die geographische Lage des Epizent- eingeführt. Er stellt ein Maß für die Boden-
rums, bewegung an beliebigen Orten dar. In der
• die Magnitude und Regel ist festzustellen, dass die Intensität mit
• die Intensität. steigendem Abstand vom Epizentrum ab-
nimmt. Jedoch gibt es davon auch Ausnah-
Das Epizentrum ist als die Projektion des men, wie der Fall des Mexiko-Erdbebens
Orts des Anfangspunkts des Bruchs/Herds von 1985 zeigt, bei dem sich schwere Schä-
auf die Erdoberfläche definiert. Die Magni- den an Hochhäusern im 400 km vom Epi-
tude ist ein Maß für die Stärke eines Erdbe- zentrum entfernten Mexiko-City ereigne-
bens. Dafür gibt es mehrere Definitionen. ten. Verantwortlich dafür war der von ei-
Ursprünglich schlug C. F. Richter folgende nem ausgetrockneten ehemaligen See her-
Gleichung vor: rührende weiche Baugrund von Mexiko-
ML = log A – log A0  (1) City, der bestimmte Schwingungen bevor-
zugt auf die Erdoberfläche übertragen hat.
Hier bedeutet ML die in logarithmischer Als Maßstab der Intensität wird häufig
Skala angegebene sogenannte lokale Mag- die Modifizierte Mercalli-Intensität (MMI)
nitude, A die maximale Amplitude der an benutzt, die eine Skala von 12 Stufen (I –
einem 100 km von Epizentrum entfernten XII) verwendet. In Japan ist die von der
Ort mit Hilfe eines Wood-Anderson-Seis- Japan Meteorological Agency (JMA) einge-
mographen registrierten Bodenbewegung führte Skala mit 9 Stufen (1–7 einschließ-
in Mikrometern (1 μ = 10–6 m) und log A0 lich der geteilten Stufen 5 und 6) üblich.
einen Korrekturwert als Funktion der Ent- Mittlerweile wird, besonders in Europa,
fernung für den Fall, dass sich das Instru- vermehrt die 12 stufige EMS-Skala (Euro-
ment in anderer Entfernung als 100 km pean Macroseismic Scale) verwendet, die
vom Epizentrum befindet. Später wurden eine Weiterentwicklung der MMI-Skala
andere Definitionen für die Magnitude darstellt.
vorgeschlagen, so zum Beispiel die Oberflä-
chenwellenmagnitude Ms , die Raumwel-
lenmagnitude Mb , die Momentenmagnitu- 8.7.3.3 Antwortspektrum
de Mw  , wobei versucht wurde, dass diese
Kennwerte im Prinzip mit ML in Einklang Die obengenannten Erdbebenkennwerte
stehen. Mit der Magnitude M steht die frei- wie Magnitude und Intensität allein gestat-
werdende Gesamtenergie E eines Erdbe- ten noch kein näheres Verständnis für das
780 8 Berechnung

dynamische Verhalten einer Konstruktion der Antwortschwingung nicht interessiert,


im Erdbebenfall. Dieses ist nicht nur von wird für das Antwortspektrum der betrags-
der am Standort des Bauwerks geltenden mäßig größte Wert der Antwort verwendet,
Intensität des Erdbebens abhängig, sondern wobei es sich dabei um eine Verschiebung,
auch davon, welche Schwingungs­fre­quen­ eine Geschwindigkeit oder Beschleunigung
zen in der vom Erdbeben verursachten Bo- handeln kann. Dementsprechend wird von
denbewegung enthalten sind. Dazu wurden einem Verschiebungs-, Geschwindigkeits-
seit den Dreißiger-Jahren des vorigen Jahr- oder Beschleunigungsantwortspektrum
hunderts Seismographen an vielen Orten gesprochen.
der Erde angeordnet, um insbesondere Für den Einmassenschwinger (Bild
Starkbeben-Ereignisse aufzeichnen zu kön- 8.7.3-1) gilt folgende Differentialgleichung:
nen. Man begann damit in den USA, wo-
rauf dann Japan und Mexiko folgten. Mit mx�� + cu� + ku = 0  (3)
den so erhaltenen Aufzeichnungen – den
Seismogrammen – standen genauere Infor- wobei m die Masse, x die absolute Verschie-
mationen über die Bodenbewegung wäh- bung, c den Dämpfungskoeffizienten, u die
rend des jeweiligen Erdbebens zur Verfü- relative Verschiebung und k die Federkon-
gung. Mit Hilfe der Transformation der stante darstellen. Weil
gemessenen Zeitverläufe in Fourierspek- x = u + ug (t )  (4)
tren im Frequenzbereich ist es dann mög-
lich, diejenigen Spektralanteile der Boden- ist, kann Gl. (3) wie folgt umgeschrieben
bewegung zu erkennen, die das dynamische werden:
Antwortverhalten eines Bauwerks beson- mü + cu̇  + ku = –müg (t) (5)
ders beeinflussen. 
Für die Ingenieurpraxis hat sich das so- wobei ug (t) der Zeitverlauf der Bodenbe-
genannte Antwortspektrum als Hilfsmittel wegung infolge des Erdbebens und deshalb
für die Bemessung durchgesetzt. Es soll u∙∙g (t) der Beschleunigungszeitverlauf ist.
nachfolgend erläutert werden. Durch Einführung der Eigenkreisfrequenz
Das Antwortspektrum stellt die maxi- ω = √61 k/m und des Dämpfungsmaßes ζ =
male Antwort eines Einmassenschwingers c/2mω erhält man aus der Gl. (5):
mit variierter Eigenschwingzeit T infolge
der Bodenbewegung während eines Erdbe- �� + 2ζω u� + ω 2u = − u
u ��g(t )  (6)
bens dar. Da in der Regel das Vorzeichen
Die Antwort des Schwingers infolge der
Bodenbeschleunigung üg (t) kann beispiels-
weise mit Hilfe des Duhamel-Integrals be-
stimmt werden:
t
1
u( t) = − ∫
ω d 0

− mu��g (τ )e −ζω( t −τ ) sin ωd (t − τ ) dτ (7)



wobei ωd die Eigenkreisfrequenz der ge-
dämpften Schwingung ist. Wird für kleine
Dämpfungsmaße näherungsweise ω = ωd
angenommen, ergibt sich schließlich die
Bild 8.7.3‑1   Einmassenschwinger Antwort des Einmassenschwingers:
8.7 Spezielle Probleme 781

t
1 einem Diagramm mit ζ als Parameter abge-
u( t) = − ∫
ω 0
bildet werden können. Antwortspektren
1 t sind damit nicht nur als Hilfsmittel für die
u( t) = − ∫ − mu��g (τ ) e −ζω (t −τ ) sin ω (t − τ ) dτ (8) Bemessung von Bauwerken und die Über-
 ω 0
prüfung ihrer Erdbebenwiderstandsfähig-
− mu��g (τ ) e −ζω (tkönnen
Entsprechend −τ ) sin ωdie τ ) dτ
(t −Zeitverläufe der keit von Bedeutung, wie später erläutert
Relativgeschwindigkeit und der Beschleu- wird, sondern sie spiegeln ganz besonders
nigung sowie die entsprechenden Antwort- gut die dynamische Charakteristik eines
spektren Sd für die (Relativ-)Verschiebung, Erdbebens in ihrer Auswirkung auf die
Sv für die (Relativ-)Geschwindigkeit und Sa Schwingungsantwort eines Bauwerks. Ein
für die Beschleunigung berechnet werden. Beispiel ist im Bild 8.7.3-2 dargestellt
Dabei stehen die Indizes d für „displace- [Committee for Steel Structures, 1999].
ment“, v für „velocity“ und a für „accelera- Das Antwortspektrum darf jedoch nicht
tion“. mit dem Fourier-Spektrum der Schwin-
Setzt man näherungsweise voraus, dass gungsantwort eines Einmassenschwingers
der zur maximalen Antwort gehörende (vorgegebener Eigenfrequenz) auf ein Erd-
Schwingungs-Halbzyklus einer Sinushalb- beben verwechselt werden. So ist zum Bei-
welle entspricht, so kann man einen ein- spiel der Wert des Beschleunigungs-Ant-
fachen Zusammenhang zwischen den Ant- wortspektrums Sa für T = 0 nicht null, wie
wortspektren für diese drei Größen herstel- es bei einem Fourier-Spektrum für ω → ∞
len. Dann lässt sich nämlich schreiben: gelten würde, was formal T → 0 entspräche.
Das Antwortspektrum liefert für diesen
u max = Sd (ζ , ω ) = |u(ζ ,ω , t)|max
Fall die Antwort eines vollkommen starren
1 Schwingers, der als Maximalbeschleuni-
 = Sv (ζ , ω ) (9)
ω gung den betragsmäßigen Maximalwert
der Bodenbeschleunigung aufweist.
Das so erhaltene Verschiebungsantwort-
spektrum, das auch als ein Maß der Erdbe-
benintensität betrachtet werden kann, wird 8.7.3.4 Erdbebenbeanspruchung beim
als Pseudo-Verschiebungs-Antwortspek- Entwurf von Brückenbauwerken
trum bezeichnet, da es den Maximalwert
des Verschiebungszeitverlaufs im Allge- Obwohl die Einwirkung von Erdbeben sehr
meinfall nicht völlig exakt angibt. In analo- oft durch den Ansatz von horizontalen
ger Weise lässt sich auch die Pseudobe- Kräften (Lasten) erfasst wird, stellt das Erd-
schleunigung Spa berechnen: beben genaugenommen nicht eine Kraft-
einwirkung dar, sondern eine dem Bauwerk
Spa = ω Sv = ω 2 Sd ≈ Sa (10) über die Gründung aufgezwungene Bewe-
Sa beziehungsweise Spa können als Maßstab gung des Baugrunds. Um für den erdbe-
für die im Schwinger entwickelte maximale bensicheren Entwurf von Brücken hieraus
Federkraft Fs, max angesehen werden, da die auftretenden Bemessungskräfte sowie
Verformungen bestimmen zu können,
Fs ,max = kSd = ω 2 mSd = mSa müssen dem für die Tragwerksplanung ver-
 (11)
antwortlichen Ingenieur unbedingt geeig-
ist. Jede der oben erwähnten Spektralant- nete Beschreibungen der zu erwartenden
worten ist eine Funktion des Dämpfungsma­ Erdbeben zur Verfügung stehen, was in
ßes ζ und der Eigenkreisfrequenz ω, so dass Form von Zeitverläufen der Bodenbe-
sie über der Eigenschwingzeit T (= 2 π/ω) in schleunigung oder durch Antwortspektren
782 8 Berechnung

Bild 8.7.3‑2   Beschleunigungszeitverlauf und dazugehörige Antwortspektren (Hyogo-ken Nanbu


Erdbeben 1995, Kobe Marine Observatory)

geschehen kann. Dies stellt allerdings tren für einen bestimmten Bauwerksstand-
manchmal eine Schwierigkeit dar, weil es ort von Nutzen sein, auch wenn für den
für viele Standorte an ausreichenden Daten Bauwerksstandort bisher keine Messungen
mangelt. Insbesondere sind Messungen der von Erdbebenereignissen vorliegen. Den-
Zeitverläufe von Starkbeben vielfach nicht noch ist nicht auszuschließen, dass sich ein
in ausreichendem Maße verfügbar, um Erdbeben mit einer Charakteristik, die man
Erdbeben als statistisch zu erfassende Er- sich bisher nicht vorstellen konnte, ereig-
eignisse mit genügender Aussagesicherheit nen wird, wie zum Beispiel das Hyogo-ken
zu charakterisieren. Nanbu Erdbeben von 1995 in Japan gezeigt
Angesichts dieser Problematik bemüht hat.
man sich, unter Einbeziehung seismologi- Obwohl ein starkes Erdbeben sich auf
scher Erkenntnisse möglichst geeignete die Bemessung von nicht wenigen Bautei-
Erdbeben für die Berechnung einer Kon- len einer Brücke auswirken kann, ist zu be-
struktion für den Erdbebenfall zugrunde zu rücksichtigen, dass die Eintrittswahrschein-
legen. So können an anderen Orten gemes- lichkeit eines solchen Ereignisses während
sene Erdbebenzeitverläufe oder ihre Spek- der erwarteten Lebenszeit einer Brücke
8.7 Spezielle Probleme 783

sehr gering ist. Aus ökonomischer Sicht ist le Werte der Verschiebung, der Geschwin-
es daher nicht vertretbar, Brückenbauwerke digkeit und der Beschleunigung bekannt.
so zu dimensionieren, dass sie Starkbeben Damit lässt sich auch die auf den Schwinger
ohne jegliche Schädigung ertragen können. einwirkende Kraft berechnen, woraus
Es ist deshalb anerkannte Praxis, zum Bei- Spannungen bestimmt werden können.
spiel in USA und Japan, zwei verschieden- Dieses Vorgehen lässt sich auch für Struk-
artige Erdbebenereignisse in der Phase des turen mit mehreren Freiheitsgraden (mul-
Brückenentwurfs zugrunde zu legen. So ti-degree-of-freedom-systems, MDOF-sys-
wird als ein Ereignis ein während der Nut- tems) erweitern. Dabei wird die Methode
zungsdauer der Brücke höchstwahrschein- der Modalanalyse verwendet.
lich zu erwartendes Erdbeben für die Über- Für MDOF-Systeme mit n-Freiheitsgra-
prüfung der Gebrauchstauglichkeit zugrun- den gilt folgende Differentialgleichung in
degelegt. Das heißt, dass beim Eintreten Matrizenform:
eines solchen Erdbebenereignisses keine
oder nur geringfügige, leicht reparierbare Mü + Cu̇ + Ku = –MIüg (t) (12)
Schäden bei einer Brücke entstehen dürfen. wobei M die Massenmatrix, C die Dämp-
Das andere Bemessungserdbeben soll das fungsmatrix und K die Steifigkeitsmatrix
stärkste, am Bauwerksstandort zu erwar- sind. I ist eine aus eins oder null bestehende
tende seismische Ereignis repräsentieren Matrix, v∙∙g die gegebene Bodenbeschleuni-
und dient dazu, die Standsicherheit zu gung. Die Matrix I ist nur an den Stellen mit
überprüfen. Dabei dürfen je nach Wichtig- dem Wert Eins besetzt, wo die Richtung des
keit der betroffenen Brücken entsprechend entsprechenden Maßfreiheitsgrads mit der
den in USA und Japan geltenden Regelwer- Richtung der Bodenbewegung überein-
ken zwar leichte oder schwere Schäden hin- stimmt. Dabei werden vernachlässigbare
genommen werden, nicht jedoch das Ver- Massen (z. B. Drehmasse) im Allgemeinen
sagen des Tragwerks. nicht berücksichtigt, so dass in der Diago-
nale der Massenmatrix M teilweise auch
Nullen auftreten können. In einem solchen
8.7.3.5 Dynamische Analyseverfahren für Fall sind vorher und nachher einige Matrix­
Erdbebenbeanspruchung operationen nötig. Hier wird jedoch ange-
nommen, dass mit jedem Freiheitsgrad
Für die Berechnung der dynamischen Be- auch eine Masse verbunden ist. Dann erhält
anspruchung von Brücken infolge Erdbe- man aus der Gleichung
beneinwirkung stehen mehrere Verfahren
zur Verfügung. Dies sind Mu∙∙ + Ku = 0  (13)

• das Antwortspektrumverfahren, n-Eigenwerte (Eigenkreisfrequenzen ωi)


• das Verfahren mit Leistungsdichtespekt- und n-Eigenvektoren �i . Wenn angenom-
ren, men wird, dass die Dämpfungsmatrix C so
• das Zeitverlaufsverfahren. beschaffen ist, dass die Bedingung der Or-
thogonalität erfüllt ist und somit die aus den
Hier soll zunächst das Antwortspektrum- Eigenvektoren gebildete quadratische Mo­
verfahren erläutert werden. Wie in Ab- dalmatrix � normalisiert ist, entstehen aus
schnitt 8.7.3.4 erwähnt, ist die linear elasti- Gl. (12) durch die Transformation zu nor-
sche Antwort eines Einmassenschwingers malisierten Koordinaten ξ folgende von­
durch das Duhamelintegral berechenbar. einander unabhängige n-Differential­
Mittels der Antwortspektren sind maxima- gleichungen:
784 8 Berechnung

ξ��i + 2ζ iωiξ�i + ωi2 ξi = −�Ti MIu��g(14) im All­gemeinen nicht gleichzeitig, sondern


 zeitlich versetzt eintreten. Deshalb könnte
Ausgenommen, dass das Glied auf der rech- das Summieren der absoluten Werte von
ten Seite mit –�Ti MI multipliziert ist, ist ui, max zur Überschätzung der Antwort
diese Gleichung ihrer Form nach mit der der Totalverschiebungen führen. In der
Gl. (6) identisch. Deshalb ist der Zeitver- Praxis wird deshalb öfter folgende Glei-
lauf von ξi  (t) mittels des Duhamelintegrals chung nach der Square Root of the Sum of
oder durch numerische Integration ermit- Squares of modal responses (SRSS) Kom-
telbar. Durch die Transformation ui = φi ∙ ξi binationsregel verwendet:
erhält man den der i-ten modalen Schwin-
gung (Mode) entsprechenden Verschie-

umas = 94 ∑ui2,mas (15)
bungsvektor ui  (t). Summiert man ui (t) von 
i = 1 bis n, erhält man u (t). Jetzt sind alle Eine ähnliche Gleichung gilt auch zwischen
Verschiebungen des Systems bekannt, so den aus ui, max berechneten Teilschnittkräf-
dass die Schnittkräfte berechnet werden ten Fi, max und den daraus folgenden Total-
können. Diese hier dargestellte Vorgehens- schnittkräften Fmax  . Über die SRSS-Regel
weise nennt man die Methode der Modal­ hinaus gibt es auch andere Superpositions-
analyse. regeln wie z. B. die CQC (Complete Qua-
Beim oben erläuterten Verfahren wird dratic Combination)- Regel, bei der be-
nur die Antwort infolge eines spezifischen rücksichtigt wird, dass die Schwingungs-
Erdbebens erhalten. Im Allgemeinen inter- antworten in den einzelnen „Modes“ in der
essiert man sich bei der Überprüfung der Regel statistisch nicht völlig unabhängig
Erdbebensicherheit einer Konstruktion voneinander auftreten, sondern mit einem
nicht für den genauen zeitlichen Verlauf gewissen Maß an Korrelation.
der Verschiebungen oder der Schnittkräfte, Das oben erläuterte Antwortspektrum-
sondern nur für ihre maximalen Werte. Da- verfahren ist nur für die linear-elastischen
für ist das im Abschnitt 8.7.3.4. erläuterte MDOF-Systeme anwendbar. Beim Zeit­
Beschleunigungsantwortspektrum hilf- verlaufsverfahren kann dagegen das nicht
reich. Aufgrund der Analogie der Gl. (14) linear-elastische Verhalten der MDOF-Sys-
mit der Gl. (6) kann ∙∙ man nun den maxi­ teme berücksichtigt werden. Dieses Verfah-
malen Wert von ξi aus einem Beschleuni- ren beruht ebenso auf Gl. (12) wie das Ant-
gungs-Antwortspektrum direkt entneh- wortspektrumverfahren, jedoch ist dabei
men, das vorher als die geglättete Einhül- die Modalanalyse nicht erforderlich. Statt-
lende (Envelope) der aus vielen Seismo- dessen wird eine numerische, schrittweise
grammen berechneten Antwortspektren (von Zeitpunkt zu Zeitpunkt) zu berech-
erhalten wurde. Derartige Antwortspektren nende Integration der Gl. (12) durchge-
sind in vielen einschlägigen Normen ent- führt, um unmittelbar den unbekannten
halten. Verschiebungsvektor u zu ermitteln.
Nach Division durch ωi2 erhält man den Geometrische oder werkstoffbezogene
maximalen Wert von ξi . Durch die Trans- (physikalische) Nichtlinearität kann beim
formation ui, max = �i ξt, max lässt sich der Aufbau der Steifigkeitsmatrix K berücksich-
dem i-ten Mode entsprechende maximale tigt werden. Weil das Werkstoffverhalten
Verschiebungsvektor ui, max bestimmen. der Stahl- oder Betonbauteile während der
Beim Summieren der Teilverschiebungs- im Erbebenfall zyklisch auftretenden Bean-
vektoren ui, max von i = 1 bis n entsteht eine spruchung Hysterese-Effekte aufweist, kann
Schwierigkeit, weil die betragsmäßigen die Matrix K in jedem Rechenschritt verän-
Maxima der Zeitverläufe ui, max (i = 1, n) derlich sein. Das Zeitverlaufsverfahren ist
8.7 Spezielle Probleme 785

für die genauere Berechnung der Antwort legt, nämlich eins mit hoher und eins mit
der MDOF Systeme am besten geeignet, be- kleiner Eintretenswahrscheinlichkeit. Das
zieht sich aber stets auf ein spezifisches Erd- zuletzt genannte ist weiter in zwei Typen
beben. Dies muss als ein Nachteil des Ver- (Typ I und Typ II) unterteilt. Die Bodenbe-
fahrens gewertet werden, da in der Praxis wegung des Typs I repräsentiert an der Plat-
wegen der Vielfältigkeit der zu erwartenden tengrenze zu erwartende Starkbeben wie
Erdbeben eine ganze Reihe aufwendiger das Great Kanto Erdbeben 1923. Mit Typ II
Antwortberechnungen mit verschiedenen sollen die im Inland eintretenden, extremen
Seismogrammen erforderlich sind. Erdbeben wie das Hyogo-ken Nanbu Erd-
beben 1995 berücksichtigt werden.
Nach den in Japan geltenden Vorschrif-
8.7.3.6 Erdbebensicherer Entwurf von ten ist die anzuwendende Analysemethode
Brückenbauten in Japan [Japan Road von der Wichtigkeit und der Komplexität
Association, 1996 und Unjoh, 1999] der betroffenen Brücke und der Intensität
der Bodenbewegung abhängig. Folgende
Der Nachweis der Erdbebensicherheit von Analysemethoden sind angegeben (Tabelle
Brücken wird im Allgemeinen nach den 8.7.3-1):
einschlägigen Vorschriften durchgeführt, • statische Methoden:
die für die Berechnung der auftretenden – Ersatzkoeffizientenmethode
Bauteilbeanspruchungen insbesondere in für Bodenbewegung mit hoher Ein­tre­
Lagern, Pfeilern und Gründungen. tenswahrscheinlichkeit anzuwenden
In den „Design Specifications for High- – Duktilitätsüberprüfungsmethode
way Bridges 1996“ der Japan Road Asso­ für Bodenbewegung mit kleiner Ein­­
ciation sind, wie in Tabelle 8.7.3-1 darge- tretenswahrscheinlichkeit anzuwen-
stellt, zwei Bemessungs-Erdbeben festge- den

Tabelle 8.7-3-1   Zu berücksichtigende Bodenbewegung, erforderliches Brückenverhalten (Perf­


ormance) und Berechnungsmethode (Specifications for Highway Bridges 1996 der Japan Road
Association [Japan Road Association, 1996])
Bodenbewegung Bodenbewegung Bodenbewegung mit kleiner
mit hoher Eintretenswahrscheinlichkeit
Eintretenswahr­
scheinlichkeit Typ I (Erdbeben an Typ II (Erdbe­
der Plattengrenze) ben im Inland)
Brücken­ normale keine ohne kritische Schäden
verhalten Brücke Schäden
(Performance) (Typ A)
wichtige keine mit begrenzten Schäden
Brücke Schäden
(Typ B)
Berechnungs­ äquivalente Seismo­­­ Duktilitätsüberprüfungsmethode
methode statische koeffizientme-
Methode thode
dynamische Zeitverlaufmethode oder Antwortspektrummethode
Methode a
a Nur für Brücken mit schwierig einzuschätzendem Antwortverhalten bei Erdbeben.
786 8 Berechnung

• dynamische Methoden: auch die Anwendung der dynamischen


– Antwortspektrums-Verfahren oder Analysemethoden empfohlen.
Zeitverlaufsverfahren Die Ersatzkoeffizientenmethode ist die
anzuwenden zusätzlich für Brücken, seit langem in Japan bewährte Bemessungs-
die während Erdbeben ein schwierig methode. Dabei wird die Erdbebenanre-
einzuschätzendes, komplexeres Ant- gung von der statisch äquivalenten, hori-
wortverhalten erwarten lassen. zontal gerichteten Ersatzlast
Zu den Brückentypen, die während Erd­ P = khW  (16)
beben ein schwierig einzuschätzendes, an der Stelle der Massenschwerpunkte be-
komplexeres Antwortverhalten erwarten rücksichtigt. W ist das Gewicht der Bautei-
lassen, gehören prinzipiell folgende Brü- le. kh ist der seismische Koeffizient, der aus
cken: folgender Gleichung ermittelt wird:
1. Brücken, bei denen die das Antwortver- kh = cz kho  (17)
halten beherrschende Schwingungsmo-
de sich von der bei der Ersatzkoeffizien- wobei cz ein von den in der Norm festgeleg-
tenmethode oder der Duktilitätsüber- ten seismischen Zonen abhängiger Beiwert
prüfungsmethode vorgestellten Mode ist und jeweils 0.7, 0.85 oder 1.0 beträgt. kho
deutlich unterscheidet, ist der Normalwert des horizontalen, seis-
2. Brücken, bei denen mehr als eine Schwin- mischen Koeffizienten und abhängig von
gungsmode entstehen, die ihre Antwort der Untergrundsituation (Bodenklasse) I,
beherrschen, II und III angegeben (Bild 8.7.3-3).
3. Brücken, in denen plastische Gelenke in Aus der so ermittelten Ersatzlast berech-
mehr als einer Stelle zu erwarten sind nen sich mit Hilfe der Elastizitätstheorie
oder in denen wegen ihres komplizier- Schnittkräfte der einzelnen Bauteile, aus
ten Konstruktionssystems nicht genau denen Spannungen bestimmt werden kön-
vorherzusagen ist, wo plastische Gelen- nen. Dann werden sie mit denen aus den
ke eintreten, ständigen Lasten und den Eigenlasten kom-
4. Brücken, bei denen die Anwendbarkeit biniert und mit den zulässigen Spannungen
des Energieäquivalentprinzips, das auf verglichen, die wesentlich höher liegen als
dem nichtlinearen zyklischen Kraft-Ver- für die Lastkombination aus ständigen La-
formungsverhalten der Brücken oder sten, Eigen- und Verkehrslasten allein.
ihrer Bauteile beruht, bisher nicht aus- Die Duktilitätsüberprüfungsmethode
führlich untersucht ist. gehört auch zu den statischen Methoden
und ist für Erdbeben mit kleiner Erschei-
Konkrete Beispiele dafür sind Rahmenbrü- nungswahrscheinlichkeit anzuwenden. Sie
cken, aufgeständerte oder durchdringende war schon früher in den Vorschriften 1990
Bogenbrücken, Schrägkabelbrücken und teilweise für den Nachweis der Erdbeben­
Hängebrücken. Dazu gehören auch Bal- sicherheit von Stahlbetonpfeilern geregelt,
kenbrücken mit langer Eigenperiode oder wurde jedoch umfangreicher in die 1996
hohen Pfeilern sowie Brücken mit Pfeilern erneuerte Auflage eingeführt. Grund dafür
verschiedener Steifigkeit. Stark schiefwink- war, dass die immense Bedeutung der
lige und stark gekrümmte Brücken sind ­Duktilität der Brückensysteme aus den
ebenfalls zu dieser Kategorie zu zählen, Schäden infolge des Hyogo-ken Nanbu
ebenso Brücken mit seismischer Isolation Erdbebens 1995 offenbar wurde.
(Base-Isolation). Für Brücken mit Pfeilern Bei der Duktilitätsüberprüfungsmetho-
in Stahlbauweise ohne Betonfüllung wird de, die überwiegend für die Bemessung der
8.7 Spezielle Probleme 787

Bild 8.7.3‑3   Normalwert des seismischen Koeffizienten Kh

Pfeiler und der Fundamente angewendet klasse der Brücke (Typ A oder B, siehe
wird, berechnen sich dynamische Träg- Tabelle 8.7.3-1) und des Typs des Bemes-
heitskräfte mit folgendem seismischen Ko- sungserdbebens (Typ I oder II, siehe Tabel-
effizienten khe : le 8.7.3-1) abhängig ist. Die Gl. (18b) ist auf
der Grundlage des Energieäquivalenzprin-
khc = cz khco ≥ 0.3  (18a)
zips hergeleitet. Dabei wird angenommen,
khc dass plastische Gelenke am unteren Ende
khe = ≥ 0. 4 c z (18b) der Pfeiler und/oder an den oberen Enden
 2 µa − 1
der Pfähle eintreten.
Bei der Duktilitätsüberprüfungsmetho-
δu − δ y de werden dann nach der Elastizitätstheo-
µa = 1 +  (18c)
α ⋅δy rie die auf die einzelnen Pfeiler einwirken-
den horizontalen Kräfte ermittelt und mit
(für Betonpfeiler) den horizontalen Traglasten der entspre-
wobei khco der Normalwert des horizonta- chenden Pfeiler verglichen. Dabei sind zwei
len, seismischen Koeffizienten ist, der ab- verschiedene Brucharten, nämlich Biege-
hängig von den Bodenklassen I, II und III bruch (flexural failure) und Schubbruch
angegeben wird (Bild 8.7.3-4). μa ist der (shear failure) zu unterscheiden. Die hori-
zulässige Verschiebungsduktilitätsfaktor zontalen Traglasten der Stahlbeton- und
der Betonpfeiler. Die Gleichung von μa für der mit Beton gefüllten Stahlpfeiler ermit-
mit Beton gefüllte Stahlpfeiler unterschei- teln sich nach den Vorschriften, wobei
det sich geringfügig von Gl. (18c). δu ist die nichtlineares Verhalten der Pfeiler berück-
Grenzverschiebung (u steht hier für „ulti- sichtigt wird. Für die Brücken der Wichtig-
mate“) und δy die Fließverschiebung (bei keitsklasse B (siehe Tabelle 8.7.3-1) muss
Beginn des Fließens). α ist ein Sicherheits- nicht nur die Tragfähigkeit, sondern auch
faktor, dessen Wert von der Wichtigkeits- die verbleibende Verschiebung der Pfeiler
788 8 Berechnung

Bild 8.7.3‑4   Normalwert des seismischen Koeffizienten Kh0

überprüft werden. Die Berechnungsweise Bemessungsbeben für die Überprüfung der


der verbleibenden Pfeilerverschiebung und Funktionsfähigkeit und der Standsicher-
ihres zulässigen Werts ist in den Vorschrif- heit zu berücksichtigen. Das Bemessungs-
ten enthalten. beben (Bodenbewegung) für die Überprü-
fung der Funktionsfähigkeit (Functional
Evaluation Ground Motion) soll ein proba-
8.7.3.7 Erdbebensicherer Entwurf der bilistisch geschätztes Erdbebenereignis,
Brücken im US-Staat California [Duan/Li, 1999 das 40% Eintrittswahrscheinlichkeit wäh-
und Xiao, 1999] rend der Lebensdauer der Brücke aufweist,
repräsentieren. Für den Nachweis der
Nach den Caltrans BDS 1994 (Bridge Standsicherheit (Safety Evaluation Ground
Design Specifications, herausgegeben vom Motion) ist entweder eine deterministisch
California Department of Transportation) geschätzte Bodenbewegung aus den von
sind, wie in Tabelle 8.7.3-2 dargestellt, zwei der Division of Mines and Geology Open-

Tabelle 8.7-3-2   Seismische Performancekriterien von Caltrans


Brückentyp Bodenbewegung am Standort
Nachweis der Funktionsfähigkeit Nachweis der Standsicherheit
normale Brücke funktionsfähig, reparierbare begrenzt funktionsfähig,
Schäden schwere Schäden
wichtige Brücke funktionsfähig funktionsfähig
8.7 Spezielle Probleme 789

Tabelle 8.7.3-3   Performanceüberprüfung und Mindestanforderungen an die Berechungs-Methode


nach ATC-32
Brückentyp Nachweis der Funktions­ Nachweis der Standsicherheit
fähigkeit
normale Brücke Typ I nicht erforderlich äquivalente statische Analysis
oder elastische dynamische
Analysis
Typ II nicht erforderlich elastische dynamische Analysis
wichtige Brücke Typ I äquivalente statische Analysis oder elastische dynamische
Analysis
Typ II elastische dynamische elastische dynamische Analysis
Analysis oder nichtelastische statische
Analysis oder nichtelastische
dynamische Analysis
Typ I: einfache Brücken (den regulären Brücken ähnliche).
Typ II: komplizierte Brücken (den irregulären Brücken ähnliche).

File Report 92-1 definierten maximalen In den ATC-32 Empfehlungen 1996


Erdbeben oder eine probabilistisch ge- (Applied Technology Council) zu den Cal-
schätzte Bodenbewegung mit einer langen trans BDS sind verschiedene Berechnungs-
Wiederkehrperiode (circa 1000–2000 Jah- methoden für die Nachweise der Funkti-
re) zugrunde zu legen. Mit diesen zwei ver- onsfähigkeits- und der Standsicherheit
schiedenen Bodenbewegungen sind Per- angegeben (Tabelle 8.7.3-3). Sie hängen
formancekriterien verbunden, die je nach von der Wichtigkeit und der Komplexi­
Wichtigkeit der Brücken unterschiedlich tät der betreffenden Brücke ab. Dabei
sind (s. Tabelle 8.7.3-2). braucht man für normale Brücken nicht

Bild 8.7.3‑5   
Kraftreduktionskoeffizient Z
790 8 Berechnung

die Funktionsfähigkeit zu überprüfen, weil bereits bestehenden Eurocodes weiterzu-


angenommen wird, dass mit der Stand­ entwickeln und zu Europäischen Normen
sicherheit auch die Funktionsfähigkeit ge- (EN) zu machen. Für die erdbebensichere
währleistet wird. Auslegung von Brückenbauten soll der Teil
Im Folgenden wird die für die Über­ 2 von Eurocode 8, der als EN 1998, Teil 2
prüfung der Standsicherheit der normalen, in deutscher Fassung zur Veröffentlichung
regulären Brücken anzuwendende, äquiva- im Juni 2006 vorgesehen ist, dienen. Bei
lente statische Bemessungsmethode etwas der Festlegung der Eingangsgrößen für die
näher erläutert. In diesem Fall wird auch die seismische Beanspruchung stützt sich die-
Erdbebenanregung von der statisch äquiva- se Norm auf den Teil 1 von EN 1998, der
lenten, horizontal gerichteten Ersatzlast ­allgemeine Grundlagen für die Erdbeben-
bemessung regelt und in erster Linie auf
Feq = W ∙ (ARS)  (19)
die erdbebensichere Konstruktion und
an der Stelle der Massenschwerpunkte be- ­Bemessung von Gebäuden (Hochbauten)
rücksichtigt. W ist das Gewicht der Bautei- abzielt.
le. ARS (Acceleration Response Spectrum) Das linear elastische Antwortspektrum
entspricht dem seismischen Koeffizienten, ergibt sich für die jeweilige Erdbebenzone,
der von der Eigenperiode, der Bodenklasse die durch nationale Anwendungsdoku-
und der Erdbebenzone abhängig ist. Der mente (NAD) festzulegen ist, in Abhängig-
maximale Wert von ARS beträgt 1,8. Be- keit von der Untergrundsituation. Ferner
rücksichtigt man, dass wegen der Nichtli- werden in EN 1998, Teil 1, zwei verschie-
nearität die linear elastische berechnete dene Typen von Antwortspektren definiert,
Antwort abgemindert werden kann, so die die unterschiedliche Charakteristik zu
schreibt sich die für die Bemessung anzu- berücksichtigender Erdbebenereignisse in
setzende, horizontale Last wie folgt: den Mittelmeerländern einerseits (Beben
mit großer Magnitude, Auswirkung auch
W ⋅ ( ARS) in größerer Entfernung) und in Mittel­
 Fd = (20)
Z europa andererseits (Beben kleinerer
­Magnitude in geringerer Entfernung) be-
Z ist der Kraftreduktionskoeffizient und im
rücksichtigen.
Bild 8.7.3-5 dargestellt. Mit der in Gl. (20)
Für die Ausbreitung seismischer Wellen
angegebenen horizontalen Last werden
ist die Schichtung des Untergrunds bis in
dann nach der Elastizitätstheorie die
Tiefen von mehreren hundert Metern von
Schnittkräfte der einzelnen Bauteile ermit-
Bedeutung. In Deutschland, wo ausge-
telt und mit ihren Traglasten verglichen.
dehnte Gebiete mit tiefen Beckenstruktu-
Dabei werden die Betonpfeiler so bemes-
ren mit weichen Sedimenten, wie z. B. im
sen, dass der gefährlichere Schubbruch auf
Ober­rheingraben, existieren, kommt die-
jeden Fall verhindert wird. Außerdem wird
sem Punkt besondere Bedeutung zu. Bei
auch eine Überprüfung hinsichtlich der
einer derartigen Untergrundsituation wer-
Verschiebung durchgeführt.
den die niederfrequenten Wellen bevor-
zugt vom Erdbebenherd an die Oberfläche
8.7.3.8 Erdbebensichere Bemessung von über­tragen, während hochfrequente Wel-
Brücken nach europäischen Normen len abgeschwächt werden. Es ist deshalb
vor­gesehen, in Deutschland den geologi-
Die Länder der Europäischen Union (EU) schen Untergrund (im Tiefenbereich un-
und der EFTA haben mit CEN (Comité Eu- terhalb etwa 20 m) zusätzlich zum geotech-
ropéen de Normalisation) vereinbart, die nischen ­Untergrund (Tiefenbereich bis­
8.7 Spezielle Probleme 791

Tab. 8.7.3-4 Untergrund-Klassifizierung nach DIN 4149 (2005-04)

Baugrundklasse Baugrundklasse A Baugrundklasse B Baugrundklasse C


(bis 20 m Tiefe)
Feste bis mittel- Lockergesteine (Kies Feinkörnige Locker-
feste Gesteine bis Grobsand, Mergel) gesteine (Feinsand)
bzw. Lößauflagen
vS20 > 800 m/s vS20 = 350 bis 800 m/s vS20 = 180 bis
Untergrundklasse
350 m/s
(unterhalb 20 m Tiefe)
Untergrundklasse R
Gebiete mit felsartigem
A-R B-R C-R
Gesteinsuntergrund
vS > 800 m/s unterhalb 20m
Untergrundklasse T
Übergangsbereiche
­zwischen den Gebieten der
B-T C-T
Untergrundklassen
R und S,
relativ flachgründige Sedi-
mentbecken
Untergrundklasse S
Gebiete tiefer Beckenstruk-
turen mit mächtiger Sedi-
mentfüllung
C-S
vS > 800 m/s unterhalb
von 100 m (Quartär)
vS >1800 m/s unterhalb
von 500 m (Tertiär)

Anmerkung: vs bezeichnet die Scherwellengeschwindigkeit , vs20 ist die mittlere Scherwellenge-


schwindigkeit bis zu einer Tiefe von 20 m als Klassifizierungskriterium.

20 m) ­besonders zu berücksichtigen (s. des Plateaubereichs, während in Gebieten


­Tabelle 8.7.3-4). mit unterlagertem Felsgestein schmalban-
Für den geologischen Untergrund in dige, eher hochfrequente Spektren mit gro­
Deutschland liegt eine Karte mit Einteilung ßen Werten der Antwortbeschleunigung
in drei geologische Untergrundklassen [Lan- resultieren (s. Bild 8.7.3-6).
desamt für Geologie, 2000 und Schwarz/ Bei langen Brückenbauwerken oder
Grünthal, 1998] vor. Der geotechnische Un- beim Vorhandensein geologischer Störun-
tergrund ist hingegen für den jeweiligen gen kann es erforderlich sein, die räumliche
Bauwerksstandort individuell zu erkunden. Veränderlichkeit der Baugrundbewegung
Bei gleichem geotechnischem Untergrund im Erdbebenfall zu berücksichtigen. Ein
ergeben sich in einem Sedimentbecken Anhang zu EN 1998-2 gibt hierzu weitere
breite Antwortspektren mit großer Länge Hinweise.
792 8 Berechnung

Bild 8.7.3‑6   Beispiele für Antwortspektren in deutschen Erdbebengebieten nach DIN 4149,


April, 2005

Bild 8.7.3‑7   Seismisches Verhalten


8.7 Spezielle Probleme 793

Bild 8.7.3‑8   Bestimmung des Bemessungs-Antwortspektrums aus dem elastischen Antwort­


spektrum

In Hinsicht auf das Antwortverhal­ten mechanismen vermieden werden. Aus der


von Brückenbauwerken unter Erdbebener- Tragfähigkeit („Kapazität“) der Bereiche
regung wird in EN 1998-2 zwischen mit duktilem Verhalten (in der Regel sind
­folgenden Verhaltensarten unterschieden: das die Fließgelenke) wird die Schnitt­
• duktil größenverteilung in den nichtduktilen
• eingeschränkt duktil bzw. im Wesent­ Tragwerksteilen bestimmt. Um vorzeitiges
lichen elastisch Versagen in den nichtduktilen Tragwerks-
teilen mit ausreichender Sicherheit zu ver-
Dies ist im Bild 8.7.3-7 veranschaulicht. Der meiden, müssen mögliche Überfestigkeiten
maximal ansetzbare Verhaltensbeiwert q zur in den Bereichen mit duktilem Verhalten
Abminderung der Antwortbeschleunigun- berücksichtigt werden.
gen ist bauartspezifisch in der Norm fest­ Damit wird praktisch notwendig, nach
gelegt. Bild 8.7.3-8 zeigt, wie aus dem elasti- einer ersten Ermittlung der Schnittgrößen-
schen Antwortspektrum das Bemessungs- verteilung aufgrund der seismischen Ein-
Antwortspektrum unter Berücksichtigung gangsgrößen eine zweite Ermittlung der
des Verhaltensbeiwerts q bestimmt wird. Schnittkraftverteilung unter Ansatz des
Bei mittlerer und hoher Erdbebenbean- Auftretens der Fließmomente in den Fließ-
spruchung ist duktiles Verhalten zumeist zu gelenken durchzuführen. Die Fließmo-
bevorzugen, sowohl aus Gründen der Wirt- mente sind dabei mit einem in der Norm
schaftlichkeit als auch der Sicherheit. Um festgelegten Faktor für die mögliche Über-
duktiles Verhalten des Tragwerks sicherzu- festigkeit zu berechnen. Der Überfestig-
stellen, müssen durch die sogenannte Ka- keitsfaktor ist allgemein mit γ0 = 1,35 fest-
pazitätsbemessung („Capacity Design“ gelegt und hängt zusätzlich von der bezo-
[Park/Paulay, 1975]) spröde Versagens­ genen Axialkraft ab.
794 8 Berechnung

Wenn auch die Darstellung der Erdbe- pendent power spectrum) und der Zeitver-
benwirkung durch Antwortspektren die laufsmethode (time history representation).
zumeist gebräuchliche und von der Norm In beiden Fällen muss sichergestellt sein,
genutzte Methode ist, so erlaubt EN 1998 dass die so beschriebenen Einwirkungen
auch alternativ die Benutzung standortspe- konsistent mit der Darstellung durch Ant-
zifischer Leistungsdichtespektren (site de- wortspektren sind.
9 Herstellung und Ausführungsmethoden

9.1 Betonbrücken ten auf, die zu einer Reduzierung der


Schubsteifigkeit des Gerüsts führen.
9.1.1 Herstellung auf Lehrgerüst • Lehrgerüste unterliegen kurzen Stand-
zeiten bei großer Einsatzhäufigkeit. Ihre
Einzelteile, wie Rüstträger, Rüststützen
9.1.1.1 Lehrgerüste, Aufgaben
und Verbände, erleiden Verformungen
und Anforderungen
und u. U. Beschädigungen.
• Lehrgerüste wirken nach dem Abbinden
Jürgen Stritzke (bis 9.1.1.3)
des Betons zusammen mit dem erhärte-
ten Überbau, was bei der Festlegung von
Lehrgerüste dienen wie Schalungen der
Überhöhungen der Rüstträger und beim
Herstellung und Formgebung von Brücken.
Ausrüsten zu beachten ist.
Bis der Beton erhärtet und ausreichend
tragfähig ist, nehmen sie die Lasten aus der Lehrgerüste gehören zu der Gruppe der
Schalung auf und leiten diese über Rüst­ Traggerüste, deren Ausbildung in [DIN
träger, -stützen und Fundamente in den 4421, 1988] geregelt ist. Der Arbeitskreis
tragfähigen Baugrund ab. Lehrgerüste sind Gerüste des Bau-Überwachungsvereins
Ingenieurbauwerke und sind wie diese zu (BÜV) hat die mit Stand 09/2000 veröffent-
berechnen und zu konstruieren. lichten „Empfehlungen der Prüfingenieure
Aufgrund der gegenseitigen Beeinflus- für die Prüfung von Traggerüsten“ [Emp-
sung von Bauwerk, Lehrgerüst und Grün- fehlungen der Prüfingenieure, 2000] aktu­
dung sowie der zeitlich verschiedenen Ein- alisiert und ergänzt. Sie gelten nunmehr in
wirkungen (Frischbetonlast, Vorspannung, der in [Empfehlungen der Prüfingenieure,
Stauchungen und Setzungen des Lehrge- 2002] veröffentlichten Fassung von 09/2002.
rüsts) sind in der Berechnung, Konstrukti- Erläuterungen findet man hierzu in [Schmie­
on und Ausführung von Lehrgerüsten ge- del, 2002].
genüber dem Gerüstbau des Hoch- und Nach DIN 4421 werden 3 Traggerüst-
Industriebaus eine Reihe von Besonderhei- gruppen unterschieden. Dieser Einteilung
ten zu berücksichtigen, die mitunter einen liegt die Vorstellung zugrunde, dass ein
hohen Schwierigkeitsgrad erreichen und gleiches Sicherheitsniveau mit unterschied-
eine besondere Sorgfalt erfordern: lichen Mitteln erreicht werden kann [Eibl,
1983]. Als Lehrgerüste für Brücken kom-
• Die Gebrauchslasten sind im Vergleich
men nur Gerüste der Gruppen II und III
zur Eigenlast hoch und treten i. d. R.
zur Anwendung:
mindestens in der angesetzten Höhe auf,
wenn sie nicht gar überschritten wer- a) Traggerüste der Gruppe II umfassen alle
den. üblichen Lehrgerüste für Brücken. Alle
• Gerüstspezifische Verbindungen weisen Bauglieder sind für die Grenzzustände
große Verformungen und Exzentrizitä- der Tragfähigkeit und der Standsicher-
796 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

heit zu bemessen. Die vereinfachte Be- dessen elastischer Zusammendrückung


rechnung nach [DIN 4421, 1988], Abs. und der Nachgiebigkeit des Baugrunds, so
6.4.2 ist gestattet. dass die Eigenlast beim Spannvorgang nicht
b) Lehrgerüste mit hohen Anforderungen wirksam wird und in der vorgedrückten
an die rechnerische Erfassung des wirk- Zugzone u. U. erhebliche Rissbildungen
lichkeitsnahen Tragverhaltens, an die auftreten. Deshalb sind die Rüststützen der
Erfassung geometrischer Imperfektio- Lehrgerüste für Spannbetonüberbauten
nen und an die zeichnerische Darstellung stets mit Absenkvorrichtungen (Spindeln)
sind den Traggerüsten der Gruppe III zu versehen. Von diesen Überlegungen aus-
zuzuordnen. Hierzu gehören die stähler- gehend hat Leonhardt [Leonhardt, 1973],
nen Lehrgerüste des Großbrückenbaus S. 621, einige Grundsätze für die Ausbil-
nach [DIN 18800, Teil 1, 1990] oder als dung derartiger Lehrgerüste aufgestellt,
Ingenieurholzkonstruktion nach [DIN worauf hier verwiesen wird.
1052, Teil 1, 1988]. In der Regel werden heute stählerne
Lehrgerüste eingesetzt. Ausnahmen, wie
In Vorbereitung ist die [DIN EN 12812, das hölzerne Lehrgerüst für die Teufelstal-
2004], die als Ersatz für die DIN 4421 vor- brücke [Werschnick, 2000] im Zuge der
gesehen ist und nach der die Bemessungs- Autobahn A 4 sind äußerst selten. Bei Bo-
klassen A, B1 und B2 eingeführt werden. genbrücken wird in den Alpenländern nach
Lehrgerüste müssen ausreichend stand- wie vor das Cruciani-Lehrgerüst (siehe
fest und tragfähig sein. Sie sollen während hierzu Abschnitt 9.1.1.4) angewendet.
der Bauausführung nur geringe Formände-
rungen erleiden, um Rissbildungen wäh-
rend des Abbindeprozesses zu vermeiden. 9.1.1.2 Herstellung von Platten-
Mit zunehmender Stützweite wirken voll- und Balkenbrücken auf Lehrgerüst
kommen gerade Überbauunterkanten
durchhängend. Um dieser Erscheinung Die Entwicklung des Betonbrückenbaus
vorzubeugen und um zu erwartende Ver- ist mit der Entwicklung des Schalungs-
formungen sowohl des Lehrgerüsts als auch und Lehrgerüstbaus auf das Engste ver-
des Überbaus im Lehrgerüst auszugleichen, bunden. Insbesondere ist der Übergang
wird eine optische Überhöhung von der des Baus von Bogentragwerken zu balken-
Größe l/800 bis l/1000 vorgesehen. Weiter- artigen Tragwerksformen gekennzeichnet
hin müssen Lehrgerüste so ausgebildet sein, durch die Einführung wiederverwen­
dass ein Ausrüsten des Tragwerks nach dungsfähi­ger stählerner Lehrgerüste. In
dem Erhärten des Betons möglich ist. Da- der Schal­technik passte man sich dieser
rüber hinaus sind einige Besonderheiten Entwick­lung mit vorgefertigten ober­
beim Entwurf von Lehrgerüsten für Spann- flächen­b eschich­teten und kantenge­
betonbrücken zu beachten. Die Längsver- schützten Schaltafeln an.
formung (Stauchung) des Überbaus infolge Brücken mit einer Höhe bis zu etwa 15 m
Vorspannung darf durch das Lehrgerüst über dem Gelände werden kostengünstig
nicht behindert werden. Die Längsausstei- auf einem Lehrgerüst hergestellt, sofern
fungen des Lehrgerüsts müssen deshalb vor das Gelände einigermaßen eben ist und die
Beginn des Spannvorgangs gelöst und das zu überbrückenden Hindernisse nicht allzu
Lehrgerüst muss damit längsbeweglich ge- breit bzw. Täler nicht zu tief sind. Einfeld­
macht werden. Die Hebung (negative rige, bis zu maximal über 3 Felder durch-
Durchbiegung) des Überbaus infolge Vor- laufende Brücken und Überbauten mit
spannung ist in der Regel kleiner als die komplizierter Grundrissgeometrie werden
Rückfederung des Lehrgerüsts aufgrund auf einem stationären Lehrgerüst herge-
9.1 Betonbrücken 797

stellt. Mehrfeldrige und nebeneinander lie- von denen mehrere in einer Ebene zu einem
gende Überbauten fertigt man abschnitts- sog. Rüstjoch (Pendelwand) und mehrere
weise mit umsetzbaren oder verschiebli- Rüstjoche wiederum durch Anordnung ent-
chen Lehrgerüsten. sprechender Aussteifungen zu sog. Rüsttür-
men (Doppeljoche) verbunden werden. Mit
Herstellung auf stationärem Lehrgerüst derartigen Lehrgerüsten lassen sich bei ent-
Das älteste Verfahren zur Herstellung von sprechenden Rüstträgerlängen Verkehrsräu-
Brücken ist das Einschalen und Einrüsten me unter den Überbauten freihalten. Ande-
des gesamten Überbaus. Einfache Lehrge- rerseits kommen auch Rahmenstützen zur
rüste mit Stützen in relativ engem Abstand Anwendung, die aus 4 Rahmenstielen mit
wurden früher aus Holz gezimmert. Für entsprechenden Verbänden in allen 4 Ebenen
Bogenbrücken sind z. T. beachtliche Zim- bestehen. Der Abstand der Rahmenstützen
mermannskonstruktionen errichtet wor- ist so gering, dass zur Abfangung der Lasten
den, die allein schon große Ingenieurleis- aus der Schalung keine stählernen Rüst­träger
tungen darstellen. Der Überbau wird hier- erforderlich werden (Bild 9.1.1-1).
bei auf seiner gesamten Grundrissfläche Technische Angaben von Rüststützen,
eingerüstet. Hölzerne Lehrgerüste sind in Rahm­enstützen und Rüstträgern der seri-
[Völter, 1986] ausführlich beschrieben und enmäßig gefertigten Baukastensysteme
werden hier nicht behandelt. enthalten [Nather et al., 2005] und [Holst/
Die stählernen Lehrgerüste bestehen aus Holst, 2004] bzw. die Kataloge der Herstel-
Rüstträgern, Rüststützen und vertikalen ler, wie z. B. [Das komplette Gerüstbaupro-
Verbänden in Längs- und Querrichtung gramm, 1995]. Grundlegende Neuentwick-
sowie aus horizontalen Verbänden. Die lungen gibt es im Lehrgerüstbau etwa seit
Rüstträger übernehmen die Lasten unmit- 15 Jahren aufgrund des rückläufigen Bau-
telbar aus der Schalung und leiten diese an volumens und der Marktsättigung an Rüst-
die Rüststützen weiter. Als Rüstträger kom- systemen nicht mehr. Eine Ausnahme bil-
men Fachwerkträger zur Überbrückung det die ­Weiterentwicklung von Schwerlast-
großer Spannweiten oder Walzprofilträger stützen (z. B. [Allround-Gerüst, 2000] und
in der Form von Breitflanschprofilen zur ­[Moderner Traggerüstbau, 2001]).
Anwendung. Die Rüstträger aus zusam- Rüstjoche, Rüsttürme, Rahmenstützen
mensetzbaren Fachwerkelementen mit und Druckgurte der Rüstträger müssen
oder ohne Unterspannmöglichkeit sind durch Verbände ausreichend ausgesteift
stufenweise längenveränderlich. sein, um planmäßige Einwirkungen, wie
Bezüglich der Rüstträgerunterstützungen Wind und Abtriebskräfte aus Schrägstel-
unterscheidet man einerseits Rüststützen, lung der Rüstträger bei nicht horizontaler

Bild 9.1.1-1   Lehrgerüst unter Verwendung von stählernen Rahmenstützen nach [Holst, 1998], S. 486
798 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Überbauunterkante sowie unplanmäßige zum Absenken des Lehrgerüsts höhenver-


horizontale Einwirkungen abtragen zu kön- stellbar. Bei der Ausbildung von verschieb-
nen. Bei leichten Rüstsystemen werden die lichen Lehrgerüsten sollte die Absenkebene
Verbände aus Gerüstrohren mit Gerüst- in Höhe der Rüstträgerlage liegen, d. h. die
kupplungen als Verbindungselemente gebil- Spindel am Stützenkopf. Liegt die Absenk­
det. Für schwere Rüstsysteme sind spezielle ebene in den Fußpunkten der Rüststützen,
Aussteifungselemente, wie z. B. Teleskop- werden die Aussteifungen durch ungleich-
stäbe, entwickelt worden. Insbesondere zur mäßiges Absenken zusätzlich beansprucht,
Stabilisierung stählerner Rüststützen hoher und die Steifigkeit des Lehrgerüsts wird
Tragfähigkeit ist eine hohe Schubsteifigkeit ­beeinträchtigt.
der Verbände erforderlich. Auf die Rüstträgerlage wird in der Regel
Aus der Ableitung von Horizontal­kräften eine Kantholzlage zur Unterstützung der
resultieren in den Rüstträgern und Rüst- Schalhaut rechtwinklig zur Brückenachse
stützen zusätzliche Längskräfte, die mit den angeordnet. Kanthölzer und Schalhaut
Normalkräften aus lotrechter Lastabtragung werden i. d. R. bis unter die Kragarme des
zu überlagern sind. Zweckmäßigerweise Überbaus geführt, um darauf die entspre-
ordnet man daher solche Verbände im Be- chend der Querschnittsgestaltung vorge-
reich der weniger be­anspruchten, unter den fertigten Schalungsböcke anordnen zu
Kragplatten des Überbaus angeordneten können. Aufgrund der höheren Frischbe-
Lehrgerüststützen an. Hinweise zur Berech- tonlasten im mittleren Bereich von Mittel-
nung von Ver­bänden sind in [Nather, 1996] trägerquerschnitten, im unmittelbaren Be-
und [Holst/Holst, 2004] enthalten. reich unter Kästen und Stegen von Platten-
Die Stützenfüße sind mittels Spindeln balken sind hier gegenüber den Randberei-
zur Feineinstellung der Stützenhöhe und chen auskragender Fahrbahnplatten die

Bild 9.1.1-2   Rüstjoch einer Mittelträgerbrücke aus stählernen Rüststützen


9.1 Betonbrücken 799

Rüstträger und damit die Rüststützen in en- entweder von Feld zu Feld umgebaut oder
gerem Abstand anzuordnen (Bild 9.1.1-2). verschieblich ausgebildet. In Abhängigkeit
Die Herstellung der Gesimskappen erfolgt von der jeweils vorhandenen Gelände­
i. d. R. mit Simsschalwagen. struktur, der Gestaltung von Über- und Un-
terbauten und der Art des Rüstmaterials
Abschnittsweise Herstellung werden entweder die Rüstträger einschließ-
auf einem Lehrgerüst lich der Rüstjoche bzw. –türme oder nur die
Bei mehrfeldrigen Brücken aus Ortbeton Rüstträgerlage verschieblich ausgebildet.
führte das Streben nach Effektivität und Bei stark wechselnden Geländehöhen ist es
­Verkürzung der Bauzeiten zur abschnitts- zweckmäßig, entweder entsprechend dem
weisen Herstellung auf umsetzbarem oder Geländeverlauf ein stationäres Untergerüst
verschieblichem, stählernem Lehrgerüst und das Obergerüst verschieblich auszubil-
(Bild 9.1.1-3). Der mehrmalige Einsatz den oder nur die Rüstträgerlage. Mitunter
gleicher Rüstsektionen am gleichen Bau- genügt an Stelle eines Untergerüsts ledig-
werk senkt den Aufwand an Schalung und lich eine stabile Trägerlage auf Betonso-
Rüstung und führt durch den taktweisen ckeln unterschiedlicher Höhe, um darauf
Einsatz der Arbeitskräfte und der tech­nolo­ das Lehrgerüst verrollen zu können, wie
gischen Einrichtungen zu einem ratio­ das bei der Hochstraße Cottbus [Martin/
nelleren und effektiveren Herstellungs­ Schulze, 1978] ausgeführt wurde.
prozess als beim Einsatz einer stationären Bei mehreren, durch Fugen getrennten,
Rüstung. nebeneinanderliegenden Überbauten kön-
Voraussetzung für die Einführung der nen die Lehrgerüste darüber hinaus noch
abschnittsweisen Fertigung von Spannbe- querverschieblich angeordnet werden. Bei
tonbrücken war die Entwicklung geeigneter der Festlegung der Reihenfolge des Quer-
Koppelstellen zur Verbindung der Spann- verschubs ist die Längs- und Querneigung
glieder aufeinanderfolgender Bauabschnitte des herzustellenden Überbaus zu beachten.
in Bereichen geringer Momentenbeanspru- So wird man bei Tragwerken mit großer
chung (Bild 9.1.1-3). Ein Regelabschnitt Querneigung den tiefer liegenden Quer-
reicht von Koppelfuge zu Koppelfuge und schnitt zuerst herstellen. Dann genügen
entspricht damit einer Feldlänge. Nur der geringe Absenkwege zum Verschub. Bild
erste Bauabschnitt ist bei gleichlangen Feld- 9.1.1-4 verdeutlicht diesen Vorgang. Vor
weiten mit rd. 0,2 l länger und der letzte Verschubbeginn muss die Kragarm- bzw.
um rd. 0,2 l kürzer. Die Lehrgerüste werden Seitenschalung umgesetzt werden.

Bild 9.1.1-3   Abschnittsweise Herstellung über mehrere Felder durchlaufender Spannbeton­


brücken auf umsetzbarem Lehrgerüst nach [Stritzke, 1983], S. 21
800 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.1-4   Prinzip des Querverschubs eines Lehrgerüsts unter Beachtung der Querneigung des
Überbaus nach [Stritzke, 1983], S. 22

Bei Brückenbauwerken mit großer Feld- einfach freigemacht werden kann. Runde,
anzahl und gleichbleibender Höhe der Un- schlanke Stützen senken den Aufwand für
terbauten bietet sich der Verschub des ge- diese Teildemontage des Lehrgerüsts. Bei
samten Lehrgerüsts einschließlich der großer Stützenbreite bzw. bei Pfeilern lässt
Stützjoche und Stütztürme an. Für den Ver- sich diese Vorgehensweise nicht mehr rea-
schub ist es am günstigsten, wenn das ge- lisieren. In diesem Fall wird es notwendig,
samte Lehrgerüst ohne vorheriges Querver- das Lehrgerüst geteilt (Bild 9.1.1-5) oder in
schieben an den Brückenpfeilern vorbeige- gesamter Breite zuerst quer, dann längs und
fahren werden kann. Das Lehrgerüst muss abermals quer zu verschieben. Die Längs-
dann so beschaffen sein, dass vor dem Be- und Querverschiebung muss dabei auf zwei
ginn des Verschiebens das Profil des Pfeilers verschiedenen Verschubebenen erfolgen.
in Richtung der Brückenachse von allen hi- Beim Einsatz von Lehrgerüsten an vonein-
neinragenden Teilen der Rüstung relativ ander unabhängigen, im Grundriss nahezu
parallelen Überbauten ist unter Beachtung
der Feldanzahl und der geplanten Bauzeit
über die notwendige Anzahl von Rüstsek­
tionen zu entscheiden. Einerseits kann man
zunächst nur einen Überbau unter Einsatz
eines längsverschieblichen Lehrgerüsts her-
stellen. Dann steht die zuerst fertiggestellte
Tragwerkseite während der Fertigung der
zweiten bereits zur Nutzung zur Verfügung.
Andererseits kann nach dem im Bild 9.1.1-6
dargestellten Einsatzschema vorgegangen
werden, in dem mindestens für zwei quer-
verschiebliche Rüstsektionen das Rüstmate-
rial vorgehalten wird. Dann lässt sich nach
Abschluss der Betonierarbeiten in einem
Feld die technologisch notwendige Pause
zum Erhärten des Betons und zur Eintra-
gung der Vorspannkräfte mit den Schal-
und Bewehrungsarbeiten im jeweils nächs-
Bild 9.1.1-5   Teilung eines längsverschieb­lichen ten Feld nutzen. Werden die Rüstjoche bzw.
Lehrgerüsts zum Vorbeifahren am Brückenpfei- -türme nicht mit verschoben, sind sie in
ler nach [Stritzke, 1983], S. 23 annähernd doppelter Anzahl erforderlich.
9.1 Betonbrücken 801

Bild 9.1.1-6   Schematische Darstellung des Einsatzes zweier querverschieblicher Rüstsektionen


nach [Stritzke, 1983], S. 23

Der Rüstturm unter der Koppelfuge ist 9.1.1.3 Herstellung von Bogenbrücken
dann für die Auflagerung des Kragarms und auf Lehrgerüst
des folgenden Feldes doppelt so breit aus­
zubilden. Wird dagegen die gesamte Lehr­ Insbesondere mit der Einführung der
gerüstsektion verschoben, so sind unter der Spannbetonbauweise im Brückenbau voll-
Koppelfuge zwei unabhängige Rüsttürme zog sich ein Rückgang in der Anwendung
notwendig. von Bogenbrücken zugunsten des Baus von
Die wesentlichen Vorteile dieser Bauwei- Balken- und Rahmenbrücken mit immer
se sind die Einsparung an Schalungs- und größeren Stützweiten. In neuerer Zeit er-
Rüstkosten, die rd. 20 bis 30% der Gesamt­ fährt der Bogenbrückenbau eine Renais-
herstellungskosten des Überbaus betragen, sance, jedoch nicht unter Anwendung her-
und die Verminderung der Reibungsver­luste kömmlicher Bogenlehrgerüste, sondern
in den Spanngliedern durch das abschnitts- durch den Freivorbau (siehe Abschnitt
weise Vorspannen und damit die Einspa- 9.1.3). In [Mörsch, 1968] ist die Entwick-
rung an hochwertigem Spannstahl. lung des Lehrgerüstbaus von Bogenbrü-
Lehrgerüste sind entsprechend [DIN cken ausführlich dargestellt.
1054, 2005] zu gründen. Die Fundamente Zu unterscheiden ist zwischen bodenge-
der Widerlager und Pfeiler bzw. Stützen bil- stützten und freitragenden Bogenlehrge-
det man so aus, dass das entsprechende rüsten. Bild 9.1.1‑7a zeigt das klassische
Lehrgerüst darauf noch Platz findet. Rüst- Bogengerüst bestehend aus einem Oberge-
türme und Rahmenstützen werden auch rüst, das der Bogenkrümmung folgt und
vielfach auf Fertigteilfundamente gestellt, einem ­Untergerüst. Die Frischbetonlasten
wenn die Baugrundverhältnisse das zulas- werden über die auf Biegung beanspruch-
sen. [DIN EN 12812, 2004] enthält allge- ten Kranzhölzer in ein trapezförmiges oder
meine Anforderungen an Gründungen von auch dreieckförmiges Pfostensystem ein­
Traggerüsten und entbindet unter be- geleitet und somit die Lastabtragung auf
stimmten Voraussetzungen von der sonst wenige Gründungskörper konzentriert.
vorgeschriebenen Einbindetiefe von Fun- Das Obergerüst wird zum Ausrüsten ab-
damenten. senkbar ausgebildet.
802 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.1-7   Bodengestützte und freitragende Bogenlehrgerüste nach [Holst/Holst, 2004], S. 266

Bild 9.1.1-8   Hölzernes Vertikalpfosten-Lehrgerüst des südlichen Überbaus der Teufelstalbrücke

Beim Vertikalpfostensystem (Bild lungs- und Betonierarbeiten abgestimmt,


9.1.1‑7c) werden die Frischbetonlasten über wurden danach die vormontierten Jochseg-
in engem Abstand und lotrecht stehende mente baukastenartig zum endgültigen
Pfosten in die Lehrgerüstgründungen abge- Lehrgerüst zusammengefügt. Sechs hori-
leitet. Das beim Bau des südlichen Über- zontale Aussteifungen in der Gerüstebene,
baus, Richtungsfahrbahn Eisenach – Dres- räumliche Abspannungen der Jochsegmen-
den, eingesetzte Lehrgerüst (Bild 9.1.1‑8) te untereinander sowie Abspannungen
bestand aus 29, im Abstand vom 5 m ange- südlich und zwischen der Gerüstachse in
ordneten Stützjochen. 12 hölzerne Rund- den Tal- und Hangbereichen sorgten für
stützen ∅ 28 bis ∅ 32 waren jeweils mittels eine ausreichende Stabilität dieses Gerüsts.
Stahlprofilen zu einem 7 m langen Jochseg- Bild 9.1.1‑7b zeigt ein Bogenlehrgerüst
ment zusammengefasst. Mit den Scha- in der Form eines Lastturmgerüsts. Analog
9.1 Betonbrücken 803

dem Lastabtragungsprinzip bei Platten- teiligen, einzelligen Kastenquerschnitt in


und Balkenbrücken leiten Biegeträger die Stahlverbundbauweise geführt. Der 8,80 m
Lasten aus der Schalung an Lasttürme ab. breite Betonbogen hat einen zweizelligen
Die als Teil des Verkehrsprojektes Deut- Kastenquerschnitt von 3,25 m Höhe an den
sche Einheit Nr. 16 errichtete Thüringer Kämpfern, die in Längsrichtung linear zum
Waldautobahn A 71 Erfurt – Schweinfurt Scheitel auf 2,00 m abnimmt. Die Steg- und
kreuzt in der Nähe von Suhl das Tal des Alb- Gurtdicken betragen 30 cm. Der Bogen ist
rechtsgrabens mit einem Wasserlauf und nach einer quadratischen Parabel geformt
einer Landstraße und wird mit einer 770 m und folgt im Grundriss einem Kreisbogen
langen Talbrücke überführt [Becker/Mar- mit einem Radius R = 3000 m.
tin, 2002]. Das 14-feldrige Brückentragwerk Zur Herstellung des Betonbogens wurde
mit Stützweiten von 45 bis 70 m weist im ein stählernes Lastturmgerüst gewählt, das
mittleren Drittel einen Betonbogen auf aus 7 Fachwerktürmen, Fuß- und Jochträ-
(Bild 9.1.1‑9). Mit einer Stützweite von gern sowie Gerüstträgern aus Fachwerk-
167,35 m und einer Scheitelhöhe von rd. konstruktionen und Walzprofilen bestand
75 m ist dieses Tragwerk Deutschlands (Bild 9.1.1‑11). Die Länge des Bogens von
höchster Stahlbetonbogen, der auf einem 216,20 m war in 20 Betonierabschnitten à
bodengestützten Lehrgerüst gefertigt wur­de 10 m, zwei Kämpferabschnitte von 5,40 m
(Bild 9.1.1‑10). Die beiden Richtungsfahr- und 5,80 m Länge sowie ein 5 m langes
bahnen (RQ 26) werden auf einem ein­ Schlussstück geteilt. Der Aufbau des Lehr-

Bild 9.1.1-9   Tragsystem der Talbrücke Albrechtsgraben nach [Becker/Martin, 2002]

Bild 9.1.1-10   Talbrücke Albrechtsgraben – Herstellung des Bogens auf einem bodengestützten


Lehrgerüst
804 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

hergestellten und erhärteten Bogenab-


schnitten angespannt wurden. Das Lehrge-
rüst und die betonierten Bogenabschnitte
bildeten somit eine Einheit. Die Gerüsttür-
me brauchten daher weder in der Längs-
noch in der Querrichtung gegen auftretende
Horizontalkräfte abgespannt zu werden. Le-
diglich die ersten Lehrgerüstfelder im Be-
Bild 9.1.1-11   Talbrücke Albrechtsgraben – Trag­ reich der Kämpfer wurden mit 4 Spannglie-
gerüst und Bogenabschnitte nach [Becker/Mar- dern ∅ 36 mm an die Kämpferfundamente
tin, 2002] angespannt. Diese Verfahrensweise, mit der
Bogenherstellung bereits zu beginnen, bevor
gerüsts und die Herstellung des Bogens er- das Lehrgerüst im Ganzen fertiggestellt war,
folgte gleichzeitig in den vorgegebenen Ab- hatte die Vorteile, dass die Bauzeit erheblich
schnitten (Bild 9.1.1‑12). Das Gerüst über- verkürzt wurde, ein kontinuierlicher Ar-
nahm die Betonlasten und der Beton diente beitsablauf für die Gerüst- und Betonbauer
der Aussteifung des Gerüsts, indem die ein- gewährleistet war und sowohl die Scha-
zelnen Lehrgerüstabschnitte an den bereits lungsanlieferung als auch die Schalungsend-

Bild 9.1.1-12   Talbrücke Albrechtsgraben – Traggerüst- und Bogenherstellung nach [Becker/Martin,


2002]

Bild 9.1.1-13   Talbrücke Albrechtsgraben – Lehrgerüstträger mit aufgebauter Überhöhung nach


[Becker/Martin, 2002]
9.1 Betonbrücken 805

montage in kleineren Einheiten unmittelbar testen gespannte Eisenbahnbetonbogen-


vor dem Arbeitseinsatz erfolgen konnte. Auf brücke Europas sein [Stritzke, 2008].
die Rüstträger waren entsprechend der Para- Die Weiterentwicklung der Pfosten- und
belform und der notwendigen Lehrgerüst­ Lastturmgerüste führte zu freitragenden Bo-
erhöhung ausgebil­dete Holzkonstruktionen genlehrgerüsten (Bild 9.1.1‑7d). Als Beispiel
(Bild 9.1.1‑13) montiert. Feldweise wurden sei der Bau des freitragenden Lehrgerüsts für
die Rüstträger mittels Turmdrehkran auf die den 60 m weit gespannten Bogen der Ra­
Jochträger aufgelegt. Zur Demontage des digundengrabenbrücke ([Preinfalck, 1964],
Lehrgerüsts wurde dieses um ca. 9 m quer- [Scheer, 1965]) genannt. Mit Bauelementen
verschoben, um anschließend die einzelnen der Rüstträgerbauweise lassen sich vor allem
Gerüsteinheiten mit 2 Turmdrehkranen de- kleinere Bogenstützweiten wirtschaftlich
montieren zu können. Seit 2007 wird im einrüsten. Bild 9.1.1‑14 zeigt das freitra­gende
Zuge der Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt Lehrgerüst für die Unterführung eines Wirt-
im thüringischen Landkreis Sonneberg die schaftswegs der Autobahn A 71 bei Ran­
1104 m lange Grümpentalbrücke mit einem ningen mit einer lichten Weite von 7 m.
270 m weit gespannten Bogen und einem
Bogenstich von 63 m errichtet. Der Bogen
wird abschnittsweise auf einem Lehrgerüst 9.1.1.4 Bogenlehrgerüst Bauart Cruciani
auf Hilfspfeilern aus Stahlbeton betoniert.
Die Grümpentalbrücke wird nach ihrer Francesco Aigner
Fertigstellung im Jahr 2009 die am wei- und Thomas Petraschek

9.1.1.4.1 Entwicklung des Cruciani-Lehrgerüsts

In den Jahren 1950–1955, also in einer Zeit


vergleichsweise hoher Material- und niede-
rer Lohnkosten, wurde in Italien ein freitra-
gendes Holzlehrgerüst entwickelt, das sich
sehr gut zur Herstellung massiver Bogen
eignet. Darüber wurde in [Friedrich, 1956]
in deutscher Sprache berichtet. Damit wur-
de eine technisch und wirtschaftlich interes-
sante Alternative zu den damals üblichen
Baumethoden der Einrüstung des Bogens
von unten bzw. der Bauweise Melan (Einbe-
tonieren eines steifen Stahlgerüsts) geschaf-
fen. In seiner ursprünglichen Form wurde es
für Bogen bis 100 m Stützweite verwendet.
Etwa ab dem Jahr 1960 wurde in Österreich
das Cruciani-Lehrgerüst laufend weiterent-
wickelt mit dem Ziel, größere Stützweiten
und größere Steifigkeiten zu erzielen sowie
die Montage zu vereinfachen. Hauptsächlich
in Österreich wurden mit diesem System
nahezu 100 Bogen mit Stützweiten zwischen
Bild 9.1.1-14   Freitragendes Lehrgerüst für die 25 und 200 m her­gestellt, siehe [Aigner,
Unterführung eines Wirtschaftswegs der Auto- 1968 – 1], [Aigner, 1968 – 2], [Pauser, 1987]
bahn A 71 bei Ranningen und [Aigner, 1990]. Trotz gravierender Ver-
806 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.1-15   Bauzustände bei der Lehrgerüstmontage


[Bildarchiv ÖBB]

Bild 9.1.1-16   Betonieren der Bodenplatte (li.), betonieren der Stege und der Deckplatte (re.) [Bild-
archiv ÖBB]

schiebung von Material- zu Lohnkosten und 9.1.1-16 zeigen einige Bauzustände an


konnte sich diese Bauweise gegenüber den der im Jahr 1971 fertiggestellten Pfaffen-
mittlerweile neu aufgekommenen Metho- bergbrücke mit 200 m weit gespanntem
den des Freivorbaus bzw. des Einklappens Bogen auf der ÖBB-Tauernbahn. In der
der beiden mittels Kletterschalung stehend klassischen Bauform werden die Gerüstteile
hergestellten Bogenhälften um provisori­ mit Kabelkranen montiert. Das linke Bild
sche Kämpfergelenke im freien Wettbewerb 9.1.1‑15 zeigt ein abgebundenes Binder­
vielfach durchsetzen. Die Bilder 9.1.1‑15 element und Kabelkrannadeln, das rechte
9.1 Betonbrücken 807

Bild 9.1.1-17   Lehrgerüst der Tillachergrabenbrücke – Österreich, 1998

Bild 9.1.1‑15 den Scheitelschluss in der Bin- Erzielung der planmäßigen Bogenform ein
derebene bei der Lehrgerüstmontage. Höhenausgleich notwendig (Korrektur des
Bei neueren Entwicklungen wird auf die vorhandenen Verlaufes der Binderoberkan-
Verwendung von Kabelkranen verzichtet ten), ist dieser sehr einfach zu bewerkstelli-
und der Einbau des Lehrgerüsts erfolgt durch gen. Durch gezielte Wahl der Betonierfolgen
Einklappen der über den Bogenwiderlagern am Querschnitt und gegebenenfalls Aktivie-
stehend aufgebauten Gerüsthälften um ein rung des Verbunds zwischen Holz und Be-
einfaches Bolzengelenk an den Kämpfern, ton wird das Lehrgerüst progressiv ausge-
Bild 9.1.1‑17. Erfahrungen mit Bogen bis ca. steift. Das erlaubt vor allem bei sehr weit
120 m Spannweite liegen bereits vor. gespannten Bogen mit großen Querschnit-
ten eine äußerst sparsame Dimensionierung
der Lehrgerüste, z. B. für nur 10–20% ­der
9.1.1.4.2 Charakteristische Eigenschaften ­Bo­geneigenlast. Ein Nachteil des be­schrie­
benen Systems ist das zeitaufwendige
Das Gerüst ist freitragend, es benötigt weder ­Spannen der Spannschlösser, s. u. Vor der
Rüsttürme noch aufwendige Fun­dierungen, Lastaufbringung muss kontrolliert werden,
sondern nur eine einfache Abstützkonstruk- ob diese hinreichend vorgespannt sind. Ver-
tion an den Bogenkämpfern (erkennbar in geht eine längere Zeit zwischen Aufstellen
Bild 9.1.1‑17). Der Talboden wird von den und Belastung des Gerüstes, muss unter
Baumaßnahmen überhaupt nicht berührt. Umständen nachgespannt werden. Durch
Es gibt keine festen Ver­bindungen, alle Teile die Verwendung von (teurerem) getrockne-
sind zerlegbar und können mehrmals ein­ tem Holz werden die Spannverluste vermin-
gesetzt werden. Die Ober­kanten der Fach- dert. Das Lehrgerüst und dessen Zusam-
werkbinder verlaufen krummlinig: Ist zur menwirken mit dem Betonbogen ist zu-
808 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

nächst statisch zu berechnen. Besonders 9.1.1.4.3 Konstruktionselemente, Montage:


wichtig ist darüber hinaus die genaue Beob-
achtung des Verformungsverhaltens des Die Bilder 9.1.1‑18 und 9.1.1-19 zeigen­
Lehrgerüsts während des Betoniervorgangs. die Konstruktionselemente der Fach­werk­
Wie bei den anderen modernen Verfahren bin­der.
der Bogenherstellung (Freivorbau, Einklap- Die Gurte bestehen aus sägerauen Fich-
pen) müssen auch hier vor Herstellung des tenholzbrettern 25/5 mit ca. 4 m Länge. Die
Bogens die Vorlandbrücken bis zu den Diagonalen sind Kanthölzer 25/10 (in Be-
Kämpfern vorhanden sein. reichen großer Querkräfte bis 25/20) aus

Bild 9.1.1-18   Schematische Darstellung eines Cruciani-Binders

Bild 9.1.1-19   Lehrgerüstelemente
9.1 Betonbrücken 809

Fichtenholz, die mittels Rundstahlschließen ­ iagonalen und Gurte auf die bereits ein­
D
D = 18 mm aus S355 auf ca. 40 kN vorge- gebauten Binder hergestellt. Beispielsweise
spannt werden (Stahlspannung +100 N/ wurde die o. g. Pfaffenbergbrücke (L =
mm², Holzspannung –1,6 N/mm²), wo- 200 m, B = 10 m) mit einem dreistöckigen
durch die Diagonalen insgesamt in der Lage Lehrgerüst mit fünf Binder­ebenen einge-
sind, Zug- und Druckkräfte aufzunehmen. rüstet, linkes Bild 9.1.1‑16. Die Binder wer-
Außerdem werden durch das Vorspannen den mit liegenden sowie, in Abständen von
der Schließen mittels Spannschlössern die ca. 4 m, mit radialen Rohrverbänden räum-
lose eingelegten Diagonalen über Doppel- lich ausgesteift, Bilder 9.1.1‑15, 9.1.1-16 und
keile aus Pappelholz (fasert nicht!) an die 9.1.1‑20, und zur Aufnahme der Windkräf-
Gurte gedrückt, wodurch die Gurtbretter te und zur Gesamtstabilisierung seitlich alle
zusammengedrückt werden und kein Rut- 8 m mittels Drahtseilen abgespannt, Bilder
schen zwischen den Brettern eintritt. Daher 9.1.1‑16 und 9.1.1‑17. Die Verbandstäbe
können die Gurte als Vollquerschnitte be- sind an Lochleisten an­geschlossen (recht­
trachtet werden. Der lichte Abstand zwi- eckige Stahl-Hohlpro­file mit Lochreihen),
schen den Gurten beträgt 118 cm, der die zudem als Distanzhalter zwischen den
Abstand der Doppelkeile untereinander Einzelbindern wirken.
200 cm. Die Bretter werden in der Regel Bei der Montage ist zu unterscheiden, ob
vorgekrümmt, Bild 9.1.1‑19. Bei rein elasti- das Lehrgerüst mittels Kabelkran oder
scher Betrachtung entstehen dadurch bei durch Einklappen aufgestellt wird. Wird
den üblichen Abmessungen in den Brettern das Lehrgerüst mittels Kabelkran montiert,
Biegespannungen von ca. 16–18 N/mm². Bild 9.1.1‑15, werden zunächst die Einzel-
Tatsächlich konnte experimentell nachge- binder in möglichst großen Längen, wenn
wiesen werden, dass diese Biegespannun- möglich vom Kämpfer bis zum Scheitel, auf
gen für die Traglast bedeutungslos sind, einem Abbindeplatz in der vorgesehenen
was in [Friedrich, 1956] mit einer Span- Form zu ein- oder zweistöckigen Einzelbin-
nungsumlagerung innerhalb der Gurtquer- dern abgebunden. Diese bis zu 65 m langen
schnitte durch Gleitbewegungen der Holz- Elemente werden mit Hilfe des Kabelkrans
fasern begründet wird. Die Auswirkung der gehoben, planmäßig versetzt, mittels Hilfs-
konstruktiv bedingten Ausmitten der Dia- tragseilen gesichert, seitlich abgespannt
gonalen gegenüber den theoretischen Sys- und gegebenenfalls auf die Vorlandbrücken
temknoten wurde theoretisch und experi- zurückgespannt. Zuletzt werden die Ver-
mentell untersucht: Für die übliche stützli- bände zwischen den einzelnen Bindern ein-
niennahe Bogenform (Abschnitt 5.4.2) ist gebaut. Die Herstellung eines Lehrgerüsts
der dadurch gegebene Abfall der Tragfä- für einen 180 m weit gespannten, 9 m brei-
higkeit unbedeutend. ten Bogen für eine Autobahnbrücke ist in
Grundform ist der einstöckige Fach- [Aigner, 1968 – 2] im Detail beschrieben.
werkbinder, der bis zu einer Stützweite von Wird das Lehrgerüst durch Einklappen der
60 (75) m eingesetzt werden kann. Je nach beiden Lehrgerüsthälften hergestellt, wer-
Bogenbreite werden mehrere Einzelbinder den wiederum die Einzelbinder in mög-
mit lichten Quer­abständen zwischen lichst großen Längen auf einem Abbinde-
2,0 und 3,30 m angeordnet. Für größere platz abgebunden (Bild 9.1.1-19). Diese
Stützweiten als ca. 60–80 m kommen Elemente werden nun in die vertikale Lage
mehrstöckige Binder in Frage, wobei für je gebracht und unterstützt bzw. aufgebockt.
ca. 60 m Bogenstütz­weite ein „Stockwerk“ Nun werden sämtliche Verbände eingebaut.
benötigt wird. Die zusätzlichen Stockwerke Zum Versetzen des Lehrgerüsts werden die
werden durch das Aufzimmern weiterer beiden Lehrgerüsthälften zunächst in Län-
810 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

230 m langen und 10 m breiten Bogen mit


5 · 4 = 20 Gurten 0,25/0,45 etwa 35 000 bis
40 000 Mannstunden.

9.1.1.4.5 Betonieren des Bogens

Das leichte, relativ weiche Gerüst lässt sich


durch sukzessiven Aufbau des Bogenquer-
schnitts und gegebenenfalls durch Aktivie-
rung der Verbundwirkung zwischen dem
Lehrgerüst und den bereits betonierten Quer­
schnittsteilen optimal ausnützen. Nach Er-
härten der Bodenplatte des Kastens liegt ein
neues, sehr steifes, aus dem Lehrgerüst und
der Bodenplatte bestehendes Tragsystem vor.
Die weiteren Betonierlasten werden haupt-
sächlich von den bereits erhärteten Teilen des
Betonbogens aufgenommen, wobei das
Lehrgerüst ein Ausknicken der Bodenplatte
verhindert. Bild 9.1.1‑21 zeigt ein Beispiel für
einen zweizelligen Kastenquerschnitt.

Bild 9.1.1-20   Lehrgerüst mit liegenden und


radialen Verbänden

gen geschnitten, die sich vom vorhandenen


Hebezeug versetzen lassen (Gewicht!). Die-
se Einzelteile werden mittels Mobilkran
über den Bogenkämpfern stehend aufge-
baut, mittels Reibverbindungen wieder zu-
sammengefügt, abgespannt und schließlich
eingeklappt und im Scheitel miteinander
verbunden. Auf den Obergurten der Rüst-
binder werden für den Höhenausgleich
Kanthölzer angeordnet, auf diesen wird die
Schalung befestigt (gehobelte Bretter).

9.1.1.4.4 Arbeitsfortschritt

Als Faustregel für den Arbeitsfortschritt


(Abbinden, Zusammenbau, Montage, Hö-
henausgleich, Abbau) kann gelten: 70–75
Mannstunden pro m³ Gurtholz. Bei der Bild 9.1.1-21   Sukzessiver Aufbau eines Kas­
Pfaffenbergbrücke ergeben sich für den tenquerschnitts
9.1 Betonbrücken

Bild 9.1.1-22   Erste Nößlachbrücke – Österreichische Brennerautobahn, 1968: Betonierfolge und Biegelinien [Aigner, 1968 – 2]
811
812 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

In den Kämpferbereichen können schon reits betonierten Teilen bestehenden Ver-


zu Beginn die Stege auf ca. 4–8 m hochge- bundsystems zu bestimmen. Vor allem zu
zogen werden, um konstruktiv eine Ein- Beginn des Betoniervorgangs reagiert das
spannung des Lehrgerüsts an den Kämp- Lehrgerüst empfindlich auf die aufgebrach-
fern zu erreichen. Die Betonierfolge in Brü- ten Lasten. Bild 9.1.1‑22 zeigt eine typische
ckenlängsrichtung lässt sich nur annähernd Betonierfolge und die gemessenen Biegeli-
im voraus festlegen. Der genaue Betonier- nien. Wesentlich ist die streng symmetri-
ablauf ist durch laufende Messungen des sche Lastaufbringung (Toleranz: maximal
Verformungsverhaltens des Lehrgerüsts 15 kN Beton).
bzw. des aus dem Lehrgerüst und den be-

Tabelle 9.1.1-1 Mit frei tragendem Cruciani-Lehrgerüst hergestellte Bogenbrücken


Name Verkehrsweg LBogen Lgesamt B f h Jahr

Mitterbach­ Straße 30 55 9,8 6,6 8 1963


brücke
Augarten­ Straße 54 65 18,5 6,7 8 1977
brücke Graz
Wandau­brücke Straße 70 150 10 14,8 20 1989
Kenlach- Eisenbahn 76 185 2 · 5,85 22 45 2001
grabenbrücke
Sonnenburg- Autobahn 97 182 2 · 13,25 22 80 1961
brücke
Innere Nöß- Autobahn 110 184 24 23,7 80 1968
lachbrücke
Fritzbachtal- Straße 117 274 15,5 30 60 1982
brücke
Murbrücke Schnell­straße 143 610 2 · 14 47,5 50 1976
Grünhübl
Äußere Nöß- Autobahn 180 342 24 45 85 1968
lachbrücke
Pfaffenberg­ Eisenbahn 200 377 10 50 100 1971
brücke
Falkenstein­ Eisenbahn 120/150 396 10 36,8/46 90 1973
brücke
LBogen … Kämpferabstand (Ordnungskriterium)
Lgesamt … Gesamtlänge der Brücke (Lagerachsen)
B … Fahrbahnbreite (Außenkante Randbalken)
f … Stich
h … Höhe über dem Talboden bzw. Fluß
Jahr … Jahr der Fertigstellung
9.1 Betonbrücken 813

9.1.1.4.6 Ausrüsten des Bogens Entwurfskonzept für das Vorschubgerüst


und für die mit ihm gebaute Brücke, die
Das Ausbauen des unter großen Druck- Eignung der Rüstung für verschiedenarti-
kräften stehenden Lehrgerüsts kann entwe- gen Einsatz (verschiedene Spannweiten,
der durch Absenken oder durch Herbei- Brückenbreiten, Querschnittsformen, ge-
führung einer kinematischen Kette (He­ rade und gekrümmte Brückenzüge), dazu
rausschlagen einer Diagonalen) erfolgen. aber auch eine kontinuierliche, auf die
Wurde die Bodenplatte mit dem Lehrgerüst vorhandenen Kapazitäten Rücksicht neh-
zur Aktivierung des Verbunds schubfest mende zentrale Planung und nach Mög-
verbunden, so sind zunächst die Verbund- lichkeit die Zusammenfassung von Bau-
elemente zu lösen. Um unkontrollierte Ver- aufgaben zu großen Baulosen sind die
formungen bzw. ein Herabfallen des Lehr- Voraussetzungen für den Erfolg dieser
gerüsts zu vermeiden, wird dieses proviso- Bauverfahren.
risch mit dem Bogen verbunden. Trotz der erhöhten wirtschaftlichen Risi-
ken hat sich das Bauen mit Vorschubgerüs-
ten im In- und Ausland durchgesetzt und
9.1.1.4.7 Bauwerke dem Brückenbau neue Impulse gegeben.
Die Gründe dafür sind die Unabhängigkeit
Die Tabelle 9.1.1-1 enthält eine Auswahl des freitragenden Gerüsts vom Gelände, die
von Bogenbrücken, die mit dem beschrie- hohe, mit anderen Ortbetonverfahren nicht
benen freitragenden Lehrgerüst hergestellt erreichte Baugeschwindigkeit, die Einspa-
wurden. rung an Lohnkosten (die insbesondere durch
Mechanisierung der Schalungsarbeiten er-
zielt wird) und die Möglichkeit, „vor Kopf “
9.1.2 Herstellung auf Vorschubrüstung zu arbeiten. Vor allem aber basiert der Erfolg
der Vorschubgerüste auf der hohen Ausfüh-
Jürgen Stritzke rungsqualität, die damit erzielt werden kann.
Das Vorschubgerüst ist eine auf die Baustelle
Die durch den Autobahnbau bedingte Stei- gerückte Fabrikationshalle, die den Vorteil
gerung des Bedarfs an langen Talbrücken einer serienmäßigen Herstellung, der sonst
führte dazu, das beim Freivorbau (siehe nur im Fertigteilbau gegeben ist, mit den
Abschnitt 9.1.3) verwendete Prinzip der größeren Formgebungsmöglichkeiten der
abschnittsweisen, vom Gelände unabhän- Ortbetonbauweise verbindet.
gigen Herstellung von Brücken zu der Bau-
methode des feldweisen Betonierens mit
freitragenden, stählernen Vorschubrüs- 9.1.2.1 Feldweise Herstellung
tungen weiterzuentwickeln. Es entstanden auf freitragender Vorschubrüstung –
sehr unterschiedliche Konzepte: Gerüste, Rüstträger unter dem Überbau
die unter dem Überbau liegen, und solche,
deren Hauptträger auf der Brücke stehen, Die Abhängigkeiten zwischen Herstel-
einfache Träger mit geringem Bedienungs- lungsverfahren, Überbauquerschnitt und
komfort und aufwendige Gerüstmaschi- Unterbauten werden insbesondere beim
nen, bei denen jeder Handgriff mechani- Einsatz einer längsverschieblichen Rüs-
siert ist. Nicht immer konnten die in diese tung deutlich. Nicht nur bei großen Höhen
Vorschubrüstungen gesetzten Erwartun- über dem Gelände (ab 15 m) nutzt man
gen voll erfüllt und eine mehrmalige Ver- bereits fertiggestellte Abschnitte des Über-
wendung erreicht werden. Das optimale baus und die Unterbauten zur Abstützung
814 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.2-1   Feldweise Herstellung über mehrere Felder durchlaufender Spannbetonbrücken


mittels freitragender, unter dem Überbau laufender Vorschubrüstung

einer längsverschieblichen Vorschubrü- tung am bereits gefertigten Überbauab-


stung (Bild 9.1.2-1). schnitt hängt, am Rüstträger vorge­­fahren
Auch für lange Talbrücken in unebenem und am Pfeiler beiderseitig angespannt.
Gelände und für Hangbrücken im Zuge Über diese Konsolen gibt die Vorschubrüs-
von Verkehrswegen entlang Gebirgshängen tung ihre Lasten während des Verrollvor-
(z. B. [Gass, 1960], [Bänziger, 1980]) mit gangs an die Brückenpfeiler ab. Zwischen
Stützweiten bis etwa 65 m wurden freitra- den Rüstträgern und den Kon­solen sind
gende stählerne Rüstträger entwickelt, die Gleitstühle angeordnet, die ein Heben und
unter dem Überbau verschoben werden. Die Senken der Rüstträger mittels hydraulischer
Länge der Rüstträger beträgt zwei Feldlän- Pressen ermöglichen (Bild 9.1.2-2).
gen. Das eigentliche Schalgerüst ist auf die Während der jeweils betonierte Bauab-
Rüstträger aufmontiert und hat einfache schnitt vorgespannt wird, erfolgt das Ab-
Feldlänge. Auflagerpunkte der Rüstträger in senken der Rüstträger. Damit werden die
Betonierstellung sind die Aufhängungen an Steg- und Fahrbahnplattenschalung frei­
Verankerungsträgern an der Koppelfuge gesetzt, und die Bodenschalung wird ab­
und die Pfeilerkonsolen am vorderen Pfeiler. geklappt. In diesem Zustand erfolgt ein
Diese Pfeilerkonsolen sind fester Bestandteil Teilvorschub der Vorschubrüstung soweit,
der Vorschubrüstung und werden in einem dass der Verbindungsrahmen (Querträ-
Zwischenzustand, in dem die gesamte Rüs- ger) den nächsten Pfeiler erreicht und

Bild 9.1.2-2   Überbauquerschnitt mit Lage der Rüstträger und Schalung einer stählernen Vorschub­
rüstung
9.1 Betonbrücken 815

durch Ablassen der Rüstung sich der Quer- die nächste Betonierstellung verschoben
träger auf den Pfeilerkopf absetzt. Dabei und die Schalung in die entsprechende
gleitet die Vorschubrüstung vorn auf den ­Position eingefahren und ausgerichtet
Konsolen über Gleitlager, während das werden.
hintere Ende der Rüstung an einem auf der An Stelle von stählernen, an den Pfeiler-
bereits erhärteten Fahrbahnplatte laufen- köpfen angespannten Konsolen werden
den Oberwagen angehängt ist. Nunmehr auch stählerne Querträger verwendet, die
können die Konsolenverankerun­gen am auf Durchsteckträgern in den Pfeilern ru-
Pfeiler gelöst und die Konsolen zum nächs- hen (Bild 9.1.2-3).
ten Pfeiler verschoben und verankert wer- Die Herstellung des Überbaus der Etzels­
den. Danach kann das Vorschubgerüst in bachtalbrücke im Zuge der Autobahn A38

Bild 9.1.2-3   Theistalbrücke – Stählerne Querträger, die auf Durchsteck-


trägern lagern, als Auflager für die Vorschubrüstung

Bild 9.1.2-4   Vorschubrüstung der Talbrücke über den Etzelsbach


816 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Göttingen – Halle – Leipzig mit maximalen rahmen auf den Rüstträgern unterstützen
Stützweiten von 62 m erfolgte feldweise auf die auskragenden Fahrbahnplatten des
einem 700 t schweren Vorschubgerüst mit Überbaus. In Betonierstellung erfolgt die
einer Gesamtlänge von 128 m. Das unter Auflagerung der Vorschubrüstung vorn auf
dem Überbau laufende Vorschubgerüst dem Brückenpfeiler. Der Rüst- und Vor-
(Bild 9.1.2-4) besteht aus zwei stählernen bauträger ist direkt auf dem Pfeiler gelagert,
Fachwerkträgern mit einer Bauhöhe von die seitlichen Rüstträger mittels Stahlkon-
4 m [Vorschubgerüst, 2001]. Um die Bean- solen. Hinten hängen die Hauptträger an
spruchung des Überbaus infolge der ange- einem sog. Kranwagen des zuletzt fertigge-
hängten Lasten aus Vorschubrüstung und stellten Überbauabschnitts.
Beton zu vermindern, wurden die Anhän- Das Umsetzen der Vorschubrüstung in
gelasten mit Hilfe von Spanngliedern über die nächste Betonierstellung geschieht in
eine längsverfahrbare Pylonkonstruktion zwei Phasen:
in die Pfeiler geleitet. Nach dem Erhärten und Vorspannen
Bild 9.1.2-5 zeigt eine Vorschubrüstung des Tragwerks wird die gesamte Rüstung
mit untenliegenden Hauptträgern, die nach gleichmäßig hydraulisch abgesenkt, und
dem Rechenschieberprinzip arbeitet. Die die ­Bodenplatten zwischen den Hauptträ-
Konstruktion besteht aus einzelligen stäh- gern werden abgeklappt. Der vordere
lernen Kästen. Die äußeren, seitlich neben Kranwagen, der nur dem Vortransport der
den Pfeilern vorbeifahrenden Träger sind Rüstträger dient, unterstützt den Verbin-
Rüstträger, durch Querrahmen miteinan- dungsrahmen in der Mitte und übernimmt
der verbunden und haben etwa die Länge die Eigenlast der Rüstträger einschließlich
der Brückenstützweite. Der mittlere Träger Schalungskonstruktion.
(die Rechenstabzunge) liegt mittig auf den Am hinteren Kranwagen, der als Anhän-
Pfeilern zwischen den Lagern und ist etwas getraverse für die Hauptträger in Betonier-
länger als zwei Feldweiten. Er hat als Rüst- stellung und für den Vortransport der Rüst­
und Vorbauträger eine Doppelfunktion: Im träger dient, werden nach dem Absenken
Betonierbereich trägt er die Schalung und und der Übernahme der Rüstträgerlast
dient beim Verrollen nach Vorstrecken durch den vorderen Kranwagen die Beto-
zum nächsten Pfeiler als Fahrbahn für die nieranhängungen ausgebaut. Die Rüstträger
äußeren Rüstträger. Klappbare Bodenplat- hängen an außerhalb des Brückenquer-
ten verbinden die drei Hauptträger und schnitts liegenden Zuggliedern. Rüstträger
bilden zusammen mit den Trägern den un- und Vorbauträger sind für das Vorfahren
teren Schalungsboden (Bild 9.1.2-6). Schal- getrennt.

Bild 9.1.2-5   Vorschubrüstung System Rechenstab, Vorfahren des Rüst- und Vorbauträgers


9.1 Betonbrücken

Bild 9.1.2-6   Freitragende Vorschubrüstung System Rechenstab mit Plattenbalkenquerschnitt ohne Querträger nach [Kotulla/Wilhelm,
1978]
817
818 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Zuerst werden die beiden Rüstträger mit schnittsform des Überbaus beeinflussen in
den Kranwagen vorgefahren. Der vordere besonderem Maße die Gesamtmasse der
Kranwagen fährt auf dem Vorbauträger, der Vorschubrüstung und damit die Investiti-
hintere auf einem Gleis, das auf dem Über- onskosten. Man hat daher verschiedene
bau liegt. Die Auflagerkonsolen fahren mit Vorschubrüstungen für bestimmte Stütz­
vor; sie können von den Rüstträgern aus weitenbereiche entwickelt [Kotulla/Wil-
ausgebaut und nach Erreichen der neuen helm, 1978]. Es ist unwirtschaftlich, große
Arbeitsstellung wieder an dem Pfeiler ein- Rüstungen bei Brücken mit kleinen Stütz­
gebaut werden. weiten einzusetzen, selbst wenn es möglich
In der zweiten Phase wird der Rüst- und ist, die Rüstträger in der Länge den vorhan-
Vorbauträger umgesetzt. Er ist mit einem denen Stützweiten anzupassen. Die Kosten
eigenen Antrieb versehen und rollt über für Transport, Montage, Umsetzen und De-
Traversen, die in Ausnehmungen an den montage bilden einen hohen Grundbetrag,
Pfeilerköpfen lagern. Nach dem Verlassen der nicht durch betriebliche Rationalisie-
der hinteren Traversen werden diese aufge- rung abgebaut werden kann.
nommen, durch den Träger nach vorn ge- Nachteilig kann sich die relativ große
fahren und beim Erreichen des nächsten Bauhöhe der stählernen Vorbaurüstung im
Pfeilers dort versetzt. Das Einrichten der Hinblick auf die Freihaltung des Lichtraums
Rüstung nach dem Vorfahren für die neue unter dem Überbau auswirken, wenn zu
Betonierstellung geschieht in umgekehrter unterführende Verkehrswege freizuhalten
Reihenfolge wie zuvor beschrieben. sind und keine ausreichende Höhe zur Ver-
Die Vorteile einer freitragenden Vor- fügung steht. Die geringsten Lichtraumein-
schubrüstung liegen darin, dass die feldwei- schränkungen erzielt man dann noch durch
se Herstellung mit außerordentlich kurzen Anwendung eines zweistegigen Plattenbal-
Taktzeiten und sehr wenigen Arbeitskräf- kens ohne Querträger als Überbauquer-
ten erfolgen kann. Es sind keine Zwischen- schnitt und Einsatz einer Vorschubrüstung
unterstützungen erforderlich, und das Ver- nach dem Rechenschieberprinzip, da hier
fahren ist völlig geländeunabhängig. Bei die Rüstträgerebene unmittelbar unter der
der Planung einer Vorschubrüstung, die Fahrbahnplatte liegt (Bild 9.1.2-6). Im Ge-
ihrer Aufgabe entsprechend ein Großgerät gensatz dazu befindet sich bei dem in
darstellt, sind eingehende Überlegungen Bild 9.1.2-1 dargestellten Prinzip die Rüst-
über den gewünschten und technisch mög- trägerebene ausschließlich unter der Trag-
lichen Variationsbereich anzustellen. Die werkskonstruktion. Damit wird wiederum
Amortisation der hohen Investitionskosten die Ausführung von Plattenbalkentragwer-
kann nur erreicht werden, wenn die Vor- ken mit Querträgern möglich.
schubrüstung weitestgehend anpassungs­ Autobahnbrücken bestehen i. d. R. aus
fähig ist. Sie soll ohne wesentliche Umbau- zwei getrennten Überbauten, deren Herstel-
ten sowohl bei verschiedenen Stützweiten lung zweckmäßig in Hin- und Rückfahrt der
eingesetzt werden können als auch Verän- Vorschubrüstung erfolgt. Bei dem in Bild
derungen in der Querschnittsgestaltung 9.1.2-1 beschriebenen Verfahren, bei dem
ermöglichen. Die betriebstechnische und jeder Rüstträger als Vorbauträger benutzt
maschinelle Ausstattung sollte so vorgege- wird, sind diese mit ihren Auslegern (Vor-
ben sein, dass beim Einsatz auf der Baustel- bauschnabel) symmetrisch ausgebildet. Vor
le eine sichere, einfache und wirtschaftli- Beginn der Rückfahrt ist hinter dem Wider-
che Handhabung gewährleistet ist. Der lager lediglich nur ein Querverschub erfor-
Stützweitenbereich der herzustellenden derlich. Beim Rechenschieberprinzip muss
Brücken, der Breitenbereich und die Quer- wegen der unsymmetrischen Ausbildung der
9.1 Betonbrücken 819

Vorschubrüstung dieselbe hinter dem Wi- getrennten, einzelligen Spannbetonkästen


derlager außerdem noch um 180 ° gedreht als Durchlaufträger über neun Felder mit
werden. Deshalb wird das Rechenschieber- den Stützweiten 48 m + 58 m + 60 m +
prinzip heute nicht mehr angewendet. 85 m + 100 m + 85 m + 60 m + 58 m + 48 m
Bei Kastenquerschnitten wird die Innen- wurde ebenfalls eine stählerne Vorschub-
schalung zweckmäßig als durchgehender rüstung eingesetzt. Der wirtschaftliche Ein-
Schalwagen ausgebildet, der zunächst im satz der Vorschubrüstung machte es erfor-
zuletzt betonierten Abschnitt verbleibt und derlich, dass in den drei großen Mittelfel-
erst nach Einbringen der Bewehrung für dern von 85 m + 100 m + 85 m mit verän-
die Bodenplatte und die Stege in den fol- derlichen Bauhöhen zwischen 3,50 m und
genden Abschnitt vorgezogen wird. Die 6,50 m Hilfsstützen angeordnet wurden
Stützquerträger können dann aber erst (Bild 9.1.2-7). Damit war der längste Bau-
nachträglich betoniert werden. abschnitt auf 62 m begrenzt. Trotz dieser
Bei der Talbrücke Trockau im Zuge der Begrenzung ergab sich eine Vorschubrüs-
Autobahn A9 [BÖGL/WALTER] mit zwei tung mit beachtlichen Ausmaßen. Die Ge-

a)

b)
Bild 9.1.2-7   Talbrücke Trockau – Vorschubrüstung unter Einsatz einer Hilfsstütze und eines
Hilfspylons a) Hilfsstütze in dem 100 m-Feld für Bauabschnitt 5 b) Zusätzlicher Hilfspylon für
Bauabschnitt 6
820 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

samtlänge einschließlich Vor- und Nach-


laufschnabel beträgt 128 m. Das 80 m lange
Haupttragwerk bestand aus Fachwerkträ-
gern mit einer Bauhöhe von 4,00 m. Die
Hilfspfeiler wurden zur Herstellung des
zweiten Überbaus quer verzogen. Die Bau-
abschnitte reichten über die Pfeiler bzw.
die Hilfsstützen zwischen 10 m und 14 m
hinaus. Der Trogquerschnitt und die Fahr-
bahnplatte eines jeden Überbaus wurden in
zwei getrennten Arbeitsgängen hergestellt.
Der Hilfspylon einschließlich der Abspan-
nung war zur Abdeckung des negativen
Moments über der Hilfsstütze erforder-
lich.
Ein wesentliches Merkmal der Talbrücke
Trockau ist die Vorspannung der Überbau-
ten in Längsrichtung mit ausschließlich ex-
ternen Spanngliedern SUSPA Draht-Ex
(Typ 66). Eine sinnvolle Aufteilung der
Spannglieder in durchlaufende, teilweise in
den Stützquerträgern überlappte Spannglie-
der (Bild 9.1.2-8) sowie Zulagespannglieder
in den Feld- und Stützenbereichen ermög-
licht die örtlich einzuleitenden Vorspann-
kräfte in beherrschbaren Größenordnungen
zu halten. Als durchlaufende Spannglieder
wurden für die Außenfelder vier Stück und
für die großen Innenfelder sechs Stück pro
Kastensteg gewählt. Insbesondere die Ver-
ankerungslisenen der Zulagespannglieder
über den Innenstützen wurden weitest­
gehend in den Eckbereichen Fahrbahnplat-
te – Stege angeordnet, um größere, örtliche
Krempelmomente zu vermeiden.

9.1.2.2 Feldweise Herstellung


auf freitragender Vorschubrüstung –
Rüstträger über dem Überbau

Über dem Überbau fahrende Vorschub­


gerüste sind als eine Weiterentwicklung des
beim Freivorbau verwendeten Vorbauwa-
Bild 9.1.2-8   Talbrücke Trockau – Teillängs- gens zu betrachten. Von dem über dem
schnitt des Überbaus mit Lage der externen, Tragwerk liegenden Hauptlängsträger kra-
durchlaufenden und Zulagespannglieder gen seitlich Querrahmen aus, die den Über-
9.1 Betonbrücken 821

Bild 9.1.2-9   Feldweise Herstellung der über mehrere Felder durchlaufenden Elztalbrücke mittels
freitragender Vorschubrüstung nach [Finsterwalder/Schambeck, 1966] – Rüstträger über dem Über-
bau laufend

bau klammerartig umschließen und an die Vorschubrüstung ohne Demontage des


die Schalung mit Zugstangen angehängt Schalgerüsts zu ermöglichen, wird unter
ist (Bild 9.1.2-9). Der Rüstträger steht in Be- Verwendung einer Drehplattform und eines
tonierstellung mit Stützböcken auf dem zu- Drehkreuzes die Vorschubrüstung über
letzt gefertigten Abschnitt und mittels einer dem letzten Zwischenpfeiler so gedreht,
besonderen Absetzkonstruktion auf dem dass ein Vorfahren zum entsprechenden
nächsten Pfeiler. Nach Fertigstellung eines Pfeiler des zweiten Brückenbauwerks mög-
Abschnitts kann er ohne zusätzliche Hilfs- lich ist [DYWIDAG 11].
maßnahmen durch Bedienung seiner Fahr- Vorschubgerüste, die oberhalb des Über-
werke jeweils um eine Feldlänge nach vorn baus angeordnet sind, vermeiden die schwe-
vorfahren. Die Schalung wird dabei auf ren Quertraversen, die bei den unterhalb
den unteren Querträgerarmen abgelegt. angeordneten Vorschubgerüsten erforder-
Durch die Form der Querrahmen eignet lich sind. Unter den hoch über dem Über-
sich dieses Vorschubgerüst vor allem für bau liegenden Rüstträgern kann der Mate-
Brücken mit einer Mittelstützenreihe und rialtransport ohne Behinderung erfolgen.
erlaubt dabei sehr verschiedenartige For- Wegen der praktisch unbeschränkt zur
men der Brückenquerschnitte, wie platten- Verfügung stehenden Bauhöhe oberhalb
artige Tragwerke, Plattenbalken oder Käs- der Brückenfahrbahn wird der Hauptlängs-
ten mit konstanter und veränderlicher Bau- träger meist als Fachwerk ausgebildet, das
höhe. bei relativ geringer Eigenlast große Stützwei-
Eine andere Form des über dem Überbau ten ermöglicht. Der Lichtraum unter der
laufenden Vorschubgerüsts wurde bei der Brücke wird dadurch nicht eingeschränkt,
Ahrtalbrücke [Majewski, 1966] gewählt. Bei und die Freihaltung von zu unterführenden
dem 175 m langen Gerüst mit einer Masse Verkehrswegen ist möglich.
von 2060 t bestehen die Hauptträger aus
Fachwerkträgern, die während des Betonier-
vorgangs auf dem Kragarm des zuletzt beto- 9.1.2.3 Vorschubrüstungen aus Spannbeton
nierten Überbauabschnitts und auf dem
nächsten Pfeilerkopf aufliegen. Die größte Im Gegensatz zu stählernen Vorschubrüs-
Spannweite der Ahrtalbrücke, die mit die- tungen aus Fachwerk- oder Vollwandträ-
sem Gerät hergestellt wurde, betrug 106 m. gern werden auch Vorschubrüstungen aus
Das Umsetzen der Vorschubrüstung bei Spannbeton ([Harries et al., 1994], [Martin/
mehrfeldrigen Brückentragwerken mit ge- Adlunger, 1988], [Keuser/Kremser, 1999])
trennten Überbauten wurde beim Bau der eingesetzt. Sie benötigen keine bewegli-
dritten Festlandbrücke in Lagos, Nigeria, chen Teile beim Vorbeifahren an den Pfei-
weiterentwickelt. Um ein Umsetzen der lern und Lagern, indem das Prinzip und
822 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

a) b)

Bild 9.1.2-10   Trogförmige Spannbeton-Vorschubrüstung nach [Harries et al., 1994] a) Betonier-


stellung b) Vorschub mit angehobenem Überbau

einzelne Bauteile des Taktschiebeverfah- trogförmig umschließen (Bild 9.1.2-10)


rens (siehe Abschnitt 9.1.4) verwendet oder sie liegt gänzlich unter der Überbau-
werden. Vorschubrüstungen aus Spannbe- unterkante und erhält ein Z-Profil
ton vermeiden hohe Investitionskosten für (Bild 9.1.2-11). Analog dem Taktschiebe-
eine ungewisse Anzahl von Einsätzen, La- verfahren wird man aus Gewichtsgründen
ger- und Transportkosten und Mietkosten an der vorderen Stirn­seite der Vorschub-
und können den individuellen Bedürfnis- rüstung einen stählernen Vorbauschnabel
sen des Bauwerks angepasst werden. Nach anspannen. Er ist eins der wenigen, wieder-
Fertigstellung des Brückenbauwerks wer- holt einzusetzenden Bauteile.
den sie wieder abgebrochen. Für den Einbau der oberen Verschiebe-
Es hat sich gezeigt, dass Vorschubrüs- lager zwischen Vorschubrüstung und beto-
tungen aus Spannbeton mit nur einmali- niertem Überbau müssen beide Tragwerke
gem Einsatz sehr kostengünstig und damit gegeneinander vertikal bewegt werden:
wettbewerbsfähig sind. Die großen Eigen- Entweder man hebt den Überbau und lässt
lasten solcher Vorschubrüstungen sind die Vorschubrüstung in ihrer Höhenlage
beim Vorschieben nicht von Bedeutung. (Bild 9.1.2-10a) oder man senkt die Vor-
Die Einwirkungen auf die Unterbauten schubrüstung ab und belässt den Überbau
­bewegen sich zumindest bei Eisenbahnbrü- in seiner Höhenlage. Die zuerst genannte
cken im Rahmen der Gebrauchslasten des Methode eignet sich bei Einfeldträgerket-
Endzustands. Die Spannbeton-Vorschub- ten. Gehoben wird nur das zuletzt herge-
rüstung kann den Überbauquerschnitt stellte Überbaufeld. So wurde bei der Rom-
bachtalbrücke im Zuge der Neubaustrecke
Hannover – Würzburg der Deutschen Bun-
desbahn verfahren. Die andere Methode
eignet sich für Durchlaufträger. Dabei soll-
ten zusätzliche Beanspruchungen des Über-
baus infolge Stützensenkung vermieden
werden. Die hydraulischen Verschiebeanla-
gen zwischen Pfeiler und Vorschubrüstung
kann man mit denen koppeln, die zwischen
der Vorschubrüstung und dem Überbau
Bild 9.1.2-11   Spannbeton-Vorschubrüstung in angeordnet sind. Wählt man die Kolbenflä-
Z-Form unter der Überbauunterkante liegend chen der Pressen an den oberen und unte-
9.1 Betonbrücken 823

ren Verschiebelagern gleich, bleibt bei ei- haltung der vertikalen Verformungen bei
nem geschlossenen System die Höhenlage Brücken mit Fester Fahrbahn nach dem
des Überbaus stets gleich. Nach Fertigstel- Anforderungskatalog zum Bau der Festen
lung des Überbaus wird die Vorschubrüs­ Fahrbahn abzustimmen.
tung über das Brückenwiderlager hinaus- Die Überbauten wurden mit einer Vor-
gefahren, dort werden die Stahlteile de- schubrüstung hergestellt, wie sie in ähnli-
montiert und die Betonteile abgebrochen. cher Form beim Bau der Rombachtalbrü-
Beim Bau der zweigleisigen Geratalbrü- cke [Harries et al., 1994] verwendet wor-
cke Ichterhausen [Keuser/Kremser, 1999] den ist. Sie bestand aus einem Spannbeton-
im Zuge der Neubaustrecke Ebensfeld – Er- trog, dessen Vorbauschnabel sich aus
furt wurde ebenfalls eine Spannbetonvor- ­einem Spannbetonteil und einer stähler-
schubrüstung (Bild 9.1.2-12) eingesetzt. nen Vorbauspitze zusammensetzte. Der
Die 1121 m lange, einzellige Spannbeton- Kastenquerschnitt wurde in zwei Abschnit-
kastenbrücke ist eine Einfeldträgerkette ten hergestellt, deren Arbeitsfuge zwischen
über 24 Felder mit Stützweiten von 44 m den Stegen und der Fahrbahnplatte liegt.
bis 58 m. Sie dient der Überführung der Obwohl der zuerst hergestellte Teilquer-
Deutschen Bahn über das Geratal mit der schnitt des Überbaus entsprechend den
neuen Autobahn A71, der Kreisstraße K20 Steifigkeitsverhältnissen ca. 20% der Be­
und der östlichen Verbindungsrampe des tonierlast übernimmt, wurde die Vorschub­
Autobahnkreuzes A4/A71. Die Längsvor- rüstung für die volle Betonierlast ausgelegt.
spannung der Überbauten war auf die Ein- Die Größe der teilweisen Längsvorspan-
nung des Betontroges wurde wie folgt fest-
gelegt:
• Im 58 m-Feld unter Eigenlast des Vor-
schubgerüsts und Schalungslasten (ohne
Betonierlast des Überbaus) treten nähe-
rungsweise keine Zugspannungen in
Längsrichtung unter Gebrauchslasten
auf (volle Vorspannung). Die Beanspru-
chung aus dieser LF-Kombination ent-
spricht etwa der halben Beanspruchung
aus Volllast. Beim Vorfahren werden aus
äußeren Lasten die auftretenden Zug-
spannungen an der Oberseite des Trogs
zur Hälfte überdrückt.
Aufgrund dieser Kriterien ergibt sich eine
nahezu zentrische Vorspannung. Die Be­
anspruchungen, die nicht durch die teilwei-
se Vorspannung abgedeckt sind, werden
von der schlaffen Bewehrung aufge­
nommen.
Nach Fertigstellung des Überbaus eines
Felds in der Vorschubrüstung erfolgte nach
[Keuser/Kremser, 1999] der Vorschubvor-
Bild 9.1.2-12   Vorschubrüstung der Geratal- gang in der in Bild 9.1.2-13 angegebenen
brücke Ichterhausen Reihenfolge:
824 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.2-13   Geratalbrücke Ichterhausen – Vorschubvorgang nach [Keuser/Kremser, 1999]

Phase 1 Phase 4
• Einbau der Gleitbahn auf dem Überbau • Endeinschub bei gleichzeitigem Umset-
• Montage der hinteren Führungsschiene zen von dem vorderen auf das hintere
• Anheben des Überbaus vorn und Einbau Taktschiebelager
der oberen Taktschiebelager zwischen
Phase 5
Gerüstfuß und Unterkante Überbau
• Einbau der vorderen Führungsschiene
• Einbau der Vorschubanlage
• Ausbau der Vorschubanlage
• Anheben des Überbaus hinten, bis über
Druckkontakt die Stahltraverse die Vor- Phase 6
schubrüstung vom hinteren Lager frei- • Herstellung des neuen Überbaus bei
setzt und damit die Aufhängung hinten gleichzeitigem Ablassen des vorher her-
gewährleistet ist gestellten Überbaus
Phase 2
Zu den o. g. Vorteilen von Vorschubrüstun-
• Verschub der Rüstung, bis die hintere
gen aus Spannbeton kommen noch weitere
Auskragung der Rüstung nur noch ca.
hinzu. Die Brauchbarkeit einer Vorschub-
23 m beträgt
rüstung wird von zwei Anforderungen be-
• Freisetzen der Stahltraverse
stimmt: Zum einen muss die Standsicher-
Phase 3 heit gegeben sein und zum anderen muss
• Verschub bis ca. 1,50 m vor Verlassen das Verformungsverhalten eine maßgenaue
des Überbaus Herstellung des Überbaus erlauben. Der
• Anheben des Überbaus vorn und damit Betontrog ist außerordentlich steif und des-
Freisetzen der oberen Taktschiebelager halb relativ formtreu. Die Vorschubrüstung
• Überbau ruht auf Pressen umhüllt den Überbau nicht nur mit der
9.1 Betonbrücken 825

Schalung, sondern mit dem gesamten Be- Entwicklung des Freivorbaus für Spannbe-
tontrog. Dadurch werden ein rascher Ab- tonbrücken durch Finsterwalder (Dycker-
fluss der Hydratationswärme und frühzei- hoff & Widmann) eröffnete sich diesem
tiges Schwinden verhindert. Dies führt zu Bauverfahren ein breites Anwendungsge-
einer hohen Betonqualität des Überbaus biet. In [Finsterwalder, 1952] wird über den
mit dichtem Gefüge und guter Sichtfläche. Bau der ersten frei vorgebauten Spannbe-
ton-Flussbrücken in Deutschland in Baldu-
instein über die Lahn 1950 (Bild 1.4-52)
9.1.3 Freivorbau und in Neckarrems über den Neckar 1951
berichtet.
Manfred Curbac, Harald Michler Das Grundprinzip des klassischen Frei-
und Silke Scheerer (bis 9.1.4) vorbaus besteht darin, dass von einem Pfei-
ler aus mit einer beweglichen Fertigungs-
9.1.3.1 Einleitung anlage – dem Freivorbauwagen – einzelne
Brückenabschnitte betoniert werden. Da-
Im Freivorbau werden Balken-, Rahmen- bei trägt der Freivorbauwagen Rüstung,
und Bogenbrücken errichtet. Dieses Bau- Schalung, Beton- und Spannstahlbeweh-
verfahren wird angewendet, wenn mittlere rung sowie den Frischbeton. Oft wird
und große Spannweiten zwischen ca. 70 m wechselseitig oder symmetrisch gefertigt,
und 250 m überbrückt werden müssen, wodurch auf dem betreffenden Pfeiler ein
ohne dass z. B. ein Lehrgerüst gestellt wer- Waagebalken entsteht. Die Fertigungsab-
den kann. Das kann der Fall sein, wenn schnitte sind i. d. R. zwischen 3 und 5 m
schwierige geologische oder geografische lang. Dadurch ist die vorzuhaltende Mate-
Verhältnisse vorherrschen, beispielsweise rialmenge für Vorbaurüstung und Schalung
wenn sich die Brücke in großer Höhe befin- relativ klein. Ein weiterer Vorteil ist, dass
det oder breite Hindernisse stützenfrei die Schalung mehrfach wieder verwendet
überspannt werden sollen. Unter der Brü- und leicht modifiziert werden kann. Die
cke kommt es i. d. R. weder zu nennens- Anpassung an gevoutete Balkengeometrien
werten Verkehrsbehinderungen noch wer- ist problemlos möglich. Eine weitere Redu-
den ökologisch empfindliche Bereiche be- zierung von Material- und Zeitaufwand
einträchtigt. Ein weiterer Vorteil des Bau- wird durch mehrmaliges Wiederholen ähn-
verfahrens ist, dass es unabhängig von den licher Takte erzielt. Durch Einhausen des
Setzungen eines Lehrgerüsts ist. Vorbauwagens kann auch bei widrigen
Im deutschsprachigen Raum wurde Witterungsbedingungen gearbeitet wer-
1930 bei einem Wettbewerb zum Entwurf den.
einer Rheinbrücke in Basel das Verfahren Außer dem sogenannten klassischen
des freien Vorbaus einer Betonbrücke erst- Freivorbau gibt es noch verschiedene Vari-
mals von Finsterwalder vorgeschlagen anten:
[Finsterwalder/Schambeck, 1965]. Im sel-
• Freivorbau mit Hilfsabspannung (Pylon­
ben Jahr wurde in Brasilien eine Stahlbe-
freivorbau),
tonbrücke durch Vorstrecken einer Bretter-
• Freivorbau mit Hilfsträger,
schalung über den Rio de Peixe errichtet
• Freivorbau mit Vorschubrüstung (Rüst-
[Beton und Eisen, 1931], [Curbach, 1994-1].
träger),
1937 wurde in England eine weitere Stahl-
• Freivorbau mit Fertigteilen (Segment-
betonbrücke im Freivorbau errichtet. Trotz-
bauweise),
dem hat sich das Verfahren bei Stahlbeton-
• Bogenfreivorbau.
brücken nicht durchgesetzt. Erst mit der
826 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Tragwerk aus Hauptspannweite ganz oder


Normalbeton teilweise aus Leichtbeton
120 Feld Feld
Stütze Stütze
Mittelwert Mittelwert
100
Balduinstein 1950
80 Kochertalbrücke 1979
Shibanpo Bridge 2006
Rio de Peixe 1930 (mittlere 103 m als vorgefertigtes
60 Stahlkasten-Profil eingehoben)
l/h [-]

40

20
Stolmasundbrücke 1998
0
50 100 150 200 250 300 350
Spannweite der Hauptöffnung [m]

Bild 9.1.3‑1   Schlankheiten verschiedener Freivorbaubrücken

9.1.3.2 Anforderungen an den Überbau Schalen möglich ist. Oft wird die Dicke der
Bodenplatte im Querschnitt über der Stütze
Beim Freivorbau werden am häufigsten ge- gegenüber dem Feldbereich stark erhöht.
voutete Kastenträger ausgeführt. Die Brü- Daraus resultieren z. B. ein größerer Hebel-
cken können im Grundriss geradlinig oder arm der inneren Kräfte oder auch geringere
gekrümmt verlaufen. Bei Quergefälle wird Spannungen in der Druckzone. Auch die
der Kastenträger als Rhombus ausgeführt. Dicke der Fahrbahnplatte wird variiert, hier
Nach [Menn, 1990] sollte die Schlankheit allerdings, um die Eigenlast in Feldmitte zu
l/h (h: Trägerhöhe über der Stütze) ca. 17 verringern. In Bild 9.1.3-2 ist die grund-
betragen. In Feldmitte werden Schlank- sätzliche Querschnittsgestaltung skizziert.
heiten von ca. 50 erreicht, bei Verwendung Vertikale Stege erleichtern sowohl das
von Leichtbeton auch deutlich mehr, Einschalen als auch das Betonieren. Schrä-
s. Bild 9.1.3-1. Gevoutete Träger können die ge Stege ermöglichen eine breitere Fahr-
Kragarmbeanspruchung im Bauzustand bahnplatte bei ansprechender Optik und
optimal abtragen, da das veränderliche Wi- können durch lotrechtes Absenken der
derstandsmoment dem Verlauf des Stüt- Schalung einfacher ausgeschalt werden. Bei
zenmoments angepasst werden kann. Die schrägen Stegen bleibt entweder die Nei-
gekrümmte Unterseite des Trägers folgt gung der Stege konstant, was eine variable
meist einer Parabel. Es werden aber auch Breite der Bodenplatte zur Folge hat, oder
Plattenbalkenquerschnitte oder parallel- es wird eine gleich bleibende Breite der
gurtige Träger im freien Vorbau hergestellt. Boden­platte gewählt, wodurch die Stege
Eine Zusammenstellung der Schlankheiten eine dreidimensionale Krümmung erhal-
ausgewählter Freivorbaubrücken zeigt ten. Die konstante Stegneigung ist einfacher
Bild 9.1.3-1. zu fertigen, allerdings ergibt sich im hoch
Kastenträger haben den großen Vorteil, beanspruchten Stützenbereich die gering-
dass die hohen negativen Biegemomente ste Bodenplattenbreite, was dann durch
infolge der Kragarmbelastung im Bauzu- eine größere Plattendicke kompensiert
stand gut aufgenommen werden können werden muss. Bild 9.1.3-3 zeigt beide
und dass ein einfaches und rationelles Varian­ten in Querschnitt und Ansicht.
9.1 Betonbrücken 827

Bild 9.1.3-2   Variation der Ausbildung von Fahrbahn- und Bodenplatte

Bild 9.1.3-3   Übliche Steggeometrien; links: konstante Stegneigung und variable Breite der Boden-
platte; rechts: variable Stegneigung und konstant breite Bodenplatte

9.1.3.3 Besonderheiten teile. Besonders kritisch ist der Tausalz­


bei der Spanngliedführung angriff. Bei Gelenksystemen kann zwischen
Gelenken mit Dila­tation und ohne Dilatati-
Im Endzustand sind Freivorbaubrücken on unterschieden werden. Soll eine Dilata-
Rahmen oder Durchlaufträger. Im Bau­ tion zugelassen werden, sind komplizierte
zustand handelt es sich jedoch um Krag­ Speziallager mit großem Platzbedarf nötig,
träger. Diese müssen beim Brückenschluss die die wechselseitig unterschiedlichen
in Feldmitte miteinander zum Endsystem Querkräfte und Verti­kal­verschiebungen
verbunden werden. Drei Möglichkeiten aufnehmen können. Gelenke ohne Dilata-
werden unterschieden: tion können z. B. als vorgespannte Betonge-
lenke in der Fahr­bahn­platte ausgeführt
• biegesteife Verbindung – das ist die heu- werden, s. Bild 9.1.3-4.
te übliche Lösung, Aus der Art des Brückenschlusses und
• Ausbildung eines Gelenks, der Herstellung ergeben sich Besonder-
• Einfügen eines Einhängeträgers. heiten in der Spanngliedführung. Unter-
Der biegesteife Brückenschluss stellt die schieden werden:
wartungsärmste Variante dar und hat sich • Kragarmvorspannung,
i. A. durchgesetzt. • Kontinuitätsvorspannung,
Nach [Menn, 1990] sind Gelenksysteme • Feldvorspannung.
wirtschaftlicher als Durchlaufsysteme, da
eine Momentenumlagerung vom mas-
siveren Stütz- in den schwächeren Feld­
bereich ausgeschlossen wird. Hinsichtlich
der Gebrauchstauglichkeit ergeben sich al-
lerdings Nachteile. Zu nennen wären z. B.
der entstehende „Knick“ in der Gradiente,
der den Fahrkomfort beeinträchtigt, der
konstruktive Aufwand bei der Herstellung
von Gelenken und Fugen und die Bild 9.1.3-4   Gelenk ohne Dilatation zum
Notwendig­keit der Wartung dieser Bau- Verbinden der Kragarme nach [Menn, 1990]
828 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Die Spannglieder zur Kragarmvorspannung jeweils endenden Spannglieder nach außen


nehmen vorwiegend die Schnittgrößen aus in die Nähe der Stege oder in den Stegen
den Bauzuständen auf und werden auch selbst umzulenken. Die Verankerungen be-
dafür dimensioniert. Sie liegen größtenteils finden sich dann entweder im Bereich des
in der oberen Platte des Kastenträgers, wo- steiferen Anschlusses von Steg und Platte
durch ein maximaler Hebelarm erzielt wer- oder im Steginnern. Bei letzterer Variante
den kann. Da jeder neue Abschnitt kraft- können die Spannglieder noch weit inner-
schlüssig mit dem schon ausreichend er- halb der Stege nach unten geführt werden.
härteten Kragarm verbunden werden muss, Dadurch erhöht sich die Querkrafttrag­
ist ausgehend vom Pfeilertisch eine Viel- fähigkeit deutlich, das Einbringen von Be-
zahl von leeren Hüllrohren einzubetonie- wehrung und Beton ist allerdings kompli-
ren. In der Arbeitsfuge werden immer nur zierter.
diejenigen Spannglieder verankert, die zur Die Kontinuitätsspannglieder werden in
Aufnahme der zusätzlichen Lasten aus dem der Bodenplatte verlegt, um die positiven
gerade gefertigten Abschnitt benötigt wer- Momente im mittleren Drittel der Spann-
den. Durch diese Abstufung ist eine pro- weite aufzunehmen. Diese entstehen nach
blemlose Anpassung der Vorspannung an biegesteifem Brückenschluss durch die Än-
die Beanspruchung möglich. Die restlichen derung des statischen Gesamtsystems. Sie
Hüllrohre werden an den Arbeitsfugen werden in der Nähe der Stege verlegt und
ledig­lich gestoßen. Oft werden in diese verankert, zum einen, um die höhere
leeren Hüllrohre PVC-Rohre als Füller ein- Steifig­keit des Querschnitts an dieser Stelle
gelegt. Diese wirken einerseits stabilisie- auszunutzen, zum anderen, um die Quer-
rend während des Betonierens. Anderer- biegung in der Bodenplatte so gering wie
seits wird bei eventuellen Undichtigkeiten möglich zu halten. Ein Beispiel für die Ab-
ein Volllaufen der Hohlräume mit Beton stufung wird ebenfalls in Bild 9.1.3-5 ge-
vermieden, wodurch das nachträgliche zeigt. Die Lisenen in der Bodenplatte müs-
Einfädeln der Spannbewehrung unmöglich sen besonders sorgfältig konstruiert wer-
werden würde. Aus diesem Grund sieht den, da die Platte hier meist sehr dünn ist.
man auch einige wenige leere Hüllrohre zu- Außerdem ist darauf zu achten, dass für die
sätzlich im Querschnitt vor, die dann als in­folge der Krümmung der Kontinuitäts-
Ersatz bei Beschädigungen von Hüllrohren spannglieder auftretenden Umlenkkräfte
statisch erforderlicher Spannglieder dienen ausreichend und gut verankerte Beweh-
können. Werden die Ankerstellen entspre- rung vorgesehen wird.
chend ausgebildet, ist hier außerdem eine Die Spannglieder der Feldvorspannung
Möglichkeit zum nachträglichen Verstär- werden nach dem Brückenschluss über die
ken des Bauwerks gegeben. Ein Beispiel für gesamte Spannweite in durchgehende, leer
die Abstufung der Kragarmvorspannung belassene Hüllrohre eingefädelt. Neben der
zeigt Bild 9.1.3-5. Abdeckung extremer Beanspruchungen
Für die Anordnung der Kragarmspann- können sie auch zur Beeinflussung von
glieder im Grundriss gibt es verschiedene Verformungen nach dem Brückenschluss
Varianten. Werden sie gerade geführt, be- oder, wie schon erwähnt, zur nachträg-
finden sich die Ankerlisenen an der Unter- lichen Verstärkung dienen. Die Feldvor-
seite der Fahrbahnplatte. Dies erleichtert spannung kann sowohl als Vorspannung
die Bewehrungsführung, schränkt aber mit nachträglichem Verbund als auch als
gleichzeitig die freie Höhe im Kastenträger externe Vorspannung realisiert werden.
ein, was die Arbeit im Kasteninnern er- Bei üblichen Bauvorhaben ist die
schwert. Eine weitere Möglichkeit ist, die Kragarm­vorspannung aus dem Bauzustand
9.1 Betonbrücken 829

Bild 9.1.3-5   Beispiel für die Anordnung von Spanngliedern im Kragarm und im Feldbereich, nach
[Curbach, 1993-1]

so dimensioniert, dass sie auch die Stützen- Stabilisierung des Waagebalkens und zur
momente im Endzustand aufnehmen kann, Aufnahme von Kippmomenten während
da eine entsprechende Umlagerung statt- der Bauzeit benötigt. Die Lager auf den Brü-
findet. Somit werden im Allgemeinen nur ckenpfeilern übertragen im Wesentlichen
Kragarm- und Kontinuitätsvorspannung die Vertikalkräfte. Wird mit einem unsym-
eingesetzt. metrischen Waagebalken gearbeitet, z. B.
wenn der Kragarm auf der einen Seite ein
bis zwei Takte Vorlauf hat, können einseitig
9.1.3.4 Ausrüstung beim klassischen angeordnete, druckbeanspruchte Hilfsstüt-
Freivorbau zen errichtet und gleichzeitig die Länge des
Pfeilertisches reduziert werden, da der zwei-
An erster Stelle ist der Freivorbauwagen zu te Freivorbauwagen erst nach dem Vorfah-
nennen. Er wird in Brückenlängsrichtung ren des ersten montiert wird. Zur Dimensi-
verfahren und trägt die Rüstträger und die onierung der Hilfsstützen und für den Lage-
Schalung. Von der Tragkraft des Freivor- sicherheitsnachweis muss die ungünstigste
bauwagens hängt die Länge der Betonier- Kombination von planmäßigem Kipp­
abschnitte ab. Zulässige Lasten für übliche moment und Belastung infolge Eigenlast
Freivorbauwagen sind z. B. 1300, 1750 und angesetzt werden. Die Hilfsstützen werden
2000 kN. Außerdem ist die maximale Län- einseitig an der Oberseite der Bodenplatte
ge der Schalung zu berücksichtigen. Üblich des Pfeilertisches vorgespannt. Die Stütze
sind hier 5 m. bleibt im Zustand I, wodurch ihre Längsde-
Beim beidseitigen Freivorbau im Waage­ formationen stark begrenzt werden. Da-
balkenprinzip wird der Anfangstakt (der durch sinkt die Gefahr starker Verfor-
Pfeilertisch) in konventioneller Bauweise mungen oder Verdrehungen des Waagebal-
hergestellt. Die Länge des Pfeilertisches ist kens. Eine mögliche Anordnung von Hilfs-
abhängig vom Platzbedarf für das Aufstel- stützen ist in Bild 9.1.3-6 zu sehen.
len der Freivorbauwagen. Das genaue Einstellen der Vorspannkraft
Ist der Überbau nicht monolithisch mit in den Hilfsstützen ist schwierig, da die
der Stütze verbunden, werden oft druck- unterschiedlichen Dehnsteifigkeiten von
und zugfeste, vorgespannte Hilfsstützen zur Hilfsstützen und Brückenpfeiler und die
830 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

letzten Takte nicht aus, können auch zu-


sätzliche Hilfsstützen unter den Stegen des
Waagebalkens angeordnet werden, wie es
z. B. bei der Mainbrücke Oberndorf ge-
schah [Curbach, 1994-1]. Das Kippmoment
kann aber auch anderweitig aufgenommen
werden, z. B. durch Verspannen des Pfeiler-
tisches mit dem Brückenpfeiler oder durch
Einspannen des Überbaus selbst in den
Pfeiler.
Beim einseitigen oder einhüftigen Frei-
Bild 9.1.3-6   Stabilisierung des Pfeilertisches
vorbau müssen die Kragmomente durch
mit vorgespannten Hilfsstützen nach [Curbach, ausreichend starke Fundamente, Rückver-
1994a] ankerungen in den anstehenden Baugrund
durch Erd- oder Felsanker, durch Gegen­
gewichte oder Abspannungen z. B. in schon
nichtlineare Verformung der Brückenlager zuvor fertig gestellte Brückenfelder aufge-
nur schwer modelliert werden können. Aus nommen werden. Ein Schema des Herstell-
diesem Grund werden zwischen dem Über- vorganges zeigt Bild 9.1.3-7. Durch tempo-
bau und den Hilfsstützen Pressen angeord- räre Abstützungen oder Abspannungen
net, mit denen die gewünschte Vorspann- kann eine unnötig hohe Bewehrung des
kraft in den Hilfsstützen aufgebracht wer- Überbaus vermieden werden.
den kann. So kann in allen Bauphasen die Zur Herstellung des Brückenschlusses
erforderliche Vorspannung der Hilfs­stützen ist oft eine spezielle Ausgleichskonstrukti-
überprüft und angepasst werden. Die An- on nötig. Dafür werden die Freivorbauwa-
ordnung der Hilfsstützen und insbesondere gen demontiert und geeignete Hilfskon-
deren Abstand sind abhängig vom maximal struktionen eingebaut, um den Kragarm
aufzunehmenden Kippmoment und damit während des Brückenschlusses zu fixieren.
von der Spannweite des Waagebalkens und Bei den in Abschn. 9.1.3.6 vorgestellten
der Länge der Fertigungsabschnitte. Rei- Varianten des Freivorbaus werden noch
chen die vorgesehenen Hilfsstützen für die weitere Hilfsmittel benötigt. Hier sollen

Bild 9.1.3-7   Freivorbau mit Hilfspylon und Abspannungen nach [Münchener Rückversicherung,


1992]
9.1 Betonbrücken 831

beispielhaft nur Hilfspylone, Rüstträger während des Vorbaus durch Überhöhungen


und temporäre Abspannungen genannt ausgeglichen werden. Die Überhöhung
werden. muss so dimensioniert werden, dass im Ge-
brauchszustand das vorgesehene Fahr-
bahnniveau gewährleistet ist. Im Allgemei-
9.1.3.5 Bauablauf beim klassischen nen müssen Verformungen, die während
Freivorbau der Herstellung entstehen, kompensiert
werden. Solche Verformungen stellen sich
Zuerst werden Gründung und Pfeiler her- u. a. nach dem Ausrüsten durch Eigenlast
gestellt. Anschließend wird der Pfeilertisch und anteilige Verkehrslast ein oder sie sind
auf dem Pfeiler errichtet. Folgen von Stützensenkungen oder Tempe-
Der Regelfall beim klassischen Freivor- raturunterschieden. Weiterhin müssen
bau ist die symmetrische Fertigung vom beim Freivorbau die wechselnden Einsen-
Pfeilertisch aus. Der dadurch im Bauzu- kungen des Vorbauwagens während des
stand entstehende Waagebalken muss sta- Betonierens, die Verformungen des Krag-
bilisiert werden, s. a. Abschn. 9.1.3.4. Nach- systems im Bauzustand, die Einflüsse des
einander erfolgen die Einrichtung der Frei- nach dem Brückenschluss geänderten sta-
vorbauwagen, die Ausrichtung der Scha- tischen Systems und die in diesem Zusam-
lung und das Einlegen der schlaffen Beweh- menhang zu erwartenden Kriechum­
rung und der leeren Hüllrohre für die lagerungen berücksichtigt werden.
Spannbewehrung. Nun kann der erste Takt Während des gesamten Bauprozesses
jedes Kragarms betoniert werden. Hat die- werden nach der Herstellung jedes Takts
ser Teilabschnitt nach ca. zwei bis drei Ta- die aktuellen Verformungswerte gemessen.
gen eine ausreichende Festigkeit erreicht, Mit dem realen E-Modul und der tatsäch-
werden die Spannglieder in die vorberei- lichen Eigenlast des eingebauten Frischbe-
teten Hüllrohre des fertigen Stückes einge- tons wird die erforderliche Überhöhung für
zogen und vorgespannt. Häufig werden die den nächsten Takt berechnet. Eventuell
Spanngliedverankerungen für eine nied- notwendige Korrekturen können so früh-
rigere Betonfestigkeitsklasse ausgelegt, als zeitig berücksichtigt werden.
für die, die wirklich eingebaut wird. Im Beim Herstellen des Brückenschlusses
Endzustand ist also etwas mehr Beweh- müssen außer der Höhe der Kragarmenden
rungsstahl vorhanden als statisch erforder- auch die Tangenten der Gradiente in
lich war. Der große Vorteil dieser Vorge- Grund- und Aufriss übereinstimmen, da-
hensweise ist aber, dass das Vorspannen mit kein „Knick“ in Feldmitte entsteht. Um
zeitlich vorgezogen werden kann. die Verformungen von vornherein zu be-
Nach dem Vorspannen wird der Vor- grenzen, kann es zweckmäßig sein, einen
bauwagen vorgefahren und am fertig ge- Beton mit sehr hohem E-Modul einzu­
stellten Teilstück fixiert. Alle weiteren Ab- setzen, was z. B. durch den Einsatz von
schnitte werden wechselseitig angefügt und Basalt als Zuschlagstoff erreicht werden
taktweise vorgespannt. Mit dem letzten kann. Ein erhöhter Spannstahlanteil kann
Teilstück in Feldmitte wird der Brücken- ebenfalls sinnvoll sein.
schluss vollzogen. Nun werden die Konti- Es bleibt anzumerken, dass Brücken oft
nuitätsspannglieder eingezogen und vorge- nicht komplett im Freivorbau errichtet wer-
spannt. Bei Bedarf wird die Feldvorspan- den. Beispielsweise werden Endfelder oder
nung eingebaut und aktiviert. Teile davon auf Lehrgerüst hergestellt, wenn
Die beträchtlichen elastischen und pla- dies die örtlichen Gegebenheiten erlauben.
stischen Trägerdurchbiegungen müssen Bei langen Vorlandbrücken kommen auch
832 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

das Taktschiebeverfahren oder Vorschub- Freivorbau mit Hilfsträger


rüstungen zum Einsatz. Bei dieser Methode spannt vom fertigen
Brückenabschnitt aus ein fahrbarer Hilfs-
träger zum nächsten Pfeiler, s. Bild 9.1.3-8.
9.1.3.6 Varianten des Freivorbaus Mit Hilfe dieses Hilfsträgers können die
Vorbauwagen, das Material und das Perso-
Der klassische Freivorbau ist nicht immer nal zum nächsten Bauabschnitt versetzt
anwendbar oder zweckmäßig. Sollen z. B. werden. Der Transport am Boden entfällt.
parallelgurtige Träger hergestellt werden, Erschließungsaufwand und Bauzeit kön-
müssen Hilfskonstruktionen das Kragarm- nen optimiert werden. Außerdem verein-
moment aufnehmen. Manchmal ist es auch facht sich das Umsetzen des Vorbauwagens
nicht möglich, den Vorbauwagen zum erheblich, da sich aufwendige Befesti-
Pfeilerfuß zu bringen, da keine Zufahrt gungen und Rückverankerungen im Bau-
zum Pfeiler gegeben ist. Deshalb wurden werk erübrigen. Allerdings stellt der Hilfs-
verschiedene Varianten des Freivorbaus träger selbst einen zusätzlichen Aufwand
entwickelt. dar, der sich i. A. erst bei einer gewissen
Mindestanzahl von Brückenfeldern ren-
Freivorbau mit Hilfsabspannung tiert. Werden stählerne Hilfsträger entspre-
oder Pylonfreivorbau chend dimensioniert, können sie gleichzei-
Mit dieser Methode kann der Freivorbau tig der Stabilisierung des Waagebalkens
einseitig in eine Richtung erfolgen. Begin- dienen, s. u. a [Holst, 1998] oder [Stritzke,
nend am Widerlager werden die einzelnen 1983].
Abschnitte vor Kopf gefertigt. Wird das
Kragmoment zu groß, wird der Brücken- Freivorbau mit Vorschubrüstung
träger rückwärtig in den Baugrund ver- (Rüstträger)
spannt oder zum dahinter liegenden Pfeiler. Bei diesem Bauverfahren wird ein Stahlträ-
Der Transport des Freivorbauwagens von ger, der ca. 60 % länger als die Spannweite
einer Stütze zur nächsten entfällt. Schwie- des Brückenfelds ist, über der Brückentafel
rige Geländeverhältnisse können mit dieser auf zwei benachbarten Pfeilern angebracht.
Methode überwunden werden. Durch den An diesen Träger werden zwei Schalwagen
größeren Hebelarm der Überspannung angehängt, mit deren Hilfe vom Pfeiler aus
können höhere Kragarmmomente aufge- in beide Richtungen vorgebaut werden
nommen werden, was das Herstellen paral- kann. Die Fertigungsabschnitte können
lelgurtiger Träger ermöglicht. Der größte hier auf 8–10 m erhöht werden [Leonhardt,
Nachteil des Verfahrens liegt in der im Ver- 1979], da die Frischbetonlast zunächst vom
gleich zum Waagebalken doppelten Bau- Rüstträger getragen wird. Außerdem ver-
zeit. Das Verfahren ist in Bild 9.1.3-7 skiz- formt sich das Tragwerk deutlich weniger
ziert. als beim klassischen Freivorbau und es wird

Bild 9.1.3-8   Freivorbau mit Hilfsträger nach [Stritzke, 1983]


9.1 Betonbrücken 833

insgesamt weniger Spannstahl benötigt. davon ist der Bogenfreivorbau. Mit diesem
Zunächst wird jeweils bis zur Hälfte des Bauverfahren wurden schon Bogen mit
Felds betoniert, dann wird der Rüstträger mehr als 200 m Spannweite hergestellt, z. B.
um ein Feld nach vorn versetzt. Der Hori- 1983 die Bloukrans Bridge in Südafrika mit
zontaltransport ist wiederum unabhängig 272 m Spannweite [Ewert, 1999a]. Die erste
von den Geländeverhältnissen unter der Anwendung in Deutschland war die 1978
Brücke. Das Verfahren eignet sich beson- erbaute Autobahnbrücke Neckarsburg bei
ders für parallelgurtige Träger. Bezüglich Rottweil mit 154 m Spannweite. Die derzeit
der Rentabilität gilt das schon beim Frei- größte Bogenbrücke Deutschlands über die
vorbau mit Hilfsträger Gesagte. Das Bau- Wilde Gera in Thüringen (252 m Spann-
verfahren ist in Bild 9.1.3-9 schematisch weite, s. a. Abschn. 1.6.8.1 und 9.1.3.7) wur-
dargestellt. Als erste Anwendung gilt die de ebenfalls auf diese Weise errichtet.
Siegtalbrücke Eiserfeld mit einer maxi­ Der Bogenfreivorbau erfolgt parallel von
malen Spannweite von 105 m, [Wittfoht, den Kämpfern aus, wobei der erste Takt
1970]. meist mit Hilfe eines Lehrgerüsts herge-
stellt wird. Bei Bogen mit Hohlquer­
Freivorbau mit Fertigteilen schnitten wird i. d. R. zuerst die Bodenplat-
(Segmentbauweise) te betoniert und anschließend Stege und
Der Freivorbau mit Fertigteilen wird in Ab- obere Platte. Ist die Bogenneigung relativ
schn. 9.1.6 behandelt. groß, wird eine Konterschalung auf der
Oberseite nötig. In gewissen Abständen
Freivorbau mit Nachläufer wird der Bogen durch temporäre Hilfsab-
Um die Eigenlast während des Freivorbaus spannungen entlastet. Es gibt verschiedene
und damit die Kragarmmomente und den Montageprinzipien. Einige davon sind in
Spannstahlbedarf zu minimieren, kann der Bild 9.1.3-11 dargestellt. Die gleichzeitige
vorgebaute Brückenquerschnitt auf einen Herstellung von Bogen, Ständer und Fahr-
Kern- oder Rumpfquerschnitt reduziert bahn hat bautechnologisch den Vorteil,
werden. Nach Herstellung der Durchlauf- dass der Material­transport über die schon
wirkung werden mit einem nachlaufenden fertig gestellte Fahrbahn erfolgen kann,
Rüstwagen die restlichen Querschnittsteile Bild 9.1.3-11 (d) und (e).
angefügt. Dieses Verfahren wurde z. B. Die Rückverankerungskräfte werden
beim Bau der Kochertalbrücke bei Geislin- entweder in Pfeiler oder Pylone, oft aber
gen praktiziert, Bild 9.1.3-10. auch direkt in den Baugrund abgetragen,
z. B. durch Erd- oder Felsanker. Die Verfor-
Bogenfreivorbau mungen des Bogens und die Spannkräfte
Wenn kein Lehrgerüst für einen Bogen ge- der Abspannungen müssen entsprechend
stellt werden kann, gibt es verschiedene des Baufortschritts ständig kontrolliert und
Möglichkeiten, den Bogen zu fertigen. Eine angepasst werden, um die Beanspru-

Bild 9.1.3-9   Freivorbau mit Rüstträger, z. B. nach [Leonhardt, 1979] und [Wittfoht, 1970]
834 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.3-10   Kochertalbrücke bei Geislingen (Foto oben: [Michler, 2002], Foto unten:
[Gerline, 2003])

Bild 9.1.3-11   Beispiele für Montageprinzipien beim Bogenfreivorbau, nach [Ewert, 1999a] und
[Stritzke, 1983]
9.1 Betonbrücken 835

chungen des Bogens möglichst gering zu diesen beiden Vorlandfeldern wurde auf
halten. Die Abspannkräfte werden dement- Lehrgerüst errichtet. Das Bauwerk ist in
sprechend korrigiert und optimiert. Bild 9.1.3-12 zu sehen.
Anstelle der monolithischen Bauweise
kann der Bogen auch aus Fertigteilen im BW 2/3 über den Neckar in Stuttgart
Freivorbau montiert werden. Dieses Verfah- [Curbach/Proske, 1998]
ren kam beim Bau der Brücke zur Insel Krk Auch bei diesem Brückenkomplex wurden
in Kroatien zur Anwendung, die mit 390 m drei verschiedene Bauverfahren angewandt.
Spannweite nach [Ewert, 1999a] die zweit- Die gekrümmten Vorlandbrücken wurden
größte Betonbogenbrücke der Erde ist. auf Lehrgerüsten gebaut, die geraden Vor-
landbrücken mittels Vorschubrüstung und
die Stromöffnung im freien Vorbau. Die
9.1.3.7 Beispiele ausgeführter Brücken Besonderheit bei diesem Bauwerk ist, dass
die Fahrbahn bereits über dem Neckar ge-
Mainbrücke Retzbach-Zellingen [Curbach, teilt werden musste, um die Rampen der
1994-2] vierstreifigen Uferstraße anschließen zu
Diese Brücke wurde zwischen den Orten können. Hierzu wurden zwei Freivorbau-
Retzbach und Zellingen in der Nähe von arme von der einen Seite, Bild 9.1.3-13, und
Würzburg im Rahmen des Ausbaus der ein einzelner von der anderen Seite über
Bundesstraße B 27 als Ersatz für eine beste- dem Fluss zusammengefügt. Die Rampen
hende Brücke gebaut, die den gestiegenen wurden einseitig als Kragarme im Freivor-
Anforderungen nicht mehr genügt hatte. bau vom Pfeiler aus vorgebaut, der Einzel-
Außer dem Main mussten noch ein Bahn- träger dagegen als Waagebalken vom Pfei-
hof mit IC-Strecke, die neue B 27 und eine ler am Nordufer aus in beide Richtungen.
Staatsstraße überspannt werden. Die Vor- Die betonierten Abschnitte waren zwischen
landbrücken wurden im Taktschiebever- 3 und 5 m lang.
fahren hergestellt. Das größte Feld über den
Main und die beiden jeweils angrenzenden Stolma Bridge in Norwegen [Ingebrigtsen,
Vorlandfelder wurden jeweils von den 1999]
Strompfeilern aus im Waagebalkenprinzip Die Stolma Brücke oder Stolmasundbrücke
gefertigt. Das „fehlende“ äußere Stück in verbindet die Inseln Stolmen und Selbjørn

Bild 9.1.3-12   Brücke Retzbach-Zellingen (Foto: [Michler, 2002])


836 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.3-13   Bauwerke 2/3 über den Neckar bei Stuttgart. Oben: Blick auf die Kragarme
der beiden Rampen [Michler, 2002], Mitte, unten: Grundriss und Luftbild nach [Münchener
Rück­versicherung, 1992]
9.1 Betonbrücken 837

an der Westküste Norwegens etwa 50 km Talbrücke über die Wilde Gera in Thüringen
südlich von Bergen. Sie ist mit einer Haupt- [Wölfel, R., 2000]
spannweite von 301 m die am weitesten Diese Brücke ist Bestandteil des Ver-
gespannte „reine“ Betonbrücke der Erde, kehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 16, der
die im freien Vorbau errichtet worden ist. Autobahn durch den Thüringer Wald, s. a.
Bei solch enormen Spannweiten ist die Re- Abschn. 1.6.8.1. In ihrer jetzigen Form ent-
duzierung der Eigenlast der Brücke von stand die Bogenbrücke als Sondervorschlag.
großer Bedeutung. Deshalb wurden 184 m Der Bogen ist mit einer Spannweite von
in der Mitte des Hauptfelds aus Leichtbeton 252 m der derzeit am weitesten gespannte
LC 60 mit einer Rohdichte von 1,94 kg/dm³, in Deutschland. Die Gesamtlänge der Brü-
die Randbereiche dagegen aus Normalbe- cke beträgt 552 m bei 14 Feldern mit Spann-
ton C 65 hergestellt. Die Bauhöhe des weiten zwischen 30 und 42 m. Der Bogen
Ka­stenträgers variiert zwischen maximal wurde im Freivorbau mit Hilfsabspan-
15 m an den Stützen und 3,5 m in Feldmit- nungen und Hilfspylonen auf den Kämp-
te, s. Bild 9.1.3-14. Da die zwei Randfelder ferpfeilern hergestellt. Der Vorbau erfolge
im Verhältnis zur Hauptspannweite relativ gleichzeitig von beiden Kämpfern aus. Der
klein sind, wurde mit Gegengewichten Querschnitt des Bogens ist ein zweizelliger
gearbeitet, indem der Kastenträger teil­ Kastenträger mit 10,3 m Breite, dessen
weise mit Kies verfüllt wurde, s. ebenfalls Höhe zwischen 5,5 m am Kämpfer und
Bild 9.1.3-14. Über den Stützen befinden 3,3 m am Scheitel variiert. Die einer Parabel
sich 100 Spannglieder in der Fahrbahn­ angenäherte, polygon­zugartige Bogenform
platte, 20 Spannglieder wurden nach dem wurde hinsichtlich der Biegemomente im
Verbinden der Kragarme in der Bodenplat- Endzustand optimiert. Der erste Takt von
te in Feldmitte eingebracht. 7 m Länge wurde auf Lehrgerüst hergestellt,

Bild 9.1.3-14   Ansicht und Querschnitt


der Stolma Bridge nach [Ingebrigtsen, 1999]
838 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.3-15   Schematische Darstellung der


Bauzustände bei der Brücke über die Wilde
Gera nach [Wölfel, R., 2000]

Bild 9.1.3-16   Brücke über die Wilde Gera im Bauzustand aus [Wölfel, R., 2000]
9.1 Betonbrücken 839

die folgenden Freivorbautakte waren je 6 m nach [Leonhardt, 1979] sind aber auch
lang. Die temporären Abspannungen wur- Spannweiten bis zu 140 m möglich. Bei
den zuerst über die Kämpferpfeiler zurück- großen Spannweiten werden während des
gehängt, ab dem 13. Takt über zusätzliche Bauvorgangs Hilfsstützen gestellt.
Hilfspylone auf den Kämpferpfeilern, Bil- Beginnend mit der Erfindung des „kon-
der 9.1.3-15 und -16. Für den Bogenschluss zentrierten Spannglieds“ wurde das Bau-
wurde ein Stahldruckstück eingesetzt, das verfahren maßgeblich durch die Ingenieure
durch leichtes Ablassen der Abspannung des Büros Leonhardt und Andrä in mehre-
auf Druck beansprucht wurde, so dass die ren Teilschritten entwickelt [Göhler, 1999].
während der Erhärtung auftretenden Span- Die Brücke, die als direkter Vorgänger des
nungen aus Temperaturschwankungen auf- heutigen Taktschiebens gilt, ist die Anfang
genommen werden konnten. Anschließend der 60er Jahre in Brasilien errichtete Fluss-
wurden Ständer und Stützen betoniert und brücke über den Rio Caroni. Hier wurden
der einzellige Verbundquerschnitt des an Land einzelne Takte als Fertigteile her-
Überbaus im Taktschiebeverfahren einge- gestellt und mit Ortbetonfugen verbunden.
schoben. Der Überbau wurde anschließend auf gan-
zer Länge mit einem konzentrierten Spann-
glied vorgespannt und auf einer Verschiebe­
9.1.4 Taktschieben bahn unter Verwendung von Hilfsstützen
längs in seine Endlage verschoben. Mit den
9.1.4.1 Einleitung Erfahrungen aus diesem Projekt wurde das
eigentliche Konzept des Bauverfahrens ent-
Beim Taktschieben werden einzelne, zwi- wickelt, für das 1967 das Patent erteilt wur-
schen 10 und 30 m lange Teile des Über- de. Die erste Taktschiebebrücke nach der
baus, die so genannten Takte, in einer orts- heute üblichen Vorgehensweise war die
festen Fertigungsanlage hinter dem Wider- Innbrücke Kufstein mit Spannweiten von
lager hergestellt. Die Takte sind monoli- bis zu 102 m, die mittels Hilfspfeilern wäh-
thisch miteinander verbunden. Nach jedem rend der Bauphase errichtet wurde. Die
fertig gestellten Takt wird der Überbau in Brücke war allerdings im Verschiebezu-
Brückenlängsrichtung verschoben. Ange- stand noch schlaff bewehrt. Mit dem Bau
strebt wird eine Fertigung im Wochentakt, der Taubertalbrücke als der ersten Takt-
da dann der Beton während des Wochen- schiebebrücke in Deutschland wurde Ende
endes erhärtet und so die Bauzeit optimal 1967 begonnen.
ausgenutzt werden kann. Beim Taktschieben entstehen monoli-
Das Bauverfahren wird für Balkenbrü- thische Tragwerke durch die Kombination
cken mit konstanten oder sich nur wenig der Vorteile der Fabrikfertigung mit denen
verändernden Stützweiten angewandt. der Ortbetonbauweise. Vorteilhaft ist vor
Nach [Göhler, 1999] können Brücken mit allem die Einsparung des Lehrgerüsts, da
Gesamtlängen ab 100 bis über 1000 m wirt- mit einer ortsfesten Schalung gearbeitet
schaftlich hergestellt werden. Ein Beispiel wird. Durch die immer wiederkehrenden
für ein solch langes Bauwerk ist die 1280 m Arbeitsgänge verringert sich der Arbeits-
lange Brücke in Veitshöchheim über den zeitaufwand insgesamt. Die Fertigungsan-
Main [Naumann et al., 1998]. Brücken un- lage ermöglicht ein schnelles Ein- und Aus-
ter 200 m Länge sind i. d. R. nur dann wirt- schalen und bietet Witterungsschutz.
schaftlich, wenn die Bauausrüstung schon Außer­dem können die Transportwege op-
vorhanden ist. Optimal sind Einzelspann- timiert werden. Die Abhängigkeit von der
weiten von ca. 50 m, üblich sind 30 bis 55 m, Tragfähigkeit des Baugrunds, die bei Lehr-
840 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

gerüsten eine große Rolle spielt, entfällt geschoben werden. Die in Klothoidenform
und der Verkehrsraum unter der Brücke verlaufende Trasse wird durch unterschied-
bleibt analog zum Freivorbau weitgehend lich lange Kragarme der Fahrbahnplatte
unbeeinträchtigt. realisiert. Bei Quergefälle wird der Kasten
Das Taktschiebeverfahren hat sich bei als Rhombus konstruiert.
Spannbeton-Kastenträgerbrücken seit vie- Die Taktlänge sollte möglichst groß, aber
len Jahren etabliert. Neuerungen und Wei- in einer Woche herstellbar sein. Bei einer
terentwicklungen beziehen sich vor allem Brückenbreite von 20 m kann die Taktlänge
auf Details. Hemmend ist die Tatsache, bis zu 30 m betragen [Göhler, 1999]. Die
dass man in Deutschland derzeit zurück- Taktlänge entspricht i. d. R. der Hälfte der
haltend bei der Annahme von Sondervor- Regelstützweite. Die ersten und die letzten
schlägen ist, die aber maßgeblich zur Wei- beiden Takte sind kürzer, damit sich im
terentwicklung konventioneller Bauweisen Endzustand die Arbeitsfugen in der Nähe
beitragen können. Positiv ist hingegen, der Viertelpunkte der Regelfelder befinden
dass immer mehr Wert auf eine anspre- und ein Takt immer mittig über der Stütze
chende Ästhetik gelegt wird. Dies und die liegt (s. a. Bild 9.1.4-5). Beim Einsatz von
unbestrittenen Vorteile beim Bau von sehr Hilfsstützen bilden mehrere Takte den
langen Brücken haben dazu beigetragen, Feldbereich. Im Bereich komplizierter Ein-
dass das Verfahren in den letzten Jahren bauten wie Stützquerträger oder Querträ-
auch immer öfter bei Brücken in Verbund- ger zur Spanngliedumlenkung bei externer
und Misch­bau­weise eingesetzt wurde, Vorspannung sollten keine Fugen angeord-
s. dazu auch Abschn. 9.3.1.3. net werden.
Der Überbau wird meist parallelgurtig
ausgeführt. Die Querschnittsabmessungen
9.1.4.2 Anforderungen an den Überbau sollten konstant sein, Ausnahmen sind auch
hier möglich. Ein Beispiel dafür sind die
Der Regel-Querschnitt beim Taktschieben Vorlandbrücken der Donaubrücke Fischer­
ist der Spannbeton-Kastenträger, der be- dorf, deren Kastenträger aufgeweitet wurde,
sonders bei großen Spannweiten der güns­ s. Abschn. 9.1.4.7 und [Curbach, 1993-2].
tigste Querschnitt ist. Das Verfahren wird Bei veränderlichen Bauhöhen sind senk-
aber auch bei Stahl-Beton-Verbundbrücken rechte Stege und separate Bodenplatten- und
und in Ausnahmefällen bei Plattenbalken- Stegschalungen von Vorteil [Curbach,
querschnitten angewandt. Beim Kasten­ 1994-2]. Die Abmessungen des Überbaus
träger haben sich Schlankheiten von maxi- sollten so gewählt werden, dass das Verhält-
mal l/h ≈ 15 im Bauzustand als sinnvoll nis der Widerstandsmomente Wo : Wu dem
erwiesen. Die Schlankheit im Endzustand Verhältnis von Stützen- zu Feldmoment in-
kann sich auf bis zu 30 verdoppeln, wenn folge Eigenlast im Bauzustand entspricht, da
Hilfsstützen in der Bauphase zum Einsatz dann die zentrische Primärvorspannung op-
kommen. timal eingesetzt werden kann.
Es ist möglich, sowohl im Grundriss als Die Dicke der Fahrbahnplatte ist abhän-
auch im Aufriss gekrümmte Überbauten zu gig von der Beanspruchung der Platte in
fertigen. Dabei sollte der Raumradius kon- Querrichtung (z. B. Querbiegung infolge
stant sein, d. h. die gesamte Brücke wird mit Einzellasten), vom Platzbedarf für Kopp-
gleich bleibender Krümmung in jeder lungen von zentrischen Spanngliedern oder
Raumrichtung gebaut. Soll die Gradiente von den einzuhaltenden Mindestmaßen bei
im Grundriss einer Klothoide folgen, kann einer Quervorspannung. Die Bodenplatte
in vielen Fällen der Kasten im Kreisbogen muss zentrische Spannglieder aufnehmen
9.1 Betonbrücken 841

Bild 9.1.4-1  Ausbildung der Stegunterseite bei internen (links) oder externen (rechts) Spann­
gliedern, Skizzen aus [Göhler, 1999]

können, im Bereich von Spannglied­ zentrische Vorspannung mit nachträg-


kopplungen sind örtliche Verstärkungen lichem Verbund und exzentrische, ver-
üblich. Diese müssen im Gegensatz zu Vou- bundlose Vorspannung kombiniert wer-
ten bei der Fahrbahnplatte nicht über die den. Eine dritte Variante ist die reine exter-
gesamte Trägerlänge konstant sein, da sie ne Vorspannung ohne Verbund. Das inter-
problemlos mit einer aufgesetzten Schalung ne Verlegen von Spanngliedern ohne Ver-
hergestellt werden können. bund wurde bisher in Deutschland nur in
Bei Kastenquerschnitten muss auf eine Pilotprojekten realisiert.
ausreichende Dimensionierung der unteren In Längsrichtung wird bei Taktschiebe-
Rahmenecken geachtet werden, da dort die brücken grundsätzlich zwischen zen-
Hubpressen zum Verschieben angreifen trischen und exzentrisch geführten Spann-
und die Auflagerkräfte kontinuierlich über gliedern unterschieden. Die zentrischen
die gesamte Überbaulänge während des Spannglieder werden auch als Primär-
Verschiebens abgetragen werden müssen. spannglieder bezeichnet. Sie müssen alle
Insbesondere ist Abplatzungen vorzubeu- Belastungen während des Bauvorgangs ab-
gen. Aus diesem Grund sind Mindestab- decken und werden in der Boden- und in
stände zwischen den Hüllrohren und der der Fahrbahnplatte verlegt. Bei der Dimen-
Stegunterseite einzuhalten, s. Bild 9.1.4-1. sionierung der Spannglieder müssen die
Beim Anfangstakt sind Verstärkungen zum Beanspruchungen aus allen Verschiebezu-
Anschluss des Vorbauschnabels auszubil- ständen berücksichtigt werden. Dabei ist
den. Weiterhin ist zu beachten, dass bei Vor- natürlich zu beachten, dass während des
spannung mit nachträglichem Verbund die Vorschubs positive und negative Momente
zunächst leeren Hüllrohre der Sekundär- an ständig wechselnden Stellen des Über-
vorspannung lokale Schwachstellen bedeu- baus auftreten. Verankerungen und Koppel­
ten, die bei zu geringem Abstand zur Steg- stellen sollten sich in der Nähe der Stege
unterseite ein Einbrechen des Stegs nach befinden. Die Fahrbahnplatte muss dort
sich ziehen können. also ausreichend dick ausgebildet sein. Bei
entsprechend langen Bauwerken wird je
Taktfuge jedes zweite oder bei kurzen Tak-
9.1.4.3 Besonderheiten bei der Spannglied- ten jedes dritte Spannglied gestoßen. In der
führung Regel handelt es sich um Spannglieder mit
nachträglichem Verbund. Verpresst wird
Taktschiebebrücken wurden bis vor einigen jeweils direkt vor oder nach dem Verschub
Jahren konventionell mit Vorspannung mit des Takts.
nachträglichem Verbund gebaut. Heute hat Die exzentrisch verlaufenden Spann-
sich die Mischbauweise etabliert, bei der glieder sind die so genannten Sekundär-
842 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

spannglieder. Zusammen mit den Primär- DIN-Fachberichte einzuhalten. Dement-


spanngliedern sichern sie die Tragfähigkeit sprechend müssen mindestens 2/3 der
im Endzustand. Bis vor einigen Jahren war Spannglieder zur Abdeckung der maxima-
es üblich, die Spannglieder mit nachträg- len Feldmomente über die benachbarten
lichem Verbund girlandenförmig in den Auflagerlinien durchlaufen. Außerdem
Trägerstegen über mehrere Felder durch- müssen in jedem Querschnitt mindestens
laufend zu verlegen. Bei diesem Vorspann- 30 % der Spannglieder ungestoßen durch-
konzept wird die Spanngliedführung dem geführt werden.
Momentenverlauf infolge Eigenlast und an- In Querrichtung können die Quer-
teiliger Verkehrslast im Endzustand ange- schnitte entweder vorgespannt oder schlaff
passt, s. Bild 9.1.4-2 oben. Leere Hüllrohre bewehrt werden.
werden bei der Herstellung der einzelnen In den letzten Jahren wurde verstärkt die
Takte einbetoniert. Sie dürfen beim Beto- Mischbauweise weiterentwickelt und in der
nieren nicht beschädigt werden, um das Praxis erprobt. Die zentrischen Primär-
Volllaufen der Hohlräume mit Frischbeton spannglieder werden wieder nachträglich
oder Wasser zu vermeiden. Befindet sich verpresst. Die Sekundärspannglieder ohne
der Überbau in seiner endgültigen Lage, Verbund liegen extern im Innern des
werden die Litzen von den Lisenen aus ein- Kasten­trägers. Sie werden gerade oder poly­
gezogen, vorgespannt und verpresst. gonal angeordnet. Verschiedene Möglich-
Beim Stoßen von Spanngliedern sind die keiten sind in Bild 9.1.4-2 dargestellt. Vor-
Bestimmungen der ZTV-ING und der teilhaft bei der externen Vorspannung ist,

Bild 9.1.4-2   Varianten der Spanngliedführung bei unterschiedlichen Vorspannkonzepten bei


Kastenträgern
9.1 Betonbrücken 843

dass eine Kontrolle und Auswechslung der baren Trägerrost bilden oder die mittels
Spannglieder jederzeit möglich ist und kei- Pressen in der Höhe verstellbar sind. Wel-
ne Schäden durch unsachgemäßes Verpres- che Variante zur Anwendung kommt, hängt
sen der Hüllrohre zu erwarten sind. Die vor allem von den Baugrundverhältnissen
Spannglieder können im Bau- und im End- ab. Ein weiteres Kriterium ist eine eventu-
zustand an verschiedenen Stellen im Quer- elle Krümmung des Überbaus in Grund-
schnitt an- oder umgeordnet werden, was oder Aufriss. Bei der ersten Variante wer-
bei Bauverfahren mit wechselnder Bean- den die Stahlträger mit hoher Genauigkeit
spruchung des Überbaus, wozu das Takt- verlegt und mit einem Trenn- und Gleit-
schieben gehört, zu Spannstahleinspa- mittel, z. B. Siliconfett, beschichtet. Die
rungen führen kann. Ein Nachteil der Schaltafeln für die Bodenplatte werden da-
Mischbauweise ist die Vergrößerung der rauf gelegt und beim Vorschub mit dem
Bauhöhe durch die randfernere Lage der ganzen Takt über die Träger nach vorn ge-
Spannglieder im Gegensatz zur internen zogen. [Göhler, 1999] empfiehlt z. B. 1–2 cm
Vorspannung. Außerdem ist wissenswert, dicke oberflächenvergütete Sperrholzplat-
dass die mögliche Verringerung der Dicke ten mit einer Länge zwischen 1 und 1,5 m,
der spanngliedlosen Stege schon zu Schä- die dann am Ende der Stahlträger herunter-
den während der Bauausführung geführt fallen und für den nächsten Takt neu ver-
hat. Die von [Streit/Sonnabend, 2002] be- legt werden. Es können auch stählerne
schriebenen Schadensbilder waren zumeist Gleitbleche zwischen Bodenschalung und
auf lokale Überlastungen während des Ver- Stahlträgern platziert werden. Bei der zwei-
schiebens zurückzuführen, da die Verschie- ten Variante wird der Trägerrost gemein-
bepressen wie bei konventionellen Takt- sam mit der Bodenschalung abgesenkt, so
schiebebrücken angesetzt worden waren, dass der Überbau nur noch auf Hilfslagern
woraus eine höhere Exzentrizität bei der ruht, die als Verschiebelager ausgebildet
Lasteinleitung resultierte. Außerdem dür- sind. Das Ausschalen kann durch die
fen die Schwierigkeiten bei einem geplanten Höhen­verstellbarkeit des Trägerrosts be-
Umhängen von externen Spanngliedern sonders schnell erfolgen. Die Schaltafeln
von einer zentrischen in eine exzentrische verbleiben im Taktkeller. Allerdings muss
Lage nicht unterschätzt werden. die Schalung für jeden Takt wieder genau
eingerichtet werden. Bei zwei getrennten
Überbauten werden Taktkeller und Ver-
9.1.4.4 Ausrüstung schubanlage oft querverschieblich ausge-
bildet.
Zur Ausrüstung beim Taktschieben gehö- Ein Takt wird in zwei Abschnitten herge-
ren der Taktkeller, die Verschubanlage, der stellt. Zuerst werden Bodenplatte und Stege
Vorbauschnabel und eventuell Hilfsstützen betoniert. Anschließend wird mit einem
oder Hilfspylone zur Reduzierung der Innenschalwagen die Schalung für die
Spannweite während der Bauzeit. Fahrbahnplatte komplettiert und diese ge-
Der Taktkeller befindet sich i. d. R. in fertigt. Auf diese Art und Weise ist auch ein
einem Abstand von 1,2-mal der Regeltakt- problemloseres Fertigen von Verstär-
länge hinter einem der beiden Widerlager kungen, Lisenen und anderen Sonderele-
[Göhler, 1999]. Hier wird die Brücke ab- menten möglich. Die Innenschalung wird
schnittsweise gefertigt, so dass ein monoli- mit dem Takt aus dem Taktkeller heraus
thischer Überbau entsteht. Die Schalung geschoben und nach der Herstellung der
für die Bodenplatte liegt auf Stahlträgern, Bodenplatte und der Stege des Folgetakts in
die entweder einen festen und unverstell- diesen versetzt. Einbauten wie Querträger
844 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

und die verschiebliche Innenschalung müs- Überbau zu halten, sind auf dem Bremssat-
sen aufeinander abgestimmt werden. Die tel ebenfalls profilierte Stahlbleche ange-
Außenschalung kann abgesenkt oder weg- ordnet. Bei großen Abtriebskräften kann
geklappt werden. der Überbau aber auch über Gewindestäbe
Zwischen dem Taktkeller und der Ver- mit dem Widerlager verbunden werden.
schubanlage am Widerlager befinden sich Bei Längsneigung wird in den meisten Fäl-
Hilfslager, die ebenfalls als Verschiebelager len bergwärts geschoben, andernfalls sind
ausgebildet sind. Sie fixieren das vorgescho- Vorrichtungen zum Abbremsen des Über-
bene Taktende. Durch Ausgleichen von ho- baus zwingend erforderlich.
rizontalen und vertikalen Abweichungen Der Verschub kann auch mit Zug­
mittels Pressen kann die Soll-Gradiente gliedern durchgeführt werden. Dieses Ver-
eingehalten werden. fahren wird aus Kostengründen bei kurzen
Das Prinzip der heute am häufigsten Brücken angewendet oder bei langen Brü-
eingesetzten Verschubanlagen besteht in cken mit Steigungen von über 3 %, da hier
der Übertragung der horizontalen Pressen­ die erforderlichen Reibungskräfte nicht
kraft über Reibung auf den Über­bau, mehr erzeugt werden können.
s. Bild 9.1.4-3. Die Anlage ist i. d. R. fest auf Verschiebelager und Seitenführungen er-
dem Brücken­widerlager montiert. Beim möglichen und steuern die Bewegung des
Vorschub wird als erstes der Überbau mit Überbaus. Die Lager erlauben vertikale,
Hilfe der Hubzylinder um wenige Millime- horizontale oder kombinierte Bewegungen.
ter vom Absetzblock (Bremssattel) angeho- Der Aufbau eines Verschiebelagers ist in
ben. Die Hubzylinder stehen in einem Bild 9.1.4-4 zu sehen. Verschiebelager sind,
Gleitschuh auf einer teflonbeschichteten wie schon erwähnt, im und vor dem Takt-
Platte aus Chromstahlblech als Gleitbahn. keller, auf dem Brückenwiderlager und auf
Der Pressenkopf ist aufgeraut oder es wer- Stützen und Hilfsstützen notwendig. Wäh-
den gehärtete und geriffelte Stahlplatten rend des Vorschubs sind sämtliche Pfeiler
verwendet, um den Reibwiderstand zwi- durch Arbeiter zu besetzen, da die Teflon-
schen Überbau und Zylinder zu erhöhen. platten der Verschiebelager und der Seiten-
Mit dem Ausfahren der Zug-Druck-Pres- führungen ständig neu eingelegt werden
sen – auch Schubzylinder genannt – wird müssen. Ist der Verschub des gesamten
der ganze Überbau um einen Pressenhub Überbaus beendet, werden die Verschiebe-
von ca. 20–30 cm vorgeschoben. Sind die lager ausgebaut und durch die endgültigen
Pressen voll ausgefahren, werden die Hub- Brückenlager ersetzt.
pressen entlastet und der Überbau auf die Der Vorbauschnabel wird benötigt, um
Brückenlager und den Absetzblock abge- die Belastung der vorderen Brückentakte
senkt. Die Zug-Druck-Pressen werden in durch Kragarmmomente zu reduzieren. Die
ihre Ausgangslage zurückgezogen und der Anschaffung ist sehr kostenintensiv. Des-
Vorgang kann wiederholt werden. Um den halb wird i. A. eine mehrmalige Wieder­

Bild 9.1.4-3   Prinzipdarstellung einer Verschubanlage nach [Göhler, 1999]


9.1 Betonbrücken 845

Bild 9.1.4-4   Längsschnitt durch ein Verschiebelager nach [Göhler, 1999]

verwendung angestrebt. Die statisch güns­ kann. Auch auf den Stützenköpfen muss
tigste Wirkung wird erzielt, wenn der Vor- ausreichend Raum für die Positionierung
bauschnabel eine Länge von ca. 60 % der und den Austausch von Verschiebelagern
maximalen Spannweite hat. Der Vor- sein. Da die Horizontalkräfte während des
bauschnabel soll möglichst leicht sein. Da- Bauvorgangs meist größer als die im End-
her wird er i. d. R. aus Stahlträgern gefertigt. zustand sind, können die Unterbauten ge-
Er ist entweder vollständig als Fachwerk gebenenfalls horizontal oder schräg abge-
ausgebildet oder er besitzt vollwandige spannt werden.
Längsträger. Er kann auch teilweise oder
vollständig durch eine vorgespannte Beton-
konstruktion ersetzt werden. In diesem Fall 9.1.4.5 Bauablauf
werden die Kastenstege des eigentlichen
Überbaus in Form eines Vorbauschnabels Die Herstellung eines Takts sollte möglichst
verlängert und am Ende durch Stahlteile er- eine Woche dauern. In der folgenden Be-
gänzt und ausgesteift. Bei der Konstruktion schreibung der Arbeitsabfolge wurden die
von Aussteifungen und Rahmen in Quer- vorzusehenden Wochentage ergänzt. Der
richtung stählerner Vorbauschnäbel sollte Bauablauf ist in Bild 9.1.4-5 skizziert.
darauf geachtet werden, dass die Breite der Am Dienstag und am Mittwochmorgen
gesamten Konstruktion leicht variiert wer- werden die Schalung vorbereitet und die
den kann. Der Vorbauschnabel wird vor meist hinter der Taktanlage vorgefertigte
dem ersten Takt montiert und ausgerichtet schlaffe Bewehrung des Trogs sowie die in-
und direkt an diesen anbetoniert. Die zug- ternen Spannglieder eingebaut. Am Mitt-
feste Verbindung wird mit Spannstäben re- wochnachmittag wird der Trog – also Bo-
alisiert. An der Spitze des Vorbauschnabels denplatte und Stege des Kastenträgers – be-
ist eine Schnabelhubvorrichtung ange- toniert. In den nächsten anderthalb Tagen
bracht, mit welcher der Durchhang an der wird die Fahrbahnplatte geschalt und be-
Spitze des Kragarms am nächsten Verschie- wehrt. Die Betonage kann am Freitagnach-
belager korrigiert werden kann. mittag erfolgen. Die Betonzusammen­
Die Brückenwiderlager müssen ausrei- setzung muss so gewählt sein, dass während
chend Platz für die Vorschubanlage bieten. des Wochenendes der Beton ausreichend
Die Kammerwände können erst nach Ab- erhärtet und am Montagmorgen das Vor-
schluss des Verschiebens hergestellt wer- spannen des Takts erfolgen kann. Anschlie-
den. Bei der Bemessung sind die Kräfte aus ßend wird der fertige Teil des Überbaus um
dem Verschiebevorgang und dem Zwi- einen Takt verschoben.
schenabsetzen zu beachten. Am Zielwider- Beim Fertigen der Querträger gibt es
lager muss es möglich sein, den Vor- prinzipiell zwei Varianten. Einerseits kann
bauschnabel durchzuschieben, damit er ein rahmenartiger Querträger im Zuge der
hinter dem Widerlager demontiert werden Fertigung eines Stützentakts hergestellt
846 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.4-5   Herstellungsschema beim Taktschieben

werden. Der Deckenschalwagen muss dann aber durch einen Spalt voneinander ge-
über die Verstärkung der Bodenplatte und trennt, damit das Tragverhalten der Fahr-
durch den Querträger hindurch aus dem bahnplatte nicht beeinflusst wird. Der Vor-
Kastenträger herausgefahren werden kön- teil dieser Variante ist, dass es keine Verzö-
nen. In Bild 9.1.4-6 sind zwei entsprechende gerungen bei der wöchentlichen Fertigung
Möglichkeiten skizziert. Entweder wird der gibt. Nachteilig ist, dass das Arbeiten im
Schalwagen auf Konsolen an den Stegin- Innern des räumlich beengten Kastenträ-
nenseiten bewegt oder er wird so aufge- gers nicht umgangen werden kann. Abhilfe
ständert, dass er über den Querriegel hin- kann in gewissem Maße ein nachträglich
weg verschoben werden kann. Die zweite eingebauter Querträger in Form eines
Variante ist das nachträgliche Einbetonie- Stahlfachwerks schaffen.
ren eines scheibenförmigen Querträgers. Für die Umlenkstellen für die externen
Hier wird der Riegel unter der Fahrbahn- Sekundärspannglieder gilt Gleiches. Sie
platte angeordnet. Die beiden Bauteile sind werden entweder bei der Herstellung des

Bild 9.1.4-6    Schalung bei der Fertigung von rahmenartigen Querträgern nach [Göhler, 1999]
    
9.1 Betonbrücken 847

Takts im Taktkeller oder nachträglich zu führt werden können. Die Pfeilerköpfe er-
einem späteren Zeitpunkt eingebaut. halten zusätzliche Konsolen, Querträger
Nachdem der letzte Takt gefertigt und und Hilfsstreben. Beispiele für diese Vari-
der Überbau in seine endgültige Lage ver- ante sind die Talbrücken Schnaittach und
schoben worden ist, werden der Vor- Schafstalgrund.
bauschnabel abgebaut, die Verschiebelager
entfernt, die endgültigen Brückenlager ein-
gebaut und die externen Spannglieder der 9.1.4.7 Beispiele ausgeführter Brücken
Sekundärvorspannung eingebracht und
vorgespannt. Neue Muldebrücke Dessau
Der Verschiebevorgang muss ständig [Curbach/Wölfel, 1998]
überwacht werden. Dies betrifft vor allem Die Neue Muldebrücke Dessau besteht aus
den Pressendruck in der Verschubanlage zwei nebeneinander liegenden, 17,44 m
und die Auslenkung der Pfeilerköpfe, damit breiten Überbauten. Die maximale Spann-
z. B. Blockierungen bei den Verschiebe­ weite der 431,5 m langen Brücke beträgt
lagern rechtzeitig bemerkt werden. Außer- 44,0 m. Der einzellige Kastenträger hat eine
dem muss die Verschubanlage über einen Bauhöhe von 2,45 m und besitzt stark ge-
Notschalter von jedem Verschiebelager aus neigte Stege. Aus Kosten- und Termingrün-
abgeschaltet werden können. den wurde die Taktlänge mit 36,75 m ge-
wählt, was der Regelstützweite entsprach.
Die einzubauende Betonmenge pro Takt
9.1.4.6 Varianten betrug somit etwa doppelt so viel wie bei
üblichen Taktschiebebrücken. Die Brücke
Sind die Abmessungen des Querschnitts wurde in Mischbauweise errichtet. Die für
ungewöhnlich groß, kann zuerst ein Teil das Bauverfahren notwendigen zentrischen
des Kastenträgers gefertigt und verschoben Spannglieder wurden intern im Verbund
werden. Anschließend wird mit einem verlegt, die Sekundärvorspannung für den
Nachläufer der Querschnitt komplettiert. Endzustand wurde mit exzentrisch ange-
Eine weitere Variante ist, den Taktkeller ordneten Spanngliedern ohne Verbund re-
nicht an das Brückenende sondern zwi- alisiert, s. Bild 9.1.4-2. Bild 9.1.4-7 zeigt
schen zwei Brückenabschnitte zu legen und einen Blick in die Schalung eines Takts.
von dort aus Überbauten nach beiden Sei-
ten zu fertigen und zu verschieben. Mit dem Donaubrücke Fischerdorf
letzten Takt werden die beiden Abschnitte [Curbach, 1993-2]
monolithisch verbunden und der Brücken- Im Zuge des Ausbaus der A 92 wurde in
schluss vollzogen. Dieses Verfahren ermög- unmittelbarer Nähe von Fischerdorf (bei
licht es, Brücken mit einer Gesamtlänge von Deggendorf) ein Donauübergang nötig.
bis zu 2 km herzustellen, S-Kurven zu tras- Das 102,5 m lange Hauptfeld über die Do-
sieren oder im Aufriss eine Gerade mit einer nau überspannen ein Stahlbogen und zwei
Ausrundung zu kombinieren. daran angeschlossene Kastenträger in
Auch beim Taktschieben von im Grund- Stahl-Beton-Verbundbauweise. Die beiden
riss gekrümmten Brücken ergeben sich ei- 5-feldrigen Spannbeton-Vorlandbrücken
nige Besonderheiten. Die Taktstation muss zu beiden Seiten des Flusses sind jeweils
im Grundriss drehbar und in Querrichtung 277,3 m lang. Die Überbauten bestehen aus
verschieblich sein. Auch leichte Kippbewe- zwei voneinander getrennten Kastenträ-
gungen um die Längsachse müssen ausge- gern mit einer Schlankheit von l/h = 24. Sie
848 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.4-7   Bewehrung der Spannlisenen bei der Neuen Muldebrücke Dessau


[Curbach/Wölfel, 1998]

Bild 9.1.4-8   Donaubrücke Fischerdorf, Taktkeller mit Aufweitung des Kastenträgers


[Curbach, 1993-2]
9.1 Betonbrücken 849

wurden im Taktschiebeverfahren mit Hilfs- 9.1.5 Segmentbauweise


stützen hergestellt. Da die Hilfsstützen auf
Pfählen gegründet werden mussten, wurde Gerhard Girmscheid (bis 9.1.6)
zuerst ein Überbau gefertigt, exzentrisch
vorgespannt und anschließend quer in sei- 9.1.5.1 Einleitung
ne Endlage verschoben. Danach wurde der
zweite Überbau hergestellt. Eine weitere Die Entwicklung des Massivbrückenbaus
Besonderheit dieser Brücke ist die Aufwei- ist seit Mitte des vorigen Jahrhunderts stark
tung des Kastenträgers auf der Deggendor- durch die Anwendung der Vorspannung
fer Seite. Dazu wurde der Taktkeller so kon- geprägt worden. Bei den ersten Anwendun-
struiert, dass durch einen Umbau innerhalb gen der Vorspannung wurden die Spann-
von zwei Takten die Aufweitung realisiert glieder außerhalb des Betonquerschnitts
werden konnte. Besonders musste beachtet angeordnet, um die recht großen Spann-
werden, dass sich die Verschieblager und kraftverluste aus Schwinden und Kriechen
die Pressen auf den Hilfsstützen zu jedem des Betons durch die Möglichkeit des Nach-
Zeitpunkt unter den Stegen befanden, diese spannens zu beherrschen. Mit der Verwen-
also in Querrichtung verschieblich sein dung hochfester Spannstähle konnte dieser
mussten. In Bild 9.1.4-8 ist der Taktkeller Einfluss verringert werden. Die Spannkraft-
mit der Aufweitung zu sehen. verluste aus Schwinden und Kriechen des
Betons wurden zudem auch quantitativ er-
Mainbrücke Retzbach-Zellingen fassbar. In der Folge verschwand die externe
[Curbach, 1994-2] Vorspannung fast gänzlich, da der Verbund
Bei diesem Brückenbauwerk wurden die von Spannstahl und Beton neben einer ver-
drei Felder mit den größten Spann­weiten besserten Rissverteilung auch einen lang-
hauptsächlich im Freivorbau, s. Abschn. fristigen Korrosionsschutz versprach.
9.1.3.7, und die sechs Felder der Vorland- Dass die externe Vorspannung [Jung-
brücke am Widerlager Retzbach im Takt- wirth/Hochreither, 1992], [Vogel, 1994],
schiebeverfahren hergestellt. Der größte [Eibl, 1998] in den letzten Jahren wieder ver-
Teil der Vorlandbrücken weist im Grund- stärkt zum Einsatz gelangt, ist eng mit dem
riss einen konstanten Radius von 1300 m Segmentbrückenbau verbunden, bei dem
auf. Am Widerlager Retzbach selbst be- der Überbau in einzelne quer zur Brücken-
schreibt die Trasse eine Klothoide längsrichtung liegende Segmente unterteilt
(A = 437,5 m). In diesem Bereich wurde mit ist, die z. B. industriell vorgefertigt und auf
einem Ersatzradius für den Kastenträger der Baustelle zusammen gespannt werden
gearbeitet, d. h. die Klothoide wurde durch [Eibl, 1998]. Diese Bauweise besitzt vor al-
variable Kragarmlängen realisiert. Im Auf- lem in Frankreich und den USA eine lange
riss folgt die Trasse einem konstanten Radi- Tradition, wo die wesentlichen Schritte in
us von R = 17000 m. Die Unterkante des der Entwicklung von Konstruktion und
Kastenträgers ist mit R = 12.600 m ausge- Bauverfahren unternommen wurden [Po-
rundet, wodurch sich die Höhe des Über- dolny/Muller, 1982]. Im Mittelpunkt der
baus in Richtung Zellingen von 2,19 m auf konstruktiven Entwicklung stand die Fugen-
3,09 m vergrößert. Insgesamt wurden technik, die von der relativ breiten vergosse-
12 Takte gefertigt. Die Regel-Taktlänge be- nen Beton- bzw. Mörtelfuge über die dünne
trug 27,50 m, die Schlankheit l/h ca. 19. geklebte Kontaktfuge hin zur Trockenfuge
Deshalb wurden während des Bauvorgangs führte. Die Fugen stellen ein erhöhtes Korro-
Hilfsstützen errichtet. sionsrisiko für im Steg von Kastenträgern
geführte Spannglieder dar. Durch die exter-
850 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

ne Anordnung der Spannglieder im Kasten- trieller Produktionsmethoden spiegelt sich


träger der Brücke verbunden mit dem heute beim Teilprozess Segmentherstellung in
verfügbaren verbesserten Korrosionsschutz erster Linie in Art und Anzahl der herzu-
konnte das Problem der Spanngliedkorrosi- stellenden Segmente wider. Ob zusätzlich
on prinzipiell ge­löst werden. Zudem wurden zu Standard- und Verankerungssegmenten
dadurch die Schwierigkeiten der genauen auch Umlenksegmente hergestellt werden
Einschätzung und Überprüfung des Ver- müssen, wird maßgeblich über die gewähl-
pressergebnisses beim Injizieren der Hüll- te Spanngliedführung beeinflusst. Nachfol-
rohre weitgehend beseitigt. Letztendlich er- gend werden alle drei Segmenttypen be-
lauben die freiliegenden, leichter zugängli- rücksichtigt, wobei durch die prinzipielle
chen Spannglie­der durch die verbesserte Darstellung der Segmentherstellung eine
Kontrolle und Wartung sowie der Möglich- Übertragung auf unterschiedliche kon-
keit des Nachspannens das Errichten und struktive Gegebenheiten leicht möglich ist.
Betreiben dauerhafter Brückenbauwerke
[Girmscheid, 1994], [Miller, 1995].
Neben der Dauerhaftigkeit waren es 9.1.5.2.1 Herstellungsstandort
wirtschaftliche Aspekte, die zu einer Ver-
bindung der Segmentbauweise mit der ex- Die Überbausegmente können vorgefertigt
ternen Vorspannung geführt haben. Durch werden
die Auslagerung der Spannglieder und die
• in einem stationären Fertigteilwerk,
Einführung der Trockenfuge konnten die
• in einem temporären Fertigteilwerk,
Fertigungsvorgänge – Bewehren, Betonie-
• in der temporären Baustellenfertigung,
ren und Montieren – vereinfacht werden.
Die einzelnen Fertigungsschritte vom Ein- wobei die Wahl des Herstellungsstandorts
bau der Hüllrohre bis zum Injizieren der über
Spannglieder wurden ebenso wie das auf-
• die verfügbaren Platzverhältnisse
wendige Schließen der Fugen vermieden.
• die Anzahl der Segmente,
Die damit verbundene gleichmäßig gute
• die Transportwege und Transportentfer-
Betonverdichtung im Steg bei gleichzeitiger
nungen,
Verwendung hochfester Betone sowie der
• die Transporthäufigkeit und
begrenzte Betonierabschnitt (Segment), der
• die Art des Transportmittels
nicht mit Hilfe von ausgeklügelter Abbinde-
verzögerung über mehrere Stunden beto- getroffen wird [Kotulla, 1992]. Die Abhän-
niert werden muss (Ortbetonbrücke), erge- gigkeit der Segmentkosten von der Trans-
ben eine höhere Qualität der Segmente bzw. portentfernung und der Segmentanzahl ist
des fertiggestellten Überbaus. Zudem konn- im Bild 9.1.5‑1 dargestellt.
ten die Taktzeiten bei der Herstellung und Verhindern geometrische Randbedin-
Montage der Segmente verkürzt werden. gungen des Transportwegs, wie Durchfahrts-
Mit der Vereinfachung der Fertigungsvor- höhen und Gewichtsbeschränkungen, die
gänge wurde die Einführung mechanisier- Vorfertigung der Segmente in statio­nären
ter Verlegesysteme gefördert. Fertigteilwerken nicht, lassen sich größere
Transportentfernungen durchaus rechtferti-
gen, da geringe Vorkosten für die maschinel-
9.1.5.2 Merkmale der Segmentherstellung le Ausrüstung und die Ausnutzung des
hohen Mechanisierungs- und Automatisie-
Die enge Verflechtung von Bauwerkskons- rungsgrads die Einzelkosten der Segmente
truktion und Bauverfahren infolge indus- senken. Dies bedeutet, dass sich im stationä-
9.1 Betonbrücken 851

Bild 9.1.5‑1   Segmentkosten: Abhängigkeit von Transportentfernung und Segmentanzahl

ren Fertigteilwerk industrielle Produktions- Teilbewehrungskörbe etc. zurückgreifen,


methoden am besten verwirklichen lassen, um den Rationalisierungsgrad zu steigern
zudem durch den qualifizierten Mitarbeiter- und eine geringe Fertigungstiefe vor Ort zu
stamm der Arbeitsaufwand pro gefertigtem erzielen.
Segment bereits zu Herstellungsbeginn ge- Nur bei sehr großen Projekten erscheint
ring gehalten werden kann. Zu beachten ist, die Errichtung eines kompletten Fertigteil-
dass die Installierung einer neuen Ferti- werks vor Ort sinnvoll. Zwar erreicht das
gungslinie in die Produktionsplanung des temporäre Fertigteilwerk nach einer gewis-
Fertigteilwerks integriert werden muss. sen Einarbeitungszeit die Effizienz eines
Bei kleineren Projekten kann die Ent- stationären Fertigteilwerks bei kürzeren
scheidung zugunsten der temporären Bau- Transportwegen, aber als nachteilig sind
stellenfertigung ausfallen, wo nur so viele der große Platzbedarf und die zusätzliche
Segmente hergestellt werden, wie für die Steigerung der Vorkosten durch die Vorhal-
Erstellung des Brückenbauwerks notwen- tung weiterer Baustelleneinrichtungsele-
dig sind. Dies bedeutet zwar Kleinserien mente, wie Werkstätten, Unterkünfte usw.
mit geringer Mechanisierung bei höheren anzusehen.
Vorkosten für die Fertigungseinrichtung, Grundsätzlich werden sich bei der Ferti-
dafür entfällt aber der gesamte Segment- gung größerer Stückzahlen industrielle
transport zur Baustelle, und die Segmen- Produktionsmethoden am besten nutzen
therstellung kann der Tragfähigkeit der lassen. Da bei kleineren und mittleren Brü-
Hebezeuge optimal angepasst werden. Bei ckenbauvorhaben Segmente in entspre-
einer temporären Baustellenfertigung wird chend geringen Mengen gefertigt werden,
man auch auf Vorfertigungselemente, wie ist mit Auswirkungen aus der Lernkurve
852 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.5‑2   Vor- und Nachteile verschiedener Herstellungsstandorte

insbesondere auf die Fertigungsqualität Beiden, dem Long-Line und dem Short-
und die Leistungsfähigkeit zu rechnen. Die- Line Verfahren, ist die Match-Cast-Metho-
ser Nachteil wird mit der Segmentherstel- de (Kontaktverfahren) gemeinsam. Diese
lung im stationären Fertigteilwerk mini- ermöglicht kongruente Flächen zwischen
miert und kann durch ein spezialisiertes benachbarten Segmenten und somit eine
Unternehmen auch für die temporäre Bau- exakte Passgenauigkeit der Fugen durch die
stellenfertigung in bestimmten Maße auf- Verwendung des zuletzt betonierten Seg-
gehoben werden. Eine Gegenüberstellung ments (Match-Cast-Segment) als Stirnab-
der verschiedenen Herstellungsstandorte schalung für das nächst folgende Segment.
ist dem Bild 9.1.5‑2 zu entnehmen. Beim Long-Line Verfahren wird der
Schalungsboden für eine Brückenspann-
weite vollständig oder teilweise erstellt und
9.1.5.2.2 Herstellungsverfahren die bewegliche Seiten- und Innenschalung
nach dem Betonieren um eine Segmentlän-
Der Teilprozess der Segmentherstellung ge versetzt [Dimel, 1984]. Aus Einzelseg-
wird durch die Schalung als das wesentliche menten bestehend liegt der Brückenüber-
Verfahrenselement gekennzeichnet. Durch bau am Ende des Teilprozesses für eine
sie lassen sich zwei Verfahren für die Vor- ganze Spannweite vor. Nur bei größeren
fertigung des Brückenüberbaus unterschei- Brückenbauvorhaben, bei denen eine Viel-
den (Bild 9.1.5‑3), zahl gleichartiger Spannweiten mit gerin-
gen Krümmungen zu erstellen sind, wird
• das Short-Line und das Long-Line Verfahren daher wirtschaft-
• das Long-Line Verfahren. lich einzusetzen sein [Mondorf, 1993].
9.1 Betonbrücken 853

Bild 9.1.5‑3   Prinzipieller Schalungsaufbau bei der Segmentherstellung

Das Short-Line Verfahren hingegen be- gen, bereits gefertigten Segmente des Über-
dient sich einer ortsfesten Schalung, in der bauabschnitts werden separat zwischengela-
ein einzelnes Segment des Überbaus herge- gert. Der geringe Platzbedarf für die eigent-
stellt wird, welches man nach dem Betonie- liche Fertigungseinrichtung und die gute
ren aus der Schalung hebt und vor der Scha- Anpassung an veränderte Strecken- und
lung als neues Match-Cast-Segment positi- Gradientenführungen lassen das Short-Line
oniert [Girmscheid/Prade, 1993]. Die übri- Verfahren bevorzugt zur Anwendung gelan-

Bild 9.1.5‑4   Vor- und Nachteile der Verfahren zur Segmentherstellung


854 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

gen und qualifizieren es dadurch auch für dientenverlaufs aus der Eigenlast und der
den erweiterten Anwendungsbereich der Vorspannung des Überbaus sowie aus Krie-
Segmentbauweise (Bild 9.1.5‑4). chen, Schwinden und Relaxation zu berück-
sichtigen haben. Maßabweichungen bei der
Herstellung der Segmente sind nicht voll-
9.1.5.2.3 Vermessung und Kontrolle ständig zu vermeiden, sei es durch Tempera-
turänderungen des Betons oder Schalungs-
Da beim Short-Line Verfahren die Segmen-
ungenauigkeiten. Aus diesem Grund müssen
te des Überbaus einzeln gefertigt werden,
festgestellte Differenzen zwischen den Ist-
kommt der Überprüfung der Maßgenauig-
Werten und den Soll-Werten des zuletzt be-
keit der Segmente eine besondere Bedeu-
tonierten Segments weitgehend bei der Ein-
tung zu, dies insbesondere bei gekrümmtem
messung der nachfolgenden Segmente korri-
und geneigtem Überbau. Um die Passgenau-
giert werden, um Fehlerakkumulationen
igkeit der einzelnen Segmente sicherzustel-
auszuschalten. Um dabei den festgelegten
len, den geforderten Gradientenverlauf ein-
Taktplan einhalten zu können, ist ein mög-
zuhalten und ästhetische Mängel zu vermei-
lichst automatisiertes Vermessungsverfahren
den, ist die Aufstellung eines Kontroll- und
mit digitaler Datenübergabe anzustreben,
Vermessungskonzepts unabdingbar, das
das gleichzeitig die Daten für die Vermessung
zum einen in den Taktplan der Segmenther-
während der Segmentmontage bereitstellt.
stellung zu integrieren ist und zum anderen
Grundsätzlich sollte die Vermessung in
die einzuhaltenden Maßtoleranzen über-
zwei Schritten erfolgen:
prüfbar macht (Bild 9.1.5‑5).
Grundlage der Vermessung sind die the­­ 1. Überprüfung der Ausrichtung des Seg-
oretischen Berechnungen der Segmentgeo- ments in der Match-Cast-Position und
metrien, die u. a. die Abweichungen des Gra­ der justierten Schalung des neu zu beto-

Bild 9.1.5‑5   Vermessungsprinzip während der Segmentherstellung


9.1 Betonbrücken 855

nierenden Segments (Vermessung vor 9.1.5.2.4 Herstellungstakt


dem Betonieren).
2. Überprüfung von Lage und Abmessun- Um eine kontinuierliche Produktion der
gen des betonierten Segments nach dem Segmente zu erreichen, sollte angestrebt
ersten Erhärten des Betons, aber vor werden, ein Segment pro Tag und Schalung
dem Ausschalen und dem Entfernen des zu erstellen. Der Beton kann in diesem Fall
Segments aus der Match-Cast-Position über Nacht abbinden und am nächsten
(Vermessung nach dem Betonieren). Morgen das Segment ausgeschalt und in die
Position des neuen Match-Cast-Segments
Für gewöhnlich werden auf dem Segment umgesetzt werden. Zuvor ist meist noch das
6 Vermessungspunkte festgelegt, die in Ver- Aufbringen einer teilweisen Quervorspan-
bindung mit dem Festpunktkoordinaten- nung erforderlich.
netz die erforderlichen Höhen- und Län- Der Herstellungszyklus der einzelnen
genmessungen ermöglichen. Man sollte Arbeitsvorgänge eines Tages unter Berück-
sich beim Entwurf des Vermessungskon- sichtigung der Vermessungs- und Kontroll-
zepts immer vor Augen halten, dass mit je- vorgänge (Bild 9.1.5‑6) beginnt danach mit
der Genauigkeitssteigerung auf der einen einer Kontrollmessung des am Vortag beto-
Seite auch der Aufwand für die Fertigung nierten Segments (N) und dem Match-
und damit die Kosten steigen, aber auf der Cast-Segment (N – 1) (1.). Je nach Scha-
anderen Seite Schwierigkeiten in der Pass- lungskonstruktion wird nun in einer oder
genauigkeit und Nacharbeiten reduziert mehreren Stufen die Innenschalung ent-
werden. Oder anders ausgedrückt, je grö- fernt (2.). Im Anschluss wird das Match-
ßer die zulässigen Toleranzen sind, um so Cast-Segment (N – 1) von einem Hebegerät
geringer fallen die Fertigungskosten aus, übernommen und zum Lagerplatz trans-
aber desto höher ist der Aufwand für die portiert (3.). Das zuletzt betonierte Seg-
Beseitigung etwaiger Mängel aus Ungenau- ment (N) wird aus der Schalung gehoben
igkeiten [Kotulla, 1992]. Ebenso entschei- und an die Match-Cast-Position gesetzt
det der Genauigkeitsanspruch über die (4.). Gleichzeitig erfolgt die Ausrichtung
Qualifikation des Vermessungspersonals. der hinteren Stirnabschalung. Als nächstes
Deshalb müssen allfällige Vermessungsar- wird das neue Match-Cast-Segment (N)
beiten von einem eigens dafür eingesetzten vertikal und horizontal eingemessen (5.).
Vermessungsingenieur durchgeführt wer- Danach werden die unteren und äußeren
den oder sie sind auch von einem guten Schalungsteile positioniert, ihre korrekte
Bau­führer zu bewältigen. Zu empfehlen Verbindung mit der hinteren Stirnabscha-
ist in jedem Fall eine Doppelmessung mit lung kontrolliert und mit Hilfe der Justier-
einer getrennten Kontrollrechnung von und Vermessungseinrichtungen ihre Lage
zwei unabhängigen Stellen. Das Konzept den geforderten Segmentabmessungen an-
der Doppelmessung muss so erstellt sein, gepasst (6.). Nun kann der bereits erstellte
dass bei beiden Messungen unabhängige Bewehrungskorb in die Schalung gesetzt
Messwerte genommen und erst nach der werden (7.). Bevor mit dem Betonieren
Kontrollrechnung mit Hilfe der EDV die des neuen Segments (N + 1) begonnen wer-
Ergebnisse miteinander verglichen werden. den kann, ist die Innenschalung wiederum
Damit wird verhindert, dass unter Produk- in einer oder mehreren Stufen an ihre Po-
tionsdruck Messwerte von der ersten für sition im neuen Segment (N + 1) zu ver­
die zweite Messung übernommen werden. fahren (8.).
856

Bild 9.1.5‑6   Short-Line-Verfahren-Zyklus der Segmentherstellung


9 Herstellung und Ausführungsmethoden
9.1 Betonbrücken 857

9.1.5.2.5 Herstellungsorganisation • Portalkran, Shuttlelift etc. für den Trans-


port der Segmente zum Lagerplatz
Die einzelnen Fertigungsvorgänge zur Her- • Lagerplatz.
stellung der Segmente, die in einer bestimm-
Von der Baustellenfertigteilproduktion kön-
ten technischen und organisatorischen Rei-
nen die allgemeinen Elemente der Baustel-
henfolge ablaufen, geben den Ausschlag für
leneinrichtung, wie Unterkünfte, Büroräu-
die räumliche Anordnung der einzelnen
me, Werkstatt, Materiallager usw., der ge-
Einrichtungselemente am Herstellungs-
samten Brückenbaustelle mit genutzt wer-
standort. Sie bestimmen die Fertigungsrich-
den. Beim temporären Fertigteilwerk sind sie
tung und die Aufteilung der Segmente in
zusätzlich zu errichten. Durch die vorhande-
Fertigungsabschnitte.
ne Infrastruktur des stationären Fertigteil-
Als Grundelemente der Vorfertigungs-
werks werden nur wenige Elemente der Vor-
einrichtung sind zu nennen:
fertigung, wie z. B. die Stahlschalungen, zu
• Fertigungshalle, Fertigungsplatz der Be- installieren sein. Um die Anzahl der Ferti-
wehrungskörbe, gungsschritte gering zu halten, sollte die Be-
• Turmkran zum Einheben des Beweh- wehrung bereits im vorgebogenen Zustand
rungskorbs und für das Betonieren, geliefert und aus den einzelnen Positionen in
• Stahl- oder Stahlrahmenschalungen für der Segmentvorfertigung nur der Beweh-
das Betonieren der Segmente, rungskorb zusammengesetzt werden.
• Betonmischanlage und oder Transport- Da der Brückenüberbau hinsichtlich der
beton, Spanngliedführung in der Regel aus verschie-

Bild 9.1.5‑7   Schematische Darstellung der üblichen Segmentquerschnitte

Bild 9.1.5‑8   Prinzip der räumlichen Organisation bei der Segmentherstellung


858 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

denen Querschnitten besteht, müssen neben Überbau auf die Arbeitsvorgänge des Teil-
Standardsegmenten Segmente mit Veranke- prozesses Segmentmontage. Damit kann der
rungs- und Umlenkblöcken hergestellt wer- bereits beim Teilprozess Segmentherstellung
den (Bild 9.1.5‑7), was meist zu mehreren aus der Übersichtlichkeit des Bauprozesses
Fertigungslinien in der Vorfertigung führt. resultierende Vorteil eines zeit- und kosten-
Standardsegmente und Segmente mit optimalen Produktionsablaufs bei gleich
Umlenkblöcken können häufig auf einer bleibender Fertigungsqualität durch die
Fertigungslinie erstellt werden, da die Scha- Verwendung mechanisierter Verlegegeräte
lung durch ein zusätzliches Innenteil leicht auch für die Montage zum endgültigen
anzupassen ist. Damit ergibt sich für die Überbau auf der Baustelle genutzt werden.
Baustellenfertigung bei Anwendung des Ist bei der Segmentherstellung die Scha-
Short-Line Verfahrens die im Bild 9.1.5‑8 lung das Kernelement der Verfahrenskenn-
dargestellte prinzipielle räumliche Organi- zeichnung, so lässt bei der Segmentmonta-
sation der Segmentherstellung. ge das Verlegegerüst eine Unterteilung in
zwei Verfahrenstypen zu:

9.1.5.3 Merkmale der Segmentmontage • Segmentmontage mit untenliegendem


Verlegegerüst und (Bild 9.1.5‑9)
Auch bei der Segmentmontage sind Kon- • Segmentmontage mit obenliegendem
struktion und Bauverfahren interaktiv von- Verlegegerüst (Bild 9.1.5‑10).
einander abhängig, insbesondere in Bezug
Allerdings muss erwähnt werden, dass
auf das Brückenlängssystem. Durchlaufträ-
bei Anwendung der Segmentbauweise mit
ger werden danach veränderte Gerüsttypen
einem Lehrgerüst zusätzlich eine sehr kos-
verlangen als Einfeldträger und es werden
tengünstige Verfahrensvariante für kleinere
eventuelle Hilfsmaßnahmen erforderlich,
Brückenbauwerke (2-feldrig) zur Verfü-
wie z. B. temporäre Spannglieder und Ortbe-
gung steht.
tonfugen. Des Weiteren sind Auswirkungen
Welcher Gerüsttyp eingesetzt wird, ent­­
auf den Montagetakt und die Montageorga-
scheidet sich in erster Linie aus der Fahrgeo-
nisation zu erwarten. Für die folgenden Er-
metrie bzw. Zugänglichkeit der Trasse. Wäh-
läuterungen wurden Einfeldsysteme zugrun-
rend die Hauptanwendung des untenliegen-
de gelegt.
den Gerüsts bei geraden und schwach ge-
krümmten Brücken liegt, ist das oben­liegende
9.1.5.3.1 Montageverfahren Gerüst auch bei sehr kleinen Krümmungs­
radien einsetzbar [Girm­scheid, 1993].
Mit der Vorfertigung der Überbausegmen- Das untenliegende Verlegegerüst wird
te beschränkt sich der Fertigungsprozess für die vorgeschlagenen Anwendungser-

Bild 9.1.5‑9   Segmente mit untenliegendem Verlegegerüst und unterschiedliche Unterstützungs-


konstruktionen an den Pfeilern (s. Bild 9.1.5-14)
9.1 Betonbrücken 859

Bild 9.1.5‑10   Segmente mit obenliegendem Verlegegerüst

weiterungen der Segmentbauweise auf klei- werden, flexibel und kostengünstig zusam-
nere Brückensysteme das zu bevorzugende mengesetzt werden können. Dadurch ist
Gerüst sein. Zu begründen ist die Wahl mit auch eine leichte Anpassung an veränderte
der Einfachheit des Gerüsts in der Kon- Feldlängen möglich, und die Aufwendun-
struktion, da sie aus standardisierten Fach- gen für die statischen Berechnungen, die
werkmodulträgern, wie sie von verschie­ infolge der Belastungszustände aus Vor-
denen Herstellern am Markt angeboten schubphasen und Segmentverlegung aufge-

Bild 9.1.5‑11   Vor- und Nachteile der Verfahren zur Segmentmontage


860 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

stellt werden müssen, sind gering. Gerade des Überbaus entsprechend dem dokumen-
kleine Brückenbauwerke verlangen diesbe- tierten Gradientenverlauf sichergestellt
züglich einfache Herstellungs- und Kon- werden. Dazu sind verschiedene zyklische
struktionskonzepte, damit umfangreiche, Vermessungen und Kontrollen erforderlich
zeit- und kostenintensive Vorarbeiten ver- (Bild 9.1.5‑12):
mieden werden können. Begünstigt wird
• Höhe und Ausrichtung des Verlegege-
die Entscheidung zugunsten des untenlie-
rüsts
genden Gerüsts noch durch die oft anzu-
• Höhe der Lager
treffenden großen Krümmungsradien klei-
• Lage und Höhe von Segmentaufhängung
nerer und mittlerer Brückenbauwerke. Das
bzw. Segmentvorschubschlitten
obenliegende Gerüst und die dazugehöri-
• exakte Positionsbestimmung, Höhe und
gen Operationskonzepte wurden in [Girm-
Ausrichtung der Segmente nach Errei-
scheid/Prade, 1993] erläutert. Ein Vergleich
chen der Verlegestelle
beider Gerüsttypen führt auf die im Bild
• Ausrichtung der Segmente eines Brü-
9.1.5‑11 zusammengestellten Vor- und
ckenfelds nach dem Verlegen, aber vor
Nachteile.
dem Vorspannen über die Lagerpunkte
• Höhe und Ausrichtung des fertigen
Überbaus eines Brückenfelds
9.1.5.3.2 Vermessung und Kontrolle
Ausgehend von den Vermessungspunkten,
Auf der Grundlage der Vermessungsdaten mit denen bereits in der Vorfertigung die
aus der Vorfertigung muss während der Segmente markiert wurden, wird zwischen
Segmentmontage die genaue Einmessung den Stützensegmenten einer Spannweite

Bild 9.1.5‑12   Vermessungsprinzip während der Segmentmontage


9.1 Betonbrücken 861

eine Mittellinie definiert, die als Ba­sis für ein Segment vom Verlegegerüst übernom-
die Ausrichtung der Überbausegmente men wurde, wird es an seine planmäßige
dient. Durch die Übertragung auf die Stüt- Position verschoben, wobei jedes Segment
zen wird sie zudem für die Lagekontrolle so gelagert bzw. aufgehängt werden muss,
des Verlegegerüsts herangezogen. Die Ver- dass es einzeln ausgerichtet werden kann
messung erfolgt während des gesamten (1.). Sind alle Segmente des Brückenfelds
Montagevorgangs. Die wichtigsten Mes- positioniert und ausgerichtet, werden sie
sungen sollten möglichst zweimal unab- über eine temporäre Vorspannung mit­
hängig voneinander durchgeführt werden. einander gekoppelt. Danach werden die
Spannglieder eingezogen und die Vorspan-
nung bis zu dem Punkt aufgebracht, an dem
9.1.5.3.3 Montagetakt sich der Überbau selbst trägt (2.). Dann
wird der Überbau mittels Pressen an den
Der Zyklus für die Montage eines Brücken- Lagern gehoben, meist die gesamte Vor-
felds, der je nach Länge des Brückenfelds spannung aufgebracht und anschließend
und Trassenführung innerhalb von zwei bis die Hänger bzw. der Kontakt zu den Vor-
vier Tagen abgeschlossen sein sollte, glie- schubschlitten gelöst. Nach dem kraft-
dert sich in drei Fertigungsvorgänge: schlüssigen Untergießen der Lager werden
die Lagerhilfspressen freigesetzt und die
• die Segmentverlegung
Vorspannung in ihrer endgültigen Größe
• die Segmentvorspannung und
eingetragen (3.).
• den Vorschub des Verlegegerüsts.
Beim obenliegenden Gerüst werden die
Im Wesentlichen sind die einzelnen Ferti- Segmente mit einer Gerüstlaufkatze vom
gungsschritte in den Fertigungsvorgängen Transportfahrzeug aufgenommen und zur
der Segmentverlegung und -vorspannung Verlegestelle gefahren. Dort werden sie über
beim unten- und beim obenliegenden Ver- Hängestangen am Gerüst befestigt und mit
legegerüst gleich (Bild 9.1.5‑13). Nachdem hydraulischen Pressen ausgerichtet. Beim

Bild 9.1.5‑13   Zyklus der Segmentmontage


862 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

untenliegenden Gerüst werden die Seg- krümmten ­Streckenverläufen, bei denen


mente durch Kran oder Übergabekonst- die Kippsicherheit des Brückenfelds und
ruktion (s. a. Abschnitt 9.1.5.3.4) vom des Ge­rüsts sowie die Tragfähigkeit der
Transportfahrzeug übernommen und auf ­L ager ­und Hilfslager zu beachten sind
Verschubwagen/-schlitten oder Pressen- ­[Girmscheid, 1993]. Des Weiteren müssen
schemel abgesetzt und mit diesen auf dem spezielle Hilfseinrichtungen, wie Hilfs-
Obergurt/Führungsschienen in die Verle- gleitstühle, Nachlaufwagen usw., vor­
geposition verschoben. Die Vorschub- gehalten werden.
schlitten sind mit Hydraulikpressen aus­
gestattet, die in der Verlegeposition die
­lagegenaue Ausrichtung der Segmente 9.1.5.3.4 Montageorganisation
­ermöglichen.
Während des Vorschubs ist das unten­ Die gesamten Fertigungsvorgänge der Seg-
liegende Verlegegerüst leicht zu handha- mentmontage liegen innerhalb eines Fer­
ben. In Abhängigkeit von der konstruk­ tigungsabschnitts, der Spannweite eines
tiven Ausbildung des Gerüsts bieten sich Brückenfelds. Auf wie viel Fertigungslinien
unter der Verwendung von Seilwinden, der Überbau dabei erstellt wird, richtet sich
­hydraulischen Pressen und/oder Zahn- nach der Anzahl nebeneinander liegenden
stangen verschiedene Lösungen an. Ab­ Überbauten, wie es z. B. mit zwei oder mehr
hebekräfte, die bei größeren Spannweiten Überbauten bei mehrspurigen Fahrbahnen
auftreten können, werden in den Über­ der Fall ist. Danach können die Segmente
bau eingeleitet. Schwieriger gestalten sich auf den verschiedenen Fertigungslinien
die Vorschubzustände beim oben­ nacheinander oder parallel montiert wer-
liegenden Gerüst insbesondere bei ge- den.

Bild 9.1.5‑14   Anlieferung und Übergabe der Segmente bei untenliegendem Verlegegerüst


9.1 Betonbrücken 863

Die Anlieferung der Segmente kann auf ­ benliegenden Variante wie beim un­ten­
o
zwei Wegen organisiert werden: liegenden Gerüst bedarf eines zusätz­
lichen Hebegeräts. Zum Einsatz gelangen
• Anlieferung vom Brückenfuß oder
(Bild 9.1.5‑14):
• Anlieferung über den bereits fertig­
gestellten Überbau. • Autokran am Brückenfuß oder auf dem
Überbau,
Geländeverhältnisse und Brückenhöhe sind
• stationärer Kran auf dem Überbau und
die wesentlichen Randbedingungen, welche
• Portalkran bzw. Übergabekonstruktion
die Art der Anlieferung beein­flussen. Als
auf dem Überbau.
Transportgerät vom Fertig­teilwerk zur Bau-
stelle kommen Spezial­tieflader zum Einsatz, Welches Hebegerät eingesetzt wird, ergibt
die entweder die Segmente direkt bis zur sich aus den Leistungsanforderungen, der
Gerüstübergabe befördern oder vorher auf wirtschaftlichen Optimierung und der Ver-
Flachbettwagen absetzen, die über Vor- fügbarkeit.
schubeinrichtungen oder Zugmaschinen Die prinzipielle räumliche Organisation
an das Verlegegerüst gelangen. der Montage ist für ein untenliegendes Ge-
Die Segmentübergabe vom Transport- rüst mit stationärem Kran im Bild 9.1.5‑15
fahrzeug auf das Verlegegerüst bei der ersichtlich.

Bild 9.1.5‑15   Prinzipielle räumliche Organisation der Segmentmontage bei untenliegendem Ver-


legegerüst
864 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

9.1.5.4 Planung der Ausführung einzelligen Kästen sind als Standardquer-


der Segmentmontage an einem Beispiel schnitte konzipiert. Die Überbaubreiten
liegen zwischen 7,00 m und 15,50 m. Die
9.1.5.4.1 Technische Ausführungsplanung einfeldrigen Brückenlängssysteme setzen
sich aus folgenden typischen Standardseg-
Die notwendige baubetriebliche Ausfüh- menten zusammen (Bild 9.1.5‑17):
rungsplanung soll am Brückensystem einer
a) Pfeilersegmente jeweils an den Enden
Hochstraße mit einfeldrigen, einzelligen
eines jeden Felds mit dem Veranke-
Segmentkastenträgern, die auf bewehrten
rungsschott für die Spannglieder.
Elastomerlagern gelagert sind (Bild 9.1.5‑16)
b) Normalsegmente zwischen den Pfeiler-
erläutert werden.
und Umlenksegmenten. Die Stege haben
Das Brückensystem ist mit Spannglie-
eine vergleichsweise geringe Wanddicke.
dern, die innerhalb des Kastenträgers ex-
Dies ergibt eine deutliche Gewichtsver-
tern geführt werden, vorgespannt. Im End-
minderung des Überbaus, da die Stegdi-
zustand werden die Einfeldsysteme durch
cke nicht aus konstruktiven Gründen,
Federplatten zu drei- bis vierfeldrigen Sys-
sondern durch rein statische Erforder-
temen verbunden, so dass Fahrbahnüber-
nisse (Betondruckstrebe) bestimmt ist.
gänge nur dort notwendig sind. Jedes Feld
c) Umlenksegmente befinden sich unge-
ist durch Erdbebenstopper (Knaggen), die
fähr in den 1/3- bzw. 1/4-Punkten der
mit Elastomerpufferplatten abgepolstert
Stützweite. An diesen Stellen werden die
sind, mit den Pfeilern verzahnt. Im Erdbe-
Vertikal- und Horizontalkomponenten
benfall werden dadurch größere Relativver-
der Umlenkkräfte aus der Vorspannung
schiebungen zwischen Unter- und Überbau
konzentriert abgeleitet.
weitgehend verhindert. Die Spannweiten
der einfeldrigen Kastenträgerbrücken be- Zum Verständnis der notwendigen sta-
tragen zwischen ca. 25 m und 50 m. Die tisch konstruktiven Untersuchungen der

Bild 9.1.5‑16   Überbau (Feld mit drei/zwei


Umlenkblöcken)
9.1 Betonbrücken 865

ergibt sich aus der Fahrgeometrie und der


Zugänglichkeit der Trasse. Untenliegende
Gerüste werden bei gerader Streckenfüh-
rung und bei freier Zugänglichkeit der Pfei-
ler verwendet; diese ist notwendig für die
Montage der Gleitbahnunterstützungen.
Obenliegende Gerüste werden bei den ge-
kurvten Streckenführungen erforderlich.
Das obenliegende Gerüst lässt sich, unab-
hängig von der Zugänglichkeit der Pfeiler,
mit tangentialer Verschiebung durch die
Kurven verfahren. Dieser Gerüsttyp ist je-
doch zwangsläufig aufwendiger hinsicht­
lich Fahreinrichtungen, Steuerungshydrau-
lik und Handhabung. Das untenliegende
Gerüst beansprucht die Unterbauten und
stellt den Entwurfsingenieur vor vergleichs-
Bild 9.1.5‑17   Kastenquerschnitt, externe Vor- weise einfache Aufgaben. Das obenliegende
spannung Gerüst beansprucht dagegen während der
Überfahrt die gesamte, endgültige Überbau-
konstruktion. Zudem sind die während des
Bauzustände muss die Verlegetechnik der Verfahrzustands eingetragenen Lasten an
Segmente erläutert werden. Die Segmente den Unterstützungen des Gerüsts häufig we-
werden auf tief liegenden, von je einer sentlich schwerer als die Einzellasten aus den
Zugmaschine gezogenen Flachbettwagen Verkehrslasten des Endzustands; dabei ist
zum Verlegegerüst befördert. Dort werden jedoch die Gesamtverkehrslast in der Regel
sie von einer Gerüstlaufkatze übernom- größer als das Gesamtgewicht des Gerüsts.
men, zur Verlegestelle längs verfahren und Das Ziel umfangreicher statischer Unter-
an das Gerüst mit Hängestangen ange- suchungen der Bauzustände ist es, ein Kon-
hängt. Nach dem Einfahren aller Fertigtei- struktions- und Betriebskonzept für das
le eines Felds werden diese ausgerichtet Gerüst zu entwickeln, ohne dass bleibende
und durch eine leichte Hilfsvorspannung Zusatzverstärkungen für das Endsystem
von 0,1 N/mm² zu einer Einheit gekoppelt. notwendig werden. Ein Betriebskorridor
Die Elemente werden trocken, ohne durch- zum Verfahren des Gerüsts, die Randbedin-
gängige Bewehrung, aneinandergefügt und gungen und gegebenenfalls begrenzte, wie-
durch Schubnocken verzahnt. Danach wer- der verwendbare Hilfseinrichtungen sind
den die Hüllrohre und Spannglieder der festzulegen. Für diese Nachweise müssen
externen Längsvorspannung eingebaut und verschiedene Last- und Betriebszustände
vorgespannt. Der fertig vorgespannte Über- unter Berücksichtigung aller Einflusspara-
bau wird anschließend auf Hilfslager abge- meter untersucht werden.
senkt und das Gerüst über das fertiggestell-
te Überbaufeld ins nächste Feld verschoben.
Hierzu werden am Gerüst der Hilfsgleit- 9.1.5.4.2 Detaillierte Planung der Verlegetechnik
stuhl mit Vorschubeinrichtung und der mittels Verlegegerüst
Nachlaufwagen benötigt.
Die grundsätzliche Entscheidung für Die wiederkehrenden Abläufe beim Verle-
einen unten- oder obenliegenden Gerüsttyp gen sind im Bild 9.1.5‑18 dargestellt.
866 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.5‑18   Vorschubgerüst in Verlegstellung

Die Verlegetechnik untergliedert sich tem mit veränderlicher Gliederung handelt


nach statischen Gesichtspunkten in drei (Bild 9.1.5‑20).
Hauptsysteme: Im Ausgangszustand ist der Brückenbal-
ken noch eine Gelenkkette mit definierten
a) Verlegeposition – einfaches, offenes
Hängerlasten. Durch das Vorspannen er-
­statisches System,
hält der Brückenbalken seine Steifigkeit
b) Vorspannen und Absetzen – statisches
und entlastet die mittleren Hänger des Ver-
System mit veränderlicher Gliederung,
legegerüsts. Da die Gesamteigenlast jedoch
c) Vorfahrzustände – veränderliches stati-
sches System.
Die Verlegeposition des Gerüsts in Bezug
auf die Pfeilerachsen wird so gewählt, dass
die größte aufnehmbare ausmittige Nor-
malkraft der in allen konstruktiven Ab-
messungen vorgegebenen Pfeiler ausge-
nutzt werden (Mx , My , N – Interaktion).
Die aufnehmbare Torsionsbeanspruchung
des Gerüstträgers (Stahlfachwerkkasten)
wird genutzt, um die Beanspruchung der
Pfeiler im Verlegzustand in der Größen-
ordnung der Einwirkung aus Verkehrsbe-
lastung und Eigenlast, allerdings unter der
Berücksichtigung des verminderten Last-
faktors im Bauzustand zu halten (Bild
9.1.5‑19). Ferner werden die Maßnahmen
zum Rückhängen bzw. Koppeln der Über-
bauten ermittelt, um die während des Bau-
zustands auftretenden Horizontalkräfte
abzutragen.
Beim Vorspannen verhält sich der Brü-
ckenbalken wie ein Balken auf elastischer
Bettung, hervorgerufen durch die elastisch
federnde Wirkung des Gerüsts. Dabei ist zu Bild 9.1.5‑19   Verlegen: Einwirkung und Inter-
beachten, dass es sich statisch um ein Sys- aktion von Gerüst auf Über- und Unterbauten
9.1 Betonbrücken 867

Bild 9.1.5‑20   Statische Systeme während des Vorspannens

gleich bleibt, wandert die Last während des gefähr über den Stegen der Elemente fahren
Spannvorgangs zunehmend in die äußeren können. Das Verschieben in den Kurven
Hängestangen, solange der Brückenbalken erzwingt jedoch das Verlassen der Steg­
nicht abgesetzt wird. Dabei sind folgende bereiche; die Räder gelangen auf die Fahr-
Kriterien nach Superposition von Aus- bahnplatte bzw. auf den Kragarm. Gleich-
gangs- und Vorspannungszustand zu be- zeitig vermindert sich jedoch die Auflager-
achten: kraft auf dem Nachlaufwagen, da der
Schwerpunkt zum Hilfsgleitstuhl wandert
a) Zulässige Last in den äußeren Hängern
(Phase 2 im Bild 9.1.5‑22). Für das Brü-
kontrollieren.
ckenlängssystem müssen jeweils die größ-
b) Kein Hänger darf Druckkraft erhalten.
ten aufnehmbaren Lasten ermittelt werden,
Falls doch, wird der Hänger gelöst und
um die Umsetzpunkte für das Verleggerät
die Eigenlast des Segments auf den Brü-
bei bestimmten Operationen zutreffend
ckenbalken verlagert.
festlegen zu können.
c) Zugspannungen dürfen in der Beton-
Während all dieser Bauphasen müssen
konstruktion während des gesamten
folgende Randbedingungen beachtet wer-
Vorspannens nicht auftreten.
den:
Für die danach anschließenden Verschie-
bezustände (Bild 9.1.5‑21) ist der zulässige a) Kippsicherheit des Brückenfelds;
Betriebskorridor für den Nachlaufwagen b) Tragfähigkeit der Lager bzw. Hilfslager;
des Vorschubgerüsts zu ermitteln. Die Rad- c) Kippsicherheit des Stahlgerüsts;
sätze des Nachlaufwagens werden so ange- d) Geometrisches Erreichen des nächsten
ordnet, dass sie bei sehr hohen Lasten un- Pfeilers.
868 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

senlager verstärkt werden müssen. Für eine


wirtschaftliche, termingerechte Bauausfüh-
rung ist es unerlässlich, aufwendige Bau-
hilfsmaßnahmen auf ein Minimum zu re-
duzieren (Bild 9.1.5‑23).

9.1.5.5 Anwendungsbereiche
des Segmentbrückenbaus

Infolge der Möglichkeit der industriellen


Vorfertigung der Überbausegmente und
der Effizienz bei der Montage kommt ein
entscheidender Vorteil des Segmentbrü-
ckenbaus in Bezug auf Qualität und Wirt-
schaftlichkeit zum Tragen. Die von den
eigentlichen Baustellenprozessen entkop-
pelte Fertigung der Überbausegmente ge-
stattet Bauvorhaben als sogenannte Fast-
Track-Project abzuwickeln [Girmscheid,
1996], [Girmscheid/Hartmann, 1999], das
heißt innerhalb extrem kurzer Zeitspannen
zwischen Vergabe und Fertigstellung.
Die Forderung, ein wirtschaftliches und
gleichzeitig dauerhaftes Bauwerk im Rah-
men eines Fast-Track-Project zu erstellen,
wird vermehrt bei der Verwirklichung gro-
ßer Infrastrukturprojekte gestellt. Da eine
Vielzahl der heutigen Infrastrukturbauten
Bild 9.1.5‑21   Vorschubzustände als Konzessionsobjekte realisiert werden,
liegt ein wesentlicher Grund für diese For-
derung in dem Bestreben einer schnellen
Gleichzeitig ist beim Verschieben der hori- Amortisation des investierten Kapitals.
zontale Festpunkt des Systems eindeutig Wird zudem die Baustellenfertigung auf-
festzulegen, besonders beim Verfahren der grund beengter Platzverhältnisse behin-
Gleitstühle bzw. beim Umsetzen der Lasten dert, wie es z. B. bei den großen Agglome-
auf den Hauptgleitstuhl: Die Hangabtrieb- rationen in Asien und Südamerika der Fall
kräfte auf den Hilfslagern aus Längs- und ist, ist mit der Segmentbauweise ein geeig-
Querneigung der Brücke sind mit den Rei- netes Brückenbauverfahren gegeben, das
bungskräften aus dem Vorschub zu überla- einen zeitlich komprimierten Baufortschritt
gern. Die auftretenden Kräfte müssen bis durch die Parallelität von Fertigungspro-
zur Gründung verfolgt werden und machen zessen mit der Fertigung einzelner Bau-
es teilweise erforderlich, mehrere Felder werkselemente außerhalb der Baustelle
bzw. Pfeiler zu koppeln. Beispielsweise sind verknüpft [Girmscheid/Prade, 1993].
die Lager auf dem Pfeiler i (Bild 9.1.5‑22) Aus der Übertragung technischer und
beim Verschieben von Phase 2 nach 3 so organisatorischer Merkmale der stationä-
stark belastet, dass sie durch vier Hilfspres- ren Industrie auf die Bauindustrie lässt sich
9.1 Betonbrücken 869

Bild 9.1.5‑22   Vorschubzustände – Einwirkungen auf Über- und Unterbauten

ein zusätzlicher Kostenvorteil erzielen, der tung der stationären Produktionsstätte


aber nur dann zu greifen scheint, wenn die (Schalung, Hebegeräte usw.) und der Bau-
Überbausegmente in großen Stückzahlen stelle (Transport-, Hebe- und Verlegegeräte
gefertigt werden, um die nicht unerhebli- usw.) aufzufangen.
chen Vorkosten für die maschinelle Ausrüs-

9.1.5.5.1 Bedingungen für die Anwendung


im europäischen Baumarkt

Die Frage, ob das Anwendungsfeld der Seg-


mentbauweise auch auf kleinere und mitt-
lere Brückenbauwerke auszuweiten ist und
unter welchen Bedingungen sich der Ein-
satz als lohnend erweist, führt zu folgenden
Überlegungen:
• Grundsätzlich kann die Segmentbau­
weise mit angepasster baubetrieblicher
Technik und Logistik auch für kleine
und mittlere Brückenbauwerke wett­
bewerbsfähig eingesetzt werden. Denn
gerade bei mehrfeldrigen Brückensyste-
men, die man auf einem Lehrgerüst oder
Verlegeträger in Ortbeton erstellen wür-
Bild 9.1.5‑23   Bauhilfs- und Stabilisierungsmaß- de, kann die Herstellung und das oft
nahmen beim Verlegen und Vorspannen aufwendige feldweise Umsetzen der
870 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Scha­lung entfallen. Das Verschieben der ihrer Kostenrelevanz nicht zu unter-


vereinfachten Lehrgerüste oder Vor- schätzen. Die Segmentbauweise bietet
schubträger ist zwar weiter erforderlich, hier den bereits erwähnten Vorteil, dass
dennoch lassen sich die Vorteile einer die eigentliche Bau- bzw. Unterhaltszeit
kostengünstigen Produktion des Über- und damit auch die Zeit der Verkehrs-
baus mit der Verkürzung der Bauzeit behinderung bei Sanierungsmaßnah-
verbinden. men verkürzt wird. Der Brückenunter-
• Es ist unerheblich, ob die Fertigung für halt wird durch die externe Vorspannung
ein großes oder mehrere kleine Brü- erleichtert, da ein Nachspannen oder
ckenbauwerke erfolgt, solange die ein- Auswechseln von Spanngliedern mög-
zelnen Baustellen voneinander bzw. von lich ist. Die externe Vorspannung be-
der Fertigungsstätte der Überbauseg- günstigt zusätzlich die Möglichkeit zur
mente nicht zu weit entfernt liegen. Brü- vereinfachten Demontage und Rückge-
cken über Autobahnen erfüllen häufig winnung einzelner Segmente bzw. gan-
diese Forderung, zumal sie sich in ihren zer Brückenabschnitte.
geometrischen Randbedingungen weit- • Innerhalb der angestrebten langen Nut-
gehend ähneln. Daher sind sie trotz ihrer zungsdauer von Brückenbauwerken sind
geringen Bauwerkslängen mit einer zen- Nutzungsänderungen nur über einen
tral angeordneten Segmentfertigung erhöhten baulichen Aufwand zu berück-
wirtschaftlich zu realisieren. sichtigen. Die externe Vorspannung er-
• Die Frage nach den Kosten einer Bau­ laubt in diesem Fall durch sukzessives
maßnahme steht im Mittelpunkt bei der Erhöhen der Vorspannkraft bzw. das
Wahl einer geeigneten Bauweise. Neben Einziehen weiterer Spannglieder die
den eigentlichen Baukosten kann die Seg- einfache und schnelle Anpassung an sich
mentbauweise in manchen Fällen dazu ändernde Einwirkungen.
beitragen, Baunebenkosten, die aus einer
Wechselwirkung der Baumaßnahme mit Zusammenfassend stellt sich die Segment-
der Umwelt entstehen, zu vermindern. bauweise unter bestimmten Randbedin-
Beim Bau von innerstädtischen Brücken gungen auch im europäischen Baumarkt
und beim Um- bzw. Ausbau von Auto- als ein attraktives Bauverfahren dar, wel-
bahnbrücken erweist sich daher die Seg- ches auch bei kleineren und mittleren
mentbauweise durchaus als Alternative Brückenbauprojekten zu einer Senkung
gegenüber anderen Bauverfahren, denn von
die Kosten aus der Verlegung und Behin- • Investitions- und Kapitalkosten
derung von Verkehrsströmen hoch fre- • Fertigungskosten
quentierter Straßen können infolge der • Baunebenkosten
schnellen Baudurchführung gesenkt so- • Unterhaltskosten
wie die Akzeptanz der Betroffenen erhöht • Schadenfolgekosten und
werden. • Nutzungsänderungskosten beitragen
• Neben den Kosten, die während der kann.
Baumaßnahme entstehen, finden immer
stärker die späteren Folgekosten Ein- Damit die wirtschaftlichen Vorteile des
gang bei der Entscheidung für eine Bau- Segmentbrückenbaus für Bauvorhaben im
weise, denn ein aufwendiger Unterhalt Bereich kleiner und mittlerer Bauwerks-
und die ebenfalls häufig mit einer Ver- längen in ganzem Umfang zum Tragen
kehrsbeeinflussung verbundene Sanie- kommen, bedarf es einiger Voraussetzun-
rung von Brückenbauwerken sind in gen:
9.1 Betonbrücken 871

• einer Projektplanung, die sich an den 9.1.5.6 Segmentbauweise


Erfordernissen des Bauverfahrens orien- als Fast-Track-Project
tiert
• eines Bauprozesses, der einen technisch Grundlage für die Charakterisierung eines
und organisatorisch reibungslosen Ab- Bauvorhabens als Fast-Track-Project bildet
lauf garantiert das Verständnis über die Produktionsstruk-
• eines einfachen und leicht zu verändern- tur der Segmentbauweise. Die markanteste
den Verfahrens für die Segmentherstel- Merkmalsausprägung eines Fast-Track-
lung, um auch kleine Serien wirtschaft- Projects [Girmscheid, 1996], [Girmscheid/
lich fertigen zu können Hartmann, 1999] die enorm kurze Ferti-
• eines Vermessungs- und Kontrollkon- gungsdauer, liegt in der Ausnutzung der
zepts, das eine den Anforderungen ent- bautechnologischen Eigenschaften der Seg-
sprechend hohe Maßgenauigkeit gewähr­ mentbauweise begründet.
leistet Die Segmentbauweise hebt sich gegenü-
• einer durchdachten Organisation der ber anderen Bauweisen dadurch hervor,
Logistik dass das Brückenbauwerk in Einzel­bau­
• eines einfachen, schnellen und modifi- teile aufgeteilt wird, die sich oft wieder­ho­len
zierbaren Montageverfahrens, damit der und in Form und Abmessungen weit­gehend
Zeit- und Kostenvorteil der Vorfertigung identisch sind. Als Folge lässt sich der Bau-
erhalten bleibt prozess (Produktionsprozess) in verschie-
dene Fertigungsprozesse (Bild 9.1.5-24)
Grundlegende und vergleichende Betrach-
gliedern, die sich wiederum aus ver­
tungen beschäftigen sich nachfolgend mit
schiedenen Teilprozessen zusammensetzen
den Wegen zur Erfüllung dieser Vorausset-
[Fiedler, 1991]. Zum einen sind diese Teil-
zungen und sollen Entscheidungshilfen
prozesse durch zyklisch aufeinanderfolgen-
für den effizienten Einsatz der Segment-
de Arbeitsvorgänge charakterisiert und zum
bauweise geben.
anderen durch ihre teilweise, die Ferti-

Bild 9.1.5‑24   Zyklus des Fertigungsprozesses Überbau


872 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.5‑25   Bauprozessgliederung des Segmentbrückenbaus (Überbau)


9.1 Betonbrücken 873

gungstiefe auf der Baustelle verringernde hängig von den Baustellengegebenheiten


Verlagerung auf baustellenunabhängige und den vorherrschenden Witterungsver-
Produktionsstätten. hältnissen. Parallelisierte Abfolgen von
Danach unterteilt sich der Bauprozess einzelnen Arbeitsvorgängen innerhalb der
Segmentbrückenbau in die beiden Ferti- Teilprozesse sind ebenfalls möglich, wobei
gungsprozesse Unterbau und Überbau, zudem durch die zyklische Wiederkehr der
wobei der zuletzt genannte Fertigungs­ Arbeitsvorgänge und ihre hohe Mechani-
prozess sich aus den beiden Teilprozessen sierung industrielle Produktionsmethoden
Segmentherstellung und Segmentmontage erreicht werden können, die schließlich zu
zusammensetzt. In Form der repetitiven einer weiteren zeitlichen Ersparnis (Zeit-
Arbeitsvorgänge Bewehren, Schalen, Be­ gewinn ∆t2) gegenüber der Ortbetonbau-
tonieren, Quervorspannung und Nach­ weise führen [Girmscheid/Hartmann,
behandlung wird der Teilprozess Segment­ 1999].
herstellung in die baustellenunabhängige
Vorfertigung verlagert. Bei dem auf der
Baustelle ablaufenden Teilprozess Seg- 9.1.5.6.2 Zeitgewinn aus parallelen
mentmontage verringert sich die Anzahl Projektphasen
der gleichfalls repetitiven Arbeitsvorgänge
auf das Segmentverlegen, die Längsvor- Eine wirtschaftlich orientierte Nutzung in-
spannung und den Verschub des Ver­ dustrieller Produktionsmethoden im Bau-
legegerüsts. Den Ablauf der Fertigung wesen setzt die konsequente Umsetzung
­unterstützend und sichernd kommen so- ihrer technischen und organisatorischen
wohl ­bei der Segmentherstellung als auch Merkmale voraus. Dies kann erreicht wer-
bei ­der Segmentmontage noch die Tran­s­ den durch parallisierte Projektphasen, mit
port­prozesse, die Kontrollprozesse sowie­ einer an den Produktionsmethoden orien-
die Wartungs- und Lagerprozesse hinzu tierten Planung der Bauwerkskonstruktion
(Bild 9.1.5‑25). und der Bauverfahren. Nur so gelingt die
weitgehende Standardisierung der einzel-
nen Fertigungsvorgänge, die Nutzung ihres
9.1.5.6.1 Zeitgewinn aus parallelen Fertigungs- Mechanisierungspotentials, ihre optimale
prozessen und industriellen Produktionsmethoden Verknüpfung untereinander und der geziel-
te Einsatz der Produktionsmittel. Unter der
Im Vergleich zur konventionellen Ortbe- Voraussetzung von Totalunternehmerver-
tonbauweise mit ausschließlicher Baustel- trägen kann dieses Ziel der fertigungsori-
lenfertigung ist in der Segmentbauweise entierten Planung durch die Übertragung
eine wesentliche Zeitersparnis zu erzielen der Ausführungsplanung in die Verant-
(Bild 9.1.5-26). wortlichkeit des Bauunternehmens ver-
Laufen bei der konventionellen Ortbe- wirklicht werden [Girmscheid, 1996]. Da-
tonbauweise die beiden Fertigungsprozesse durch wird sichergestellt, dass der Erkennt-
Unterbau und Überbau nacheinander ab, nisgewinn aus früheren Baumaßnahmen
wird mit der Segmentbauweise ihre paral- direkt in die Planungsphase des neuen
lele Abfolge möglich (Zeitgewinn ∆t1). Das ­Bauvorhabens zurückfließt. Gleichzeitig
heißt, bereits während der Erstellung der eröffnet sich dem Bauunternehmen die
Unterbauten kann mit der Herstellung der Möglichkeit, Planung und Bauausführung
einzelnen Überbausegmente in der Vorfer- parallel verlaufen zu lassen. Das heißt, ohne
tigung begonnen werden. Dabei ist die Seg- dass das gesamte Brückenbauwerk voll­
mentproduktion im Grunde völlig unab- ständig geplant und konstruiert ist, können
874
9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.5‑26   Zeitgewinn aus parallelen Fertigungsprozessen und industriellen Produktionsmethoden


9.1 Betonbrücken
875

Bild 9.1.5‑27   Zeitgewinn aus parallelen Projektphasen


876 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

bereits einzelne Bauabschnitte erstellt • vorausschauend Grundlagen zu schaffen


­werden. sind, die das Einbinden von späteren
Zum Zeitvorteil infolge der Produkti- Planungsänderungen erleichtern.
onsstruktur der Segmentbauweise (Zeitge-
winn ∆tFertigung) kann somit ein weiterer Des Weiteren muss zwischen den einzelnen
Zeitvorteil aus der Parallelität von Planung Planungsteams, den genehmigenden Stellen
und Ausführung (Zeitgewinn ∆tPlanung) tre- und der Bauausführung der Informations-
ten. Koppelt man beide Zeitvorteile, kann fluss in der Form organisiert werden, dass
die Gesamtdauer eines Bauvorhabens durch die wesentlichsten Informationen rechtzei-
den frühzeitigen Beginn und durch die tig und präzise fließen.
Verkürzung der Ausführungsphase erheb- Die angedeuteten komplexen Anforde-
lich verkürzt werden (Bild 9.1.5-27). rungen an das Management der Ausfüh-
Die Anforderungen, die sich durch das rungsplanung lassen sich nur erfüllen,
Überlappen von Ausführungsplanung und wenn die Planungsbeteiligten die Zusam-
Bauausführung an das Planungsmanage- menhänge zwischen getroffener konstruk-
ment ergeben, sind enorm hoch. Bedingt tiver und bauverfahrenstechnischer Vorge-
durch das abschnittsweise Planen und Er- hensweise und deren Auswirkung auf die
richten des Bauwerks fordert das ständige nachfolgenden Entscheidungen erkennen,
Wechselspiel zwischen den konzeptionel- beurteilen und ihr Handeln in wirtschaftli-
len Aufgaben der Ausführungsplanung cher Weise daran ausrichten können. Sie
[Girmscheid, 1996] müssen die Bauverfahren voll beherrschen
und projektphasenübergreifend eingespiel-
• Erstellen des technischen Konzepts: Ein- te Teamstrukturen aufweisen.
binden von Normen, Spezifikationen
und Vorschriften usw.
• Festlegen des Tragwerkkonzepts: stati- 9.1.5.6.3 Schlussfolgerungen
sche und konstruktive Berechnung des für die Wirtschaftlichkeit
Brückenbauwerks, Anfertigung der Aus-
führungszeichnungen usw. Bisher wurde die Charakterisierung von
• Aufstellen des optimalen baubetriebli- Bauvorhaben in Segmentbauweise als Fast-
chen Konzepts: Planung der Segmenther- Track-Project in erster Linie über die Leis-
stellung und Segmenttransport, Entwurf tungsfähigkeit dieser Bauweise während der
und Einsatz der Verlegegeräte, Berech- Bauwerkserstellung vorgenommen. Dabei
nung der Montagezustände usw. resultieren die enorm kurzen Ausführungs-
die strikte Einhaltung genau zu definierender phasen nicht aus einer kapazitiven Erhö-
Planungsschritte und -abläufe, die in eine hung der Produktionsfaktoren, sondern
Terminplanung einzubetten sind, die exakt liegen begründet in der Produktionspro­
festlegt, wer, was und wann planerisch um- zessstruktur dieser Bauweise. Infolgedessen
zusetzen hat. Dafür ist es unabdingbar, dass zeichnet sich im Vergleich der Segment-
bauweise mit einer konventionellen Ort­
• an der Abschnittsbildung des Bauwerks betonbauweise die im Bild 9.1.5‑28 aufge-
orientierte Planungspakete aufgestellt zeigte Abhängigkeit der Fertigungskosten
werden, von der Fertigungsdauer ab.
• der jeweilige Planungsstand hinreichend Setzt man ein gleiches Kostenminimum
dokumentiert ist, bei beiden Bauweisen voraus (Fertigungs-
• die Planverteilung an Prüfer, Baustelle, kosten k1), wird ersichtlich, dass die kon-
etc. überwacht und gesteuert wird und ventionelle Ortbetonbauweise, um das Bau­
9.1 Betonbrücken 877

Bild 9.1.5‑28   Abhängigkeit der Fertigungskosten von der Fertigungsdauer

projekt im selben kurzen Zeitraum abwi- bung anpassungsfähiger, unterhaltsfreund-


ckeln zu können wie die Segmentbauweise licher und dauerhafter Brückenbauwerke
(Fertigungsdauer t1), aufgrund der not- beinhalten.
wendigen Erhöhung der bereitzustellenden
Kapazitäten ein Mehr an Kosten (Ferti-
gungskosten k3) verlangt. Erhält der Reali- 9.1.5.7 Zusammenfassung
sierungszeitraum einer Baumaßnahme bei
der Wahl einer Bauweise entscheidendes Die Segmentbauweise mit externer Vorspan-
Gewicht, wird das Ziel einer kurzen Ferti- nung hat als Brückenbauverfahren in den
gungsdauer auch bei einer Erhöhung des letzten Jahren zunehmend an Bedeutung
Kostenminimums der Segmentbauweise gewonnen. Die Gründe für diesen Trend
(Fertigungskosten k2) kostengünstiger zu liegen zum einen in den konstruktiven und
erreichen sein als mit der konventionellen baubetrieblichen Verbesserungen des Bau-
Ortbetonbauweise. verfahrens, wie z. B. der Entwicklung der Fu-
Bezieht man die weiteren bereits er- gen- und Vorspanntechnik, dem Produkti-
wähnten Kostenreduzierungen (s. Abschnitt onsprozess und zum anderen in der Realisie-
9.1.5.5.1) bei der Suche nach der optimalen rung als Fast-Track-Project. Neben den Ein-
Bauweise mit ein, wird die Segmentbau­ satzkriterien für Großprojekte wurden auch
weise auch bei geringerer Wichtung der Einsatzkriterien aufgestellt, die es ermögli-
Fertigungsdauer ihre Wirtschaftlichkeit bei- chen sollen, die Segmentbauweise in ihrem
behalten können. Die Kennzeichnung als Anwendungsbereich auch für kleinere und
Fast-Track-Project lässt sich nunmehr auf mittlere Brückenlängen als eine wirtschaftli-
Bauvorhaben erweitern, die neben einer ex- che und dauerhafte Bauweise einzusetzen.
trem kurzen Fertigungs-, Unterhalts- und
Umnutzungszeit die Errichtung und Betrei-
878 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

9.1.6 Schrägkabelbrücken rüst nachzieht. Voraussetzung für die Um-


setzbarkeit einer Kletterschalung ist der Ein-
9.1.6.1 Herstellung der Pylone bau von entsprechenden Vorlaufankern.
Die Merkmale einer Kletterschalung
Bei den Stahlbetonpylonen wird zwischen sind:
A-Pylon und H-Pylon unterschieden.
• Die Fertigung bzw. der Steigrhythmus
Die vertikalen Bauteile der Pylone wer-
erfolgt abschnittsweise. Die Kletter-
den mittels Kletterschalung etappenweise
schritte bleiben meist gleich groß. Die
hergestellt. Die Kletterschalung wird nach
Schalung besteht aus einzelnen, groß­
dem Erhärten des Betons mit Hilfe eines
flächigen, modular zusammengebauten
Krans oder einer Kletterautomatik auf den
Elementen und umfasst jeweils einen����
Py-
unmittelbar folgenden Betonierabschnitt
lonstiel. Die Größe wird begrenzt durch
umgesetzt (Bild 9.1.6-1). Die
����������������
Kletterauto-
die Tragkraft der vorhandenen Hebege-
matik funktioniert nach dem Schreitwerk-
räte. Öffnungen und Einbauteile lassen
prinzip und besteht neben dem Selbstklet-
sich sauber einbauen. Schalungsumbau-
tergerüst aus einer Kletterstange oder einem
ten für sich verändernde Abmessungen
Kletterrahmen. Das selbstständige Klettern
und Wanddicken sind möglich.
erfolgt mittels hydraulischen Hubwerks,
• Der Arbeitsrhythmus ist diskontinuier-
welches sich auf die Kletterschiene oder den
lich, aber zyklisch. Ein Zyklus besteht
Kletterrahmen abstützt und das Kletterge-
aus:
– Klettergerüst mit Schalung in Etap-
pen umsetzen und verankern
– Ausrichten der Innen- bzw. Außen-
schalelemente (die Außenseite bleibt
für die Bewehrungsarbeiten meist
offen)
– Bewehrung einbauen
– Außenschalelemente vorfahren, Scha-
lung schließen, ausrichten (Spindeln
dienen zum Ausrichten der Schal­
elemente beim Einschalen und zum
Abrücken beim Ausschalen), mit Scha-
lungsankern verspannen
– Betonieren (von der oberen Arbeits-
bühne aus)
– Nach dem Erreichen der Ausschalfes-
tigkeit werden Außen- und Innen-
schalung zurückgefahren
– Klettergerüst mit Schalung in Etappe
n + 1 umsetzen und verankern.
Waagrechte Arbeitsfugen sind im Pylonbau
unvermeidbar, da in Etappen betoniert
wird, doch können diese bewusst ausgebil-
det und angeordnet werden. Der Rationali-
Bild 9.1.6‑1   Kletterschalung Pylonstiel [PERI sierungseffekt des Kletterschalungsprinzips
GmbH] liegt weitgehend in der zeitlichen und ar-
9.1 Betonbrücken 879

beitskraftmässigen Übereinstimmung der Außenschalung an der Pylonbeininnen­


durchzuführenden Einzelarbeiten, weshalb seite unterhalb des Damms. Dann werden
die Kletterbauweise in konsequentem Ar- die beiden U-förmigen horizontalen Rah-
beitstakt erfolgt. men verbunden (Bild 9.1.6-2). Anschlie-
ßend wird beim etappenweisen Weiterklet-
tern die Schalung sukzessive umgebaut, bis
9.1.6.1.1 A-Pylon die vertikale Außenlinie des Verankerungs-
stiels des Pylons erreicht ist. Für diesen Be-
Die beiden Beine des A-Pylons werden je reich ist meist eine Spezialinnenschalung
mit einer selbst schreitenden Kletterscha- erforderlich, um die Ankerauflager für die
lung hergestellt. Das Schreiten von einer Kabel auszubilden. Zu diesem Zweck wird
Etappe zur anderen kann mit Hilfe eines für den oberen Verankerungsstiel der Pylo-
Klettergerüsts oder mittels eines, im Inne- ne eine neue Innenschalung eingehoben
ren des Hohlquerschnitts angeordneten, (Bild 9.1.6-7). Es ist besonders wichtig, dass
Schreitschnabels erfolgen (Bild 9.1.6-2). diese Schalung so ausgelegt wird, dass vor-
Hierbei muss beachtet werden, dass die A- gefertigte Aussparungselemente für die
Pylonbeine bis zum Zusammenführen im Anker und die Ankertrompeten möglichst
Dammbereich als Kragarme auf Biegung einfach eingesetzt und befestigt werden
beansprucht werden (Bild 9.1.6-3). Daher können, da sich die horizontalen und verti-
muss die ideelle Herstellachse um die ne­ kalen Einstellwinkel der Aussparungsele-
gative Verformung aus Eigenlast sowie mente und Ankertrompeten von Einbau-
Schwinden und Kriechen des Betons stelle zu Einbaustelle verändern. Der Ein-
­überlagert, d. h. überhöht werden. Je nach bau muss sehr präzise von der Innenscha-
Neigung der A-Pylonbeine ist eine tempo- lungsseite her erfolgen. Diese umfangrei-
räre horizontale Zwischenaussteifung­ chen Arbeiten erfordern zusammen mit
(Bild 9.1.6-4) erforderlich, um das Krag- dem Einbau der Spaltzugbewehrung (meist
armmoment und die Verformung klein zu ist auch eine Spaltzugvorspannung anzu-
halten (Bild 9.1.6-5). Bei der Herstellung bringen) erheblich Zeit, so dass sich der
von A-Pylonen besteht die Schwierigkeit, Kletterprozess verlangsamt.
die beiden Kletterschalungen der Pylon­ Der Herstellungsablauf eines A-Pylons
beine im Dammbereich zu vereinen mit Verankerungsstiel (reine Stahlbeton-
(Bild 9.1.6-2) und anschließend den Veran- konstruktion) ist in den Bildern 9.1.6-2 bis
kerungsstiel herzustellen. Dies erfolgt meist 9.1.6-7 dargestellt.
in der Weise, dass die auf der Innenseite Um der Verlangsamung des Kletterpro-
­liegenden Außenschalungen nach dem Be- zesses am Pylonstiel im Verankerungsbe-
tonieren der letzten Etappe der Pylonbeine reich der Kabel entgegenzuwirken, ver-
vor dem Schalen des „Dammbereichs“ ste- wendet man häufig vorfabrizierte Stahl-
hen bleiben und nach der Verstärkung der bauelemente, d.h. einen Stahlbaukasten
Verankerung als Auflager für die „Damm- pro doppeltem Kabelpaar. In den Stahl-
schalung“ dienen. Die beiden restlichen baukastenelementen werden die Veranke-
Außenschalungen, bestehend aus je drei rungsplatten und Ankertrompeten bereits
Seiten, werden im „Dammbereich“ zusam- im Werk äußerst genau eingeschweißt, auf
mengeführt (Bild 9.1.6-6). Dabei werden der Baustelle präzise eingehoben, abge-
bei den horizontalen Aussteifungsrahmen setzt und vor Ort miteinander verschweißt
der Kletterschalung die jeweils gegenüber- (Bild 9.1.6-8). Mit dieser Maßnahme kann
liegenden verstellbaren Rahmenteile gelöst. die Bauzeit der meist zeitkritischen Pylon-
Diese verbleiben bei der stehenbleibenden herstellung reduziert und die Qualität des
880 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.6‑2   A-Pylon mit Verankerungsstiel


9.1 Betonbrücken 881

Bild 9.1.6‑3   Phase 1: Betonieren der V-förmigen Pylonbeine

Verankerungsbereichs verbessert werden, ment zu reduzieren. Dieser Querbalken


da aufgrund der Einbauelemente der Anker dient meist auch als Startplattform für die
und der dichten Bewehrungslagen in die- Freivorbauwagen des Streckträgers (Bild
sem Bereich das Einbringen von Beton sehr 9.1.6-4). Die Herstellung erfolgt in der
schwierig ist. Aus architektonischen Grün- Weise, dass in den Pylonbeinen schwere
den wird dieser Stahlverankerungsstiel häu- Verankerungen für die temporären Stahl-
fig mit einer Ortbetonverkleidung umhüllt abstützkonsolen eingelassen werden. Dann
oder mit Fertigteilen (örtliche Fugen) ver- werden die Abstützkonsolen eingehoben
kleidet (Bild 9.1.6-8). Der Zwischenraum und montiert. Anschließend werden die
wird für einen Treppensteg bzw. Aufzug ge- Rüstträger bzw. Rüstfachwerkträger mit­
nutzt. der Querbalkenschalung und dem Arbeits-
Unter der Fahrbahn (Streckträger) wer-
den bei A-Pylonen häufig Querbalken
eingebaut, welche die Spreizkräfte der Py-
lonstiele weitgehend aufnehmen, um die
Beanspruchung im Pylon und im Funda-

Bild 9.1.6‑4   Phase 2: Betonieren des Querbal- Bild 9.1.6‑5   Phase 3: Betonieren der A-förmi-
kens gen Pylonstiele
882 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.6‑6   Phase 4: Betonieren der Verbin-


dung der Pylonstiele (Dammbereich)

gerüst mittels Mobilkran eingehoben, auf


den beidseitigen Konsolen aufgelagert und
verankert. Auf der Rüstträgerkonstruktion
zwischen den beiden Pylonbeinen werden
anschließend die Seitenschalungen einge-
hoben, verlegt und gestellt (Bilder 9.1.6-4,
9.1.6-10 und 9.1.6-13). Nach dem Be­
wehren, Betonieren und Erhärten wird die
Abstützkonstruktion hydraulisch abge-
senkt und Schalung sowie Gerüst aus­
gebaut. Dieser Querbalken des Pylons
kann auch als Fertigteil mittels Schwimm-
kran oder Litzenhubgerät eingehoben
Bild 9.1.6‑7   Phase 5: Betonieren des Pylon-
­werden. kopfs (Verankerungsstiel) mit den Kabelveran-
kerungen

9.1.6.1.2 H-Pylon
ßenschalung, analog zur A-Pylonherstel-
Die Herstellung eines H-Pylons erfolgt wie lung. Bei H-Pylonen sind Querbalken meist
beim A-Pylon mittels Kletterschalung unter der Fahrbahn und im oberen Teil der
(Bilder 9.1.6-9 bis 9.1.6-11). Der Herstel- Pylonstiele oder am Pylonkopf als Kopf-
lungsablauf ist jedoch wesentlich einfacher, querbalken erforderlich. Die Herstellung
da keine aufwendigen Anpassungsarbeiten der Querbalken in Ortbeton erfolgt analog
an der Schalung erforderlich sind. Auch die wie bei den A-Pylonen beschrieben (Bilder
Herstellung des Verankerungsbereichs ist 9.1.6-10 bis 9.1.6-12). Die Querbalken kön-
einfacher, da pro Pylonstiel nur zwei Kabel­ nen auch als Fertigteile mittels Schwimm-
ebenen verankert werden. Der Einbau der kran und/oder Litzenhubgerät eingehoben
Verankerungselemente erfolgt in der Au- werden (Bild 9.1.6-13). Die Verbindung zu
9.1 Betonbrücken 883

Bild 9.1.6‑8   Stahlbauverankerungskörper eines Pylons mit Betonverkleidung

Bild 9.1.6‑9   Phase 1: Betonieren des Pylonunterteils mittels Kletterschalung

den Stielen erfolgt dabei mittels Ortbeton- nach Erreichung der Montageposition in
fuge. Nach dem Einbau des Querbalkens den vorbereiteten Verankerungen montiert
unter dem Streckträger kann der obere Fer- werden. Der Anschluss des Fertigteil-Quer­
tigteil- Querbalken oder Kopfquerbalken balkens an die Pylonstiele erfolgt mittels
auf dem unteren Querbalken zwischengela- gekoppelten Spanngliedern von Arbeits­
gert werden (Bild 9.1.6-13). Nach erreichter gerüsten aus. Die Spannglieder werden aus
Pylonstielhöhe wird der obere Querbalken Nischen von der Außenseite der Pylon­stiele
mittels Litzenhubgerät gehoben. Dabei kann eingeschoben und in den Ortbetonfugen
der Querbalken beidseitig an den tempo­ zwischen Pylonstiel und Fertigteil ge­
rären Montagekonsolen angehängt und koppelt. Dann werden die Fugen mit Ort-
884 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

9.1.6.2 Herstellung des Streckträgers


im Ortbetonfreivorbau

Die Herstellung des Streckträgers in Ort­


beton mittels Freivorbauwagen erfolgt in
Längsrichtung von den Pylonen ausge-
hend, symmetrisch, abschnittsweise und
alternierend in den folgenden Schritten
(Bild 9.1.6-14):
1. Ausrichten des Freivorbauwagens
2. Aufziehen und Verankern der Spannka-
bel im Pylon
3. Betonieren
4. Absenken der Schalung und verankern
der Spannkabel im Streckträger
5. Vorschieben des Freivorbauwagens
Der Freivorbauwagen besteht aus zwei ge-
genseitig verschiebbaren Einheiten, dem
Vorschubträger und dem Freivorbauwagen.
Diese Einheiten dienen als Schreit- bzw.
Vorschubeinrichtung. Der Vorschubträger
liegt auf den letzten erstellten Etappen des
Bild 9.1.6‑10   Phase 2: Betonieren des Quer-
balkens
Streckträgers auf und wird mit diesem tem-
porär verankert. Die Hauptträger der Frei-
vorbauwagen liegen längs zum Streckträger.
beton ausbetoniert und die Spannstäbe Man unterscheidet folgende Freivorbauwa-
bzw. Litzenspannglieder von der Pylon­ gensysteme (Tabelle 9.1.6-1):
außen­seite her vorgespannt. Bei der An-
• Oben liegende
wendung dieser Methode ist zwischen den
• Unten liegende
beiden Pylonstielen keine temporäre Aus-
steifung möglich. Ferner muss vor dem Die Vor- und Nachteile der beiden Freivor-
Hochziehen des oberen Fertigteil-Quer- bauwagensysteme sind in Tabelle 9.1.6-1
balkens oder -Kopfquerbalkens die Hubein- aufgeführt.
richtung an den Pylonstielen oder auf den
Köpfen der Pylonstiele installiert werden
(Bild 9.1.6-13). 9.1.6.2.1 Freivorbauwagen mit oben liegenden
Weiterhin ist es im Bauzustand manch- Hauptträgern
mal erforderlich, die beiden Pylonstiele
temporär durch Hilfsaussteifungsriegel ge- Der oben liegende Freivorbauwagen (Bild
genseitig auszusteifen (Bild 9.1.6-11). 9.1.6-15) besteht aus Längs- und Querfach-
werkscheiben, die den Schalungsrost tragen.
Das Längssystem besteht aus mindestens
zwei Fachwerkscheiben. Diese meist tra-
pezförmig angeordneten Längsfachwerk-
scheiben tragen meist im vorderen Bereich
zwei Fachwerkquerträger. An diesen obe-
9.1 Betonbrücken

A) B)
Bild 9.1.6‑11   Phase 3: Herstellung des oberen Teils des H-Pylons [Storda Bru, 2002]. A) Herstellung der Stiele im oberen Bereich des H-Pylons mit tem-
porärer Queraussteifung. B) Herstellung des Kopfquerbalkens in Ortbeton
885
886 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Unterer Querbalken Kopfquerbalken

Bild 9.1.6‑12   H-Pylon – Herstellung des unteren und oberen Querbalkens in Ortbeton [Sam­
chonpo Bridge, 2002]

ren Fachwerkquerträgern sind die unteren Der Vorschubträger unter den Fach-
Rüstquerträger abgehängt. Das Quersystem werkslängsscheiben muss ausreichend zur
besteht somit aus den Fachwerkquerträ- Aufnahme der Zug- und Reibungskräfte
gern, die am Obergurt der Längsfachwerk- während des Verschiebevorgangs des Frei-
scheiben angeordnet sind, und den beiden vorbauwagens in der Platte verankert wer-
unteren Fachwerkrüstquerträgern, auf de- den. Der Vorbauwagen ist im hinteren Be-
nen der Schalungskasten aufliegt. Die unte- reich mittels einer Klauenkonstruktion an
ren Fachwerkrüstquerträger sind an den den Vorschubträger gesichert. Diese Klau-
oberen Fachwerkquerträgern mittels Hän- enkonstruktion dient zur Sicherung wäh-
gestangen aufgehängt. Diese Hängestangen rend des Vorschubs gegen Kippen. Im vor-
können mittels doppelgreifenden Hohlkol- deren Bereich der Längsfachwerkscheiben
benpressen und damit der Schalungskasten ist eine Panzerrolleneinrichtung zum Ver-
auf- und abgesenkt werden. Die Fachwerke schieben angeordnet. Der�������������
Verschubvor-
müssen gegen seitliches Kippen ausrei- gang erfolgt meist mittels Zugstangen und
chend ausgesteift werden. Die Horizontal- Hohlkolbenpressen. In diesem Bewegungs-
und Vertikalkräfte sowie das Kragarmmo- zustand muss der Vorbauwagen mittels
ment des Freivorbauwagens müssen von Seilen oder Zugstangen gegen unkontrol-
dem vorher hergestellten Betonierabschnitt lierte Bewegungen insbesondere im Gefälle
aufgenommen werden. gesichert werden. Während des Betonierzu-
9.1 Betonbrücken

A) B)

Bild 9.1.6‑13   Montage der vorgefertigten Querbalken mittels Schwimmkran bzw. Litzenhubgerät [Second Seven Crossing Bridge, 1995]. A) Einheben
des Fertigteil-Querbalkens mittels Schwimmkran (links). Obere Querbalken wird mittels Litzenhubgerät (mittleres Bild) in Position gehoben, eingebaut
887

und verspannt (rechts). B) Oberer Fertigteil-Querbalken auf bereits eingebauten unteren Fertigteil-Querbalken abgesetzt
888 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

stands wird der Vorbauwagen mittels Zug-


stangen unterhalb der Fahrbahnplatte ne-
ben den Längsträgern mit lastverteilenden
Traversen verankert. Die meisten Vorbau-
wagen werden mit Gegengewicht zum
Schalungskasten im hinteren Bereich ausge-
rüstet. Damit ist eine Rückverankerung in
der Platte nur für das Betoniergewicht er-
forderlich.

9.1.6.2.2 Freivorbauwagen mit unten liegenden


Hauptträgern

Der unten liegende Freivorbauwagen (Bild


9.1.6-16) besteht aus Längsträgern bzw.
Fachwerkscheiben, die den Schalungskasten
tragen, und Querfachwerkträgern. Die Last-
abtragung des unten liegenden Freivorbau-
wagens an den Streckträger erfolgt über das
hintere Rollwerk bzw. Druckplatte und
Bild 9.1.6‑14   Herstellungsablauf des Streck- andererseits durch die beiden seitlichen
trägers Hängekonstruktionen. Das Kippmoment

Tabelle 9.1.6-1   Freivorbausysteme bei Schrägkabelbrücken – Vor- und Nachteile


Freivorbauwagen mit oben Freivorbauwagen mit unten liegenden
liegenden Hauptträgern Hauptträgern
Vorteile – Vorschubelemente sind in Sicht­ – Einfache Lager- und Verschubkon-
kontakt, damit höhere Sicherheit struktion, daher meist einfacher
handhabbar (KIS)
– Meist geringeres Gewicht durch
einfache Konstruktion
– Kabelverankerung kann im vorderen
Bereich des Elements angebracht
werden
– Keine Behinderung durch Abhänge-
querträger
– Freivorbau einfacher in der Kons­
truktion
Nachteile – Verankerungskonstruktion und – Vorschubelemente sind oben und
Verschubkonstruktion konstruktiv unten nicht gleichzeitig einsehbar,
aufwendig daher geringere Sicherheit
– Meist höheres Gewicht
– Schrägkabel und Abhängeträger
können sich behindern
– Verankerung muss sich daher oft am
hinteren Teil des Segments befinden
9.1 Betonbrücken 889

Bild 9.1.6‑15   Freivorbauwagen: oben liegende Längsträger – Interaktion Kabel – Längsträger

des Kragarms muss mittels Kräftepaar durch Vorschubträger werden im Randbereich des
den vorher hergestellten Brückenabschnitt Streckträgers, zwischen der Kabelebene und
aufgenommen werden, d. h. Druckkraftab- der Außen­kante der Betonkonstruktion an-
gabe am hinteren���������������������������
Auflager������������������
an der Streckträ- geordnet. Für das Verschieben des Freivor-
gerunterseite und Zugkraftannahme über bauwagens muss ausreichend Arbeitsraum
die Aufhängung des Freivorbauwagens mit- zur Kabel­ebene vorhanden sein. Im hinteren
tels U-förmigem Querfachwerkträger und Bereich des Freivorbauwagens wird unter-
klauenförmiger Auflagerkonstruktion am halb des Streckträgers ein integrierter Quer-
vorderen Auflager. Die Längsträger bzw. träger angeordnet. Zum Absenken und prä-
Längsfachwerkscheiben des Vorbauwagens zisen Ausrichten des Freivorbauwagens sind
tragen den Trägerrost des Schalungskastens. entsprechende Pressen zwischen der Aufla-
Diese Längsträger sind im mittleren Bereich gerkonstruktion des U-förmigen Querfach-
mit einem integrierten Querfachwerkträger, werkträgers und den Vorschubträgern anzu-
der U-förmig ausgebildet ist, verbunden. ordnen. Während des Betoniervorgangs
Mittels dieser U-förmigen Querträgerkons- müssen die Pressen auf einer Schraubspindel
truktion wird der unten liegende Freivor- abgesetzt werden. Ferner sind am hin­teren
bauwagen an den Längsvorschubträger des unteren Querträger Panzerrollen für den Ver­
vorherigen Bauabschnitts abgehängt. Die schiebevorgang vorgesehen. Während des
890 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.6‑16   Freivorbauwagen: unten liegende Längsträger – Interaktion Kabel – Längsträger

Betonierens wird der Kontakt zum vorheri- 1. Betonierabschnitte bzw. Freivorbaulän-


gen Brückenabschnitt mittels Pressen und gen aus Kabelabstand in Längsrichtung
Druckkraftspindeln an den hin­teren Lagern festlegen (möglichst äquidistant!).
des unten liegenden Freivorbauwagens 2. Anordnung von Vorschubträgern und
sichergestellt. Während des Betoniervor- Freivorbauhaupt- und Querträgern, so
gangs sind entsprechende Sicherungen dass die Verschiebbarkeit des Freivor-
gegen unbeabsichtigtes Verschieben des baugerüsts in den nächsten Abschnitt
Freivorbauwagens zu treffen. Der Verschub nach dem Spannen der Schrägkabel ohne
erfolgt meist mittels Zugstangen und Hohl- deren Behinderung gewährleistet ist.
kolbenpressen. In den Bildern 9.1.6-16 bis 3. Entwurfschema zur Anordnung des
9.1.6-18 wird die Anwendung dieses Kon- Schalungsrosts: Der Abstand des Scha-
zepts in der Praxis dargestellt. lungsrosts beträgt ca. 30–40 cm und
ergibt sich aus der relativen Durchbie-
gungsbegrenzung der Schaltafeln. Dieser
9.1.6.2.3 Entwurfsgrundsätze Rost muss meist auf einen Unterstützrost
für Freivorbaugerüste aus Stahlträgern aufgelegt werden, da
die Spannweite des Rosts aufgrund der
Folgende Vorgehensweise empfiehlt sich zulässigen Durchbiegung (vorgegebene
beim Entwurf eines Freivorbaugerüsts für Toleranzen) bestimmt wird. Die Richtung
Schrägkabelbrücken: des orthogonalen Rosts ergibt sich aus
9.1 Betonbrücken 891

Bild 9.1.6‑17   Sunnibergbrücke, CH (oben) [Batigroup, 1996-1998] Vasco da Gama Bridge, (un-


ten) [Bento Pedrodo Constr., 1995-1998]

der Länge des Be­tonierabschnitts bzw. Freivorbauwagens beim Vorfahren, mög-


aus dem Abstand der Hauptträger des lichst einfache Vorschubschritte ohne Ge-
Gerüstwagens (kürzeste statische Längen, fahr von Verankerungsfehlern, möglichst
keine Kräfte „spazieren führen“). ein statisches System ohne wechselnde
4. Kontrolle aller Lastfälle im Bauzustand. Gliederung, sowie eine leichte Konstrukti-
on aus Kostengründen.
Die übergeordneten Kriterien beim Ent- Bei der Konzeption der Arbeitsabschnit-
wurf sind die einfache Handhabung des te versucht man meistens, einen Wochen-
892 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.6‑18   Schalung abgesenkt und vorgeschoben zur Neuausrichtung

takt sicherzustellen. Der Wochentakt der • Axialkräfte können beliebig am Ka-


Streckträgerherstellung der Sunnibergbrü­ belende über Gewinde und Stirnflächen
cke (CH) ist in Bild 9.1.6-19 dargestellt. der Ankerhülsen aufgebracht werden,
jedoch nur beschränkt am PE-Hüllrohr
der freien Kabellänge.
9.1.6.3 Kabelmontage
Je nach Bauvorgang werden die Sattelele-
Die vorgefertigten Schrägkabel werden mente am Pylon vorgängig montiert oder
meist auf��������������������������������
Bobinen������������������������
gewickelt und abrollbe- gemeinsam mit dem aufliegenden Kabel
reit auf die Baustelle geliefert. Vom Zwi- zum Pylon gehoben (Bild 9.1.6-21). Die un-
schenlagerplatz werden sie zum Einbauort teren Sattelelemente werden in der Regel
transportiert und dort in das Abziehgerät vor dem Kabel­einbau auf dem Brückenträ-
eingesetzt. Die Temperatur des Kabels soll ger platziert (Bild 9.1.6-24). Folgende Vor-
beim Abrollvorgang mindestens 10 °C bereitungsarbeiten sind zur Installation der
­betragen. Beim Montieren von��������
PE-ver- Kabel erforderlich:
rohrten Kabeln sind zwei Grundsätze zu
• Installation der Arbeitsplattform an der
beachten:
Außenseite des Pylons auf der Höhe der
• Bei Ablenkstellen sind während der relevanten Trompete.
Montage der Kabel die Kabel mittels Sat- • Installation der Arbeitsplattform bei­
telelementen zu führen, um Knicke und der unteren Verankerung und außerhalb
sonstige Schäden des PE-Rohrs zu ver- der Betonplatte, unterhalb des Streck­
meiden. trägers, am oberen Ende der Trom­pete.
Samstag
Arbeitsschritte Donnerstag Freitag Sonntag Montag Dienstag Mittwoch

Betonieren Träger
Betonieren Platte (Total 36.5 m3)
9.1 Betonbrücken

Stirnschalung entfernen
Schalen

Vorschubträger für nächste Etappe positionieren


Freivorbauwagen vorfahren

Versetzen Trompetenrohr fallender (steigender) Vorbauast


Versetzen Trompetenrohr steigender (fallender) Vorbauast

Armieren fallender (steigender) Vorbauast


Armieren steigender (fallender) Vorbauast Abbinden, Aushärten Beton

Spannpressen montieren

Abrollen Schrägseile ab Bobine


Vorbereiten Schrägseile für Montage
Montage Schrägseile
Schrägseile spannen (4−6 Spannstufen mit V0 ca. 2200 kn)

Bild 9.1.6‑19   Wochenarbeitstakt Sunnibergbrücke (CH)


893
894 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

• Installation der Winde auf der Brücken- 9.1.6.3.1 Einhängen kurzer Kabel
platte und dem Zuggerät bei der Anker- im Pylonbereich
platte.
• Vorbereitung der Sicherungsmuttern bei Kurze Kabel in����������������������������
Pylonnähe������������������
können in der Re-
der oberen und unteren Verankerung. gel mit dem Turmdrehkran direkt einge-
hängt werden. Das freihängende Kabel wird
Folgende Montagegeräte sind erforderlich:
zuerst in die untere Trompete eingeführt,
• Arbeitsplattformen: Plattform an der evtl. provisorisch fixiert (Bild 9.1.6-20) und
Außenseite des Pylons zum Einführen anschließend zur Trompete im Pylon ge-
der Kabel in die Trompete und auf der schwenkt. Danach wird der obere Ankerkopf
gegenüberliegenden Seite zum Einzie- durch die Trompete eingezogen und gegen
hen und Abstützen des Ankerkopfs. die Ankerplatte gesichert (Bild 9.1.6-21).
Plattform bei der unteren Verankerung
für die Spannarbeiten unterhalb des
Streckträgers (Fahrbahn). 9.1.6.3.2 Einhängen langer Kabel
• Hebezeuge: Mobilkran zum Abladen der
Kabelbobinen und Einsetzen derselben Sobald Höhe, Arbeitsradius und Lastbereich
ins Abziehgerät (Kapazität: max. Trans- des Krans für die direkte Montage nicht
portgewicht der Kabel inkl. Bobine). mehr ausreichen, wird der Montagevorgang
Turmdrehkran, evtl. Winde zum Ein- umgestellt (Bild 9.1.6-22). Das obere Ka-
hängen der Kabel im Pylon. Mobiles belende wird mit dem Kran zum Pylon ge-
­Hebegerät auf der Brückenfahrbahn zum hoben, durch die Trompete eingezogen und
Umsetzen von Spanngeräten, Einlaufsät- mit Muttern oder Stützplatten verankert.
tel etc. und zum Anheben der Kabel beim Beim Freivorbau ist es oft günstig, mehrere
Einführen in die untere Trompete. Leich- Kabel (max. alle Kabel der nächsten Etappe)
tes Hebegerät bei der Verankerung im im Pylon vorgängig zu montieren. Das Ein-
Pylon zum Umsetzen der Einziehgeräte. ziehen der Kabel in den Pylon kann aber
Seilwinden mit Umlenkrollen: Seilwinde auch wie in Bild 9.1.6-23 dargestellt mit
zum Vorziehen des Kabels bis zum Ein- ­Kabelwinden, die am Pylonkopf ange­ordnet
tritt in die untere Trompete. sind, erfolgen. Die Kabel werden über den

Bild 9.1.6‑20   Einhängen kurzer Kabel im Pylonbereich


9.1 Betonbrücken 895

Bild 9.1.6‑21   Detail Pylonkopf – Verankerung

Bild 9.1.6‑22   Einhängen langer Kabel

Einlaufsattel in die Trompete des Streckträ-


gers eingezogen und soweit angespannt, bis
die Ankerhülse gegen die Ankerplatte ge­
sichert werden kann (Bild 9.1.6-24). Die
Geräte wie Pneukran, Winde und hydrauli-
sche Pressen werden den notwendigen Bild 9.1.6‑23   Verankerung im Pylon – Einzie-
Ziehkräften angepasst. hen der Schrägkabel
896 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.6‑24   Installation des Kabels am Streckträger – Untere Verankerung

Bild 9.1.6‑25   Pasco Kennewick Bridge, Columbia River, USA [Leonhardt et al., 1980]
9.1 Betonbrücken 897

Bild 9.1.6‑26   Ohio River Bridge USA, Portsmouth 1984

Bild 9.1.6‑28   Xiang Jia Tang Bridge, China


898 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.1.6‑27   New Ohio Bridge, USA, Portsmouth (Alternativentwurf)


9.1 Betonbrücken 899

Bild 9.1.6‑29   Houston Ship Channel Crossing


900 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

9.1.6.3.3 Spannvorgang 9.2 Stahlbrücken


Nach Beendigung der Montage werden­ Günter Ramberger
die Kabel nach Anweisung gespannt. Beim und Francesco Aigner
Außengewinde von Anker und Spann­
spindel ist ein kontinuierliches Anspannen 9.2.1 Werkstattfertigung
der Kabel möglich und, falls nötig, auch­
ein Nachlassen der Kraft. Die spannbare Die Einteilung des Querschnitts in Sekti-
Verankerung kann je nach Zugänglichkeit onen (siehe Bild 4.2.2-20) und die Eintei-
am oberen oder unteren Kabelende lung des Balkens in Felder bestimmt die
­an­geordnet werden. Bei großen Brücken Abmessungen der in der Werkstatt gefer-
ist dies meist unterhalb des Brücken­ tigten Einheiten (Bild 9.2.1-1).
trägers. Ihre Größe und ihr Gewicht ist auf die
Fertigungsmöglichkeiten der Werkstatt, auf
Transportweg und Transportmittel und auf
9.1.6.4 Kennwerte von typischen Schräg­
die Art und Tragfähigkeit der eingesetzten
kabelbrücken für Vorkalkulationszwecke
Hebezeuge bei der Montage abzustimmen.
Zur Vordimensionierung von Schrägka- Da Stahlbau immer Fertigteilbau ist, ist be-
belbrücken wird auf [Girmscheid, 1987-1] reits vom Beginn der Planung an die Werk-
verwiesen. Die überschlägige Kostener- stattfertigung und die Montage in die Über-
mittlung sowie die Kontrolle der Kalkula- legungen einzubeziehen, um kostengünsti-
tion kann anhand der Quadratmeterpreise ge Brückentragwerke herstellen zu können.
oder etwas genauer anhand der ermittelten Stahlbrücken sind überwiegend Blech-
Einheitsmassen abgeschätzt und kontrol- konstruktionen. Da heute auch die Festig-
liert werden. In den Bildern 9.1.6-25 bis keits- und Zähigkeitseigenschaften dicker
-29 sind für verschiedene Brückentypen Bleche bei tiefen Betriebstemperaturen hin-
solche Werte zusammengestellt. Die ange- reichend gut sind, kommen immer mehr
gebenen Werte beziehen sich auf die Ein- auch dicke Bleche zum Einsatz. Als Füge-
heit Quadratmeter Brückenfläche (Fahr- technik in der Werkstatt wird fast ausschließ-
bahn) bzw. Kubikmeter (Pylon, Streckträ- lich das Lichtbogen-Schmelzschweißen in
ger). Der Berechnung liegt die Lasteinwir- Form von Metall-Aktivgas (MAG-
kung nach ­AASTHO [Standard�����������
Specifica- )Schweißen und Unterpulver (UP-)Schwei-
tions, 1996] zugrunde. ßen verwendet. Die E-Handschweißung
mit umhüllten Elektroden wird von den ge-
nannten Verfahren wegen deren höherer
Abschmelzleistung zurückgedrängt.

Bild 9.2.1-1   Einteilung einer Brücke in Montagefelder, Rheinbrücke Düsseldorf-Oberkassel


[Beyer et al., 1977]
9.2 Stahlbrücken 901

Die überwiegenden Elemente für den Schweißköpfen, die in Längsrichtung über


Stahlbrückenbau sind längs- und quer aus- das Blech fahren. Die Heftnähte werden
gesteifte Bleche (orthotrope Platten und dabei überschweißt. Durch den tiefen Ein-
Scheiben). Die Bleche werden meist auf brand der UP-Schweißung wird auch der
CNC-gesteuerten Kreuzwagen-Brenn­ Spalt bei Trapezblechen aus der Schiefe der
schnei­de­maschinen auf Maß geschnitten. Trapezstege zugeschweißt und eine biege-
Diese Maschinen können auch mit Ankörn- steife Verbindung mit den Blechen erreicht
und Anreißvorrichtung ausgestattet sein, (siehe auch Bild 4.2.2-4).
die auch die Risse für Schweißnähte und die Für orthotrope Scheiben (Steg- und Bo-
Lochmitten für Bohrungen an den Blechen denbleche) können die Quersteifen auch an
anzeichnen. Schweißnahtvorbereitungen der den Längssteifen gegenüberliegenden
an den Kanten für V-, X-, K- und Steilflan- Blechseite angeordnet werden. Dadurch
kennähte werden meist beim Ausschneiden werden Durchdringungen vermieden und
der Bleche durch Schiefstellung der Brenner die Werkstattfertigung vereinfacht (Bild
oder durch Schneiden mit mehreren Bren- 9.2.1-2, 9.2.1-3).
nern in einem Arbeitsgang angefertigt. Für orthotrope Fahrbahnplatten und für
Warmgewalzte Profile für Längssteifen orthotrope Scheiben von Steg- und Boden-
(Flachstähle, Wulstflachstähle, halbierte blechen mit glatten Außenseiten liegen die
I-Profile) werden entweder auf genaues Querträger bzw. Steifen auf der Seite der
Maß zugeschnitten bestellt (Aufpreis) oder Längsträger bzw. Steifen. Dazu werden die
auf der Säge, auch im Paket, geschnitten. Stege der meist T-förmigen Querträger so
Kaltprofile für dreiecks- oder trapezförmige ausgeschnitten, dass sie auf die Längsträger
Steifen werden entweder als kaltgewalzte aufgekämmt und dabei Höhentoleranzen der
Profile gekauft oder durch Abkanten herge- Längsträger ausgeglichen werden können.
stellt. Da die Abkantbänke der meisten Die Querträgerstege werden mit den Quer-
Werkstätten kürzer als die Feldlängen der gurten vorher mit Kehlnähten verschweißt.
Lieferteile sind, werden die abgekanteten Die Verbindung der Querträgerstege mit
Profile vorab zu längeren Einheiten stumpf dem Blech und den Längssteifen erfolgt meist
zusammengeschweißt. Kaltgewalzte Profile mit MAG-geschweißten Kehlnähten.
haben auch weitaus geringere Abmessungs- Jede Kehlnaht erzeugt einen Schrumpf
toleranzen als abgekantete Profile. Offene des Blechs um 0,1 bis 0,3 mm, abhängig von
Steifen werden zunächst mit dem Blech der Dicke a der Naht und dem gewählten
mit Heftnähten (20–30 mm lang, ca. 400– Schweißverfahren. Da alle orthotropen
800 mm Abstand) verbunden. Geschlosse- Fahrbahnplatten viele Kehlnähte aufwei-
ne Profile können direkt auf das Blech ge- sen, sollte diese Tatsache durch eine nach
stellt werden und in größeren Abständen der Erfahrung gewählte Breitenzugabe be-
geheftet werden. Für die Einhaltung der rücksichtigt werden.
Passgenauigkeit und damit für die Verein­ Querstöße von Blechen werden übli-
fachung der Fertigung ist wichtig, dass die cherweise vor dem Zuschnitt der Gesamt-
Längssteifen an den Kreuzungsstellen mit bleche gefertigt.
den Quersteifen genau auf Sollmaß sitzen Für die Verbindung von Steg- mit Deck-
und dort geheftet sind. Kleinere Abweichun- blechgurt und Bodenblech werden Kehl-
gen zwischen den Quersteifen sind ohne nähte verwendet. Meist genügt es, auch die
Bedeutung. Die Verbindung der Längsstei- Querträger mit Kehlnähten an die Stege
fen mit dem Blech erfolgt mit Kehlnähten. anzuschließen. Bei hoher Beanspruchung
Dazu eignen sich vorwiegend Unterpulver- in den Gurten und bei hohen Anforderun-
Schweißautomaten mit zwei oder mehreren gen an die Ermüdungsfestigkeit sind für
902

Bild 9.2.1-2   Querschnitt mit außenliegenden Steglängssteifen und innenliegenden Stegquersteifen, Nordsteg über die Donau in Wien [VA TECH VOEST
MCE]
9 Herstellung und Ausführungsmethoden
9.2 Stahlbrücken 903

Bild 9.2.1-3   Träger mit außenliegenden Steglängssteifen, Nordsteg über die Donau in Wien

Bild 9.2.1-4   Gurtlamellenab-
stufung [Thiele/Lohse, 1997]

den Anschluss durchgeschweißte Nähte Sprödbrüche im Nahtbereich vermieden


(K-Nähte) erforderlich (siehe Bild 4.2.2-1). werden. Thermomechanisch gewalzte Stäh-
Während früher die Anpassung der Dicken le mit einem aus­nehmend geringen CEV
der Untergurte an die Momentenlinie durch können auch bei großen Dicken ohne Vor-
Zulagelamellen erfolgte, wird heute diese wärmen verschweißt werden.
Anpassung durch die Wahl der Lamellendi- Besondere Beachtung ist jenen ge-
cke selbst durchgeführt (Bild 9.2.1-4). schweißten Stellen beizumessen, bei denen
Bleche mit einem Kohlenstoffäquivalent in Dickenrichtung des Blechs entweder aus
CEV ≥ 0,4 und Dicken ≥ 30 mm sollten vor äußeren Einwirkungen, aber auch aus der
dem Schweißen vorgewärmt werden, damit Belastung des Schweißschrumpfs Zugspan-
bei dicken Blechen die durch das Abfließen nungen auftreten. Durch die Einlagerung
der Wärme auftretende hohe Abkühlge- von Mangansulfiden und -oxiden, die beim
schwindigkeit und damit die Martensit- und Walzen in Walzrichtung entstehen, kann es
Bainit­bildung verringert wird, wodurch bei einem Schweißvorgang mit Zugspan-
904 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.2.1-5   Werkstattfertigung mit Rhönrad [Gerhards et al., 1982]

nungen in Dickenrichtung zum Aufschmel- genden Teils in einer Drehvorrichtung


zen der Mangansulfide und -oxide und zu ­(Rhönrad) kann dies wesentlich erleich-
Terrassenbrüchen kommen. Abhilfe schafft tern (Bild 9.2.1-5).
hier die Verwendung von Blechen, deren
Eigenschaften bei Beanspruchung in Di-
ckenrichtung garantiert werden, wie Bleche 9.2.2 Montage vorgefertigter Einheiten
Z15, Z25, Z35. Anleitung, welche Blech-
qualität verwendet werden sollte, gibt die Stahltragwerke haben gegenüber Ortbeton-
[ÖNORM EN 1993-1-10]. und Verbundtragwerken den entscheiden-
Schweißnähte werden bevorzugt in der den Vorteil, dass alle ihre Teile nach der
Wannen- oder in der Horizontalposition Werkstattfertigung voll tragfähig sind. Des-
her­gestellt. Die Lagerung des zu ferti- halb werden heute Stahltragwerke nie auf

Bild 9.2.2-1   Transport einer gesamten Brücke, Eisenbahnbrücke Sandträger-Weg, Düsseldorf


9.2 Stahlbrücken 905

vollständigen Lehrgerüsten hergestellt, da Ist das Tragwerk zu breit, kann eine


diese Methode unwirtschaftlich ist. Längsteilung des Brückenbalkens in zwei
Bei kleineren Brückentragwerken ist es oder mehrere Hauptträger die Montage ver-
manchmal möglich, das gesamte Tragwerk einfachen. Die Stöße zwischen den Haupt-
in der Werkstatt herzustellen, zur Baustelle trägern werden dann auf der Baustelle ge-
zu transportieren und dort mit Hilfe von schlossen. Auf diese Weise können auch
Hebezeugen (meist Mobilkränen) auf die zwischen den Hauptträgern liegende bzw.
Unterbauten zu legen (Bilder 9.2.2-1 bis an die Hauptträger anschließende Platten­
9.2.2-4). elemente feldweise angeschlossen werden.

Bild 9.2.2-2   Einheben einer gesamten Brücke mit zwei Autokränen, Eisenbahnbrücke Sandträger-
Weg, Düsseldorf

Bild 9.2.2-3   Einheben mit Autokran, Eisenbahnbrücke Sandträger-Weg, Düsseldorf


906 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.2.2-4   Einheben einer Fachwerkbrücke mit Schwimmkränen, Donaubrücke Krems

Bei Durchlaufträgern können die Haupt- Ist der Transport von Trägern in der
träger über die jeweils einzelnen Stützwei- Länge einer Stützweite nicht möglich, kön-
ten verlegt und anschließend geschlossen nen auch die Felder einer Stützweite zu
werden. Dabei ist in der Berechnung zu be- einem Vormontageplatz in der Nähe der
achten, dass die Hauptträgerfelder für die Baustelle transportiert werden, dort abge-
Belastung aus Eigenlast der Konstruktion legt, zusammengebaut und in diesem Zu-
als Einfeldträgerketten, nach dem Schlie- stand mit Hebezeugen eingesetzt werden.
ßen jedoch als Durchlaufträger wirken (Bil- Eine Sonderstellung nehmen hier Bo-
der 9.2.2-5 und 9.2.2-6). gentragwerke ein. Da Bogentragwerke erst

Bild 9.2.2-5   Einheben des Seitenfelds einer Mittelträger-Eisenbahnbrücke mit vier Schwimm­


kränen, Süderelbebrücke Hamburg, 3. Überbau
9.2 Stahlbrücken 907

Bild 9.2.2-6   Einheben des Mittelfelds einer Mittelträger-Eisenbahnbrücke mit vier Schwimmkrä-


nen, Süderelbebrücke Hamburg, 3. Überbau

Bild 9.2.2-7   Einschwimmen bzw. -schieben eines Langer’schen Balkens, Mittellandkanalbrücke


Brahmsche

im geschlossenen Zustand voll tragfähig cke nicht gestört, so können auch Hilfsstüt-
sind, wird immer angestrebt, das Tragwerk zen gestellt werden und die in der Werkstatt
komplett auf einzelnen Unterstützungen hergestellten Felder auf den Stützen gela-
zusammenzubauen und als eine Einheit gert und an Ort und Stelle zum Tragwerk
einzulegen. Dies kann nicht nur durch Ein- zusammengefügt werden.
heben mit Kränen, sondern auch durch Für alle Montagen mit vorgefertigten
Einschwimmen und Einschieben auf Wa- Einheiten ist die Einhaltung der geometri-
gen und/oder Schiff erfolgen (Bilder 9.2.2-7 schen Form sowohl für die Ästhetik als
und 9.2.2-8). auch bei statisch unbestimmten Systemen
In seltenen Fällen ist es auch möglich, für die Beanspruchung von entscheidender
das Tragwerk auf dem Untergrund her­ Bedeutung. Für die Werkstattfertigung und
zustellen und erst nachfolgend den Un­ für die Montage ist nicht die geometrische
tergrund unter dem Tragwerk abzutragen. Sollform des Bauwerks im Endzustand ein-
Ist das zu überbrückende Hindernis zuhalten, sondern die sich für den span-
nicht allzu tief oder wird durch Hilfsstützen nungslosen Zustand ergebende, aus der
die Benutzung der Flächen unter der Brü- Sollform abgeleitete Werkstattform.
908 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.2.2-8   Montage eines Langer‘schen Balkens, Donaubrücke Schwabelweis [Carl et al., 1982]
9.2 Stahlbrücken 909

Die richtige Form eines Felds wird durch Noch besser ist es natürlich, wenn die-
die richtige Form der formgebenden ses Verfahren nicht nur auf jeweils zwei,
­Elemente, das sind die Stegbleche, erreicht. sondern auf mehrere hintereinander lie-
Zur Erzielung der richtigen Form und der gende Felder angewendet wird. Die Maße
richtigen Länge des aus Feldern zusam- der zusammengelegten Felder sind durch
mengesetzten Trägers müssen die Felder, Passmarken oder Passlaschen zu sichern.
zumindest deren formgebende Elemente Die Verbindung der einzelnen Felder
(Hauptträger), in der richtigen Form zu- erfolgt entweder durch Schweißung oder
sammengelegt werden. Um Längenfehler durch GV-Verschraubung. Schweißen wird
(z. B. aus Schweißschrumpf) ausgleichen vor allem im Bereich der Fahrbahnplatten
zu können, wird üblicherweise ein Ende angewendet, da Laschen und Schrauben-
auf Maß abgelängt, das andere Ende mit köpfe die Dicke des Fahrbahnbelags ver-
planmäßiger Überlänge (30 bis 50 mm) ge- mindern und sich in den Belag durchdrü-
fertigt. Zwei aufeinanderfolgende Haupt- cken. Schraubenverbindungen haben den
träger werden entweder in der Werk­statt Vorteil, dass sie meist schon bei teilweiser
oder auf einem Vormontageplatz oder bei Verschraubung für die Montage ausreichen-
Auflagerung auf Hilfsstützen direkt bei de Tragfähigkeit aufweisen und dass Ferti-
der Montage so zusammengelegt und hö- gungsungenauigkeiten leichter ausgeglichen
henmäßig eingerichtet, dass die Sehnen­ werden können. Bei GV-Schraubenverbin-
stiche h1 und h2 den Stichen der Werkstatt- dungen kann auch durch die Verwendung
form entsprechen. Dann wird das Istmaß von reibfesten Anstrichen in den Berüh-
list vom ersten zum letzten Querträger rungsflächen der gesamte Korrosionsschutz
genommen und mit dem Sollmaß lsoll ver- in der Werkstatt aufgebracht werden.
glichen. Die Differenz ∆ = list – lsoll ist je­ Das Verbinden der Teile durch Schwei-
nes Maß, mit dem vom abgelängten Ende ßung an der Baustelle erfordert höhere
aus das andere Ende mit Überlänge an­ Anforderungen an die Schweißer als das
gerissen und abgeschnitten wird. Damit Schweißen in der Werkstatt, da die Teile in
wird sichergestellt, dass sowohl Stichmaße der jeweiligen Zwangsposition (auch stei-
zwischen aufeinander­folgenden Schüssen gend und über Kopf) verbunden werden
als auch die Längenmaße stimmen (Bild müssen. Schweißen stellt auch gegenüber
9.2.2-9). einer Laschenverbindung die homogenere
Verbindung der Teile ohne Kräfteumlei-
tung dar. In Ausnahmefällen können auch
Schweißnähte blecheben geschliffen wer-
den, so dass sie unter dem Korrosionsschutz
unsichtbar bleiben. Um die durchgehenden
Deck-, Steg- und Bodenbleche beidseitig
oder einseitig auf Badsicherung verschwei-
ßen zu können, werden meistens die Steifen
im Bereich der Schweißnaht zunächst auf
einige 100 mm Länge im Nahtbereich weg-
gelassen. Um die Bleche vor allem in den
Ecken gut anpassen zu können, werden auch
die Längsnähte einige 100 mm vor dem
Stoß nicht geschweißt. Die erforderlichen
Schweißnahtvorbereitungen sind bereits
Bild 9.2.2-9   Herstellung der Werkstattform beim Schneiden der Bleche angearbeitet.
910 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Badsicherungen auch durch Stahlplättchen eine Feldlänge vorgefahren und der Monta-
werden meist erst bei der Montage ange- gevorgang fortgesetzt. Bei Erreichen eines
bracht, da sie beim Transport abgeschlagen Pfeilers muss die Vorbauspitze entweder
werden können. Die zu verbindenden Teile dort gehoben oder durch Überhöhung der
werden zunächst mit Knaggen gesichert, vorhergehenden Lager die Durchbiegung
geheftet und schließlich verschweißt und die des Kragarms ausgeglichen werden (Bild
Knaggen entfernt. Anschließend werden die 9.2.3-1).
vorher nicht verschweißten Kehlnahtenden Freivorbau kann von einem Randstand-
nachgeschweißt. Die Stöße der Längssteifen feld aus nach einer Seite oder von einem
werden durch eingeschweißte Passstücke, inneren Standfeld aus nach beiden Seiten
die meist auf der Baustelle nach Naturmaß betrieben werden. Bei Durchlaufbalken
abgelängt werden, geschlossen. Bei Hohl- mit ausgeprägten großen Öffnungen, z. B.
steifen werden die Stumpfnähte der Passstü- Strombrücken, wird der Freivorbau von
cke entweder auf eingelegten Unterlagsplätt- beiden Seiten gleichzeitig oder nacheinan-
chen oder auf eingesetzten Querschotten als der bis zur Brückenmitte durchgeführt und
Badsicherung verschweißt. Da beim Schwei- dort das Brückentragwerk geschlossen. Das
ßen der Korrosionsschutz zerstört wird, Schließen muss höhen- und tangenten-
muss in den von den Schweißnähten beein­ gleich erfolgen. Das kann durch die Wahl
flussten Bereichen der Korrosionsschutz der entsprechenden Momentenverteilung,
vom Grund auf nachgearbeitet werden. durch Hebung an den anliegenden Stützen
oder durch örtliche Eintragung eines Biege-
moments (ev. auch einer Querkraft) mit hy-
9.2.3 Freivorbau draulischen Pressen erfolgen. Das Montie-
ren der beiden Tragwerksteile nacheinan-
Freivorbau wird jenes längsorientierte der hat den Vorteil, dass mit einem Vorbau-
Montageverfahren genannt, bei dem nach gerät, das nach Montage des ersten Trag-
dem Aufstellen des ersten, sogenannten werksteils auf den zweiten umge­setzt wird,
Standfelds, die weiteren Felder am Ort der das Auslangen gefunden werden kann. Als
endgültigen Lage über weitere Strecken, Nachteil steht die längere (etwa doppelte)
eventuell unter Einbeziehung weniger Hilfs­ Montagezeit gegenüber (Bild 9.2.3-2).
stützen nacheinander angeschlossen wer- Beim Freivorbau können eventuell auch
den. Das Hebezeug kann dabei unter der bei großen Steghöhen längsgeteilte Haupt-
Brücke oder (meist) auf der Brücke fahren. träger montiert werden. Hier werden aller-
Das Vorfahren der einzelnen Teile eines dings Montagespannungen „eingefroren“,
Felds erfolgt dabei im Allgemeinen über die bei den Nachweisen der Träger berück-
den bereits montierten Brückenbalken. Das sichtigt werden müssen.
Anschließen der Teile eines Felds erfolgt im Vor allem beim Freivorbau ist das im
Hebezeug freihängend. Zunächst werden vorhergehenden Abschnitt beschriebene
die längsorientierten Hauptträger vorge- Auslegen der Träger benachbarter Felder
hängt und biege- und schubfest an das vor- mit Form- und Längenanpassung erforder-
hergehende, bereits montierte Feld ange- lich. Bei der Montage sind die Abstände der
schlossen. An die Hauptträger werden die Passmarken oder Passlaschen genau einzu-
dazwischenliegenden und auskragenden halten (Passschrauben). Die theoretische
Teile meist längsorientiert, manchmal auch Biegelinie ist nach Montage jedes Felds mit
querorientiert angeschlossen. Nach Mon­ der tatsächlichen Trägerform zu verglei-
tage eines Felds werden bei auf dem Brü- chen. Bei Abweichungen können mit den
ckendeck fahrenden Hebezeugen diese um nachfolgenden Schüssen diese Fehler wieder
9.2 Stahlbrücken

Bild 9.2.3-1   Freivorbau einer Balkenbrücke, Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein [Weitz, 1975]


911
912 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.2.3-2   Ein- und zweiseitiger Freivorbau einer Balkenbrücke [Weitz, 1975]

Bild 9.2.3-3   Stabweiser Freivorbau einer Fachwerkbrücke im Seitenfeld, Hochbrücke Brunsbüttel


über den Nordostseekanal
9.2 Stahlbrücken 913

Bild 9.2.3-4   Stabweiser Freivorbau einer Fachwerkbrücke bis zur Brückenmitte, Hochbrücke


Brunsbüttel über den Nordostseekanal

ausgeglichen werden. Besonderes Augen- teile von einer auf den Tragkabeln fahren-
merk ist auf die Form zu legen, wenn Teile den Hebebühne aus. Dabei wird meistens
des Querschnitts (z. B. Deckblech) durch der komplette Querschnitt eines Felds auf
Schweißnähte und andere Teile (z. B. Stege den Pontons zusammengebaut und aufge-
und Untergurte) mit GV-Laschenstößen zogen.
angeschlossen werden. Das Schrumpfen der
Schweißnaht kann in Folge zu einer erheb-
lichen Abweichung von der Sollgeometrie
führen. Deshalb ist während der Montage
die Form des Tragwerks laufend zu kontrol-
lieren und eventuell zu korri­gieren.
Der Freivorbau eignet sich als Montage-
methode besonders für Vollwand- und
Fachwerkbalken. Bei Fachwerken gerin-
gerer Höhe werden Hauptträger“wände“
vorgebaut, bei Fachwerken großer Höhe
erfolgt der Freivorbau stabweise (Bilder
9.2.3-3 bis 9.2.3.-5).
Auch Schrägkabelbrücken sind für den
Freivorbau hervorragend geeignet, wenn
die Seiten­öffnung auf einigen Hilfsstützen
errichtet werden kann, dann der Pylon ge-
baut wird und abschließend die Teile der
großen Öffnung im Freivorbau jeweils mit
Kabelunterstützung montiert werden (Bild
9.2.3-6).
Der Freivorbau des Balkens von Hänge- Bild 9.2.3-5   Freivorbau eines Obergurtstabs,
brücken erfolgt meist durch Aufziehen der Hochbrücke Brunsbüttel über den Nordostsee-
auf Pontons eingeschwommenen Balken- kanal
914 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.2.3-6   Freivorbau einer Schrägkabelbrücke, Rheinbrücke Düsseldorf Oberkassel [Beyer


et al., 1977]
9.2 Stahlbrücken 915

9.2.4 Längseinschub (Lancieren) sammenbau auf dem Montageplatz immer


an derselben Stelle unter denselben Bedin-
Beim Längseinschub wird die Brücke in der gungen erfolgt, die durchaus den Zusam-
Achse des Tragwerks auf einem Montage- menbaubedingungen in der Werkstatt ähn-
platz mit den ersten Feldern beginnend lich sein können. Dieser Zusammenbauplatz
zusammengebaut und längs in Achse ein- kann mit einem Kran (meist Portalkran)
geschoben (Bild 9.2.4-1). ausgestattet und für Schweiß- und Korro­
Der Längsverschub ist eine sehr wirt- sionsschutzarbeiten eingehaust werden
schaftliche Montagemethode, da der Zu- ­(Bilder 9.2.4-2 und 9.2.4-3).

Bild 9.2.4-1   Längseinschub einer Balkenbrücke, U6-Brücke über die Donau in Wien

Bild 9.2.4-2   Zusammenbauplatz mit Portalkran, U6-Brücke über die Donau in Wien


916 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.2.4-3   Zusammenbau von zwei Feldern, U6-Brücke über die Donau in Wien

Selbstverständlich können nur Brücken- forderlich, um den ersten Pfeiler erreichen


balken mit im Grundriss kreisförmiger oder zu können.
gerader Achse längs eingeschoben werden. Um die Vorschubspitze zu leichtern wird
Besonders geeignet ist das Verfahren für pa- entweder ein Verschubschnabel verwendet,
rallelgurtige Durchlaufträger über mehrere oder es werden alle Querschnittsteile, die
Felder. für die Tragfähigkeit an der Vorschubspitze
Der Montageplatz liegt üblicherweise nicht erforderlich sind, weggelassen und
hinter dem Widerlager, bei dem zunächst erst nach Ende des Längsverschubs einge-
die Kammermauern weggelassen werden. fügt (Bild 9.2.4-4).
Das Zusammenlegen und Anpassen der Bei gleichen Stützweiten hat der Vor-
Teile kann bei diesem Montageverfahren schubschnabel den Nachteil, dass die maxi-
direkt am Montageplatz erfolgen. Zwischen malen Kragmomente beim ersten Feld
Montageplatz und erstem Pfeiler sind nor- nicht an der Stelle auftreten, wo das maxi-
malerweise ein oder zwei Hilfsstützen er- male Stützenmoment auftritt. Deswegen

Bild 9.2.4-4   Längsverschub einer Balkenbrücke mit Vorschubschnabel, U6-Brücke über die


Donau in Wien
9.2 Stahlbrücken 917

wird im Stahlbau häufig die zweite Metho- Beim Längsverschub ist das Rollen oder
de der Leichterung gewählt. Eine andere Gleiten bewegter Teile auf Unterstützungen
Methode zur Verstärkung des Kragarms ist von wesentlichem Einfluss. Bei Auflager-
die Verwendung einer Hilfsüberspannung. kräften bis etwa 1000 kN können Rollen­
Der Längsverschub kann kontinuierlich wagen zum Einsatz kommen. Da die gehär-
erfolgen, wenn die Verschublager unter den teten Rollen der Rollenwagen bei Über­
Hauptträgerstegen angeordnet sind, oder beanspruchung, vor allem bei zu hohen
diskontinuierlich, wenn die Brücke auf je- Kantenpressungen, leicht brechen können,
dem Querträger oder unter der Kreuzung ist es ratsam, diese auf elastomeren Monta-
Hauptträger – Querträger gelagert wird. gelagern aufzulegen. Bei größeren Kräften
Der heute überwiegend angewandte konti- ist nur mehr die Lagerung auf Gleitflächen
nuierliche Längsverschub hat den Vorteil, möglich. Die Gleitpaarung mit der gerings-
dass größere Strecken, zumindest aber die ten Reibung ist die Paarung PTFE (Polytet-
Länge eines Felds ohne Unterbrechung ver- rafluoräthylen) mit hochlegierten Chrom-
schoben werden können, jedoch den Nach- Nickel-Stählen, z. B. X 5 CrNiMo 1810 mit
teil, dass jeder beliebige Punkt jedes Felds polierter Oberfläche, wobei durch geeigne-
Auflagerpunkt wird und die Auflagerkraft in te Schmierung der Reibwert deutlich unter
den Steg eingeleitet werden muss. Der kon- 1% gedrückt werden kann. Dies ist bei dis-
tinuierliche Längsverschub kommt auch mit kontinuierlichem Verschub immer mög-
einer relativ kurzen Verschubbahn aus. Der lich, da die Gleitbahnen mit einem polier-
diskontinuierliche Längsverschub erfolgt ten hochlegierten Blech bespannt werden
immer über den Abstand der Quer­träger können. Bei kontinuierlichem Verschub ist
oder über den Abstand der Fachwerkknoten dies nicht möglich, weshalb üblicherweise
auf einem Wagen über einer Verschubbahn, die beschichtete, gut geschmierte Stahlträ-
die zumindest die Länge dieses Abstands gerunterseite über das PTFE des Lagers
hat. Dann wird das Tragwerk angehoben, gleitet. Das PTFE sollte daher gekammert
die Lager zurückgeschoben, das Tragwerk auf einem Blech liegen, damit es beim Ver-
abgesetzt und weiterverschoben. Der dis- schub nicht herausgeschoben wird und die
kontinuierliche Längsverschub hat den Vor- „Bartbildung“ weitgehend vermieden wird.
teil, dass die Lagerpunkte ausgesteift sind Die verdrehweiche Lagerung des Verschub-
und die dazwischen liegenden Teile, da sie lagers durch Anordnung eines Elastomer-
nie Lasteinleitungspunkte werden, nicht ört- Montagelagers ist auch hier zu empfehlen
lich ausgesteift werden müssen. (Bilder 9.2.4-5 und 9.2.4-6).

Bild 9.2.4-5   Verschublager vor Belastung U6-Brücke über die Donau in Wien


918 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.2.4-6   Verschublager mit Brücke, U6-Brücke über die Donau in Wien

Erfolgt das Lancieren über eine schiff­ chung so gering wie möglich zu halten:
bare Wasserfläche, so kann anstelle eines Dazu gehören:
Verschublagers ein Schiff treten, das den
a) Der Querverschub des alten Tragwerks,
Überbau an einer festgesetzten Stelle unter-
die Umleitung des Verkehrs auf das alte
stützt, mit dem Überbau aus Stabilitäts-
Tragwerk und der Neubau in der beste-
gründen biegesteif verbunden ist und mit
henden Achse (Bild 9.2.5-1).
dem Überbau längs eingeschoben wird.
b) Der Bau des neuen Tragwerks parallel
Hierbei ist besonders zu beachten, dass die
zum bestehenden Tragwerk, die Umlei-
Unterstützung durch das Schiff sehr nach-
tung des Verkehrs auf das neue Tragwerk,
giebig (weich) ist, während die Lagerung
der Abbruch des alten Tragwerks und der
auf Verschublagern unnachgiebig (starr)
Querverschub des neuen Tragwerks in
ist. Bei statisch unbestimmter Lagerung
die bestehende Achse (Bild 9.2.5-2).
können daher hohe Beanspruchungen des
c) Der Bau des neuen Tragwerks parallel
Brückenbalkens durch Änderungen der
zum bestehenden Tragwerk, der ge-
Höhe des Wasserspiegels (z. B. Wellengang)
meinsame Querverschub beider Brü-
entstehen. Um ein Brückentragwerk auf
cken (Bild 9.2.5-3).
einem Verschubschiff lagern zu können,
d) Der Ausbau von alten und der Einbau
wird entweder der Überbau mit hydrauli-
von neuen Tragwerken, wenn aus räum-
schen Pressen vom Schiff aus aufgestapelt,
lichen Gründen oder wegen nicht aus-
oder das Schiff vorher geflutet und unter
reichender Krankapazität ein direkter
dem Überbau gelenzt (Bild 9.2.4-7).
Austausch mit Kränen nicht möglich ist.
Dabei dient das alte Tragwerk als Träger
beim Einschieben des neuen Tragwerks
9.2.5 Spezielle Verfahren
und das neue Tragwerk als Träger beim
Ausschieben des alten Tragwerks.
Die in den Abschnitten 9.2.2 bis 9.2.4 dar-
gestellten Montageverfahren für Stahlbrü- Bei den Verfahren a) und b) können auch
cken stellen die „klassischen Verfahren“ dar. die Unterbauten der Brücke vollständig er-
Bei Ersatz bestehender Tragwerke durch neuert werden. Bei den Verfahren c) und d)
neue mit oder ohne Beibehaltung der Un- müssen die Unterbauten weitgehend erhal-
terbauten werden spezielle Montageverfah- ten bleiben. Das Verfahren c) hat gegenüber
ren angewandt, um die Verkehrsunterbre- d) den Vorteil, dass sich der Austausch le-
9.2 Stahlbrücken 919

Herstellen Tragwerk (8 Schüsse)


Schusslängen ca. 23 m
Lancieren bis Pylon
Mobilkran

DONAU Donauinsel

Mobilkran (220 t Gittermastausleger) Pylonmontage (5 Schüsse)


Tragwerk bis ca. 54 m über
Pylonpfeiler Lancieren und
weitere 6 Schüsse montieren
ca. 54 m
Tieflader Mobilkran (130 t)

Schute 1
Turmdrehkran Zwei Kabel bereits vormontiert
1. Ponton andocken
Einschwimmen ca. 150 m vorschieben um 67 m
Kabel Übernahme 2. Ponton
67 m Vorschieben bis Endlage

Schute 1 Schute 2 Winde

Erforderliche Kabel aktivieren


Ponton fluten und ausfahren
Kabel Ende Schifffahrtssperre
Tragwerk (Schuss 15) ergänzen

Schute 1 Schute 2

Tragwerk endlagern
Sämtliche Kabel montieren

Spannbetontragwerk

Bild 9.2.4-7   Einschieben und -schwimmen einer Brücke mit Verschubschiffen, Donaustadtbrücke


über die Donau in Wien [Pauser]

diglich auf einen Querverschub beschränkt, gespart, der Zusammenbau des neuen
aber den Nachteil, dass das neue Tragwerk Tragwerks und die Demontage des alten
auf einem Gerüst montiert und das alte Tragwerks kann auf einem Vormontage-
Tragwerk auf einem Gerüst demontiert platz mit beliebig vielen Unterstützungen
werden muss und die Flächen beiderseits erfolgen. Rüstungen werden aber für das
zur Brücke in ausreichender Größe zur Ein- und Ausschieben der Tragwerke und
Verfügung stehen müssen. Beim Verfahren für die Lagerungen auf den Pfeilern benö-
d) werden die Kosten für diese Gerüste ein- tigt. Außerdem ist der Austausch selbst
920 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Ausgangszustand Ausgangszustand

Querverschub der alten Brücke


Verkehrsumleitung Bau der neuen Brücke

Neubau Querverschub beider Brücken

Endzustand Abbruch der alten Brücke


Endzustand, Abbruch der alten Brücke

Bild 9.2.5-1   Querverschub des alten Trag- Bild 9.2.5-3   Gleichzeitiges Ausschieben des


werks und Neubau in der bestehenden Achse alten und Einschieben des neuen Tragwerks

komplizierter als der Querverschub nach


Ausgangszustand
dem Verfahren c).
Bekannte Beispiele sind für das Verfah-
Neubau in verschobener Achse, ren a) der Querverschub der Kronprinz-
Verkehrsumleitung ­Rudolf-Brücke über die Donau in Wien,
1934, siehe Bilder 9.2.5-4 bis 9.2.5-7 (Stahl),
für das Verfahren b) der Querverschub der
Oberkasseler Rheinbrücke in Düsseldorf,
Abbruch der alten Brücke 1976, siehe Bilder 9.2.5-8 bis 9.2.5-11 ­[Beyer
et al., 1977], für das Verfahren c) der Neu-
bau der Trisanna Brücke, 1964, siehe Bilder
9.2.5-12 bis 9.2.5-14 [Schmid et al., 1964],
Querverschub der neuen Brücke, Endzustand für das Verfahren d) der Austausch im
Drehver­fahren bei der Schwarzbachtal­
brücke in Wuppertal, 1981, siehe Bilder
9.2.5-15 bis 9.2.5-22 [Gerhards et al., 1982]
und der Austausch der Kampbrücke Zwettl,
1999, siehe Bild 9.2.5-23 bis 9.2.5-30
Bild 9.2.5-2   Neubau parallel zum bestehenden [­Holzinger et al., 1999].
Tragwerk und Querverschub in die alte Achse
9.2 Stahlbrücken 921

Bild 9.2.5-4   Kronprinz-Rudolf-Brücke über die Donau in Wien vor dem Verschub

Bild 9.2.5-5   Kronprinz-Rudolf-Brücke über die Donau in Wien mit Vorbereitungen für den Quer-
verschub

Bild 9.2.5-6   Kronprinz-Rudolf-Brücke über die Donau in Wien nach dem Querverschub


922 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.2.5-7   Bau der alten Reichsbrücke neben der querverschobenen Kronprinz-Rudolf-Brücke


über die Donau in Wien

Bild 9.2.5-8   Rheinbrücke Düsseldorf Oberkassel, Neubau in verschobener Achse. Im Hintergrund


die alte Brücke

Bild 9.2.5-9   Rheinbrücke Düsseldorf Oberkassel, neue Brücke in provisorischer Lage


9.2 Stahlbrücken 923

Bild 9.2.5-10   Rheinbrücke Düsseldorf Oberkassel, neue Brücke in endgültiger Lage

Bild 9.2.5-11   Rheinbrücke Düsseldorf Oberkassel, vor und nach dem Querverschub [Beyer et al.,
1977]
924 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.2.5-12   Alte Trisanna-Brücke [Waagner – Biro]


9.2 Stahlbrücken 925

Bild 9.2.5-13   Neubau der Trisanna-Brücke und gemeinsamer Querverschub beider Brücken


[Waagner – Biro]

Bild 9.2.5-14   Neue Trisanna-Brücke [Waagner – Biro]


926 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Ansichten der Brücke Schnitte I-I


Überbau 1 Überbau 2 Überbau 3
Einfahrt der neuen Brücke
neue Brücke

1500 Transportgleis

alte Brücke
30180 30180 30080 A B
a 855 905 3000

Hubtraversen Hubtraversen
Spannglieder

ng
tu
h
Drehvorrichtung (Rhönrad)
ric
eh

Transportwagen
Dr

Drehvorrichtung
(Rhönrad)
c

alte Brücke

neue Brücke
d

Absenktraversen Ausfahrt der alten Brücke Absenktraversen

Bild 9.2.5-15   Schwarzbachtalbrücke Wuppertal, Montageübersicht [Gerhards et al., 1982]


9.2 Stahlbrücken 927

Bild 9.2.5-16   Schwarzbachtalbrücke Wuppertal, Einfahren des neuen Tragwerks

Bild 9.2.5-17   Schwarzbachtalbrücke Wuppertal, Aufziehen des alten Tragwerks


928 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.2.5-18   Schwarzbachtalbrücke Wuppertal, Drehvorgang


9.2 Stahlbrücken 929

Bild 9.2.5-18  (Fortsetzung)

Bild 9.2.5-19   Schwarzbachtalbrücke Wuppertal, Ablassen des neuen Überbaus


930 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.2.5-20   Schwarzbachtalbrücke Wuppertal, zwischen den beiden Überbauten

Bild 9.2.5-21   Schwarzbachtalbrücke Wuppertal, Ausfahren der alten Brücke

Bild 9.2.5-22   Schwarzbachtalbrücke Wuppertal, Zerschneiden der alten Brücke


Erneuerung der Tragwerke der Zwettler Kampbrücke
-schematisch- g
Ausschieben des alten TW und Absetzen am äußeren Transportwagen
IV V VI
Bhf. Zwetti Martinsberg
9.2 Stahlbrücken

a h
Montage Viaduktbefestigung, Montage Querträger im alten TW, Montage Auflageträger Pfeiler V1 Weiteres Ausschieben des alten TW und Absetzen am zweiten Transportwagen, Abtransport altes TW

b i
Montage Hubgerüste und Abstützungen Absenken des neuen TW auf Hilfsstützen, Erneuerung Brückenlager, Demontage Koppelrahmen

Neues TW fertiggestellt

c j
Einfahren des neuen TW und Befestigung an den Hubgerüsten Einbau der Koppelrahmenwagen in das Martinsberger Hubgerüst, Montage Querträger im nächsten alten TW

d k
Abheben des neuen TW von den Transportwagen, Transportwagen ausfahren Versetzen des Martinsberger Hubgerüstes, Montage Querträger im neuen TW

Bild 9.2.5-23   Kampbrücke Zwettl, Montageübersicht [Holzinger et al., 1999]


e l
Absenken des neuen TW, Aufziehen und Montage der Koppelrahmen Versetzen des Zwettler Hubgerüstes, Demontage Widerlagerbefestigung
931

f c
Heben des alten TW am neuen TW hängend Einfahren des neuen TW und Befestigung an den Hubgerüsten
a Hubgerüst, Seitenansicht b Hubgerüst, altes Tragwerk am c Koppelrahmen
932
Montagesituation sinngemäß entsprechend Bild f. gehobenen neuen Tragwerk hängend
6770

600
neues Tragwerk
maximal angehoben

altes Tragwerk, am neuen


maximaler Hub 11927

Tragwerk hängend
18305

Lichtraumprofil

Brückentransportwagen

bereits fertiggestelltes
neues Tragwerk

Bild 9.2.5-24   Kampbrücke Zwettl, Hubrahmenübersicht [Holzinger et al., 1999]


Auflageträger
an den Pfeilern VI und VIII
9 Herstellung und Ausführungsmethoden
9.2 Stahlbrücken 933

Bild 9.2.5-25   Kampbrücke Zwettl, Ansicht der alten Brücke [Holzinger et al., 1999]

Bild 9.2.5-26   Kampbrücke Zwettl, Zusammenbau des neuen Tragwerks auf dem Bahnhofsgelände
[Holzinger et al., 1999]

Bild 9.2.5-27   Kampbrücke Zwettl, Einfahren des neuen Tragwerks


934 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.2.5-28   Kampbrücke Zwettl, Heben der beiden Tragwerke

Bild 9.2.5-29   Kampbrücke Zwettl, Ausfahren des alten Tragwerks

Bild 9.2.5-30   Kampbrücke Zwettl, neues Tragwerk eingebaut, Verschub des linken Rahmens
9.3 Brücken in Verbund- und Mischbauweise 935

9.3 Brücken in Verbund- dings sind Verbundbrücken gegenüber


und Mischbauweise Stahl- und Spannbetonbrücken oft konkur-
renzfähiger, da bei den gleichen Vorteilen
Ulrike Kuhlmann während der Montage im Vergleich zu
und Annette Detzel Stahlbrücken durch den Verzicht auf die
orthotrope Platte deutliche Kostenvorteile
9.3.1 Fertigung und Montage Stahlüberbau entstehen.
Je nach Größe und Spannweite des Brü-
9.3.1.1 Allgemeines ckentragwerks gibt es zwei prinzipielle Mon-
tageabläufe für den Stahlüberbau: Montage
Gerade die ausgezeichneten Fertigungs- durch Einheben und Montage durch Frei-
und Montagemöglichkeiten des Stahlüber- vorbau und/oder Längsverschub.
baus führen in vielen Fällen zur Entschei-
dung für eine Verbundbrücke: Zur Über-
führung von Flüssen, Kanälen, stark befah- 9.3.1.2 Montage durch Einheben
renen Autobahnen und Eisenbahnstrecken,
also dort, wo die Aufständerung von festen In der Regel wird vor allem bei kleinen bis
erdgebundenen Lehrgerüsten zur Erstel- mittleren Spannweiten und wenigen Feldern
lung von Standardbetonbrücken schwierig die Stahlkonstruktion der Verbundbrücke
und kostenträchtig ist, kommen häufig Ver- in großen vorgefertigten Montageeinheiten
bundbrücken zum Einsatz. mit Schwerlasttransport ange­liefert. Auto-
Typisch für eine solche Situation ist das krane oder bei Überführungen von Wasser-
Beispiel Eisenbahnüberführungen über die wegen auch Schwimmkrane heben die Teile
A4 bei Köln, vergleiche Abschnitt 5.2.3.1, auf die auf Pfeilern und Widerlagern vorbe-
Bild 5.2.3-1 [Kuhlmann, 1995]. Unmittelbar reiteten Hilfslager. Die Baustellenstöße wer-
über der Autobahn im Kölner Ring gelegen, den von leichten Arbeitsgerüsten im unmit-
war eine Zwischenunterstützung von unten telbaren Stoßbereich aus geschlossen.
beim Betonieren nicht möglich. Die Stahl- Die Schalungsunterkonstruktion wird an
konstruktion wurde während einer kurzzei- die Stahlträger gehängt. Diese Schalungsge-
tigen Sperrung neben dem noch befahrenen rüste werden häufig gleichzeitig als Arbeits-
alten Bauwerk auf Hilfsunterstützungen und Schutzgerüste eingesetzt. Die eigentli-
in den Lagerachsen montiert. Der Verkehr che Schalung wird aufgebaut. Es wird die
auf der Autobahn konnte anschließend Verbundplatte bewehrt und in einem Zuge
ungehindert weiterfahren. Die Betonplatte oder abschnittsweise betoniert. Nach dem
wurde betoniert, dabei wurde die Schalung Entschalen erfolgen die Ausbauarbeiten,
von den frei über die Autobahn spannenden wie Betonieren der Kappen und ggf. des
Stahlträgern getragen, und nach Fertigstel- Schutzbetons, Aufbringen von Schotter
lung der Platte wurde der Verbundüberbau bzw. Asphalt, Montage der Geländer usw.
in seine endgültige Lage querverschoben. Im Folgenden werden einige Merkmale
Verbundbrücken bieten also die Mög- dieser Vorgehensweise an Beispielen erläu-
lichkeit, mit ihren Stahlträgern quasi als tert.
„Schalungsträger“, die Stützweiten ohne Die Eisenbahnbrücken der Umfahrung
oder nur mit wenigen zusätzlichen Unter- Melk (siehe auch Kapitel 4.2.3.2) [Pommer,
stützungen zu überwinden. Die Fertigung 1995], [Glatzl/Pommer, 1995], [Glatzl, 1997]
und Montage des Stahlüberbaus von Ver- spannen über 31 m bis 79 m. Die Stahlträ-
bundbrücken ähnelt der Fertigung und ger wurden in einer Länge von 25 m in der
Montage von reinen Stahlbrücken. Aller- Werkstatt vormontiert und über Sonder-
936 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

transporte zur Baustelle gebracht. Dort wur- lager auf­gelegt. Bild 9.3-1 zeigt das Einhe-
den jeweils zwei bis drei Schüsse am Boden ben des Mittelteils, das über Obergurt­
zusammengeschweißt und mit Autokranen knaggen zwischen die Kragarme der Sei-
auf die fertigen Pfeiler und Widerlager ge- tenteile eingehängt wurde.
hoben und verschweißt (siehe Bild 4.2-1). Bei großen Spannweiten und größeren
Die Betonfahrbahn wurde zur Erzielung Brücken mit mehreren Feldern ist dieses
einer Vorspannung in überhöhter Lage des Verfahren nicht geeignet. Dann kommen
Stahltragwerks betoniert. Im sogenannten Montageverfahren wie Freivorbau oder
Pilgerschrittverfahren wurden zuerst die Taktschieben zum Einsatz, die auch aus
Feldbereiche und dann die Stützbereiche dem Stahlbrückenbau und dem Betonbrü-
betoniert, um im Stützbereich Zugspannun- ckenbau bekannt sind.
gen aus dem Betoneigengewicht zu vermei-
den. Die Absenkung des Überbaus in die
Endlage erfolgte erst, nachdem die Kriech- 9.3.1.3 Montage durch Freivorbau
und Schwindeinflüsse zu einem großen Teil und/oder Verschub
abgebaut waren, um den negativen Effekt
auf die Vorspannkräfte zu minimieren. Bei großen Spannweiten und Feldern, die
Bei Überführungen von Wasserwegen z. B. wegen eines zu tiefen Talgrunds nicht
wird zum Einheben der Überbauteile auch über Kran erreicht werden können, kann die
häufig ein Schwimmkran eingesetzt. So Stahlkonstruktion im Freivorbau montiert
wurde zum Beispiel bei der Moselbrücke oder auch längs eingeschoben werden. Für
Bernkastel-Kues [Kuhlmann, 1996], um das Einschieben ist von Vorteil, wenn die
Montagekosten zu minimieren, der Stahl­ Felder ähnliche Spannweiten haben und der
überbau im Werk zu drei Großbauteilen Brückenzug gerade ist bzw. eine konstante
von 7,5 m Breite und ca. 50 m Länge voll- Krümmung hat. Auch sollte bei der Gestal-
ständig zusammengebaut. Drei Schiffe tung des Querschnitts auf die Ausbildung
brachten die Brückenteile auf dem Wasser- einer Voute möglichst verzichtet werden.
weg nach Bernkastel. Dort wurden die Eine Brücke, bei der die Stahlkonstrukti-
Teile nacheinander, erst die auskragenden on längs eingeschoben wurde, ist die Dilltal-
Seitenfelder, dann das Mittelteil, mit einem brücke bei Haiger in Hessen [Pelke, 2000]
Schwimmkran entladen und auf die Hilfs- mit den Spannweiten 45 m–85 m und einem

Bild 9.3-1   Moselbrücke Bernkastel-Kues: Einheben des mittleren Stahlträgers


9.3 Brücken in Verbund- und Mischbauweise 937

Radius von 750 m im Grundriss. Der Brü- quer vorgespannte und längs schlaff be-
ckenquerschnitt setzt sich aus einem trapez- wehrte Verbundplatten. Beide bestehen aus
förmigen Stahltrog und auskragender Fahr- zwei getrennten Überbauten mit jeweils
bahnplatte zusammen. Die Einzelteile Bo- einem einzelligen Kasten mit geneigten Ste-
denblech, Stege und Verbände wurden vom gen. Sie wurden beide als Ersatz alter Über-
Werk auf die Baustelle geliefert und dort in bauten auf bestehenden Pfeilern errichtet.
einer eigens errichteten Montagehalle zu Wegen der großen Höhen der Pfeiler
rund 15 m langen Schüssen verschweißt. über dem Talgrund von bis zu 70 m war für
Diese Schüsse wurden an den Vorschubsta- beide Brücken nur eine Montage durch
tionen hinter den beiden Widerlagern (es Längseinschub möglich. Während in Sie-
wurde von zwei Seiten eingeschoben) zu benlehn nur die Stahlkonstruktion einge-
80 m langen Abschnitten verbunden, die schoben wurde, wurde bei Wilkau-Haßlau
dann taktweise eingeschoben wurden (Bild die gesamte Verbundbrückenkonstruktion
9.3-2). Dabei konnten zum Teil die Pfeiler mit Platte verschoben. Dabei wurde ausge-
der alten Brücke als Hilfspfeiler für den Ver- nutzt, dass bei Stützweiten von maximal
schub weiterverwendet werden. In Brücken- 110 m bereits für den Abbruch des alten
mitte wurden beide Hälften zu einem durch- Überbaus Hilfsstützen mittig im Feld not-
laufenden Träger zusammengeschweißt. wendig waren.
Die Herstellung der Fahrbahnplatte erfolgte Wegen der engen Terminsituation hat
auch hier mit Hilfe eines Schalwagens mit sich die ausführende Firmengemeinschaft
dem Pilgerschrittverfahren. bei der Talbrücke Wilkau-Haßlau zu einem
Weitere Beispiele für hohe Talbrücken in besonderen Taktfertigungsverfahren ent-
Verbund, die eingeschoben wurden, sind die schlossen, siehe Bild 9.3-3.
beiden Brücken Siebenlehn über die Frei- Die Fertigungsanlage bestand aus drei
berger Mulde (Spannweiten ca. 2 × 71,4 – Teilen:
81,6 – 71,4 – 61,2 – 56,1 m) und Wilkau-
Haßlau über die Zwickauer Mulde (Spann- • In der Stahlbauhalle wurden die in der
weiten ca. 55 – 2 × 110 – 3 × 99 – 88 m), Werkstatt vorgefertigten Elemente zu-
[Seifried/Stetter, 1996]. Beide Brücken ­haben sammengebaut, je Stahlschuss vier Ele-

Bild 9.3-2   Dilltalbrücke Haiger, Taktschieben von zwei Seiten (Quelle: Hessisches Landesamt für
Straßen- und Verkehrswesen)
938 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.3-3   Taktfertigungsanlage für die Talbrücke Wilkau-Haßlau

mente: zwei Elemente Bodenblech mit als Schalung zum Einsatz. In beiden Fällen
Steganschluss und zwei Stegelemente werden Lasten während des Betoniervor-
mit Obergurt und Kopfbolzendübeln. gangs an die Stahlkonstruktion abgegeben,
• In der klimatisierten Korrosionsschutz- deren Einleitung und Weiterverfolgung für
halle wurden die Sandstrahl- und Be- einen Teil der Stahlkonstruktion wie z. B.
schichtungsarbeiten ausgeführt. Querträger und Querrahmen bemessungs-
• In der Betonierhalle wurde die Beton- relevant sind. Hinsichtlich des vorgesehe-
fahrbahnplatte geschalt, bewehrt, beto- nen Schalungskonzepts muss also schon in
niert und vorgespannt, bei 20 Betonier- einem Frühstadium der Planung eine de-
takten ca. 33 m pro Woche. taillierte Abstimmung zwischen Betonbau-
und Stahlbaupartner erfolgen.
Die optimale Abstimmung aller Einzelvor-
gänge der Stahlbaumontage, der Korrosions­
schutzmaßnahmen, der Verbundplatten­ 9.3.2.2 Schalung mit ortsfestem Schalgerüst
erstellung und des Verschubs aufeinander oder Schalwagen
brachte bei der Talbrücke Wilkau-Haßlau
nicht nur wirtschaftliche sondern auch ent- Neben vertikalen Lasten aus Schalungs-
scheidende zeitliche Vorteile. Dieser Aspekt und Frischbetongewicht bzw. Verkehrs­
ist gerade beim Bau stark befahrener Auto- lasten aus Baubetrieb werden über die
bahnbrücken von Bedeutung. Einleitungspunkte zwischen Schalung und
Stahlkonstruktion immer auch horizontale
Kräfte abgegeben: Dazu gehören Wind-
9.3.2 Schalung und Fertigung und Stabilisierungslasten, aber auch seitli-
Betonfahrbahnplatte cher Frischbetondruck. Die Verfolgung
dieser Horizontallasten in der Stahlkonst-
9.3.2.1 Allgemeines ruktion ist entscheidend, weil dem Quer-
schnitt im Zustand des Betonierens noch
Bei der Herstellung der Fahrbahnplatte die geschlossene Betonfahrbahnplatte fehlt,
können zwei grundsätzliche Verfahren un- die im Endzustand für die notwendige Stei-
terschieden werden. Entweder die Beton- figkeit in horizontaler Richtung sorgt. Bei
platte wird mit Hilfe eines Schalgerüsts der Fertigung von Verbundbrücken muss
oder eines Schalwagens komplett vor Ort also besonders auf eine ausreichende Stabi-
betoniert oder es kommen Betonfertigteile lisierung der reinen Stahlkonstruktion in
9.3 Brücken in Verbund- und Mischbauweise 939

Form von Querrahmen oder sogar Monta- die Schalungskonstruktion der Wilhelms-
geverbänden geachtet werden. Diese sollten burger Brücke in Hamburg. Die durch das
so dicht wie möglich an die zu stabilisieren- Kragmoment auftretenden Zugkräfte wer-
den Bauteile wie die unter Druckbeanspru- den dabei über Schraubverbindungen am
chung stehenden Stahlträgerobergurte ge- Hauptträgersteg in die Querrahmen einge-
führt werden. Erforderliche Querträger leitet und außerdem über Zugstangen aus
sollten andererseits aber auch ausreichend Bewehrungsstählen über die Kastenbreite
tief im Querschnitt angeordnet sein, um kurzgeschlossen. Die Druckkräfte werden
das Schalen nicht zu behindern. In Hinblick über die Querträger und Montagedruck-
auf die Fertigung mit Schalgerüst oder -wa- glieder abgetragen.
gen sind offene Querschnitte zu bevorzu- Ortsfeste Schalgerüste werden im allge-
gen, da im Unterschied zum Kastenquer- meinen nur für Brückenlängen eingesetzt,
schnitt der Arbeitsraum nicht eingeschränkt die in einem Zug betoniert werden können.
ist und die ausladenden Stahlträgerunter- Bei längeren Brücken mit konstanten Quer-
gurte eine einfache Abstützung der Scha- schnitten kann die Betonfahrbahn wirt-
lungskonstruktion ermöglichen. Bild 9.3-4 schaftlicher mit Hilfe von Schalwagen her-
zeigt das Beispiel eines untergehängten gestellt werden, siehe Bild 9.3-6.
Lehrgerüstträgers, der sich über eine Knag- Während die Innenschalung auf Schie-
genkonstruktion auf den Untergurt in nen bewegt wird, die auf den Querträ­gern
Stegnähe abstützt. Auch die Kragarmscha- aufliegen, wird die Kragarmschalung punk-
lungen können so einfach abgefangen tuell über später einbetonierte Aufstän­
werden. derungen auf den Stahlträgerobergurten
Bei Verbundkastenquerschnitten muss jeweils an den Stellen der Querrahmen
die Kragarmschalung an den noch nicht abgestützt.
geschlossenen Stahlkasten außen ange- Jüngere Entwicklungen haben bei eini-
hängt werden. Bild 9.3-5 zeigt als Beispiel gen Talbrücken mit einzelligem Kasten­

Bild 9.3-4   Lehrgerüstträger mit Kragarmschalung

Bild 9.3-5   Wilhelmsburger Brücke, Schalungskonstruktion


940 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.3-6   Schalwagen für eine Verbundbrücke

träger als Überbau und durch Streben ge- Für die Stützweiten bis zu 32 m war mit
stützten Kragarmen, wie z. B. die Talbrücke 1,34 m durch Lichtraumprofil und Gleis­
Schwarza [DEGES, 2001] zu einer nur lage schon eine recht niedrige Bauhöhe
unten hängenden Schalwagenkonstruktion vorgegeben. Wegen der eingeschränkten
für die Kragarme geführt. Sie wird nur am Bauhöhe – die Stahlkästen sind nur etwa
äußeren Längsträger des Kragarms und am 1,10 m hoch – wurde zur Besichtigung der
Kastenträgers befestigt. Der Verzicht auf Konstruktion eine Inspektionsplattform
Schalungsträger oberhalb der Verbund­ auf Schienen eingebaut.
platte vermeidet die Durchdringungen der Ähnliche Schwierigkeiten, wie man sie
Platte durch die Aufständerungen und er- wegen der niedrigen Bauhöhe bei der
laubt ein ungehindertes Arbeiten auf der zu Besichtigung im Innern des Kastens hat,
betonierenden Fläche. wären auch beim Entfernen der Innenscha-
lung nach dem Betonieren der Verbund-
platte entstanden. Daher wurden Betonfer-
9.3.2.3 Betonplatte mit Fertigteilen tigteile als verlorene Schalung eingesetzt,
d. h. die Betonfertigteile wurden für die
Besonders bei Verbundkastenquerschnitten Tragfähigkeit der Verbundplatte nicht
bieten sich, wie auch das folgende Beispiel berücksichtigt.
zeigt, Fertigteile als Schalelemente an. Im Gerade bei so niedrigen Bauhöhen ist die
Zuge der A4-Eisenbahnüberführungen bei Reduzierung des effektiv wirksamen Quer-
Köln, vergleiche Abschnitt 5.2.3 [Kuhlmann, schnitts um 5 bis 8 cm Bauhöhe der nicht
1995] wurde u. a. auch die Eisenbahnüber- mitwirkenden Fertigteile bei gleichzeitiger
führung Bauwerk 231A erneuert, siehe Bild Gewichtserhöhung keine optimale Lösung.
9.3-7. Bei dem System im Grundriß handelt Eine bessere Alternative, die sich beson-
es sich um einen Durchlaufträger über zwei ders für kleinere und mittlere Spannweiten
Felder, der in einer starken Krümmung liegt: eignet, stellt der Einsatz von Groß­flächen­
Der mittlere Krümmungsradius beträgt ca. schal­elementen dar, wie sie u. a. vor allem
350 m. Infolgedessen wurde der Querschnitt von Schüßler-Plan [Schmackpfeffer, 1999]
mit zwei einzelligen Stahlkästen und durch- entwickelt wurden. Circa 10 cm dicke Halb-
gehender Verbundplatte ausgeführt. fertigteilplatten aus Beton werden auf die
9.3 Brücken in Verbund- und Mischbauweise 941

Bild 9.3-7   Querschnitt BW 231A

Stahlträger aufgelegt. Sie ersetzen die Scha- durch die Verwendung von Doppeldü-
lung und werden gleichzeitig in die endgül- beln erreicht. Nach dem Verlegen der
tige Verbundplatte integriert. In den Be- Fertigteilplatten werden die Längs- und
reichen zwischen den Stegen spannen die Querfugen einschließlich der Dübel­
Platten in Querrichtung. Es gibt zwei Ty- aussparungen vergossen.
pen: einfache Platten, die zwischen die in- 3. Um eventuelle Toleranzen auffangen zu
neren Längsträger in Querrichtung spannen können und zur Abdichtung der Fuge
und auskragende Platten, die auf dem äuße- werden die Fertigteile auf schmalen
ren und dem ersten inneren Träger auflie- Elastomerstreifen auf den Stahlträgern
gen. Damit diese auskragenden Platten auf gelagert.
den äußeren Träger ausgelegt werden kön-
Bei den zu den Großflächenschalungen
nen, sind bei diesen die Kopfbolzendübel in
gehörenden Typenentwürfen sind nur in
Gruppen angeordnet und entsprechende
den Lagerachsen Querträger erforderlich.
Dübelaus­sparungen in den Platten vorgese-
Diese Querträger können sowohl in Stahl,
hen, vgl. Bild 9.3-12. Folgende Besonder-
d. h. als Verbundträger in Querrichtung, als
heiten kennzeichnen diese Großflächen-
auch nur in Beton ausgeführt werden. Wird
schalelemente (siehe Bild 9.3-8):
der Querträger wie im Bild 9.3-10 aus Beton
1. Bei den Platten erfolgt die Schubsiche- hergestellt ist die planmäßige Unterbre-
rung über eine Schubgirlande ohne obe- chung der Stahllängsträger sinnvoll. Die
ren Querstab. Ein Einfädeln der Beweh- Aufnahme des negativen Stützenmoments
rung entfällt somit. Die Verbundfuge im Längsträger erfolgt dann über ein Kräfte-
wird für den Endquerschnitt als volltra- paar mit zentrisch wirkender Zugkraft im
gend angesetzt. Betongurt und entsprechender Druckkraft
2. Die Verbundwirkung in Längsrichtung auf Höhe des Stahlträgeruntergurts. Die
wirkt bereits für den Zwischenzustand Zugkraft im Beton wird nur durch die Längs-
Stahlträger-Fertigteilverbund. Dies wird bewehrung in der Platte aufgenommen. Er-
942 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

a)

b)

c)

Bild 9.3-8   Großflächenschalungselemente: a) zweistegiger Stahlträger für Wirtschaftsweg;


b) vierstegiger Stahlträger für RQ 10,5; c) einzelliger Kasten für Wirtschaftsweg; d) dreizelliger
Kasten für RQ 10
9.3 Brücken in Verbund- und Mischbauweise 943

d)

Bild 9.3-8   (Fortsetzung)
30

20

35 380 35

450

Bild 9.3-9   Detail Stahlträgerauflager mit Doppeldübeln, Schubgirlande und Elastomer-Streifen

folgt die Übertragung der Druckkraft über an den Innenstützen schon im Bauzustand
den Beton des Querträgers, wird die Kraft eine Durchlaufwirkung, also die Übertra-
über eine dicke Kopfplatte auf eine größere gung von Biegemomenten über der Stütze
Fläche verteilt. Die Übertragung der Quer- erreicht. Dies wirkt sich günstig auf die Be-
kraft erfolgt über Kopfbolzendübel. Diese anspruchung der Stahlträger und damit auf
werden bei unterbrochenen Trägern an das Stahlgewicht aus.
Kopfplatten auf den Längsträgerenden an- Querträger aus Beton vereinfachen den
gebracht. Während der Montage wird also Bauablauf auf der Baustelle, wenn die Stahl-
durch das Betonieren der Querträger und träger in vollständigen Einheiten ausgelie-
die Herstellung einer Zug-Druckkopplung fert werden können und keine Stahlbau­
944 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.3-10   Querschnitt Betonquerträger mit


Kopfplatte

arbeiten auf der Baustelle mehr erforderlich [Schmitt et al., 2000] und [Schmitt et al.,
sind. 2004]. Im Spannbetonbrückenbau ist der
Die Bilder 9.3-11 und 9.3-12 zeigen als Einsatz mehrstegiger Plattenbalkenfertig-
Beispiel für diese Art der Teilvorfertigung teile einschließlich breiter Obergurte als
zwei kleine Brücken nördlich von Ravens- Schalung für die Ortbetonplatte seit Jahren
burg mit einer Spannweite von 28 m, die in bekannt. Diese Idee wurde auf den Ver-
Anlehnung an den Typenentwurf entwickelt bundbau übertragen. Das Fertigteilelement
wurden. Um die Fertigteilplatten im Krag- besteht aus einem Stahlträger mit vorgefer-
armbereich zu halten wurden sie über den tigtem Betonflansch, der den Träger bei
Randträger durchlaufend ausgebildet. Für Transport und Montage stabilisiert und
die in Gruppen angeordneten Kopf­b olzen­ gleichzeitig als Schalung für die Ortbeton-
dübel waren entsprechende Aussparungen fahrbahnplatte dient. Gegenüber einem üb-
in den Fertigteilen vorgesehen. Beim Beto- lichen Spannbetonträger mit gleicher Stei-
nieren der durchgehenden Ortbetonplatte figkeit hat der Verbundträger ein wesentlich
wurden diese Dübelgruppen mit vergossen. geringeres Gewicht, so dass Transport und
Noch einen Schritt weiter in Bezug auf Montage der Fertigteile erleichtert werden
Vorfertigung geht die VFT-Bauweise für (Bild 9.3-13).
Verbundbrücken im kleinen bis mittleren Die Fertigung und Montage erfolgt in
Spannweitenbereich, [Doss et al., 2001], drei Schritten:
9.3 Brücken in Verbund- und Mischbauweise 945

Bild 9.3-11   BW 1 bei Ravensburg, Stahlträger mit Kopfbolzendübel

1. Herstellen der Stahlträger im Stahlwerk: Spannungen im Träger eingeprägt wer-


Auf den Obergurten werden die für die den.
Verbundsicherung benötigten Kopfbol- 3. Montage auf der Baustelle: Das Fertigteil
zendübel angebracht. Die Kopfbolzen wird mit einem Kran auf die Hilfsjoche
haben unterschiedliche Höhen, um so- gehoben und die Ortbetonplatte beto-
wohl einen Verbund mit dem Fertigteil- niert. Durch den bereits vorhandenen
flansch als auch mit der Ortbetonschicht Obergurt ist eine Montageaussteifung
herzustellen. während des Betonierens nicht erfor-
2. Fertigung des Fertigteilobergurts: Der derlich.
Stahlträger wird eingeschalt. Der Ober-
Als besonderes Beispiel zeigt Bild 9.3-14
gurt wird bewehrt und betoniert. Der
eine Ausführung als Rahmentragwerk. Bei
Stahlträger ist so gelagert, dass keine
der Überführung für die Staatsstraße Per-
lach-Unterhaching über die Bundesauto-
bahn A8 ist der VFT-Überbau biegesteif in
die Widerlager eingebunden. So wurde eine
Überbrückung von 42,7 m mit sehr schlan-
ken Trägern ohne Mittelunterstützung
möglich. Da keine Lager und Fahrbahn­
übergänge vorhanden sind, ist die Brücke
weniger unterhaltungsintensiv als eine Bal-
kenbrückenlösung. Die Fertigteil-Bauweise
ermöglichte eine äußerst kurze Bauzeit von
nur vier Monate nach Vergabe ohne Ein-
schränkung des Autobahnverkehrs.
Bild 9.3-12   BW 1, Dübelgruppen in Fertigteil­ Eine ähnliche Idee wie der VFT Bauweise
aussparung liegt dem Entwurf eines Verbundträgers
946 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

40,0

35,0
Gewicht t je m Breite

40,0
30,0

35,0
Gewicht t je m Breite

25,0
Spannbeton-FT
Spannbeton-FT Gt je m Breite
30,0
20,0 Gt je m Breite

25,0
15,0
Spannbeton-FT
Gt je m Breite
20,0 Verbund-FT
10,0 Verbund-FT Gt je m Breite
Gt je m Breite
15,0
5,0
Verbund-FT
10,0 Gt je m Breite
0,0
15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 40,0 45,0 50,0
0 25,0 30,0 35,0 40,0 45,0 50,0
5,0 Trägerlänge in m
Trägerlänge in m

Bild 9.3-13   Gegenüberstellung der Transportgewichte von Spannbetonfertigteilen und VFT-Trä-


gern0,0
[Schmitt et al., 2000]
15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 40,0 45,0 50,0
Trägerlänge in m

Bild 9.3-14   Rahmentragwerk Perlach-Unterhaching

ohne Stahlobergurt zugrunde [Kuhlmann/ bei horizontal oder randnah angeordneten


Maier, 2002]. Zusätzlich zu den Dübellö- Dübeln, die Spaltzugkräfte erzeugen kön-
chern entfallen der wenig wirksame Stahlo- nen, sind inzwischen im Anhang A von
bergurt und mit ihm die teuren Längs- DIN 18800-5:2007-3 zu finden. Auch der
schweißnähte. Der Steg ragt in die beiden neue DIN Fachbericht 104, Ausgabe 2009,
Plattenteile aus Betonfertigteil und Ort­ verweist auf diese Regel. Weitere Erläute-
beton hinein. Die Verbundwirkung wird rungen zu den Hintergründen der Behand-
durch an den Steg angeschweißte, liegende lung von horizontalen oder randnah ange-
Kopfbolzendübel hergestellt. Verschiedene ordneten Dübeln sind in [Kürschner/Kuhl­
Forschungsarbeiten geben Auskunft über mann, 2005] enthalten.
die Tragfähigkeit horizontaler in dünnen Eine erste Umsetzung dieser Konstrukti-
Betonplatten liegender bzw. randnaher onsform erfolgte bei der Erneuerung einer
Kopfbolzendübel [Breuninger/Kuhlmann, Wirtschaftswegbrücke bei Münsingen im
2001], [Kürschner, 2003] und [Kuhlmann/ Zuge der B465 im Bereich des Regierungs-
Raichle, 2005]. Regeln zur Berücksichti- präsidiums Tübingen, vgl. Bild 9.3-15. Die
gung der reduzierten Dübeltragfähigkeit im Grundriss gerade Brücke hat eine lichte
9.3 Brücken in Verbund- und Mischbauweise 947

Weite zwischen den Widerlagern von 26,0 m Diese Fertigteilverbundträger wurden dann
und ist 4,5 m breit zwischen den Geländern. als Einfeldträger auf die Widerlager gesetzt.
Der gevoutete Überbau des zweistegigen Anschließend wurden die Widerlager bis
Plattenbalkens verjüngt sich in seiner Kon- Oberkante Fertigteil ausbetoniert, um so-
struktionshöhe von ca. 2,0 m am Widerla- mit ein erstes Rahmentragwerk zu erhalten.
ger bis ca. 0,8 m in Feldmitte, dabei bleibt Danach wurde die 20 cm dicke Ortbeton-
die Dicke der Betonplatte konstant. Zuerst platte und das letzte Stück Widerlager zum
wurden an die beiden Stahlträger im Werk endgültigen Rahmen ergänzt. Für die Ver-
eine 10 cm bis 18 cm dicke Fertigteilplatte bundwirkung mit dem Ortbeton war eine
anbetoniert. Der Verbund erfolgte über eine zweite Reihe liegender Kopfbolzendübel am
untere Reihe liegender Kopfbolzendübel. Steg angeordnet, vgl. Bild 9.3-16.

Bild 9.3-15   Querschnitt der Wirtschaftswegbrücke bei Münsingen

Bild 9.3-16   Liegende Kopfbolzen vor dem Betonieren der Ortbetonschicht


948 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Erste Überlegungen gibt es auch, diese 9.3.3 Einfluss des Bauablaufs


Bauweise im Zusammenhang mit trapez-
förmig profilierten Stegblechen einzuset- 9.3.3.1 Eigengewichtsverbund
zen, vgl. [FOSTA P645, 2008]. Indem man
auch hier auf den Stahlobergurt verzichtet Da Brücken in der Regel nach den elasti-
und nur das profilierte Stegblech in den Be- schen Grenzzuständen bemessen werden,
ton hineinragen lässt, gelingt es zum einen kommt der genauen Verfolgung der Lastge-
auf die durch die Querbiegesteifigkeit des schichte eine große Bedeutung zu. Das Sys-
Stegs erforderliche aufwendige Veranke- tem während des Betonierens beeinflusst
rung des Stahlobergurts im Beton zu ver- die Aufteilung der Schnittgrößen auf Stahl-
zichten (man vergleiche die konstruktiv und Verbundquerschnitt. Durch geeignete
schwierige Lösung bei der ausgeführten Systemwahl für den Betonierzustand kann
Pilotbrücke Talbrücke Altwipfergrund, eine bestimmte Schnittgrößenaufteilung
[Roesler/Denzer 1999]). Zum anderen wirkt gezielt eingestellt werden. Dazu ein Beispiel
das profilierte Blech selbst als Verdübelung aus dem Bereich der Wasser- und Schif-
und führt zu einer beträchtlichen Tragfä- fahrtsdirektion Mitte:
higkeitssteigerung in der Verbundfuge. Die Brücke Nr. 71, siehe Bild 9.3-17, über-
Der Grad der Vorfertigung der Fahrbahn- führt als Einfeldträger die Landstraße L104
platte hat also großen Einfluss auf die Wirt- über den Stichkanal bei Osnabrück [Kuhl-
schaftlichkeit und unter Umständen auch auf mann, 1995]. Die Brücke hat eine Stützweite
die Gestaltung der Verbundbrücke. von 47 m und eine konische Trägerform.

Bild 9.3-17   Brücke Nr. 71


9.3 Brücken in Verbund- und Mischbauweise 949

Der Brückenquerschnitt ist ein zweistegiger nur noch 6,6 MNm. Der Biegemomenten-
Plattenbalken, der im Abstand von ca. 8 m anteil, der den reinen Stahlträger belastete,
durch Querrahmen ausgesteift wird. reduzierte sich also beträchtlich.
Während des Betonierens im Bauzustand Nach dem Erhärten des Betons wurden
wurde die Brücke nicht an den Brückenen- die Hilfsstützen freigesetzt. Infolgedessen
den an den Widerlagern, sondern auf den wirkten zusätzlich zu den Ausbaulasten wie
im Bild 9.3-17 dargestellten Hilfsstützen Kappen- und Asphaltgewicht die Auflasten
aufgelagert. Diese Hilfsstützen waren um aus den Hilfsstützen als Lasten auf den Ver-
7 m nach Innen angeordnet, so dass sich die bundträger. Dabei entstand ein relativ hohes
freie Stützweite auf 33 m verkürzte. Auf die- Eigenlastmoment von 13,1 MNm. Dieses
ses Kragarmsystem wirkte der Hauptanteil Moment beanspruchte dann den Verbund-
der Eigenast aus Stahlgewicht, Schalungsge- querschnitt mit der fertiggestellten Beton-
wicht und vor allem Frischbetonlast. Damit platte.
betrug das maximale Biegemoment in Trä- Durch den Einsatz der Hilfsstützen ver-
germitte nicht ca. 17 MNm wie bei einer minderte sich also der Biegemomentenan-
Lagerung an den Brückenenden, sondern teil, der den reinen Stahlträger belastete, von

Bild 9.3-18   Momentenverteilung Brücke Nr. 71


950 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

über 50% auf nur 20% des Gesamtbemes- nuierliche Unterstützung des Stahlträgers
sungsmoments. Dagegen stieg das Eigen- beim Betonieren, so dass das gesamte Ei-
lastmoment auf den Verbundquerschnitt genlastmoment durch den Verbundquer-
um ca. 30% auf 41% des Gesamtmoments. schnitt aufgenommen wird. Ein solches
Durch das Montageverfahren wurden also Bauverfahren ist aber nur in Ausnahmefäl-
ca. 30% des Gesamtmoments statt vom rei- len möglich. Die Brücke über die Hauptstra-
nen Stahlquerschnitt vom Verbundquer- ße in Horrem im Bereich der Bundesbahn-
schnitt aufgenommen. direktion Köln, siehe Bild 9.3-19, ist ein
Diese gezielte Verlagerung des Eigen- solches Beispiel.
lastmoments vom reinen Stahlquerschnitt Im Zuge des Ausbaus der L163 musste
auf den Verbundquerschnitt wird auch als die Eisenbahnüberführung über die Haupt-
Eigengewichtsverbund bezeichnet. Durch straße in Horrem bei Köln erneuert wer-
einen solchen Eigengewichtsverbund kön- den. Statt der ausgeschriebenen einfeld-
nen Bauglieder, deren Abmessungen sich rigen mehrgleisigen Stahldeckbrücke wur-
überwiegend aus dem Bauzustand her­ de ein Sonderentwurf in Verbundbauweise
leiten wie zum Beispiel die Stahlträger­ ausgeführt. Hierbei lagen besonders
obergurte, erheblich kleiner ausgeführt schwierige Verkehrsverhältnisse vor. Der
werden. So beträgt z. B. beim Bauwerk Straßenverkehr auf der Hauptstraße in
Nr. 71 die Obergurtfläche an der maximal- Horrem musste während der gesamten
beanspruchten Stelle in Trägermitte nur ca. Bauzeit aufrechterhalten werden und konn-
40% der Untergurtfläche. Entsprechend er- te nur für kurze Kraneinsätze am Wochen-
reicht das Gesamtstahlgewicht bezogen auf ende gesperrt werden. Auf der Brücke lagen
die Brückenfläche für Bauwerk Nr. 71 mit die beiden Hauptgleise der Strecke Köln –
152 kg/m2 einen vergleichsweise niedrigen Aachen, ein Überholungsgleis und ein Aus-
Wert. ziehgleis. Besonders die beiden Hauptgleise
Durch die gezielte Verlagerung der konnten nur für jeweils eine Nacht gerade
Eigen­lastbeanspruchung vom reinen Stahl- für das Auswechseln der Überbauten un-
querschnitt auf den Verbundquerschnitt terbrochen werden.
wird also eine sehr wirtschaftliche Bemes- Der Brückenquerschnitt, siehe Bild
sung möglich. Die wirtschaftlichste Lösung 9.3-19, wurde an diese Montagebedin-
erzielt man durch einen vollständigen Ei- gungen angepasst. Er besteht aus sechs Ein-
gengewichtsverbund, also durch eine konti- zelüberbauten mit jeweils zwei Hauptträ-

Bild 9.3-19   Eisenbahnüberführung in Horrem


9.3 Brücken in Verbund- und Mischbauweise 951

gern. Die Fugen- und Stoßeinteilung zwi- lastschnittgrößen in einem statisch unbe-
schen den Überbauten erfolgte so, dass die stimmten Längssystem genommen werden.
vier Gleise jeweils genau auf einem dieser So wird durch das nachlaufende Betonieren
Einzelüberbauten zu liegen kamen. der Stützquerschnitte, dem sogenannten
Die Verbundüberbauten wurden auf Pilgerschrittverfahren, die Betonplatte über
einem Vormontageplatz mit Betonplatte der Stütze nur aus Ausbaulasten und Ver-
vollständig vorgefertigt. In drei nächtlichen kehrslasten auf Zug beansprucht. Diese
Kraneinsätzen wurden dann die alten Maßnahme, die der Rissweitenbegrenzung
Überbauteile ausgehoben und die neuen in der bewehrten, nicht vorgespannten Be-
Verbundüberbauten eingelegt. Unmittelbar tonplatte über der Stütze dienen soll, erfor-
nach dem Einlegen waren die Einzelüber- dert ein sehr zeit- und kostenaufwendiges
bauten für sich schon wieder befahrbar. Verfahren des Schalwagens im Vor- und
Erst später – dann schon unter Verkehr – Rücklauf. Es stellt sich die Frage, ob nicht
wurden die Stöße in dem Mittelquerträger durch sorgfältige Fahrbahnabdichtung ge-
und den beiden Endquerträgern geschlos- gen Tausalz, konstruktiv sinnvolle Beweh-
sen und damit das Trägerrostsystem herge- rung bzw., wo möglich, auch begrenztes
stellt. Bei einer Stützweite von nur etwa Vorspannen qualitativ gleichwertige, aber
20 m war hier das Einzelgewicht der Über- kostengünstigere Verbundbrücken erreicht
bauten trotz Betonplatte noch unter 100 t, werden.
so dass ein Einheben mit einer vernünfti-
gen Krangröße noch möglich war.
Die Transportmöglichkeiten, also Ab- 9.3.3.2 Vorspannung
messungen und Gewicht der Einzelüber-
bauten, haben hier den Einsatz einer Ver- Ebenso von großer Bedeutung im Hinblick
bundkonstruktion ermöglicht. Die Stahl- auf die Fertigung ist die Wahl der Vorspan-
betonverbundplatte war vor allem deshalb nung in der Betonplatte. Man kann in
eine wirtschaftlich günstige Alternative, Längs- und Querrichtung oder nur in je-
weil sie auf dem Vormontageplatz mit einer weils einer Richtung vorspannen. Vorspan-
von unten kontinuierlich unterstützten nung in Längsrichtung lässt sich sowohl
Schalung erstellt werden konnte. Erst nach mit Hilfe von Spanngliedern als auch durch
dem Einheben des vorgefertigten Über- Montagemaßnahmen erreichen. Die Vor-
baus wirkte das gesamte Konstruktionsge- und Nachteile müssen bei jeder Bauaufgabe
wicht auf das System und damit auf den neu abgewägt werden.
Verbundquerschnitt. Mit diesem vollstän- Bei üblichen Plattendicken von 30 bis
digen Eigengewichtsverbund wurde für die 35 cm ist eine Spanngliedvorspannung
Bemessung die optimale Schnittgrößen- in beiden Plattenrichtungen konstruktiv
aufteilung im Verbundquerschnitt erreicht. schwierig herzustellen. Die Bewehrungs-
So betrug das Verhältnis der Obergurtflä- dichte bei zwei Spanngliedrichtungen, die
che des Stahlquerschnitts zu seiner Unter- zusätzlich erforderliche schlaffe Bewehrung
gurtfläche nur noch ca. 25%. und eventuelle Einbauten für Entwässerung
Ähnlich wie durch die Unterstützung und Ähnliches erschweren das Einbringen
beim Betonieren kann auch durch die Rei- und Verdichten des Betons. Grundsätzlich
henfolge der Betonierabschnitte oder das sollte man also eine Spanngliedvorspan-
nachträgliche Schließen von Gelenken, d. h. nung immer nur in einer Brückenrichtung,
von Baustellenstößen, Einfluss auf den längs oder quer, vorsehen.
inneren Spannungszustand im Verbund- Die Brücke Arminiusstraße, gebaut von
querschnitt und die Verteilung der Eigen- der Firma Dörnen Stahlbauwerke, Dort-
952 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

mund, und Hochtief, Dortmund, im Auf- Bernkastel und Kues. Der Überbau besteht
trag der Stadt Dortmund, ist hierfür ein aus einem zweizelligen Stahlkasten mit
Beispiel [Kuhlmann, 1995] (Bild 9.3-20). einem gemeinsamen Mittelsteg und einer
Die Brücke Arminiusstraße hat einen durchgehenden Betonfahrbahnplatte. Durch
typischen zweistegigen Plattenbalkenquer- die Unterstützung der drei Stege konnte auf
schnitt. Die beiden Hauptträger haben eine Quervorspannung der Platte verzich-
einen Abstand von 7 m, die Kragarmlänge tet werden. In Längsrichtung ist die Brücke
beträgt 3,75 m. Wegen dieser Stützungsver- durch Spannglieder vorgespannt. Die Trä-
hältnisse ist die Fahrbahnplatte in Brücken- gerhöhe variiert zwischen 2 m und 4,3 m.
querrichtung mit Spanngliedern vorge- An den Pfeilern werden durch das sta-
spannt. Auf eine Spanngliedvorspannung tische System ebenso wie durch den Beto-
in Brückenlängsrichtung wurde jedoch niervorgang besonders hohe Stützenmo-
bewusst verzichtet. Statt dessen wurde eine mente erzeugt, das heißt hohe Zugkräfte in
Längsvorspannung durch Montagemaß- der Fahrbahnplatte oben und hohe Druck-
nahmen erzeugt. kräfte im Untergurt. Die hohen Zugkräfte in
Die Brücke wurde in überhöhter Lage be- der Fahrbahnplatte werden durch die Längs-
toniert. Nach dem Erhärten des Betons wur- vorspannung überdrückt. Die hohen Druck-
de die Brücke um ca. 30 cm an den Pfeilern kräfte im Untergurt werden nicht wie üblich
planmäßig abgesenkt, wodurch über den In- durch ein dickes eng ausgesteiftes Stahl-
nenstützen eine Druckvorspannung in der blech aufgenommen, sondern durch einen
Fahrbahnplatte erzeugt wurde. Die erforder- Doppelverbundquerschnitt mit Bodenplat-
liche Betonstahlbewehrung (an den Innen- te aus Beton. Sie ist ca. 29 m lang und zwi-
stützen) wurde damit deutlich reduziert. schen 25 und 50 cm dick.
Allerdings erzeugt solch eine Vorspannung, Anhand der schematischen Darstellung
egal ob durch Absenkung oder Spannglieder, im Bild 9.3-21 wird der Bauablauf der Brü-
nicht nur eine Druckbeanspruchung in der cke erläutert. Als erstes wurden die drei
Platte, sondern auch Zugbeanspruchung im Teile des Stahlüberbaus im Werk als Groß-
Stahlträgeruntergurt, und das nicht nur über bauteile von 7,5 m Breite und jeweils ca.
den Stützen, sondern auch im ohnehin zug- 50 m Länge mit Hilfe eines Schwimmkrans
beanspruchten Feldbereich. Infolge einer montiert. Dabei wurde der Mittelteil gelen-
solchen Absenkmaßnahme zur Vorspan- kig zwischen die zuvor aufgelegten Seiten-
nung muss in der Regel also der Stahlträger­ teile eingehängt. Nachdem die Baustellen-
untergurt verstärkt werden. stöße verschweißt waren, wurden an den
Ein weiteres Beispiel für Längsvorspan- Brückenenden die Lager abgebaut und so
nung, hier jedoch mit Spanngliedern, ist der Überbau an den Widerlagern freige-
die 1995 erneuerte Moselbrücke zwischen setzt.

Bild 9.3-20   Querschnitt Brücke Arminiusstraße


9.3 Brücken in Verbund- und Mischbauweise 953

25 cm 25 cm

Bild 9.3-21   Bauablauf Moselbrücke Bernkastel-Kues

Durch das Freisetzen lag für die dann Nach dem Anheben wurden die End-
folgenden Betoniervorgänge ein eindeu- querträger betoniert, die Lager eingebaut,
tiges statisch bestimmtes System vor. An- die Brücke mit Kappen und Asphalt ausge-
schließend wurde symmetrisch zu den rüstet. Dann konnte der Verkehr von der
Pfeilern betoniert. Das fing mit dem Beto- alten Moselbrücke auf die neue Brücke um-
nieren der Betonbodenplatten und der geleitet werden. Anschließend wurde die
Pfeilerquerträger an und setzte sich im glei- alte Brücke abgebrochen. Ihre Pfeiler und
chen Sinne beim Betonieren der Fahrbahn- Widerlager wurden saniert und für die Auf-
platte in insgesamt sechs Betonierabschnit- nahme der neuen Brückenkonstruktion
ten fort. Durch das Verhältnis Feldlänge vorbereitet. Während einer Sperrzeit für
gleich etwa doppelte Kragarmlänge wurden den Verkehr wurde die neue Brücke aus der
beim Betonieren wie an einem Wiegebal- Umfahrungslage um ca. 13 m in ihre end-
ken immer links und rechts vom Pfeiler die gültige Lage quer verschoben. Danach wur-
gleichen Beanspruchungen erzeugt. Da das de die Brückenausrüstung vervollständigt,
Betonieren am Pfeiler begann, wirkte der die Fahrbahnübergänge eingebaut, die La-
Hauptanteil der Beanspruchung auf den ger wieder eingerichtet usw. Anschließend
Verbundquerschnitt. Durch das doppelte konnte die Brücke wieder für den Verkehr
Kragarmsystem erhielten die Stahlober- freigegeben werden.
gurte beim Betonieren praktisch nur Zug- Die Moselbrücke Bernkastel-Kues ist ein
beanspruchung. Sie konnten daher sehr besonderes Beispiel dafür, wie durch die
wirtschaftlich ausgelegt werden. Im zwölf- Montagefolge und durch gezielte Montage-
ten Schritt wurden die Brückenenden um maßnahmen die Beanspruchungen im Ver-
ca. 25 cm angehoben und eine Lagerung bundquerschnitt maßgeblich beeinflusst
eingerichtet. Durch das Anheben wurde im werden. Man hat hier gezielt durch das
Tragwerk planmäßig ein Zwängungszu- Freisetzen an den Widerlagern und die Be-
stand eingeprägt. In diesem Fall diente die tonierfolge Eigenlastschnittgrößen zum
Montagemaßnahme nicht zur Vorspan- Verbundquerschnitt an die Pfeiler verla-
nung des Systems sondern zur Erhöhung gert. „Teurer“ Stahlobergurt ist hier durch
des Anpressdrucks an den Widerlagern. Spanngliedlängsvorspannung ersetzt wor-
954 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

den. Nach der Diskussion über Spannglied- den Beispiele von Stabbogenbrücken bzw.
vorspannung in dünnen Betonstegen wür- „echten“ Bogenbrücken zeigen deshalb vor
de man heute möglicherweise im Sinne der allem typische Verfahren zur Montage der
Überwachung und Auswechselbarkeit ähn- Stahlunterkonstruktion. Die Erstellung der
lich wie bei Spannbetonüberbauten die Betonfahrbahnplatte folgt den üblichen
Längsspannglieder als externe Spannglie- Verfahren, siehe 9.3.2. Wichtiger systemab-
der im Kasten führen. hängiger Punkt ist hier allerdings die
Berücksichtigung, dass Bogensysteme emp-
findlich auf unsymmetrische Lasten reagie-
9.3.4 Systemabhängige Bauabläufe ren, siehe Abschnitt 5.4.4.1, und man des-
halb am besten auch symmetrisch betoniert,
9.3.4.1 Allgemeines d. h. zum Beispiel von der Mitte beginnend
immer abwechselnd zu beiden Seiten.
Bauabläufe werden maßgeblich durch die
äußeren Rahmenbedingungen bestimmt,
wie Zugänglichkeit der Baustelle, Möglich- 9.3.4.2 Montage von Stabbogenverbund­
keiten der Hilfsunterstützung und freie brücken
Mon­tageflächen. Aber ebenso gibt es Rand-
bedingungen, die sich aus dem statischen Erst wenn Bogen und Versteifungsträger
System ergeben. Eine Schrägseilbrücke wird geschlossen und miteinander verschweißt
typischer Weise im Freivorbau errichtet, in- sind, wirkt das Stabbogensystem. Bis dahin
dem mit wachsendem Kragarm nach und braucht die Konstruktion zusätzliche Unter-
nach die verschiedenen Seilebenen eingezo- stützungen zwischen den Lagerpunkten.
gen werden können. Bei Hängebrücken Vorteilhaft ist natürlich, wenn diese Un-
müssen als erstes immer die Pylone errich- terstützung am eigentlichen Einbauort er-
tet und das Tragkabel eingezogen werden. folgen kann, wie zum Beispiel bei der Mon-
Beide Systeme sind Beispiele dafür, dass die tage der Amperbrücke [Hagedorn et al.,
statischen Systeme im End- und im Bauzu- 1997], siehe Bild 9.3-22. Hier war es mög-
stand die gleichen sind. Ein unschätzbarer lich im Überflutungsgebiet der Amper
Vorteil, wenn gerade für große Spannweiten Hilfsunterstützungen zu setzen, die die
im Bauzustand kein Hilfssystem erforder- Spannweite von 70,2 m auf 40,2 verkürz-
lich ist. Anders ist es bei Bogensystemen: ten. Der Trägerrost wurde in 4 Achsen ge-
Die Vorteile der Bogenwirkung, Abtragung lagert und diente zur Unterstützung der
der Lasten über Drucknormalkräfte, kom- Bogenhilfsstützen, auf die die jeweils zwei
men erst dann zur Wirkung, wenn der Bogenschüsse abgesetzt wurden. Nach Ver-
Bogen geschlossen ist. Bei Stabbogenbrü- schweißen der Bogen wurden als letzter
cken muss sogar der Fahrbahn- und Ver- Schritt die Hänger eingebaut. Bogenhilfs-
steifungsträger als Zugband angeschlossen stützen und Hilfslager konnten dann ent-
sein, um das statische System des Endzu- fernt werden und das Gesamtsystem wurde
stands zu aktivieren. Da also in jedem Fall auf Verschubbahnen an den Auflagerbän-
Hilfskonstruktionen erforderlich sind und ken in die Endlage quer verschoben.
die für möglichst geringe Lasten ausgelegt Von dieser typischen Reihenfolge: 1. Fahr-
werden sollten, heißt ein Grundsatz bei bahnrostfertigstellung, 2. Bogenmontage,
der Montage von Bogenbrücken mit Ver- 3. Hängermontage wird nur in sehr seltenen
bundfahrbahn, dass immer erst das Bogen- Fällen abgewichen. Ein Beispiel hierfür ist
system zu schließen ist, bevor die Beton- die Saalebrücke Beesedau [Heiland et al.,
fahrbahnplatte betoniert wird. Die folgen­ 2000], wo es ebenfalls möglich war, Hilfs-
9.3 Brücken in Verbund- und Mischbauweise 955

unterstützungen vor Ort vorzu­sehen, die


aber in diesem Fall direkt der Bogenmon-
tage dienten. Günstig für den gesamten
Zeitablauf wurde parallel dazu der Fahr-
bahntrog unabhängig hinter dem Wider­
lager erstellt und in Taktschiebebauweise
montiert. Erst nach Fertigstellung beider
unabhängiger Systeme erfolgte die eigent-
liche Kopplung zwischen Bogen und Fahr-
bahntrog und der Einbau der Hänger.
Häufig ist es aber gerade an schiffbaren
Wasserwegen nicht möglich, Hilfsunter-
stützungen zu errichten. Hier hängt die
Montageart wesentlich vom möglichen
Montageplatz ab. Bei der Brücke Fischer-
dorf z. B. konnte die Stahlkonstruktion auf
der schon fertiggestellten Spannbetonvor-
landbrücke zusammengebaut werden, sie-
he Bild 9.3-23.
Der Zusammenbau zum kompletten Stab­
bogensystem erfolgte auf dicht unterstützter
Zulage. Zum Verschieben wurde die Brücke
nach dem Freisetzen vorne auf Pressen mit
Gleitschuhen aus Teflon-Gleitlagern und
hinten durch schnabelförmige Verlänge-
rungen auf gummibereiften Plattformwagen
abgestützt. Nach dem Vorrollen auf der Ver-
schubbahn wurde der Überbau vorne auf ein
Schiff umgelagert, das in der 2. Hängerachse,
die entsprechend durch eine Bogenstütze
verstärkt war, die Brückenlagerung über-
nahm. Zur Stabilisierung während Vorrollen
und Einschwimmen wurden die Hänger un-
tereinander durch einen Hilfsverband und
der Bogen durch eine Bogenstrebe gehalten.
Nicht immer kann solch ein günstiger
„Fahrweg“ durch Vorlandbrücken zur Ver-
fügung gestellt werden. So konnte zum Bei-
spiel die Elbebrücke Dömitz [Lüesse et al.,
1993] nur hinter dem Widerlager auf einem
Straßendamm erstellt werden und musste
dann durch Verschieben auf dem Damm
Bild 9.3-22   Montageablauf Amperbrücke
und Einschwimmen mit zeitweise auch
2 Pontons längs in die Endlage transpor-
tiert werden. Dazu gehörte ein mehrma-
liges Umsetzen auf verschiedene Lager-
punkte, entsprechend viele verschiedene
956 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Vormontage

Vorschieben

Einschwimmen

Bild 9.3-23   Montageablauf Donaubrücke Fischerdorf

Zwischenzustände und statische Systeme, Verschieben und Einschwimmen und das


die auch für die Dimensionierung der Stahl- spätere Betonieren haben, sich für die Über-
konstruktionen zum Teil maßgebend wur- brückung schiffbarer Wasserwege ohne
den. Da Stabbogenbrücken vergleichsweise Möglichkeiten der Hilfsunterstützung be-
niedrige Versteifungsträger und Stege ha- sonders eignen.
ben, ist eine Längseinschieben mit festen
Lagerpunkten, die gezielt verstärkt werden
können, trotz dieses Aufwands aber in der 9.3.4.3 Montage von echten Bogenbrücken
Regel sinnvoll.
Unter Umständen befindet sich der Vor- Da eine Bogenwirkung erst existiert, wenn
montageplatz gar nicht in unmittelbarer auch das letzte Schlussstück des Bogens
Einbaunähe, so dass Längs- und Querver- kraftschlüssig eingesetzt ist, müssen für die
schieben nicht möglich sind. Bild 9.3-24 Herstellung des Bogens umfangreiche Ab-
zeigt das Einschwimmen des Bogenfelds stützungen vorgesehen werden.
der Grenzbrücke über die Oder bei Frank- Bei Bogentragwerken wie die Wilde
furt [BMVBW, 2003]. Hier wurde die Stahl- Gera [DEGES, 2000] oder die Brücke Alb-
konstruktion der Stabbogenverbundbrücke rechtsgraben [DEGES, 2001], bei denen ein
vollständig auf einer schwimmenden Mon- einzelliger Stahlkasten mit Verbundplatte
tageplattform, bestehend aus mehreren auf einem geschlossenen Betonbogen auf-
Pontons, auf der Oder in ca. 300 m Entfer- geständert ist, kann die Bogenmontage
nung vom Einbauort zusammengebaut. unabhängig vom Überbau durch Freivor-
Gerade die letzten Beispiele zeigen, dass bau mit Abspannungen erfolgen. In beiden
Verbundlösungen, die ein „leichtes“ Stahl- genannten Fällen wurden anschließend die
stabbogensystem im Bauzustand für das hinter den Widerlagern zusammengebau-
9.3 Brücken in Verbund- und Mischbauweise 957

Bild 9.3-24   Montage Grenzbrücke über die Oder

ten offenen Stahlkästen durch Längsver- recht frühen Zeitpunkt die Bogendruck-
schub über die Aufständerungen des Beton- kraft über den Überbau kurzgeschlossen
bogens geschoben. Anschließend erfolgte werden. Das Schlussstück des Überbaus,
die Erstellung der Verbundfahrbahnplatte das gleichzeitig auch den großen Bogen mit
mit Schalwagen wie in 9.3.2.2 beschrieben. 134 m Spannweite über die Elbe schließt,
Schwieriger ist die Montage, wenn der wird mit Hilfe eines Schwimmkrans mon-
Fahrbahnträger selbst den Bogen schließt, tiert. Danach können die Hilfspylone und
wie zum Beispiel bei der Elbebrücke Pirna Abspannungen abgebaut werden. Bei einer
[Eilzer et al., 1999] oder der Isarbrücke solch aufwendigen Abspannungskonstruk-
Grünwald [Fink, 1999]. Bei der Isarbrücke tion stellt sich schon die Frage, ob nicht eine
Grünwald, siehe System Bild 9.3-25, war es Schrägseilbrücke mit gleicher Abspannung
möglich Hilfsjoche auch in die Isar bzw. den im Bau- und im Endzustand hier wirt-
Isarkanal zu stellen. Dadurch konnten die schaftlicher gewesen wäre. Anschließend
leichten Bogenträger aus Stahlkästen zu- folgte wie auch in den anderen Beispielen
sammen mit den Versteifungsträgern (eben- die Herstellung der Betonfahrbahnplatte
falls Stahlkästen) und den Ständern direkt mit konventioneller Schalwagenkonstruk­
vom Lkw gehoben und auf Lager und Joche tion.
aufgelegt und dort verschweißt werden. Erstaunlich ist auch, dass im Zusam-
Für die Elbebrücke Pirna mit Betonbo- menhang mit solchen Verbundbogentrag-
gen erfolgte die Herstellung der Bogenhälf- werken und den Schwierigkeiten im Frei-
ten über der Elbe und die gleichzeitige vorbau diesen schweren Betonbogen zu
Montage der Überbauschüsse im Freivor- schalen, zu bewehren und zu betonieren,
bau mit Hilfspylon und Hilfsabspannung. man zumindest nach unserem Wissen bis-
Bild 9.3-26 zeigt die Montagefolge des Frei- her noch keinen echten Verbundbogen re-
vorbaus. alisiert hat. Überlegungen hierzu sind u. a.
Durch die vorgezogene Erstellung der auch im Rahmen einer Dissertation [Weiß-
landseitigen Bogenhälfte konnte zu einem bach, 2006] erfolgt.
958 9 Herstellung und Ausführungsmethoden

Bild 9.3-25   Ansicht Isarbrücke Grünwald

Bild 9.3-26   Montageablauf Elbebrücke Pirna


10 Brückenausrüstung

10.1 Fahrbahnausbildung EN ISO 12944 vorbereitet. Bei Flammstrah-


und Dichtungen lentrostung ist dafür zu sorgen, dass die Be-
schichtung an der Deckblechunterseite kei-
Ursula Freundt nen Schaden erleidet. Nach dem Flamm-
(bis 10.2; in die Abschnitte 10.1 und 10.2 sind Aus­
strahlen ist die Oberfläche mit mecha-
arbeitungen von Günter Ramberger eingeflossen)
nischen Bürsten zu reinigen. Das Strahlgut
muss umweltgerecht entsorgt werden. Auf
die so vorbereitete Fläche folgt die Grundie-
10.1.1 Fahrbahnen von Straßenbrücken rungsschicht als Korrosionsschutz. Sie be-
steht aus bituminösen Beschichtungsstoffen
10.1.1.1 Fahrbahnplatten-Stahl oder Reaktionsharzbeschichtungsstoffen,
(orthotrope Platte) meist mit haftver­bessernden Zusätzen. Da­
rauf folgen die Haftschicht und die Klebe-
Jede Brücke ist ein Bestandteil eines Stra- schicht aus bituminösen Stoffen oder lö-
ßenzugs. Der Fahrbahnbelag der Brücke sungsmittelfreien Harzen mit guten Klebe-
sollte sich daher nicht von dem des Stra- eigenschaften, gegebenenfalls mit einer
ßenzugs unterscheiden. Brücken mit Stahl- Abstreuung. Klebe- und Haftschicht zu-
deck erhalten normalerweise bituminöse sammen, manchmal auch an deren Stelle
Brückenbeläge, Gehwege öfter auch reak­ eine Schicht, bilden die Dichtungsschicht.
tionsharzgebundene Dünnbeläge. Da­rauf folgt die Schutzschicht aus Gussas-
Der Fahrbahnbelag besteht aus Dich- phalt, Splittmastix­asphalt oder Asphaltbe-
tungsschicht, Schutzschicht und Deck- ton mit einem Hohlraumgehalt < 4 Vol.%.
schicht (Bild 10.1.1-1). Die Stahloberfläche Die Schutzschicht gleicht auch die Uneben-
wird für den Korrosionsschutz mit mecha- heiten des Deckblechs aus. Die Nenndicke
nischer Oberflächenvorbereitung durch der Schutzschicht beträgt normalerweise
Strahlen oder durch Flammstrahlen nach 3,5 bis 4 cm, sollte jedoch an keiner Stelle

Bild 10.1.1-1   Aufbau Brückenbelag auf Stahl [Vollrath/Tathoff, 2002]


960 10 Brückenausrüstung

unter 2,5 cm und in einer Schicht über 5 cm Die Vorbereitung der Betonoberfläche
dick sein. Größere Dicken sind in zwei Ar- erfolgt i. d. R. durch Strahlen mit festen
beitsgängen aufzubringen. Auf die Schutz- Strahlmitteln. Nach der Vorbehandlung
schicht wird die Deckschicht als obere Ver- muss die Abreißfestigkeit im Mittel min-
schleißschicht aufgebracht. Sie hat üblicher- destens 1,5 N/mm2 betragen. Sofern die
weise eine Dicke von 3,5 bis 4 cm und wird Rautiefe der vorbereiteten Betonoberfläche
aus denselben Materialien wie die Schutz­ die zulässigen Werte überschritten hat,
schicht hergestellt. Werden Deckschichten wird anstelle der Grundierung eine Kratz-
aus Splittmastixasphalt oder Asphalt­beton spachtelung aufgetragen.
auf Schutzschichten aus ­Guss­asphalt gelegt, Die Bitumenbahn wird auf die vorbe-
dann wird die heiße Guss­asphaltschicht mit handelte Betonoberfläche aufgeschweißt.
bitumi­nösem Edelsplitt abgestreut. Auch Als Schweißbahn kommen Polymerbitu-
beim Aufbringen von Gussasphalt ist darauf men-Schweißbahnen mit hochliegender
zu achten, dass der Korrosionsschutz an der Trägereinlage oder Bitumenbahnen mit
Unterseite des Deckblechs keinen Schaden oder ohne Metallkaschierung zum Einsatz.
nimmt. Im Übergangsbereich von der Fahrbahn
Fuß- und Radwege erhalten Oberflä- zur Kappe wird bei Ausführung einer
chenvorbereitung, Korrosionsschutz und einlagigen Abdichtung zur Verstärkung
entweder die Dichtungsschicht wie die der Dichtungsschicht eine mindestens
Fahrbahn mit einer etwa 3 cm dicken Lage 30 cm breite, edelstahlkaschierte Bitumen-
Gussasphalt als Schutz- und Verschleiß- Schweißbahn oder ein Edelstahlband auf
schicht oder eine zweilagige Deckschicht Bitumenklebemasse angeordnet.
aus reaktionsharzgebundenen Dünnbelä- Als Flüssigkunststoffe für die Dich-
gen, wobei jede Schicht mit Quarzsand ab- tungsschicht werden hitze- und alterungs-
gestreut wird. beständige sowie gleichzeitig bitumen­
Die Gesamtdicke des Fahrbahnbelags verträgliche Stoffe auf der Basis von
auf orthotropen Platten beträgt somit etwa ­Urethan-Elastomeren verwendet.
8 bis 10 cm, des Gehwegbelags etwa 4 cm Bei Ausführung der Dichtungsschicht
bei Gussasphalt und etwa 1 cm bei Dünn- als einlagige Abdichtung mit einer Bitu-
belägen. men-Schweißbahn und im Falle einer Flüs-
sigkunststoffabdichtung wird die Schutz-
schicht aus Gussasphalt hergestellt. Die
10.1.1.2 Fahrbahnplatten-Beton Dicke der Schutzschicht beträgt i. d. R.­
3,5 cm. Die Dicke der Schutzschicht darf­
Analog dem Fahrbahnbelag auf Stahl in einer Lage nicht mehr als 5 cm betragen.
(Bild 10.1.1-1) besteht der Fahrbahnbelag Größere Dicken sind wiederum in zwei
auf Stahlbeton- und Spannbetonfahrbahn- Arbeitsgängen anzufertigen. Die Schutz-
platten aus der Dichtungsschicht, der schichtdicke darf außer bei Schweißbahn-
Schutzschicht und der Deckschicht. überlappungen an keiner Stelle 2,5 cm un-
Die Dichtungsschicht setzt sich zusam- terschreiten.
men aus einer auf die vorbehandelte Be­ Sofern als Deckschicht Asphaltbeton
tonoberfläche aufgetragene Grundierung oder Splittmastixasphalt vorgesehen ist,
(ggf. Versiegelung) oder Kratzspachtelung wird die noch heiße Gussasphaltschutz-
auf Reaktionsharzbasis und einer einla- schicht mit bitumenumhülltem Edelsplitt
gigen Bitumen-Schweißbahn bzw. zweila- abgestreut.
gigen Bitumendichtungsbahn oder einer Bei Ausführung der Dichtungsschicht
Dichtungsschicht aus Flüssigkunststoff. als zweilagige Abdichtung mit Bitumen-
10.1 Fahrbahnausbildung und Dichtungen 961

Schweißbahn wird die Schutzschicht aus (Längs- oder Querträger) durch Verschrau-
Asphaltbeton ausgeführt. Ansonsten gelten bung oder Vernagelung befestigt.
für die maximale und minimale Schichtdi- Bohlenbeläge sind häufig Trag- und Ver-
cke ähnliche Forderungen wie für Guss­ schleißschicht zugleich. Ihre Dicke wird
asphaltschutzschichten. demzufolge über das statisch notwendige
Die Deckschicht sollte der Deckschicht Maß hinaus um mindestens 2 cm größer
der anschließenden Straße entsprechen. gewählt. Die Verlegung erfolgt i. d. R. quer
Die Dicke der Deckschicht beträgt i. d. R. zur Laufrichtung mit offenen Fugen. Die
bei Gussasphalt 3,5 cm, bei Splittmastixas- günstigste Fugenbreite beträgt zwischen 6
phalt und bei Asphaltbeton 4,0 cm. und 8 mm. Dadurch werden Zwängungen­
Im Falle der Abdichtung mit einer einla- im Belag infolge Quellen der Bohlen ver­
gigen Bitumen-Schweißbahn wird in der mieden.
Deckschicht ein 20 cm breiter Randstreifen Häufig kommen gespundete Bohlen zur
vor dem Schrammbord aus Gussasphalt Anwendung, die gegenüber offen verlegten
ausgebildet. Bohlen folgende Vorteile aufweisen:
Vor Schrammborden, Einbauten oder
• Vermeidung von Schmutzkegeln und
sonstigen Begrenzungen werden in der
damit verbundenen Feuchtigkeits­
Schutz- und Deckschicht 2 cm breite Fugen
ansammlungen über den Auflager­
ausgeführt. Diese Fugen werden mit bitumi-
hölzern
nöser Fugenvergussmasse verfüllt. Zur Ver-
• Verhinderung des Eindringens von Re-
meidung einer Dreiflankenhaftung wird die
genwasser in die Unterkonstruktion
Fuge in der Deckschicht vor Schrammbor-
• Vermeidung von gegenseitigen Verwer-
den und Bordsteinen mit einem Unterfüll-
fungen und unterschiedlichen Durch-
stoff oder einem hitzebeständigen Kunst­
biegungen benachbarter Bohlen.
stoff versehen.
Sofern der Bohlenbelag diagonal angeord-
net ist, wird eine Mitwirkung des Fahr-
10.1.1.3 Holzbeläge bahnbelags als Teil des Windverbands er-
zielt.
Holzbohlenbeläge werden häufig bei Rad- Zur Erhöhung der Rutschsicherheit bei
und Gehwegbrücken ausgeführt. Die Boh- Nässe und im Winter werden im Bohlenbe-
len sind auf der tragenden Konstruktion lag oberseitig Längsrillen von ca. 7–8 mm

Bild 10.1.1-2   Prinzipieller Aufbau


für den Bohlenbelag auf einer Fuß-
gängerbrücke
962 10 Brückenausrüstung

Breite, ca. 10 mm Tiefe und in Abständen auch für den Lärmschutz die beste Lösung
von 10–20 mm vorgesehen. dar. Die Regelbreite des Schotterbetts
In gespundeter Ausführung sollten die beträgt 4,40 m, der Abstand zwischen Deck-
Nuten einen Bewegungsspielraum von etwa blech und Schwellenunterkante an der Stel-
4% der Bohlenbreite aufweisen, um sich le der tieferliegenden Schiene soll mindes-
den unterschiedlichen Klimabedingungen tens 30 cm betragen. Somit ergibt sich eine
schadlos anpassen zu können. Mindestdicke des Schotterbetts ab Schwel-
Zum Einsatz kommen kesseldruckim- lenoberkante der tiefer liegenden Schiene
prägnierte Bohlen aus Kiefernholz. Dauer- von 55 cm und ein Abstand von Schienen­
hafter ist die Verwendung von Bohlenbelä- oberkante bis Oberkante Deckblech von
gen aus Kernholz der Eiche, Lärche oder 72 cm bei Schienenform UIC 60.
Douglasie. Die Schottertrogoberfläche wird zur
Zwischen Bohlenbelag und tragender Vorbereitung der Beschichtung mechanisch
Unterkonstruktion werden gewebeverstärk- gestrahlt oder flammgestrahlt nach EN ISO
te Kunststofffolien, Bitumenpappen oder 12 944. Darauf wird eine Grundbeschich-
verzinkte Bleche angeordnet, um die Unter- tung aus Reaktionsbeschichtungsstoff auf-
konstruktion vor stauender Nässe zu schüt- gebracht und mit Quarzsand abgestreut.
zen. Auf die Grundbeschichtung werden zwei
Bild 10.1.1-2 zeigt den prinzipiellen etwa je 2,5 mm dicke Schichten aus Reakti-
Aufbau des Bohlenbelags. Weitere Beispiele onsbeschichtungsmörtel (Polyethan oder
sind in [EG Holzbau, 1997] dargestellt. Epoxiharz) aufgespachtelt und nach jeder
Schicht mit Quarzsand abgestreut.
Neben den heute üblichen Schotterbett-
10.1.2 Oberbau von Eisenbahnbrücken fahrbahnen werden bei Nebenstrecken und
Behelfsbrücken auch offene Fahr­bahnen
10.1.2.1 Oberbau auf Stahl ausgeführt. Ihr Vorteil gegenüber dem
Schotterbett ist das geringere Gewicht. Die
In der Regel besteht heute der Oberbau von Nachteile sind allerdings die hohe Lärm­
Eisenbahnbrücken aus den Schienen auf belästigung sowohl der Umgebung als auch
Schwellen im Schotterbett (Bild 10.1.2-1). der Reisenden, die Notwendigkeit von
Das hat den Vorteil, dass das Schotterbett Schienenauszugsvorrichtungen an Brücken­
über die gesamte Strecke durchläuft und enden mit beweglichen Lagern und die un-
stellt sowohl für Wartung und Erhaltung als veränderliche Lage und Höhe der Gleise an
Tragwerkachse
Gleisachse

SO ± 0

–720 ≥300 550


r�
r� 40
40 r� r�
r�
40 40 40

Bild 10.1.2-1   Schotterbettfahrbahn [DS 804]


10.1 Fahrbahnausbildung und Dichtungen 963

Bild 10.1.2-2   Offene Fahrbahn [Inst. F. Stahlbau, TU Wien]

beiden Brückenenden. Bei offenen Fahr- Die Schwellen werden mit Stemmwinkeln
bahnen werden die Schwellen unmittelbar an den Längsträgern befestigt. Eine allen-
auf den Längsträgern gelagert, die bei aus­ falls erforderliche Überhöhung im Bogen
reichender Konstruktionshöhe auf den wird durch stählerne Unterlagsplatten er-
Querträgern oder bei beschränkter Höhe zielt. Die Bereiche seitlich und zwischen den
zwischen den Querträgern angeordnet wer- Schienen müssen entweder mit Bohlen oder
den. Die Längsträger werden im Allgemei- mit Blechen abgedeckt werden, damit im
nen als Durchlaufträger ausgebildet. Die Notfall die Reisenden auch auf der Brücke
Abstände der Längsträger betragen 1,5 m aussteigen können (Bilder 10.1.2-2 und
bis 2,0 m, die der Querträger 2,0 m bis 6,0 m. 10.1.2-3).

Bild 10.1.2-3   Schwellenbefestigung bei offener Fahrbahn [Inst. F. Stahlbau, TU Wien] (Abdeckun­


gen nicht dargestellt)
964 10 Brückenausrüstung

Bild 10.1.2-4   Direkte Schienenlagerung [Beyer et al., 1977]

In ausgesprochen seltenen Fällen und nur eingebettet ist, verbunden. Diese Verbin-
mit ausdrücklicher Zustimmung der Bahn- dung ist verdreh- und durchschubsicher
verwaltung werden direkte Schienenla­ auszubilden. Durch die somit erzielte Rah-
gerungen auf orthotropen Fahrbahn­platten mensteifigkeit ist die Lagesicherheit des
ausgeführt (Bild 10.1.2-4). Da die Schienen- Gleises gewährleistet.
oberkante wesentlich genauer ­liegen muss In den letzten Jahren hat sich eine wei-
als das Deckblech, muss eine variable Aus- tere Oberbauart, die Feste Fahrbahn, für
gleichsschicht zwischen Deckblech und hohe Geschwindigkeiten und geringen
Schienenbefestigung vorhanden sein. Wartungsaufwand bewährt. Bei der Festen
Fahrbahn wird das Schotterbett durch eine
lastverteilende Tragplatte aus Beton oder
10.1.2.2 Oberbau auf Beton Asphalt ersetzt. Auf dieser Platte werden
die Schienen elastisch gelagert. Bei der
Ausbildungen des Oberbaus auf Eisen- damaligen Deutschen Bundesbahn wur-
bahnbrücken sind umfänglich in [Köppel, den bereits 1972 zwei Versuchsstrecken in
1999] beschrieben und werden hier aus- Oelde und Rheda mit Fester Fahrbahn
zugsweise zusammengefasst. hergestellt. Untersuchungen haben gezeigt,
Die Regelbauart bei Eisenbahnbrücken dass der Oberbau RHEDA auch für den
aus Beton ist eine Deckbrücke mit einem Hochgeschwindigkeitsbetrieb geeignet ist
ca. 80 cm dicken Schotterbett. Der Schotter [Matthews, 1998].
als Material für die Oberbaukonstruktion Die Vorteile der Festen Fahrbahn sind:
hat sich über Jahre hinweg als eine gute
Konstruktion bestätigt. Mit günstigen • besseres Langzeitverhalten des Ober-
­Eigenschaften, wie geringe Herstellungs- baus bei Reduzierung der Unterhal-
kosten, leichte Veränderbarkeit und tungsarbeiten,
Höhenregu­lierung der Konstruktion, sowie • bei hohen Geschwindigkeiten wird kein
gute Kör­per-und Luftschalldämmung, hat Schotter aufgewirbelt,
sich der Schotteroberbau bei allen Schie- • der uneingeschränkte Einsatz der ver-
nenwegen durchgesetzt. Den Aufbau dieser schleißfreien Wirbelstrombremse ist
Konstruktionen zeigt Bild 10.1.2-5. möglich.
Mit geeigneten Befestigungsmitteln wer-
den die Schienen mit den Betonschwellen In den letzten Jahren sind eine Reihe von
zu einem Gleisrost, welcher im Schotter Bauarten der Festen Fahrbahn entwickelt
10.1 Fahrbahnausbildung und Dichtungen 965

Bild 10.1.2-5   Regelquerschnitt in Verbundbauweise mit zweigleisigem Schotteroberbau aus


[Curbach, 1997]

worden. Die für den Erdkörper zugelasse- ausgebildet ist. An die Überbauten werden
nen Fahrbahnen sollten aus technologischen in Abhängigkeit von der Bauart zum Teil
Gründen ohne wesentliche konstruktive höhere Steifigkeitsanforderungen gestellt.
Änderungen auch auf Eisenbahnbrücken Der Elastizitätssprung zwischen Brücke
angewendet werden. und Erdkörper muss durch geeignete kon-
Grundsätzlich ist zu vermerken, dass die struktive Maßnahmen im Übergangsbe-
Feste Fahrbahn nur dann einzubauen ist, reich abgefangen werden. Eine Korrektur
wenn der Oberbau auch vor und hinter der Gleisanlage muss gewährleistet werden,
dem Brückenbauwerk als Feste Fahrbahn weil zum Beispiel bei Spannbetonüberbau-

Bild 10.1.2-6   Bauart RHEDA auf Brücken aus [Nesnau/Magnus, 1998]


966 10 Brückenausrüstung

ten durch das Kriechen des Betons Aufwöl- Lager kombiniert. Die Kombination ist
bungen entstehen können. dann in der Bezeichnung erkenntlich, zum
Auf Spannbetonbrücken ist die Bauart Beispiel ein Verformungsgleit- oder Topf-
RHEDA (Bild 10.1.2-6) seit 1973 zugelas- gleitlager.
sen. Es ist in Deutschland die bisher einzige
im Eisenbahnbetrieb erprobte Bauart.
10.2.2 Verformungslager

Als Verformungslager kommen im Brü-


10.2 Lager
ckenbau i. d. R. bewehrte Elastomerlager
zur Anwendung. Sie bestehen aus Elasto-
10.2.1 Übersicht merschichten und Stahlblechen als Beweh-
rungseinlagen. Die Grundrissform ist vier-
Lager sind Bauteile, die Verdrehungen zwi- eckig (rechteckig, quadratisch) oder kreis-
schen zwei Bauwerksteilen ermöglichen rund. Als Sonderformen gibt es auch ovale
und anforderungsgemäß definierte Lasten und achteckige Lager. Die Bewehrungsein-
übertragen. Sie erlauben Verschiebungen lagen aus Stahlblech sind in gleichem Ab-
in alle Richtungen einer Ebene, oder sie stand untereinander und symmetrisch zur
verhindern Verschiebungen. Elemente, die Lagermittelfläche angeordnet und werden
planmäßig Momente um die vertikale Ach- durch Warmvulkanisation mit den Elasto-
se oder Zugkräfte übertragen, sind nicht in merschichten verbunden. Der prinzipielle
Normen geregelt. Zuglager sind Sonder­ Querschnitt eines bewehrten Elas­to­
konstruk­tionen, die in Einzelfällen vor- merlagers ist in Bild 10.2.2-1 dar­gestellt.
kommen können. Als Rohpolymer bei Elastomerlagern ist
Einen Überblick über den Stand der gegenwärtig in Deutschland nur Chloro-
Normung gibt Tabelle 10.2.1-1. Der Tabel- prenkautschuk (CR) zugelassen. In den
le sind auch die gebräuchlichen Lager zu europäischen Regelungen ist neben dem
entnehmen. Die aufgeführten Gleitteile CR auch Naturkautschuk (NR) erlaubt. In
stellen dabei keine eigenständigen Lager Ländern mit tiefen Temperaturen wird der
dar. Ihre ausgezeichnete Funktion ist die Naturkautschuk wegen seiner geringeren
Realisierung von Verschiebungen mit Versteifung bei tiefen Temperaturen be-
­geringen Widerständen. Für die im Bau- vorzugt. Obwohl der Gehalt an CR oder
werk stets erforderliche Verdrehungska­ NR geregelt ist und physikalische und
pazität wird das Gleitteil mit einem ­mechanische Eigenschaften des Elastomers

Bild 10.2.2-1   Querschnitt eines bewehrten Elastomerlagers nach DIN EN 1337-3


10.2 Lager 967

Tabelle 10.2.1-1  Regelwerke für Lager im Bauwesen

Norm Ausgabe Titel


Lager im Bauwesen – Europäische Normung
DIN EN 1337-1 2001-02 Allgemeine Regelungen
DIN EN 1337-2 2004-07 Gleitteile
DIN EN 1337-3 2005-07 Elastomerlager
DIN EN 1337-4 2004-08 Rollenlager
DIN EN 1337-4 2007-05 Rollenlager (Berichtigung)
Berichtigung 1
DIN EN 1337-5 2005-07 Topflager
DIN EN 1337-6 2004-08 Kipplager
DIN EN 1337-7 2004-08 Kalotten- und Zylinderlager mit PTFE
DIN EN 1337-8 2008-01 Führungslager und Festhaltekonstruktionen
DIN EN 1337-9 1998-04 Schutz
DIN EN 1337-10 2003-11 Inspektion und Instandhaltung
DIN EN 1337-11 1998-04 Transport, Zwischenlagerung und Einbau
Lager im Bauwesen – Deutsche Normung
DIN V 4141-13 2008-11 Führungslager und Festhaltekonstruktionen –
Bemessung und Herstellung

definiert sind, sind die Arbeitslinien des sende Verformung erwünscht ist, wird
Materials nicht gleich. Ursachen liegen in die Steifigkeit in dieser Richtung durch die
unterschiedlicher Menge und Art der Füll- einvulkanisierten Stahlbleche erhöht. Die
und Hilfsstoffe. Zudem wird die genaue Re- Stahlbleche verhindern die freie Verform-
zeptur als Know-how der Hersteller gehan- barkeit des Elastomers und es entstehen bei
delt. In Bild 10.2.2-2 ist beispielhaft eine Beanspruchung Ausbauchungen zwischen
Arbeitslinie eines CR 60 dargestellt. Für die den Blechen (Bild 10.2.2-3).
Bewehrungsbleche kommt Stahl nach EN Dabei entsteht im mittleren Lagerbe-
10025 oder ein gleichwertiger Stahl mit reich die größte Druckbeanspruchung im
mindestens 18% Bruchdehnung zum Ein- Gummi und gleichzeitig die größte Zug­
satz. Die Bleche sind 2 mm bis 5 mm dick. beanspruchung in den Blechen.
Bewehrte Elastomerlager übertragen Relativverschiebungen von Überbau
vertikale Kräfte und verschieben und ver- und Unterbau bewirken eine Schubverfor-
drehen sich unter entsprechender Einwir- mung des Elastomerlagers, die in gewissen
kung. Dies wird möglich durch die Ver- Grenzen problemlos aufnehmbar ist. Die
formbarkeit des Elastomers. einvulkanisierten Bewehrungsbleche be-
Da in vertikaler Richtung unter Verti- hindern diese Verformung nicht (die hori-
kalkräften keine tragverhaltensbeeinflus- zontale Steifigkeit ist ca. 1000-mal geringer
968 10 Brückenausrüstung

Bild 10.2.2-2   Arbeitslinie CR 60 (Mittelwerte)

als die vertikale Steifigkeit), so dass der Ver- stellkraft, besser der Widerstand gegen
formungswiderstand nur zu vergleichswei- Horizontalverformung, ist abhängig von
se geringen Rückstellkräften führt. Eine der Verschiebung:
Schubverformung setzt gleichzeitig wir-
FR = A · G · tan γ
kende Vertikalkräfte voraus, ansonsten
würde das Lager durchrutschen. Die ent- wobei tan γ das Verhältnis von der Ver-
sprechende Verformungsfigur ist in Bild schiebung zur Lagerhöhe, A die Lagerfläche
10.2.2-4 dargestellt. und G der Schubmodul des Lagers sind. In
Bei Anwendung einer elastischen Lage- analoger Weise können durch Schubver­
rung werden die Rückstellkräfte genutzt, formungen des Elastomers Relativverdre-
um äußere Horizontalkräfte (Wind, Brem- hungen zwischen Überbau und Unterbau
sen und Anfahren) abzutragen. Die Rück- realisiert werden. Die entsprechende Ver-

Bild 10.2.2-3   Verformungsbild eines bewehrten Elastomerlagers unter zentrischer Vertikallast

Bild 10.2.2-4   Verformungsfigur eines druck- und schubbeanspruchten Elastomerlagers


10.2 Lager 969

Bild 10.2.2-5   Verformungsfigur unter Verdrehung

formungsfigur ist in Bild 10.2.2-5 darge- Verankerte Elastomerlager


stellt. Bei geringer Auflast dürfen die Anker­
Die dabei auftretenden Rückstellmo- platten durch Verschweißen, Verschrauben
mente (Verdrehwiderstände), sind abhän- oder durch eine Dübelscheibe mit dem La-
gig von der Verdrehung, der Geometrie des ger verbunden werden. Im Bild 10.2.2-6 ist
Lagers und dem Schubmodul. beispielhaft die Verbindung mit Dübel-
Der Schubmodul von Elastomer ist auch scheiben dargestellt. Die schub­sichere Ver-
temperaturabhängig. Bei tiefen Tempera- bindung zwischen ­Lager und Unter-/ Über-
turen versteift das Material und bei hohen bau wird in der Regel über Kopfbolzen
Temperaturen wird es weicher. Dieser Sach- hergestellt, die im Bild 10.2.2-6 mit darge-
verhalt ist bei der Ermittlung der Wider- stellt sind.
standswerte zu beachten. Bewehrte Elastomerlager können durch
Ein Elastomerlager kann nur verformt Kombination mit Festhaltekonstruktionen
werden, wenn die Verschiebung oder Ver- (siehe Abschnitt 10.2.6) als feste Lager oder
drehung in das Lager eingeleitet wird. Das mit PTFE-Gleitteilen als Verformungsgleit-
setzt eine schubfeste Verbindung zwischen lager ausgeführt werden.
den Bauteilen des Tragwerks und dem Das Tragverhalten bewehrter Elastomer-
­Lager voraus. Ist die vorhandene Vertikal- lager wurde umfassend durch das For-
kraft hinreichend groß, dann wird durch schungs- und Versuchsamt (ORE) des In-
Reibung der schubsichere Kontakt (Gleit­ ternationalen Eisenbahnverbandes (UIC)
sicherheit) gewährleistet. in den Jahren 1962 bis 1965 experimentell
Bei geringer Auflast sind konstruktive untersucht und ist in den ORE- Berichten
Maßnahmen erforderlich. zur Frage D 60 dokumentiert [ORE, 1962–
Aus diesem Grund werden Elastomer­ 65]. Die Untersuchungen umfassen sta-
lager unterschiedlich ausgeführt. Die zwei tische und dynamische Versuche unter zen-
prinzipiellen Formen sind: trischer und exzentrischer Last und Ver-
suche bei extremen Temperaturen. Aus den
Unverankerte Elastomerlager Versuchen wurden für die einfache prak-
Die äußeren Stahlbleche sind dabei von tische Anwendung Empfehlungen für fol-
­einer Elastomerschicht überdeckt. Unver- gende Sachverhalte abgeleitet:
ankerte Elastomerlager können direkt
• Werkstoffe für die Lager
­zwischen den angrenzenden Bauteilen
• Bemessung der bewehrten Lager
(Beton, Stahl) angeordnet werden. In
• Einbau der Lager
Deutschland sind zur Gewährleistung
• Prüfungen an Lagern
­eines Lagerausbaus generell Ankerplatten
auszuführen. Die Erkenntnisse zum Tragverhalten wur-
den in empirische, für die praktische Hand-
970 10 Brückenausrüstung

Bild 10.2.2-6   Verankertes Elastomerlager

habung aufbereitete Empfehlungen für die Erfassung des Tragverhaltens ist die Veröf-
Bemessung umgesetzt. Einige werden nach- fentlichung von Topaloff [Topaloff, 1964]
folgend auszugsweise aufgeführt: richtungsweisend. Obwohl heute die Er-
mittlung des Spannungs- und Verfor-
1. Die Versuche zeigten einen großen Ein-
mungsverhaltens mittels FEM für den Ge-
fluss der vertikalen Dauerschwingbean-
brauchszustand möglich ist [Vogt, 2009],
spruchung. Deshalb wird empfohlen bei
sind für die praktische Nachweisführung
der Nachweisführung die Anteile aus Ver-
einfache Zusammenhänge erforderlich. Im
tikallast und Verdrehung, die aus ru-
Regelwerk wird der relevante Tragfähig-
henden (ständigen) Einwirkungen her-
keitsnachweis für bewehrte Elastomerlager
rühren mit dem Faktor 1 und die Anteile
im Grenzzustand der Tragfähigkeit über
aus den beweglichen (veränderlichen)
den Nachweis der Gesamtschubver­formung
Einwirkungen mit dem Faktor 1,5 zu be-
geführt. Die ertragbare Grenzschubver­
rücksichtigen. Bei den Horizontalkräften
formung wurde den Festlegungen der ORE-
ist dies nicht erforderlich.
Versuche entnommen und auf den Grenz-
2. Es wird eine zulässige (ertragbare) Schub-
zustand der Tragfähigkeit durch Multipli-
spannung mit dem Wert 5 G definiert.
kation mit dem Faktor 1,4 hochgerechnet.
Die aufzunehmende Schubspannung
ergibt sich aus der Summe der Schub- Gesamtschubverformung:
spannungen aus Druck, Verdrehung und εt,d = KL ∙ (εc,d + εq,d + εα,d) ≤ 7,0
Verschiebung, wobei die Einwirkungen
mit den Faktoren nach 1. zu berücksich-  L ist der Faktor für die Belastungsart
K
tigen sind. und er wird i. Allg. KL = 1,0 gesetzt.
3. Die zulässige Verschiebung beträgt Die Anteile der Gesamtschubverformung
tan γ = 0,7. werden (in Analogie zu Topaloff) wie folgt
4. Um Gleiten zu vermeiden ist mindes- berechnet, wobei für die Horizontalver-
tens eine mittlere Druckspannung von schiebung zusätzlich ein Grenzwert einzu-
2 N/mm² erforderlich. halten ist:
Die sog. ORE-Versuche stellen noch heute Schubverformung infolge Vertikallast:
die umfänglichsten zusammenhängenden
Versuche zur Erfassung des Tragverhaltens 1,5 ⋅ N z,d
ε c,d =
von Elastomerlagern dar. Zur rechnerischen G ⋅ Ar ⋅ S
10.2 Lager 971

Schubverformung infolge Horizontalver- Beanspruchungen nicht. Um dennoch Vor-


schiebung: bemessungen unter Ansatz der Vertikal-
kraft zu ermöglichen wird empfohlen, vor-
v xy , d
ε q, d = ≤ 1,0 ab sinnvolle Beanspruchungssituationen zu
Tq wählen, wie z. B. in Bild 10.2.2-7, um damit
aufnehmbare Vertikalkräfte für Standardla-
Schubverformung infolge Lagerverdrehung: ger zu erhalten (s. Tabelle 10.2.2-1).
Bei Elastomerlagern ist das Bruchver-
(a� ċ αa,d + b � ċ αb,d ) ċ ti halten bei einer gleichzeitigen Beanspru-
ε α ,d =
 ċ �(ti ) chung von Druck, Verschiebung und
­Verdrehung weder experimentell noch
Die bisher in Deutschland üblichen Rege- theoretisch erforscht. Ein Druckbruch
lungen zur Nachweisführung bewehrter wird durch das Zugversagen der Stahl-
Elastomerlager waren auf eine Lagerwahl bleche eingeleitet und ein Schubbruch
orientiert, nicht vordergründig auf einen durch Zerstörung der Kontaktfuge Elasto-
Nachweis, der Abmessungen optimiert. mer/Stahlblech oder durch Elastomerver­
Dieses praxisfreundliche Ziel gestattete sagen.
eine Vorbemessung der Lager allein auf der Zur Absicherung der für die Nachweis-
Basis der Vertikalbeanspruchung. Die war führung verwendeten Lagerparameter und
aber nur durch zusätzliche Restriktion er- des prinzipiell angenommenen Tragver-
reichbar. Die Lagerbeanspruchung, die in- haltens werden die physikalischen und
teraktiv von Vertikal-, Horizontal- und ­mechanischen Eigenschaften der Materia-
Verdreheinwirkungen abhängig ist, wurde lien und das Lagerverhalten sowie einzelne
durch eine vorsichtige Festlegung der for- ­Lagerparameter geprüft und während der
matabhängigen „mittleren“ Pressung (12 Herstellung laufend überwacht. Insgesamt
bis 15 N/mm²) und der Vorgabe der maxi- ist das Elastomerlager ein „gutmütiges“
malen Verschiebung entkoppelt. Die Rück- ­Lager. Seine Verformungsfähigkeit gleicht,
rechnung unter den genannten Restrikti- wenn sie nicht überfordert wird, Unzuläng-
onen führt zur Grenze der Drehwinkel, die lichkeiten aus Herstellung und Nutzung
durch den Ingenieur nicht mehr beeinfluss- aus.
bar ist. Da durch den Nachweis der Gesamt-
Der Nachweis der Gesamtschubverfor- schubverformungen die Extremfälle
mung gestattet diesen Weg aufgrund der Vertikal­last ohne Verschiebung und Verdre-
gegenseitigen Beeinflussung der einzelnen hung und Verdrehung bei geringer Vertikal-

Situation „min“ Situation „Si 2“ Situation „Si 1“ Situation „Si 1“


Volle Ausnutzung der Volle Ausnutzung der Geringe Nutzung der Keine Ausnutzung der
Verformungskapazität Verformungskapazität Schubverformung Verformungskapazität

εq,d ≤ 1.00 εq,d ≤ 1.00 εq,d ≤ 0.15 εq,d = 0


εα,d ≤ 0.0078 εαx,d ≤ 0.003 εαx,d ≤ 0.003 εαx,d = 0
(rechtw. zur längeren Lagerseite) εαy,d ≤ 0.001 εαy,d ≤ 0.001 εαy,d = 0

theoretischer Fall Verformungslager Festlager, VGL theoretioscher Fall

Bild 10.2.2-7   Beanspruchungssituationen für bewehrte Elastomerlager


972 10 Brückenausrüstung

Tabelle 10.2.2-1  Aufnehmbare Vertikalkräfte für Standardlager 350 × 450 mm²


und 900 × 900 mm²
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Lagergeometrie Aufnehmbare Vertikalkraft NSd
im GZT

Bewehrung ts
Schichtdicke

Schichtdicke
dicke T = nti

Elastomer ti
Schichten n
Lagerseite)

Lagerseite)

Elastomer­
a (kürzere

b (längere

Situation

Situation

Situation

Situation
max vxy, d
(Anzahl)

„max“
„Si. 2“

„Si. 1“
„min“
mm mm mm mm mm mm mm kN kN kN kN
33 3 31,4 2202 3332 4206
44 4 41,8 2437 3286 4274
55 5 52,3 2516 3203 4307
350 450 66 6 11 4 62,7 2517 3103 4320 4737
77 7 73,2 2474 2992 4324
88 8 83,6 2402 2875 4321
99 9 94,1 2313 2754 4314
108 6 102,6 17591 22917 29982
126 7 119,7 18019 22732 30351
144 8 136,8 18 140 22429 30603
162 9 153,9 18 057 22047 30776
900 900 180 10 18 5 171,0 17 831 21610 30894 34634

198 11 188,1 17 501 21134 30972


216 12 205,2 17 093 20627 31020
234 13 222,3 16 625 20097 31045
252 14 239,4 16 109 19549 31052

last eingeschlossen sind, muss für den prak- Einhaltung einer Verdrehungsgrenzbedin-
tischen Einsatz dem Nachweis der Stabilität gung beschrieben wird. Zu diesem Zweck
und der Lagesicherung der bewehrten ist entsprechend DIN EN 1337-3, Abschnitt
Elasto­merlager eine höhere Bedeutung als 5.3.3.6, bei bewehrten rechteckigen Lagern
bisher zukommen. Ein Nachweis aus dieser folgender Nachweis zu erbringen:
Gruppe ist dem Nachweis der klaffenden
(a� ċ αa,d + b � ċ αb,d )
Fuge gewidmet, der im Regelwerk mit der � vz,d = �
Kr,d
10.2 Lager 973

� vz,d ist dabei die vertikale Gesamt- • Eine Verdrehbegrenzung sollte dennoch
verformung unter der Last, die bestehen, um auch bei großen rech­
zur Verdrehung führt. nerischen Auflagerverdrehungen und
mittleren Spannungen den Erfahrungs-
Wird der Nachweis erfüllt, so klafft die Fuge
bereich der Beanspruchungen (Druck
zu rund 1/6 der Seitenlänge auf. Der Nach-
und Zug) nicht zu verlassen.
weis der Verdrehungsgrenzbedingung –
klaffende Fuge – führt zu Einsatzgrenzen Einen Vergleich der Einsatzgrenzen zwi-
von Elastomerlagern, die nicht logisch er- schen DIN 4141-14 und DIN EN 1337-3
klärbar scheinen. So trifft dies Brücken zeigt Bild 10.2.2-8. Dabei wurden die Ein-
kleiner Stützweiten und vor allem schiefe satzgrenzen nach DIN 4141-14 fiktiv durch
Platten mit kleinen Stützweiten. Ursache ist die Multiplikation mit dem Faktor 1,35 in
der Ansatz des Nachweises, der quasi einen den Grenzzustand der Tragfähigkeit über-
Starrkörper voraussetzt. Bereits [Eggert führt.
und Kauschke, 1996] bezweifeln die zwin- Dennoch können derartige pragma-
gende Abhängigkeit von Auflagerdrehwin- tische Ansätze nur vorübergehende Hilfen
kel und Auflast bei Elastomerlagern. Eine sein. Zur Absicherung wurden rechne-
bekannte Erscheinungsform ist das Wan- rische Untersuchungen mittels FEM-Be-
dern bis zum Herausfallen des Lagers auch rechnungen geführt, die folgende Ergebnis-
bei kurzzeitig fehlender Auflast, bei veran- zusammenfassung erlauben:
kerten Lagern ist dies aber nicht möglich. • Eine klaffende Fuge führt im Elastomer-
Deshalb wurde die Regel in Deutschland
lager zu vertikalen Zugspannungen.
um folgenden Zusatz ergänzt: „Bei der Er- • Diese werden durch die Verformungsbe-
mittlung der vertikalen Gesamtverformung
hinderung des Gummis durch die Be-
für den Nachweis der Verdrehungsgrenz-
wehrungsbleche verursacht.
bedingung nach DIN EN 1337-3: 2005, Ab- • Die Größe der Zugspannung ist von der
schnitt 5.3.3.6, erster Anstrich, ist für ver-
Steifigkeit der Bleche abhängig und so-
ankerte Lager Fz/A’ unabhängig von der
mit wächst die Größe der Zugspannung
vorhandenen Größe mit mindestens 3 N/
vom bewehrten Lager zu einseitig schub-
mm² anzusetzen. Als verankerte Lager in
verankertem Lager zu beidseitig schub-
diesem Sinne gelten auch Elastomerlager
verankertem Lager an.
mit einseitiger Dübelsicherung.“ • Die Größe der Zug- und Vergleichsspan-
Diese Regelung basiert nicht auf mecha-
nungen ist klein gegenüber der Reiß­
nischer oder physikalischer Grundlage,
festigkeit des verwendeten Elastomers.
sondern sie wurde pragmatisch, aufbauend
Die Spannungen liegen bei 0,5 N/mm²
auf dem Erfahrungsbereich der DIN 4141
und damit weit außerhalb kritischer Be-
und auf folgenden Überlegungen gewählt:
reiche.
• Bei unverankerten Lagern sollte die Ver- • Die Vergleichsspannungen sind beim
drehungsgrenzbedingung immer einge- schubverankerten Lager größer als beim
halten werden, da so auch eine Überla- unverankerten Lager, was die größere
gerung ungünstiger Bedingungen nicht Behinderung dokumentiert.
zu einem Herausrutschen der Lager füh-
Die Berechnungsergebnisse gestatten dem-
ren kann.
zufolge folgende Schlussfolgerungen:
• Bei verankerten Lagern besteht diese
Gefahr nicht, sofern die Dübelscheibe • Eine klaffende Fuge bei geringen Auf­
hinreichend eingelassen ist. lasten und Verdrehungen führt in den
974 10 Brückenausrüstung

Bild 10.2.2-8   Rechnerische Einsatzgrenzen von verankerten bewehrten Elastomerlagern


nach DIN 4141 und DIN EN 1337

überprüften Grenzbereichen nicht zu Der untersuchte Bereich liegt bei Pres-


einer riskanten Beanspruchung im sungen von 1 N/mm² bei gleichzeitigen
Lager. Auflagerdrehwinkeln von 6‰. Unabhängig
• Die Festlegung der Mindestpressung davon ist es erforderlich, an einer Lösung
von 3 N/mm² bei Vorhandensein klei­ für den Nachweis der klaffenden Fuge, die
nerer Pressungen infolge ungünstiger auf physikalischer Grundlage steht, zu ar-
Laststellungen liegt im gegenwärtigen beiten.
Erfahrungsbereich.
• Da die Gefahr des Durchrutschens eines
bewehrten Elastomerlagers bei kleinen 10.2.3 Stahllager
Auflasten besteht, darf der Nachweis in
der geänderten Form nur bei schubver- Stahllager sind die ältesten Lager. Ihr Nach-
ankerten Lagern ausgeführt werden. teil liegt darin, dass die Kräfte entlang einer
• Eine Schubverankerung sollte nur bei Auflagerstrecke oder durch einen Auflager-
Bedarf ausgeführt werden, da sich ein punkt und damit sehr konzentriert über-
nicht verankertes Lager gutmütiger ver- tragen werden. Für die Verteilung dieser
hält. konzentrierten Kräfte sind daher entspre-

Bild 10.2.3-1   Linienkipplager [Ramberger, 2002]


10.2 Lager 975

chend hohe Konstruktionen erforderlich. schmalen Rechtecken, Punkte zu kleinen


In dieser Auflagerstrecke oder im Auflager- Kreisen verformt. In diesen Flächen erge-
punkt rollt eine ebene Platte über einen ben sich hohe Spannungen, die sogenann-
zylindrischen oder kugelförmigen Körper ten Hertz’schen Pressungen (Bild 10.2.3-4).
ab. Im ersten Fall handelt es sich um ein Je größer der Zylinder bzw. Kugelradius,
Linienkipplager (Bild 10.2.3-1), im zweiten desto kleiner die Hertz’sche Pressung. Die
Fall um ein Punktkipplager (Bild 10.2.3-2). Grenzwerte für die Pressung wurden in
Verwendet man eine Rolle zwischen zwei Versuchen ermittelt.
ebenen Platten, erhält man ein Rollen­ Punktkipplager sind für Vertikallasten
lager (Bild 10.2.3-3), das einseitige Ver­ zwischen 500 und 2500 kN geeignet. Ihre
drehung und einachsige Verschiebung er- Verdrehbarkeit beträgt etwa nur 1/10 der
möglicht. aller anderen Lager und liegt bei 1‰.
Die Übertragung von Kräften in Stre- Punktkipplager können auch als allseitig
cken oder Punkten ergibt theoretisch un- oder einseitig bewegliche Lager mit zu-
endlich hohe Spannungen. Der Physiker sätzlichen Gleitteilen ausgestattet werden
Heinrich Hertz hat 1881 die elastische Lö- (Bilder 10.2.3-5 und 10.2.3-6). Sie werden
sung des Berührungsproblems angegeben. heute nur noch selten ver­wendet.
Strecken werden unter der Last elastisch zu Linienkipp- und Rollenlager eignen sich
für Vertikalkräfte von 200 bis 20.000 kN.
Die Anwendung von hochfesten Werkstof-
fen in den Kontaktlinien hat zu einer Ver-
kleinerung der Lager beigetragen. Zu be-
achten ist, dass keine großen Biegemomen-
te in Querrichtung auftreten dürfen, damit
die Auflagerpressung nicht zu ungleich­
mäßig wird und Überbeanspruchungen
zum Lagerbruch führen.
Bild 10.2.3-2   Punktkipplager, allseitig fest
[Ram­berger, 2002]

Bild 10.2.3-3   Rollenlager [Ramberger, 2002]

Bild 10.2.3-4   Hertz’sche Pressung


[Ramberger, 2002]
976 10 Brückenausrüstung

Bild 10.2.3-5   Punktkipplager, einseitig verschieblich [Ramberger, 2002]

Bild 10.2.3-6   Punktkipplager, allseitig verschieblich [Ramberger, 2002]

10.2.4 Topflager blech ist etwa 1 mm dick und wird auf einer
Stahlplatte umlaufend geschweißt (Bild
Topflager bestehen aus einem meist kreis- 10.2.4-2). Das Gleitblech muss so groß sein,
runden Stahltopf mit einer Elastomer­einlage, dass es bei allen Bewegungen die PTFE-
einem darauf passenden Deckel und einer Fläche voll bedeckt. Wird die Bewegung
zwischen Topf und Deckel liegenden Dich- nur in einer Richtung gewünscht, so wird
tung (Bild 10.2.4-1). durch eine in den Lagerdeckel eingelassene
Vertikalkräfte werden durch Pressung Führungsleiste, die in einer in der Gleit­
der Elastomereinlage und damit flächen- platte eingefrästen Nut gleitet, die Bewe-
haft über­tragen. Die Elastomereinlage wird gung quer zur Führungsleiste verhindert
durch eine Dichtung am Ausquetschen be- (Bild 10.2.4-3).
hindert. Die Elastomereinlage verhält sich Im Allgemeinen wird das Gleitblech so
unter Druck etwa volumenkonstant wie angeordnet, dass dessen Oberfläche nach
eine Flüssigkeit. Horizontalkräfte werden unten zeigt, um die Ablagerung von Staub
über den Anpressdruck des Deckels an den auf dem Gleitblech zu verhindern. Die Ex-
Topf übertragen. Um diese Lager allseitig zentrizität aus der Lagerverschiebung ist
oder einseitig verschieblich zu gestalten, dann im Überbau zu berücksichtigen. Ein
wird ein zusätzliches Gleitteil eingeführt. umgekehrter Einbau ist ebenfalls möglich.
Als Gleitpaarung wird der Kunststoff Poly- Die Exzentrizität geht dann in den Unter-
tetrafluoräthylen (PTFE-Firmenname bau.
Tef­lon, Hostaflon) mit hochlegiertem, aus­ Das Lager wird durch einen Faltenbalg
tenitischen Stahlblech gewählt. Das PTFE gegen Zutritt von Wasser und Schmutz ge-
ist etwa 5–6 mm dick, wird etwa 2–3 mm schützt.
tief in den Lagerdeckel eingelassen (gekam- Die Nachweise bei Topflagern umfassen
mert) und ist mit eingepressten Vertie- die Festigkeitsberechnung der Topfkompo-
fungen (Schmiertaschen) versehen, die vor nenten, die Druckspannung im Elastomer,
dem Zusammenbau des Lagers mit Silikon- die Beanspruchungen infolge der Verdreh-
fett gefüllt werden. Das hochlegierte Stahl- winkel beim Deckel/Topf-Kontakt und das
10.2 Lager 977

Bild 10.2.4-1   Schnitt durch ein festes Topflager [Ramberger, 2002]

Bild 10.2.4-2   Schnitt durch ein allseitig bewegliches Topflager [Ramberger, 2002]

Bild 10.2.4-3   Schnitt durch ein einseitig bewegliches Topflager [Ramberger, 2002]


978 10 Brückenausrüstung

Einhalten von Randbedingungen für die ckel und Topfwand darf ein Reibungskoef-
erforderliche Rotationsfähigkeit. fizient von 0,2 angenommen werden.
Der Einsatz von Topflagern ist für Ver­ Wie in Abschnitt 10.2.2 beschrieben, ist
drehungen bis 0,03 rad üblich. Die wech- der Einfluss der Temperatur zu berücksich-
selnden Verdrehwinkelgrößen bestimmen tigen.
die zu verwendende Dichtung. Topflager
sind für Vertikalkräfte bis 50 MN ge­
eignet. 10.2.5 Kalottenlager
Topflager ohne Gleitteil sind feste Lager,
wobei die Verdrehungen durch die Verfor- Die Grundform des Lagers ist das allseitig
mungseigenschaften des Elastomers reali- bewegliche Lager. Es besteht aus drei Tei-
siert werden. Die resultierende Wider- len: der Pfanne, der Kalotte und der Gleit-
standsgröße, das Rückstellmoment, ist des- platte. Um die Bewegung der drei Teile
halb von der Verdrehung abhängig. zu gestatten, sind jeweils Gleitflächen da-
Allerdings beeinflussen eine Reihe wei- zwischen angeordnet. In die Pfanne wird
terer Parameter die Größe des Rückstell- eine PTFE-Schicht mit Schmiertaschen
moments. Dies sind: eingekammert. Die Gegenfläche der Ka-
lotte ist hart verchromt und poliert. Zwi-
• Elastizität des Elastomers, d. h. G-Modul schen Kalotte und Gleitplatte ist die Gleit-
• Relaxation des Elastomers paarung PTFE/hochlegiertes Gleitblech
• Temperatur wie bei verschieblichen Topflagern vorzu-
• Verdrehgeschwindigkeit und Verdrehung sehen. Die beiden Gleitflächen sind not-
• Geometrie des Lagerkörpers wendig, um kinematisch eine Verdrehung
• Schmierung ohne gegenseitige Verschiebung zwischen­
• Dichtung Über- und Unterbau zu ermöglichen (Bild
• Lagerpressung 10.2.5-1).
Die Ermittlung des Rückstellmoments er- Zur Verhinderung der Verschiebung
folgt nach DIN EN 1337 [DIN EN 1337-5] bei einem festen oder einseitig beweg­
nach einem empirischen Ansatz. lichen Lager übergreift die Gleitplatte beim
festen Lager wie ein Topf, beim einseitig
Me, max = 32 × d³ be­weg­lichen Lager wie eine U-förmige
× [F0 + (F1 × α1) + (F2 × α2max)]
F0 , F1 und F2 aus Versuchen
d Durchmesser des Elastomerkissens
in [mm]
Me, max Rückstellmoment der Elastomer­
platte (SLS und im ULS Me,  d *1,5)
α1 resultierender Drehwinkel aus stän-
digen Einwirkungen in rad
α2max resultierender Drehwinkel aus ver-
änderlichen Einwirkungen in rad
Beim festen Lager kommt ein Rückstellmo-
ment infolge Topf/Deckel-Kontakt durch
eine angreifende Horizontallast dazu.
Zur Bestimmung des Rückstellmoments Bild 10.2.5-1   Schnitt durch ein allseitig be-
Mμ, max infolge Reibung zwischen Topfde- wegliches Kalottenlager [Ramberger, 2002]
10.2 Lager 979

Führungen zu beachten. Bei Kalottenla-


gern sind die Pressungen in den Gleitflä-
chen sowie das Klaffen in den Gleitfugen
nachzuweisen und es ist ein Festigkeits-
Bild 10.2.5-2   Schnitt durch ein festes Kalot- nachweis der Trägerplatten zu führen.
tenlager [Ramberger, 2002] Für alle Lager werden Bauteilprüfungen
und während der Herstellung laufende
Überwachungen durchgeführt.
Neben der Absicherung der Nachweis-
bedingungen werden Betriebsbeanspru-
chungen (z. B. Druckschwell-Dauerprü-
fungen bei bewehrten Elastomerlagern
Bild 10.2.5-3   Schnitt durch ein einseitig be- oder Dauerkippversuche bei Topflagern)
wegliches Kalottenlager [Ramberger, 2002] geprüft.

10.2.6 Festhaltekonstruktionen
Schiene die Pfanne (Bilder 10.2.5-2 und und Führungslager
10.2.5-3).
Die Lager decken eine Vertikalkraft bis In DIN EN 1337-8 [DIN EN 1337-8, 2008]
100 MN ab, bei einer Verdrehungsmög- werden Festhaltekonstruktionen und Füh-
lichkeit von 10‰ und mehr. Die Wider- rungslager behandelt.
stände bei ­Kalottenlagern ent­stehen durch Festhaltekonstruktionen verhindern die
Reibung. Beim Auftreten von Verschie- Bewegung in horizontaler Ebene und über-
bungs- und Verdrehungsbewegungen in tragen damit Horizontalkräfte. Verdre-
den ebenen und gekrümmten Gleitflächen hungen sind möglich. Es werden keine Ver-
des Kalottenlagers entsteht ein Rückstell- tikalkräfte übertragen. Eine typische An-
moment infolge des Reibungswiderstands. wendung ist die Kombination eines be-
Dieses ergibt sich aus der beim Verdrehvor- wehrten Elastomerlagers mit einer Festhal-
gang entstehenden Exzentrizität der Verti- tekonstruktion zur Ausbildung eines festen
kalkraft. Die Exzentrizität ermittelt sich aus Lagers. Die Festhaltekonstruktion besteht
dem Reibbeiwert und dem Kalottenradius. dann aus einem Ober- und einem Unterteil,
die mit Knaggen ineinander eingreifen.
e1 = μmax ∙ r
Durch die Form des Knaggeneingriffs
Die Reibbeiwerte sind den Normen zu ent- (Loch oder Schlitz) kann die Festhaltung in
nehmen. Bei Kalottenlagern mit Füh- allen Richtungen oder nur in einer Richtung
rungen ist für die Veran­kerungsmittel und erfolgen (Bilder 10.2.6-1 und 10.2.6-2).
die angrenzenden Bauteile eine zusätzliche Führungslager übertragen Horizontal-
Exzentrizität infolge der Reibung in den kräfte nur in eine Richtung. Wie bei Fest-

Bild 10.2.6-1   Elastomerlager, allseitig fest [Ramberger, 2002]


980 10 Brückenausrüstung

Bild 10.2.6-2   Elastomerlager, einseitig fest [Ramberger, 2002]

gen, rückstellbare bewehrte Elastomer­lager,


kippweiche Elastomerlager und höhenre-
gulierbare Lager. Die Aufzählung ist nicht
vollständig. Der kurze Abriss soll verdeutli-
chen, dass bei besonderen Anforderungen
eine Rückfrage bei den Lagerherstellern
immer zum Erfolg führt.
Bild 10.2.6-3   Beispiel für ein Führungslager
[Inst. f. Stahlbau, TU Wien]
10.2.8 Einbau und Austausch der Lager

haltekonstruktionen sind Verdrehungen 10.2.8.1 Einbau der Lager


möglich und Vertikalkräfte werden nicht
übertragen (Bild 10.2.6-3). Das Lager wird vom Hersteller komplett auf
Die Kraftübertragung erfolgt über den die Baustelle geliefert und darf auf der Bau-
Anpressdruck in den Gleitflächen. In verti- stelle nicht demontiert werden. Alle Anga-
kaler Richtung ist für einen ausreichenden ben zum Lager und des Einbaus müssen
Abstand zu sorgen, damit keine Übertra- schriftlich fixiert werden. Im Teil 11 der
gung der Vertikalkräfte erfolgt. ­europäischen Norm ist das Formblatt eines
Besonderes Augenmerk ist dem An- Lagerprotokolls gegeben.
schluss der Teile an Überbau und Unterbau Lager sind hochwertige Bauprodukte,
zu widmen, da nicht nur Horizontalkräfte, deren vol­le Funktionsfähigkeit und Dauer-
sondern auch wegen der Exzentrizität des haftigkeit nur bei ordnungsgemäßem Ein-
Kraftangriffs Biegemomente in der An- bau garantiert ist. Einbaumängel sind in der
schlussfuge übertragen werden müssen. Baupraxis wesentlich häufiger Ursache von
Lagerschäden als die Nutzungsbeanspru-
chung und der planmäßige Verschleiß.
10.2.7 Sonderlager Hauptursache der Befindlichkeiten beim
Einbau sind die nicht vermeidbaren Maß-
Die kurze Darstellung der gebräuchlichen stabsunterschiede zwischen dem Maschi-
Lagerarten kann nicht umfassend sein. Ne- nenbau und dem Bauwesen. Genauigkeiten
ben weiteren hier nicht aufgeführten Kom- während der Bauausführung und zulässige
binationen, die auch den europäischen Re- Toleranzen des ­Maschinenbaus sind schwer
gelwerken entnommen werden können, zu vereinbaren. Deshalb sollten Lager nur
existieren eine Reihe nicht genormter Lager durch Fachkräfte eingebaut werden. Die
mit besonderen Funktionen. Dazu gehören Anwesenheit des Lagerherstellers ist min-
Zuglager, Lager mit eingebauter Sensorik destens bei jedem Bauwerk beim ersten
zur Messung von Kräften und Verformun­ ­Lager seiner Art angebracht.
10.3 Fahrbahnübergänge 981

Die Lager werden nach dem Lagerver- derlichen Ansatzpunkte für hydraulische
setzplan und entsprechend der Lagerbe- Pressen sind in der Konstruktion vor­
schriftung eingebaut. Die Mörtelfuge zwi- gesehen.
schen der unteren Ankerplatte und Ober- Beim Tausch von einseitig oder allseitig
kante der Auflagerbank darf nicht dicker als festen Lagern ist im angehobenen Zustand
5 cm sein. Die Mindestdicke muss das Drei- auch die Ableitung der Horizontalkräfte
fache des Größtkorns aus dem Zuschlagstoff ­sicherzustellen.
betragen. Die Fuge wird nach dem Einrich- Während der Planung sind bei größeren
ten des Lagers entweder mit Verguss­mörtel Brücken Lagerauswechselschemata zu er-
vergossen oder mit erdfeuchtem Mörtel satt arbeiten, wobei ein achsweiser Austausch
unterstopft. Beim Vergießen wird das Lager vorzusehen ist.
ringsum eingeschalt und ein schwindarmer Auch bei jedem Austausch von Lagern
Verguss­mörtel, der genau nach Anweisung ist ein Lagerprotokoll zu erstellen.
in einem Zwangsmischer gemischt wurde,
von einer Seite her eingegossen, bis er auf
den anderen Seiten austritt. Dadurch wird
10.3 Fahrbahnübergänge
sichergestellt, dass der Mörtel die Luft vor
sich hertreibt und keine Luftblasen unter
dem Lager verbleiben. Günter Ramberger
Ist die verbleibende Lagerfuge kleiner als und Francesco Aigner
1 cm, sollte anstelle eines Vergussmörtels
auf Zementbasis ein Zweikomponenten- 10.3.1 Allgemeines
Epoxidharzverguss verwendet werden, der
dünnflüssiger ist und ebenfalls von einer Fahrbahnübergänge haben die Aufgabe,
Seite her einge­gossen wird. Bei ausreichend die Fuge zwischen der Brücke und der an-
dicker Fuge kann auch anstelle des Verguss­ schließenden Fortsetzung der Fahrbahn zu
mörtels ein erdfeuchter Mörtel verwendet schließen und die dort stattfindenden Be-
werden, der ohne Schalung mit Hilfsmit- wegungen infolge Temperaturänderungen
teln unter die Ankerplatte gestopft und am und veränderlicher Lasten auszugleichen.
Rand glatt abgezogen wird. Fahrbahnübergänge für Straßenbrücken
Die Verbindung der oberen Ankerplatte sollen robust, leicht auswechselbar und
mit dem Überbau ist vom Herstellungsver- möglichst wasserdicht konstruiert werden.
fahren und dem Baustoff des Überbaus Sie sollen hohen Fahrkomfort und geringe
abhängig. Beim Lehrgerüstbau wird die Geräuschemission gewährleisten. Fahr-
obere Ankerplatte (mit dem Lager) in der bahnübergänge sind Verschleißteile, die
Regel unmittelbar einbetoniert. In anderen während der Lebensdauer einer Brücke
Fällen ist diese Verbindung mit Verguss- meist mehrmals ausgetauscht werden müs-
mörtel herzustellen. Bei Stahlbrücken sind sen. Es gibt derzeit weder nationale noch
gesonderte Zusammensetzungen des Ver- europäische Normen für Fahrbahnüber-
gussmaterials zu beachten. gänge. Für Fahrbahnübergänge gibt es je-
doch nationale Zulassungen, die in Hin-
kunft europaweit ausgedehnt werden sollen
10.2.8.2 Austausch von Lagern (EOTA).
Bei Eisenbahnbrücken mit offener Fahr-
Brücken werden so entworfen, dass ein Aus- bahn oder direkter Schienenlagerung ist
tausch von Lagern unter laufendem Verkehr zumindest an der Seite der beweglichen
durchgeführt werden kann. Die dazu erfor- Lager eine Schienenauszugsvorrichtung
982 10 Brückenausrüstung

Bild 10.3.1-1   Interaktion zwischen Gleis, Überbau und Unterbauten

anzuordnen. Bei Eisenbahnbrücken mit b) Übergänge für mittelgroße Bewegungen


Schienen im Schotterbett wird heute weit- (25 mm bis 80 mm)
gehend auf die teuren Schienenauszugs- c) Übergänge für große Bewegungen (grö-
vorrichtungen verzichtet. Bei Schotterbett ßer als 80 mm)
mit durchgehend geschweißten Schienen
Verschiebungen an Fahrbahnübergängen
ohne Auszugsvorrichtung ist nach [UIC-
können in Brückenlängsrichtung, Brü-
Kodex N774-3, 2001] die thermische
ckenquerrichtung und in vertikaler Rich-
Dehnlänge bei Stahltragwerken mit 60 m,
tung erfolgen; auch Verdrehungen können
bei Beton- und Verbundtragwerken mit
auftreten. Nicht alle Übergänge können
90 m zu begrenzen. Die thermische Dehn-
Verschiebungen in Brückenquerrichtung
länge ist der Abstand vom thermischen
aufnehmen. Auch vertikale Verschie-
Festpunkt (das ist jener Punkt, der bei ei-
bungen können viele Übergänge nur in
ner gleichmäßigen Temperaturänderung
sehr beschränktem Ausmaß mitmachen.
keine Verschiebung erfährt) bis zum je-
Diese Ver­schiebungen können außerdem
weiligen Überbauende. Als Horizontalkraft
die Fahrdynamik wesentlich verschlech-
ist ein Längsverschiebewiderstand des
tern. Deshalb sind die Fahrbahnübergänge­
Gleises anzusetzen, was sich vor allem bei
­immer mit den Lagerungen gemeinsam
den Horizontalkräften in Brückenachse auf
auszulegen und die Lager so anzuordnen,
die festen Lager und auf die Unterbauten
dass es an den Fahrbahnübergängen nicht
auswirkt (Bild 10.3.1-1).
zu Verschiebungen oder Verdrehungen
Dafür dürfen in diesen Fällen die Kräf-
kommt, die diese nicht mitmachen
te infolge Bremsens und Anfahrens abge-
­können.
mindert werden. Bei Schienenauszugsvor-
richtungen an einer Seite ist ebenfalls der
Fahrbahnübergänge für kleine
Längsverschiebewiderstand zu berücksich-
Bewegungen (bis 25 mm)
tigen, jedoch dürfen die Kräfte infolge
Diese Übergänge werden in der Regel bei
Bremsens und Anfahrens abgemindert
Bewegungen bis zu 15 mm unter dem
werden.
durchgehenden Belag ausgeführt (Bilder
10.3.2-1 bis 10.3.2-3).
Der Belag erhält an dieser Stelle eine
10.3.2 Fahrbahnübergänge
eingeschnittene Fuge, die mit einem dauer­
für Straßenbrücken
elastischen Material gefüllt wird. Bei Bewe-
gungen bis 25 mm wird die Fuge abgedeckt
Fahrbahnübergänge für Straßenbrücken
und meistens auch abgedichtet. Im Bereich
werden eingeteilt in
des Übergangs wird anstelle des Belags ein
a) Übergänge für kleine Bewegungen (bis dauerelastisches Material verwendet (Bil-
25 mm) der 10.3.2-4, 10.3.2-5).
10.3 Fahrbahnübergänge 983

Bild 10.3.2-1   Unterbelag Fahrbahnübergang bis 15 mm auf Betonbrücken [Ramberger, 2002]

Bild 10.3.2-2   Unterbelag Fahrbahnübergang bis 15 mm auf Stahlbrücken [Ramberger, 2002]

Bild 10.3.2-3   Unterbelag Fahrbahnübergang bis 15 mm auf Betonbrücken mit elastischer Füllung


[Ramberger, 2002]

Fahrbahnübergänge für mittelgroße profil oder durch ein bewehrtes Gummikis-


Bewegungen (25 bis 80 mm) sen abgedeckt, das die Bewegung durch
Bei diesen Fahrbahnübergängen wird der Verformungen gestattet. Von besonderer
Belag auf jeden Fall unterbrochen und Bedeutung ist die Befestigung der verform-
meist durch ein Metallprofil abgeschlossen. baren Elemente und die Möglichkeit des
Die Fuge wird durch ein spezielles Gummi- Auswechselns. Bei Übergängen, die von
984 10 Brückenausrüstung

Bild 10.3.2-4   Unterbelag Fahrbahnübergang bis 25 mm auf Betonbrücken [Ramberger, 2002]

Fußgängern begangen werden, ist vor allem a) die Kissenkonstruktion (bis ca. 350 mm)
im städtischen Bereich bei Gummiprofilen b) der Fingerübergang (bis ca. 300 mm)
ein Steckenbleiben von Stöckelabsätzen c) der wasserdichte Lamellenübergang (bis
entweder mit einer Blechabdeckung oder ca. 1000 mm)
mit einem an der Oberfläche ebenen Gum- d) der Gleitplattenübergang (ab ca. 300 mm)
miprofil entsprechender Festigkeit zu ver-
meiden (Bilder 10.3.2-6 bis 10.3.2-10). Die Kissenkonstruktion besteht aus be-
wehrten Gummiprofilen, die durch Verzer-
Fahrbahnübergänge für große rung der weichen unbewehrten Teile die
Bewegungen (größer als 80 mm) Bewegung ermöglichen (Bilder 10.3.2-11
Bei den Fahrbahnübergängen für große und 10.3.2-12).
Bewegungen haben sich verschiedene Kon- Bei den Fingerübergängen gibt es zwei
struktionen bewährt. Typen: den mit auskragenden Fingern

Bild 10.3.2-5   Unterbelag Fahrbahnübergang bis 25 mm auf Stahlbrücken [Ramberger, 2002]

Bild 10.3.2-6   Fahrbahnübergang bis 60 mm mit Gummilippe [Ramberger, 2002]


10.3 Fahrbahnübergänge 985

Bild 10.3.2-7   Fahrbahnübergang bis 80 mm mit Gummisonderprofil [Ramberger, 2002]

Bild 10.3.2-8   Fahrbahnübergang bis 80 mm mit Gummikissen [Ramberger, 2002]

Bild 10.3.2-9   Fahrbahnübergang bis 80 mm mit Gummizellkörper [Ramberger, 2002]

Bild 10.3.2-10   Fahrbahnübergang bis 80 mm mit Gummilippe und Blechabdeckung [Ramberger,


2002]
986 10 Brückenausrüstung

Bild 10.3.2-11   Fahrbahnübergang mit bewehrtem Gummikissen [Ramberger, 2002]

Bild 10.3.2-12   Fahrbahnübergang mit bewehrtem Gummikissen mit mehreren Dehnfugen


[Ramberger, 2002]

(Bild 10.3.2-13) und den mit gelagerten auf unterschiedliche Weise auswechselbar
Fingern (Bild 10.3.2-14). sind. Die Unterstützung der Lamellen er-
Die Übergänge mit gelagerten Fingern folgt durch Balken in Brückenachse, durch
gestatten größere Bewegungen. Fingerüber- schräg liegende Balken oder durch vertika-
gänge sind sehr robust und brauchen außer le Scheren. Die Steuerung der Profile, damit
der Reinigung keine Wartung. Sie gestatten sie in jeder Stellung gleiche Öffnungsweiten
jedoch keine Bewegung in Brückenquer- aufweisen, kann durch Federn zwischen
richtung und sind nicht unmittelbar an der den Balken, durch horizontal oder schräg
Oberfläche wasserdicht. Durch eine Ab­ angeordnete Steuerelemente oder durch
dichtung und Entwässerung unterhalb des vertikale Scheren erfolgen (Bilder 10.3.2-15
Übergangs kann ein Durchrinnen des Was- bis 10.3.2-18).
sers auf die Widerlagerkonstruktion ver- Der Gleitplattenübergang, der meist erst
mieden werden. ab Bewegungen von ca. 500 mm angewen-
Bei den wasserdichten Lamellenüber- det wird, besteht aus einer Pendelplatte, die
gängen gibt es mehrere Bauarten, die sich die Fuge überbrückt und anschließenden
in den zwischen den Stahllamellen liegen- Gleitplatten, die bei Bewegung der Fuge auf
den Gummiprofilen, in der Unterstützung Gleitböcken vor- und zurückgleiten kön-
der Lamellen und in der Art der Lamellen- nen. Auf der Seite der Gleitböcke werden
steuerung unterscheiden. Bei den Gummi- die Gleitplatten mit einer Zungenplatte
profilen gibt es V- und Kastenprofile, die abgedeckt. Pendelplatte und Zungenplatte
10.3 Fahrbahnübergänge 987

Bild 10.3.2-13   Fingerübergang mit auskragenden Fingern [Ramberger, 2002]

Bild 10.3.2-14   Fingerübergang mit gelagerten Fingern [Ramberger, 2002]

werden durch starke Federn niederge­ der Konstruktion an Brücke und Widerla-
halten. Der Gleitplattenübergang ist von ger. Deshalb und auch aus Gründen der
Haus aus nicht wasserdicht und braucht Gewährleistung sollte der Einbau des Fahr-
daher ein Entwässerungssystem (Bild bahnüberganges unter Berücksichtigung
10.3.2-19). der Einbautemperatur und der noch zu er-
Von entscheidender Bedeutung für Fahr- wartenden zeitabhängigen Verschiebungen
komfort, Geräuschemission und Lebens- (Schwinden, Kriechen) durch den Hersteller
dauer eines Fahrbahnübergangs ist sein oder zu­mindest unter Aufsicht des Herstel-
fachgerechter Einbau und die Verankerung lers er­folgen.
988 10 Brückenausrüstung

Bild 10.3.2-15   Lamellenübergang mit Balken in Längsrichtung und Federsteuerung [Ramberger,


2002]

Bild 10.3.2-16   Lamellenübergang mit Balken in Längsrichtung und Horizontalführungssteuerung


[Ramberger, 2002]
10.3 Fahrbahnübergänge 989

Bild 10.3.2-17   Lamellenübergang mit Schrägbalkenlagerung und Schrägbalkensteuerung


[Ramberger, 2002]
990 10 Brückenausrüstung

Bild 10.3.2-18   Lamellenübergang mit Scherenstützung und Scherensteuerung [Ramberger,


2002]

Bild 10.3.2-19   Gleitplattenübergang [Ramberger, 2002]


10.3 Fahrbahnübergänge 991

10.3.3 Schienenauszugs­vorrichtungen Schienenauszüge sollten nicht unmittel-


bar am Stoß, sondern besser in kurzem
Bei Schienenauszügen gibt es zwei Typen: Abstand hinter dem Widerlager außerhalb
der Brücke angeordnet werden. Damit
a) der Auszug mit parallelem Stoß (Bild
wird der Knick (Tangentenverdrehung)
10.3.3-1)
durch das Gleis ausgerundet und die Fest-
b) der Auszug mit Federzungenstoß (Bild
haltung der Schienenauszugsvorrichtung
10.3.3-2)
erleichtert.
wobei der letztere die besseren Fahreigen-
schaften aufweist, da keine Lücke in der
Schiene vorhanden ist.

Bild 10.3.3-1   Schienenauszug mit parallelem Stoß [Ramberger, 2002]

Bild 10.3.3-2   Schienenauszug mit Federzungenstoß [Ramberger, 2002]


992 10 Brückenausrüstung

10.4 Schrammborde, schnitts­gestaltung erfolgt vorwiegend au-


Schutzeinrichtungen, Kappen ßerorts bei zulässigen Geschwindigkeiten
vzul > 50 km/h.
und Geländer Bei zulässigen Geschwindigkeiten bis zu
vzul ≤ 50 km/h sowie bei Überführungen
Ursula Freundt von land- und forstwirtschaftlichen Wegen
genügen in der Regel Schrammborde mit
Ausstattungselemente, wie Geländer,
einer Höhe von 0,15 m bis 0,20 m und es
Schrammborde und Schutzeinrichtungen,
kann auf die Anordnung der Schutzein-
dienen der sicheren Führung des Fahrzeug-
richtung verzichtet werden.
und Fußgängerverkehrs auf dem Brücken-
Die Querschnittsausbildung richtet sich
bauwerk. Sie bilden die seitlichen Begren-
nach der erforderlichen Breite für den Fuß-
zungen und trennen die Verkehrsräume
gänger- bzw. Radverkehr und den erforder-
der Nutzer untereinander.
lichen Sicherheitsabständen. Die Bilder
10.4.1-2 und 10.4.1-3 zeigen die Kappen-
10.4.1 Kappen von Straßenbrücken

Die Kappen bilden den Schrammbordbe-


reich und damit die seitliche Begrenzung
der Fahrbahn für die sichere Führung
des Fahrzeugverkehrs. Durch den Bordan-
schlag und die Schutzeinrichtung wird ein
abirrendes Fahrzeug aufgefangen und wie-
der auf die Fahrbahn zurückgelenkt. Insbe­
sondere soll verhindert werden, dass Fahr-
zeuge von der Brücke stürzen bzw. bei meh-
reren Richtungsfahrbahnen auf die Gegen-
fahrbahn gelangen. Die Regelausführung
für die Kappenausbildung im Randbereich
Bild 10.4.1-2  Kappenausbildung auf Wirt-
ist im Bild 10.4.1-1 dargestellt. Diese Quer­ schaftswegüberführungen

Bild 10.4.1-1  Kappenausbildung auf Bauwer- Bild 10.4.1-3  Kappenausbildung für gemein-


ken nach [RIZ-ING, 2008] samen Geh-Radweg (vzul ≤ 50 km/h)
10.4 Schrammborde, Schutzeinrichtungen, Kappen und Geländer 993

ausbildung für die Überführung eines dachbahn angeordnet. Dennoch wird zur
Wirtschaftswegs bzw. für einen Rad- Geh- Vermeidung von breiten Rissen eine hohe
weg. Mindestbewehrung in Längsrichtung vor-
Neben der Sicherungsfunktion für den gesehen. Die starken Beanspruchungen
Fahrzeugverkehr haben die Kappen auch durch Frost und Tausalze stellen hohe An-
konstruktive und gestalterische Aufgaben forderungen an den Beton. Zum Ein­satz
zu erfüllen. Sie überdecken den seitlichen kommen Betone mit einem höheren Luft-
Abschluss (Kragarmstirnseite) des Über- porengehalt. Die Betonfestigkeit sollte
baus und der Dichtungsschicht. Die Ausbil- möglichst gering sein, um die Zwangsbean-
dung des Gesimsbands trägt wesentlich zur spruchungen gering zu halten.
Gesamtansicht des Brückenbauwerks bei.
In der Kappe werden häufig die im Zu­
ge der Straßentrasse verlaufenden Versor- 10.4.2 Kappen auf Eisenbahnbrücken
gungsleitungen überführt. Die einzelnen
Leitungen und Kabel werden zweckmäßi- Die Kappen auf Eisenbahnbrücken bilden
gerweise in einbetonierten Schutzrohren wie bei Straßenbrücken den seitlichen
verlegt, um sie auswechseln zu können. ­Abschluss der Fahrbahn und stützen zu-
Die Kappen werden üblicherweise fu- sätzlich das Schotterbett des Eisenbahn-
genlos über die gesamte Überbaulänge gleises. Bild 10.4.2-1 zeigt die typische Aus-
geführt und unterliegen damit in Längs- bildung der Randkappe auf einer Eisen-
richtung einer starken Schwind- und Tem- bahnüberführung mit Schotterabfangung
peraturbehinderung. Um diese Beanspru- in Anlehnung an die Richtzeichnung
chungen möglichst gering zu halten, erfolgt M-RKP 1602 [DB Netz AG, 2000].
die Befestigung der Kappe über Anschluss- Der Dienstweg auf der Randkappe dient
bewehrung nur an der Stirnseite des Über- der Besichtigung des Bauwerks und der
baus. Zwischen der Dichtungsschicht und Gleisanlagen. In dem Kabeltrog werden die
der Auflagerfläche der Kappe wird zusätz- erforderlichen bahntechnischen Leitungen
lich eine Schutzlage aus einer Bitumen- und Kabel verlegt. Auf großen Brücken der
Gleisachse

Bild 10.4.2-1  Betonkappe mit Schotterwand auf Eisenbahnbrücke


994 10 Brückenausrüstung

Bild 10.4.2-2  Randkappen gemäß Rahmenplanung Neubaustrecken [Prommersberger/Rojek,


1987]

Neubaustrecken werden die Oberleitungs- Brückenbenutzer vor einem Absturz schüt-


masten in der Randkappe verankert. Der zen. Dieser Schutz kann vom Geländer nur
Dienstweg wird so breit ausgeführt, dass auf für den Fußgänger- und Radfahrerverkehr
diesem entsprechende Geräte für die Brü- in vollem Umfang gewährleistet werden.
ckeninspektion aufgestellt werden können, Für die Rückhaltung des Fahrzeugverkehrs
ohne den Fahrbetrieb zu beeinträchtigen. werden, wie im Abschnitt 10.4.1 beschrie-
Die typische Ausbildung zeigt Bild 10.4.2-2 ben, Schrammborde bzw. Schutzeinrich-
aus [Prommersberger/Rojek, 1987]. tungen am Fahrbahnrand angeordnet.
Geländer werden üblicherweise aus
Stahl oder Aluminium gefertigt. Aus ge­
10.4.3 Geländer und Leiteinrichtungen stalterischen Gründen oder in Abhängig-
keit vom jeweiligen Brückenbauwerk sind
Das Geländer als äußere Begrenzung des auch Holzgeländer oder Beton- oder
Brückenquerschnitts soll in erster Linie den ­Mauerwerksbrüstungen möglich.
10.4 Schrammborde, Schutzeinrichtungen, Kappen und Geländer 995

Neben Rad- und Gehbahnen werden chend ihrer Leistungsfähigkeit beurteilt


Füllstabgeländer eingesetzt, weil sie eine und auf der Grundlage von Anprall­
höhere Sicherheit gegen das Abstürzen von versuchen mit realen Fahrzeugen Leistungs­
Kindern und Kleintieren sowie das Herab- klassen zugeordnet.
fallen von Gegenständen bieten. Möglich Die Einteilung in Leistungsklassen wird
sind auch Drahtgitterausfachungen der anhand der Kriterien
einzelnen Geländerfelder. Die Geländerhö-
• Aufhaltestufe,
he beträgt neben Fußgängerwegen mindes­
• Wirkungsbereichsklasse und
tens 1,00 m. Neben Radwegen ist sie um
• Anprallheftigkeitsstufe
20 cm auf 1,20 m zu erhöhen.
Bei Brücken außerhalb von Ortschaften vorgenommen.
mit vorhandenen Notgehbahnen und ne- Art und Umfang der Prüfungen sind in
ben Dienstwegen auf Eisenbahnbrücken [DIN EN 1317-2, 2007] geregelt.
sind Holmgeländer (Knieleistengeländer) Die Aufhaltestufe kennzeichnet dabei
ausreichend. das Aufhaltevermögen der Schutzeinrich-
Bei Straßenbrücken mit einer Länge tung in Abhängigkeit von Fahrzeugmasse,
über 20 m zwischen den Flügelenden wird Anprallwinkel und Anprallgeschwindigkeit
im Handlauf des Geländers ein durchlau- bei den Anprallprüfungen. Die Wirkungs-
fendes Drahtseil angeordnet. Im Falle eines bereichsklasse ist charakterisiert durch die
Fahrzeuganpralls soll dieses die Anprallen- maximale dynamische Durchbiegung der
ergie auf die gesamte Geländerlänge vertei- Schutzeinrichtung. Die Anprallheftigkeits-
len und das Durchbrechen des Fahrzeugs stufe dient der Abschätzung der Belastung
verhindern. Das Geländer selbst und deren von Fahrzeuginsassen beim Aufprall auf
Verankerung im Kappenbeton wird dabei die Schutzeinrichtung.
natürlich zerstört. Die auf Brücken erforderlichen Aufhal-
Schutzeinrichtungen auf Brücken wer- testufen nach [RPS, 2009] sind in Tabelle
den nach [DIN EN 1317, 2007] entspre- 10.4.4-1 zusammengestellt.

Bild 10.4.2-3  Betongleitwand mit Geh- Radweg


996 10 Brückenausrüstung

Tabelle 10.4.4-1   Erforderliche Aufhaltestufen auf Brücken in Anlehnung an [RPS, 2009]


Straßen mit
Gefahren­ Vzul > 100 km/h
bereich Vzul ≤ 100 km/h Vzul ≤ 100 km/h
und Autobahnen
unterhalb und und
und autobahnähn- Vzul ≤ 50 km/h
der Brücke DTV(SV) > DTV(SV) ≤
liche Straßen mit
500Kfz/24h 500Kfz/24h
Vzul ≤ 100 km/h

Besondere
Gefährdung H4b H2 H2 H1
Dritter

Gefährdung
Schrammborde mit
Dritter und
einer Höhe von
(besondere)
H2 H2 H1 0,15 m–0,20 m und
Gefährdung
Geländer mit Seil
von Fahr­
gemäß RIZ-ING
zeug­insassen

Für Schutzeinrichtungen auf Brücken wesen durchgeführt [BASt, 2005]. Bei der
muss durch zusätzliche Messungen bei der BASt sind auch Informationen zu Fahr-
Anprallprüfung nachgewiesen werden, zeuginsassenbelastung und Wirkungsbe-
welche Kräfte durch die Schutzeinrichtung reichsklassen der geprüften Systeme zu be-
und das Fahrzeug in das Bauwerk einge- ziehen.
leitet werden [RPS, 2009]. Empfohlene
Werte für die durch Schutzeinrichtungen
übertragenen Horizontalkräfte sind in 10.5 Brückenentwässerungen
[DIN-FB 101, 2009] enthalten.
Als Schutzeinrichtungen auf Brücken Günter Ramberger
können Schutzplanken aus Stahl oder auch und Francesco Aigner (bis 10.7)
Gleitwände aus Beton eingesetzt werden.
Bei Schutzplanken aus Stahl wird die Früher war es üblich, Niederschlagswässer
Aufprallenergie des Fahrzeugs durch Ver- auf kürzestem Weg von der Brückenober-
formung der Schutzplanken absorbiert und fläche in das darunter liegende Gelände
das Fahrzeug wird in den Fahrbahnbereich oder Gewässer abzuleiten. Heute ist dies
zurückgeleitet. im Allgemeinen nur mehr bei Fußgänger-
Gleitwände aus Beton verhindern durch brücken gestattet. Niederschlagswässer auf
ihre Formgebung ein Aufsteigen des ab­ Fahrbahnen von Straßen und Eisenbahn-
irrenden Rades und leiten dieses auf die brücken werden heute gesammelt und der
Fahrbahn zurück. Bild 10.4.2-3 zeigt die Kanalisation bzw. nach Abscheidung von
Anordnung einer Betongleitwand auf flüssigen Kohlenwasserstoffen (Benzin, Öl)
einem Brückenbauwerk mit einem dahin- der Versickerung zugeführt. Bei Straßen-
ter angeordneten Geh- und Radweg. brücken soll aus fahrtechnischen Grün­
Umfangreiche theoretische Untersu- den ausreichendes Längs- und Quergefälle
chungen und praktische Anprallversuche
wurden von der Bundesanstalt für Straßen- (q = 993
res q2 + q2 ≥ 2,5%) zur raschen
√ längs quer
10.5 Brückenentwässerungen 997

Entwässerung der Fahrbahn vorhanden ästhetischen Gründen vertretbar ist, sollten


sein. An den Rändern werden die Nieder- die Längsleitungen von außen zugänglich
schlagswässer von verschraubbaren oder angeordnet werden, um Undichtigkeiten
absperrbaren und entsprechend belast­ einfach feststellen zu können. Entwässe-
baren Brückeneinlaufen (Einflussfläche rungsleitungen in Kastenquerschnitten sind
< 200 m2) mit Ablaufkästen und eventuell möglichst zu vermeiden. Wenn möglich,
Schlamm­eimern aufgenommen (Bild­ sollten auch in entsprechenden Abständen
­10.5-1) und durch Stichleitungen weiter­ Putzöffnungen in den Längsrohren vorgese-
geleitet, die an die Längsentwässerung an- hen werden.
geschlossen sind. Als Material für die Längsentwässerung
Unter Ausnutzung der Konstruktions­ werden Stahl-, Gusseisen- und Kunststoff-
höhe des Bauwerks kann das Gefälle der rohre verwendet. Der Abstand der Aufhän-
Längsentwässerung stärker als das der gungen oder Unterstützungen richtet sich
Fahrbahn bzw. sogar in die umgekehrte nach Material und Durchmesser der Rohre.
Richtung verlaufen. Leitungsgefälle unter Die Stöße werden mit Muffen (angearbeitet
1,5% sind zu vermeiden. Rohrdurchmesser oder überschoben) ausgeführt, die sich bei
unter 150 mm sollten wegen der damit ver- Erschütterungen nicht verschieben dürfen.
bundenen Verstopfungsgefahr durch einge- Kunststoffrohre, vor allem PE-Rohre, ­haben
schwemmten Schlamm, Blätter, kleine Äste Wärmeausdehnungskoeffizienten, die ein
usw. weder für Stich- noch für Längsleitun- Vielfaches (bis zu 20-faches) der vom Stahl
gen verwendet werden. Die Längsleitungen oder Beton betragen. Dies muss bei der
werden entweder auf Konsolen aufgelegt Konstruktion durch entsprechende Ver-
oder vom Tragwerk abgehängt. Wenn es aus schieblichkeiten berücksichtigt werden. Bei

Bild 10.5-1   Brückenablaufkasten für Stahlbrücken (li.), für Beton- und Verbundbrücken (re.)
[ACO Drain Passavant]
998 10 Brückenausrüstung

Bild 10.5-2   Querschnitt Oberflächenentwässerung

72,50 m 105,00 m

227,098
225,693 225,770
224,430 223,930 223,300 P
P P
P NW 250 2%
P P 18 %
NW 200 222,298

5,00 m

Bild 10.5-3   Längsschnitt Oberflächenentwässerung

direkter Einleitung in den darunter liegen- führen. Da sich das Brückentragwerk relativ
den Vorfluter werden lotrechte Abflussstut- zu den Unterbauten bewegt, sind an den
zen verwendet, deren Unterkante unter der Anschlussstellen der Längs­ent­wäs­ser­ungs­­
Brückenkonstruktion liegen sollte und die leitung an die Abfallrohre entweder be­weg­
durch Schrägschnitt einen definierten Ab- liche Gummispiralschläuche oder Ablauf-
laufpunkt oder einen Strahlverteiler erhal- trichter vorzusehen, die auch bei extremen
ten sollten, damit das Bauwerk und die Un- Längsverschiebungen des Überbaus einen
terbauten nicht vom Niederschlagswasser einwandfreien Abfluss gewährleisten.
getroffen werden. In allen anderen Fällen ist
das Niederschlagswasser an den Widerla-
gern oder auch Pfeilern lotrecht abzu­leiten 10.6 Beleuchtung
und entweder der Schmutz- oder Misch-
wasserkanalisation oder über Benzin- und Bei der Beleuchtung von Brücken wird zwi-
Ölabscheider einem Sickerschacht zuzu- schen Beleuchtung der Fahrbahn und Be-
10.6 Beleuchtung 999

leuchtung des Bauwerks selbst unterschie- leuchtet, wenn die anschließenden Geh­wege
den. Die Fahrbahnbeleuchtung wird bei unbeleuchtet sind (siehe auch Bild 9.2.1-3).
Straßenbrücken üblicherweise wie auf den Damit werden Verschmutzungen und Be-
anschließenden Bereichen ausgeführt. Dazu schädigungen durch Vandalismus wirksam
müssen auf dem Brückentragwerk die Be- vermindert. Die Beleuchtung kann auf üb-
leuchtungsmaste oder die Maste für Ab- lichen Beleuchtungsmasten angebracht wer-
spannungen, an denen die Beleuchtungs- den. Sie kann aber auch in das Geländer oder
körper befestigt werden, vorgesehen werden. sogar in die Gehfläche integriert werden.
Die Stromversorgung erfolgt mit Kabeln, die Bedeutende, architektonisch gut gestal-
in Leerrohren geführt werden und in jedem tete Bauwerke in besiedelter Umgebung
Mast ein- und ausgeleitet werden. verdienen es durchaus, beleuchtet zu wer-
Die Gehflächen von Fußgängerbrücken den. Hier gibt es verschiedene Möglich-
werden in manchen Fällen auch dann be- keiten, die Beleuchtung so anzubringen,

Bild 10.6-1   Fahrbahnbeleuchtung wie bei Straßen

Bild 10.6-2   Beleuchtung der Stützenkonstruktion, Roßauer Brücke Wien [MA 33]


1000 10 Brückenausrüstung

Bild 10.6-3   Lichtleiteranlage, Franzensbrücke Wien [MA 33]

Bild 10.6-4   Beleuchtung des Randbalkens und der Stahlstützen – Augartenbrücke Wien [MA 33]

dass der Benutzer nicht geblendet wird, das notwendig sind wie Wasserleitungen, Erd-
Bauwerk aber effektvoll angestrahlt wird. gasleitungen, Stark- und Schwachstrom­
Mitunter ist es auch möglich, die Beleuch- kabel. Leitungen für Erdöl, Flüssigkeiten
tung der Fahrbahn in die Beleuchtung der der chemischen Industrie, brennbare oder
Brücke zu integrieren. Beispiele für Effekt­ nicht brennbare, giftige oder die Atmung
beleuchtungen von Brücken zeigen die behindernde Gase müssen im Einzelfall mit
­Bilder 10.6-1 bis 10.6-4. der genehmigenden Stelle (Behörde) hin-
sichtlich der erforderlichen Sicherheits-
maßnahmen abgestimmt werden.
10.7 Versorgungsleitungen Bei der Überführung von Trinkwasser-
leitungen auf Brücken ist zu beachten, dass
In diesem Abschnitt werden Leitungen be- die Rohre in entsprechenden Abständen
handelt, die für die kommunale Versorgung auf dem Tragwerk aufgelegt oder aufge-
10.7 Versorgungsleitungen 1001

Bild 10.7-1   Querschnitt mit Einbauten


1002 10 Brückenausrüstung

hängt werden, sodass die Belastung auf­ Notabschlussschieber gilt dasselbe wie für
genommen werden kann und gleichzeitig Wasserleitungen.
Relativbewegungen zwischen Rohr und Starkstromkabel für die Energieversor-
Tragwerk ohne Behinderung stattfinden gung und Schwachstromkabel für Tele-
können. Zum Ausgleich der Bewegungen kommunikation werden auf Kabeltassen,
des Tragwerks an den Widerlagern sind in Leerrohren oder in Kabelkanälen ver-
entsprechende Kompensatoren einzubau- legt. Da die die Starkstromkabel umge-
en. Vor und nach der Brücke müssen Schie- benden Felder den Betrieb der Schwach-
ber eingebaut werden, die bei Rohrbruch stromkabel stören können, ist entweder ein
automatisch schließen. Bei Verlegung der ausreichender Abstand oder eine entspre-
Wasserleitung in einem Kastenquerschnitt chende Abschirmung zwischen den Kabeln
muss der Boden an geeigneten Stellen ent- vorzusehen. Zum Ausgleich von Bewe-
sprechende Öffnungen erhalten, die den gungen an den Brückenenden werden Ab-
Abfluss des im Falle eines Rohrbruchs aus- biegungen oder Schleifen in den Kabeln
tretenden Wassers gestatten. Damit wird angeordnet.
einerseits der Rohrbruch bemerkbar und
andererseits eine Überbelastung des Trag-
werks verhindert. Bei geringem Durchfluss 10.8 Lärmschutzanlagen
müssen Wasserleitungsrohre durch Wär-
meisolierung gegen Einfrieren geschützt Ursula Freundt
werden.
Erdgasleitungen für die kommunale 10.8.1 Überblick
Versorgung dürfen nicht in Kastenquer-
schnitten verlegt werden, sondern sollten Die steigende Lärmbelästigung ist zu einem
möglichst an der Brückenaußenseite unter Problem für die Umwelt geworden, was
dem Brückendeck liegen (Bild 10.7-2), da- auch den durch Straßenverkehr verursach-
mit im Falle eines undichten Rohrs das ten Lärm betrifft. Grund ist hierbei die
­austretende Gas kein explosives Gemisch allge­meine Zunahme des Verkehrsaufkom-
mit Luft bilden kann. Erdgas ist bei einer mens und die dichter werdende Bebauung.
Mischung mit Luft im Bereich von 4 bis 17 Lärmuntersuchungen und daraus fol-
Volumenprozent explosiv. Hinsichtlich La- gende Lärmschutzmaßnahmen schreibt
gerung der Rohre, Kompensatoren und der Gesetzgeber in Deutschland nur bei
Neubaustrecken oder Straßenabschnitten
mit wesentlicher Änderung (z. B. Erhöhung
der Spuranzahl, etc.) vor.
Das Erfordernis einer Lärmschutzmaß-
nahme wird auf der Basis der Immissions-
grenzwerte nach dem Bundes-Immissions-
schutzgesetz [BImSchG, 2002] beurteilt.
Dabei ist nachzuweisen, dass der Lärmpe-
gel am Immissionsort unterhalb der zuläs-
sigen Grenz­werte entsprechend Tabelle
10.8-1 liegt.
Die Stärke des Lärmpegels am Immissi-
onsort wird durch den Beurteilungspegel Lr
ausgedrückt. Bei der Ermittlung des Be­
Bild 10.7-2   Lagerung des Gasrohrs urteilungspegels werden verschiedene Fak-
10.8 Lärmschutzanlagen 1003

Tabelle 10.8-1  Zulässige Immissionsgrenz- werden. Entsprechend dem Absorptions-


werte nach [BImSchG, 2002] vermögen werden folgende Kategorien un-
Lage Immissionsgrenz­ terschieden:
wert [dB(A)] • reflektierend ΔL < 4 dB
Tag Nacht • absorbierend 4 dB ≤ ΔL < 8 dB
• hochabsorbierend ΔL ≥ 8 dB
an Krankenhäusern, 57 47
Schulen, Kurheimen,
Altenheimen
10.8.2 Lärmschutzanlagen auf Brücken
in reinen und allge- 59 49
meinen Wohngebie- Brücken sind aufgrund Ihrer exponierten
ten, Kleinsiedlungen Lage über Gelände besonders schallschutz­
in Kern-, Dorf- und 64 54 relevant. Die Regelausführung besteht in
Mischgebieten der Anordnung von Lärmschutzwänden
mit Höhen bis über 6,0 m. Da sich der
in Gewerbegebieten 69 59 Schallschirm nahe am Verkehrsweg befin-
det, wird somit ein guter Schirmwert er-
reicht.
toren berücksichtigt. Wichtigste Eingangs-
Lärmschutzwände sind aus Stahlpfosten,
größe ist die vorhandene oder prognos­
siehe Bild 10.8-1, mit zwischen liegenden
tizierte Verkehrsstärke. Dabei ist besonders
austauschbaren Wandelementen aufgebaut.
der Anteil des Schwerverkehrs maßgebend.
Die Fugen sind dabei schalldicht und dau-
Neben der gefahrenen Geschwindigkeit
erelastisch zu verschließen. Als Wandmate-
werden Straßenoberfläche, Längsneigung
rialien kommen Metall, Holz, Beton oder
und mögliche Reflexionen des Straßen-
auch Glas bzw. Kunststoff zum Einsatz.
lärms zur Ermittlung des Lärmpegels he-
rangezogen.
Verankerung
Bauliche Maßnahmen können den
Die Pfosten der Lärmschutzwände werden
Schall abschirmen bzw. umlenken. Der
im Gesimsbereich der Kappe oder auf auf-
Schirmwert, der Weg den der Schall zu-
gesetzten Betonbrüstungen verankert. Bei
rücklegen muss, ist für die Erzielung des
besonders hohen Lärmschutzwänden kann
Schirmeffekts die maßgebende Größe.
es erforderlich sein, die Kappe durch Teller­
Ein Schallschirm muss folgende Eigen-
anker gegen Abheben zu sichern. Gegen-
schaften haben:
wärtig kommen Kappen mit Tellerankern
• schallundurchlässig, d. h. der Schall der in Verbindung mit Lärmschutzwänden von
direkt durch den Schirm läuft, muss um bis zu 8,0 m Höhe zur Anwendung.
wenigstens 30 dB(A) gemindert werden Die Telleranker haben neben der Aufga-
be der Zugkraftübertragung auch die Dich-
Die Beugungskante sollte möglichst hoch tigkeit im Bereich der Dichtungsdurch-
sein und sich nahe am Verkehrsweg befin- dringung zu gewährleisten.
den, weil sich dadurch der Schirmwert z Die Wirkungsweise von eingebauten
vergrößert. Tellerankern mit verschiebbar angeord-
Mehrfachreflexionen können zu Pegel­ netem Oberteil bei auftretenden Bewe-
erhöhungen führen. Diese Effekte können gungen wird im Rahmen eines Forschungs-
durch die Verwendung von Materialien mit projekts an der Fakultät Bauingenieur­
absorbierenden Eigenschaften reduziert wesen, Professur für Verkehrsbau der Bau-
1004 10 Brückenausrüstung

haus-Universität Weimar, untersucht werden. Bei hohen Talbrücken vermittelt ein


[Michael et al., 2008]. Bild 10.8-2 zeigt die nichttransparenter Sockel (ca. 50 cm Höhe)
Anordnung von Tellerankern in Brücken- dem Autofahrer eine zusätzliche Sicherheit.
kappen bei Neubaumaßnahmen. Dem Übergang zur freien Strecke ist beson-
dere Aufmerksamkeit zu schenken.
Gestaltung
Da Lärmschutzwände auf Brücken wesent- Wandelemente
lich die Gestaltung beeinflussen, sind ent- Für die Wandelemente kommen verschie-
sprechende Anlagen schon in der Entwurfs­ dene Baustoffe zum Einsatz, die spezifische
phase mit zu berücksichtigen. Gestaltungsmöglichkeiten gestatten. Schall-
Sowohl aus Sicht der Anwohner, als auch schutztechnisch unterscheiden sich die
aus Sicht des Autofahrers sollten einige Ge- Wandaufbauten vor allem hinsichtlich
staltungsgesichtspunkte zur konstruktiven ­ihrer Reflexionseigenschaften.
Ausbildung, sowie zur Material- und Farb- Wandelemente aus Metall bestehen in
wahl berücksichtigt werden. Beispiele fin- der Regel aus 10–12 cm dicken Alumini-
den sich z. B. in [BMVBW, 1995]. umkassetten, in die Lufträume und Schall-
So ermöglichen Lärmschutzwände aus dämmmatten, z. B. aus Steinwolle, integriert
Holz oder Beton unterschiedliche Ober­ sind. Die Elemente sind in der Regel 33
flächengestaltungen von Anwohner- und oder 50 cm hoch. Durch ein- oder beidsei-
Fahrbahnseite. Transparente Lärmschutz- tige Perforationen kann Schall eindringen
wände bewirken die geringste Störung des und wird absorbiert. Beliebige Farbge-
Brückenbilds. Aus der Sicht des Autofahrers bungen sind möglich.
sollten bei langen Lärmschutzwänden zu- Wandelemente aus Holz werden vor
mindest transparente Fensterstreifen in ca. ­allem dann angeordnet, wenn sie auf an-
1,20 m Höhe über der Fahrbahn an­geordnet schließender Strecke im Einsatz sind. Für

Bild 10.8-1   Lärmschutzwand im Bauzustand aus [Thür, 2003]


10.8 Lärmschutzanlagen 1005

Bild 10.8-2   Anordnung von Tellerankern in Verbindung mit Lärmschutzwänden

die Gewährleistung einer ausreichenden erstellt werden kann. Um den Splitterschutz


Dauerhaftigkeit ist eine Hochdruckimpräg­ über öffentlichen Verkehrsflächen zu ge-
nierung erforderlich, die eine Entsorgung währleisten sind gesonderte Fangkonstruk­
problematisch macht. Der Wandaufbau be- tionen (Drahtgittergeflecht) vorzusehen.
steht aus Leisten mit lichten Abständen von Verschiedene Hersteller bieten hier Lösungen
4–5 cm. Dahinter befindet sich eine Schall- durch den Einbau splitterbindender Fasern
dämmmatte. Die Rückseite wird in der Re- ohne eine Beeinträchtigung der Transparenz
gel durch eine zementgebundene Spanplat- an. Zum Teil kann eine Blendwirkung durch
te gebildet. Die Wandelemente sind zumeist Spiegelung in der Nacht auftreten.
großformatig z. B. 2,0 m · 5,0 m.
Aufgrund der relativ hohen Eigenlast bauliche Anforderungen
kommen Wandelemente aus Beton auf Brü- Lärmschutzwände müssen folgende Anfor-
cken nur bedingt zur Anwendung, zudem ist derungen erfüllen:
die Verlegung zumeist nur mit Kraneinsatz
• schalltechnische Anforderungen
möglich. Allerdings ergeben sich die vielfäl-
• verkehrssicherheitstechnische Anforde-
tigsten Möglichkeiten der Oberflächenge-
rungen
staltung durch Struktur und Farbe.
• ausreichend standsicher und formbe-
Transparente Lärmschutzwände besitzen
ständig
in der Regel einen einschaligen Aufbau aus
• alterungs- und korrosionsbeständig bzw.
Silikat-Glas oder Kunststoffglas. Inzwischen
-geschützt
bieten Hersteller auch absorbierende trans-
• farbtonbeständig, feuer- und steinwurf­
parente Wandelemente an, bzw. modulare
resistent und wartungsfreundlich.
Kombinationen von blickdichten hochabsor-
bierenden und reflektierenden transparenten Bezüglich der Verkehrssicherheit sind die
Wandelementen, so dass insgesamt auch eine Forderungen der [RPS, 2009] und [ZTV-
transparente absorbierende Lärmschutzwand LSW, 1988] zu beachten.
1006 10 Brückenausrüstung

Wird bei Anordnung einer LSW auf ein schutzwand abhängig und unterliegen nati-
zusätzliches Geländer verzichtet, ist das Si- onalen Regelungen, in Deutschland zum
cherungskabel zur Absturzsicherung abir- Beispiel der [ZTV-LSW, 1988].
render Fahrzeuge samt Holm an der Schall-
schutzwand anzubringen. Weiterentwicklungen
Die LS-Elemente sind einzeln gegen Einen größeren Abschirmeffekt kann man
­Absturz zu sichern. Dazu werden in der erzielen, wenn ein wesentlich größerer Teil
­Regel Haltekonstruktionen aus mind. 4 mm der Fahrbahn durch die Lärmschutzkon-
dicken Drahtseilen in den vier Ecken an­ge­ struktion überdacht werden kann [Herder,
ordnet, die mit den Pfosten verbunden 2001], [Groh, 2003]. Durch das Anbringen
sind. schallabsorbierender Bekleidungen an der
Das Auswechseln beschädigter Elemente Decke und den Wänden können Pegelerhö-
oder ganzer Felder von Lärmschutzwänden hungen durch Mehrfachreflexionen verrin-
muss ohne nachteilige Auswirkungen auf gert werden. Pegelminderungen um etwa
nicht betroffene Felder möglich sein. 20 dB(A) sind erreichbar.
Die Standsicherheit für Lärmschutzwän- Bei teilweiser Überdachung ist zumeist
de ist für die tragenden Bauteile (Veranke- die natürliche Belüftung und Belichtung
rungen der Pfosten und die Ableitung der ausreichend. Allerdings kann der Straßen-
Kräfte) nachzuweisen. Die wesentlichen zustand hinsichtlich Feuchte und Eisglätte
Einwirkungen sind die Windeinwirkungen. stark variieren.
Diese sind im [DIN FB-101, 2009] geregelt. Die effektivste, wenngleich auch auf-
Darüber hinausgehende Einwirkungen wendigste Art des Schallschutzes ist die
sind von der Höhe und Lage der Lärm- komplette Einhausung der Brücke. Durch

Bild 10.8-3   Brückeneinhausung in Italien aus [Röhm, 2003]


10.8 Lärmschutzanlagen 1007

Verwendung transparenter Elemente kann zuletzt der Reinigung liegen bislang nicht
dabei auf künstliche Belichtung verzichtet vor. In Deutschland ist für die Saalebrücke
werden. In Bild 10.8-3 wird ein Beispiel aus bei Salzmünde im Zuge des Neubaus der
Italien gezeigt. BAB A 143 (Westumfahrung Halle) eine
Erfahrungen bezüglich der Probleme transparente Lärmeinhausung geplant
des Fahrzeuganpralls, des Brandschutzes, [DEGES, 2002].
des Zugangs für Rettungskräfte und nicht
11 Überwachung, Prüfung, Bewertung
und Beurteilung von Brücken

11.1 Einleitung ursacht. Ein Großteil der festgestellten


Mängel beeinträchtigt in erster Linie die
Eva-Maria Eichinger-Vill Dauerhaftigkeit der Konstruktion. Werden
und Johann Kollegger (bis 11.2) diese Mängel nicht beachtet, so können sie
mit fortschreitender Zeit jedoch auch die
Unter Bauwerksprüfung versteht man die Tragfähigkeit der Brücke gefährden. Zur
Feststellung und Bewertung des Ist-Zu- Vermeidung von Mängeln aufgrund von
stands einer Konstruktion. Unter Bau- Ausführungsfehlern sind strenge Quali-
werksüberwachung sind alle Maßnahmen tätssicherungsmaßnahmen, im Sinne von
zusammengefasst, die erforderlich sind, um Eigen- und Fremdüberwachung, zu setzen.
Mängel und Schäden an Bauwerken so Aufgrund der Tatsache, dass Brücken aus
rechtzeitig zu erkennen, dass ein Versagen Stahlbeton- und Spannbeton einer Vielzahl
ohne Vorankündigung ausgeschlossen wer- von Einwirkungen ausgesetzt sind, ist es
den kann. In diesem Zusammenhang ist ein unmöglich, alle möglicherweise zu erwar-
Schaden eine Veränderung am Bauwerk, tenden schädlichen Einflüsse aufzulisten.
durch welche die Gebrauchstauglichkeit, Die am häufigsten auftretenden Schadens-
die Dauerhaftigkeit oder die Tragfähigkeit ursachen sind jedoch bekannt und sollen
beeinträchtigt wird, wobei die Ursache im Folgenden beschrieben werden.
entweder in einem Mangel auf der Wider- Mängel und in Folge Schäden können
standsseite oder einer Überbeanspruchung die verschiedenen Bauteile und Baustoffe
der Konstruktion auf der Einwirkungsseite der Konstruktion betreffen und unter-
begründet sein kann. Ein Mangel ist die schiedlichste Ursachen haben. Ein wesent-
negative Abweichung vom angestrebten licher Schadensschwerpunkt bei Stahlbe-
Bauwerkszustand zum tatsächlichen Zu- ton- und Spannbetonbrücken liegt in der
stand. Ein Mangel kann einen oder mehrere Korrosion der Bewehrung, welche durch
Schäden zur Folge haben. Stoffe, die bereits in der Struktur eingela-
gert sind oder aus der unmittelbaren Um-
gebung stammen, ausgelöst wird. In die-
sem Zusammenhang muss betont werden,
11.2 Ursachen für Schäden dass fachgerecht ausgeführter Stahlbeton
an Betonbrücken unter normalen Bedingungen gegen Witte-
rungseinflüsse dauerhaft beständig ist.
11.2.1 Allgemeines Witterungs­bedingte Schäden treten zu­
meist nur dann auf, wenn bereits Mängel
Mängel an Brückentragwerken, die in der vorliegen oder wenn Lebensdauer und
Folge einen Schaden verursachen können, Belastung der Konstruktion das ursprüng­
werden durch Entwurfsfehler, Ausfüh- lich angenommene Maß weit übersteigen
rungsfehler oder äußere Einwirkungen ver- [Ruffert, 1983].
1010 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Die Verwendung von Tausalz im Rah- nem Wasser. Aus diesem Grund kann ver-
men des Straßenbetriebs in den Wintermo- unreinigtes Wasser viel leichter in den Be-
naten stellt für die Dauerhaftigkeit von ton eindringen. In diesem Zusammenhang
Brückbauwerken eines der größten Proble- ist es daher von besonderer Bedeutung, die
me dar, wobei sowohl der Beton als auch Konstruktion durch eine sachgerechte Ab-
der Stahl angegriffen werden. Im Winter- dichtung vor derartigen Einwirkungen zu
dienst kommen hauptsächlich Natrium- schützen.
chloride als Taumittel zum Einsatz. Die Eigenschaften des Betons hängen
Die Frage, wer die Verantwortung für von seiner chemischen und mineralogi-
die Beseitigung eines Schadens zu tragen schen Zusammensetzung sowie vom Ver-
hat, wird im Wesentlichen vom Zeitpunkt dichtungsgrad und damit verbunden dem
des Eintritts des Schadens bestimmt. In die- Porenvolumen ab. Physikalische und che-
sem Zusammenhang kommt es sowohl mische Einflüsse, die in verschiedenster Art
nach der Fertigstellung als auch vor dem und Kombination auf das Bauwerk wirken,
Ende der Verjährungsfrist zu einer förmli- beeinflussen die Alterung des Baustoffs we-
chen Abnahme der Konstruktion. Der Zeit- sentlich. Die Qualität des Betons hat jedoch
punkt des Auftretens des Schadens ist nicht einen wesentlichen Einfluss auf die Dauer-
nur für die Klärung juristischer Fragen von haftigkeit der Konstruktion. Als Kriterium
Bedeutung, sondern kann auch hinsichtlich für die Betonqualität wird oftmals lediglich
der technischen Beurteilung der Schadens- die Betondruckfestigkeit herangezogen.
ursache einen entscheidenden Faktor dar- Doch gerade bei Brückenbauwerken ist die
stellen. Druckfestigkeit allein im Hinblick auf die
Dauerhaftigkeit nicht aussagekräftig genug,
es müssen auch noch andere Faktoren
11.2.2 Schäden am Beton berücksichtigt werden [Ruffert, 1983]. Zu
diesen zählen
11.2.2.1 Allgemeines
• das Kapillarvolumen, d. h. die Wasser-
aufnahmefähigkeit bei atmosphärischen
Der Beton soll einerseits gemeinsam mit der
Bedingungen im entspannten Trink­
Bewehrung die Anforderungen im Hinblick
wasser,
auf die Tragfähigkeit der Konstruktion er-
• die Luftdurchlässigkeit, d. h. der Wider-
füllen, hat aber andererseits auch die Aufga-
stand gegen den Durchgang von Koh-
be, die Bewehrung dauerhaft vor Korrosion
lendioxid,
zu schützen. Die Dauerhaftigkeit des Ge-
• ein ausreichender Gehalt an Kalzium-
samtbauwerks wird dabei wesentlich von
hydroxid, feststellbar mittels pH-Wert
der konstruktiven Durchbildung und den
und
sich aus dem Herstellungsprozess vor dem
• die Rissefreiheit bei der Betrachtung der
Einbau ergebenden Materialeigenschaften
Oberflächen.
des Betons beeinflusst.
Bei Beton handelt es sich um einen po- Um eine ausreichende Verdichtung zu er-
rösen Baustoff. Seine Fähigkeit, Wasser in reichen und das Porenvolumen im Festbe-
flüssiger Form aufzunehmen, ist dabei von ton zu begrenzen, wird der Frischbeton
der Oberflächenspannung abhängig. Das mittels eines Rüttlers verdichtet. Aus dem
im Bereich einer Brücke anfallende Wasser Verdichten können Mängel oder Schäden
kann durch Chemikalien verunreinigt sein am Beton resultieren, wenn zwischen den
und besitzt dann nur etwa die Hälfte der Bewehrungsstäben nicht ordnungsgemäß
Oberflächenspannung von chemisch rei- verdichtet werden kann. Aber auch zu in-
11.2 Ursachen für Schäden an Betonbrücken 1011

tensives Rütteln kann Mängel produzieren, minderung und im Extremfall zu einer


da es dadurch zu einer Entmischung des völligen Zerstörung des betroffenen Betons.
Frischbetons kommen kann. Durch die Diese Schäden können durch die Verwen-
Verflüssigung des Betons sinken die Zu- dung von sulfatbeständigen Zementen ver-
schläge infolge ihres Eigengewichts nach hindert werden.
unten und der leichtere Zementanteil be- Für die Korrosion der Bewehrung sind
ginnt nach oben zu steigen. jedoch vor allem drei Arten von Schäden
Beton kann durch chemische Substan- bzw. von Veränderungen der Eigenschaften
zen angegriffen werden, wobei man zwi- des Betons von entscheidender Bedeutung,
schen lösendem und treibendem Angriff die im Folgenden näher beschrieben wer-
unterscheidet. Beim Zementstein handelt den. Es sind dies die Rissbildung, die Kar-
es sich um Kalziumsilikate und -aluminate, bonatisierung sowie der Chloridgehalt des
die durch die Hydratation gebildet werden. Betons.
Seine Alkalität ist die Ursache, dass dieser
durch jede Säure angegriffen werden kann.
Bei diesem lösenden Angriff wird der Zu- 11.2.2.2 Risse im Beton
sammenhalt zwischen Zuschlag und Kitt-
substanz zunächst gelockert und danach In einer Konstruktion aus Stahl- oder
zerstört. Ist die schützende Betonhaut je- Spannbeton entstehen Risse, wenn im Be-
doch ungestört, so kann der lösende An- ton die Zugfestigkeit überschritten wird.
griff verhindert werden. Gefährlich sind Risse geringer Breite haben zunächst keine
Risse und großflächige Schädigungen, die unmittelbaren negativen Auswirkungen auf
das tiefe Eindringen der aggressiven Stoffe die Tragfähigkeit eines Bauwerks, da diese
ermöglichen. Somit ist es wichtig, lösende mit der Annahme nachgewiesen wird,
Schäden so früh wie möglich zu erken­ dass der Beton keine Zugkräfte über­
nen und geeignete Maßnahmen zu deren nehmen kann. Alle Zugkräfte werden dem-
Be­hebung einzuleiten. Eine Möglichkeit nach der Bewehrung zugeordnet. Folgende
liegt darin, den empfindlichen Zement- Arten von Rissen und deren Ursachen kön-
stein durch säurewiderstandsfähige Filme nen unterschieden werden [Nürnberger,
zu schützen. 1995]:
Lösen die angreifenden Stoffe eine Reak-
tion aus, die zu einer Vergrößerung des Vo- • Spannungsrisse: Überschreiten der Be-
lumens führt, so spricht man von einem tonzugfestigkeit resultierend aus ­Lasten
treibenden Angriff. Diese Stoffe können (auch aus der Vorspannung) und be­
durch Risse eindringen oder bereits in der hinderter Verformung (Schwinden,
Form von alkalischen Zuschlägen (Alkali- Temperaturänderung, Auflagerverschie-
Silika-Reaktion) im Beton vorhanden sein. bung)
Das sich bildende größere Raumvolumen • Schrumpfrisse: Oberflächenaustrock-
hat eine gefügesprengende Wirkung. Ein nung des verarbeiteten Frischbetons
Beispiel dafür sind sulfationenhaltige Gase • Hydratationsrisse: Oberflächenabküh-
und Lösungen. Bei der Reaktion zwischen lung des infolge der Hydratation er-
den Sulfaten und dem Trikalziumaluminat wärmten Betons
im Zementstein wird Ettringit gebildet, das • Korrosionssprengrisse: Volumenvergrö-
etwa das achtfache Volumen der Ausgangs- ßerung der Bewehrung bei Korrosion
stoffe aufweist. Diese Volumenvergröße- • Frostsprengrisse: Volumenvergrößerung
rung führt zu kraterförmigen Abplatzungen des Wassers bei der Änderung des Ag-
der Betonoberfläche, zu einer Festigkeits- gregatzustands infolge Eisbildung
1012 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Bereits kurz nach dem Betonieren kann griffen werden, da Oberflächenrisse auf-
es infolge des Aushärtevorgangs und des grund ihrer Kerbwirkung Ausgangspunkte
Schwindens zur Rissbildung im Frischbe- für tiefere Risse darstellen können.
ton kommen. Dem kann durch eine geeig- Bei Rissbreiten von mehr als 0,4 mm ist
nete Betonzusammensetzung, eine Nach- kein ausreichender Korrosionsschutz der Be-
behandlung entsprechend dem Stand der wehrung gewährleistet, womit Korrosions-
Technik oder durch Vorspannung begegnet abtrag und damit eine Schwächung der Be-
werden. Der Beton ist durch die Vorspan- wehrung möglich wird. Aus diesem Umstand
nung Druckkräften ausgesetzt, welche die könnte eine unmittelbare Gefährdung für die
aus ständigen und veränderlichen Ein­ Tragfähigkeit des Bauwerks entstehen.
wirkungen sowie Zwängungen hervorge­ Problematisch wirken sich Risse im
rufenen Zugspannungen weitestgehend ­Bereich der Koppelfugen aus, hier tritt das
überdrücken. Trotzdem ist es jedoch nur Problem der Dauerschwingfestigkeit für das
bedingt möglich, Risse im Beton zu verhin- Spannkabel in den Vordergrund. Durch die
dern. In den Überbauten treten Zugspan- Änderung der Biegemomente infolge Ver-
nungen aus ständigen und veränderlichen kehrslast treten große Spannungsschwan-
Einwirkungen sowie Zwangszuständen kungen im Spannstahl auf [Leonhardt, 1979
(Stützensenkung, ungleichmäßige Erwär- und Zilch et al., 2004]. Während von Spann-
mung) auf. Für die Rissbildung sind auch gliedern auf der freien Strecke zwischen den
Zwangs‑ und Eigenspannungen infolge Koppelankern auch hohe Dauerschwingbe-
­Hydratrationswärme oder verschiedener anspruchungen ohne Schaden ertragen wer-
Schwindmaße von Bauteilen unterschied­ den können, ist im unmittelbaren Bereich
licher Dicke bzw. Alters von Bedeutung. des Koppelankers eine deutliche Minderung
Zusätzlich treten Zwangsschnittgrößen der Dauerschwingfestigkeit gegeben. Wird
durch Temperaturdifferenzen infolge Son- diese überschritten, besteht für die Spannstäh-
neneinstrahlung auf. In den teils sehr gro- le die Gefahr eines Ermüdungsbruchs.
ßen Temperaturunterschieden zwischen Für die Korrosion von Stahl sind zusätz-
Ober- und Unterseite des Überbaus ist eine lich vor allem der Chloridgehalt sowie die
wesentliche Ursache für die Rissbildung bei Karbonatisierung von entscheidender Be-
Spannbetonbrücken zu sehen. Diese Zug- deutung. Erst die Karbonatisierung des Be-
spannungen wurden in den Anfängen des tons bis zur Bewehrung ermöglicht, dass es
Spannbetonbaus in der statischen Berech- an der Stahloberfläche zu einer Auflösung
nung jedoch oftmals nicht berücksichtigt. des Eisens und damit zur Korrosion kom-
Überdies stellt die Betonzugfestigkeit men kann. Wird im Querschnitt der Stahl­
eine stark streuende Größe dar, deren zuläs- einlagen eine kritische Chloridionenkon-
sige Werte auf Laborergebnissen beruhen. zentration überschritten, besteht jedoch
Die tatsächliche Betonzugfestigkeit im Bau- auch im nicht karbonatisierten Beton Kor-
werk hängt vor allem von der Betonzusam- rosionsgefahr. Im folgenden Abschnitt sol-
mensetzung, der Ausführungsqualität sowie len daher der Einfluss von Chloridionen
möglichen Vorschädigungen ab und nimmt sowie der Karbonatisierung auf den Korro-
zudem mit der Zeit immer weiter ab. Zu- sionsprozess erläutert werden.
sätzlich beeinflussen eine unzureichende
Nachbehandlung oder ungünstige Witte-
rungsverhältnisse die Betonzugfestigkeiten 11.2.2.3 Chloridgehalt
negativ. Zur Vermeidung von Rissen infolge
Hydratationswärme müssen in erster Linie Die Anwesenheit von Chloriden verbessert
alle betontechnologischen Maßnahmen er- die Leitfähigkeit des Elektrolyten, sodass
11.2 Ursachen für Schäden an Betonbrücken 1013

eine bereits laufende Korrosion im karbo- onswiderstand des Betons ist. Dies wird
natisierten Bereich des Betons erheblich durch die Betondichtigkeit (Kapillarporo-
beschleunigt werden kann. Durch Karbo- sität) bestimmt, die Chloridkonzentration
natisierung des Betons wird daher die Kor- im Beton kann dabei nicht größer werden
rosionsgefahr zusätzlich erhöht, da gebun- als in der Lösung. Hierbei strebt die Chlo-
denes (unschädliches) Chlorid wieder in ridkonzentration bei ausreichend dichtem
Lösung geht. Bei der Chloridkorrosion von Betongefüge mit der Zeit einem Endwert
Stahl im Beton müssen folgende Vorausset- zu.
zungen gleichzeitig erfüllt sein: Für Brücken gelten jedoch die Verhält-
nisse einer Wechselbefeuchtung, hier liegen
• Der Chloridgehalt im Bereich der Be-
deutlich ungünstigere Bedingungen vor.
wehrung muss oberhalb eines kritischen
Der Transport von Chloridionen im Beton
Grenzwerts liegen.
wird dabei maßgebend vom gleichzeitig
• Für den kathodischen Teilprozess muss
eindiffundierenden Wasser beeinflusst, wo-
in ausreichendem Maße Sauerstoff durch
bei den zeitlichen Abständen zwischen den
die Betondeckung zur Stahloberfläche
Befeuchtungszyklen große Bedeutung zu-
diffundieren.
kommt. Wegen der Kapillarwirkung ist die
• Für den Ionenstrom zwischen Kathode
Eindringgeschwindigkeit der Chloride in
und Anode ist ein ausreichender Feuch-
den Beton hoch, wenn die Lösung auf einen
tigkeitsgehalt des Betons erforderlich.
nicht wassergesättigten oder vollständig
Chloride können bereits in den Ausgangs- trockenen Beton einwirkt. Die Eindringge-
stoffen für die Betonherstellung vorhanden schwindigkeit ist niedrig, wenn die Lösung
sein, sind aber durch die technischen Vor- auf einen wassergesättigten Beton trifft, da
schriften auf unschädliche Mengen be- Chloride nicht über den Wassertransport
grenzt. Schädlich sind die Chloride, die in den Beton gelangen können. Wird der
infolge des Tausalzeinsatzes während der Beton wiederholt mit chloridhaltigen Lö-
kalten Jahreszeit von außen in den Beton sungen befeuchtet und trocknet zwischen-
eindringen. zeitlich aus, können nach dem Verdunsten
Das Eindringen des Chlorids in den des Wassers Chloridkonzentrationen auf-
Beton läuft anders ab als das im Zuge der treten, die weit über der Chloridkonzentra-
Karbonatisierung stattfindende Eindringen tion der Ausgangslösung liegen.
des gasförmigen Kohlendioxids. Während In Rissen können Chloride wesentlich
bei der Karbonatisierung des Betons gut schneller zur Stahloberfläche vordringen
messbare Fronten bzw. Bereiche auftreten, als im ungerissenen Beton. Da Chloridbe-
stellen sich bei der Chlorideindringung aufschlagung immer mit einer Befeuchtung
kontinuierlich abnehmende Konzentrati- des Bauteils einhergeht, spielen kapillare
onsverteilungen ein. Eine hohe Dichtigkeit Saugvorgänge eine wesentliche Rolle, Dif-
des Betons (W/B-Wert, Verdichtung, Nach- fusionsvorgängen in Rissen kommt daher
behandlung) wirkt sich jedoch positiv auf keine Bedeutung zu.
den Eindringwiderstand der Chloride aus. Selbst bei hohen Chloridgehalten müs-
Im Bereich von Dauertauchzonen kön- sen jedoch zur Entstehung von Korrosion
nen die an der Betonoberfläche in der Lö- weitere Voraussetzungen erfüllt sein: der
sung vorhandenen Chloride durch Diffu­ Beton muss ausreichend leitfähig (feucht)
sion über die Mikroporen in den Beton und genügend durchlässig für Sauerstoff
eindringen. Die Diffusionsgeschwindig- sein. Die ungünstigsten Korrosionsbedin-
keit ist umso höher, je größer das Konzen- gungen liegen vor, wenn bei undichter und
trationsgefälle und je niedriger der Diffusi- geringer Betondeckung höhere Feuchtig-
1014 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

keitsgehalte eingetragen werden. In dieser den Stegen und in der Bodenplatte, wo


Situation kann es im Falle einer Karbonati- normalerweise mit Ausnahme von Sprüh-
sierung des Betons auch ohne Chloridein- nebelbereichen über tausalzbehandelten
wirkungen zu Korrosionsschäden kommen. Straßen nicht mit Angriffen durch Tausalz-
In dichtem Beton und bei normgerechten wasser zu rechnen ist. Bei defekter Abdich-
Betondeckungen ist die Chloridkorrosion tung stellen Risse im Beton von Fahrbahn-
selbst im Fall hoher Chloridgehalte an der platten, sofern sie Spannglieder kreuzen,
Bewehrung begrenzt, da der Sauerstoffzu- eine ernsthafte Unterbrechung des Korro-
tritt behindert wird. sionsschutzes dar.
Die Korrosionsgefahr für Stahl- oder
Spannbetonbauteile unter Chlorideinwir-
kung kann demnach zusammenfassend 11.2.2.4 Karbonatisierung
folgendermaßen beurteilt werden. Starke
Korrosionserscheinungen treten insbeson- Das in der Luft enthaltene gasförmige Koh-
dere bei Chloridangriff immer dann auf, lendioxid CO2, kann durch die luftgefüllten
wenn durch Schwachstellen in der Kon- Poren des Zementsteins sowie an lokalen
struktion starke Chloridanreicherungen Fehlstellen, Nestern und Rissen in den Be-
und/oder häufige Durchfeuchtungen ein- ton eindiffundieren. Das CO2 reagiert mit
zelner Bauteile auftreten, Betonierfehler dem im Porenwasser des Betons gelösten
vorliegen oder die Qualität der Betonde- Kalziumhydroxid Ca(OH)2 zu Kalziumkar­
ckung den Mindestanforderungen nicht bonat CaCO3 . Eine Reaktion des Kohlendi-
genügt. Risse im Beton können in allen die- oxids ist nun mit den im Wasser gelösten
sen Fällen Korrosionserscheinungen be- Bestandteilen des Zementsteins möglich,
günstigen. wobei das CO2 bei der Karbonatisierungs-
Da bei Spannstählen nach einer Depas- reaktion verbraucht wird. Erst wenn der
sivierung der Stahloberfläche ein Versagen Umsetzungsvorgang soweit fortgeschritten
nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, ist, dass am Reaktionsort kein Kalzium­
muss für Spannbetonbauteile ein Vordrin- hydroxid mehr nachgelöst werden kann,
gen der Chloride bis zur Spannstahlober- dringt die Karbonatisierung tiefer in den
fläche verhindert werden. Dies kann bei- Beton vor. Dadurch ergeben sich eindeuti-
spielsweise mit Hilfe von dauerhaft dichten ge, gut messbare Karbonatisierungsfronten.
Hüllrohren (z. B. aus Kunststoff) erreicht Bedingt durch Poren und andere Fehlstellen
werden. im Betongefüge treten jedoch Karbonatisie-
Da Tausalzeinwirkungen für die Dauer- rungsspitzen auf, die oft ein Vielfaches der
haftigkeit eine große Gefahr bedeuten, sind mittleren Karbonatisierungstiefe betragen
zusätzliche konstruktive Maßnahmen, d. h. können.
direkte Schutzvorkehrungen erforderlich, Durch die fortschreitende Karbonati­
um den Zutritt von Tausalzwasser an den sierung sinkt der ursprünglich hohe pH-
Konstruktionsbeton und vor allem an die Wert des Zementsteins bis schließlich bei
Spannstähle zu verhindern (einwandfreie pH‑Werten unter 9 im karbonatisierten
Abdichtung und Entwässerung sowie dau- Bereich die Korrosionsschutzwirkung des
erhaft wasserdichte Fahrbahnübergänge). Betons durch Depassivierung der Stahl­
Risse in der Fahrbahnplatte sind daher oberfläche verloren geht. Vollständig kar-
wegen möglicher Fehlstellen in der Fahr- bonatisierter Beton weist schließlich einen
bahnabdichtung und der dort vorliegenden im Vergleich zum pH-Wert des unkarbona-
größeren Chloridbeaufschlagung grund- tisierten Zementsteins von ca. 12,5 sehr
sätzlich kritischer zu bewerten als Risse in niedrigen pH‑Wert von 8,3 auf. Der Beton
11.2 Ursachen für Schäden an Betonbrücken 1015

selbst wird durch die Karbonatisierung abhängig. Da das Kohlendioxid nur durch
nicht geschädigt. Durch die Bildung des Poren diffundieren kann, die nicht wasser-
kristallinen Kalziumkarbonats werden die gefüllt sind, ist wassergesättigter Beton weit-
Dichtigkeit des Zementsteins sowie die gehend vor Karbonatisierung geschützt.
Druckfestigkeit des Betons sogar erhöht. Auch vollständig trockener Beton karbona-
Die Karbonatisierungsfront wandert als tisiert nicht, da für die Karbonatisierungs-
Folge des oben beschriebenen Prozesses reaktion Wasser benötigt wird. Luftfeuch-
langsam in das Betoninnere vor. Da der ten, die den Ablauf der Karbonatisierung
Diffusionswiderstand des Betons zum Be- verhindern (< 30% rel. Luftfeuchte) treten
toninneren zunimmt und gleichzeitig aus in Mitteleuropa allerdings kaum auf. Für
dem Inneren Kalziumhydroxid zur Karbo- die Karbonatisierung günstige Werte sind
natisierungsfront wandert, stellt sich ein relative Luftfeuchten zwischen 50 und 70%,
Grenzwert der Karbonatisierungstiefe in bei höheren Luftfeuchten verlangsamt sich
jenem Querschnitt ein, in dem sich zwi- der Karbonatisierungsfortschritt. Aus die-
schen eindiffundierendem Kohlendioxid sen Zusammenhängen wird verständlich,
und dem aus dem Inneren zugeführten dass regengeschützte Flächen (Brücken­
Kalziumhydroxid ein Gleichgewicht ein- untersichten) größere Karbonatisierungs­
stellt. tiefen aufweisen können als Flächen, die
Für die Karbonatisierung sind die Zu- dem Regen stärker ausgesetzt sind.
sammensetzung, die Verarbeitung sowie die
Nachbehandlung des Betons von entschei-
dender Bedeutung. Bei der Zusammen­ 11.2.3 Schäden am Bewehrungsstahl
setzung ist auf einen möglichst niedrigen
Wasserbindemittelwert zu achten, da die Viele Probleme an älteren Massivbrücken
Porosität des Zementsteins mit wachsen- stehen im Zusammenhang mit Schäden an
dem W/B-Wert stark zunimmt. Weiters ist der schlaffen Bewehrung sowie der Spann-
eine optimale Sieblinie der Zuschlagstoffe bewehrung. Diese werden in den meisten
anzustreben. Bei der Verarbeitung des Be- Fällen durch Korrosion hervorgerufen.
tons kommt der Herstellung eines geschlos- Darunter versteht man den zersetzenden
senen Gefüges durch vollständige Verdich- Abbau eines Werkstoffs, in diesem Fall eines
tung große Wichtigkeit zu, was wiederum Metalls, unter äußeren Einflüssen an der
eine geeignete Frischbetonkonsistenz vo­ Oberfläche beginnend. Metalle werden aus
raussetzt. Die Nachbehandlung soll die für natürlichen Metallverbindungen (Erzen),
den Korrosionsschutz der Stahleinlagen die thermodynamisch energiearm und da-
entscheidende Dichtigkeit des Betons an mit chemisch stabil sind, durch Energie­
den Bauteiloberflächen durch Gewährleis- zufuhr bei der Verhüttung gewonnen. Sie
tung des notwendigen Hydratationsgrads befinden sich in einem energiereichen, in-
garantieren. Eine ausreichende Nachbe- stabilen Zustand und haben das Bestreben,
handlung umfasst ein angemessenes Feuch- durch Bildung von Oxiden, Hydroxiden,
tigkeitsangebot bzw. den Schutz vor früh- Sulfaten oder Karbonaten wieder in einen
zeitiger Austrocknung durch Abdeckung energieärmeren Zustand zurückzukehren.
der frisch betonierten Bauteile. Deshalb neigt ungeschützter Stahl zur Kor-
Neben den Betoneigenschaften selbst rosion und bildet Eisenoxid und -hydroxid
haben die Umgebungsbedingungen einen (Rost). Bei der Beschreibung des Korro­
großen Einfluss auf die Karbonatisierung sionsmechanismus kann zwischen dem
des Betons. Die Karbonatisierung ist dabei Einleitungszeitraum und dem Schädigungs-
stark vom Feuchtigkeitsgehalt des Betons zeitraum unterschieden werden. Der Einlei-
1016 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

rosion tatsächlich möglich ist, d. h. nach


Vordringen der Karbonatisierung bis zur
Bewehrung bzw. nach Erreichen eines kri-
tischen Chloridgehalts im Beton.
Ein Korrosionsprozess setzt ein, sobald
die schützende alkalische Umgebung durch
den Zementmörtel nicht mehr vorhanden
ist und Feuchtigkeitszutritt möglich wird.
Korrosion ist ein elektrochemischer Pro-
zess der in zwei Teilreaktionen abläuft, die
an der Oberfläche unmittelbar nebeneinan-
der oder örtlich getrennt stattfinden kön-
nen. Dabei sind Vorgänge an der Anode
und der Kathode zu unterscheiden (Bild
Bild 11.2.3-1   Galvanisches Element 11.2.3-1).
Grundsätzlich sind zwei Korrosionsme-
chanismen möglich (Bild 11.2.3-2). Sind
tungszeitraum umfasst den Zeitabschnitt, die Korrosionsbereiche klein und liegen
in dem die Karbonatisierung bzw. ein kriti- sie dicht nebeneinander, spricht man von
scher Chloridgehalt noch nicht bis zur einer Lokal- oder Mikroelementkorrosion
Stahloberfläche vorgedrungen ist. Die Stahl­ (Eigenkorrosion, Korrosionsmechanis­
oberfläche bleibt während dieses Zeitraums mus I), der Fortschritt des Korrosionsme-
passiviert; es findet kein Korrosionsab­ chanismus ist dann in der Regel eher ge-
trag statt. Im Gegensatz dazu beginnt der ring. Im Rissbereich korrodiert die depas-
Schädigungszeitraum erst dann, wenn Kor- sivierte Oberfläche der Stahleinlage wie ein

Bild 11.2.3-2   Korrosionsmechanismen im Riss


11.2 Ursachen für Schäden an Betonbrücken 1017

ungeschützter Stahl, die anodischen und noch nicht zwangsläufig Korrosion zur Fol-
kathodischen Teilbereiche liegen im Be- ge, da Stahl nur korrodieren kann, wenn die
reich des Risses unmittelbar nebeneinander folgenden vier Bedingungen erfüllt sind:
und der benötigte Sauerstoff dringt über-
• Am Stahl muss genügend Wasser als
wiegend über den Riss ein.
Elektrolyt vorhanden sein. Bei einer re-
Behindert jedoch eine örtliche Durch-
lativen Luftfeuchte von 50 bis 60% ist
feuchtung den Sauerstoffzutritt oder haben
diese Bedingung erfüllt.
Chloride die Passivierung nur örtlich zer-
• Zwischen den metallisch verbundenen
stört, so kommt es zur sogenannten Makro­
Elektroden muss eine Potenzialdifferenz
elementkorrosion (Korrosionsmechanis-
existieren. An der Stahloberfläche ist
mus II). Bei diesem Vorgang wirkt die de-
diese stets vorhanden, z. B. durch Walz-
passivierende Schicht im Rissbereich an-
haut und Grundmaterial, zwischen ver-
odisch. Die daneben zwischen den Rissen
schiedenen Legierungsbestandteilen,
liegende Stahloberfläche wirkt kathodisch,
zwischen Gebieten unterschiedlicher
wobei der Sauerstoff im ungerissenen Be-
Verformungszustände, zufolge der In-
reich zur Kathode diffundiert.
homogenitäten im Beton und durch un-
terschiedliche Verdichtung.
• An der Anode muss eine ungehinderte
11.2.3.1 Voraussetzung für Korrosion
Eisenauflösung möglich sein. Dafür ist
von Stahl
die Karbonatisierung des Betons die
Voraussetzung.
Um eine Rostbildung zu ermöglichen, sind
• An die Kathode muss ausreichend Sau-
Feuchtigkeit und Sauerstoff notwendig, wo-
erstoff gelangen. Dies ist bei einer unzu-
bei mit steigender Temperatur der Korrosi-
reichenden Betondeckung oder bei zu
onsprozess beschleunigt wird. Im einbeto-
großen Rissen im Beton möglich.
nierten Zustand wird Stahl vom Beton wirk-
sam gegen Korrosion geschützt. Der Korro- Wird Korrosion durch Stoffe in der Umge-
sionsschutz beruht dabei auf der hohen Al- bung eines Werkstoffs ausgelöst, unter-
kalität des Porenwassers im Beton, das durch scheidet man zwischen folgenden Korrosi-
das beim Abbinden und Erhärten von Ze- onsmitteln [Nürnberger, 1995]:
ment entstandene gelöste Kalziumhydroxid
• Korrosionsmittel physikalischer Art: Wär-
Ca(OH)2 pH-Werte zwischen 12,5 und 13,5
me, Frost, Temperaturwechsel, Feuchte,
aufweist. Hier bildet sich auf der Stahlober-
Wasserdampf, Schlagregen, Kondenswas-
fläche eine stabile Passivschicht aus Eisenhy-
ser, Wind, Staub, UV-Strahlung
droxid aus, welche die anodische Eisenauflö-
• Korrosionsmittel chemischer Art: Säu-
sung und somit die Korrosion verhindert.
ren, Laugen, Salzlösungen, Lösemittel,
Der Passivfilm besteht zwar aus Korrosions-
Öle, Fette, organische Verbindungen,
produkten, jedoch sind die damit einherge-
Abgase, Rauchgase, Smog
henden Abtragungsraten unter bauprakti-
• Korrosionsmittel biologischer Art: Mi-
schen Gesichtspunkten ohne Bedeutung.
kroorganismen, Algen, Pilze, Makroor-
Der Korrosionsschutz kann durch mechani-
ganismen
sche Verletzung (Verlust der Betondeckung),
Karbonatisierung (Verlust der Alkalität der Bezogen auf die Korrosion der Bewehrung
Porenflüssigkeit) oder zu hohem Chloridan- in Stahl- und Spannbetonbrücken stellen
teil im Beton (Angriff korrosionsfördernder neben den Korrosionsmitteln physikali-
Substanzen) verloren gehen. Karbonatisie- scher Art jene chemischer Art in Form von
rung oder Chloride allein haben jedoch Tausalzen die größten Probleme für die
1018 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Dauerhaftigkeit von Brückenbauwerken 11.2.3.2.1 Flächenkorrosion


dar. Um die Stahleinlagen vor diesen Um-
welteinflüssen zu schützen, ist ein gut ver- Bei der Flächenkorrosion oder abtragenden
dichteter Beton, eine ausreichende Beton- Korrosion wird der Werkstoff von der
deckung der Bewehrung und eine Begren- Oberfläche aus nahezu gleichförmig abge-
zung der Rissbreiten von enormer Wichtig- tragen. Die wichtigste Voraussetzung für
keit. Vor allem einer ausreichenden Beton- die Einleitung von Korrosion ist durch die
deckung sowie der Rissbreitenbegrenzung Auflösung der alkalischen Passivschicht
wurde jedoch in den Anfängen des Spann- (Depassivierung) gegeben. Dies ist nach
betonbaus relativ wenig Bedeutung beige- Absenkung des pH-Wertes unter die soge-
messen. In vorgespannten Bauwerken ist nannte Passivierungsschwelle der Fall. Der
der Beton Druckkräften ausgesetzt, welche Angriff von Chloriden in bereits karbonati-
die aus ständigen und veränderlichen Ein- siertem Beton führt zu einem deutlich ver-
wirkungen sowie Zwängungen hervorgeru- stärkten Korrosionsangriff der Beweh-
fenen Zugspannungen weitestgehend über- rung.
drücken. In der Frühzeit der Spannbeton- Weiterhin muss eine ausreichende elek-
technologie war man daher der Ansicht, trische Leitfähigkeit des Betons gegeben
dass keine Risse im Beton auftreten. Die Er- sein. Diese wird durch das Vorhandensein
fahrung zeigte jedoch bald, dass es nur be- von ungebundenem Wasser in den Kapilla-
dingt möglich war, Risse im Beton gänzlich ren des Betons verursacht, wobei die Anwe-
zu verhindern [Leonhardt, 1979 und König senheit von Chloridionen die Leitfähigkeit
et al., 1986]. des Betons wesentlich erhöht. Sauerstoff ist
eine weitere wichtige Komponente, dieser
wird während des Korrosionsprozesses
11.2.3.2 Arten der Korrosion durch die Reaktion verbraucht. Der Beton
muss daher so trocken sein, dass ein Nach-
Durch den Vorgang der Korrosion tritt eine transport von Sauerstoff über Diffusions-
Querschnittsminderung der Bewehrung prozesse oder über Risse möglich ist.
ein, die entstehenden Korrosionsprodukte Der Korrosionsprozess ist daher eine
zeigen ein Farbspektrum von rot über grün Funktion der Parameter Leitfähigkeit (Was-
bis hin zu schwarz. Gibt es jedoch lokale ser in den Kapillaren) und Sauerstoffnach-
Störstellen in der Passivschicht, können tie- lieferung, wobei diese beiden Faktoren
fe Rostnarben entstehen, die wegen der stark voneinander abhängig sind. Der Ex-
Kerbwirkung zusätzlich negative Folgen tremfall des vollständig wassergesättigten
auf die Stähle haben können. Prinzipiell Betons zeigt die beste elektrische Leit­
kann zwischen Flächenkorrosion, Loch- fähigkeit, setzt aber der Sauerstoffdiffusion
fraßkorrosion, Reib­korrosion und Span- einen erheblichen Widerstand entgegen.
nungsrisskorrosion unterschieden werden. Der Extremfall des trockenen Betons zeigt
Letztere stellt einen Sonderfall dar, da die eine sehr schlechte elektrische Leitfähig-
Rissbildung und -ausbreitung im Stahl nur keit, die Sauerstoffdiffusion findet hier op-
von Wasserstoffkonzentration sowie auftre- timale Randbedingungen vor. Die Korrosi-
tender Zugspannung abhängt und auch onsgefahr erreicht damit ein Maximum,
ohne korrosionsbedingte Vorschädigung wenn bei mäßig durchfeuchtetem Beton
im alkalischen Milieu ablaufen kann. oder häufigem Nass-Trocken-Wechsel die
Spannungs­risskorrosion ist vor allem für kombinierte Wirkung von Sauerstoffange-
hochempfindliche vergütete Spannstähle bot und elektrischer Leitfähigkeit gegeben
problematisch. ist.
11.2 Ursachen für Schäden an Betonbrücken 1019

11.2.3.2.2 Lochfraßkorrosion nungen. Unter hohen Zugspannungen ge-


nügt bei empfindlichen Stählen bereits eine
Die Lochfraßkorrosion (i. A. Chloridkorro- sehr niedrige Wasserstoffaktivität, um den
sion) beruht grundsätzlich auf der Bildung Prozess der Spannungsrisskorrosion einzu-
von Mikro- und Makroelementen, jedoch leiten.
fördern Chloride den Korrosionsprozess, Die sogenannte Dekohäsionstheorie
ohne dabei verbraucht zu werden. Das Ein- sieht als Ursache der Spannungsrisskorro-
dringen von Chloriden in den Beton im sion die Diffusion von absorbiertem Was-
ungerissenen Zustand beruht auf der ka- serstoff in Bereiche hoher Spannungen
pillaren Saugwirkung des Zementsteins (Kerben, Spitzen von Rissen etc.). Die Dif-
einerseits und auf Diffusionsvorgängen fusion wird dadurch begünstigt, dass Was-
andererseits. Sind Risse vorhanden, wan- serstoff aufgrund seines geringen Atom-
dern Chloride bevorzugt zur Anode und durchmessers sehr beweglich ist. In den
bewirken an dieser Stelle eine Anreiche- betroffenen Bereichen werden die Kohäsi-
rung im Elektrolyt. onskräfte im Metallgitter so weit herabge-
Frost-Tauwechsel (Wechselbeanspru- setzt, dass Anrisse möglich werden, was ein
chung) führen zu einer verstärkten Chlo- weiteres Risswachstum begünstigt.
rideindringung, bei gleichmäßig und stark Im Gegensatz zur Lochfraßkorrosion
durchfeuchtetem Beton findet kaum Kor- tritt eine Versprödung im Inneren des
rosion statt, da der Zutritt von Sauerstoff Stahls auf und nicht an einer Grenzfläche,
unterbunden wird. Unstetigkeiten im Metallgitter (Korngren-
zen) ziehen den atomaren Wasserstoff an.
Das Risswachstum erfolgt stufenweise, wo-
11.2.3.2.3 Spannungsrisskorrosion bei immer eine ausreichende Menge an
Wasserstoff ins Innere nachgeliefert wer-
Als Spannungsrisskorrosion bezeichnet den und an der plastischen Verformungs-
man die Rissbildung und Rissausbreitung grenze eindiffundieren muss. Dadurch wird
in Spannstählen unter Einwirkung be- jener Versprödungsgrad erreicht, der zu
stimmter Medien sowie einer statischen einem weiteren Fortschreiten des Riss-
Zugbelastung und/oder Eigenspannungen wachstums führt. Dieser stufenweise Ab-
aus dem Produktionsprozess. Eine mecha- lauf der Versprödung ist der Grund für das
nische oder korrosionsbedingte Vorschädi- verzögerte Bruchverhalten von empfindli-
gung ist nicht erforderlich. In diesem Sinne chen Spannstählen.
können auch normgemäß eingebaute und Vergütete Spannstähle zeigen im Ver-
geprüfte Stähle allein aufgrund ihres Che- gleich zu anderen Spannstählen im Hin-
mismus gefährdet sein. blick auf die festigkeitsmindernde Span-
Die Spannungsrisskorrosion ist an die nungsrisskorrosion ein wesentlich höheres
Bildung von atomarem, absorptionsfähi- Gefährdungspotenzial. Vor allem die che-
gem Wasserstoff gebunden, der für die Ver- mische Zusammensetzung der Spanndräh-
sprödung des Spannstahls verantwortlich te des sogenannten „alten Typs“ (vor 1965)
ist. In einem alkalischen Medium entsteht gilt als kritisch. Ab 1965 konnten durch
Wasserstoff bei der Wasserzersetzung an die Zulegierung von Chrom und eine Ver-
der Kathode im Zuge einer anodischen änderung des Mn/Si-Verhältnisses sowie
Eisenauflösung. des Silizium- und Kohlenstoffgehalts die
Zu den wichtigsten Einflussgrößen der Eigenspannungen deutlich verringert und
wasserstoffinduzierten Rissbildung zählen somit das Risiko einer Spannungsrisskor-
Wasserstoffkonzentration und Zugspan- rosion reduziert werden.
1020 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

11.2.3.2.4 Reibkorrosion Auf der freien Strecke sind Reibdauer­


beanspruchungen und Reibkorrosionsvor-
Reibkorrosion tritt auf, wenn im gerissenen gänge hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die
Beton (Zustand II) zwei Stahlflächen über ertragbaren Schwingbreiten eines Spann-
längere Zeit unter Druck aneinander rei­ stahls zu beachten. Die Sonneneinstrahlung
ben (Reibdauerbeanspruchung). Spann- auf Tragwerke führt zu einer Änderung der
stahl und Betonstahl zeigen aufgrund vorhandenen Rissbreiten (Temperaturdeh-
ihrer unterschiedlichen Oberflächengestal- nung), die Verkehrslasten können zu einer
tung unterschiedliches Verbundverhalten, weiteren Verstärkung dieses Effekts führen.
wodurch auch die Lasteinleitungs- bzw. Infolge des bereichsweise gelösten Verbunds
Verankerungslängen von Spann- und Be- treten dabei an den Spannstahloberflächen
tonstählen variieren. In unmittelbarer Nähe Reibdauerbeanspruchungen und Reibkor-
von Rissen können daher Relativverschie- rosionsvorgänge auf, die einen Abfall der
bungen zwischen Spannglied und Hüllrohr Dauerschwingfestigkeit der Spannstähle zur
bzw. zwischen den einzelnen Drähten eines Folge haben.
Spanndrahtbündels auftreten. Da in Spannbetonbauwerken im Zu-
Rissbreitenschwankungen verbunden stand I die festigkeitsmindernde Reibdauer­
mit einem ständigen Öffnen und Schließen beanspruchung an der Spannstahloberflä-
der Risse als Folge dynamischer Belastun- che nicht vorhanden ist, kann von relativ
gen (Verkehrslasten) sind als besonders hohen Dauerschwingfestigkeitswerten des
kritisch anzusehen, da sie den Verbund frei schwingenden Spannstahls ausgegan-
zwischen Beton und Bewehrung sukzessive gen werden. Diese liegen für die meisten
schwächen. Diese Schwächung des Ver- der heute bauaufsichtlich zugelassenen
bunds führt zu Reibvorgängen auf der Spannstähle über 200 N/mm². Im geris­
Länge des verbundlosen Spannstahls. Dies senen Bereich treten einerseits größere
hat zur Folge, dass Metallpartikel aus der Schwingbreiten auf, denen andererseits
Spannstahloberfläche herausgelöst werden, kleinere ertragbare Schwingbreiten auf-
die sofort oxidieren. Die Oxidationspro- grund der größeren Reibwege gegenüber-
dukte sind härter als der Stahl, was zu einer stehen. Gekrümmt geführte Spannglieder
Erhöhung der Reibbeiwerte führt [Woll- zeigen eine geringere Dauerschwingfestig-
mann et al., 1988]. keit unter dieser Reibdauerbeanspruchung
Brücken unterliegen durch die Verkehrs- als freischwingende Spannstähle, wobei
belastung häufig wechselnden Beanspru- die Scheuerbewegungen der Spannglieder
chungen. Bei häufigen Belastungszyklen ist beim Öffnen und Schließen der Risse sowie
aber die Festigkeit der Werkstoffe geringer Umlenkpressungen zwischen Spannstählen
als bei einmaliger statischer Belastung. Im und Hüllrohren, aber auch innerhalb eines
ungerissenen Beton (Zustand I) haben die Bündels zu berücksichtigen sind.
Schwankungen der Biegemomente infolge Brüche von Spannstählen infolge Reib-
der Verkehrslasten nur geringe Schwing- dauerbeanspruchung und Reibkorrosion
breiten bei den Spannstahlspannungen zur führen in der Regel nicht zum plötzlichen
Folge. Reißt ein Querschnitt hingegen auf Versagen eines Bauteils, da sich die durch
(Zustand II), steigen die Schwingbreiten den Bruch freigesetzte Zugkraft auf die üb-
der Spannstahlspannungen wesentlich an. rigen Spannglieder des Querschnitts umla-
Bei der Beurteilung des Ermüdungsbruchri- gern kann. Die damit verbundenen Span-
sikos muss demnach zwischen der freien nungserhöhungen bewirken eine Zunahme
Spanngliedlänge und Spanngliedkopplun- der Rissbreiten bzw. führen bei Tragwerken
gen unterschieden werden. im Zustand I zur Ausbildung von erkenn-
11.2 Ursachen für Schäden an Betonbrücken 1021

baren Rissen. Ein Versagen ist somit nur darstellen. Da sie nicht so hohe Zug- und
mit Vorankündigung zu erwarten. Schubspannungen übertragen können,
Bei Rissbildung in Brücken werden so- sollten sie in Bereichen einer geringen Be-
wohl von dem Spannstahl als auch dem Be- anspruchung des Festbetons angeordnet
tonstahl gemeinsam die Zugkräfte im Riss sein [Schneider, 1995].
übertragen. Dies bedeutet, dass aufgrund Man unterscheidet zwischen Dehn-, Ar-
der besseren Verbundeigenschaften des Be- beits- und Koppelfugen. Dehnfugen haben
tonstahls eine stärkere Zugkraftabtragung die Aufgabe, die Längenänderung aus den
auftritt, als rechnerisch angesetzt wurde. Temperaturänderungen und dem Schwin-
Der Spannstahl hat damit noch Reserven, den des Betons aufzunehmen. Sie müssen
die bei der Planung und Wahl der Spann­ angeordnet werden, damit die aus den vor-
stähle nicht in Rechnung gestellt wurden. her beschriebenen Längenänderungen her-
rührenden Zwängungsspannungen keine
Schäden verursachen. Arbeitsfugen erge-
11.2.4 Schäden an den Fugen und Lagern ben sich durch die einzelnen Betonierab-
schnitte und Koppelfugen durch die Vor-
11.2.4.1 Fugen spannung und Kopplung der Spannglieder
an den Arbeitsfugen.
Eine Massivbrücke ist infolge der Einwir- Dehnfugen sind mit einem elastischen
kungen aus Temperatur und Lasten erheb- Dichtungsmaterial ausgestattet. Bei der
lichen Verformungen unterworfen. Damit Ausbildung wird zwischen plastischen Ver-
eine Brückenkonstruktion diese Bewegun- gussmassen auf bituminöser Basis und
gen ohne Schaden übersteht, sind von Haus dauer­elastischen Kunststoffvergussmassen
aus Dehnfugen vorgesehen. An diesen Stel- unterschieden. Fugen haben nicht die Auf-
len kann der Belag nicht durchgeführt wer- gabe der Kraftübertragung, sondern sie
den und es sind Fahrbahnübergänge anzu- müssen lediglich die aus den Belastungen
ordnen. Diese können ohne Probleme die und Temperaturänderungen zu erwar-
Längenänderungen der Konstruktion mit- tenden Verformungen schadfrei mitma-
machen. Neben dem großen Vorteil, dass chen. Um diese schadfrei zu überstehen, ist
sie die Dehnungen abbauen und somit kei- ein dauerelastisches Fugenmaterial erfor-
ne Zwängungsspannungen verursachen, derlich. Die Elastizität wird aus der Beigabe
haben sie auch den Nachteil, dass an diesen von Kunststoffen erzielt. UV-Bestrahlung
Stellen der Belag nicht durchgeführt wer- und chemische Einflüsse lassen diese altern
den kann und sich daher für die Konstruk- und verspröden. Gerade im Fugen­bereich
tion eine Schwachstelle bildet, an der die kann zusätzlich die Vielzahl der verlegten
Abdichtungsmaßnahmen schwierig sind. Bewehrung Fehler im Betoniervorgang ver-
An die beweglichen Übergänge zwischen ursachen (Kiesnester).
zwei starren Teilen einer Brückenkonstruk- Eine besondere Beanspruchung erfah-
tion werden die folgenden Anforderungen ren die Koppelfugen von älteren Spann­
gestellt. Einerseits müssen sie eine ausrei- betonbrücken. An diesen Stellen wird ein
chende Beweglichkeit zum Abbau der auf- neuer Teil gegen einen bereits erhärteten
tretenden Dehnungen aufweisen und an­ und vorgespannten Abschnitt betoniert
dererseits einen Schutz vor aggressiven (siehe auch Abschnitte 5.2.1 (hier Bilder
Stoffen durch eine ausreichende Dichtwir- 5.2.1-24 bis -32), 8.5.3.3 und 11.2.2.2).Die
kung sicherstellen. meist sehr geringe schlaffe Bewehrung bei
Fugen sind zahlenmäßig zu beschrän- alten Brückenbauwerken kann zu relativ
ken, weil sie Schwachstellen des Tragwerks breiten Rissen im Bereich dieser Anschluss-
1022 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

fuge führen. Durch diese Risse kann tau- eine Dichtschicht von der Tragkonstrukti-
salzhaltiges Wasser an die Spannstähle vor- on getrennt ist. Innerhalb der einzelnen
dringen und Korrosionsschäden verursa- Schichten können sich verschiedene Scha-
chen. Zusätzlich sind Risse im Bereich der densschwerpunkte ausbilden.
Koppelfugen auch im Hinblick auf die Dau-
erschwingfestigkeit und die Ermüdung der
Spannstähle problematisch [Zilch et al., 11.2.5.1 Dichtschicht
2004].
Bei undichten Dehnfugen fließt das Was- Um die Konstruktion vor dem Eindringen
ser über die Stirnfläche des Tragwerks ab, wo von Wasser zu schützen, ist eine Dichtschicht
sich die Anker der Spannbewehrung befin- vorzusehen. In Verwendung sind vollflächig
den. Die zugehörigen Spannnischen sollten verklebte Dichtungs- und Dampf­ent­span­
in der Regel mit Mörtel verfüllt sein. Doch nungsschichten. Letztere haben den Vorteil,
lösen sie sich manchmal durch das Schwin- dass eine Blasenbildung weitgehend verhin-
den vom Tragwerksbeton ab, wodurch an dert werden kann.
diesen Stellen das Wasser einen freien Zu- Die Abdichtung stellt einen Schutz ge-
tritt zu den Spannkanälen finden kann. gen chemische und physikalische Angriffe
dar. Ein zusätzlicher Schutz wird durch das
Bestreichen der gefährdeten Betonflächen
11.2.4.2 Lager mit einem Epoxidharz erzielt. In diesem
Zusammenhang werden an die Abdichtung
Auflager müssen die Kräfte in den Unter- folgende Anforderungen gestellt [Kollegger
grund ableiten und die Verformungen des et al., 2000]:
Tragwerks mitmachen. Um bei den Erhal-
• Wasserundurchlässigkeit
tungsmaßnahmen möglichst wenige Be-
• Beständigkeit gegen Tausalz, Öle, Fette
hinderungen des Verkehrs zu verursachen,
und Säuren
sollten Lager möglichst rasch und leicht
• Alterungsbeständigkeit gegenüber ther-
ausgewechselt werden können. Auflager-
mischen Einwirkungen und Ozon
konstruktionen werden auch massiv durch
• Widerstandsfähigkeit gegen mechani-
Tausalz beansprucht. Dabei sind metalli-
sche Einwirkungen
sche Teile besonders vor einem Korrosions-
• Geringer Erhaltungsaufwand
angriff zu schützen. Bei alten Brückenbau-
• Gute Haftung auf dem Untergrund
werken wird man hauptsächlich Rollenla-
• Einfachheit beim Einbau
ger aus Stahl vorfinden.
• Befahrbarkeit durch Fahrzeuge beim
Einbau des Belags
11.2.5 Schäden am Oberbau Kommt es innerhalb der Dichtschicht zu
einer Rissbildung, so besteht die Gefahr,
Der Oberbau einer Brückenkonstruktion dass schädliche Stoffe eindringen.
hat die Aufgabe, die Verkehrslasten zu ver- In den Jahren 1975 bis 1985 wurden in
teilen und die Beanspruchung des Trag- der Regel zwei bituminöse Abdichtungs-
werks durch den Verkehr zu mindern. Der bahnen mit Glasvlieseinlagen mittels eines
Oberbau ist in der Regel aus einzelnen bituminösen Klebers auf das Tragwerk auf-
Schichten aufgebaut. Die oberste Schicht gebracht. Da diese Bitumen nur einen be-
bildet die Deckschicht. Darunter ist eine grenzten Temperaturbereich der einwand-
Ausgleichsschicht angeordnet, die durch freien Gebrauchstauglichkeit (0 °C bis 90 °C)
11.2 Ursachen für Schäden an Betonbrücken 1023

haben, traten immer wieder Probleme auf. mungen kann jedoch bereits innerhalb der
Bei tiefen Temperaturen wirken die Bitu- Gewährleistungsfrist aufgrund starker Spur-
menbahnen nicht mehr rissüberbrückend rinnenbildung zu Schäden führen.
und bei hohen Temperaturen nimmt deren Eine weitere Ausführungsmöglichkeit
Schubfestigkeit stark ab. Mit zunehmendem liegt in der Anwendung von Gussasphalt.
Alter beginnen die bituminösen Bahnen zu- Hierbei handelt es sich um ein völlig ande-
dem zu verspröden und sich als Folge der res Verfahren als beim herkömmlichen
schlechten Haftung abzulösen. Walzasphalt. Durch den hohen Bitumen-
Nach 1985 fanden polymere Abdich- und Füllergehalt muss der Gussasphalt
tungsbahnen ihre Anwendung, die eine nicht verdichtet werden und ist trotzdem
höhere Dehnfähigkeit besitzen. Ihre Ge- hohlraumfrei. Sein Vorteil liegt in der Was-
brauchsspanne erstreckt sich von –20 °C serdichtigkeit, dem Dampfdiffusionswider-
bis +120 °C. Somit sind diese Polymere in stand und einem hohen Widerstand gegen
einem ausreichenden Temperaturbereich Abrieb. Dringt an Fehlstellen Wasser ein, so
rissüberbrückend und gebrauchstauglich. wird es zwischen Dicht- und Deckschicht
Eine Versprödung bedingt durch die Alte- zurückgehalten.
rung der Polymere wird kaum festgestellt. Eine Neigung der Fahrbahnplatte soll
Die Haftung der Abdichtungsbahnen kann ein Abrinnen des Wassers ermöglichen, um
durch die Verwendung von Epoxidharz ein schadhaftes Eindringen in die Brücken-
zusätzlich entscheidend verbessert werden. konstruktion zu verhindern. Unter Beach-
tung der Längs- und Querneigung des
Tragwerks, sollte das Gefälle der Abdich-
11.2.5.2 Deckschicht tung 2,5% nicht unterschreiten, um ein
ausreichendes Abrinnen des Wassers zu ge-
Bei der Ausbildung der Deckschicht kann währleisten.
zwischen der bituminösen Bauweise und In der Vergangenheit wurde in hohl-
der Betonbauweise unterschieden werden. raumreiche Asphaltschichten Zement-
Wegen ihrer unmittelbaren Beanspruchung schlämme einvibriert. Bei diesem Verfah-
durch den Verkehr ist die Deckschicht scha- ren traten bereits innerhalb der Gewähr-
densanfälliger als das Tragwerk. In diesem leistungsfrist Schäden auf.
Zusammenhang kann es zu einer Schädi- Häufig sind mangelhafte Anschlüsse der
gung der Abdichtung und in der weiteren Abdichtung an Einbauteilen, wie Tagwasser­
Folge der Tragkonstruktion kommen. einläufe, Unterflurentwässerungen und
Die bituminöse Bauweise wird in ver- Dehnfugen, Ursachen für das Eindringen
schiedenen Varianten ausgeführt. Eine Mög- von Wasser. Eine Durchörterung der Ab-
lichkeit besteht darin, den Belag aus Asphalt- dichtung mit Bewehrungsstäben ist heute
beton herzustellen. Schwierigkeiten beim unzulässig, wird aber bei der Inspektion
Einbau ergeben sich dadurch, dass die Ver- von älteren Bauwerken immer wieder fest-
dichtung auf Objekten komplizierter ist als gestellt. Auch das wannenartige Hochzie-
im angrenzenden Erdbaubereich. Nach kur- hen der Abdichtung an Längs- und Quer-
zer Zeit werden bereits Wasseraustrittsstel- rändern ist zu vermeiden.
len und Risse beobachtet. Um diesem Man-
gel entgegenzuwirken, kann der Mörtelanteil
bzw. der Bindemittelgehalt im Mischgut
erhöht werden. Die daraus resultierende
Reduktion des Widerstands gegen Verfor-
1024 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

11.3 Schäden an Stahl- und Schadensursachen an der Stahlkonstruk­


Verbundbrücken1 tion sind i. d. R.
4.1 Korrosion,
Francesco Aigner 4.2 Materialermüdung,
4.3 wiederholte Plastizierungen unter
Durch Umwelteinflüsse, planmäßige Nut- Gebrauchslasten,
zung oder außergewöhnliche Einwirkungen 4.4 Spannungsspitzen infolge örtlicher
kann es an Brückenkonstruktionen zu Ver- räumlicher Spannungszustände,
änderungen kommen. Entsprechen solche 4.5 Gewalteinwirkungen (außergewöhn-
Veränderungen einer Verschlechterung der liche Einwirkungen).
ursprünglich gegebenen Bauwerkseigen-
schaften, liegen Schäden vor, die eine Repa- Folgende Schadensbilder in den Stahlteilen
ratur erforderlich machen können. sind charakteristisch:
5.1 Risse,
Eine oder mehrere der folgenden Eigen- 5.2 Brüche,
schaften können betroffen sein: 5.3 flächige Korrosionsschäden,
1.1 Erscheinungsbild, 5.4 Korrosion längs klaffender Risse,
1.2 Gebrauchstauglichkeit, 5.5 örtliche Instabilitätserscheinungen
1.3 Tragfähigkeit, (Beulen).
1.4 Dauerhaftigkeit.
In diesem Abschnitt werden einige der
Die Schäden können betreffen: oben angeführten Punkte erläutert, typische
2.1 die Stahlkonstruktion selbst, Schadensursachen diskutiert und Scha-
2.2 bei Verbundtragwerken (außer der densbilder gezeigt. Die Darstellung be-
Stahlkonstruktion und der Beton­ schränkt sich auf die unter 3. und 4. ange-
platte) auch die Verbund­fuge, führten Schadensursachen. Einstürze wäh-
2.3 die Lagerkonstruktion einschließlich rend oder nach der Errichtung werden hier
der Lagerplatte, nicht behandelt, diesbezüglich wird auf
2.4 die Bereiche der Fahrbahnübergänge. [Scheer, 2000] verwiesen. Als Sonderfall
wird jedoch die Praterbrücke in Wien be-
Schäden an Stahlbrücken hinsichtlich der handelt, bei deren Errichtung es zu einem
Planung und Ausführung sind i. d. R. auf Teileinsturz kam, der bleibende Schäden
eine oder mehrere der folgenden Ursachen am Tragwerk hinterlassen hat, und welche
zurückzuführen: dennoch – nach eingehender Reparatur –
3.1 Fehler in der statischen Berechnung ohne Sicherheitsrisiko in Betrieb genom-
oder in der konstruktiven Durch­ men werden konnte, nach ca. 30 Jahren um
bildung, Nichtübereinstimmung der rund 4 m angehoben und gleichzeitig ver-
Konstruktion mit der statischen Be- breitert und verstärkt wurde und die sich
rechnung, seit Jahrzehnten bestens bewährt hat.
3.2 Fehler oder übergroße Ungenauig- Nicht behandelt wird der routinemäßige
keiten bei der Ausführung. Ersatz von Bauwerksteilen, deren Lebens-
dauer a priori geringer ist als jene des
Gesamt­bauwerks, z. B. Lager, Fahrbahn­
1 Für die Überlassung von Bildmaterial und für übergänge, Korrosionsschutz. Mit der Pro-
den Kommentar zu Bild 11.6-7 dankt der Ver- blematik der Schäden verbunden ist deren
fasser dieses Kapitels Herrn Dipl.-Ing. Helmut laufende Kontrolle bzw. deren Behebung.
Brunner (ÖBB Infrastruktur Betrieb AG) sehr Zwar ist die Sanierung von Stahltragwerken
herzlich.
11.3 Schäden an Stahl- und Verbundbrücken 1025

in der Regel einfach im Vergleich zur Sanie- zung auf das geplante Niveau nicht mög­
rung von Betontragwerken, da durch Stahl lich, kommt nur eine Sanierung durch Ver­
Zug-, Druck- und Schubspannungen glei- stärkungsmaßnahmen oder durch System­
chermaßen aufgenommen werden können änderung infrage.
und mittels SLP- oder GV-Verschraubung Nicht erfüllt ist das Kriterium ausrei-
(oder ausnahmsweise GVP-Verschrau- chender Gebrauchstauglichkeit nach
bung) eine einfache Fügetechnik zur Verfü- [EN 1993‑2] unter anderem, wenn durch
gung steht. Vorsicht ist bei Anwendung der Querschnittsschädigungen (Risse, Material­
Schweißtechnik geboten, wobei ältere abtrag) oder Schäden in den Verbindungs-
Stahlsorten bis etwa 1930 i. d. R. als nicht mitteln unter vorübergehenden Einwir-
schweißbar gelten müssen. In besonderen kungen auf Gebrauchslastniveau die Fließ-
Fällen können auch bei alten Tragwerken grenze des Stahls überschritten wird. Dabei
schweißgeeignete Konstruktionen vor­ sind die Spannungen nach dem Berech-
liegen. Das im Brückenbau äußerst selten nungsverfahren E‑E (elastische Ermittlung
verwendete Schweißeisen ist unter Baustel- der Schnittgrößen, elastische Spannungs-
lenbedingungen nicht schweißbar, das üb- verteilung in den Querschnitten, wirklich-
licherweise verwendete Flusseisen kann keitsnahe Modelle in Sonderbereichen,
hingegen schweißbar sein (Vorwärmen, z. B. Rahmenecken) zu ermitteln. In den
Beschränkung der Schweißarbeiten auf Regelbereichen der Stäbe kann die Span-
ebene Bereiche, d. h. Bleche, Schenkel von nungsbegrenzung unter Gebrauchslasten
Winkelprofilen sowie Flansche und Stege gegenüber dem Tragfähigkeitsnachweis
von I-Trägern, jeweils in ausreichendem (Querschnittsnachweis unter ca. 40% grö-
Abstand von den Ausrundungen). ßeren Schnittgrößen = Bemessungslasten)
Für die Nachrechnung bestehender Brü- maßgebend werden, da infolge einseitiger
cken gibt es Richtlinien [Rili 805, 2002 und Risse unverhältnismäßig hohe Randspan-
ONR 24008, 2006], die von den für die Pla- nungen auftreten können. Beispielsweise
nung oder den Umbau neuer Brücken entstehen infolge einer Normalkraft in
maßgebenden Normen abweichen. einem Blech mit einem einseitigen Riss von
10% (20%/30%) der Blechbreite 148%
Ad 1.1 Beeinträchtigung des Erscheinungs­ (219%/327%) der Normalspannungen
bilds eines nicht geschädigten Blechs (Nenn-
Soweit die Schäden keinen Einfluss auf die spannungen, d. h. ohne Kerbwirkung).
Gebrauchstauglichkeit haben bzw. die Ebenso kann in Sonderbereichen, z. B.
Tragfähigkeit (oder Gebrauchstauglich­ Kraftumleitungsbereichen, aufgrund ver-
keit) nicht beeinträchtigen, ist eine soforti­ schiedenartiger Modellbildung beim Trag-
ge Sanierung nicht notwendig. Es ist jedoch fähigkeits- und Gebrauchstauglichkeits-
zu prüfen, ob sich nicht im Sinne der Dau­ nachweis die Spannungsbegrenzung unter
erhaftigkeit eine Sanierung lohnt. Gebrauchslasten maßgebend sein.
Ungenügendes Schwingungsverhalten
Ad 1.2 Beeinträchtigung der Gebrauchs­ unter Nutzlasten ist auf eine ungünstige
tauglichkeit dynamische Abstimmung zurückzuführen,
Ungenügendes Bauwerksverhalten hin­ meist auf eine zu geringe Bauwerkssteifig-
sichtlich der Verformungen ist auf eine für keit. Hier können Nutzungsbeschrän-
die auftretenden Einwirkungen zu geringe kungen (z. B. Geschwindigkeitsbegrenzung)
Steifigkeit des Bauwerks zurückzuführen, zielführend sein, alternativ dazu kommen
z. B. aufgrund einer unvorhergesehenen Verstärkungen oder der Einbau von schwin-
Nutzung. Ist eine Rückführung der Nut­ gungsdämpfenden Elementen infrage.
1026 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Ein Sonderproblem stellen windinduzierte schleißelementen wie Fahrbahnübergängen


bzw. Wind-Regen-induzierte Schwingun­ und Lagern abgesehen – entsprechend ge­
gen von Hängern bzw. Seilen dar (Abschnitt wartet wird. Dazu gehört auch das Reparie­
8.7.2.4). Infolge großer Lastspielzahlen er­ ren von schadhaften Stellen einschließlich
gibt sich hier eine ausgeprägte Ermüdungs­ des Korrosionsschutzes. Verschlechtern
problematik, besonders an den Anschluss­ sich die Umgebungs- oder Nutzungsbedin­
stellen. gungen (beispielsweise die ermüdungs­
wirksamen Einwirkungen), muss die ange­
Ad 1.3 Beeinträchtigung der Tragfähigkeit strebte Dauerhaftigkeit i. d. R. durch einen
Ungenügende Tragfähigkeit in einem Ein­ erhöhten Wartungs- und Reparaturaufwand
zelquerschnitt ist gegeben, wenn durch ausgeglichen werden.
Querschnittsschädigungen (Risse, Material­
abtrag) oder Schäden in den Verbindungs­ Ad 2.1 Schäden an der Stahlkonstruktion
mitteln unter vorübergehenden Einwirkun­ selbst
gen auf Bemessungslastniveau der durch Ausgehend von geometrischen oder struk­
Interaktionsbeziehungen definierte Quer­ turellen Kerben, z. B. an Niet- oder Schrau­
schnittswiderstand überschritten wird. benlöchern, an Schweißnähten oder an
Liegt ein plastischer oder kompakter Quer­ Stellen mit großen Steifigkeitssprüngen,
schnitt vor (Querschnittsklasse 1 bzw. 2 können im Laufe der Nutzung Risse entste­
nach [EN 1993‑1‑1]) und ist nach hen, die je nach den sich einstellenden
[EN 1993‑1‑5] keine Gefahr des Schubbeu­ Spannungszuständen auf verschiedene Art
lens gegeben, dürfen die Querschnittswi­ wachsen können und die i. d. R. der Anlass
derstände unter Berücksichtigung plasti­ für verstärkte Schädigung durch Korrosion
scher Spannungsumlagerungen und der aus sind.
Gleichgewichtsbedingungen ableitbaren Die Bilder 11.3-1 bis 11.3-2 zeigen ein
nichtlinearen Interaktionsbeziehungen er­ Rissszenario an einem Winkelschenkel und
mittelt werden (Berechnungsverfahren dem zugehörigen Bindeblech. Der Winkel-
E‑P). Schäden in Form von einseitigen schenkel ist durchgerissen, das Bindeblech
Rissen liefern bei plastischer Berechnung entsprechend der Ausführung zu ca. 40%.
wesentlich kleinere Normalspannungen als Im geschädigten Querschnitt wird die Kraft
bei elastischer Spannungsermittlung. Bei­ nur durch den ungerissenen Winkelschen-
spielsweise entstehen unter der Annahme kel sowie durch den zweiten, ungeschä-
voller Plastizierung (und ohne Kerbwir­ digten Winkel übertragen. An der Riss­
kung) infolge einer Normalkraft in einem spitze entstehen hohe Kerbspannungen, die
Blech mit einem einseitigen Riss mit bei dynamischer Belastung zwangsläufig zu
10% (20%/30%) der Blechbreite 124% weiterer Zerstörung führen. Bild 11.3-3
(160%/217%) der Normalspannungen ei­ zeigt einen zum Zeitpunkt der Fotoaufnah-
nes ungeschädigten Blechs. me kurzen, von einem Nietloch ausge-
henden Riss im Bereich eines Querträger­
Ad 1.5 Beeinträchtigung der Dauer­ anschlusses, Bild 11.3-4 einen ähnlichen,
haftigkeit jedoch viel längeren Riss. Bild 11.3-5 zeigt
Üblicherweise wird eine Brücke für eine schließlich einen weit klaffenden, langen
Lebensdauer von 100–120 Jahren errichtet. Riss im Anschlussbereich eines Schlepp­
Dabei ist vorausgesetzt, dass während die­ trägers. Dieser Bereich war schon einmal
ses Zeitraums die angenommenen Umge­ saniert worden (gleichzeitige Verwendung
bungs- und Nutzungsbedingungen gegeben von Nieten und Schrauben!). Eine Quer-
sind und die Brücke – vom Ersatz von Ver­ kraftübertragung ist nicht mehr möglich.
11.3 Schäden an Stahl- und Verbundbrücken 1027

Bild 11.3-1   Riss im Schenkel eines Winkels bei einem aus Winkeln und Bindeblechen bestehenden
(„mehrteiligen“) Stab

Bild 11.3-2   Riss im Bindeblech des mehrteiligen Stabes nach Bild 11.3-1

Ad 2.2 Verbundfuge von Verbundtrag­ nungen, ist infolge Volumsvergrößerung


werken beim Verrosten mit fortschreitender Öff-
Örtliches Ausbeulen oder verstärkter Kor- nung der Fuge zu rechnen.
rosionsangriff in der Fuge lässt sich durch
eine korrekte konstruktive Ausbildung Ad 2.3 Lagerkonstruktion einschließlich der
nach [EN 1994‑2] und eine Ausführung Lagerplatte
nach [EN 1090‑2] vermeiden. Kommt es in Bild 11.3-6 zeigt das Schadensbild eines bei
der Verbundfuge zu Korrosionserschei- einer routinemäßigen Kontrolle festgestell-
1028 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Bild 11.3-3   Von einem Nietloch ausgehender Bild 11.3-4   Von einem Nietloch ausgehender
kurzer Riss im Querträger-Anschlussbereich langer Riss im Querträger-Anschlussbereich

ten, auf eine ungenügende Unterstopfung


zurückzuführenden Bruchs der unteren
Lagerplatte bei einem Linienkipplager einer
(Eisenbahn-)Brücke im Bereich der ÖBB.
Für den kurzen Zeitraum bis zur Sanierung
wurde eine Langsamfahrstelle angeordnet.
Das Ergebnis der in einer achtstündigen
Sperre erfolgten Sanierung mit einer neuen
Lagerplatte auf einer hochfesten Verguss-
masse zeigt Bild 11.3-7.

Ad 3.1 Fehler in der statischen Berechnung


oder in der konstruktiven Durchbildung,
Nichtübereinstimmung der Konstruktion
mit der statischen Berechnung
Fehler in der statischen Berechnung kön-
nen sich auf die Modellbildung innerhalb
des Tragwerks oder auf die Modellierung
der Randbedingungen beziehen. Dazu
Bild 11.3-5   Weit klaffender, langer Riss im zählt insbesondere die Unterschätzung un-
Anschlussbereich eines Schleppträgers planmäßiger oder die Überschätzung plan-
mäßiger Einspannwirkungen oder eine
vom wirklichkeitsnahen Tragverhalten all-
zu weit abweichende Modellierung von
11.3 Schäden an Stahl- und Verbundbrücken 1029

Bild 11.3-6   Gebrochene Lagerplatte

Bild 11.3-7   Sanierter Auflagerbereich

Sonderbereichen, z. B. Kraftumleitungs­ werden (Berechnungsverfahren E‑E bzw.


bereichen. Nach dem Statischen Satz der E‑P). Nur so lassen sich unter Gebrauchs-
Traglasttheorie lässt sich – unter be- lasten ungewollte Spannungskonzentrati-
stimmten Bedingungen hinsichtlich der onen bzw. Dehnungen vermeiden.
Querschnittsausbildung – die Tragfähigkeit Bei einer Nachrechnung nach [Rili 805,
zwar allein durch Gleichgewichtsbedin- 2002] oder [ONR 24008, 2006] dürfen fach-
gungen nachweisen, im Brückenbau müs- werkartige Rahmenkonstruktionen – ent­
sen jedoch (mit Ausnahme außergewöhn- sprechend dem Zeitpunkt ihrer Errichtung
licher Lastkombinationen) die Schnitt­ – als Gelenkfachwerke berechnet werden,
größen an elastischen Modellen ermittelt wenn die Ausbildung der Stabquerschnitte
1030 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

den maßgeblichen historischen Normen Stellen des Bodenblechs, wobei das Aus-
entspricht und damit bei genieteten Kon- beulen nach „außen“ erfolgte, sodass durch
struktionen die aus der Verformung der den Beulvorgang der Hebelarm zwischen
Knotenfigur resultierenden Nebenspan- dem Ober- und Untergurt vergrößert wur-
nungen ausreichend klein bleiben. de und sich das Tragwerk so stabilisieren
Bei einwandfreiem Zustand genügen konnte. Da die Kontinuität des im Freivor-
alte Brücken i. d. R. hinsichtlich der verti- bau hergestellten Balkens bereits voll wirk-
kalen Einwirkungen zwar den heutigen An- sam war, konnten sich bei dem Einsturz
forderungen, die bei der Planung ange- zwei am fertigen Bauwerk deutlich sicht-
nommenen horizontalen Einwirkungen bare Fließgelenke ausbilden. Damit hatte
(Bremsen und Anfahren, Schlingerkräfte, sich ein neuer unplanmäßiger Gleichge-
Fliehkräfte, Wind) sind jedoch mit den wichtszustand eingestellt. Die ausgebeulten
heute geforderten Lastansätzen oft nicht Stellen wurden bestmöglich repariert, es
vergleichbar. Alte Brücken weisen oft Schä- blieb aber ein Tragwerk mit einem Verfor-
den auf, die auf Exzentrizitäten der Brems- mungszustand, dem nicht eindeutig ein
oder Windverbände zurückzuführen sind, Schnittgrößenzustand zugeordnet werden
z. B. wenn die Füllstäbe in einer anderen kann, sodass letzterer – innerhalb gewisser
Ebene liegen als die Gurte. Schon bei ver- Grenzen – unbekannt ist, was zweifellos als
hältnismäßig geringen Lastspielzahlen ent- Schaden zu bewerten ist. Um Schäden in-
stehen infolge verformungsinduzierter Bie- folge Beulens zu vermeiden, ist bei der
gemomente mit Randdehnungen über der dünnwandigen Konstruktion aus ausge-
Fließdehnung Risse, die durch Korrosions- steiften Blechen eine verlässliche Kenntnis
angriff noch wesentlich verstärkt werden. der sich einstellenden Spannungszustände
Einen Sonderfall stellt die Praterbrücke notwendig. Die nur sehr grobe Kenntnis
in Wien dar, (Bild 11.3-8, [Scheer, 2000]). der Schnittgrößen wurde vor allem zum
Dabei handelt es sich um eine dreifeldrige Problem, als die Brücke ca. 30 Jahre nach
Strombrücke mit Vouten an den beiden der Fertigstellung angehoben, verbreitert
Strompfeilern. Knapp vor der Fertigstel- und verstärkt wurde. Statt einer eindeu-
lung im Jahre 1969 kam es durch das Zu- tigen Berechnung mussten für die Schnitt-
sammenwirken mehrerer sicherheitsmin- größen stets zwei Grenzfälle betrachtet
dernder Gegebenheiten zu einem Teilein- werden, zwischen denen die tatsächlichen
sturz des Tragwerks infolge Beulens an zwei Schnittgrößen lagen. Der Umbau gelang

Bild 11.3-8   Beulerscheinung am Bodenblech der Praterbrücke. In diesem Bereich bildete sich ein
Fließgelenk aus
11.3 Schäden an Stahl- und Verbundbrücken 1031

ohne Komplikationen, die umgebaute Brü- Besonders ausgesetzt sind alte, genietete
cke ist seit über zehn Jahren in Betrieb. (oder geschraubte) Tragwerke, die aus auf-
gelösten Querschnitten bestehen, die aus
Ad 3.2 Fehler oder übergroße Ungenauig- dünnen Einzelblechen und Winkeln zu-
keiten bei der Ausführung sammengesetzt sind. Oft sind bei solchen
Die Ausführung von Stahltragwerken ist in Brücken die Knotenbereiche so ausgebil-
[EN 1090‑1 und 1090‑2] geregelt. Die Zu- det, dass Wasser und Schmutz liegenblei-
verlässigkeits-, Gebrauchstauglichkeits- ben können und daher einem erhöhten
und Dauerhaftigkeitskriterien der Grund- Korrosionsangriff ausgesetzt sind. Bei neu-
norm [EN 1990] sind eingehalten, wenn die eren, viel weniger gegliederten Konstruk­
oben genannten Normen eingehalten wer- tionen mit dickeren Blechen und ge-
den sowie wenn die Lastansätze der schweißten Anschlüssen liegen wesentlich
[EN 1991] und die Anwendung der Materi- günstigere Verhältnisse vor.
alkennwerte und Einhaltung der Berech-
nungsvorschriften der materialspezifischen Ad 4.2 Materialermüdung
Normen [EN 1992 bis EN 1994] und der Mit Ausnahme der Fußgängerbrücken stel-
Erdbebennorm [EN 1998] zugrunde gelegt len alle Brücken vorwiegend nicht ruhend
werden. Größere Abweichungen hinsicht- beanspruchte Bauwerke dar, die in ihrer
lich Toleranzen, Anforderungen an Niet-, Gesamtheit und auch örtlich infolge der
Schraub- oder Schweißverbindungen, Verkehrslasten ermüdungswirksamen
Schiefstellungen oder ungewollte Bauteil- Spannungsdifferenzen ausgesetzt sind. Die
krümmungen als in der [EN 1090] für den Kerbfälle gängiger Konstruktionsdetails
Brückenbau als zulässig angegeben, kön- sind in [EN 1993‑1‑9] angegeben. Für an-
nen die Qualität des Bauwerks mindern dere, in der Norm nicht explizit angegebene
und sogar zu Schäden führen. Konstruktionsdetails sind allgemeine Be-
rechnungsanweisungen angegeben. Mit
Ad 4.1 Korrosion Rücksicht auf die Wirtschaftlichkeit sollten
Zur Thematik der Korrosionserschei- für Stellen mit großen ermüdungswirk-
nungen aus chemischer Sicht wird auf samen Spannungsdifferenzen günstigere
[Klopfer, 1996] verwiesen. Der Korrosions- Kerbdetails gewählt werden, für Stellen mit
schutz einer Brücke ist abhängig von der geringen ermüdungswirksamen Span-
Nutzung und den Standortbedingungen. nungsdifferenzen kommen auch Ausbil-
Grundsätzlich sind Eisenbahn- und Fuß- dungen mit geringerer Ermüdungsfestig-
gängerbrücken einem geringeren Korrosi- keit infrage. Entscheidend für das Erreichen
onsangriff ausgesetzt als Straßenbrücken der in den Kerbfalltabellen der Normen an-
(Streusalz!). Kombinierte Brücken für Ei- gegebenen Ermüdungsfestigkeiten ist eine
senbahn- und Straßenverkehr oder Eisen- streng normengerechte Ausführung. Von
bahnbrücken in unmittelbarer Nähe von besonderer Bedeutung ist, dass sich ein
Straßenbrücken sind jedoch vor allem in durch Korrosion angegriffenes Bauteil mit
den Bereichen, die sich in unmittelbarer geringen Kerben hinsichtlich der Ermü-
Nähe einer Straßenbrücke befinden, eben- dungsfestigkeit grundsätzlich wesentlich
falls dem gleichen hohen Korrosionsangriff ungünstiger verhält als eine Konstruktion
ausgesetzt, vor allem, wenn sie in Bereichen in einwandfreiem Zustand [Haibach, 2002,
hoher Luftfeuchtigkeit liegen und dem An- Radaj/Vormwald, 2007]. Schon deshalb
griff aggressiver Salznebel ausgesetzt sind sind Korrosionsschäden sorgfältig zu beo-
(Strombrücken). bachten. In Versuchen an Bauteilen mit
1032 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Nietlöchern als geometrische Kerben hat kehrssituation die Restlebenszeit abge-


sich allerdings erst bei sehr ausgeprägter schätzt werden. Unter Umständen kann
Korrosionsschädigung ein Abfallen der Er- durch Reduzierung der Fahrzeuggewichte,
müdungsfestigkeit gezeigt [Brühweiler/ der Jahrestonnage oder der Geschwindig-
Hirt, 1987, Brühweiler et al., 1989]. Bedeut- keit oder durch ein Begegnungsverbot auf
sam ist auch die Vermeidung von Kerben, der Brücke eine Sanierung vorerst vermie-
selbst wenn diese scheinbar entfernt wer- den werden.
den: Beispielsweise stellt das unplanmäßige Gerissene Querschnitte können nach
Anschweißen von Montagehilfen stets eine verschiedenen Methoden rechnerisch un-
Schädigung dar, selbst wenn die entspre- tersucht werden, z. B. nach der Bruch­
chenden Teile nach ihrer Verwendung wie- mechanik, wobei sich je nach Material-
der entfernt und die Schweißnähte abge- kennwerten und angenommenen Anfangs-
schliffen werden, da strukturelle Kerben bedingungen sehr starke Unterschiede in
aus dem Schweißen in der Konstruktion den Ergebnissen ergeben können.
verbleiben. Hier muss ein entsprechender
Ermüdungsnachweis geführt werden. Die Ad 4.3 Wiederholte Plastizierung unter
Überschreitung des Ermüdungswider- Gebrauchslasten
stands führt zu einer Schädigung in Form Überschreitet unter charakteristischen
von Rissen oder Brüchen. Lastkombinationen (Gebrauchslasten) ört-
Liegen einzelne, nicht systematisch auf- lich die Spannungsdifferenz ∆σ = σmax − σmin
tretende Risse vor, ist eine gezielte Sanie- unter wiederholter Belastung den 1,5-fa-
rung der betroffenen Stellen möglich und chen Wert der Fließgrenze fy, ist mit Plasti-
geboten. An den Rissspitzen liegen Span- zierungen zu rechnen, die beim Erreichen
nungskonzentrationen vor und je nach dem einer bestimmten Lastspielzahl zu Rissen
herrschenden Spannungszustand können führen. Dies ist z. B. bei teilweiser oder voll-
die Risse entweder weiter wachsen oder ständiger Behinderung von Verdrehungen
von selbst bzw. durch die Anordnung von der Fall. Das Nachweiskriterium ist sowohl
Entlastungskerben an den Rissspitzen zum als Gebrauchstauglichkeitskriterium gemäß
Stillstand kommen (Aufbohren). [EN 1993‑2] als auch als Ermüdungs­
Treten bei gleichartigen Details einer kriterium gemäß [EN 1993‑1‑9] angegeben
Konstruktion systematische Ermüdungs- (Ermüdung bei geringer Lastspielzahl).
risse auf, ist dies ein Zeichen für eine un- Ein häufig anzutreffender Fall ist bei der
günstige Ausbildung. In diesem Fall ist als unmittelbaren Lagerung von Brückenhöl-
einzige wirksame Maßnahme die Entlas­ zern auf den Hauptträgern gegeben, wie
tung der betroffenen Stellen durch Reduk- dies bei alten Tragwerken oft anzutreffen ist.
tion der ermüdungswirksamen Belastung Infolge der Verdrehung der als Einfeld­träger
der Brücke oder durch eine lokale System- zwischen den Hauptträgern gespannten
änderung möglich. Hölzer werden die Obergurtwinkel und
Bei allen Reparaturen ist darauf zu ach- Obergurtlamellen bei jeder Zugüberfahrt
ten, dass durch die getroffenen Maßnah- gebogen, was schließlich zu Rissen führen
men tatsächlich eine dauerhafte Sanierung kann, siehe Bilder 11.3-9 bis 11.3-11.
zu erwarten ist und dass nicht neue, die Selbst wenn durch die Risse die Steifig-
Konstruktion schädigende geometrische keit örtlich so weit abnimmt, dass diese
oder strukturelle Kerben entstehen. zum Stillstand kommen, bleibt die Korrosi-
Bei teilgeschädigten Konstruktionen onsproblematik, sodass solche Schäden zu
kann aufgrund des Zustands und der Ver- sanieren sind.
11.3 Schäden an Stahl- und Verbundbrücken 1033

Bild 11.3-9   Lagerung der Brückenhölzer auf Bild 11.3-10   Lagerung des Brückenholzes auf
den Hauptträgern und Rissbildung der Stahlkonstruktion

Bild 11.3-11   Riss an einem inneren Obergurtwinkel

Ad 4.4 Spannungsspitzen infolge örtlicher durch den Herstellungsprozess hohe Eigen-


räumlicher Spannungszustände spannungen (Schrumpfspannungen) vor-
Konstruktionsdetails mit dicken Blechen liegen. Können solche ungünstigen Details
und Anhäufungen von dicken Schweiß- nicht vermieden werden, sollten wenigstens
nähten, die unter mehraxialen (Zug-)Span- durch eine entsprechende Schweißfolge die
nungszuständen stehen, können ohne An- Schrumpfspannungen möglichst klein ge-
kündigung spröd brechen, besonders wenn halten werden. Alternativ bzw. ergänzend
1034 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

kommt Spannungsarmglühen solcher Bau- Das Beispiel der Donaubrücke Krems


teile infrage (teuer!). zeigen die Bilder 11.3-12 bis 11.3-14 (nach
[Fink et al., 2006]). Bei einem Schiffsan-
Ad 4.5 Gewalteinwirkungen prall wurde der Schaft des Pfeilers zwischen
Anpralllasten auf die Stahlkonstruktion den Tragwerken Nr. VI und VII gegenüber
oder auf Pfeiler können örtlich begrenzte dem Fundament um 2,20 m verschoben
Plastizierung, örtliches Beulen, Bauteilver- (Bild 6.11-12). Da die sechs Brückenfelder
formungen oder Schäden an den Lagern der Strombrücke ohne Durchlaufwirkung
verursachen, die die Tragfähigkeit oder so- angeordnet waren, blieben die Schäden an
gar die Lagesicherheit infrage stellen kön- der Stahlkonstruktion weitgehend auf den
nen (Kriterium EQU nach [EN 1990/A1]). Auflagerbereich des betroffenen und der
Vor der weiteren Benützung müssen eine beiden angrenzenden Pfeiler (Bild 11.3-13)
Schadensaufnahme und eine sicherheits- beschränkt. Die Zugbandwirkung der Ka-
technische Beurteilung erfolgen. Sind die belkanäle könnte zur Verminderung der
Unterbauten (Pfeiler, Widerlager) unbe- Verschiebung zwischen Pfeilerschaft und
schädigt, ist bis zur Reparatur eine einge- Fundament des schwer geschädigten Pfei-
schränkte Nutzung meist möglich, sind die lers auf das oben genannte Maß beigetra-
Unterbauten unmittelbar betroffen, ist vor gen haben (Bild 11.3-14). Bei der Sanie-
Wiederaufnahme des Betriebs i. d. R. eine rung durch Ausschwimmen der beiden
Sanierung notwendig. Tragwerke musste zunächst das Funda-

Bild 11.3-12   Infolge Schiffanpralls wurde der Pfeilerschaft gegenüber dem Fundament um 2,20 m
verschoben (Blick stromab)
11.4 Überwachung und Prüfung von Brückenbauwerken 1035

Bild 11.3-13   Schaden an einem Lager des unmittelbar betroffenen Pfeilers

Bild 11.3-14   Zugbandwirkung der Kabelkanäle

ment gesichert und die Standsicherheit des 11.4 Überwachung und Prüfung
Pfeilers ohne die Auflast durch die Trag- von Brückenbauwerken
werke zuverlässig abgeschätzt werden. Der
Pfeiler wurde neu gebaut unter Einhaltung Eva-Maria Eichinger-Vill
der [EN 1991‑1‑7], die die Größe von An- und Johann Kollegger (bis 11.4.2)
pralllasten neu regelt. Nach den Vorgaben
dieser Norm hergestellte Pfeiler fallen 11.4.1 Grundlagen zur Überwachung
zwangsläufig wesentlich klobiger aus als von Brückenbauwerken
die schlanken, steinverkleideten histo-
rischen Pfeiler. Die Brückeninstandhaltung gliedert sich
gemäß Bild 11.4.1-1 in Brückenerhaltung
und Brückenüberwachung bzw. Brücken-
prüfung.
1036 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Bild 11.4.1-1   Brückeninstandhaltung

Zu den Aufgaben der Brückeninstand- werden kann. Bestehen jedoch Zweifel über
haltung gehören die Anwendung globaler den Zustand der Konstruktion, werden
und lokaler Untersuchungsmethoden, die vorwiegend zerstörungsfreie oder quasi-
Beurteilung entdeckter Schäden, das Ab- zerstörungsfreie Prüfverfahren eingesetzt,
schätzen der Tragfähigkeit des Bauwerks, welche im Gegensatz zu zerstörenden
das Entwerfen von Überwachungskonzep- ­Prüfverfahren keine oder nur geringe
ten sowie die Ausarbeitung und Beurteilung ­Schädigungen am Bauwerk erfordern.
der Wirksamkeit von Instandsetzungsmaß-
nahmen.
11.4.2.2 Vorschriften und Richtlinien
zur Überwachung und Prüfung von Brücken-
11.4.2 Prüfung von Betonbrücken bauwerken

11.4.2.1 Allgemeines Allen Vorschriften, die heute dem Stand


der Technik entsprechen ist gemein, dass
Der Ablauf und die Organisation der Prü- die Überwachung bzw. Überprüfung der
fung ist in entsprechenden Normen und Brückenbauwerke in bestimmten Abstän-
Regelwerken, wie z. B. in Deutschland in der den und mit unterschiedlicher Detailliert-
[DIN 1076, 1999] „Ingenieurbauwerke im heit zu erfolgen hat. Die Zeitabstände zwi-
Zuge von Straßen und Wegen, Überwa- schen den einzelnen Prüfungen sind län-
chung und Prüfung“, geregelt. Ziel ist dabei derabhängig etwas unterschiedlich. Man
das Erfassen des Ist-Zustands und eine unterscheidet im Wesentlichen
möglichst frühzeitige Schadenserkennung.
Am Beginn der Prüfung steht die visuelle • Laufende Überwachung alle 3 bis 6 Mo-
Inspektion des Bauwerks durch einen erfah- nate
renen Ingenieur, da oftmals aufgrund des • Einfache Prüfung bzw. Kontrolle alle 2
äußeren Erscheinungsbilds der Konstrukti- bis 3 Jahre
on auf den Bauwerkszustand geschlossen • Hauptprüfung alle 6 bis 10 Jahre
11.4 Überwachung und Prüfung von Brückenbauwerken 1037

Zusätzlich können je nach Bedarf und kerkonstruktionen im Untergrund geprüft


Anlassfall Sonderprüfungen durchgeführt werden. Gegebenenfalls ist die Prüfung­
werden. mit Hilfe eines Brückeninspektionsgeräts
Die Aufgabe der laufenden Überwa- durch­zuführen, das auch die Prüfung
chung von Brücken liegt in erster Linie in schwer zugänglicher Teile, wie Lager etc.
der Gewährleistung der Verkehrssicher- ermöglicht. In der Tabelle 11.4.2-1 sind
heit und beschränkt sich auf Bereiche, die beispielhaft jene Bereiche einer Massiv­
auch ohne Hilfskonstruktionen zugänglich brücke zusammengestellt, die im Zuge
sind. Das Bauwerk wird dabei auf außerge- ­einer Prüfung untersucht werden sollen.
wöhnliche Verformungen und Schrägstel- Zusätzlich sind jene Parameter erfasst, auf
lungen, grob schadhafte Bauteile, auffällige die im Zuge einer Brückenprüfung beson-
Risse, große Feuchtstellen und Betonab- deres Augenmerk gelegt werden sollte. Bei
platzungen sowie Anprallschäden unter- der Planung der Prüfung sind diese Para-
sucht. Die Ergebnisse sind – idealerweise meter entsprechend zu berücksichtigen.
in einem Brückenmanagementsystem – Auf dem Gebiet des Brückenbaus hat
festzuhalten. Die Überwachung der Brü- sich in den letzten Jahrzehnten sehr viel
cke ist von sachkundigem Personal durch- weiterentwickelt. Viele konstruktive Lö-
zuführen. sungen, die zur Zeit der Planung einer
Im Zuge der Prüfungen werden alle Schä- Brücke dem Stand der Technik entspra-
den an der Konstruktion erfasst. Neben der chen, sind heute nicht mehr zeitgemäß
Verkehrssicherheit werden auch die Tragfä- und werden aufgrund neuer Erkenntnisse
higkeit und Dauerhaftigkeit der Konstrukti- als problematisch beurteilt [Iványi, 2002].
on beurteilt. Um die Zugänglichkeit aller Diese Konstruktionsdetails sind Schadens-
Bereiche der Konstruktion zu gewährleis- schwerpunkte und daher besonders sorg-
ten, sind für die Prüfung zumeist entspre- fältig zu prüfen. Sie umfassen im Wesentli-
chende Hilfskonstruktionen (Leitern, Rüs- chen
tungen etc.) oder Brückeninspektionsgeräte
• Befestigungen von Abhängungen, Lei-
erforderlich. Die Prüfung der Brücke muss
tungen und hinterlüfteten Verkleidun-
von einem auf dem Gebiet der Brückenprü-
gen,
fung erfahrenen Ingenieur durchgeführt
• verlorene Schalungen,
werden.
• einbetonierte Entwässerungseinrichtun-
gen,
• unzugängliche Fahrbahnübergangskon-
11.4.2.3 Planung der Brückenprüfung
struktionen und Fugen sowie
• nicht zeitgemäße Konstruktionstechni-
Die Grundlage für die Prüfung ist das Bau-
ken, wie z. B. Verankerungen von Spann-
werksbuch, das aus den Bestandsunterlagen
gliedern in der Fahrbahnplatte, oder
besteht und die Ergebnisse der bisher durch-
volle Kopplung der Spannglieder in der
geführten Prüfungen enthält. Zusätzlich
Arbeitsfuge.
sind darin bereits ausgeführte Instandset-
zungsmaßnahmen erfasst. Das Prüfkonzept Ist eine Brücke bereits instandgesetzt oder
soll auf die vorhandenen Wartungseinrich- verstärkt worden, so müssen vor allem die
tungen abgestimmt werden, wobei die volle instandgesetzten oder verstärkten Bereiche
Zugänglichkeit aller Bauteile gewährleistet besonders sorgfältig geprüft werden, um
sein muss. Dabei ist besonders darauf zu die Dauerhaftigkeit der Instandsetzungs-
achten, dass neben dem Haupttragwerk oder Verstärkungsmaßnahme tatsächlich
auch die Gründung sowie etwaige An­ zu gewährleisten.
1038 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Tabelle 11.4.2-1  Zu prüfende Bereiche und zu untersuchende Merkmale (nach [Iványi, 2002, und
Bergmeister/Santa, 2004])
Zu prüfender Zu untersuchende Merkmale
Bereich
Beton Verschmutzung/Staub, Fremdstoffe/Rückstände, Verwitterung,
Zerstörungen, Kiesnester, Durchfeuchtungen, Wasseraustritt, Aus-
blühungen, Rostflecken, freiliegende Bewehrung, Risse, mechanische
Beschädigung/Anprall, Brandschäden, Betondeckung, Hohlstellen,
Dichtheit, Karbonatisierung, Chloridgehalt, Betonfestigkeit
Betonstahl Lage und Durchmesser, Oberflächenrisse entlang der Stabachse,
Zustand und Korrosionsgrad
Spannglieder Zustand und Korrosionsgrad, Risse entlang der Spanngliedachse,
mangelhaft verpresste Hüllrohrabschnitte
Spannanker und Zustand
Koppelstellen
Brückenlager Zustand und Funktionsfähigkeit, Lagerstellung, Lagerschäden
Fahrbahnübergänge Zustand, Funktionsfähigkeit, Dichtheit, Risse
Abdichtung Zustand, Dichtheit
Entwässerung Funktionsfähigkeit
Weitere Ausstattung Fugendichtheit, Belagsschäden, Geländerverankerung
Geländeoberfläche Setzungen, Anrisse, Rutschungen

11.4.2.4 Prüfausrüstung Das wesentliche Hilfsmittel bei der Brü-


ckenprüfung stellt für den Ingenieur das
Eine Brückenprüfung besteht in der Regel menschliche Auge dar, das es ihm ermög-
aus einer Reihe von Einzelprüfungen, licht, eine Zustandsbewertung der Brücke
­deren Art und Umfang der mit der Brü- aufgrund der Oberflächen und des äußeren
ckenprüfung betraute Ingenieur festlegt. Erscheinungsbilds vorzunehmen. So kön-
Die Prüfung einer Spannbetonbrücke nen beispielsweise die Lage und Breite von
kann daher lediglich aus der genauen visu- Rissen, Verfärbungen, Rostflecken, Feucht-
ellen Inspektion aller Bauteile und ein­ stellen, Abplatzungen und große Verfor-
fachen Tests, wie z. B. dem Abklopfen­­ mungen des Tragwerks im Zuge der visuel-
der Oberfläche, der Bestimmung der Be- len Beurteilung der Konstruktion festgestellt
tondruckfestigkeit mittels Rückprallham- werden. Als Hilfsmittel bei der visuellen In-
mers – ­gegebenenfalls unter Verwendung spektion können Risslupen, Mikroskope
eines Brückeninspektionsgeräts – be­ oder Kameras dienen.
stehen. Es können aber auch umfangrei- Zur Feststellung von Eigenschaften des
chere ­Untersuchungen, die Entnahme­ Bauwerks, die nicht aus dem äußeren Er-
von ­Proben, das Durchführen von Ver- scheinungsbild abgeleitet werden können,
messungen oder Probebelastungen not- bedarf es zusätzlicher Prüfwerkzeuge, wie
wendig sein. z. B. Rückprallhammer, Bewehrungssuch-
11.4 Überwachung und Prüfung von Brückenbauwerken 1039

Tabelle 11.4.2-2  Prüfziele und Prüfverfahren


Prüfziel Prüfverfahren
Bestimmung der Betondruck- Rückprallhammer, Kugelschlag, Ultraschall, mechani-
festigkeit scher Einzelimpuls, Entnahme von Prüfzylindern
Beurteilung von Homo­genität, Augenschein, Abklopfen, Ultraschall, Gamma­
Verdichtung, Fehlstellen, Hohl- rückstreuung, Radiografie, Infrarotthermografie,
räumen, Einschlüssen Endoskopie, Hohlraum-Evakuierung
Beurteilung von Porosität, Füllprobe, kapillares Saugen, Durchlässigkeitsprüfung
Wasseraufnahme, Durchlässig-
keit
Beton

Beurteilung von Rissen (siehe Augenschein, Lupe, Sonde, Ultraschall, dynamische


auch Tabelle 11.4.2-3) Biegeprüfung, Infrarotthermografie
Beurteilung von Feuchte­gehalt Augenschein, Bohrmehlentnahme, Infrarotthermo-
und -verteilung grafie, elektrische Leitfähigkeit, Neutronenbremsung,
Dielektrizitätskonstante
Beurteilung der Karbonatisie- Indikatorverfahren (Phenolphtaleintest), Bohrmehl­
rungstiefe entnahme
Beurteilung des Chlorid­gehalts Indikatorverfahren, Bohrmehlentnahme
Bestimmung von Lage und Magnetische Induktion, Wirbelstromsonde, Gamma-
Betonstahl

Durchmesser der Bewehrung durchstrahlung, Infrarotthermografie


Beurteilung der Korrosion Endoskopie, Potentialfeldmessung, Korrosionsströme

Feststellung von Verpressfeh- Endoskopie, Ultraschall, Gammadurchstrahlung,


Spannstahl

lern Röntgendurchstrahlung, Infrarotthermografie,


Schallemissionsanalyse
Beurteilung des Korrosions­ Endoskopie
zustands

gerät, Korrosionsmessgerät oder Schicht- sich aufgrund der erzielbaren Erkenntnisse


dickenmesser. Je nach Prüfziel können voneinander unterscheiden. Es sind dies
unterschiedliche Prüfverfahren zur An-
• visuelle Inspektion,
wendung kommen, die in der Tabelle
• Abklopfen der Oberfläche,
11.4.2-2 zusammengefasst sind. Dement-
• Öffnen von Hohlstellen,
sprechend ist auch die Prüfausrüstung zu
• Messungen am Bauwerk zur Bestim-
wählen.
mung der Materialeigenschaften,
• Entnahme von Materialproben sowie
• Probebelastungen.
11.4.2.5 Prüfverfahren
Ob und in welchem Umfang die einzelnen
Für die Prüfung einer Brücke stehen ver- Verfahren angewendet werden, hängt von
schiedene Verfahren zur Verfügung, die der jeweiligen Aufgabenstellung und dem
1040 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Zustand der Konstruktion ab. Komplizier- Mängel und Schäden erfasst werden müs-
tere Verfahren werden zumeist nicht im sen. Im Zuge der einfachen Prüfung (Kon-
Rahmen einer regulären Hauptprüfung trolle) erfolgt die visuelle Inspektion ohne
verwendet, sondern im Bedarfsfall im Zuge Hilfskonstruktionen, weshalb auch nicht
einer Sonderprüfung zur Klärung spezifi- alle Teile der Konstruktion einsehbar sind.
scher Probleme (z. B. Bestimmung des Zu- Gege­benenfalls sollte daher ein Fernglas be-
stands des Spannstahls) herangezogen. nutzt werden, um eine detaillierte Aufnah-
me der Brücke zu gewährleisten. Bei der
Brückenhauptprüfung stehen entspre-
11.4.2.5.1 Visuelle Inspektion chende Hilfskonstruktionen oder ein Brü-
ckeninspektionsgerät zur Verfügung und
Die visuelle Inspektion der Konstruktion die Bauteile können aus unmittelbarer Nähe
bildet die Grundlage für die Verwendung untersucht werden.
anderer aufwendiger Prüfverfahren, wobei Die Aufnahme von Rissen ist integraler
alle an der Bauteiloberfläche erkennbaren Bestandteil der visuellen Inspektion. Kurz

Tabelle 11.4.2-3  Beurteilung von Rissen im Beton (nach [Iványi, 2002])


Prüfziel Kriterium Anmerkung
Beurteilung der Oberflächennaher Riss geringe Tiefe; je nach Ursache richtungs­
Rissart orientiert, mit großen Breiten (zufolge Set-
zen des Frischbetons, Trocknungsschwin-
den, Korrosion entlang der Bewehrung)
oder netzartig, mit geringen Breiten
Trennriss erfasst großen Teil des Querschnitts (Zug-
zone, Steg, Gesamtquerschnitt); entsteht
zufolge Beanspruchung aus Lasten und
Zwang
Beurteilung des Lage und Länge zeichnerische Darstellung oder Angabe
Rissverlaufs charakteristischer Daten, z.B. Abstände bei
Biegerissen, Maschenweite bei Netzrissen
Bestimmung senkrechter Abstand der Angabe in mehreren definierten Bereichen
der Rissbreite Rissufer (z.B. in Höhe der Bewehrungsstäbe)
(Genauigkeit: 5/100 mm)
Bestimmung kurzzeitig vorwiegend zufolge Verkehrslasten
der Rissbreiten­ (Genauigkeit: 1/1000 mm)
änderung
täglich zufolge Sonneneinstrahlung auf die Fahr­
(Genauigkeit: 1/100 mm) bahn­oberfläche, periodische Änderung
langzeitig stetig (zufolge Setzungen) oder periodisch
(Genauigkeit: 1/100 mm) (zufolge jahreszeitlicher Veränderungen)
Ermittlung des Feuchtegrad Bestimmung gemäß Tabelle 12.2.3-2
Zustands der
Risse und Riss­ Verunreinigungen feststellen, falls von außen erkennbar
ufer
11.4 Überwachung und Prüfung von Brückenbauwerken 1041

nach einer Regenperiode zeichnen sich struktion, in denen die Bewehrung sehr
Risse zumeist besonders gut ab und lassen dicht liegt und in mehreren Lagen verlegt
sich daher besser erfassen. Es empfiehlt wurde, besonders sorgfältig untersucht
sich die Benutzung eines Linienstärken- werden sollten. Kritisch sind in diesem
maßstabs (Risslineal) oder einer Rissmess- Zusammenhang Auflagerbereiche, Bauteil-
lupe zur Bestimmung der tatsächlichen anschlüsse, Hoch- und Tiefpunkte sowie
Rissbreite. Bei längeren Rissen sollte die Verankerungs- und Koppelfugenbereiche
Rissbreite an mehreren Stellen gemessen von Spanngliedern [Iványi, 2002].
werden. Neben der Rissbreite sollten stets Im Zuge der ersten Hauptprüfung sollte
die Bauteiltemperatur und die herrschen- das Bauwerk zur Gänze abgeklopft werden.
den Witterungsverhältnisse aufgezeichnet Bei den weiteren Prüfungen müssen dann
werden. In der Tabelle 11.4.2-3 sind Prüf- lediglich auffällige Bereiche, an denen Fehl-
ziele bei der Beurteilung von Rissen zusam- stellen, Abplatzungen oder Risse festgestellt
mengefasst. wurden, mittels Abklopfens geprüft werden.
Die Bestimmung der Rissbreitenän­ Zusätzlich müssen im Zuge einer etwaigen
derung erfolgt für langsame Rissbreitenän- Instandsetzungsmaßnahme Reparatur­
derungen mit Hilfe von Gips- oder Glas- stellen aus Beton oder neu aufgebrachte
marken. Mit Weggebern, die z. B. Wegän- Spritzbetonschichten durch Abklopfen
derungen auf der Basis der Änderung des kontrolliert werden, um die Qualität der
induktiven Widerstands erfassen (indukti- Maßnahme sicherzustellen.
ve Wegaufnehmer) können auch kurzzeiti-
ge Rissbreitenänderungen erfasst und kon-
tinuierlich aufgezeichnet werden. 11.4.2.5.3 Öffnen von Hohlstellen
Werden im Zuge der Prüfung Risse fest-
gestellt, so hängen Art und Umfang der Be- Im Zuge der Prüfung sollten mechanische
handlung der Risse davon ab, ob sie das Eingriffe am Bauwerk, wenn möglich, ver-
Aussehen, die Gebrauchstauglichkeit oder mieden werden. Daher sollten Hohlstellen
die Dauerhaftigkeit der Konstruktion be- nur dann geöffnet werden, wenn dies z. B.
einflussen. Eine Beurteilung der Risse hat der Zustandsbestimmung der Bewehrung
dabei durch einen fachkundigen Ingenieur oder der Entnahme von Materialproben
zu erfolgen. Im Allgemeinen beeinträchti- dient. Die Herstellung kleinerer Öffnungen
gen Risse in Stahlbeton- oder Spannbeton- ist zur Beseitigung etwaiger Wasseran-
brücken mit Breiten < 0,4 mm bei ausrei- sammlungen in Hohlräumen oder als Vor-
chend dicker und dichter Betonüberde- bereitung für eine Endoskopie erforderlich.
ckung die Dauerhaftigkeit nicht. Bei Rissen Das Öffnen größerer Bereiche (z. B. Kop-
unter aggressiven Einwirkungen (Tausalz) pelstellen, Spanngliedabschnitte, Auflager-
ist jedoch besondere Vorsicht geboten. Risse bereiche) sollte nur in Ausnahmefällen im
entlang der Bewehrung infolge der Spreng- Rahmen einer Sonderprüfung, im Zuge
wirkung durch Korrosion erfordern grund- derer spezifische Probleme an der Kon-
sätzlich Instandsetzungsmaßnahmen. struktion untersucht werden sollen, erfol-
gen, wobei eine Beschädigung der Beweh-
rungselemente unbedingt vermieden wer-
11.4.2.5.2 Abklopfen der Oberfläche den muss. Bohrlöcher, die erstellt werden
müssen, um eine Endoskopie der Spannstäh-
Durch das Abklopfen der Betonoberfläche le ermöglichen zu können, sollten daher mit
gelingt es, oberflächennahe Hohlstellen zu einer Bohrmaschine mit Abschaltautoma-
lokalisieren, wobei jene Bereiche der Kon- tik gebohrt werden. Solche Bohrmaschinen
1042 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

schalten bei Metallkontakt, d. h. wenn der fety Evaluation of Existing Concrete Struc­
Bohrer auf das Hüllrohr trifft, automatisch tures“ [fib, 2003] hingewiesen.
ab, das Hüllrohr kann anschließend manu-
ell geöffnet und der Verpressmörtel entfernt Bestimmung der Karbonatisierung
werden, ohne die Spannstähle zu schädi- des Betons
gen. In allen Fällen ist streng darauf zu ach- Zur Bestimmung der Karbonatisierung des
ten, dass die geöffneten Stellen wieder fach- Betons kann eine Phenolphtaleinlösung
gerecht verschlossen werden. verwendet werden, die auf eine frische
Bruchfläche des untersuchten Bauteils ge-
sprüht wird. Das Aufsprühen der Indikator-
11.4.2.5.4 Messungen am Bauwerk lösung bewirkt einen Farbumschlag nach
rot-violett, wenn der pH-Wert über ca. 9
Je nach gewünschtem Prüfziel steht eine liegt. Karbonatisiert sind die unverfärbten
ganze Reihe zerstörungsfreier bzw. quasi- Bereiche. Wird die Lösung auf eine nicht
zerstörungsfreier Prüfverfahren zur Ver- mehr frische Bruchfläche gesprüht bzw.
fügung, die direkt am Bauwerk angewen- stimmt die Bruchfläche mit einem Haarriss
det werden können. Zusätzlich existiert überein, ist das Ergebnis verfälscht. Da die
eine ganze Reihe zerstörungsfreier Prüf- Karbonatisierungsreaktion zwar einerseits
verfahren, die meist aufwendig sind, große Wasser benötigt, aber das Kohlendioxid
Übung in der Deutung der gewonnenen andererseits nur durch Poren diffundieren
Daten erfordern und daher im Zuge einer kann, die nicht vollständig mit Wasser ge-
regulären Brückenprüfung nicht ange- füllt sind, weisen regengeschützte Flächen
wendet werden. Sie dienen vor allem der (Brückenuntersichten) zumeist größere
Beurteilung des Zustands der Beweh- Karbonatisierungstiefen auf als Flächen, die
rungselemente sowie des Spannstahls, der dem Regen stärker ausgesetzt sind.
Feststellung von Feuchtstellen oder Hohl-
räumen sowie der Beurteilung des Ge- Bestimmung des Chloridgehalts des Betons
samttragverhaltens und liefern je nach Chloride werden in erster Linie durch Tau-
Tragwerk und Konstruktionsart mehr salz in den Beton eingetragen. Dem gemäß
oder weniger zuverlässige Ergebnisse. wird zwischen Kontaktbereich, Spritzwas-
­Diese Verfahren werden fast ausschließ- serbereich und Sprühbereich unterschie-
lich im Zuge von Sonderprüfungen an­ den (Bild 11.4.2-1).
gewendet. Zu diesen bei Prüfungen aus Ähnlich wie bei der Bestimmung der
besonderem Anlass einsetzbaren Mess- Karbonatisierungstiefe kann auch für die
und Prüfverfahren am Bauwerk gehören Ermittlung des Chloridgehalts ein Indika­
die Ultraschallprüfung (Festigkeit, Hohl- tortest herangezogen werden. Dazu ver-
räume, Risse), Durchstrahlungsmethoden wendet man das Silbernitrat-Sprühverfah-
mit Röntgen- und Gammastrahlen (Lage ren. Auf eine frische Bruchfläche wird zu-
und Zustand der Bewehrung, Hohl- erst Silbernitrat aufgesprüht. Nach dem
­räume), Leitfähigkeits-/Widerstandsmes­ Trocknen wird die Fläche mit einer Indika-
sung (Feuch­te­gehalt), Infrarotthermo­ torlösung besprüht. Chloridfreie Bereiche
grafie (Feuchtstellen, Verpressfehler) und verfärben sich rotbraun, chloridhaltige Be-
Schwin­gungsanalyse (Gesamttragverhal- reiche verfärben sich nicht oder nur wenig.
ten, Zustand der Spannglieder). Hinsicht- Über die Farbverteilung kann auf die Chlor­
lich des Einsatzes der einzelnen Methoden idverteilung geschlossen werden. Mit die-
wird auf die einschlägige Fach­literatur, wie sem Schnelltest lassen sich jedoch keine
z. B. das fib-Bulletin „Moni­toring and Sa- Aussagen über die Höhe des Chloridgehalts
11.4 Überwachung und Prüfung von Brückenbauwerken 1043

Bild 11.4.2-1   Chloridangriffszonen

treffen. Es kann lediglich bestimmt werden, wehrung von Interesse oder sind die Bau-
ob der Beton Chlorid enthält oder nicht. teile sehr hoch bewehrt, sind Bewehrungs-
Da jedoch der tatsächliche Chloridgehalt suchgeräte nicht geeignet.
für die Dauerhaftigkeit der Konstruktion
von großer Bedeutung ist, können Bohr- Beurteilung des Zustands der Bewehrung
kerne oder Bohrmehlproben entnommen Eine zuverlässige Beurteilung des Zustands
und chemisch untersucht werden. Um ein der Bewehrung sowie des Korrosionsgrads
Chloridprofil erstellen zu können, soll die ist nur durch Freilegen der Bewehrung
Entnahme der Proben aus unterschiedlichen möglich. Im Rahmen der regulären Brü-
Schichten (mit einer Tiefe von je ca. 10 mm) ckenprüfungen sollte, um eine Schädigung
erfolgen. So kann die Chloridbeaufschla- des Tragwerks möglichst zu vermeiden, die
gung bis hin zur ersten Bewehrungslage er- Bewehrung nur dann freigelegt werden,
mittelt werden. wenn damit kein besonderer Aufwand
verbunden ist (z. B. Abschlagen lockerer
Beurteilung der Lage der Bewehrung Betondeckung oder einer schlecht aufge-
sowie der Betondeckung brachten Spritzbetonschicht) oder begrün-
Die Lage der äußeren Bewehrungslagen dete Zweifel am Zustand der Bewehrung
kann zerstörungsfrei mit Hilfe eines Be- bestehen (z. B. starke Rostfahnen oder Risse
wehrungssuchgeräts, dessen Wirkungswei- entlang der Spanngliedachse). Es ist unbe-
se auf dem Pulsinduktionsverfahren beruht, dingt darauf zu achten, dass die geöffneten
ermittelt werden. Je nach Gerätetyp können Bereiche sachgerecht und dauerhaft wieder
zusätzlich auch der Durchmesser der Be- verschlossen werden.
wehrung sowie die vorhandene Betonde-
ckung erfasst werden. Bestimmung des Verpressgrads sowie
Für normal bewehrte Bauteile liefert das des Zustands des Spannstahls
Bewehrungssuchgerät zufriedenstellende Der Zustand und Korrosionsgrad des
Ergebnisse. Ist jedoch die Lage tieferliegen- Spannstahls kann mit Hilfe eines Endos-
der Bewehrungsstäbe oder der Spannbe- kops mit starrer oder beweglicher Achse
1044 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

beurteilt werden. Das Endoskop wird durch hammers erfolgen. Bohrkerne sollten nur
ein kleines Bohrloch mit ca. 20 mm Durch- dann entnommen werden, wenn begründe-
messer eingeführt und erlaubt die Inspekti- te Zweifel bezüglich der Eigenschaften des
on des Spannstahls sowie die Beurteilung Betons bestehen. In diesen Fällen sollten
der Ausdehnung mangelhaft verpresster sowohl Anzahl und Durchmesser der Bohr-
Hüllrohrabschnitte. Zur Dokumentation kerne als auch die Tiefe der Bohrungen auf
der Ergebnisse können mit Hilfe eines ge- ein Minimum reduziert werden. Proben
eigneten Kameraaufsatzes auch Fotos er- von Bewehrungsstählen sollten nur in Son-
stellt werden. Es ist darauf zu achten, dass derfällen entnommen werden.
die Bohrlöcher mit einer Bohrmaschine, die
sich beim Kontakt mit dem metallischen
Hüllrohr sofort automatisch abschaltet, her- 11.4.2.5.6 Probebelastungen
gestellt werden und das Hüllrohr per Hand
geöffnet wird. Nur so kann eine Schädigung Probebelastungen können dem Nachweis
des Spannstahls vermieden werden. zugesicherter Eigenschaften bei Neubauten
Werden Verpressmängel festgestellt, so oder der Überprüfung der Tragfähigkeit
kann das Hohlraumvolumen mit Hilfe des bestehender Konstruktionen dienen. Ge-
Vakuumverfahrens ermittelt werden. Dabei wöhnlich beziehen sich die Belastungstests
wird mit Hilfe einer Pumpe aus dem geöff- auf Tragwerkskomponenten, Tests an der
neten Hüllrohr die Luft abgesaugt und ein Gesamtstruktur sind eher die Ausnahme
Vakuum erzeugt. Durch Messung der [Bergmeister/Santa, 2004]. Die Art der Be-
­zurückströmenden Luftmenge lässt sich lastung hängt vom Ziel der Untersuchung
das Hohlraumvolumen bestimmen. Diese und der Konstruktion selbst ab.
Methode kann auch zur Bestimmung des Das Ziel einer Probebelastung liegt in
Volumens von Hohlräumen im Beton an- der Regel in der Erfassung von Tragreser-
gewendet werden. ven, die in der Berechnung nicht oder nur
unzureichend erfasst werden, was für
­b estimmte Fälle eine wirtschaftliche
11.4.2.5.5 Entnahme von Materialproben Bemessung unter Zuhilfenahme der Ver-
suchsergebnisse ermöglicht. Im Vorfeld
Je nach durchzuführender Prüfung können der Probebelastung sind eine umfangreiche
unterschiedliche Arten von Materialpro­ Bestandsaufnahme und die Feststellung des
ben, wie Bohrmehl, Bohrkerne oder Bruch­ Ist-Zustands wesentlich, von besonderer
stücke, entnommen werden. Die Kenn- Bedeutung sind aber zusätzlich verglei-
zeichnung der Proben nach Ort, Zeit, Lage, chende und begleitende Berechnungen­
Bauwerk und Bauteil ist dabei von großer zur Erstellung eines mechanischen Trag-
Bedeutung. Zusätzlich ist das Prüfziel anzu- modells sowie vertiefte Erfahrungen im
geben. Bei der Entnahme von Betonproben Umgang mit der zu untersuchenden Kon-
ist darauf zu achten, dass die Bewehrungs­ struktion sowie der verwendeten Prüf- und
elemente nicht beschädigt werden. Bei der Messtechnik. Bei einer Probebelastung sind
Erstellung von Bohrlöchern zur Gewin- folgende Punkte zu berücksichtigen:
nung von Bohrmehl sollte gegebenenfalls
mit einer Bohrmaschine, die über eine Ab- • Langsame Aufbringung der Last in klei-
schaltautomatik bei Metallkontakt verfügt, nen Lastschritten zur Sicherstellung,
gearbeitet werden. Die Bestimmung der dass zwischen den einzelnen Lastschrit-
Druckfestigkeit des Betons sollte in einem ten genügend Zeit bleibt, um die Struk-
ersten Schritt mit Hilfe eines Betonprüf- turantwort vollkommen zu erfassen
11.4 Überwachung und Prüfung von Brückenbauwerken 1045

Messstand Auflieger mit Bordkran und Ballast Zugmaschine

Hydraulik Lenkachsen Pratzen/Lasttraversen

Bild 11.4.2-2   Belastungsfahrzeug BELFA

• Kontinuierliche Aufbringung der Last- Der Vorteil ist, dass das Fahrzeug ohne
schritte bis zum Erreichen der erforder- wesentliche Einschränkung des Straßenver-
lichen Prüflast, wobei in jedem Last- kehrs betrieben werden kann. Neben dem
schritt sicherzustellen ist, ob eine weitere Prüffahrzeug für Straßenbrücken gibt es mit
sichere Laststeigerung möglich ist BELFA-DB auch ein geeignetes Fahrzeug
• Beobachtung der Rissentwicklung und für die Prüfung von Eisenbahnbrücken.
Messung der Deformationen in jedem
Lastschritt
• Halten der maximalen Last über einen 11.4.3 Prüfung von Stahl-
längeren Zeitraum (mindestens eine und Verbundbrücken
Stunde) und Beobachtung des Trag-
werks Günter Ramberger
• Langsame Entlastung und Beobachtung und Francesco Aigner (bis 11.4.5)
der Verformungen
Bei linear-elastischer Betrachtung muss 11.4.3.1 Tragwerk und Bauteile
die gemessene Verformung kleiner sein als
die berechnete. In diesem Zusammenhang Zunächst sind das Tragwerk und dessen
muss jedoch klar sein, dass Aussagen über Bauteile auf Einhaltung der Form in An-
die tatsächliche Tragfähigkeit der Kon- sicht, Draufsicht und Querschnitt geodä-
struktion, die verbleibende Duktilität oder tisch zu prüfen. Dies sollte auf Basis der
die Schäden, die durch den Belastungsver- Messdaten erfolgen, die anlässlich der Ver-
such an der Konstruktion hervorgerufen kehrsübergabe bei der Eröffnung oder nach
wurden, nicht möglich sind. einer Umbaumaßnahme aufgenommen
Von der Hochschule Bremen, der TU wurden. Sind diese nicht vorhanden, sollte
Dresden, der HTWK Leipzig und der Bau- das Tragwerk geodätisch vermessen werden
haus-Universität Weimar wurde in Zusam- und dieses Aufmaß vom Zeitpunkt an als
menarbeit mit der Firmengruppe EGGERS Basis für weitere Überprüfungen dienen.
und einigen anderen Firmen ein speziel­ Alle Messungen sollten kurz nach Sonnen-
les, rasch einsetzbares Belastungsfahrzeug aufgang gemacht werden, denn in dieser
entwickelt [Steffens, 2001]. Mit dem Belas­ Zeit weist die Brücke infolge der nächtlichen
tungsfahrzeug BELFA können nach einem Abkühlung etwa konstante Temperatur auf.
selbstsichernden Belastungsprinzip Ver­ Temperaturgradienten bedingt durch Son-
suche durchgeführt werden, wobei durch neneinstrahlung können die Form eines
stufenlose Teleskopierung des Fahrzeugs Bauwerks wesentlich beeinflussen.
eine variable Anpassung an Stützweiten bis Danach sind alle stählernen Bauteile
zu l ≤ 18,00 m möglich ist (Bild 11.4.2-2). einer visuellen Kontrolle auf Geradheit und
1046 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Ebenheit der Bleche (Ausbeulungen) zu mehr als die übrigen Bereiche. Die Abnut-
unterziehen. Mit Schnur und Richtlatte zung durch Fußgänger und Radfahrer ist
können Abweichungen von der Sollform vernachlässigbar klein. Andererseits kön-
eventuell quantifiziert werden. Bei Abwei- nen Schäden auch dadurch entstehen, dass
chungen von der Form zwischen zwei Un- die Verbindungen der einzelnen Schichten
tersuchungen sind jedenfalls die Ursachen untereinander entweder nicht erfolgt oder
dafür festzustellen. nicht ausreichend sind. In diesem Fall
Bei Bauwerken mit Kabeln kann in fast ­können sich größere Belagsteile ablösen.
allen Fällen die Messung der Kabelkraft Kann Wasser zwischen Schichten, vor al-
über deren erste Eigenfrequenz erfolgen. lem aber zwischen Deckblech und Dich-
Dazu wird das Kabel durch „Anzupfen“, z. B. tungsschicht eindringen, kann es im Winter
mit einem darüber geschlagenen Hanfseil auffrieren und blasenförmige Erhebungen
zu Schwingungen und dann mit der Hand im Belag erzeugen. In diesen Bereichen
in der ersten Eigenfrequenz weiter angeregt, wird der Belag beim Befahren zerstört. Es
bis sich eine harmonische Schwingung über entstehen Schlaglöcher, die kurzfristig re-
das ganze Kabel einstellt. Da die Seildämp- pariert werden müssen.
fung gering ist, kann mittels einer Uhr mit Langanhaltende hohe Temperaturen im
Sekundenzeiger die Zeit t für n Schwingun- Belag können in den Lkw-Spuren auch zu
gen gemessen und daraus die Eigenfrequenz plastischen Auswalzungen und ausgepräg-
n ten Spurrillen führen. Alle beschriebenen
f = 3 berechnet werden. Die Kabelkraft S Erscheinungen sind visuell feststellbar. Auch
t
ergibt sich aus S = 4 f 2 ·l 2 · μ mit der Länge wenn keine der zuvor beschriebenen Schä-
l zwischen den Austrittspunkten des Kabels den auftreten, müssen wegen der Abnutzung
aus der Verankerung und der Masse µ ein- Fahrbahnbeläge in regelmäßigen Abständen
schließlich Korrosionsschutz, Hüllrohr usw. ausgebessert bzw. erneuert werden. Beim
pro Längeneinheit. Die Messung sollte am Einbau heißer Belagschichten darf der Kor-
unbelasteten Bauwerk ebenfalls kurz nach rosionsschutz auf der Unterseite des Deck-
Sonnenaufgang erfolgen und jeweils proto- bleches keine Schäden erleiden. Ab etwa
kolliert werden. Bei Abweichungen ist die 90 °C erleiden Beschichtungen auf Leinöl-,
Ursache festzustellen. PVC- und Chlorkautschukbasis, ab etwa
Bei Verbundbrücken ist visuell zu unter- 140 °C Beschichtungen auf Phthalatharz­
suchen, ob ein Schlupf zwischen Betonplatte basis und ab etwa 150 °C auf Epoxydharzba-
und Stahlträger eingetreten ist. Dieser lässt sis bleibende Schäden. Beim Einbau heißer
auf ein Versagen der Dübel schließen. Ein Belagschichten erleidet auch das Tragwerk
Schlupf kann eventuell auch durch Risse im erhebliche Temperaturverformungen und
Korrosionsschutz oder durch ein spezielles bei statisch unbestimmter Lagerung vertikal
Rissbild in der Betonplatte erkennbar sein. oder horizontal erhebliche Beanspruchun-
gen, die untersucht werden sollten, beson-
ders dann, wenn daneben liegende Fahr-
11.4.3.2 Fahrbahnbeläge streifen oft auch in verschobener Lage wei-
terhin durch den Verkehr belastet werden.
Fahrbahnbeläge sind Verschleißteile. Sie
unterliegen beim Befahren einer Abnut-
zung. Da die Abnutzung überwiegend von 11.4.3.3 Korrosionsschutz
den LKW und nur sehr wenig von den
PKW verursacht wird, betrifft sie die über- Die Deckbeschichtung des Tragwerks ist
wiegend von LKW befahrenen Spuren weit hinsichtlich Verwitterung, mechanischer
11.4 Überwachung und Prüfung von Brückenbauwerken 1047

Beschädigung, Abplatzungen, Korrosions-


befall, eventuell durch Korrosion bedingte
Materialschädigungen, Spaltenrosterschei-
nungen in den Berührungsflächen geniete-
ter und geschraubter Tragwerke zu unter-
suchen. An ausgewählten Stellen kann die
Dicke der vorher gereinigten Beschichtung
gemessen und mit der Solldicke verglichen
werden. Bei verzinkten Bauteilen kann in
ähnlicher Weise der Zustand der Verzin-
kung beurteilt und die Ist-Dicke des Zink-
überzuges gemessen werden.
Rostfahnen weisen darauf hin, dass Was-
ser über nicht korrosionsgeschützte und Bild 11.4.3-1   Risse in der Deckschicht [Voll-
nicht verschlossene Oberflächen fließt und rath/Tathoff, 2002]
weisen somit auf Risse hin. Um der mensch-
lichen Trägheit auszuweichen, die es vor-
zieht, leicht zugängliche Stellen zu besichti-
gen, ist es vorteilhaft, die zu überprüfenden
Flächen der Beschichtung nach einem
Zufalls­prinzip auszuwählen.
Der Dickenabbau der Deckbeschichtung
infolge Abwitterung beträgt 1 bis 5 μm/Jahr
und ist ein natürlicher Vorgang, der vom
Beschichtungsstoff, der atmosphärischen
Belastung und dem „Kleinklima“ der je­
weiligen Fläche (Wetterseite, Schlagregen,
Belüftung, Ablaufen des Regens usw.) ab-
hängt.
Bekommt die Deckschicht Risse (Bild Bild 11.4.3-2   Abblättern von Beschichtungs-
11.4.3-1) oder bilden sich Blasen, ist die teilen [Vollrath/Tathoff, 2002]
Schutzwirkung der Deckschicht stark be-
einträchtigt. Damit wird der Korrosions-
prozess beschleunigt.
Blättern Beschichtungsteile (Bild 11.4.3-2)
oder ganze Beschichtungsaufbauten ab, so
wurde die Beschichtung auf feuchte Flä-
chen aufgebracht oder die einzelnen Schich-
ten gingen systembedingt keine Verbin-
dung ein (kein Anlösen der vorherigen
Beschichtung). Durch das Abblättern von
Schichten kann die Wirkung des Korrosi-
onsschutzes völlig aufgehoben werden.
Ist die Fläche mit punktförmigen Rost-
bildungen (Bild 11.3.3-3) übersät, kann
mangelnde Oberflächenvorbereitung, zu Bild 11.4.3-3   Punktflächige Rostbildungen
geringe Schichtdicke in Verbindung mit [Vollrath/Tathoff, 2002]
1048 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Bild 11.4.3-4   Flächige Rosterscheinungen [Vollrath/Tathoff, 2002]

Porenbildung oder aggressiven Ablagerun- Spaltkorrosion tritt vor allem bei genie-
gen die Ursache sein. Punktrostbildung teten und geschraubten Tragwerken oder
zwingt noch nicht zum Ausbessern, zeigt Tragwerksteilen (Stößen, Anschlüssen) auf,
aber, dass eine baldige Erneuerung des Kor- wenn die aufeinanderliegenden Flächen­
rosionsschutzes angebracht ist. an den Rändern nicht dicht gelagert sind
Flächige Rosterscheinungen in großem (Bild 11.4.3-6). Durch das Eindringen von
Umfang erfordern zur Sanierung eine voll- Feuchtigkeit mit unterschiedlichem Sauer-
ständige Erneuerung des Korrosions- stoffangebot entstehen lokale elektroche-
schutzes in kurzer Zeit (Bild 11.4.3-4). mische Elemente, die zur Auf­lösung des
Bisweilen kann auch die Beschichtung in Eisens führen. Der Beginn der Spaltkorro-
Ordnung sein und der Untergrund starke sion macht sich durch Rostfahnen bemerk-
Unterrostungen zeigen (Bild 11.4.3-5). bar. Schließlich kommt es wegen des mehr-
Auch in diesem Fall ist die Beschichtung zu fachen Volumens des Rosts zu Rostauf­
erneuern. treibungen und damit auch zu erhöhter,­
die Ermüdungsfestigkeit vermindernder
Kerbwirkung. Spaltkorrosion wird saniert,
indem die Spaltflächen durch das Aus­
räumen des Rosts in diesen soweit wie
möglich zugänglich gemacht werden, Kor-
rosionsschutz wieder aufgebracht und
zum Abschluss abgedichtet wird.
In seltenen Fällen, wo Baustahl mit an-
deren Metallen oder hochlegierten Stählen
unter Einwirkung von Feuchtigkeit in Ver-
bindung kommt, kann Kontaktkorrosion
entstehen, wobei das unedlere Metall kor-
rodiert.
Bild 11.4.3-5   Unterrostung des Untergrunds
[Vollrath/Tathoff, 2002]
11.4 Überwachung und Prüfung von Brückenbauwerken 1049

Bild 11.4.3-6   Spaltkorrosion [Vollrath/Tathoff, 2002]

11.4.3.4 Schweißnähte

Schweißnähte und durch sie verursachte


strukturelle und konstruktive Kerben sind
oft Ausgangspunkt von Ermüdungsrissen,
die erst nach Betrieb der Brücke auftreten
(Bild 11.4.3-7). Diese Risse können sowohl
in der Schweißnaht als auch in der Wärme-
einflusszone beginnen. Gelegentlich machen
sich auch Lamellenbrüche im Einflussbe-
reich der Nähte erst später bemerkbar.
Bei jeder Brückenprüfung sollen deshalb
vorher nach einem Zufallsprinzip festgeleg-
te Anteile von durchgeschweißten und
nicht durchgeschweißten Nähten geprüft
werden. Risse bis zur Oberfläche zeichnen
sich eventuell durch Farbabplatzungen oder
Rostfahnen ab. Bei Verdacht auf Oberflä-
chenrisse wird das Farbeindringverfahren
angewandt, bei dem vorher die Naht gründ-
lich gereinigt werden muss. Bei der Magnet-
pulverprüfung kann eventuell auch ein Riss
unter der Farbe festgestellt werden. Durch- Bild 11.4.3-7   Schweißnähte als Ausgangspunkt
geschweißte Nähte können mittels Durch- von Ermüdungsrissen [Vollrath/Tathoff, 2002]
strahlungs- oder Ultraschallprüfung auf
beginnende Nahtrisse untersucht werden.
Für jeden festgestellten Fehler sollen unab-
1050 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

hängig vom vorher festgelegten Prüfum- dungsmittel (üblicherweise 5 bis 20%) ist
fang jedenfalls zwei weitere gleichartige vorher festzulegen, wobei der Ort ebenfalls
Stellen geprüft werden. Sollten wieder nach einem Zufallsprinzip festzulegen ist.
­Fehler festgestellt werden, sind je Fehler Für jeden lockeren Niet und für jede nicht
zwei weitere Stellen zu prüfen. Bei dieser voll angezogene Schraube sind zwei weitere
Methode kommt man sehr schnell bei sys- in der Umgebung bzw. an gleichartigen
tematischen Fehlern zur Prüfung aller Stellen zu prüfen, usw.
gleichartigen Stellen.

11.4.3.6 Seile und Zugelemente


11.4.3.5 Niete und Schrauben
Seile und Zugelemente unterscheiden sich
Der lockere Sitz von Nieten und Schrauben von der übrigen Stahlkonstruktion im All-
lässt sich oft an Beschädigungen des An- gemeinen durch ihre hohe Festigkeit, ihre
strichs und an Rostfahnen im Bereich der geringe Bruchdehnung und meist auch
Nietköpfe bzw. der Schraubenköpfe und durch eine große innere Oberfläche. Da-
der -muttern nachweisen. Durch Abklopfen durch werden sie auch für Spannungs-
der Nietköpfe mit einem leichten Nietham- risskorrosion anfällig (Bild 11.4.3-8).
mer (< 0,3 kg Gewicht) lassen sich lockere Da sie meist einen entscheidenden Ein-
Niete feststellen. HV-Schrauben in GV-Ver- fluss auf die Tragfähigkeit des Bauwerks
bindungen sollten durch Nach­spannen ge- haben, ist ihre Überprüfung besonders
prüft werden. Dazu ist der Drehmomenten- wichtig. Dazu muss das Zugelement auf
schlüssel wegen der gegenüber der Gleitrei- seiner ganzen Länge besichtigt werden. Die
bung höheren Haftreibung um 10% höher Besichtigung kann mit einer kompletten
als für das Anziehen einzustellen. Mit dem Ausrüstung von einem Steiger, von einer
so eingestellten Drehmomentenschlüssel Besichtigungseinrichtung auf einem geson-
sollte ein Weiter­drehen nicht möglich sein. derten Tragseil oder von einem Kabel­
Die Anzahl der zu überprüfenden Verbin- fahrgerät aus erfolgen (Bild 11.4.3-9). Durch

Bild 11.4.3-8   Oberflächenkorrosion [Vollrath/Tathoff, 2002]


11.4 Überwachung und Prüfung von Brückenbauwerken 1051

Bild 11.4.3-9   Besichtigung des Zugelements [Vollrath/Tathoff, 2002]

Bild 11.4.3-10   Verankerungspunkt [Vollrath/Tathoff, 2002]  


1052 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Bild 11.4.3-11   Magnetinduktive Prüfung von Seilen [Vollrath/Tathoff, 2002]

eine äußere Sichtprüfung kann der Zustand der, Abdichtung und Belag, abweisende
des äußeren Korrosionsschutzes festgestellt Schutzeinrichtungen, ein etwaig vorhande-
werden. Bei Seilen sind auch Brüche von ner Oberleitungsschutz sowie auf der Brü-
Drähten der äußersten Lage, der Zustand cke befindliche Lärmschutzwände. Alle
von Verkittungen und das Bluten der Seile diese Elemente sind im Zuge einer Brücken-
visuell festzustellen. Die Stellen, bei denen prüfung zu kontrollieren.
die meisten Schäden auftreten, sind die Ver-
ankerungspunkte, die meist schwer oder
nicht zugänglich sind (Bild 11.4.3-10). Mit 11.4.4.1 Lager
einem Endoskop können in vielen Fällen
auch diese Bereiche besichtigt werden. In einem ersten Schritt werden der äußere
Drahtbrüche im Inneren von Seilen Zustand und die Stellung des Lagers über-
und Bündeln können mit einem auf Ba­ prüft. Die Überprüfung der Lagerstellung
sis magnetinduktiver Verfahren arbeiten- ist von besonderer Bedeutung, da Lager
den Seilprüfgerät festgestellt werden (Bild teilweise um 90° verdreht eingebaut wur-
11.4.3-11). Auch hier kann die Anwendung den und so ihre Bewegung verhindert wird.
nur auf der freien Strecke und nicht im Be- Existiert eine intakte Anzeigevorrichtung,
reich von Seilköpfen und Verankerungen kann die Lagerstellung direkt abgelesen
erfolgen. werden. Andernfalls muss die Ist-Stellung
Bei Verdacht auf ernstliche Beschädi- gemessen und unter Berücksichtigung der
gung eines Zugelements sollte dieses aus­ Bauwerkstemperatur mit der Soll-Stellung
gebaut und eingehend in einer Prüfanstalt verglichen werden.
untersucht werden. Je nach Lagertyp sind anschließend
unterschiedliche Prüfungen und Kontrol-
len erforderlich. Bei Rollenlagern müssen
11.4.4 Prüfung der Brückenausstattung die Rollflächen auf Verschmutzung, Kor-
rosion und Beschädigungen überprüft
Die wesentlichen Elemente der Brücken- werden. Zusätzlich ist festzustellen, ob das
ausstattung sind Lager, Fahrbahnüber- Abrollen der Lagerteile zwängungsfrei
gangskonstruktionen, Randkappen, Gelän- möglich ist.
11.4 Überwachung und Prüfung von Brückenbauwerken 1053

Bei bewehrten und unbewehrten Elasto- trollieren. Unterläufigkeiten und Durch-


merlagern muss der kraftschlüssige Sitz zur feuchtungen beginnen zumeist in der Fuge
Konstruktion überprüft werden. Zeigen zwischen Vorbord und Fahrbahn und in der
sich Risse im Elastomer, so ist dies ein Hin- Fuge am Bauwerksende. Daher ist in diesen
weis auf eine Überbeanspruchung des Bereichen besonders auf etwaige Fehlstel-
Lagers. len und ein gut haftendes Vergussmaterial
zu achten.

11.4.4.2 Fahrbahnübergangskonstruktionen
11.4.4.5 Lärmschutzwände
Fahrbahnübergänge sind wegen der stän­
dig steigenden Verkehrslasten stark bean- Der allgemeine Zustand der Lärmschutz-
sprucht. Im Zuge der Brückenprüfung ist wand auf der Brücke wird festgestellt, wobei
zu kontrollieren, ob sich die Übergänge frei die Verankerungskonstruktion von großer
bewegen können und der Abstand zwi- Bedeutung ist. Durch Abklopfen können
schen Widerlager und Überbau ausrei- Hohlstellen im Bereich der Unterstopfung
chend groß ist. Je nach Konstruktionstyp der Fußplatten festgestellt werden.
sind zusätzlich die Funktionsfähigkeit der
Gleitlager zwischen einzelnen Teilen der
Konstruktion sowie der Steuerungsein- 11.4.5 Prüfung der Brückenausrüstung
richtungen, der Zustand der Federkästen,
der Federn, Bolzen und Führungen, die Zu den zu prüfenden Elementen der Brü-
Dichtigkeit der Gummiprofile im Bereich ckenausrüstung gehören die Entwässe-
der Baustellenstöße sowie die Schienen- rung, Leitungen und Kabel, Besichtigungs-
auszüge zu überprüfen. einrichtungen, die Brückenbeleuchtung
sowie Beschilderungen und Verkehrs­
zeichenbrücken [Vollrath/Tathoff, 2002].
11.4.4.3 Randkappen und Geländer Die Durchführung der Prüfung richtet sich
dabei im Wesentlichen nach der Zugäng-
Das äußere Erscheinungsbild der Kappen lichkeit der einzelnen Elemente und ist
ist festzustellen. Besonderes Augenmerk ist ­integraler Bestandteil jeder Brücken­
dabei auf Risse und Tausalzschäden zu prüfung.
legen.
Bei den Geländern sind die Höhe sowie
die lichten Abstände zwischen den Füllstä- 11.4.5.1 Entwässerung
ben zu kontrollieren. Von besonderer Be-
deutung ist zudem die Kontrolle der Veran- Eine funktionierende Entwässerung ist für
kerungselemente des Geländers sowie die die Dauerhaftigkeit der Brücke von zentra-
Überprüfung des Korrosionszustands von ler Bedeutung, weshalb im Zuge der Prü-
Geländer und Verankerung. fung den Entwässerungselementen beson-
deres Augenmerk gewidmet werden muss.
Idealerweise wird die Funktionsfähigkeit
11.4.4.4 Abdichtung und Belag der Bestandteile der Brückenentwässerung,
das sind Abläufe am Fahrbahn- und Geh-
Der Brückenbelag ist auf Ebenheit, Spur­ wegrand sowie auf Pfeilern und Wider­
rinnen, Risse, Blasen, Ausbrüche, Rauig- lagern, Längs-, Quer- und Fallleitungen
keit sowie Dichtigkeit der Fugen zum Fahr- sowie Revisionsöffnungen und Übergabe-
bahnübergang, Ablauf und Vorbord zu kon- schächte in Kastenträgern und an den Bau-
1054 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

werksenden, bei Regen überprüft. Nur so -stege sowie Einstiege und Treppen zum
kann sichergestellt werden, dass das anfal- Einsteigen in Überbauten oder Pfei­ler. Wei-
lende Wasser auch tatsächlich planmäßig terhin sind Absturzsicherungen, Schutzge-
abgeleitet wird. länder und etwaig vorhandene B­elüftungen
Zusätzlich wird die Funktionsfähigkeit bzw. Innenbeleuchtungen Teil der Besichti-
der Abdeckroste sowie der Schmutzfang­ gungseinrichtungen. Der Zustand und die
eimer festgestellt. Um Versandungen der Funktionsfähigkeit all ­dieser Besichtigungs-
Längsleitungen erkennen zu können, müs- einrichtungen sind zu überprüfen.
sen die Revisionsöffnungen geöffnet wer-
den. Auch die Übergabeschächte hinter den
Widerlagern sind im Zuge der Brückenprü- 11.4.5.5 Beschilderungen
fung zu untersuchen, da die gesamte Brü- und Verkehrszeichenbrücken
ckenentwässerung nicht funktionsfähig ist,
wenn das Wasser im Übergabeschacht nicht Es muss überprüft werden, ob die erforder-
abfließen kann [Vollrath/Tathoff, 2002]. liche Beschilderung auch tatsächlich vor-
handen und funktionsfähig ist. Bei Ver-
kehrszeichenbrücken stellten oftmals die
11.4.5.2 Beleuchtung Verankerungen im Überbau Problemstel-
len dar, welche aufgrund von windindu-
Die Brückenbeleuchtung ist auf Korrosion, zierten Schwingungen zu Ermüdungsbrü-
Ausbeulungen oder Anfahrschäden hin zu chen neigen können. Deshalb sind die Be-
untersuchen. Ähnlich wie bei den Brü- festigungselemente besonders sorgfältig zu
ckengeländern besteht auch bei den Be- prüfen.
leuchtungsmasten die Gefahr, dass sie von
innen zu rosten beginnen. Die Veranke-
rungen der Beleuchtungskörper, der An- 11.5 Zustandsbewertung
schluss an den Überbau und der Fugenver-
guss sind ebenfalls zu kontrollieren. Es
und -beurteilung von Brücken
muss sichergestellt werden, dass keine Teile
Eva-Maria Eichinger-Vill
der Beleuchtung auf die Fahrbahn fallen
und Johann Kollegger (bis 11.7)
können.
11.5.1 Allgemeines
11.4.5.3 Leitungen und Kabel
Die im Zuge der Überwachung und Prü-
fung einer Brücke gewonnenen Daten die-
Im Rahmen der Brückenprüfung werden
nen als Grundlage zur Bewertung der Kon-
der äußere Zustand sowie die Aufhän-
struktion nach den Kriterien
gungen aller Leitungen (Wasser- und Gas-
rohre etc.) überprüft und die Dilatations- • Verkehrssicherheit,
möglichkeit kontrolliert. • Tragfähigkeit und
• Dauerhaftigkeit.
In folgenden Fällen ergibt sich die Notwen-
11.4.5.4 Besichtigungseinrichtungen
digkeit, die Tragfähigkeit eines bestehen-
den Brückenobjekts zu überprüfen:
Besichtigungseinrichtungen dienen dazu,
die Inspektion der Konstruktion zu erleich- • bei Festellen von Bauschäden (z. B. Risse
tern und umfassen Besichtigungswagen und und Verformungen, Korrosion)
11.5 Zustandsbewertung und -beurteilung von Brücken 1055

• bei Eingriffen in die Tragstruktur (Um- neralisiert, da sie ja für verschiedenste


bau/Verstärkung) Brückentypen und -geometrien gültig sein
• bei Verkehr von Schwertransporten müssen. Die Tatsache, dass die Bestim-
(Schwertransport: Belastungsmodell, das mungen in den Normen teils stark verallge-
höhere Beanspruchungen im Bauwerk meinert sind und daher für eine Vielzahl
hervorruft als das der Berechnung des unterschiedlicher Fälle angewendet werden
Bauwerks zugrunde gelegte Modell) können, ist in vielen Fällen sehr wirtschaft-
• bei Einführung höherer Streckenklassen lich, da sich damit sowohl die Lastannah-
(Erhöhung Achs- und Meterlasten bei men als auch die Überlegungen hinsichtlich
Eisenbahnbrücken) der Zuverlässigkeit relativ einfach gestalten.
• bei Feststellen von konstruktiven Män- Zudem sind im Falle des Neubaus einer
geln Brücke die zusätzlichen Kosten, die aus ei-
• nach außergewöhnlichen Ereignissen ner Generalisierung resultieren, marginal.
• bei Auftreten neuer Kenntnisse, die Anders stellt sich jedoch die Situation für
Tragfähigkeit betreffend den Fall einer Instandsetzung oder Verstär-
kung einer bestehenden Brücke dar. Die in
Die Zustandsbewertung und -beurteilung den Entwurfsnormen vorgeschriebenen
von bestehenden Objekten erfordert gegen- Nachweise können oft nicht mehr erbracht
über der Neuberechnung eine erheblich werden, was zum Einsatz teurer Maßnah-
wirklichkeitsnähere Modellierung des Trag- men oder sogar zum Abbruch eines Bau-
verhaltens, stellt höhere Genauigkeitsan- werks führen kann.
sprüche und verlangt Nachweise mit meist Bei der Beurteilung eines bereits beste-
höherem Berechnungsaufwand. henden Bauwerks können einige Faktoren
berücksichtigt werden, die bei der Planung
einer neuen Brücke nur abgeschätzt werden
11.5.2 Verfahren zur Zustandsbewertung können. Speziell die Kenntnis der tatsäch­
von Brücken lichen Festigkeit der Materialien, des Elas­
tizitätsmoduls, der ständigen Einwirkun­
Für die Beurteilung einer Massivbrücke gen und der Verkehrslasten ermöglichen
und zur Ermittlung der Notwendigkeit ei- eine sehr wirklichkeitsnahe Berechnung.
ner Ertüchtigung und Verstärkung muss Jedoch muss bei der Beurteilung bereits
die noch vorhandene Tragfähigkeit mög- bestehender und der Nutzung unterlie-
lichst wirklichkeitsnah untersucht werden. gender Bauwerke berücksichtigt werden,
Die derzeit übliche Vorgehensweise zur Be- dass z. B. aufgrund des Vorhandenseins
urteilung der Tragfähigkeit einer bestehen- von Schäden mit einer, gegenüber neuen
den Brücke basiert auf den einschlägigen Bauten, reduzierten Restlebensdauer zu
Normen und Richtlinien, die in den jewei- rechnen ist. Es ist auch auf das unterschied-
ligen Ländern zur Beurteilung von Bauwer- liche Verhalten alter und neuer Bauwerks-
ken herangezogen werden oder den Be- teile zu achten. In diesem Zusammenhang
stimmungen der jeweiligen Eurocodes. kann jedoch unter der Berücksichtigung
Dabei handelt es sich zumeist um Regel- aller Rahmenbedingungen in vielen Fällen
werke für den Entwurf neuer Bauwerke. In eine ausreichende Zuverlässigkeit gegen
den meisten Fällen beruhen die Normen ein Versagen des Bauwerks erreicht wer-
auf semi-probabilistischen Ansätzen mit den. Kann diese nicht gewährleistet wer-
Teilsicherheitsbeiwerten und sind, was die den, dann müssen entsprechende Ertüchti-
Anforderungen an die Zuverlässigkeiten, gungs- und Verstärkungsmaßnahmen an-
aber auch die Lasten angeht, sehr stark ge- gesetzt werden.
1056 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Tabelle 11.5.2-1  Vergleich von alten und neuen Nachweisverfahren bei der Beurteilung einer
bestehenden Brücke
Vergangenheit Gegenwart Zukunft
Nachweis auf der Basis der Betrachtung der kritischen Berücksichtigung der
Grenzwertlinien nach der Belastungskonfiguration und tatsächlichen Eigenschaf-
elastischen Berechnung Anwendung der statischen Me- ten einer Brücke mit Hilfe
thoden des Traglastverfahrens probabilistischer Nach-
weisverfahren
Nachweis der Tragelemente Vergleich der Beanspruchung Betrachtung der maßge-
durch die Einhaltung der (Schnittkräfte) mit der Bean- benden Grenzzustands-
zulässigen Spannungen spruchbarkeit (Querschnitts­ funktion
widerstand)
Starke Vereinfachung der Softwareeinsatz ermöglicht die Durchführung einer nicht-
statischen Systeme Berücksichtigung komplizierter linearen Berechnung
räumlicher statischer Systeme

Der Stand der Technik ist, den Nachweis neuer Tragwerke – langjährig unter Erpro-
der vorhandenen Tragfähigkeit nach den bung gestanden und lassen somit Rück-
heute gültigen Bemessungsregeln durchzu- schlüsse auf das reale Tragverhalten zu. Bei
führen. Durch den Einsatz neuer innovati- Fehlen von Bauschäden und konstruktiven
ver Methoden können gegenüber den alten Mängeln kann festgestellt werden, dass sich
Nachweisverfahren aber oft noch Reserven diese Tragsysteme bewährt haben. Umge-
mobilisiert werden. Wie sich die Nachweis- kehrt können Bauschäden und konstrukti-
verfahren der Gegenwart gegenüber denen ve Mängel ebenfalls Rückschlüsse auf das
der Vergangenheit geändert haben [Schäfer, Tragverhalten geben.
1996] und in der Zukunft verbessert werden Bei der Bewertung von Brücken kann
können, wird in der Tabelle 11.5.2-1 darge- davon ausgegangen werden, dass das Bau-
stellt. werk nach den zum Zeitpunkt der Errich-
tung geltenden technischen Regeln geplant
und ausgeführt wurde, sofern keine gegen-
11.5.2.1 Stufen der Tragfähigkeitsbewertung teiligen Hinweise aufgrund von Bauwerks­
prüfungen, aus Archivunterlagen oder an-
Die Bewertung von Bestandsobjekten erfor- deren Quellen bekannt sind (Vertrauens-
dert gegenüber dem Entwurf eine erheblich prinzip). Dabei hat sich die Bewertung der
wirklichkeitsnähere Modellierung des Trag- Tragfähigkeit jedoch auf die festgestellten
verhaltens, stellt höhere Genauigkeitsan- Fakten zu stützen.
sprüche und verlangt Nachweisführungen Besteht hinsichtlich der Quantifizierung
mit meist höherem Berechnungsaufwand. der Risiken eine grobe Unsicherheit (z. B.
Weiterhin werden Kenntnisse des Normen- technologische Kennwerte, Bruchverhalten
wesens und der Materialtechnologie zum von Baustoffen bzw. einwirkende Kräfte aus
Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerks ge- Erddruck), so sind ergänzende Untersu-
fordert. chungen anzustellen oder einschlägige Ex-
Unter Betrieb befindliche Bestandsbau- perten beizuziehen mit dem Ziel, die rele-
werke sind – im Gegensatz zum Entwurf vanten Werte, allenfalls gekoppelt mit
11.5 Zustandsbewertung und -beurteilung von Brücken 1057

statis­tischen Parametern, festzustellen. So- allgemeine Zuverlässigkeitsniveau, auf dem


fortmaßnahmen bis zur endgültigen Beur- die Norm beruht, eingehalten wird. Das
teilung sind dann angezeigt, wenn zu sol- Ziel des Einsatzes probabilistischer Metho-
chen Unsicherheiten weitere Risikofaktoren den ist, Kosten für die Sanierung oder Ver-
(z. B. sehr schlechter Erhaltungszustand, stärkung eines Bauwerks zu reduzieren
bedenkliche Schäden) dazu kommen. oder gänzlich zu vermeiden, ohne jedoch
Die Beurteilung der Tragfähigkeit einer die Zuverlässigkeit oder die Sicherheit einer
bestehenden Brücke kann demnach in drei bestehenden Brücke aufs Spiel zu setzen. Die
Stufen erfolgen (Bild 11.5.2-1). geforderte Zuverlässigkeit für eine mit Hilfe
probabilistischer Methoden beurteilte Brü-
• Stufe 1:
cke ist somit gleich hoch wie für alle nach
Die Berechnung erfolgt nach dem letzt-
derzeit gültiger Norm neu entworfenen Bau-
gültigen Normenstand.
ten. Bei der Berechnung werden sowohl die
• Stufe 2:
statistischen Streuungen der Materialeigen-
Die Berechnung erfolgt unter Verwen-
schaften der untersuchten Brücke als auch
dung aktualisierter Daten auf der Ein­
die lokale Verkehrssituation und die daraus
wirkungsseite, der Widerstandsseite
resultierenden Verkehrslasten einheitlich
­einschließlich Modellbildung und der
berücksichtigt. Somit wird mit Hilfe des vor-
Sicherheits­seite (Kalibrierung der Teil­
gestellten Verfahrens eine „Norm“ für eine
sicherheits­bei­werte).
bestimmte Brücke entworfen [Enevoldsen,
• Stufe 3:
2001 und Eichinger, 2003].
Die Berechnung erfolgt unter Anwen-
Weiters wird es erst durch den probabi-
dung einer probabilistischen Analyse. So
listischen Ansatz möglich, Informationen
kann das Zuverlässigkeitsniveau be-
aus Brückeninspektionen sowie Material-
stimmt und mit dem der entsprechenden
untersuchungen, aber auch Verkehrslast-
Normen (z. B. [EN 1990, 2002]) ver­
messungen direkt in die Berechnung einflie-
glichen werden.
ßen zu lassen, ohne dass eine Umrechnung
Selbstverständlich muss die Beurteilung auf normgemäße Werte erfolgen muss. Das
der Tragfähigkeit nicht in allen Stufen er- Ziel solcher Inspektionen und Untersu-
folgen. Können beispielsweise in der Stufe chungen ist, detailliertere Informationen
1 alle Nachweise erfüllt werden, so ist die über das Verhalten eines Bauwerks zu
Beurteilung der Brücke damit abgeschlos- erhalten und somit die Unsicherheiten und
sen und die Stufen 2 und 3 müssen nicht Streuungen zu reduzieren. Ergebnisse die-
untersucht werden. ser Untersuchungen sind zumeist Mittel-
werte und Standardabweichung von Vari-
ablen auf der Einwirkungs- oder Wider-
11.5.2.2 Beurteilung der Zuverlässigkeit standsseite, wie z. B. Mittelwert und Streu-
der Brücke ung der Betondruckfestigkeit von aus dem
Bauwerk entnommenen Bohrkernen. Die-
Die Vorgehensweise bei der Beurteilung se Ergebnisse können direkt bei der proba-
einer bestehenden Brücke mit Hilfe proba- bilistischen Untersuchung berücksichtigt
bilistischer Methoden (Beurteilung nach werden. Im Gegensatz dazu ist es oft
Stufe 3 in Bild 11.5.2-1) beruht auf dem ­unmöglich, derartige Zusatzinformationen
Konzept, dass die untersuchte Brücke nicht in vernünftiger und konsistenter Art und
alle Nachweise und Forderungen einer Weise mit den Bestimmungen der Nor-
Entwurfsnorm erfüllen muss, solange das men, die ja auf Bemessungswerten und
1058 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Bild 11.5.2-1   Stufen der Tragfähigkeitsbewertung


11.6 Brückenmanagement 1059

Teilsicherheitsbeiwerten beruhen, zu kom­


binieren.
Ein weiterer Vorteil der probabilistischen
Beurteilung ist die Bestimmung des tatsäch-
lichen Zuverlässigkeitsniveaus einer be-
stimmten Brücke. Bei Verwendung der
Norm sind zwar Aussagen über die Trag­
reserven der Konstruktion durch Vergleich
der rechnerischen Tragfähigkeit mit der Be-
anspruchung unter Gebrauchslast und eine
Klassifizierung in „sicher“ und „nicht sicher“
möglich. Ob das Zuverlässigkeits­niveau der
untersuchten und laut Norm als „sicher“
klassifizierten Brücke aber bei 10-6 oder 10–15
liegt, kann nicht ermittelt werden. Doch
nur eine Bestimmung des Zuverlässigkeits- Bild 11.5.2-2   Veränderung des Zustands einer
niveaus, auf dem sich das Bauwerk befin- Brücke im Laufe der Zeit (nach [Mallet, 1996])
det, erlaubt eine Abschätzung der Entwick-
lung der Zuverlässigkeit über die Zeit. Die
zeitliche Entwicklung der Zuverlässigkeit wirtschaftlicher ist. Ist eine Ertüchtigung
ist eine wichtige Grundlage für ein opti- sinnvoll, so soll ein Verfahren, das die Her-
miertes Erhaltungsmanagement, da so ein stellung der vorgesehenen Art der Nutzung
hinsichtlich des Zusammenspiels zwischen möglichst rasch und effizient ermöglicht,
Wirtschaftlichkeit und Sicherheit optima- gewählt werden. Der Entscheidungsfin-
ler Brückenmanagementplan aufgestellt dungsprozess kann durch Bild 11.5.2-3 er-
werden kann. So können z. B. Inspektionen leichtert werden [König/Nowak, 1992].
sowie Instandsetzungs- und Verstärkungs- Ist die Entscheidung zugunsten einer
maßnahmen entsprechend dem Manage- Instandsetzungs- oder Verstärkungsmaß-
mentplan zum optimalen Zeitpunkt durch- nahme gefallen, hängt die Wahl eines geeig-
geführt werden. neten Verfahrens von den jeweiligen Rah-
menbedingungen ab und muss für jedes
Problem speziell formuliert werden.
11.5.2.3 Entscheidungsfindung Abbruch
oder Ertüchtigung
11.6 Brückenmanagement
Der Zustand einer Massivbrücke ver-
schlechtert sich im Laufe der Zeit und er- 11.6.1 Allgemeines
reicht zu einem gewissen Zeitpunkt ein
Minimum, bei dem die vorgesehene Im Zuge der Überwachung, Prüfung und
­Nutzung nicht mehr erfüllt werden kann Instandhaltung von Brücken fällt in Ab-
(Bild 11.5.2-2). Art und Geschwindigkeit hängigkeit von der Bauwerksart und der
der Verschlechterung hängen im Wesent­ Bauwerksgröße eine Vielzahl von Daten an.
lichen von den Korrosionsmitteln ab. Mit Hilfe eines computergestützten Brü-
Ist der Grenzzustand erreicht, muss ent- ckenmanagementsystems (BMS) können
schieden werden, ob eine Ertüchtigung diese Daten erfasst und verwaltet werden.
noch sinnvoll oder ein Ersatz des Bauwerks Für die Bauwerksinstandhaltung sind fol-
1060 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Bild 11.5.2-3   Entscheidungsfindung im Rahmen der baulichen Brückenerhaltung

gende Gruppen von Daten von besonderer 11.6.2 Brückenmanagement­s ysteme


Bedeutung:
Softwaregestützte Systeme zum Brücken-
• Bauwerksdaten, die das Bauwerk be- management (z. B. SIB-Bauwerke, BAUT
schreiben oder KUBA) sind Hilfsmittel für die Archi-
• Schadensdaten, die das Ergebnis einer vierung und Dokumentation aller rele-
Brückenprüfung sind und den aktuellen vanten Substanzdaten der Bauwerke. Zu-
Zustand der Brücke beschreiben sätzlich können diese Systeme – je nach
• Kostendaten, die sich aus der Instand- Grad der Entwicklung – in technischer und
haltung, Instandsetzung und Verstär- finanzieller Hinsicht bei der Erhaltungs­
kung der Konstruktion ergeben planung und dem Erhaltungsmanagement
hilfreich sein.
11.6 Brückenmanagement 1061

Die wesentlichen Aufgaben solcher Sys- Neben der Objektdatenbank ist die Zu-
teme liegen in der Erfassung und Verwal- standsdatenbank von zentraler Bedeutung.
tung der Brückenobjekte, der Verwaltung Die Zustandsdatenbank soll so aufgebaut
und Archivierung digitaler Bauwerksdoku- sein, dass die Ergebnisse der Brücken­
mente, dem Erstellen digitaler Bauwerks­ prüfungen direkt gespeichert werden kön-
bücher, der Planung von Inspektionen, der nen. Es ist jedoch anzumerken, dass unter-
Erfassung und Auswertung von Schadens- schiedliche Programmsysteme verschie­
daten, der Erstellung von Bauwerksprüfbe- dene Klassifizierungen und Mechanismen
richten, der Auswertung von Konstrukti- der Zustandsbewertung im Hinblick auf
ons- und Schadensdaten sowie der Abschät- Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und
zung der Lebensdauer der Bauwerke. Dauerhaftigkeit enthalten. Generell wird
Den Kern jedes Brückenmanagementsy- bei der Prüfung das Bauwerk in Bauteile
stems bildet die sogenannte Objektdaten- untergliedert, die sich aufgrund ihrer Geo-
bank, in der die charakteristischen Eigen- metrie, Funktion, der benutzten Konstruk-
schaften und Attribute, das sind technische tionsmaterialien oder ihrer Herstellmetho-
Daten sowie Verwaltungsdaten der Brücke, de voneinander unterscheiden. So kann
enthalten sind (Tabelle 11.6.3-1). eine Brücke beispielsweise aus den Bautei-
Die Objektdatenbank dient somit neben len Überbau, Unterbau, Lager, Fahrbahn­
der reinen Archivierung auch als „elektro- übergang etc. bestehen. Diese Bauteile kön-
nisches“ Bauwerksbuch, enthält sie doch nen weiter in einzelne Inspektionselemente
idealerweise auch Konstruktionszeich- unterteilt sein, welche im Zuge der Prüfung
nungen, Datenblätter, Materialinforma­ mit Hilfe von Noten bewertet werden. Die
tionen, Fotos und Skizzen, Textdokumente Schäden werden qualitativ und quantitativ
und Messdaten. Mit Hilfe der mit der erfasst. Diese inspektionselementbezo-
Objekt­datenbank verknüpften Auswerte- genen Informationen sind in der Zustands-
module können die erfassten Daten durch- datenbank enthalten. Mit den Informati-
sucht, gefiltert, gruppiert, analysiert und onen in der Zustandsdatenbank und dem
aufbereitet werden [Bergmeister/Santa, Schadensausmaß kann bestimmt werden,
2004]. welche Maßnahmen in Frage kommen.

Tabelle 11.6.3-1  Informationen der Objektdatenbank


Allgemeine Verwaltungsdaten Bauwerksname, Bauwerksnummer, Eigentümer, Baujahr,
Baukosten, Erhalter, Datum der letzten Prüfung
Allgemeine technische Daten Bauwerksart, statisches System, Hauptbaustoff, Tragfähigkeit
Geometrie Bauwerksfläche, Gesamtlänge, Gesamtzahl der Felder,
Stützweiten, Querschnitt, Breite zwischen den Geländern,
Breite des lichten Querschnitts, lichte Höhen bzw. Wand­
höhen, Fahrbahnbreiten, Gehwegbreiten
Materialien Konstruktion, Spannverfahren, Fahrbahnbelag und -abdich-
tung, Gehwegbelag, Korrosionsschutz
Ausstattung Entwässerung, Lager, Fahrbahnübergänge, maschinelle
Einrichtungen, Sicherheitseinrichtungen
Unterlagen Bauwerksakten, Bauwerksbuch, Mikrofilme
1062 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Neben den Grundmodulen Objekt­ Mess- und Computertechnik, Datenerfas-


datenbank und Zustandsdatenbank kön- sung und Datenübertragung. Es gilt jedoch
nen in ein Brückenmanagementsystem der Grundsatz, dass derartige Systeme die
noch weitere Module inkludiert werden. Es herkömmliche Prüfung von Brücken durch
sind dies Module zur Abschätzung der einen qualifizierten Prüfer nicht ersetzen
Schadens­entwicklung und Prioritäten­ können, sondern als ergänzende Maßnah-
reihung, des Finanzbedarfs und der erfor- me zur Gewährleistung der Zuverlässigkeit
derlichen Budgetmittel, der Zuverlässigkeit der Konstruktionen gesehen werden sol-
der Konstruktion sowie der Lebensdauer. len.
Ein überlegter Einsatz von Systemen zur
Dauerüberwachung kann jedoch sinnvoll
sein, um Schäden in kritischen Bereichen
11.7 Kontinuierliche rechnergestützte der Konstruktionen möglichst frühzeitig zu
Dauerüberwachung erkennen oder um Kenntnisse über das
Verhalten von visuell nicht oder nur mit
11.7.1 Allgemeines großem Aufwand prüfbaren Bereichen ei-
ner Brücke (wie z. B. eingeschüttete Zug-
Unter kontinuierlicher rechnergestützter bänder, Pfeilerfundierungen, Widerlager-
Dauerüberwachung – auch Monitoring ge- rückseiten etc.) zu erhalten. Auch die Über-
nannt – versteht man eine zerstörungsfreie wachung von komplexen Bauzuständen
Prüfmethode mittels elektronischer Sen- (wie z. B. beim Einschwimmen von Kon-
soren, die an der zu überwachenden Struk- struktionen) kann sinnvoll sein und vor-
tur installiert sind und bestimmte Eigen- teilhaft zur Steuerung des detaillierten Bau-
schaften der Struktur in festgelegten Zeit­ ablaufs herangezogen werden. Zusätzlich
intervallen erfassen. Dabei können sowohl können die Ergebnisse einer Dauerüberwa-
der unbelastete als auch der belastete Zu- chung zur Überprüfung von Rechenmo-
stand aufgenommen und analysiert wer- dellen und dem Aufzeigen möglicher Trag-
den. Schäden, die im Laufe der Nutzungs- reserven sowie zur gezielten Wahl der Brü-
dauer der Brücke auftreten, können da- ckenprüfintervalle herangezogen werden.
durch detektiert, lokalisiert und vorausge-
sagt werden. 11.7.2 Festlegung eines Konzepts
Grundsätzlich werden Strategien zur für die Dauer­ü berwachung
Dauerüberwachung in zwei Gruppen un-
terteilt, globale (top-down) und lokale Zu Beginn jeder Dauerüberwachung müs-
(bottom-up) Strategien. Globales Monito- sen theoretische Überlegungen, Vorunter-
ring umfasst die globalen Eigenschaften suchungen oder Simulationen stehen.
einer Konstruktion wie das Verhalten von Darauf aufbauend ergeben sich Vergleichs-
Modalformen. Lokales Monitoring bezieht größen, für die geeignete Messgrößen ge-
sich auf bestimmte strukturspezifische wählt werden müssen. Unter den Größen
Para­meter, wie die Verzerrung (Dehnung, versteht man jene, mit denen die Eigen-
Stauchung und Gleitung) in einem be- schaften oder das Verhalten der Brücke, das
stimmten Element der Konstruktion im Zuge der Dauerüberwachung von Inte-
[Strauß et al., 2009]. resse ist, auch tatsächlich beurteilt werden
Der Dauerüberwachung kommt seit den können. Diese Vergleichsgrößen können
letzten Jahren immer größere Bedeutung zum Beispiel Verformungen oder Durch-
zu, nicht zuletzt aufgrund der fortschrei- biegungen sein, die direkt gemessen wer-
tenden Entwicklungen im Bereich der den können, aber auch Schnittgrößen, die
11.7 Kontinuierliche rechnergestützte Dauerüberwachung 1063

nicht direkt am Bauwerk messbar, aber aus che Größen sinnvollerweise erfasst und
der Messung ableitbar sind. Die Messgröße welche Sensoren aufgrund der zu erwar-
ist jene Größe, die mit der aus der Vorun- tenden Größenordnung der Messwerte ein-
tersuchung/Simulation gewonnenen Ver- gesetzt werden sollten.
gleichsgröße verknüpft werden kann. Der Für bestimmte Messgrößen ist es von
Erfolg der Dauerüber­wachungsmaßnahme großer Bedeutung, dass Nullmessungen
hängt entschieden davon ab, dass ein ein- durchgeführt werden, so z. B. für akustische
deutiger und durch eine Funktionsvor- Methoden zur Feststellung von Spannstahl-
schrift beschriebener und damit umkehr- brüchen. Ist bereits während der Planungs-
barer Zusammenhang zwischen jedem oder Errichtungsphase des Bauwerks klar,
Messwert der Messgröße und genau einem dass eine Dauerüberwachung der Kon-
Wert der Vergleichsgröße besteht [Zilch struktion erfolgen soll, so soll die Installati-
et al., 2009]. Im Falle eines Betonbauteils on von entsprechend robusten Sensoren
muss beispielsweise sichergestellt werden, bereits im Zuge des Baus erfolgen. Dadurch
dass die direkte Korrelation zwischen Mess- ist es beispielsweise möglich, die Deh-
und Vergleichsgröße nicht nur im ungeris- nungen im Bewehrungsstahl durch An-
sen, sondern auch im gerissenen Zustand bringen von Dehnmessstreifen oder faser-
gegeben ist. optischen Dehnmesssensoren zu ermitteln.
Derartige Messungen sind im Nachhinein
nur mit entsprechend größerem Aufwand
11.7.3 Messgrößen und zugehörige durch lokales Abstemmen des Betons und
Sensoren Freilegen der Bewehrung möglich, was je-
doch eine nicht genau zu definierende
Im Zuge der Dauerüberwachung werden Störung des Verbunds zur Folge hat [Zilch
folgende Messgrößen unterschieden: et al., 2009].
Aufgrund ihrer Bedeutung im Bereich
• Weggrößen (Durchbiegungen, Funda-
der Dauerüberwachung von Brücken wird
ment-, Pfeiler-, Widerlagerverfor-
im Folgenden besonders auf die Messung
mungen oder Lagerverformungen),
von Weg-, Dehnungs- und Temperaturgrö-
• Verzerrungsgrößen (lokale Bauteilbean-
ßen eingegangen. Alle Messeinrichtungen
spruchungen),
sind vor Verschmutzung und Beschädigung
• Temperaturgrößen (Umgebungs- oder
möglichst dauerhaft zu schützen.
Bauteiltemperatur),
• Beschleunigungs- und Geschwindig-
keitsgrößen,
11.7.3.1 Messung von Weggrößen
• Winkelgrößen (Pfeiler- oder Wider­
lagerverdrehungen),
Zur Messung von Weggrößen können je
• Kraftgrößen (Lagerkräfte oder Vorspan-
nach Aufgabenstellung und Messbereich
nung),
Wegaufnehmer, Lasersensoren, elektro-
• Druckgrößen (Erddruck, Luftdruck)
nische Schlauchwaagen, Seilzugsensoren,
sowie
Specklemustersensoren oder trigonome-
• Feuchtigkeitsgrößen (Beton- oder
trische Nivellements zur Anwendung kom-
Bodenfeuchtigkeit).
men.
Für jede dieser Messgrößen stehen unter- Bei Wegaufnehmern handelt es sich um
schiedliche Arten von Sensoren zur Verfü- robuste Sensoren, die gut für den Einsatz
gung. Vor der Einrichtung des Messsystems im Freien geeignet sind. Es ist eine direkte
gilt es demnach im Detail festzulegen, wel- Verbindung zum Messobjekt erforderlich,
1064 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

wobei der Messbereich von 1 mm bis wicklung und Relativverschiebungen, sind


500 mm und die Genauigkeit von 0,001 mm Lasersensoren unter anderem zusätzlich
bis 1 mm reichen. Das Messprinzip beruht anwendbar für
auf Induktion oder auf dem Prinzip der
• Entfernungsmessungen über längere
Dehnmessstreifen. Wegaufnehmer sind so-
Distan­zen (z. B. Verschiebungen von
wohl für statische als auch für dynamische
Wider­lagern oder Pfeilern zueinander,
Messungen geeignet. Die Kosten je Sensor
Ermittlung von Gewölbeverformungen),
liegen zwischen ca. € 300 und € 1.000. Mög-
• Durchbiegungsmessungen an hohen
liche Anwendungsbeispiele für Wegauf-
Brücken, sofern eine stabile Reflexions-
nehmer sind die Messung von Lagerver-
fläche vorhanden ist,
schiebungen (längs, quer und vertikal), die
• die Anwendung als Lichtschranken zur
Erfassung der statischen und/oder dyna-
Triggerung von Messdaten (z. B. das
mischen Rissverformung, die Langzeit­
Auslösen der Datenaufzeichnung nur im
rissentwicklung in Beton oder Mauerwerk
belasteten Zustand der Brücke) oder
und die Feststellung der Verformungen von
• die Messung der Konfiguration von
Dehnfugen. Ist ein Fixpunkt vorhanden,
Drehgestellen bzw. Achsabständen.
können auch Durchbiegungen und Ver-
windungen erfasst werden. Ist ein Extenso- Das Messprinzip der elektronischen
meter mit einem Wegaufnehmer verbun- Schlauchwaage beruht auf der Druckände-
den, so können Verformungen von Wider- rung, wobei eine Ankopplung an das Mess­
lagern und Stützmauern, in Hinterfüllungs- objekt notwendig ist. Schlauchwaagen eig-
bereichen und Überschüttungen sowie im nen sich ausschließlich für statische Mes-
Bereich Übergang Brücke zur freien Stre- sungen, sind sehr robust und für den Ein-
cke bestimmt werden. Ebenso sind die satz im Freien geeignet. Der Messbereich
Messungen von Bewegungen von Fels und liegt zwischen 100 mm und 1000 mm, die
Boden, verursacht durch Bruchvorgänge Genauigkeit zwischen 0,1 mm und 2 mm.
oder Rutschungen, von Setzungen und Ver- Die Kosten je Sensor liegen zwischen ca.
formungen im Untergrund von Fundamen- € 1.000 und € 1.500. Besonders geeignet
ten sowie künstlichen Hohlräumen und sind elektronische Schlauchwaagen zur
zudem jede beliebige Längenmessung Messung von Lang- und Kurzzeitdurchbie-
zwischen Ankerpunkt im Bohrloch und gungen, zur Aufnahme der Setzungen bzw.
einer Referenzfläche im Bohrlochmund Hebungen von Widerlagern oder Pfeilern,
möglich. zur Bestimmung der vertikalen Verfor-
Lasersensoren beruhen auf dem op- mungen von Bauteilen sowie Verdrehungen
tischen Messprinzip und sind sowohl für und Verwindungen. Ebenso können Ver-
statische als auch dynamische Messungen formungen in unterschiedlichen Bauzu-
geeignet, wobei ihr Einsatz im Freien eher ständen (z. B. Absenken der Brücke auf
eingeschränkt ist. Ein möglicher Vorteil provisorische Lager, Brückeneinschub,
dieser robusten Sensoren ist die Möglich- Herstellung Verbundplatte) sowie Verfor-
keit zur berührungslosen Messung. Der mungen von Hilfsstützen oder im Zuge des
Messbereich reicht von 0,1 mm bis 100 m Freivorbaus gut erfasst werden.
und die Genauigkeit von 0,0001 mm bis Das Messprinzip eines elektronischen
10 mm. Die Kosten je Sensor liegen zwi- Seilzugsensors basiert ebenso wie das eines
schen ca. € 500 und € 10.000. Neben den klassischen Wegaufnehmers auf Induktion
grundsätzlichen Anwendungsmöglich- oder auf dem Prinzip der Dehnmess­
keiten wie sie auch für andere Arten von streifen. Statische wie dynamische Mes-
Wegaufnehmern gelten, wie z. B. die Erfas- sungen sind möglich, wobei jedenfalls eine
sung von Lagerverschiebungen, Rissent- Ankopplung an das Messobjekt notwendig
11.7 Kontinuierliche rechnergestützte Dauerüberwachung 1065

ist. Seilzugsensoren sind robust und für den 11.7.3.2 Messung von Verzerrungsgrößen
Einsatz im Freien gut geeignet. Ihr Mess­
bereich beträgt 0,01 m bis 50 m, die Genau- Die Messung von Verzerrungen (Deh-
igkeit 0,1 mm bis 1 mm. Die Kosten liegen nungen, Stauchungen und Gleitungen;
zwischen ca. € 500 und € 2.000. Elektro- lokale Bauteilbeanspruchungen) kann über
nische Seilzugsensoren eignen sich für die Dehnmessstreifen oder faseroptische Deh-
Messungen von Durchbiegungen, verti- nungssensoren erfolgen.
kalen Lagerverschiebungen sowie jeder Dehnmessstreifen (DMS) beruhen auf
Relativ­verformung zwischen zwei Bautei- dem Prinzip der Wheatstoneschen Mess-
len, wie z. B. Bewegungen von Widerlagern brücke, einer Messeinrichtung zur Messung
oder Pfeilern zueinander. Ebenso können von elektrischen Widerständen ohmscher
Bewegungen der Böschung relativ zum Art (Gleichstromwiderstand) bzw. kleinen
Wider­lager sowie Hangrutschungen erfasst ohmschen Widerstandsänderungen. Dehn-
werden. messstreifen werden direkt am Messobjekt
Robuste, obwohl für den Einsatz im angebracht (geklebt), sind gut für den Ein-
Freien nur bedingt geeignete Messsysteme satz im Freien geeignet und erlauben so-
stellen auch die Specklemustersensoren dar, wohl statische als auch dynamische Mes-
die zur Messung von Rissbewegungen zur sungen. Der Messbereich beträgt 0,01% bis
Anwendung kommen, wobei eine direkte 0,5%, die Genauigkeit liegt bei 1/100 des
Verbindung zum Messobjekt notwendig ist. Messwerts. Die Sensoren selbst sind preis-
Es sind sowohl statische als auch dyna- günstig (ca. € 30). Es ist jedoch zusätzlich
mische Messungen möglich. Der Messbe- ein A/D (Analog/Digital)-Wandler erfor-
reich beträgt 0,1 mm bis 50 mm, die Genau- derlich (ca. € 500), weshalb sich die Ge-
igkeit 0,01 mm bis 1 mm. Die Kosten liegen samtkosten eines Systems bestehend z. B.
bei ca. € 500. aus 20 Sensoren schlussendlich auf
Trigonometrische Nivellements basieren ca. € 11.000 belaufen. DMS können z. B. zur
schlussendlich auf dem berührungslosen Bestimmung der Stahldehnungen zufolge
Messprinzip der Triangulation. Der Mess- Eigenlast, Belastung oder Temperatur und
bereich der eingesetzten Präzisionstheodo- zur Ermittlung von Verkrümmungen oder
liten beträgt 0,05 m bis 50 m, die Genauig- Verwindungen eingesetzt werden. Zusätz-
keit 0,5 mm bis 5 mm. Die Kosten für einen lich ist die Berechnung von Spannungen
Präzisionstheodoliten liegen bei ca. € 40.000. und Durchbiegungen aus Dehnungsmes-
Nivellements eignen sich besonders für die sungen möglich, ebenso wie die Ermittlung
Bestimmung von Lang- und Kurzzeitdurch- von Eigenspannungen oder Spannungs-
biegungen, die Ermittlung von vertikalen schwingbreiten als Grundlage für Ermü-
Verformungen von Bauteilen sowie Set- dungsuntersuchungen.
zungen oder Hebungen von Widerlagern Auch faseroptische Dehnungssensoren
oder Pfeilern. Ebenso können mittels Nivel- werden direkt ans Messobjekt angekoppelt,
lement Verformungen in unterschiedlichen sind sehr robust und gut für den Einsatz im
Bauzuständen, z. B. beim Absenken einer Freien geeignet. Der Messbereich beträgt
Brücke auf provisorische Lager oder die 0,0001% bis 0,5%, die Genauigkeit liegt bei
endgültigen Brückenlager, bei der Ver- 1/1000 des Messwerts. Statische und dyna-
schweißung von Tragwerken, beim Brü- mische Messungen sind möglich. Die
ckeneinschub oder beim Herstellen der Kosten eines Sensors belaufen sich auf
Verbundplatte oder des Brückenaufbaus er- ca. € 400, zusätzlich fallen aber noch Kosten
fasst werden. Als Grundlage für die Mes- für die Auswerteeinheit in der Größenord-
sung sind an der Konstruktion entsprechend nung von ca. € 15.000 an. Somit ergeben
geodätische Marken anzubringen. sich für das Gesamtsystem bestehend aus
1066 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

z. B. 20 Sensoren Kosten von ca. €23.000. nigungen sowie der maximalen Schwing­
Faseroptische Dehnungssensoren können beschleunigungen geeignet sind. Ebenso
direkt in die Schalung eingebaut werden eignen sie sich für die Frequenzanalyse und
und kommen somit für die Bestimmung die Ermittlung dynamischer Parameter
der Dehnungen von Beton und Stahl zufol- (Eigen­frequenzen, Schwingungsformen,
ge Kriechen, Schwinden, Eigengewicht, Be- System­dämpfung). Nicht geeignet sind Be-
lastung, Temperatur etc. zum Einsatz. schleunigungssensoren jedoch für die Er-
Ebenso können wie bei Dehnmess­streifen mittlung von Verformungen, Spannungs-
Spannungen und Durchbiegungen aus den schwingbreiten oder Achslasten.
Dehnungsmessungen berechnet und Ei- Für Winkelgrößen zur Bestimmung von
genspannungen sowie Schwind­breiten er- Pfeiler- und Widerlagerverdrehungen
mittelt werden. kommen Winkelsensoren oder Inklinome-
ter zum Einsatz. Die Messung von Kraftgrö-
ßen, wie z. B. Lagerkräften oder Vorspan-
11.7.3.3 Messung von Temperaturgrößen nung, erfolgt über Kraftmessdosen oder
Kraftmessgeber. Für die Messung von
Für die Messung von Temperaturgrößen Druckgrößen, wie z. B. Erddruck oder Luft-
kommen elektronische oder faseroptische druck, kommen Erddruck- bzw. Luftdruck-
Temperatursensoren zum Einsatz. Beide sensoren zum Einsatz. Schließlich erfolgt
Arten von Messsystemen eignen sich so- die Bestimmung von Feuchtigkeitsgrößen
wohl für statische als auch dynamische über Feuchtigkeitssensoren zur Bestim-
Messungen, sind robust und gut für den mung der Bodenfeuchtigkeit oder Beton-
Einsatz im Freien geeignet. Sie unterschei- feuchtigkeit (Multiring-Elektroden).
den sich durch das Messprinzip (elektrisch
gegenüber optisch) und damit verbunden
durch die Genauigkeit. Diese liegt bei elek- 11.7.4 Aufzeichnung der Messdaten
tronischen Sensoren bei 1/100° und bei
faser­optischen bei 1/1000000°. Demzufolge Je nach Aufgabenstellung können statische
sind auch die Kosten unterschiedlich. Ver- (z. B. einmal täglich) oder dynamische (z. B.
wendet man elektronische Temperatursen- 100 mal pro Sekunde) Messungen erforder-
soren und besteht das System aus 20 Sen- lich sein. Dies hängt davon ab, welche Para-
soren inklusive A/D-Wandler, so belaufen meter erfasst werden sollen und ob eine
sich die Gesamtkosten auf ca. € 11.000, bei schnelle Zustandsänderung der Konstruk-
der Wahl faseroptischer Temperatur­ tion zu erwarten ist oder nicht. Eine Ent-
sensoren kommt man bei der gleichen scheidung darüber, ob statische oder dyna-
Sensor­anzahl inklusive Auswerteeinheit mische Messungen sinnvollerweise erfol-
auf Gesamtkosten von ca. € 23.000. gen sollen, ist bereits vor Beginn der Über-
wachung zu treffen. In der Tabelle 11.7-1
sind die Eigenschaften beider Arten von
11.7.3.4 Messung von anderen Größen Messungen zusammengefasst.
Ein Problem bei dynamischen Mes-
Beschleunigungs- und Geschwindigkeits­ sungen stellen die großen Datenmengen
größen können mittels Beschleunigungs- dar, die generiert werden. Werden bei-
und Geschwindigkeitssensoren ermittelt spielsweise bei vier Sensoren über 24 Stun-
werden. Zu den Beschleunigungssensoren den je 100 Messwerte pro Sekunde aufge-
ist anzumerken, dass diese gut für die Er- zeichnet, so ergibt das im Monat eine zu
mittlung der zeitlichen Tragwerksbeschleu­ verarbeitende Datenmenge von rund
11.7 Kontinuierliche rechnergestützte Dauerüberwachung 1067

Tabelle 11.7-1   Statische und dynamische Messung


Statische Messung Dynamische Messung
Anwendung „Langsame“ Vorgänge „Schnelle“ Vorgänge
Typisches Ereignis Langsame Baugrundsetzung Zug- oder Fahrzeugüberfahrt
Niedrig (z. B. 1 Tag, 1 Stunde,
Abtastrate Hoch (z. B. 1 Hz, 1000 Hz)
10 Sekunden)
Langzeitdurchbiegungen, Langzeit- Durchbiegung bei Fahrzeug­
Beispiele
verformungen, Bauteiltemperatur überfahrt, alle Schwingvorgänge
Beschleunigungs- und
Typische Sensoren Elektronische Schlauchwaage
Schwingungs­sensoren
Datenmenge Niedrig Hoch

1,2 GByte. Eine Lösung für dieses Problem Schäden oder Verschmutzungen am Mess-
bietet die sogenannte getriggerte Aufzeich- system beeinflusst werden.
nung der Messwerte, das heißt das Spei- Die erfassten Daten werden direkt vor
chern der Messdaten nur bei Überschrei- Ort auf Datenloggern lokal gespeichert und
tung von zuvor definierten Schwellenwerten gelangen bei modernen Systemen automa-
(z. B. bei LKW- oder Zugüberfahrt). tisiert per GPRS, UMTS oder ISDN zur
Unabhängig davon, welches Messver- Auswertung. Vor der Übertragung der Da-
fahren und welche Messeinrichtungen ver- ten können einfache Auswertefunktionen
wendet werden, ist bereits vor Beginn der (Extremwert- oder Mittelwertbildung)
Messung festzulegen, wie die Messstellen durchgeführt werden, vorausgesetzt das
auch zu späteren Zeitpunkten wiederge- Messsystem verfügt über einen entspre-
funden werden können, um so die Messer- chenden Zwischenspeicher, um die Daten-
gebnisse auch tatsächlich der untersuchten menge zu reduzieren und eine schnellere
Stelle am Bauwerk zuordnen zu können. Übertragung zu ermöglichen.
An die automatisierte Datenabholung
kann eine ebenfalls automatisierte Stan-
11.7.5 Aufbereitung und Verarbeitung der darddatenauswertung angeschlossen sein,
Messdaten die es ermöglicht, sehr rasch aktuelle Infor-
mationen zum Verhalten des Tragwerks zu
Im Rahmen der computerunterstützten erhalten und diese beispielsweise auf einer
Dauerüberwachung erfolgt die Erfassung Internetplattform zur Verfügung zu stellen.
der Messdaten automatisch, ohne dass eine In diesem Zusammenhang kann für den
manuelle Ablesung erforderlich ist. Dazu Brückenerhalter auch die automatisierte
muss die Stromversorgung für die Messge- Alarmierung über SMS oder E-Mail bei der
räte sichergestellt sein, wobei Stromunter- Überschreitung vorher im Rahmen eines
brechungen möglichst ausgeschlossen wer- Notfallplans festgelegter Grenzwerte von
den sollten, was durch einen Notstrombe- Interesse sein. Bild 11.7-1 zeigt ein Beispiel
trieb gewährleistet werden kann. für einen derartigen Notfallplan aufbauend
Die Messeinrichtungen vor Ort sollten auf dem Ampelprinzip [Praxmarer/Reiterer,
zudem in regelmäßigen Abständen über- 2007]. Warnstufe Grün würde das planmä-
prüft werden, um ihre Funktionstüchtigkeit ßige Verhalten der Konstruktion beschrei-
sicherzustellen und zu garantieren, dass die ben und keine Maßnahme erfordern.
übermittelten Messergebnisse nicht durch Warnstufe Gelb wäre verknüpft mit der
1068 11 Überwachung, Prüfung, Bewertung und Beurteilung von Brücken

Überschreitung eines im Vorfeld festge- sowie des Brückenerhalters zur Folge.


legten Grenzwerts (z. B. für die Durch­ Warnstufe Rot entspräche einer Über-
biegung) über einen Zeitraum von mehr als schreitung des festgelegten Grenzwerts für
fünf Minuten. Dies hätte eine Vorwarnung mehr als 24 Stunden und hätte eine Sperre
des Betreibers des Überwachungssystems der Brücke zur Folge.

Monitoringanlage
Permanente Aufzeichnung der
Brückenverformungen und
Pfeilerverdrehungen

Warnstufe Grün: Keine Maßnahmen


Planmäßiges Verhalten

Überschreitung Grenzwert
> 5 Minuten

Automatisch
Verständigung per SMS
•Betreiber Monitoringanlage
Warnstufe Orange: •Brückenerhalter
Vorwarnung
Betreiber Monitoringanlage:
Plausibilitätskontrolle

Langfristige Empfehlung Alarm Entwarnung


Überschreitung Grenzwert
> 24 Stunden

Manuell Manuell

Automatisch
Verständigung per SMS
Warnstufe Rot: •Betreiber Monitoringanlage
Alarm •Brückenerhalter (alle Personen)
•Bereitschaftsdienst Brückenerhalter

Brückensperre

Betreiber Monitoringanlage Brückenerhalter


Plausibilitätskontrolle Begutachtung Brücke

Entwarnung
Brückensperre bleibt Brücke eingeschränkt
aufrecht freigeben Manuell

Bild 11.7-1   Monitoring und Notfallplanung


12 Brückeninstandsetzung und -sanierung

12.1 Einleitung der Mängel bzw. Schäden festgestellt und


deren Einfluss auf die Tragfähigkeit, Ge-
Eva-Maria Eichinger-Vill brauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit
und Johann Kollegger (bis 12.2) der Konstruktion beurteilt werden. Diese
Bestandsaufnahme dient der Festlegung
In diesem Kapitel wird auf die mit der In- der geeigneten Instandsetzungsmaßnah-
standsetzung und Sanierung von Beton-, me. Folgende Ziele können bei der Planung
Stahl- und Verbundbrücken einschließlich einer Instandsetzungsmaßnahme im Brü-
der Fahrbahnbeläge auf Brücken zusam- ckenbereich u. a. verfolgt werden [Grube
menhängenden Probleme eingegangen. et al., 1990]:
Unter Instandsetzung oder Sanierung
• Wiederherstellung der Tragfähigkeit
­versteht man in diesem Zusammenhang­
• Wiederherstellung oder Erhaltung des
die Summe aller Maßnahmen, durch die
Korrosionsschutzes der Bewehrung
bekannte Mängel und Schäden so beseitigt
• Wiederherstellung oder Ergänzung des
werden, dass sowohl die Dauerhaftigkeit­
Betonquerschnitts mit/ohne Anforde-
als auch die Zuverlässigkeit der Brücke
rungen an die Tragfähigkeit
­wieder voll hergestellt sind. Im Gegensatz
• Wiederherstellung oder Erhöhung des
dazu versteht man unter Brückenverstär-
Widerstands der Betonoberfläche gegen
kung die Summe aller Maßnahmen, welche
Frostbeanspruchung, Frost-Tausalzbe-
zur Erhöhung der vorhandenen Tragfähig-
anspruchung, Witterungseinflüsse, Ein-
keit einer Brückenkonstruktion – auch
dringen beton- oder stahlangreifender
­bedingt durch eine Nutzungsänderung –
Stoffe, mechanische Angriffe
dient.
• Wiederherstellung oder Erhöhung des
Reibungswiderstands der Betonoberflä-
che
12.2 Betonbrücken • Verschließen von Rissen
• Beseitigung undichter (Arbeits-)fugen
12.2.1 Planung von Instandsetzungs-
oder schlecht verdichteter Bereiche
und Sanierungsmaßnahmen
Basierend auf den Ergebnissen der Be-
Kleinere Instandsetzungsmaßnahmen kön- standsaufnahme erstellt der mit der Planung
nen zumeist ausschließlich aufgrund der der Instandsetzungsmaßnahme betraute
Ergebnisse der Brückenprüfung durchge- Ingenieur ein Instandhaltungskonzept für
führt werden, während größere Instand­ die Konstruktion, das Angaben über die
setzungsmaßnahmen eine sorgfältige, alle Vorbehandlung des Betonuntergrunds, die
wichtigen Einzelheiten erfassende Bestands- Instandsetzungsprinzipien für die einzel-
aufnahme erfordern. Im Zuge der Bestands- nen Bauteile, Materialspezifikationen, In-
aufnahme sollen vor allem die Ursachen standsetzungs- und Anstrichflächen sowie
1070 12 Brückeninstandsetzung und -sanierung

Tabelle 12.2.1-1  Anwendungsbeispiele für Sanierungsverfahren (nach [Ruffert, 1983])


Anforderung Geeignetes Verfahren
Optischer Ausgleich (Überdeckung von Farbige Versiegelung oder Anstrich, entweder
Farbdifferenzen im Beton) auf mineralischer oder Kunststoffbasis als
Lösung oder Dispersion
Schutz gegen aggressive Stoffe aus der Atmo­ Imprägnierung mit Kunststoffdispersionen
sphäre
Schutz gegen Karbonatisierung Versiegelung auf Acrylatbasis
Herstellung einer nach der Norm ausrei- Aufbringen einer neuen alkalischen Betonde-
chenden Betondeckung ckung in der erforderlichen Dicke im Spritz-
verfahren
Verfestigung absandender Oberflächen – Nicht filmbildende Imprägnierung
– Versiegelung auf Basis gelöster Mischpoly-
merisate, Acrylate, Epoxide, Poly­urethane
– Behandlung mit Kieselsäure (Silikatisierung)
Schutz gegen aggressive Wasser Dickbeschichtung auf Basis lösemittelfreier
Reaktionskunststoffe oder andere sehr dichte
Mörtel- oder Betonbeschichtungen
Schutz gegen mechanische Beanspruchun- – Dickbeschichtung (Zweikomponentenbasis)
gen – Verschleißfeste Estriche
Schutz gegen Tausalzangriff des Betons – Versiegelung auf Acrylatbasis
– Imprägnierung der Betonoberfläche
– Dünnbeschichtung
Sanierung von tiefgreifenden Frost- und Abstemmen des schadhaften und evtl. chlorid-
Tausalzschäden verseuchten Betons, Ersatz des zerstörten
Betons durch Spritzbeton, evtl. gleichzeitiger
Ersatz korrodierter Bewehrungsstähle
Sanierung von Frost- und Tausalzschäden Beschichtung mit ausreichend dichten Spach-
im Bereich der Oberfläche telmassen, vorher Aufmörtelung mit Kunst-
stoffmörtel
Tiefreichende Betonzerstörung durch Kor- Abstemmen des schadhaften und chemisch
rosion, chemische Angriffe, Anprall, mecha- verseuchten Betons, Ersatz der fehlenden
nische Beanspruchung usw. Querschnittsteile mit Spritzbeton, evtl. unter
Einbau fehlender Bewehrung

die Qualitätssicherung enthält. Von zentra­ Schätzung des zu erwartenden Schadens­


ler Bedeutung ist natürlich auch die Ab- ausmaßes kann jedoch über eine gestrahlte,
schätzung der Massen der zu erwartenden geöffnete Probefläche erfolgen [Hillemeier
Schadstellen und damit verbunden eine et al., 1999]. Auf der Grundlage des Instand-
Kostenschätzung. Für Instandsetzungsmaß- haltungskonzepts trifft der Bauherr die Ent-
nahmen ist die Massenermittlung im Ver- scheidung über die Durchführung der Maß-
gleich zum Neubau zumeist schwierig. Eine nahme. In der Tabelle 12.2.1-1 werden in
12.2 Betonbrücken 1071

Abhängigkeit von der jeweiligen Anforde- Durchführung der eigentlichen Instand-


rung geeignete Instandsetzungs- und Sanie- setzungsmaßnahme ist zumeist ein Nach­
rungsverfahren beispielhaft angegeben bearbeiten der Betonoberfläche erforder-
[Ruffert, 1983]. lich. Zusätzlich wird im Vergleich zum
unbehandelten Beton die Zugfestigkeit
an der Be­ton­oberfläche stark vermindert
12.2.2 Vorbereitende Maßnahmen [Dartsch, 1988]. Zu den feinen Verfahren
gehören z. B. Sandstrahlen, Kugelstrahlen
Im Vorfeld der eigentlichen Instandset- oder Hochdruckwasserstrahlen. Die leich-
zungsmaßnahme müssen zumeist vorbe- te Oberflächenrauigkeit, die bei Anwen-
reitende Maßnahmen am Betonuntergrund dung dieser feinen Verfahren erzielt wird,
und am Bewehrungsstahl getroffen werden. ist für die meisten Instandsetzungsmaß-
Die Vorbehandlung des Betonuntergrunds nahmen (wie z. B. Beschichtungen) von
und des Bewehrungsstahls ist vor allem aus Vorteil. Des Weiteren wird die Oberflä-
Gründen der Dauerhaftigkeit der Instand- chenzugfestigkeit durch Druckluftstrahlen
haltungsmaßnahme von großer Bedeu- erhöht. Die Anwendung chemischer Ver-
tung. fahren zur Vorbehandlung des Betonunter-
grunds (z. B. zum Entfernen von Farbres-
ten, Ölen und Bitumen) ist nicht zu emp-
12.2.2.1 Vorbehandlung fehlen, Flammstrahlen ist in diesem Fall die
des Betonuntergrunds geeignetere Methode.
Je nach Instandsetzungsmaßnahme
Der Haftverbund zwischen dem im Zuge werden unterschiedliche Anforderungen
der Instandsetzungsmaßnahme aufgebrach- an die Eigenschaften des Betonuntergrunds
ten Material und dem Betonuntergrund ist gestellt, wobei die gewünschte Rauigkeit
für die Dauerhaftigkeit der Instandset- der Oberfläche, die Größenverteilung von
zungsmaßnahme von entscheidender Be- Poren und Lunkern, die Oberflächenzug­
deutung. Um zu garantieren, dass die Ver- festigkeit, die Druckfestigkeit und der
bundfläche im ungeschädigten Beton liegt, Elastizitätsmodul, die Karbonatisierung
ist die Vorbehandlung des Betons beson- und der Chloridgehalt sowie die Beton-
ders wichtig. Dazu gehört das Säubern feuchtigkeit und -temperatur die Wahl des
des Betonuntergrunds von Staub, losen Verfahrens zur Behandlung des Betonun-
Teilen oder stehendem Wasser, das Rei­ tergrunds beeinflussen. Zusätzlich können
nigen der Betonoberfläche von eventuell zulässige Rissbreiten bzw. zulässige Er-
vorhandenen Anstrichen und Beschich­ schütterungen, aber auch Fragen der Um-
tungen, Schalölresten oder Nachbehand- weltbelastung und der Entsorgung von
lungsmitteln, das Entfernen von Zement- anfallenden Abfallstoffen für die Wahl des
schlämmen und Schichten geringer Festig- geeigneten Verfahrens zur Vorbehandlung
keit, der Abtrag von schadhaftem Beton des Betons von Bedeutung sein. Im Fol-
sowie das Entrosten freigelegter Beweh- genden werden die Verfahren zur Behand-
rungsstäbe. lung des Betonuntergrunds kurz präsen-
Zur Vorbehandlung des Betonunter- tiert, eine detailliertere Beschreibung ist
grunds steht eine Reihe von groben und z. B. [Grube et al., 1990] und [ZTV-SIB,
feinen Verfahren zur Verfügung (Tabelle 1990] zu entnehmen.
12.2.2-1). Grobe Verfahren, z. B. Stemmen,
Fräsen und Flammstrahlen, dienen zum
tiefreichenden Abtrag des Betons. Vor
1072 12 Brückeninstandsetzung und -sanierung

Tabelle 12.2.2-1  Verfahren zur Vorbehandlung des Betonuntergrunds (nach [Grube et al., 1990])
Verfahren Zu verwendendes Gerät Zweck
bzw. Behandlungsmittel
Hochdruckreinigung Hochdruckreiniger Entfernen von Verschmutzun-
(beheizt oder unbeheizt) gen und Bewuchs
Hochdruckwasserstrah- Strahlgerät, Wasser Entfernen von Beschichtungen
len mit 100–1000 bar und Schichten geringer Festig-
keit
Feine Verfahren

Hochdruckwasserstrah- Strahlgerät, Wasser Abtrag von chloridhaltigem


len mit 1000–3000 bar Beton
Sandstrahlen Strahlgerät, Strahlmittel Entfernen von Beschichtun­
trocken gen; Entrosten der Bewehrung
Kugelstrahlen Strahlgerät, Stahlkugeln Entfernen von Beschichtungen
auf horizontalen Flächen
Druckluftstrahlen mit Strahlgerät, Strahlmittel Entfernen von Beschichtungen
festen Strahlmitteln und feucht
Wasser
Fräsen Fräsmaschine Tiefreichender Abtrag des
Betons
Stemmen Meißel Tiefreichender Abtrag des
Grobe Verfahren

Betons; Freilegen der Beweh-


rung
Flammstrahlen Flammstrahlbrenner, Entfernen organischer
Acetylen und Sauerstoff Verschmutzungen wie Öl,
Bitumen und Gummireste;
Tiefreichender Abtrag des
Betons; Freilegen des groben
Zuschlags

12.2.2.1.1 Hochdruckreinigung 12.2.2.1.2 Hochdruckwasserstrahlen

Eine Hochdruckreinigung wird mit beheiz- Je nach Wasserdruck und Wassermenge


ten oder unbeheizten Hochdruckreinigern können mit Hilfe des Hochdruckwasser-
durchgeführt, wobei Arbeitsdrücke bis ca. strahlens unterschiedliche Ergebnisse bei
200 bar und Temperaturen bis ca. 150 °C der Vorbehandlung des Betonuntergrunds
erreicht werden können. Die Hochdruck- erreicht werden. Bei Wasserdrücken bis
reinigung wird vor allem für das Entfernen ca. 1000 bar können Reste von Beschichtun-
von Verschmutzungen und Bewuchs sowie gen, Zementschlemmen und Betonschich-
dünnen Anstrichen verwendet, ist als Vor- ten mit geringer Festigkeit entfernt werden.
behandlung geschädigter Betonuntergrün- Bei Drücken um 1500 bar und einer Was-
de aufgrund der geringen Drücke jedoch sermenge von ca. 150 l/min erfolgt ein
nicht geeignet. tiefreichender, großflächiger Abtrag von
12.2 Betonbrücken 1073

z. B. chloridhaltigem Beton, während bei fläche mit Feuchtstrahlen behandelt, so


Wasserdrücken bis ca. 2500 bar und einer muss die Bewehrung trocken nachgestrahlt
Wassermenge von ca. 5–10 l/min auch werden. Beim Feuchtstrahlen ist ebenso
hochfeste Schichten abgetragen werden wie beim Hochdruckwasserstrahlen auf ­die
können bzw. ein Schneiden des Betons Entsorgung des anfallenden Schlamms
möglich ist. Das Ergebnis des Hochdruck- zu achten.
wasserstrahlens ist eine gleichmäßig trag- Beim Kugelstrahlen werden Stahlkugeln
fähige Betonoberfläche, die Bewehrung mit ca. 1,5 mm Durchmesser mit hoher
wird nicht geschädigt. Deshalb ist das Geschwindigkeit auf die Betonoberfläche
Hochdruckwasserstrahlen ein geeignetes geschleudert. Teile des Zementsteins und
Verfahren für das Freilegen der Beweh- des Zuschlags werden gelöst und mit einer
rung. Der beim Hochdruckwasserstrahlen entsprechenden Saugeinrichtung zusammen
anfallende Schlamm ist fachgerecht zu ent- mit den Kugeln abgesaugt. Somit kann bei
sorgen. geringerer Staubbelastung und auf umwelt-
freundlicherem Wege die gleiche Wirkung
wie beim Sandstrahlen erzielt werden.
12.2.2.1.3 Druckluftstrahlen
mit festen Strahlmitteln
12.2.2.1.4 Fräsen
Druckluftstrahlen mit festen Strahlmitteln
wird vor allem zum Entfernen von Beschich- Mit Hilfe von Fräsmaschinen kann der Be-
tungen auf Betonoberflächen sowie zum ton großflächig in Schichten von bis zu
Aufrauen der Betonoberfläche verwendet. 5 mm Dicke abgetragen werden [ZTV-SIB,
Wichtig ist bei allen Strahlverfahren die 1990], wobei überwiegend horizontale Flä-
Reinigung der Betonoberfläche mit Druck- chen gefräst werden. Wie bereits erwähnt,
luft nach dem Strahlen. In Abhängigkeit muss aufgrund der durch die Fräsmaschine
vom verwendeten Strahlmittel unterschei- verursachten starken Schädigung die Beton­
det man zwischen Sandstrahlen und Kugel- oberfläche nach dem Fräsen durch Druck-
strahlen. Beim sogenannten Sandstrahlen luftstrahlen mit festen Strahlmitteln oder
kommen als Strahlmittel Elek­trokorund, durch Hochdruckwasserstrahlen entspre-
Siliziumkarbid oder Kupfer­erzschmelz­kam­ chend nachbehandelt werden, um die eigent­
merschlacke zum Einsatz. Quarzsand wird lichen Instandsetzungsmaßnahmen durch-
heute aus Gesundheitsgründen nicht mehr führen zu können. Werden sehr schwere
verwendet, dennoch hat sich der Begriff des Fräsen eingesetzt, kann es zu einer dauerhaf-
Sandstrahlens erhalten. Sandstrahlen ist we- ten Schädigung der Betonoberfläche kom-
gen der großen Staubentwicklung im Bezug men, die selbst durch nachfolgende Strahl-
auf Umwelt und Gesundheit bedenklich. verfahren nicht beseitigt werden kann.
Um die Staub­entwicklung zu reduzieren,
kann das Feuchtstrahlen eingesetzt werden,
wobei neben dem Strahlmittel auch Wasser 12.2.2.1.5 Stemmen
in den Strahlgang eingeleitet wird. Mit dem
Feuchtstrahlen werden bei gleicher Be­ Stemmen ist für den Abtrag kleiner Beton-
tonober­fläche im Allgemeinen die besten flächen, das Öffnen lokaler Fehlstellen oder
Ober­flächenzugfestigkeiten erzielt [Hille- das Freilegen des Bewehrungsstahls in klei-
meier et al., 1999]. Ein Entrosten der Be- nen Bereichen geeignet. Beim Freilegen der
wehrung muss mit Hilfe des Trockenstrahl- Bewehrung ist darauf zu achten, dass die
verfahrens erfolgen. Wird die Beton­ober­ Bewehrungsstäbe nicht beschädigt werden.
1074 12 Brückeninstandsetzung und -sanierung

Zum Freilegen von Spannstählen sollten 12.2.2.2.1 Freilegen der Bewehrung


daher ausschließlich Geräte mit Abschalt-
automatik bei Metallkontakt verwendet Ist die Bewehrung korrodiert, so muss sie
werden. ca. 20 mm seitlich über den korrodierten
Bereich hinaus freigelegt werden. Dabei ist
zu beachten, dass die Arbeiten den Verbund
12.2.2.1.6 Flammstrahlen der Bewehrung zum umgebenden Beton
stören, weshalb abschnittsweise zu ver­
Beim Flammstrahlen wird die Betonober- fahren ist und die statischen Verhältnisse
fläche kurzzeitig mit einer 3000 °C heißen sowie die Auswirkungen des fehlenden
Gasflamme aus einem Acetylen-Sauerstoff- Verbunds berücksichtigt werden müssen.
gemisch erhitzt, wodurch der Beton auf- Karbonatisierter Beton muss bis maxi-
grund der thermischen Spannungen ab- mal zur Oberfläche der ersten Bewehrungs-
platzt. Flammstrahlen wird vorwiegend lage entfernt werden, während chloridhal-
zum Schälen der Betonoberfläche bis zu tiger Beton auch hinter der Bewehrung
Tiefen von 4 mm eingesetzt [Grube et al., abgetragen werden muss, wenn der kriti-
1990] und somit zum Entfernen organischer sche Chloridgehalt überschritten ist. Ist der
Verschmutzungen verwendet, wobei die Querschnitt der Bewehrung durch Korro-
Vortriebsgeschwindigkeit mind. 1 m/min sion stark geschwächt, kann die Bewehrung
betragen soll, um tiefergehende Schädi- unter Berücksichtigung der notwendigen
gungen am Beton infolge der hohen Tem- Verankerungslängen durch eine Zulagebe-
peraturen zu vermeiden. Um eine Schädi- wehrung ersetzt werden, die schwingungs-
gung der Bewehrung zu vermeiden, muss frei am vorhandenen Bewehrungsstahl be-
vor dem Flammstrahlen die ausreichende festigt wird.
Dicke der Betondeckung z. B. mittels Be-
wehrungssuchgeräts nachgewiesen wer-
den. Beim Flammstrahlen ist eine Nachbe- 12.2.2.2.2 Entrosten der Bewehrung
arbeitung der flammgestrahlten Flächen
durch Fräsen und anschließend durch Das Entrosten der Bewehrung kann in
Druck­luftstrahlen mit festen Strahlmitteln Abhängigkeit von den notwendigen Kor-
oder Hochdruckwasserstrahlen erforder- rosionsschutzmaßnahmen durch Sand-
lich, um den Beton mit gestörtem Gefüge strahlen, Feuchtstrahlen oder Hochdruck-
zuverlässig zu entfernen. wasserstrahlen erfolgen. Auch ein Hand-
entrosten ist prinzipiell möglich, jedoch
sehr aufwendig und daher nur lokal an-
12.2.2.2 Vorbehandlung wendbar. Wird eine neue Schicht Beton
des Bewehrungsstahls (sh. Abschnitt 12.2.3.2) zur Herstellung ei-
ner ausreichenden Betondeckung aufge-
Ob und in welchem Ausmaß eine Vorbe- bracht, muss die Bewehrung zuvor gerei-
handlung des Bewehrungsstahls notwendig nigt und Blattrost entfernt werden.
ist, hängt vom Korrosionsgrad der Beweh- Ist die aufgebrachte Betonschicht nicht
rung und der gewählten Instandsetzungs- dick genug, muss die Bewehrung vor Kor-
maßnahme ab. Wurde festgestellt, dass die rosion geschützt werden. Das Entrosten
Bewehrung flächig korrodiert ist, muss sie und Reinigen der Bewehrung kann mittels
freigelegt werden. Feuchtstrahlens oder Hochdruckwasser-
strahlens erfolgen, wenn als Korrosions-
schutz kunststoffmodifizierte Zement-
12.2 Betonbrücken 1075

schlämmen verwendet werden. Wird eine Mindestschichtdicke 1000 μm, wobei die
Korrosionsschutzbeschichtung aus Epoxid- Beschichtung mindestens zweischichtig
harz aufgebracht, muss die Bewehrung mit- aufgetragen werden muss [ZTV-SIB, 1990].
tels Sandstrahlens vorbereitet werden.

12.2.3 Durchführung der Instandsetzungs-


12.2.2.2.3 Beschichten der Bewehrung und Sanierungsmaßnahmen

Eine Korrosionsschutzbeschichtung der In den folgenden Abschnitten werden die


Bewehrung ist nur dann erforderlich, wenn wichtigsten Instandsetzungsmaßnahmen
unter den herrschenden Umweltbedingun- behandelt. Es sind dies das Füllen von Ris-
gen die Betondeckung aus nicht karbonati- sen, der Ersatz des Betons und der Schutz
siertem und nicht chloridhaltigem Beton der Betonoberfläche.
kleiner ist als die nach [EN 1992-2, 2005]
vorgeschriebene Betondeckung. Es ist fest-
zuhalten, dass durch eine Beschichtung der 12.2.3.1 Füllen von Rissen
Bewehrung der Verbund zwischen Beton
und Bewehrung negativ beeinflusst wird. 12.2.3.1.1 Allgemeines
Als Korrosionsschutzmittel können ver-
schiedene Beschichtungsstoffe verwendet Das Wissen über den Einfluss von Rissen
werden, wobei vor allem reaktionsharzhär- in Betonbauteilen auf die Korrosion der
tende Systeme auf der Basis von lösungsmit- Stahleinlagen und somit die Dauerhaftig-
telarmen oder -freien Epoxidharzen oder keit einer Konstruktion ist in den letzten
kunststoffmodifizierte Zementschlämmen Jahren stark gestiegen. Heute ist bekannt,
eingesetzt werden. Der Vorteil kunststoff- dass nicht jeder Riss, z. B. in einem Brücken-
modifizierter Zementschlämmen gegen­ widerlager mit einer mittleren Rissbreite
über Epoxidharzen liegt darin, dass auch von 0,25 mm zwangsläufig gefüllt werden
Stahl, der durch Hochdruckwasserstrahlen muss, ohne vorher andere Umstände, wie
freigelegt und gereinigt wurde, beschichtet z. B. die Tausalzbeanspruchung des Bauteils,
werden kann, da kunststoffmodifizierte zu bewerten [Vollrath/Tathoff, 2002]. Daher
Zementschlämmen geringere Anforderun- muss vor dem Füllen der Risse eine sorgfäl-
gen an den Stahluntergrund im Bezug auf tige Bestandsaufnahme durchgeführt wer-
Reinheit und Feuchtegrad stellen. Bei reak- den, ansonsten bleibt der Erfolg aus.
tionsharzhärtenden Systemen ist daher be- Bei der Füllung von Rissen unterschei-
sonders darauf zu achten, dass sie richtig det man aufgrund der Anwendungstechnik
verarbeitet und die Grenzwerte für Tempe- zwei verschiedene Verfahren. Unter Trän-
ratur und Feuchte eingehalten werden. kung versteht man das Füllen der Risse
Die Mindestdicke der Korrosionsschutz- ohne Druck, während bei der Injektion das
schicht beträgt für reaktionsharzhärtende Füllen der Risse über einen Einfüllstutzen
Systeme 300 μm, wobei die Beschichtung unter Druck erfolgt. Bei der Tränkung
ein- oder zweischichtig aufgetragen und wird Epoxidharz im sogenannten „Pinsel-“
die zweite Schicht mit Quarzsand abgesan- oder „Gießverfahren“ drucklos in den Riss
det wird. Die erste Schicht (Mindestdicke gefüllt, wobei das Füllgut aufgrund der
200 μm) darf jedoch nicht abgesandet Schwerkraft und der Kapillaraktivität in
werden, um ein Durchlöchern der zweiten den Riss eindringt. Die Eindringtiefen sind
Schicht zu vermeiden. Bei kunststoffmodi- abhängig von der Viskosität, der Verarbei-
fizierten Zementschlämmen beträgt die tungsdauer, der Benetzbarkeit und vor
1076 12 Brückeninstandsetzung und -sanierung

allem von der Rissbreite. Oberflächennahe der Instandsetzungsmaßnahme im Bau-


Risse sollen bis zu einer Tiefe von mindes­ werk auftreten, geringer sind als die Zug­
tens 5 mm und der 15-fachen Rissbreite festigkeit des Betons. Andernfalls führt
verfüllt werden. Trennrisse können durch sich das Füllen der Risse ad absurdum.
Tränkung im Allgemeinen nicht geschlos- Beim dehnfähigen Verbinden der Rissufer
sen werden. soll das Abdichten von Rissen, deren Brei-
Bei der Injektion wird in den Riss eine ten sich ändern, erreicht werden. Da bei
schnell abbindende flexible Reaktionsharz- heute gebräuchlichen dehnfähigen Füll­
masse über Einfüllstutzen (Bohrpacker), gütern die Zunahme der Rissbreiten
die in einem Abstand von 100 bis 500 mm zwischen 5% für kleine Rissbreiten (w < 0,2
gesetzt werden, injiziert. Die Injektion ist mm) und maximal 25% für Rissbreiten
von folgenden Faktoren abhängig: Funkti- über 0,3 mm liegen darf, ist es erforderlich,
onsprinzip und Druck des Injektionsgeräts, die zu er­wartende Rissbreitenänderung
Bohrverfahren, Tiefe und Winkel der Boh- möglichst genau abzuschätzen. Zusätzlich
rung, Art, Anzahl und Lage der Packer, ist zu beachten, dass niedrige Tempera-
Verdämmung der Risse sowie zeitliche Ab- turen die Dehnfähigkeit des Füllguts redu-
folge der Injektion und Nachverpressung. zieren. Es soll betont werden, dass es im
Es ist zu beachten, dass ein hoher Druck Gegensatz zur oftmals verbreiteten Mei-
über kurze Zeit die Risse weniger tief füllt nung nicht möglich ist, durch Injektion
als ein niedriger Druck über längere Zeit. eines Risses mit einem dehnfähigen Füllgut
Ein einmalig injizierter Riss sollte – sofern eine Dehnungsfuge herzustellen [Vollrath/
nicht im Niederdruckverfahren verpresst Tathoff, 2002].
wurde – unbedingt nachverpresst werden,
da das kapillaraktive Reaktionsharz auch in
den angrenzenden Beton eindringt. Nach- 12.2.3.1.2 Füllgüter
dem das Harz ausgehärtet ist, werden die
Packer und das Verdämmmaterial entfernt Die Anforderungen, die an das Füllgut ge-
und etwaige Bohrlöcher verspachtelt. stellt werden, sind sehr vielfältig und um-
Folgende Ziele werden beim Füllen von fassen gute Verarbeitbarkeit, ausreichende
Rissen verfolgt: Mischungsstabilität und Viskosität, gerin-
gen reaktionsbedingten Volumenschwund,
• Schließen der Risse, um das Eindringen
ausreichende Haftfestigkeit am Betongefü-
korrosionsfördernder Stoffe in das Bau-
ge, ausreichende Eigenfestigkeit sowie hohe
teil zu verhindern
Alterungsbeständigkeit. Zusätzlich ist die
• Abdichten wasserführender Risse, um
Verträglichkeit des Füllguts mit allen Stof-
Undichtheiten des Bauteils zu beseiti-
fen, mit denen es in Berührung kommt, vor
gen
allem im Hinblick auf Korrosion von Be-
• Kraftschlüssiges, zugfestes Verbinden
deutung [Hillemeier et al., 1999]. Als Füll-
beider Rissufer
güter kommen gemäß [ZTV-RISS, 1999] je
• Dehnfähiges Verbinden beider Rissufer
nach Anwendungsziel Epoxidharze (EP),
Bei einer großen Anzahl oberflächennaher Polyurethane (PUR) und heute seltener
Risse kann es oft zweckmäßig sein, die Ris- Zementleim (ZL) und Zementleimsuspen-
se nicht durch Tränkung oder Injektion, sion (ZS) zum Einsatz (Tabelle 12.2.3-1). In
sondern durch eine dehnfähige Beschich- Tabelle 12.2.3-1 bezieht sich T auf Trän-
tung zu schließen. Eine kraftschlüssige Ver- kung (z. B. EP-T Tränkung mit Epoxidharz)
bindung beider Rissufer ist nur dann erfor- und I auf Injektion (z. B. EP-I Injektion mit
derlich, wenn die Zugspannungen, die nach Epoxidharz).
12.2 Betonbrücken 1077

Tabelle 12.2.3-1  Anwendung verschiedener Füllgüter (nach [ZTV-RISS, 1999])


Feuchtegrad der Risse bzw. Rissufer
trocken feucht wasserführend
nicht unter Druck unter Druck
Schließen EP-T EP-T* PUR-I PUR-I**
EP-I EP-I* ZL-I ZL-I***
PUR-I PUR-I ZS-I ZS-I***
ZL-I ZL-I
ZS-I ZS-I
Anwendungsziel

Abdichten EP-I EP-I* PUR-I PUR-I**


PUR-I PUR-I ZL-I ZL-I***
ZL-I ZL-I ZS-I ZS-I***
ZS-I ZS-I
Kraftschlüssiges EP-I EP-I* ZL-I ZL-I***
Verbinden ZL-I ZL-I ZS-I ZS-I***
ZS-I ZS-I
Dehnfähiges PUR-I PUR-I PUR-I PUR-I**
Verbinden
EP-T*, EP-I* bei Nachweis der Eignung.
PUR-I** unter Anwendung eines schnellschäumenden PUR (SPUR) vor der PUR-I.
ZL-I***, ZS-I*** zusammen mit vorübergehend abdichtenden Maßnahmen zur Druckminderung.

Epoxidharze (EP) werden für kraftschlüs- dem Einsatz von Polyurethanen bei sich
sige Verbindungen eingesetzt, wobei nach der bewegenden Rissen Grenzen gesetzt, da
Aushärtung des Harzes die beiden Riss­ufer die Dehnfähigkeit mit der absoluten Dicke
quasi starr verbunden sind. Damit ein tiefes des PUR-Films im Riss abnimmt.
Eindringen des Harzes in feine Risse mög­ Zementleim und Zementsuspension
lich ist, müssen Epoxidharze dünnflüssig, bestehen aus Wasser und Zement, wobei
lösungsmittelfrei, ungefüllt und zusätzlich der Unterschied zwischen den beiden Ze-
feuchtigkeitsunempfindlich sein. Die Haftfes- mentinjektionsstoffen in der Mahlfeinheit
tigkeit des Epoxidharzes ist im Allgemeinen des Zements liegt. Zementsuspension be-
größer als die Zugfestigkeit des Betons, was steht aus Feinstzement und ist für die Injek-
bedeutet, dass bei erneuter Überbeanspru- tion von feinen Rissen mit Breiten von über
chung der Beton direkt neben dem Riss reißt 0,2 mm einsetzbar.
nicht jedoch der injizierte Riss selbst. In der Tabelle 12.2.3-1 hängt die An­
Polyurethane (PUR) dienen zum Schlie- wendung der verschiedenen Füllgüter vom
ßen, Abdichten und dehnfähigen Verbin- Feuchtegrad der Risse ab. Gemäß [ZTV-
den von trockenen, feuchten oder wasser- RISS, 1999] unterscheidet man gemäß Ta-
führenden Rissen. Flexible Polyurethane belle 12.2.3-2 trockene, feuchte, „drucklos“
sind aufgrund ihrer Dehnfähigkeit und wasserführende und unter Druck wasser-
Kompressibilität als einziges Füllgut zur führende Risse.
Abdichtung von Rissen mit sich ändern-
den Rissbreiten einsetzbar. Dennoch sind
1078 12 Brückeninstandsetzung und -sanierung

Tabelle 12.2.3-2  Feuchtegrad von Rissen oder Rissufern (nach [ZTV-RISS, 1999])


Feuchtegrad Klassifizierung
Trocken bzw. Beton – Wasserzutritt nicht möglich
mit umgebungsbeding- – Beeinflussung des Rissbereichs durch Wasser nicht feststellbar
ter Ausgleichsfeuchte – Wasserzutritt möglich, jedoch seit ausreichend langer Zeit auszu-
schließen
– Rissufer optisch feststellbar trocken (Beurteilung der Rissufer an
Trockenbohrkernen)
– Rissufer nach Labormethoden beurteilt trocken
Feucht – Farbtonveränderung im Rissbereich durch Wasser, jedoch kein
Wasseraustritt
– Anzeichen auf Wasseraustritt in der unmittelbar zurückliegenden
Zeit
– Rissufer erkennbar feucht oder matt-feucht (Beurteilung der
Riss­ufer an Trockenbohrkernen)
– Rissufer nach Labormethoden beurteilt feucht
„Drucklos“ wasser­ – Wasser in feinen Tröpfchen im Rissbereich erkennbar
führend – Wasser perlt aus dem Rissbereich
Unter Druck wasser- – Zusammenhängender Wasserfilm tritt aus dem Riss aus
führend

12.2.3.2 Betonersatz keit des jeweiligen Betonersatzsystems fol-


gende vier Beanspruchungsklassen.
Zu den Betonersatzsystemen gehören nor-
maler Beton, Spritzbeton und Zementmör- Beanspruchungsklasse M1
tel mit oder ohne Kunststoffzusatz sowie Mörtel und Betone der Beanspruchungs-
Reaktionsharzmörtel. Diese Betonersatz- klasse M1 werden für Fassaden oder ähnlich
systeme unterscheiden sich durch ihre Be- beanspruchte Bauteile eingesetzt. Betoner-
anspruchbarkeit und können mit Beschich- satzsysteme der Beanspruchungsklasse M1
tungen zum Korrosionsschutz der Beweh- sind nicht für dynamische Beanspruchung
rung, Haftbrücken zum Betonuntergrund, während des Aufbringens geeignet. Diese
Spachtelmassen zur Herstellung einer geeig- Systeme können nicht befahren und in der
neten Oberfläche oder Oberflächenschutz- Berechnung nicht als statisch mitwirkend
systemen kombiniert werden und bilden herangezogen werden.
dann sogenannte Instandsetzungssysteme.
Handelt es sich bei den Betonersatzsyste- Beanspruchungsklasse M2
men um vorkonfektionierte Stoffe oder Betonersatzsysteme der Beanspruchungs-
Materialien, so dürfen keine anderen Zu- klasse M2 müssen zur Erhöhung des Wider-
satzmittel mehr beigemengt werden. stands der Betonoberfläche gegen chemi-
schen Angriff geeignet sein und einen ge-
wissen Karbonatisierungswiderstand sowie
12.2.3.2.1 Beanspruchungsklassen eine Pufferkapazität gegenüber eindringen-
den Chloriden aufweisen. Sie müssen auch
Gemäß [Rili-SIB, 2001] unterscheidet man bei dynamischer Einwirkung eingebaut
in Abhängigkeit von der Beanspruchbar- werden können. Mörtel der Beanspru-
12.2 Betonbrücken 1079

chungsklasse M2 dürfen jedoch nicht direkt de Betonuntergrund vor dem Aufbringen


befahren und nicht als statisch mitwirkend des neuen Betons soweit aufgetrocknet ist,
herangezogen werden. dass die Oberfläche nur noch leicht feucht
ist. Um die Haftung am Untergrund zu
Beanspruchungsklasse M3 verbessern, sollte eine zementgebundene
Mörtel und Betone der Beanspruchungs- Haftbrücke, die in den Betonuntergrund
klasse M3 dürfen in der Berechnung als eingebürstet wird, verwendet werden.
statisch mitwirkend herangezogen werden
und sind daher für den statisch wirksamen
Bereich zugelassen. Zusätzlich können sie 12.2.3.2.3 Zementmörtel
zur Erhöhung des Widerstands der Beton­
oberfläche gegen eine Zerstörung durch Zementmörtel werden verwendet, um Be-
chemischen Angriff eingesetzt werden. Sie tonabplatzungen aufzufüllen oder Kiesnes-
müssen bei dynamischer Beanspruchung ter und lokale Fehlstellen im Beton auszu-
eingebaut werden können, sind jedoch bessern. Die im Rahmen des Betonersatzes
nicht direkt befahrbar. verwendeten Zementmörtel haben ein
Größtkorn von 4 mm, einen Zementgehalt
Beanspruchungsklasse M4 von mindestens 400 kg/m³ und einen Was-
Bei Betonersatzsystemen der Beanspru- ser-Zement-Wert von maximal w/z = 0,5.
chungsklasse M4 handelt es sich um reakti- Die Zementmörtel werden in plastischer
onsharzgebundene Mörtel, die zusätzlich Konsistenz mit Haftbrücke eingebaut und,
zu den Anforderungen der Beanspru- wie im Falle der Instandsetzung mit Beton,
chungsklasse M3 bestimmte Festigkeiten fünf Tage lang nachbehandelt. Dabei ist
und Verschleißwiderstände erreichen müs- zu beachten, dass langes Abreiben den Ver-
sen. Dadurch sind sie direkt befahrbar. bund zum Untergrund verschlechtert.

12.2.3.2.2 Beton 12.2.3.2.4 Beton/Zementmörtel mit


Kunststoffzusatz
Die Zusammensetzung der im Rahmen
eines Betonersatzes zum Einsatz kommen- Der Zusatz von Kunststoffen verbessert die
den Betone muss den Anforderungen der Verarbeitbarkeit, das Wasserrückhaltever-
entsprechenden Normen für Außenbau­ mögen, die Dehnfähigkeit sowie die Haft­
teile entsprechen. Weil der Betonersatz zu- festigkeit des Betons oder Zementmörtels.
meist in sehr geringen Schichtdicken auf­ Zusätzlich werden die Rissneigung und der
gebracht wird, ist die sachgerechte Nachbe- E-Modul im Vergleich zu kunststofffreien
handlung des Betons von entscheidender Produkten vermindert [Hillemeier et al.,
Bedeutung, wobei die minimale Nachbe- 1999]. Zementmörtel mit Kunststoffzusatz
handlungsdauer fünf Tage betragen sollte können für die Beanspruchungsklassen
und zu beachten ist, dass das Aufsprühen M1, M2 oder M3 verwendet werden. Die
von Nachbehandlungsmitteln im Bereich im Rahmen des Betonersatzes verwendeten
von Verkehrsbauwerken nicht zulässig ist Zementmörtel haben bei einem Größtkorn
[Hillemeier et al., 1999]. Vor dem Aufbrin- von mehr als 8 mm, einen Zementgehalt
gen der neuen Betonschicht muss der be- von mindestens 350 kg/m³ und bei einem
stehende Betonuntergrund mindestens 24 Größtkorn, das kleiner 4 mm ist, einen
Stunden lang vorgenässt werden. Es ist Zementgehalt von mindestens 400 kg/m³.
jedoch darauf zu achten, dass der bestehen- Der maximale Kunststoffzusatz ist zumeist
1080 12 Brückeninstandsetzung und -sanierung

mit 5 M.-% der Gesamttrockenmasse be- Zugabe als Dispersion im Anmachwasser,


schränkt. Üblicherweise werden vorgefer- bei Trockenspritzmörteln zusammen mit
tigte Produkte, deren Eignung durch eine dem Anmachwasser an der Düse. Bei der
entsprechende Prüfung nachgewiesen wur- Zusammensetzung des Spritzbetons ist
de, verwendet. Die Nachbehandlungsdauer darauf zu achten, dass ein hoher Bindemittel­
beträgt mindestens 5 Tage. anteil und ein kleines Größtkorn für gute
Geschmeidigkeit sorgen, aber auch zu ei-
nem hohen Schwindmaß führen. Beim Ein-
12.2.3.2.5 Spritzbeton oder -mörtel bau ist zusätzlich darauf zu achten, dass
kunststoffmodifizierte Spritzbetone oder
Die Zusammensetzung und die Eigenschaf- -mörtel nur mit der in der Eignungsprüfung
ten der zum Einsatz kommenden Spritz­ verwendeten Spritzanlage, Schlauchlänge
betone bzw. -mörtel müssen den Anforde- und Düse eingebaut werden dürfen. Kunst-
rungen der maßgebenden Betonbaunormen stoffmodifizierter Spritzbeton hat sich für
entsprechen, wobei die Mindestschichtdicke das Einspritzen dichter mehrlagiger Beweh-
30 mm beträgt. Die Verwendungsmöglich- rung und für die Applikation auf dynamisch
keiten von Spritzbetonen und -mörteln sind beanspruchten Flächen bewährt.
vielfältig und reichen von der Ergänzung des
tragenden Betonquerschnitts, über Oberflä-
cheninstandsetzung bis hin zum Einsprit- 12.2.3.2.7 Reaktionsharzmörtel
zen zusätzlicher Bewehrung. Nach [Rili-SIB,
2001] sind sowohl Trocken- als auch Nass- Reaktionsharzmörtel bestehen aus einem
spritzbetone zugelassen. Beim mehrlagigen Zuschlag und einem Bindemittel auf Reak­
Einbau ist darauf zu achten, dass die zuerst tionsharzbasis und werden ausschließlich
eingebaute Lage von losem Spritzstaub be- im oberflächennahen, statisch nicht wirk-
freit wird, um den Haftverbund zur nächsten samen Bereich des Betons eingesetzt. Daher
Schicht nicht zu beeinträchtigen. werden Reaktionsharzmörtel zumeist nur
kleinflächig angewendet. Im Rahmen der
Grundprüfung sollte der Eignungsnachweis
12.2.3.2.6 Kunststoffmodifizierter Spritzbeton für Reaktionsharzmörtel für die Beanspru-
oder -mörtel chungsklassen M1 und M2 geführt werden.
Reaktionsharzmörtel zeichnen sich ge-
Kunststoffmodifizierte Spritzbetone oder genüber zementgebundenen Mörteln durch
-mörtel kommen vor allem bei der Erhö- ihre schnelle Erhärtung, die nicht erforder-
hung der Betondeckung in größeren Berei- liche Nachbehandlung, eine erhöhte Biege-
chen zum Einsatz, wobei das Aufbringen zugfestigkeit sowie einen erhöhten Wider-
einer Haftbrücke nicht erforderlich ist. Die stand gegen chemischen Angriff aus. Zu-
Schichtdicke beträgt zumeist 1 bis 5 cm und sätzlich können mit Reaktionsharzmörteln
kann somit auch dann eingesetzt werden, auch sehr dünne Betonersatzschichten her-
wenn normale Spritzbetone mit einer grö- gestellt werden.
ßeren Mindestschichtdicke als 3 cm nicht Um eine Verbesserung des Haftverbunds
angewendet werden können. Ähnlich wie zum bestehenden Beton zu erreichen, müs-
bei den Zementmörteln mit Kunststoffzu- sen vor dem Aufbringen des Reaktions-
satz werden auch beim kunststoffmodifi- harzmörtels entsprechende Haftbrücken
zierten Spritzbeton maximal 5 M.-% Kunst- aufgebracht werden, in die in Abhängigkeit
stoff bezogen auf die Gesamttrockenmasse von der Wartezeit zwischen Aufbringen der
zugesetzt. Bei Nassspritzmörteln erfolgt die Haftbrücke und Einbau des Reaktionsharz-
12.2 Betonbrücken 1081

mörtels auch Quarzsand eingestreut wer-


den kann.

12.2.3.3 Oberflächenschutz

12.2.3.3.1 Allgemeines

Durch Oberflächenschutzmaßnahmen soll Bild 12.2.3-1  Imprägnierung


entweder die Dauerhaftigkeit von Beton-
bauteilen erhöht oder deren Gebrauchs­
eigenschaften verbessert werden. In [EN und füllstofffreie Stoffe auf Epoxid-, Poly­
1504] werden die Prinzipien für den Ober- urethan- oder Acrylatharzbasis eingesetzt.
flächenschutz von Beton beschrieben. Man Auf der Betonoberfläche entsteht ein un-
unterscheidet gleichmäßig dicker Film mit 10 bis 100 μm
Dicke, wobei die Betonporen teilweise ge-
• Prinzip 1 (PI): Schutz gegen das Eindrin-
füllt sind. Imprägnierungen verringern zwar
gen von Schadstoffen (Protection against
die Wasseraufnahme der Betonoberfläche,
Ingress),
da sie die oberflächennahen Kapillarpo­
• Prinzip 2 (MC): Kontrolle des Beton-
renwände wasserabstoßend auskleiden, sie
feuchtegehalts (Moisture Control)
wirken aber aufgrund des nicht zusammen-
• Prinzip 5 (PR): Widerstand gegen physi-
hängenden Films nicht als Gasbremse.
kalische/mechanische Beanspruchung
(Physical Resistance)
• Prinzip 6 (RC): Widerstand gegen che-
12.2.3.3.3 Hydrophobierung
mische Beanspruchung (Chemical Resi-
stance)
Ziel einer Hydrophobierung ist die Herstel-
In Abhängigkeit von den herrschenden Ein- lung einer wasserabweisenden Betonober­
wirkungen wählt man ein Prinzip oder eine fläche. Durch die Hydrophobierung wird die
Kombination mehrerer Prinzipien und da­ Betonoberfläche optisch nicht oder nur ge-
rauf basierend eine der drei verschiedenen ring verändert, da kein sichtbarer Film ent-
Methoden für den Oberflächenschutz des steht und die Betonporen mit den Hydro-
Betons. Es sind dies Imprägnierung, Hydro- phobierungsstoffen nicht gefüllt, sondern
phobierung oder Beschichtung. lediglich ausgekleidet werden (Bild 12.2.3-2).
Anfänglich kann beobachtet werden, wie das
Wasser auf der hydrophobierten Betonfläche
12.2.3.3.2 Imprägnierung

Unter Imprägnierung versteht man eine


entsprechende Behandlung des Betons zur
Reduzierung der Oberflächenporosität, wo-
bei die äußerste Betonrandzone verfestigt
wird. Dadurch wird der Widerstand des Be-
tons gegen chemischen Angriff und mechani-
sche Beanspruchung erhöht (Bild 12.2.3-1).
Bei der Imprägnierung von Betonober-
flächen werden niedermolekulare, pigment- Bild 12.2.3-2  Hydrophobierung
1082 12 Brückeninstandsetzung und -sanierung

abperlt. Obwohl dieser Effekt nach einiger 12.2.3.3.4 Beschichtung


Zeit nicht mehr auftritt, wird die Wirkung
der Hydrophobierung in den tieferen Beton- Unter Beschichtung versteht man die Be-
schichten dennoch nicht herabgesetzt. handlung der Betonoberfläche zur Herstel-
Zur Hydrophobierung kommen pig- lung einer geschlossenen Schutzschicht
ment- und siliziumorganische Verbindun- mit einer Dicke von 0,1 bis 0,5 mm (Bild
gen zur Anwendung. Es sind dies – je nach 12.2.3-3). Eine Beschichtung ist mindestens
Teilchengröße – Silane, Siloxane oder Sili- aus einer Grundierung und einer Oberflä-
kone. Diese Stoffe dringen in Abhängigkeit chenschutzschicht aufgebaut.
von der Porosität des Betons bis zu einer In Abhängigkeit vom Anwendungsbe-
Tiefe von 5 mm in den Betonuntergrund reich unterscheidet man gemäß Tabelle
ein. Dadurch wird die Wasseraufnahme­ 12.2.3-3 verschiedene Beschichtungsstoffe.
fähigkeit des Betons vermindert und das Mit Beschichtungen gelingt es, ein sehr
Eindringen von Stoffen, welche zu einer vielfältiges Leistungsspektrum abzudecken,
Schädigung von Beton oder Bewehrungs- wobei die Verhinderung des Eindringens von
stahl führen könnten, reduziert. Zusätzlich Wasser und darin gelösten Schadstoffen je-
können durch eine Hydrophobierung der doch oftmals im Vordergrund steht. Zusätz-
Betonoberfläche auch die Verschmutzung lich können aber je nach Beschichtungsstoff
sowie der Befall durch Moose, Pilze und und Schichtdicke auch andere Eigenschaften
Algen vermindert werden. Untersuchungen des Betons beeinflusst werden, wie z. B. der
[Wittmann, 1987] zeigen zudem eine posi-
tive Beeinflussung des Frost-Tausalzwider-
stands. Empfehlenswert ist eine Hydropho-
bierung zudem als vorbereitende Maßnah-
me vor dem Aufbringen einer Beschichtung,
da so eine Unterwanderung der Beschich-
tung durch Feuchtigkeit verhindert wird.
Als Nachteil ist zu sehen, dass die Karbo-
natisierung des Betons durch eine auf­
gebrachte Hydrophobierung beschleunigt
wird [Klopfer, 1978 und Kern, 1977]. Bild 12.2.3-3  Beschichtung

Tabelle 12.2.3-3  Beschichtungsstoffe und Anwendungsbereiche (nach [Hillemeier et al., 1999])

Anwendungsbereich Beschichtungsstoff

Nicht befahrene, vertikale Flächen - Polymerlösungen, insbesondere Acrylatharze


- Witterungsbeständige und vergilbungsfreie Zwei-
komponenten-Reaktionsharze auf Polyurethan- oder
Polyurethanacrylatkombinationsbasis

Rissüberbrückung - Acrylatharzdispersion
- Kunststoffmodifizierte Zementschlämme
- Elastische Polyurethane

Befahrbare Beschichtungen mit - Epoxidharze


hoher chemischer und mechani- - Polyurethanharze
scher Beständigkeit - Acrylatharze
12.3 Stahlbrücken 1083

Diffusionswiderstand, die Verschleißfestig- ursprünglichen Flächen unterscheiden und


keit und die Chemikalienbeständigkeit. Auch das Bauwerk fleckig aussieht.
Risse können, wie in Tabelle 12.2.3-3 be- Die zweitgenannte Strategie hat den
schrieben, mit Hilfe einer geeigneten Be- Vorteil, dass das gesamte Tragwerk einge-
schichtung überbrückt werden. rüstet, eine einwandfreie Entrostung durch-
geführt wird und die Beschichtung wie bei
einem neuen Tragwerk aufgebracht werden
12.3 Stahlbrücken kann. Nach der Renovierung zeigt das Bau-
werk ein einheitliches Aussehen. Nachteilig
Günter Ramberger ist jedoch, dass der Anstrich nicht auf allen
und Francesco Aigner (bis 12.4) Oberflächen gleichmäßig abwittert und da-
her einige Flächen weit stärker korrodiert
12.3.1 Korrosionsschutz sind als andere. Bei den stärker korrodierten
Flächen können bereits Abrostungen einge-
Die Erhaltung und laufende Instandsetzung treten sein, die die Tragfähigkeit vermin-
des Korrosionsschutzes ist für ein Stahl- dern, während eine Erneuerung der Be-
tragwerk von entscheidender Bedeutung, schichtung auf anderen Flächen noch nicht
da Korrosionsschäden am Material mit notwendig ist. Die zweite Methode zeigt je-
einer Verringerung der Tragfähigkeit und denfalls, welche Flächen stark abwittern.
der Ermüdungsfestigkeit verbunden sind Durch bessere Beschichtungen auf diesen
und nur mit großem Aufwand repariert Flächen oder durch gezielt größere Schicht-
werden können. dicken kann bei der Erneuerung ein Kor­
Bisher wurden von den Erhaltern der rosionsschutzsystem gewählt werden, das
Brücken zwei verschiedene Strategien an- einen längeren Schutz für starke Aggression
gewandt: ausgesetzte Flächen gewährleistet.
• den Korrosionsschutz beim Auftreten
von lokalen Schäden in kurzen Zeitin-
12.3.2 Niete und Schrauben
tervallen ausbessern
• den Korrosionsschutz so lange abwittern
Lockere Schrauben in GV-Verbindungen
zu lassen, bis eine Erneuerung des Kor-
sind unter Beachtung der erforderlichen
rosionsschutzes von Grund auf ange-
Vorspannkraft mit einem Drehmomenten-
zeigt ist.
schlüssel nachzuziehen. Bei lockeren Nieten
Wendet man die erstgenannte Strategie ist der Kopf abzubrennen, der Niet durchzu-
an, können Abrostungen sicher vermieden schlagen und ein neuer Niet zu schlagen.
werden. Der Nachteil besteht jedoch darin, Dabei ist zu beachten, dass nur so viele Nie-
dass die Methode relativ teuer ist, da meist te gleichzeitig entfernt sein dürfen, dass die
für jede Ausbesserung ein Gerüst notwen- statische Tragfähigkeit in diesem Zustand
dig wird, das auf- und abgebaut werden (z. B. mit verminderter Verkehrslast) erhal-
muss. Können die Arbeiten von einem ten bleibt. Da das Nachnieten den aufwen-
ohnehin vorhandenen Brückenbesichti- digen Einsatz einer Nietkolonne (drei Mann)
gungswagen oder von einem üblichen Brü- mit allen Geräten (Nietofen, Gegenhalter,
ckenbesichtigungsgerät aus durchgeführt Döpper oder hydraulisches Nietwerkzeug)
werden, kann die Methode durchaus wirt- benötigt, dürfen entfernte Niete auch durch
schaftlich sein. Nachteilig ist auch, dass GV-Schrauben der Festigkeitsklasse 10.9
sich bei lokaler Ausbesserung der Beschich- mit größtmöglichem Durchmesser und vol-
tung diese in Farbe und Struktur von den ler Vorspannung ersetzt werden. Damit er-
1084 12 Brückeninstandsetzung und -sanierung

zielt man auch bei nicht besonders bearbei- ausgeschnittene Löcher, weil dadurch sehr
teten Berührungsflächen etwa die Übertra- hohe Eigenspannungszustände durch den
gungskraft der früheren Niete. behinderten Schweißschrumpf in das Trag-
werk eingetragen werden. Besser ist das
stumpfe Anschweißen von Neuteilen an die
12.3.3 Instandsetzung von Abrostungen bestehenden Querschnitte, da dann zumin-
dest in einer Richtung ein freies Heran-
Bei leichten Abrostungen ist nach der Ent- schrumpfen möglich ist.
rostung die Ist-Dicke festzustellen. Ist die
zweite Seite nicht zugänglich, kann dies
auch mit einem geeichten Dickenmessgerät 12.4 Fahrbahnbeläge
mittels Ultraschall erfolgen. Unterschreitet
die gemessene Dicke trotz Abrostung nicht Bei der Instandsetzung des Fahrbahnbelags
die Nenndicke, was wegen der Plustoleran- ist zu unterscheiden, ob es sich um lokal
zen der Bleche und Profile öfter der Fall ist, begrenzte Schäden, um Schäden in einer
können Verstärkungsmaßnahmen unter- durchgehenden Spur oder um eine Grund-
bleiben. Unterschreitet die gemessene Dicke erneuerung des Fahrbahnbelags handelt.
die Nenndicke, muss mit den Querschnitts- Lokale Schäden, die nur die Deckschicht
werten des geschwächten Querschnitts der und eventuell die Schutzschicht betreffen,
Tragsicherheits- und eventuell der Ermü- werden mit bituminösen Schichten ausge-
dungsnachweis geführt werden. Nur wenn bessert, wobei auf den ordnungsgemäßen
diese nicht erfüllt sind, sind Instandset- Anschluss der Schichten an den Rändern
zungsmaßnahmen vorzunehmen. Ansons- zu achten ist. Bei Erneuerung des Fahr-
ten bedarf es nur der vorhin beschriebenen bahnbelags einer Spur sind Deck- und
Korrosionsschutzmaßnahmen. Abgeroste- Schutzschicht durch Straßenfräsen abzufrä-
te HV-Schrauben sind wegen der mögli- sen. Bei unebenem Deckblech kann dabei
chen Spannungsrisskorrosion durch neue die Dichtschicht und sogar das Deckblech
zu ersetzen. Bei angerosteten Nietköpfen ist beschädigt werden. Die nach dem Abfräsen
der feste Sitz zu überprüfen. Sind die Niete von Deck- und Schutzschicht freigelegte
fest, brauchen sie im Allgemeinen nicht Dichtungsschicht ist mit einer Kehr-Ab-
ausgetauscht zu werden. Bei abgerosteten saugmaschine und mit Druckluft zu reini-
Schweißnähten ist nach dem Entrosten die gen und danach zu überprüfen. Ist sie ohne
Ist-Dicke festzustellen und mit der Nenn­ Schaden und im ganzen Bereich festhaftend,
dicke zu vergleichen. Eventuell sind diese kann sie belassen werden. Ansonsten ist sie
Nähte mit neuen Lagen auf die ursprüngli- mit Hochdruck-Wasserstrahl zu entfernen.
che Dicke zu bringen. Die Deckblechoberfläche ist durch mecha-
Instandsetzung von stark angerosteten nisches Strahlen oder Flammstrahlen mit
oder durchgerosteten Blechen und Profilen anschließendem Abbürsten vorzubereiten.
ist schwierig und kann im Allgemeinen nur Beim Erneuern einer Fahrspur wird übli-
individuell festgelegt werden. Zu beachten cherweise das gleiche Material wie bei den
ist jedenfalls, dass nur geschweißte Trag- anschließenden Schichten verwendet. We-
werke durch Aufschweißen von Teilen in- sentlich ist der ordnungsgemäße Anschluss
standgesetzt werden dürfen. Genietete und der Schichten an den Rändern. In Sonder-
geschraubte Tragwerke dürfen nur durch fällen kann auch eine Längsfuge ausgeführt
angeschraubte Neuteile (GV-Verbindun- werden, die anschließend verschlossen
gen) instandgesetzt werden. Nicht zu emp- wird. Erfolgt eine Gesamterneuerung der
fehlen ist das Einschweißen von Flicken in Fahrbahn, wird der Belag abgefräst, die
12.4 Fahrbahnbeläge 1085

Dichtungsschicht mit Hochdruckwasser- der Belag nur bis zu deren Oberkante ab­
strahl entfernt, die Oberfläche mechanisch gefräst werden kann. Der zwischen den
gestrahlt oder flammgestrahlt und anschlie- Zick-Zack-Stählen verbleibende Belag kann
ßend abgebürstet und der Schichtaufbau wirtschaftlich nur mit Höchstdruck-Was-
wie bei einem Neubau vorgesehen. serstrahlverfahren zertrümmert, gelöst und
Vom Beginn der Anwendung der ortho- beseitigt werden (Bild 12.4-2). Der Betriebs-
tropen Platte (1946) an bis etwa 1970 wur- druck an der Wasserstrahldüse beträgt etwa
den oftmals auf das Deckblech zickzackge- 800 bis 1200 bar. Die Austrittsgeschwindig-
formte Flachstähle aufgeschweißt, um eine keit liegt etwa 30% über der Schallge-
gute Schubverbindung zwischen Deckblech schwindigkeit. Danach wird die Oberfläche
und Belag zu gewährleisten (Bild 12.4-1). einschließlich der Zick-Zack-Stähle me-
Diese Zick-Zack-Stähle bereiten bei ei- chanisch entrostet und der Belagsaufbau
ner Belagserneuerung große Probleme, da wie bei einem neuen Tragwerk ausgeführt.

Bild 12.4-1  Zick-Zack-Stähle

Bild 12.4-2  Höchstdruck-Wasserstrahlverfahren
13 Brückenverstärkung

13.1 Einleitung ckenbauwerken aus Stahlbeton oder Spann-


beton zum Einsatz [ÖVBB, 2003]:
Eva-Maria Eichinger-Vill • Querschnittsergänzung in der Zug- und/
und Johann Kollegger (bis 13.2) oder Druckzone mit Beton, Stahl, Kunst-
stoffen (Kohlenstofffasern) oder einer
Das Kapitel beschäftigt sich mit der Verstär-
Kombination der Materialien
kung von Brücken aus Stahl- und Spann­
• Querschnittsergänzung der Schubbe-
beton sowie Stahl- und Verbundtragwerken.
wehrung mit Stahl oder Kunststoffen
Unter Verstärkung versteht man im Gegen-
(Kohlenstofffasern)
satz zur Instandsetzung jene baulich-kon-
• Externe Vorspannung
struktiven Maßnahmen, deren Ziel die
• Verfestigung durch partiellen Austausch
Erhöhung der vorhandenen Tragfähigkeit
des Betons oder Injektion von Hohlräu-
einer Brückenkonstruktion – auch bedingt
men und Rissen
durch eine Nutzungsänderung – ist.
• Änderung des Tragsystems
Es werden die wichtigsten Maßnahmen
zur Verstärkung von Betonbrücken sowie Für alle diese Verstärkungsmaßnahmen
Stahl- und Verbundbrücken beschrieben. gibt es die unterschiedlichsten technischen
Im Bereich der Betonbrücken werden die Ausführungsmöglichkeiten, wobei die ein-
Verstärkung des Tagwerks mit geklebten zelnen Maßnahmen in Abhängigkeit von
Kohlenstofffaserverbundwerkstoffen (CFK- den statischen, herstellungsbedingten und
Lamellen, CFK-Matten und CFK-Schub- nutzungsbedingten Anforderungen einzeln
winkeln), mit externer Vorspannung mit oder kombiniert angewendet werden. Es
Stahl- bzw. Kohlenstofffaserkabeln sowie obliegt dem planenden Ingenieur, die zur
die Querschnittsergänzung durch Spritzbe- Verfügung stehenden Methoden in Ab-
ton oder Anbetonieren behandelt. stimmung mit den bestehenden Normen
Bei den Stahl- und Verbundbrücken und Richtlinien in konstruktiver, ökonomi-
wird auf die Fahrbahnverstärkung sowie scher und ökologischer Hinsicht zu bewer-
die Verstärkung des Gesamtsystems einge- ten und umzusetzen.
gangen. Zusätzlich wird auch die Systemän-
derung behandelt und anhand eines kon-
kreten Projekts aus der Baupraxis veran- 13.2.1 Geklebte Kohlenstofffaser­
schaulicht. verbundwerkstoffe

13.2.1.1 Allgemeines
13.2 Betonbrücken
Die nachträgliche Verstärkung mit Kohlen-
Folgende Methoden kommen zur nach- stofffaserverbundwerkstoffen hat in den
träglichen statischen Verstärkung von Brü- letzten Jahren einen bedeutenden Stellen-
1088 13 Brückenverstärkung

wert erlangt. Hauptanwendungsgebiet ist Verfahren eine allgemeine bauaufsichtliche


die Verstärkung von Bauteilen, deren Zulassung durch das Deutsche Institut für
Tragfähigkeit aufgrund einer geänderten Bautechnik oder eine Zulassung im Einzel-
Be­lastungssituation oder Nutzungsände- fall durch die zuständige Bauaufsichtsbe-
rung (z. B. Erhöhung der Verkehrslasten), hörde besitzt. Im Brückenbau dürfen CFK-
Än­derung des statischen Systems oder Al- Lamellen nur dann angewendet werden,
terung bzw. Abnutzung der Materialien un- wenn die Lamellen nicht unmittelbar der
genügend ist. In diesem Zusammenhang Witterung ausgesetzt sind.
werden CFK-Matten hauptsächlich zur Ver- CFK-Lamellen werden vor allem für die
stärkung stark gekrümmter Bauteile ver- Querschnittsergänzung in der Zugzone des
wendet. Betons eingesetzt. Für die Querschnitts­
Das Verstärken von Brückenbauwerken ergänzung der Schubbewehrung können
mit Stahllamellen ist seit Ende der 1960er sogenannte CFK-Schubwinkel verwendet
Jahre ein bekanntes Verfahren. Mitte der werden, die nachträglich im Bereich der
1990er Jahre erfolgte die Markteinführung Querkraftbeanspruchung von Plattenbal-
von Lamellen aus Kohlenstofffaserver- ken, anstelle von innenliegenden Schubbü-
bundwerkstoffen (CFK-Lamellen), welche geln, angebracht werden. Die Verankerung
langsam die Stahllamellen verdrängten. der Schubwinkel erfolgt dabei in der Druck-
Heute werden bei Verstärkungsmaßnah- platte des Trägers.
men fast ausschließlich CFK-Lamellen bzw.
in selteneren Fällen auch CFK-Matten ein-
gesetzt. Kohlenstofffasern zeichnen sich 13.2.1.2 Materialanforderungen
durch ihre hohe Festigkeit bei zusätzlich
geringer Eigenlast aus, gleichzeitig sind­ Zur Herstellung von faserverstärkten Kunst­
sie korrosionsbeständig. In der Montage stoffen werden Fasern in eine Kunststoff-
haben CFK-Lamellen gegenüber Stahl­ matrix eingebettet. Die globalen mechani-
lamellen zusätzlich folgende Vorteile: schen Eigenschaften des faserverstärkten
Kunststoffs werden dabei durch die Fasern
• lärmarmer und erschütterungsarmer
bestimmt, während die Kunststoffmatrix
Einbau
dazu dient, die einzelnen Fasern formstabil
• in Rollen transportierbar
zusammenzuhalten. Heute werden in der
• keine Montagestöße dank langer Liefer-
Baupraxis hauptsächlich pultrudierte CFK-
längen
Flachprofile, sogenannte CFK-Lamellen,
• einfache Applikation aufgrund des ge-
und CFK-Matten eingesetzt.
ringen Gewichts
• einfache Kreuzungen dank geringer Di-
cke
13.2.1.2.1 CFK-Lamellen
• Anpassung an jede beliebige Geometrie
(z. B.: Umschnürung von Stützen mit
CFK-Lamellen sind unidirektionale Flach-
Kreisquerschnitt)
profile mit einem Fasergehalt zwischen 60
• keine aufwendigen Montagehilfen
und 70 Vol.-%. Die Breite der Lamellen liegt
• keine Sicherung gegen Herabstürzen
zwischen 40 und 150 mm und die Dicke
• hohe Kosteneffizienz, da die hohen Ma-
zwischen 1,0 und 2,0 mm. In der Tabelle
terialkosten niedrigen Montagekosten
13.2.1-1 sind die zulässigen Materialkenn-
gegenüberstehen
werte bezogen auf den Gesamtquerschnitt
CFK-Lamellen dürfen in Deutschland nur der CFK-Lamelle zusammengefasst. Um
von Firmen angewendet werden, deren eine Mindestduktilität des Materials zu
13.2 Betonbrücken 13.2 Betonbrücken 1089

Tabelle 13.2.1-1  Materialkennwerte für CFK-Lamellen (bezogen auf den Gesamtquerschnitt)


Charakteristische Zugfestigkeit in Faserlängsrichtung fuK, L = 1000–3500 N/mm²
Charakteristische Bruchdehnung in Faserlängsrichtung euK, L ≥ 1%
Mittlerer Elastizitätsmodul in Faserlängsrichtung EL, m = 100–300 kN/mm²
Fasergehalt ρ = 60–70 Vol.-%
Glasübergangstemperatur des Matrixharzes TG ≥ 100 °C
Lamellendicke tL = 1–2 mm
Lamellenbreite bL = 40–150 mm

gewährleisten, ist eine charakteristische untereinander und somit eines formstabi-


Bruchdehnung von mindestens 1% gefor- len Zugglieds, geschieht erst beim Aufkle-
dert. ben der Matte auf den Beton. Somit über-
Die Zugfestigkeit und die Bruchdeh- nimmt der verwendete Klebstoff auch die
nung der Lamellen werden gemäß [DIN Funktion der Matrix. Je nach Anforderung
EN ISO 527-5, 1997] ermittelt. Die Glas­ können bis zu zehn Mattenlagen übereinan-
übergangstemperatur des Matrixharzes der geklebt werden. In der Tabelle 13.2.1-2
wird mittels thermomechanischer Analyse sind die zulässigen Materialkennwerte be-
nach [DIN EN 61006, 2004] bestimmt. zogen auf den Faserquerschnitt angegeben.
Die Materialkennwerte gelten parallel zur
Faserlängsrichtung, bei multidirektionalen
13.2.1.2.2 CFK-Matten Matten für jede statisch angesetzte Rich-
tung. Um eine Mindestduktilität des Mate-
CFK-Matten sind textiltechnische Ge­ rials zu gewährleisten, ist ebenso wie bei
webe oder Gelege. Sie weisen Dicken von den CFK-Lamellen eine charakteristische
0,1 bis 0,3 mm auf und werden üblicherwei- Bruchdehnung von mindestens 1% gefor-
se in Breiten von 100 bis 800 mm auf Rollen dert.
geliefert. Wegen ihrer geringen Dicke eig- Zugfestigkeit und Bruchdehnung der
nen sich CFK-Matten besonders zum Be- Matten werden gemäß [DIN EN ISO 527-5,
wehren stark gekrümmter Bauteile. Die 1997] ermittelt, wobei bei der Probenher-
eigentliche Laminierung, d. h. das Bilden stellung der zugehörige Klebstoff als Lami-
einer schubfesten Verbindung der Fasern nierharz verwendet wird.

Tabelle 13.2.1-2  Materialkennwerte für CFK-Matten (bezogen auf den Gesamtquerschnitt)


Charakteristische Zugfestigkeit in Faserlängsrichtung fuK, M = 1000–5000 N/mm²
Charakteristische Bruchdehnung in Faserlängsrichtung euK, M ≥ 1%
Mittlerer Elastizitätsmodul in Faserlängsrichtung EM,m = 100–650 kN/mm²
Mattendicke je Lage tL = 0,1–0,3 mm
Mattenbreite bL = 100–800 mm
1090 13 Brückenverstärkung

Tabelle 13.2.1-3  Materialkennwerte für Klebstoffe


Charakteristische Biegezugfestigkeit fK, t, k ≥ 15 N/mm²
Charakteristische Druckfestigkeit FK, c, k ≥ 60 N/mm²
Mittlerer Elastizitätsmodul EK, m = 5–15 kN/mm² für Lamellenklebstoffe
EK, m = 2–19 kN/mm² für Mattenklebstoffe
Glasübergangstemperatur TG ≥ 60 °C
Schwinden < 0,1 %

13.2.1.2.3 Klebstoff ten angewendet werden, um zu verhindern,


dass der Klebstoff vom Betonuntergrund
Für die Verklebung zwischen CFK-Lamellen aufgesaugt wird. Auch bei den Grundier-
oder CFK-Matten und dem Beton kommen harzen ist im Falle von höheren Temperatu-
Klebstoffsysteme auf Epoxidharzbasis zur ren als der Glasübergangstemperatur wie
Anwendung. Klebstoffe zur Verklebung von bei den Klebstoffen darauf zu achten, dass
Matten müssen über eine ausreichende Vis- es nicht zu einem Abfall der mechanischen
kosität verfügen, um eine Durchtränkung Eigenschaften des Harzes kommt.
aller Fasern einer Matte zu gewährleisten. In
der Tabelle 13.2.1-3 sind die Materialkenn-
werte für Klebstoffe zusammengefasst. 13.2.1.2.5 Ausgleichsmörtel
Die Prüfung der mechanischen Werte
Ausgleichsmörtel sind Kunststoffmörtel, die
erfolgt gemäß [DIN EN 196-1, 2005] an
beim Aufkleben von CFK-Lamellen oder
Prüfkörpern mit den Abmessungen 160 ×
CFK-Matten zum Ausgleich örtlicher Un­
40 × 40 mm³. Die Glasübergangstempera-
ebenheiten zum Einsatz kommen. Dabei ist
tur wird gemäß [DIN EN 12614, 2005] und
darauf zu achten, dass nur Ausgleichsmörtel
das Schwindmaß nach [DIN EN 12617-3,
verwendet werden, die im System mit Grun-
2002] bestimmt. Es ist darauf zu achten,
dierharz, Klebstoff und CFK-Lamelle oder
dass es bei einem Einsatz des Klebstoffs bei
CFK-Matte geprüft wurden. Die Material-
höheren Temperaturen als der Glasüber-
kennwerte für Ausgleichsmörtel sind in der
gangstemperatur zu einem Abfall der me-
Tabelle 13.2.1-4 zusammengefasst.
chanischen Eigenschaften des Klebstoffs
kommen kann.
Tabelle 13.2.1-4  Materialkennwerte für Aus-
gleichsmörtel
13.2.1.2.4 Grundierharz Biegezugfestigkeit ≥ 10 N/mm²
Druckfestigkeit ≥ 40 N/mm²
Zur Grundierung sollen niederviskose
Epoxidharze verwendet werden, deren Glas­ Glasübergangstemperatur ≥ 60 °C
übergangstemperatur mindestens 40 °C be-
tragen soll. Ein Grundierharz soll bei gerin-
ger Oberflächenzugfestigkeit des Betonun- 13.2.1.3 Applikation von CFK-Lamellen
tergrunds zur Verfestigung des Untergrunds
oder zur Vorbehandlung des Betonunter- Vor der Anbringung der Lamellen muss
grunds bei der Verwendung von CFK-Mat- der Untergrund durch Feuchtstrahlen,
13.2 Betonbrücken 13.2 Betonbrücken 1091

Hochdruckwasserstrahlen, Schleifen oder Verfahren direkt bei der Verklebung der


Stocken entsprechend vorbereitet werden Lamelle möglich. Zusätzlich müssen Lun-
(siehe Abschnitt 12.2.2.1). Um die ausrei- ker und größere Poren im Betonuntergrund
chende Tragfähigkeit des Betonuntergrunds vor dem Verkleben mit einer aus Epoxid-
inklusive etwaigem Grundierharz und Aus- harz bestehenden Kratzspachtelmasse aus-
gleichsmörtel zu überprüfen, muss vor dem geglichen werden.
Klebstoffauftrag kurz vor dem Verkleben Der Kleber wird in der Regel sowohl auf
der Lamelle eine Abreißprüfung durchge- den Betonuntergrund als auch die Lamelle
führt werden. Der vorhandene Betonunter- aufgetragen. Um Lufteinschlüsse zu ver-
grund muss eine Abreißfestigkeit von min- meiden, erfolgt das Auftragen des Klebers
destens 1,5 N/mm² aufweisen. auf der Lamelle dachförmig, wobei die Di-
Das Ablängen der Lamellen erfolgt mit- cke der Klebstoffschicht der fertig verkleb-
tels Eisensäge oder Winkelschleifer. Nach ten Lamelle 2 mm betragen und 5 mm nicht
der Reinigung und Entfettung der Lamelle überschreiten soll.
mit einem Lösungsmittel kann der Kleber Nach dem Verkleben müssen die Lamel-
aufgebracht und die Lamelle auf der Beton- len auf Hohlstellen untersucht werden, wo-
fläche angerollt werden. Bei der Applikati- bei an parallel aufgeklebten Referenzstücken
on der Lamellen spielt die Umgebungstem- Haftzugmessungen durchzuführen sind.
peratur eine große Rolle. Die Verarbei- Die Toleranz der Ebenflächigkeit der ver-
tungstemperatur der zum Verkleben der klebten Lamelle soll maximal 3 mm auf
Lamelle verwendeten Epoxidharze liegt 0,30 m betragen. Die verklebte Lamelle darf
bei mindestens 10 °C und maximal 35 °C, nicht angebohrt oder angestemmt werden.
wobei die Untergrundtemperatur jedoch
mindestens 3 °C über der Taupunkttempe-
ratur liegen sollte. Auch die Feuchtever- 13.2.1.4 Vorgespannte CFK-Lamellen
hältnisse beeinflussen die Reaktionszeit
der Harze stark. Daher soll die relative CFK-Lamellen können bei der Applikation
Luftfeuchtigkeit nicht mehr als 70% und vorgespannt werden. Durch die Vorspan-
die maximale Feuchtigkeit des Betons nicht nung verringert sich die Gefahr des Ab-
mehr als 4% betragen. Aus Gründen der scherens infolge eines Schubbruchs in der
Qualitätssicherung sollten daher während Zugzone. Die Vorspannkraft in der Lamelle
der Applika­tion der Lamelle die Lufttempe- verringert die Dehnungen der Stahlbeweh-
ratur, die relative Luftfeuchtigkeit, die Un- rung und reduziert so die Durchbiegung
tergrundtemperatur, die Untergrundfeuch- sowie die maximalen Rissbreiten und kann
te sowie die Taupunkttemperatur aufge- sogar ein teilweises Schließen der Risse zur
zeichnet werden. Folge haben. Dadurch werden die Zuverläs-
Beim Anbringen der Lamelle ist, um ein sigkeit und insbesondere die Dauerhaftig-
ausreichendes Verkleben der Lamelle zu keit der Konstruktion erhöht.
garantieren, auf die Ebenheit des Unter- Für das Aufbringen der Vorspannkraft
grunds zu achten, wobei die maximale Ab- gibt es die Möglichkeit, zuerst den Kle­
weichung ca. 5 mm auf 2 m betragen darf. ber aufzubringen und dann vorzuspannen
Allenfalls muss die Ebenheit des Unter- oder auf die bereits vorgespannte Lamel­
grunds bei Unebenheiten von mehr als le den Kleber aufzutragen und diese an-
10 mm/2,0 m mit Hilfe eines Ausgleichs- schließend auf das Bauteil anzupressen.
mörtels hergestellt werden. Bei Werten zwi- Ohne zusätz­liche Verankerung der Lamel-
schen 5 mm/2,0 m und 10 mm/2,0 m ist ein le können in einem Beton C25/30 jedoch
Ausgleich mittels Kleber im „Nass in Nass“- lediglich Schubspannungen von maximal
1092 13 Brückenverstärkung

10 N/mm² übertragen werden. Daher müs- 13.2.1.5.1 Schnittgrößenermittlung


sen durch spezielle Verankerungssysteme
höhere Schub­spannungen aktiviert wer- Aufgeklebte CFK-Lamellen weisen ein
den. Idealerweise liegt der Anpressdruck sprödes Verbundbruchverhalten auf, d. h.
solcher Systeme bei 5 N/mm², wodurch bei die Lamellen lösen sich bei Erreichen der
einem Beton C25/30 Schubspannungen Bruchlast der Verbundfuge schlagartig vom
von bis zu 15 N/mm² übertragen werden Betonuntergrund ab. Somit versagt das
können. verstärkte Bauteil ohne Vorankündigung.
Die einfachste Möglichkeit, um den not- Dementsprechend müssen für Betonbau-
wendigen Anpressdruck zu erzeugen, be- teile die Bemessungsvorschriften der ent-
steht im Einklemmen der Lamelle unter den sprechenden Normen erweitert werden. Im
Auflagern. Dies ist aber arbeitstechnisch Gegensatz zu einem im Beton eingebet­
meistens nicht möglich. Weiters können teten Bewehrungsstab ist bei geklebten
durch Stahlstangen oder Aramidschläuche CFK-Lamellen die Verankerung das maß-
gehaltene Ankerplatten verwendet werden, gebende Element, da diese zumeist schwä-
die im Druckbereich des Trägers verankert cher ist als die Lamelle selbst. Aus diesem
werden. Mit Hilfe solcher Verankerungssys- Grund dürfen Schnittgrößenermittlungs-
teme werden die Spannkräfte als Normal- verfahren unter Ausnutzung der plasti-
kräfte in das Bauwerk eingeleitet. Zurzeit schen Umlagerungen für das zu verstärken-
existiert eine Reihe von Systemen die nicht de Bauteil nicht verwendet werden. Für das
nur unter Laborbedingungen, sondern bei zu verstärkende Bauteil darf ausschließlich
realen Bauwerken als Verstärkungsmaß- die linear elastische Schnittgrößenermitt-
nahme eingesetzt wurden [Andrä/Maier, lung nach der Elastizitätstheorie angewen-
1999, Meier et al., 2001 und Bossart, 2001]. det werden.

13.2.1.5 Bemessung 13.2.1.5.2 Prinzipien der rechnerischen


Nachweisführung
Bei der Übertragung der Kräfte von der
CFK-Lamelle in das zu verstärkende Bauteil Der Einsatz von CFK-Lamellen kann so-
wird die Betondeckung stark beansprucht, wohl zur Erhöhung der Tragfähigkeit als
weshalb diese in entsprechend gutem Zu- auch zur Verbesserung der Gebrauchstaug-
stand sein muss. Können die für die Kraft­ lichkeit erfolgen. Daher werden die rechne-
übertragung notwendigen Mindestanforde- rischen Nachweise für die Grenzzustände
rungen nicht erfüllt werden, so muss der der Tragfähigkeit und der Gebrauchstaug-
Verstärkungsmaßnahme eine entsprechen- lichkeit geführt. Die wesentlichen Einfluss-
de Instandsetzungsmaßnahme (Kapitel 12) faktoren bei der Bemessung von Kohlen-
vorausgehen, um die Eigenschaften des Be- stofffaserelementen sind deren Zugfestig-
tonuntergrunds zu erhöhen. keit und Zugdehnung. Der Lamelle dürfen
Bei der Bemessung von nachträglich ausschließlich Zugkräfte zugewiesen wer-
mit CFK-Lamellen verstärkten Bauteilen den. Zusätzlich ist zwischen Nachweisen
ist zu berücksichtigen, dass sich das Ver- für das gesamte zu verstärkende Bauteil
bundverhalten von geklebten Lamellen und Nachweisen für die Lamelle selbst zu
hinsichtlich des Versagensmechanismus unterscheiden.
grundlegend vom Verbundverhalten ein-
gebetteter Bewehrungsstäbe unterscheidet
[Pichler, 2003].
13.2 Betonbrücken 13.2 Betonbrücken 1093

13.2.1.5.3 Nachweis im Grenzzustand γ1 = 1,4 wenn die Gefahr großer


der Tragfähigkeit Dehnungen im Beton be-
steht und damit Ablöse-
Grundsätzlich beruht die Bemessung von effekte entstehen
Bauteilen, die mit CFK-Lamellen verstärkt
sind, auf demselben Bemessungsgrundsatz Teilsicherheitsbeiwert für die Montage:
wie die Bemessung von gewöhnlichen Bau- γm = 1,1 bei einer Anwendung unter
teilen: sehr guten und kontrollier-
Rd ≥Ed ten Montagebedingungen
γm = 1,2 bei einer Anwendung
Der Bemessungswert der Einwirkung Ed ist durch geschultes Fachper-
dabei gemäß [DIN EN 1990, 2002] zu er- sonal und einer Überprü-
mitteln. Die Verstärkung erfolgt für die so fung der Montagebedin-
ermittelte ­Beanspruchung zufolge der maß- gungen, wobei einzelne
gebenden Einwirkungskombination. Schwachzonenjedochnicht
Die Ermittlung des Widerstands erfolgt gänzlich ausgeschlossen
gemäß den Bestimmungen der [DIN EN werden können
1992-2, 2005], wobei für den Betonstahl, γm = 1,4 bei größerer Variation der
den Spannstahl und den Beton selbst die Baustellenbedingungen
Teilsicherheitsbeiwerte gemäß [DIN EN aufgrund des Personals
1992-2, 2005] zu verwenden und mit die- oder der Anwendungsbe-
sen die Bemessungswerte zu ermitteln sind. dingungen
Der Bemessungswert der Zugfestigkeit der
Lamelle fud, L und der Zugdehnung εud, L Teilsicherheitsbeiwert für die Herstellung
kann mit folgenden Gleichungen bestimmt der Kohlenstofffaserelemente:
werden. Die entsprechenden Teilsicher- γf = 1,0 für kontrolliert ablaufende
heitsbeiwerte wurden mit Hilfe einer pro- Herstellung, ansonsten
babilistischen Analyse ermittelt [Bergmeis­ wesentlich höhere Werte
ter, 2003].
Für die Bemessung des zu verstärkenden
f uk ,L Bauteils und für die Ermittlung des erfor-
f ud ,L = derlichen Lamellenquerschnitts und der
γ cf ,L,t ⋅ γ 1 ⋅ γ m ⋅ γ f notwendigen Lamellenlängen muss der Vor­
dehnungszustand des unverstärkten Bau-
ε uk ,L teils zum Zeitpunkt des Aufbringens der
ε ud ,L =
γ cf ,L,e ⋅ γ 1 ⋅ γ m ⋅ γ f Lamelle berücksichtigt werden.
Gemäß den Richtlinien des Deutschen
Teilsicherheitsbeiwert für das Kohlenstoff- Instituts für Bautechnik [DIBt, 1998] und
faserelement: der Österreichischen Vereinigung für Be-
γcf,L,t = 1,2 ton- und Bautechnik [ÖVBB, 2002] muss
für die Ermittlung des Widerstands des Ver-
γcf,L,e = 1,2 stärkungssystems selbst der charakteristi-
sche Wert der Verbundbruchkraft ermittelt
Teilsicherheitsbeiwert für eine Dehnungs-
werden.
begrenzung:
Tk ,max = 0,5 ⋅ bL ⋅ kb ⋅ kT ⋅ EL ⋅ t L ⋅ f ctm
γ1 = 1,0 wenn kein vorzeitiges
Ablösen durch zu große Darin ist bL die Lamellenbreite in mm, tL
Dehnungen im Beton auftritt die Lamellendicke in mm, EL der Elastizi-
1094 13 Brückenverstärkung

tätsmodul der Lamelle, fctm die Oberflä- cke zu beachten sind. Im Bereich der End-
chenzugfestigkeit des Betonuntergrunds in verankerung ist nachzuweisen, dass der
N/mm² (Rechenwert 3,0 N/mm²) und kT Bemessungswert der Verbundbruchkraft
ein Korrekturwert für den Temperaturein- größer ist als der Bemessungswert der vor-
fluss (0,9 bei Außenbauteilen, sonst 1,0). handenen Lamellenzugkraft.
Der Faktor kb errechnet sich zu Für die freie Strecke müssen lediglich
die Bereiche mit Querkraftbeanspruchung
2 − bL /b betrachtet werden, wobei nachgewiesen
kb = 1,06 ⋅ ≥ 1,0
1 + bL /400 werden muss, dass die Zugkraftänderung in
der Lamelle durch die Verklebung übertra-
Darin ist b die Balkenbreite oder der Ab- gen werden kann. Der Bereich zwischen
stand benachbarter Lamellen. zwei benachbarten Rissen ist hierfür maß-
Die zugehörige Verankerungslänge lt, max gebend, wobei bei der Bemessung der
kann wie folgt bestimmt werden: größtmögliche Rissabstand heranzuziehen
ist [Niedermeier/Zilch, 2001].
EL ⋅ t L
lt ,max = 0,7 ⋅ Bei einer dynamischen Belastung des
f ctm Bauteils, muss im Sinne des Nachweises der
Ermüdungsfestigkeit für die ermüdungs-
Dies bedeutet, dass die Verbundbruchkraft wirksame Einwirkungskombination nach-
durch Vergrößerung der Verankerungslän- gewiesen werden, dass die Schwingbreite
ge nicht beliebig gesteigert werden kann der Spannungen der Lamelle oder in der
(Bild 13.2.1-1). Daher ermöglichen es auch Matte 100 N/mm² nicht überschreitet.
sehr große Verankerungslängen im Regel-
fall nicht, größere Lamellenzugkräfte zu
verankern [DIBt, 1998]. 13.2.1.5.4 Nachweis im Grenzzustand
Von großer Bedeutung ist daher, dass der Gebrauchstauglichkeit
neben der Einhaltung der konstruktiven
Regeln auch die Verklebung detailliert Für den Grenzzustand der Gebrauchstaug-
untersucht wird, wobei sowohl die Endver- lichkeit sind gemäß [DIN EN 1992-2, 2005]
ankerungsbereiche als auch die freie Stre- grundsätzlich zwei Nachweise zu führen:
• Nachweis der Durchbiegungen
• Nachweis der Rissbreitenbegrenzung
Die für den jeweiligen Nachweis anzuset-
zende Einwirkungskombination kann der
[DIN EN 1990, 2002] entnommen werden.
Beim Nachweis der Durchbiegungen kann
der Querschnitt der vorhandenen Lamel-
len- oder Mattenverstärkung mit dem ent-
sprechenden Elastizitätsmodul und dem
ent­sprechenden Abstand vom Biegedruck-
rand in die Berechnung eingeführt werden,
wobei das unterschiedliche Verbundverhal­
ten von Verstärkung und Betonstahlbeweh­
Bild 13.2.1-1   Zusammenhang zwischen cha- rung nicht berücksichtigt werden muss.
rakteristischer Verbundbruchkraft und Veran- Der Nachweis der Rissbreitenbegren-
kerungslänge zung kann in der Regel entfallen, da durch
13.2 Betonbrücken 13.2 Betonbrücken 1095

das Aufkleben des Kohlenstofffaserele- Bauteils muss mindestens C16/20 betragen


ments sowohl der Rissabstand als auch die und die Betonstahlbewehrung muss eine
Rissbreite verringert werden. Sollte die Betondeckung von mindestens 1,0 cm auf-
Verstärkung jedoch speziell zur Rissbrei- weisen. Zusätzlich muss der Betonunter-
tenbegrenzung vorgesehen sein, so kann grund, auf den die Lamelle oder Matte
der rechnerische Nachweis gemäß fib Bul- ­geklebt werden soll, so beschaffen oder vor-
letin 14 [fib, 2001] geführt werden. behandelt sein, dass keine planmäßigen
Zugspannungen normal zur Klebefuge auf-
treten, d. h. die Ebenflächigkeit des Beto-
13.2.1.6 Konstruktive Maßnahmen nuntergrunds muss gewährleistet sein.
Die Endverankerung stellt, wie erwähnt,
Hinsichtlich des gegenseitigen Abstands einen sehr sensiblen Bereich dar, weshalb
der Lamellen soll beachtet werden, dass die hier zusätzliche konstruktive Maßnahmen
Mindestabstände so zu wählen sind, dass zur Sicherstellung der Kraftübertragung zu
der Klebstoffaustritt kontrolliert werden setzen sind. Lamellen, die zur Erhöhung
kann und somit eine qualitativ hochwertige der Biegetragfähigkeit des Bauteils dienen,
Ausführung der Verklebung sichergestellt sollen grundsätzlich von Auflager zu Aufla-
ist. Zusätzlich soll durch die Einhaltung der ger geführt werden. Bei Innenstützen von
Mindestabstände ein Überschneiden von Durchlaufsystemen sollen die Lamellen zur
Krafteinleitungsbereichen und damit ein Aufnahme der Feldmomente über die Null-
Versagen durch lokale Spannungsspitzen durchgänge der Zugkraftlinie hinaus zu-
vermieden werden. mindest 1,0 m in den Biegedruckbereich
Um die Funktion der geklebten Lamelle geführt werden [Pichler, 2003].
oder Matte zu gewährleisten, ist die Kraft­ Die Endverankerungen von Lamellen-
übertragung zwischen Verstärkung und verstärkungen sind gemäß Bild 13.2.1-2 zu
Betonuntergrund von Bedeutung. Kon- gestalten [ÖVBB, 2002]. Reicht die vorhan-
struktive Maßnahmen müssen daher ge- dene Trägerhöhe nicht aus, um die Kraft VL
troffen werden, um die Einleitung der Kräf- über die Verklebung zu verankern, müssen
te in die Betondeckung zu ermöglichen. die CFK-Schubwinkel oder Matten an der
Die Betonfestigkeit des zu verstärkenden Trägeroberseite verankert werden.

Stahlbügel
Stahlbügel
h
h
> lv
> lv

CFK
CFK
Schubwinkel
Schubwinkel
oder
oder
Matte
Matte
VLV/2L/2 VLV
/2L/2

2.h
2.h ZLZL

Bild 13.2.1-2   Endverankerung einer CFK-Lamelle


1096 13 Brückenverstärkung

13.2.2 Externe Vorspannung enormen Kosten beim Einbau jedoch eher


gering sind, wird im Rahmen der Verstär-
13.2.2.1 Allgemeines kung von Betonbrücken die externe Vor-
spannung beinahe ausschließlich einge-
Muss eine Betonbrücke aufgrund geänder- setzt.
ter Nutzung oder wegen Problemen mit der Mit Hilfe der externen Vorspannung soll
Tragfähigkeit verstärkt werden, kann das die volle Tragfähigkeit und Gebrauchstaug-
Tragwerk nachträglich vorgespannt wer- lichkeit der Konstruktion wieder hergestellt
den. Dabei werden nur in seltenen Fällen werden, wobei man versucht, die Mängel,
die Spannglieder innerhalb (nachträgliche die aus einer unzureichenden schlaffen oder
Vorspannung mit vollständigem Verbund), vorgespannten Bewehrung resultieren, aus-
sondern meist außerhalb (externe Vorspan- zugleichen. In der Tabelle 13.2.2-1 sind die
nung) des Betonquerschnitts geführt. Die Vor- und Nachteile der externen Vorspan-
externe Vorspannung stellt, was die Kon- nung zusammengefasst [Bothe, 2000].
trolle und Austauschbarkeit der Spannglie- Durch eine beliebige Wahl der Linien-
der betrifft, die technisch einfachere Lösung führung der Spannkabel kann die Kraftein-
dar, da die Spannglieder relativ leicht inspi- tragung beeinflusst werden. Der Grundsatz
ziert und bei Schäden am Spannstahl auch dabei ist, durch eine geeignete Spannglied-
ausgewechselt werden können. Liegen die führung und die Umlenkung der Spannka-
Spannkabel im Betonquerschnitt, so ist dies bel hohe Vorspannkräfte auf den zu verstär-
natürlich nicht möglich. Statisch-konstruk- kenden Teil der Brücke zu übertragen.
tive Vorteile ergeben sich jedoch durch Dennoch werden bei der externen Vor-
den nachträglichen Verbund, wodurch die spannung aufgrund der konstruktiv einfa-
aus der Vorspannung resultierenden Kräfte cheren Handhabung die Spannglieder zwi-
über die gesamte Länge eingeleitet werden schen den Umlenksätteln geradlinig geführt
können. Da die statischen Vorteile des voll- und statisch etwas ungünstigere Verhält-
ständigen Verbunds im Verhältnis zu den nisse in Kauf genommen.

Tabelle 13.2.2-1  Vor- und Nachteile der externen Vorspannung (nach [Bothe, 2000])

Vorteile der externen Vorspannung Nachteile der externen Vorspannung

Kontrolle des Spannstahls Wegfall positiver Verbundeigenschaften und


deren Folgen (Ausnutzung des Spannungs­
zuwachses im Spannstahl, riss­verteilende
Wirkung des Spannstahls)

Austauschbarkeit des Spannstahls Geringer Schutz des Spannstahls gegen äußere


Einflüsse wie Brand und Vandalismus

Veränderung der Vorspannkraft Verkleinerung der möglichen Schwerpunkts­


während des Nutzungszeitraums durch abstände zwischen den Teilstrukturen
Nachspannen

Bessere Herstellbarkeit des Stahlbetons in


Problembereichen

Wegfall witterungsabhängiger Verpress­


arbeiten
13.2 Betonbrücken 13.2 Betonbrücken 1097

13.2.2.2 Spannsysteme fügt, kann am einfachsten über die Websei-


te der EOTA (European Organisation for
Im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit bieten Technical Approvals, www.eota.be) über-
externe Spannglieder den Vorteil, dass sie prüft werden.
auf der freien Strecke gut inspizierbar sind Externe Spannglieder können z. B. aus
und bei geeigneter Ausführung bei Bedarf vier gefetteten und mit einem PE-Mantel
nachgespannt oder ausgetauscht werden umhüllten Litzen bestehen, die in einem
können. Die visuelle Überprüfung der Ver- eckigen PE-Hüllrohr als Band geführt wer-
ankerungs- und Umlenkbereiche externer den. Durch die Form des Hüllrohrs sind
Spannglieder ist jedoch im Normalfall gar diese Spannglieder stapelbar, sodass man
nicht oder nur teilweise möglich. Die Mög- bei Verwendung von vier Bändern ein
lichkeit, die Spannkraft in externen Spann- Spannglied mit 16 Litzen erhält. Eine ande-
gliedern durch einen Abhebetest oder an- re Möglichkeit zur Ausbildung von exter-
dere geeignete Verfahren festzustellen und nen Spanngliedern besteht darin, die Mo-
das Spannglied bei Bedarf nachzuspannen, nolitzen in einem dickwandigen HDPE-
kann für den Bauherrn durchaus von Inte- Hüllrohr mit Abstandhaltern zu fixieren
resse sein. Es hat sich jedoch gezeigt, dass und das Spannglied anschließend mit Ze-
in Europa und in den USA praktisch kein mentmörtel zu verpressen.
Gebrauch davon gemacht wird [Kollegger
et al., 2004].
Von den Vorspannfirmen werden unter- 13.2.2.3 Vorgespannte Kohlenstofffaserkabel
schiedliche Systeme für externe Vorspan-
nung angeboten (siehe Tabelle 13.2.2-2). Es Die Ausnutzung der ausgezeichneten Fa-
ist sicherzustellen, dass das verwendete ser- bzw. Festigkeitseigenschaften von Koh-
Spannverfahren über eine europäische lenstofffaserelementen, wie geringes Ge-
technische Zulassung (ETA) nach ETAG wicht, Korrosionsbeständigkeit und hohe
013 verfügt. Ob ein Produkt über eine gül- Zugfestigkeit in Faserlängsrichtung, ist in
tige europäische technische Zulassung ver- der Eigenschaft als eigenständiges vorge-

Tabelle 13.2.2-2  Verzeichnis gebräuchlicher Spannsysteme für externe Vorspannung


(Stand 01.08.2003)
Spannsystem Hersteller Internetadresse
Litzenspannverfahren DYWIDAG DSI-DYWIDAG www.dywidag-systems.com
Typ W für externe Vorspannung Systems International
GmbH
Litzenspannverfahren DYWIDAG
Typ CM
Litzenspannverfahren VT-CMM D Vorspann-Technik www.vorspanntechnik.com
für externe Vorspannung GmbH&Co KG
Spannverfahren SUSPA-Draht EX für SUSPA-DSI GmbH www.suspa-dsi.de
externe Vorspannung
Externe Spannglieder B+B Typ EMR Bilfinger und Berger www.bbv-roxheim.de
Vorspanntechnik
GmbH
1098 13 Brückenverstärkung

spanntes Tragelement bisher nur vereinzelt ßerst mäßigen mechanischen Festigkeits­


erfolgt. Dabei hat sich jedoch gezeigt, dass eigenschaften in Faserquerrichtung, welche
eine wirtschaftliche Ausnutzung der hohen zu einer hohen Querdruckempfindlichkeit
Dehnungs- und Tragreserven der Kohlen- und somit einer vorzeitigen Bruchgefähr-
stofffasern aufgrund der geringen Ver- dung des Kohlenstofffaserzugglieds führen
bundtragfähigkeit nur in Kombination mit können. Um in einem vorgespannten Bau-
externer Vorspannung der Kohlenstofffa- werk die Spannkräfte aus dem vorgespann-
ser-Zugglieder erfolgen kann. Bei den ein- ten Zugglied in die Verankerung einleiten
gesetzten Zuggliedern aus Kohlenstofffa- und in den Beton übertragen zu können,
sern handelt es sich in der Regel um externe sind jedoch gerade diese Querdruckkräfte
Spannglieder oder Schrägkabel, die aus erforderlich. Aus diesem Grund sind für
mehreren Drähten zumeist unidirektional Spannglieder mit CFK-Drähten spezielle
bzw. analog zum Spannstahl in hexagonaler Verankerungssysteme für die Kraftübertra-
Form angeordnet und zu einem Spannglied gung erforderlich, um die Werkstoffeigen-
zusammengefügt werden. schaften von Kohlenstofffaserkabeln tat-
Die Herstellung der Kohlenstofffaser- sächlich optimal ausnutzen zu können.
drähte erfolgt im Pultrusionsverfahren mit An der Eidgenössischen Material- und
einem Mindestdurchmesser von 5 mm. Die Prüfungsanstalt (EMPA) Dübendorf in der
Drähte sind korrosionsbeständig. Es ist aber Schweiz konnte in Zusammenarbeit mit
wichtig, sie vor UV-Strahlung zu schützen. der BBRV-Vorspanntechnik bereits in den
In Abhängigkeit vom Drahthersteller besit- 1980er Jahren eine Vergussverankerung für
zen die Drähte Bruchlasten von 50 bis 70 kN. Spannglieder aus CFK-Drähten entwickelt
Jeder Draht besteht aus mindestens 12.000 und weltweit patentiert werden. Diese Ver-
Kohlenstofffasern, wobei der Faservolu- gussverankerung besteht aus einer Stahl-
mengehalt bei 65 bis 75% liegt. Die Bruch- hülse mit konischer Innenform, in der das
dehnung von Spanngliedern aus Kohlen­ Spannglied in einer aushärtbaren Verguss-
stoff­fasern liegt bei 1,5 bis 2,0%, während masse, bestehend aus Aluminiumoxidku-
Spannkabel mit Stahldrähten der Güte geln und Epoxidharz, eingebettet ist. Zur
St1570/1770 lediglich eine Bruchdehnung Abtragung der Querdruckkräfte in der Ver-
von etwa 0,8% aufweisen [Bergmeister, ankerung wird als Vergusskörper ein Gradi-
1998]. Das Gewicht beträgt ungefähr ein entenwerkstoff herangezogen, der im last-
Fünftel von Spannstahl. Im Zuge von Ver- nahen, verjüngten Bereich einen niedrigen
stärkungsmaßnahmen kann vor allem dieses Elastizitätsmodul und im lastfernen, auf­
geringe Gewicht von großem Vorteil sein. geweiteten Bereich der Verankerung einen
Bei der Verwendung von Kohlenstofffa- hohen Elastizitätsmodul aufweist, wobei
serdrähten zur Vorspannung von Beton der maximale Elastizitätsmodul durch
muss berücksichtigt werden, dass die Koh- unbeschichtete Aluminiumoxidkugeln er-
lenstofffaserdrähte durch ihr linear-elasti- reicht wird [Meier, 1996].
sches Verhalten bis zum Bruch, im Gegen- Durch die Abstufung des Gradienten-
satz zu Spanngliedern mit Stahllitzen, keine materials wird – in Analogie zum Gradien-
Duktilität aufweisen. Die Duktilität der zu tenverfahren bei Kohlenstofffaserlamellen
verstärkenden Konstruktion muss dem- mit über die Verankerungslänge variabler
nach durch die schlaffe Bewehrung sicher- Vorspannkraft – die Spannungsspitze im
gestellt sein. Lasteinleitungsbereich reduziert und der
Der Grund für den noch seltenen Ein- Spannungsverlauf über die Länge der Ver-
satz von vorgespannten Kohlenstofffaser- ankerung geglättet. Die Herstellung eines
kabeln liegt neben den zur Zeit noch hohen Verankerungssystems mit abgestuftem Ver-
Material- und Fertigungskosten in den äu- gussmaterial ist jedoch äußerst schwierig
13.2 Betonbrücken 13.2 Betonbrücken 1099

und aufwendig. Zusätzlich ist die Fertigung


nur in stehender Position im Werk und
nicht auf der Baustelle möglich.
In einem Forschungsvorhaben des Lehr-
stuhls für Massivbau der Technischen Uni-
versität München wurde in den Jahren 1997
bis 1999 gemeinsam mit einem Tochterun-
ternehmen der Dyckerhoff & Widmann
AG, München, eine dem schweizerischen
Modell ähnliche konische Vergussveranke-
rung für unidirektional geführte Parallel-
drahtbündel entwickelt, wobei eine homo-
gene Harzkomponente als Vergussmaterial
herangezogen wurde [Windisch, 2000].
Dies vereinfacht die Herstellung, da der
Verguss der Verankerung auch in waag-
rechter Position möglich ist. Um eine mög-
lichst gleichmäßige Einleitung der Spann-
kräfte vom Zugelement in die Verankerung
zu ermöglichen, mussten die Abmessungen
des Ankerkörpers, im Vergleich zu der an Bild 13.2.2-1   Konisch segmentierter Veranke-
der EMPA entwickelten Verankerung, stark rungskörper
vergrößert werden. Dies führt bei größerer
Drahtanzahl wegen des zunehmenden Ge- rungsende bzw. eine Verlagerung der Span-
wichts der Stahlhülse, der Schwierigkeit der nungskonzentration durch die Verjüngung
porenfreien Injektion des Vergussmaterials des Stahlkonus zum lastfernen Veranke-
unter Baustellenbedingungen und der Inji- rungsende hin erreicht. Gleichzeitig wurde
zierdauer zu Problemen. durch die gegenläufigen Neigungen der
Daher wurde am Institut für Stahlbeton- einzelnen Konussegmente ein Abstützen
und Massivbau der Technischen Universi- des Vergusskörpers entlang der Stahlhülse
tät Wien in Zusammenarbeit mit der Firma ermöglicht und ein Auszug verhindert.
Vorspann-Technik, Salzburg, eine konische Durch geeignete Wahl der Höhen h und
Vergussverankerung für Spannglieder aus Neigungen α der einzelnen Konussegmente
Kohlenstofffaserverbundwerkstoff entwi- sowie des Gesamtöffnungswinkels β des
ckelt. Diese Neuentwicklung zeichnet sich Ankerkörpers kann der Spannungszustand
durch ihre innovative Geometrie aus und in der Verankerung gezielt eingestellt
stellt eine Neuheit auf dem Gebiet der Koh- ­werden [Gaubinger et al., 2002].
lenstofffaser-Verankerungstechnik dar. Im Das Verankerungssystem wurde bereits
Vergleich zu bestehenden Verankerungs- erfolgreich im Labor getestet [Horvatits/
systemen wurde durch eine speziell gewähl- Kollegger, 2003] und wurde im Jahr 2003
te Form des Ankerkörpers (Bild 13.2.2-1) auch bei der Verstärkung einer bestehen-
der mechanische Wirkungsgrad der Veran- den Spannbetonbrücke, der Autobahnbrü-
kerung optimiert und gleichzeitig der Her- cke Golling (A) mit einer Länge von 35 m,
stellungsprozess vereinfacht. eingesetzt. Bei diesem Projekt kamen
Durch die spezielle Formgebung wurde Spannglieder aus 37 Kohlenstofffaserdräh-
eine sanftere Einspannung des Kohlenstoff- ten mit 5 mm Durchmesser und einer Ka-
faserspannglieds durch die Aufweitung belbruchlast von 1900 kN zum Einsatz.
des Vergusskörpers am lastnahen Veranke- Sowohl der Einbau der Spannglieder und
1100 13 Brückenverstärkung

Verankerungen als auch das Vorspannen einer Pumpe erfolgen kann.


der Kabel verlief völlig problemlos [Horva- Für die sachgerechte Ausführung ist eine
tits/Kollegger, 2003 und Kollegger/Bran- entsprechende Qualifikation des Düsen-
dauer, 2004]. führers notwendig. In diesem Zusammen-
hang soll wenig Rückprallmaterial anfallen.
Da der Rückprall prozentuell mehr Grob-
13.2.3 Querschnittsergänzung korn als Mörtel enthält, verändert sich das
Mischverhältnis gegenüber dem Bereitstel-
Reicht der vorhandene Betonquerschnitt lungsgemisch. Dieser Faktor ist entschei-
aufgrund von schadhaften Einflüssen oder dend für die Ausführungsqualität der neu-
einer Nutzungsänderung nicht mehr aus, en Betonschicht.
um die ihm zugewiesenen Lasten abzutra- Zusätzlich sind eine gute Haftung am
gen, so ist eine Verstärkungsmaßnahme­ Untergrund sowie eine einwandfreie Um-
im Sinne einer Querschnittsergänzung not- mantelung der Stahleinlagen gefordert,
wendig. Dabei wird auf den bestehenden wobei im Zuge von Verstärkungsmaßnah-
Betonuntergrund eine neue Betonschicht men der Spritzbeton in relativ dünnen
aufgebracht. Somit wird der Querschnitt Schichten aufgebracht wird. Zuvor werden
vergrößert und die Tragfähigkeit der Kon- noch angegriffene Betonteile entfernt und
struktion steigt bei richtiger Ausführung der Betonuntergrund durch Feuchtstrahlen
der Querschnittsergänzung. In diesem Zu- gesäubert, um restliche lose Teile zu entfer-
sammenhang sind insbesondere Vorkeh- nen und ein Aufreißen der Poren zu er­
rungen zu treffen, um den ausreichenden reichen, das die Voraussetzung für einen
Haftverbund zwischen altem und neuem guten Haftverbund ist. Beim Auftreffen des
Beton sowie eine gleichmäßige Hydratation Spritzbetons am Betonuntergrund werden
zu gewährleisten. zuerst Zementmilch und feinste Teilchen in
die offenen Poren gepresst. Dieser dünne
Mörtelfilm ermöglicht ein Haften der grö-
13.2.3.1 Querschnittsergänzung beren Zuschlagskörner. Durch die enorme
mit Spritzbeton Wucht mit der diese auftreffen, werden die
Zuschläge immer tiefer in den Betonunter-
Bei der Verstärkung von Stahlbeton- und grund eingehämmert. Somit entspricht bei
Spannbetonkonstruktionen gilt die Ver- sachgerechter Herstellung die Schub- und
wendung von Spritzbeton als Standardver- Zugfestigkeit in der Verbundfuge jener von
fahren, wobei in Abhängigkeit vom Ort der in einem Guss hergestelltem Beton. Spritz-
Wasserzugabe zwischen Nass- und Tro- beton kann in allen üblichen Festigkeits-
ckenspritzverfahren unterschieden wird. klassen hergestellt werden. Er ist relativ
Beim Trockenspritzverfahren wird das wasserdicht und besitzt einen natürlichen
Anmachwasser unmittelbar vor dem Aus- Widerstand gegen Frostbeanspruchung.
tritt aus der Spritzdüse dem Mischgut bei- Bei der Festlegung des Zementgehalts ist
gegeben. Der Vorteil liegt in einem energie- zu berücksichtigen, dass ein hoher Zement-
armen Transport und dem Erzielen einer gehalt zwar den Rückprallanteil mindert,
hohen Austrittsgeschwindigkeit, die wie- aber das Schwinden unterstützt. Daher hat
derum einen guten Haftverbund sicher- sich in der Praxis in Abhängigkeit vom
stellt. Als Alternative kann auch das Nass- Größtkorn des Zuschlags beim Trocken-
spritzverfahren angewendet werden. Bei spritzverfahren ein Zementgehalt von 300
diesem Verfahren wird das Wasser bereits bis 400 kg/m³ im Ausgangsgemisch be-
im Mischer zugeführt, wobei der Transport währt [Schäfer, 1996]. Beim Nassspritzver-
des Mischguts unter Druckluft oder mit fahren ist ein etwas höherer Zementgehalt
13.2 Betonbrücken 13.2 Betonbrücken 1101

Bild 13.2.3-1   Spannungs-Dehnungs-Diagramm von normalem Spritzbeton und Faserspritzbeton

anzusetzen. die sich in Form, Größe und Zugfestigkeit


Der W/B-Wert kann beim Nassspritzver- unterscheiden. Der Anteil an Stahlfasern
fahren direkt eingestellt werden und liegt beträgt zwischen 40 und 100 kg/m³. Dabei
im Bereich zwischen 0,4 und 0,5. Im Gegen­ ist zu berücksichtigen, dass wegen des Rück-
satz dazu ist beim Trockenspritzverfahren pralls der Faseranteil um bis zu 35% sinken
die Einstellung eines vorgegebenen W/B- kann. Der Vorteil liegt darin, dass sich vor
Werts viel schwieriger, da die Wasserbeigabe der Rissbildung die Zug- und Druckfestig-
durch den Düsenführer an der Spritzdüse keit des Spritzbetons um ca. 30% erhöht,
geregelt wird. Es bedarf einer sorgfältigen wobei nach Erreichen der Festigkeit durch
Arbeitsausführung, da bei einem zu hohen das Verformungsvermögen der beigefügten
Wasseranteil der Spritzbeton von der Ober- Stahlfasern eine weitere Lastaufnahme erfol-
fläche abläuft und bei einem zu geringen gen kann (Bild 13.2.3-1). Zusätzlich bilden
der Rückprall verstärkt wird. Bei einer rich- sich durch die Beigabe von Stahlfasern meh-
tig eingestellten Konsistenz sollte der W/B- rere feine Risse aus, die zumeist unter der für
Wert nicht über 0,5 liegen. Die Zugabe von die Korrosion kritischen Grenze liegen.
Erstarrungsbeschleunigern führt zwar zu Um die Stahlfasern selbst vor einer Zer-
einer höheren Anfangsfestigkeit, jedoch störung durch Korrosion zu schützen, wird
weist der Beton nach dem Aushärten eine die letzte Schicht Spritzbeton in der gefor-
wesentlich höhere Porosität auf. derten Betondeckung in Form von stahlfa-
Um einen einwandfreien Verbund zu er- serfreiem Spritzbeton aufgebracht. Manche
zielen, muss die Oberfläche befeuchtet wer- Firmen bieten bereits nichtrostende Stahl-
den. Ein Abplatzen des Spritzbetons infolge fasern oder Fasern aus Kunststoffen an,
von zu starkem Schwinden wird durch ein deren Einsatz aber zumeist aus wirtschaft-
langes Befeuchten in der ersten Erhärtungs- lichen Gründen scheitert.
phase verhindert. Setzt man dem Spritzbe-
ton Flugasche bei, so kann eine bessere Kle-
bewirkung, Endfestigkeit und Dichtigkeit 13.2.3.2 Querschnittsergänzung
erreicht werden, wobei der Anteil an Flug- durch Anbetonieren
asche im Allgemeinen maximal 20 bis 25%
des Zementgewichts beträgt. Sind keine allzu großen Kräfte bzw. nur
Um eine Erhöhung der Duktilität zu er- senkrecht zur Fuge gerichtete Druckkräfte
zielen, können dem Spritzbeton Stahlfasern abzutragen und ist keine Kraftübertragung
beigemischt werden. Dabei können die ver- durch Haftverbund notwendig, kommt das
schiedensten Fasern angewendet werden, Anbetonieren mit konventioneller Scha-
1102 13 Brückenverstärkung

lung zum Einsatz. Um einen besseren Ver- harz gewährleistet die volle Schubtragfähig-
bund zwischen altem und neuem Beton zu keit eines monolithischen, ohne Arbeitsfuge
erzielen, werden zumeist Dübel eingesetzt, hergestellten Stahlbetonbauteils. Reicht dies
die zusätzlich den Schubkräften in der jedoch noch nicht aus, so können zusätzlich
Verbundfuge entgegenwirken. Eine weitere Anker gesetzt werden, wobei durch eine ge-
Möglichkeit, um eine bessere Schubverbin- eignete Profilausbildung der Anschlussfuge
dung zwischen altem und neuem Beton zu eine bessere Kraftübertragung erreicht wer-
erzielen, besteht darin, den alten Betonun- den kann.
tergrund durch hartkornverzahnte Epoxid- Um bei der Verstärkung von Stützen ein
harzbeläge vorzubereiten. Diese erzeugen Ausweichen, des neuen Betons zu verhin-
eine bessere Verzahnung zwischen altem dern, kommt eine umschnürende Bügelbe-
und neuem Beton. Das Aufbringen dieses wehrung zum Einsatz, die ein Zusammen-
Belags erfolgt in folgenden Schritten [Schä- pressen der Anschlussfuge bewirkt. Aus
fer, 1996]: wirtschaftlichen Überlegungen kommt eine
Schalung erst ab einer Dicke von 100 mm
• Freilegen der Kornoberfläche des be­
zum Einsatz [Ruffert, 1983].
stehenden Betons mittels Feuchtstrah-
Grundsätzlich ist bei der Verstärkung
lens oder Hochdruckwasserstrahlens,
von Tragwerken auch die Anwendung von
um einen tragfähigen Betonuntergrund
Leichtbeton möglich. Der große Vorteil liegt
zu erzielen, der frei von Verunreinigun-
in dessen gegenüber herkömmlichem Beton
gen ist
geringem Eigengewicht, wodurch günstige-
• Auftragen einer Grundierung aus löse-
re statische Verhältnisse erzielt werden kön-
mittelfreiem Epoxidharz mit Injektions-
nen. Ein Nachteil bei der Anwendung von
qualität, wobei der Verbrauch von der
Leichtbeton bei der baulichen Erhaltung
Saugfähigkeit der Betonunterlage ab-
liegt in dessen Porosität, welche in großem
hängt
Maße die Korrosion der Bewehrung be-
• Absanden der Grundierung mit feuerge-
günstigt.
trocknetem Quarzsand (0,3/0,8 mm)
Wie bereits erwähnt, eignet sich das
• Entfernung des überschüssigen Sandes
Hochdruckwasserstrahlen sehr gut als vor-
nach einer temperaturabhängigen War-
bereitende Maßnahme vor dem Anbeto-
tezeit bis zur Begehbarkeit der Fläche
nieren eines neuen Bauteils, um einen trag-
• Erstellung eines Epoxidharzbelags aus
fähigen Betonuntergrund zu garantieren
einem mit Quarzsand im Verhältnis 1:1
ohne die Bewehrung zu schädigen. Dies
gefüllten Verlaufsmörtel, wobei der tat-
zeigt beispielhaft die Verbreiterung der
sächliche Verbrauch von der Unebenheit
Reichsbrücke in Wien (Bild 13.2.3-2).
abhängt
Die Brücke wurde in den Jahren 1976 bis
• Abdichtung des Belags mit einer gebro-
1978 errichtet. Die Gesamtlänge des Trag-
chenen Chromerzschlacke mit einer
werks beträgt 900 m mit Stützweiten im
Ausfallkörnung 3/8 mm
Bereich der Donau von maximal 196,61 m.
• Entfernung der überschüssigen Chrom-
Im Zuge des Umbaus und der Instandset-
erzschlacke nach einer temperaturbe-
zung des Tragwerks in den Jahren 2003 und
dingten Wartezeit bis zur Begehbarkeit
2004 wurde unter anderem der bestehende
des Belags
3,65 m breite Geh- und Radweg abgebro-
Dieses Verfahren zeichnet sich durch seine chen und bei einer gleichzeitigen Verbreite-
einfache Ausführung, Robustheit und Feh- rung auf 5,27 m wieder hergestellt.
lerunempfindlichkeit aus. Eine Beschich- Um die Anschlussbewehrung zu erhal-
tung der alten Betonoberfläche mit Epoxid- ten, erfolgte der Abtrag der Gehwegplatte
13.2 Betonbrücken 13.2 Betonbrücken 1103

Bild 13.2.3-2   Reichsbrücke in Wien

Bild 13.2.3-3   Abtrag der Gehwegplatte mittels Hochdruckwasserstrahlens


1104 13 Brückenverstärkung

mittels Hochdruckwasserstrahlens (Bild zugehen und die verwendeten Materialien


13.2.3-3). In Bild 13.2.3-3 erkennt man den hinsichtlich ihrer aus den Unterlagen fest-
Roboter, die bestehende Gehwegplatte aus stellbaren mechanischen, technologischen
Beton sowie die auf 0,8 m Länge freigelegte und eventuellen chemischen Eigenschaften
Anschlussbewehrung. zu beurteilen. Sind keine Bestandspläne
vorhanden, ist das gesamte Tragwerk auf-
zumessen. Daraus werden neue Bestands-
13.3 Stahl- und Verbundbrücken pläne erstellt. Für die Festlegung der Mate-
rialeigenschaften sind in diesem Fall an
Günter Ramberger Stellen, die keine Bedeutung für die Tragfä-
und Francesco Aigner higkeit besitzen, ausreichend viele Proben
zu nehmen und daraus die für eine Beurtei-
Bevor eine Brückenverstärkung geplant lung erforderlichen Materialeigenschaften
wird, muss zunächst das Bauwerk einer zu ermitteln. Vor Beginn der Nachrech-
Hauptuntersuchung unterzogen werden, nung ist jedenfalls zu klären, für welche
bei der alle Schadstellen aufgenommen Belastungen und nach welchen Grundla-
werden. Dies sind an den tragenden Kon- gen (Normen) das Tragwerk hinsichtlich
struktionen insbesondere Korrosionsschä- Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit
den, Ermüdungsrisse, statische Brüche, beurteilt werden soll.
plastische Verformungen, lockere Verbin- Die Ergebnisse der Nachrechnung zeigen
dungsmittel, Schäden an Verbundplatten dann, ob das Tragwerk für die neue Belas-
wie freiliegende Bewehrung, Risse durch tung oder im geschwächten Zustand ausrei-
die Wasser durchsickern kann usw. sowie chend tragfähig und gebrauchstauglich ist,
beschädigte Lager, und an der nichttragen- oder ob das gesamte Tragwerk oder nur
den Konstruktion Schäden im Fahrbahn­ Tragwerksteile verstärkt werden müssen.
belag, an den Fahrbahnübergängen, an Allgemeine Aussagen, welche Verstärkungs-
Leiteinrichtungen und Geländern, Korro­ maßnahme bei welchem Bauwerk mit dem
sionsschäden an nichttragender Konstrukti- geringsten Aufwand zum gewünschten Er-
on. Sodann ist zu prüfen, ob durch entspre- folg führt, gibt es nicht. Gerade Verstär-
chende Reparatur der ursprüngliche Zustand kungsmaßnahmen bedürfen einer indivi­
wieder hergestellt werden kann oder ob duellen Ingenieurlösung. Einige allgemein
Schwächungen (z. B. Abrostungen usw.) zu- gültige Aussagen können jedoch gemacht
rückbleiben. Zeigt das Tragwerk systemati- werden.
sche Ermüdungsrisse d. h. Ermüdungsrisse Zunächst soll geklärt werden, wie die
an gleichartigen Stellen in etwa gleicher Verbindung der Verstärkungen mit dem Be-
Form (z. B. von 20 Querträgern haben 7 an stand erfolgt. Niet-, SLP- und GV-Schrau-
etwa derselben Stelle Ermüdungsrisse), so benverbindungen sind problemlos durch-
kann davon ausgegangen werden, dass die zuführen. Bei Zugstäben sind eventuelle
Ermüdungsfestigkeit für alle Bauteile an die- Querschnittsschwächungen durch neue
ser Stelle in kurzer Zeit erschöpft sein wird Löcher zu berücksichtigen. Für Schweißan-
und nur ein Austausch dieser Teile den ge- schlüsse an bestehenden Bauwerken beste-
wünschten Erfolg bringen wird. hen nur dann keine Probleme, wenn es sich
Nach dieser Untersuchung ist die Trag- beim Bauwerk um eine Schweißkonstrukti-
fähigkeit der Brücke unter Berücksichti- on handelt und wenn das Material in den
gung der eingetretenen Schwächungen Bestandsunterlagen als für Schweißkon-
durch Nachrechnen zu überprüfen. Dabei struktionen geeignet ausgewiesen ist. Da-
ist zunächst von den Bestandsplänen aus- mit kann fast generell festgestellt werden,
13.3 Stahl- und Verbundbrücken 13.3 Stahl- und Verbundbrücken 1105

dass für alle Stahlbrücken, die vor 1950 schicht ist durch Material mit wenig Verun-
gebaut wurden und für alle genieteten oder reinigung, die Seigerungszonen mit einem
geschraubten Tragwerke zusätzliche Unter- höheren Verunreinigungsgrad gekenn-
suchungen hinsichtlich der Schweißeig- zeichnet. Beim Warmwalzen dieses Materi-
nung des Materials erforderlich sind. als bleibt der Aufbau grundsätzlich erhal-
Die ältesten Stahlbrücken bestehen aus ten. Auch bei Blechen und Profilen sind
Schweißeisen. Schweißeisen wurde aus dem die äußere Speckschicht und die innere
flüssigen Roheisen durch Umrühren an der Seigerungszone nachweisbar (z. B. mit ei-
Luft und Zugabe von Eisenoxid (Hammer- nem Schwefelabdruck nach Baumann). In
schlag) gefrischt und im weichteigigen Zu- Zonen starker Umformungen z. B. in den
stand gewonnen. Warmgewalztes Schweiß- Übergängen vom Steg zum Gurt von I-Pro-
eisen zeigt im Allgemeinen zeilige Struktur filen können die Seigerungen bis an die
und kann mit Verunreinigungen durchsetzt Oberfläche kommen. Höhere Festigkeiten
sein. Bei Beanspruchung in Walzrichtung wurden früher fast ausschließlich durch
liegt die Streckgrenze des Schweißeisens Erhöhung des Kohlenstoffgehalts erzielt.
zwischen 180 und 250 N/mm2, die Zugfes- Höherer Kohlenstoffgehalt kann aber beim
tigkeit zwischen 280 und 380 N/mm2, die Schweißen unter nachfolgender Abkühlung
Bruchdehnung A5 zwischen 15 und 40%. Im aus dem Schweißbad zu Martensit-Bildung
Gegensatz zu den durchaus brauchbaren und damit zu Versprödung führen. Beim
Eigenschaften bei Beanspruchung in Walz- Schweißen dieser Flussstähle mit sonst wei-
richtung sind die mechanischen Eigen- ter nicht bekannten Eigenschaften ist immer
schaften in Dickenrichtung ausgesprochen zunächst eine chemische Analyse durchzu-
schlecht. Die chemische Analyse am Stück führen. Bei Kohlenstoffgehalten über 0,20%
zeigt C-Gehalte zwischen 0,10 und 0,25%, und Kohlenstoffäquivalenten über 0,40%
im Allgemeinen jedoch höhere S- und P-Ge- sind jedenfalls besondere Maßnahmen beim
halte als die heutigen Normen für allgemei- Schweißen einzuhalten, damit Aufhärtung
ne Baustähle zulassen. Die Kerbschlagzähig- weitgehend vermieden wird, die Ursache
keiten weisen normalerweise sehr große von sich nicht ankündigenden Sprödbrü-
Streuungen auf. Entgegen der Bezeichnung chen sein kann. Wenn möglich, sollten beim
„Schweißeisen“ sind diese Stähle für das Schweißen die Seigerungszonen nicht auf-
Lichtbogenschweißen nicht allgemein ge- geschmolzen werden. Die Aussagen über
eignet. In Sonderfällen kann eine detaillierte das Schweißen gelten nicht nur für Ver­
Überprüfung des Stahls im Schweißnahtbe- bindungsschweißungen an der Konstrukti-
reich die Eignung zum Schweißen ergeben, on, sondern auch für alle provisorischen
das verwendete Schweißverfahren muss je- Schweißungen, auch wenn sie nachher wie-
doch auf den Werkstoff abgestimmt wer- der abgeschliffen und entfernt werden (kein
den. Anheften und Anschweißen von Montage-
Bei allen Flussstählen (Martin-, Besse- behelfen!).
mer-, Thomasflussstahl) wurde der Stahl im Lockere Niete müssen entfernt und neu
flüssigen Zustand gewonnen. Er ist homo- geschlagen werden. Ist es unwirtschaftlich
gener als das Schweißeisen und zeigt nor- wegen einiger fehlender Niete eine Niet­
malerweise nur wenige zeilige Einschlüsse. kolonne einzusetzen, können die Niete
Wie früher üblich, wurde der Stahl meist auch durch GV-Schrauben der Klasse 10.9
unberuhigt (keine Desoxidation) in Kokil- mit größtmöglichem Durchmesser und
len vergossen. Der so entstandene Block voller Vorspannung ersetzt werden.
zeigt außen eine sogenannte „Speckschicht“ Alle durchgeführten Reparatur- und
und innen „Seigerungszonen“. Die Speck- Verstärkungsmaßnahmen sind in den Be-
1106 13 Brückenverstärkung

standsunterlagen zu dokumentieren. (nahezu) unverändert, doch die Tragfähig-


Nach diesen allgemeinen Themen wer- keit wird wesentlich erhöht. Ist ein An-
den in den folgenden Abschnitten spezielle schweißen von Kopfbolzendübeln wegen
Verstärkungsmaßnahmen behandelt. fehlender Schweißeignung des Materials
nicht möglich, so können auch Schrauben
als Schubdübel verwendet werden (Bild
13.3.1 Fahrbahnverstärkung 13.3.1-1).
Trägerroste und orthotrope Platten für
Da sich in den letzten Jahrzehnten vor allem Fahrbahnen können durch den Einbau zu-
die örtlichen Belastungen weit mehr erhöht sätzlicher Querträger wesentlich verstärkt
haben als die Gesamtbelastungen von Brü- werden. Diese können in Feldmitte oder in
cken und auch die Ermüdungsbeanspru- den Drittelpunkten zwischen den bestehen-
chung unmittelbar belasteter Bauteile eher den Querträgern angeordnet werden. Der
maßgeblich wird, sind Verstärkungen der Einbau der zusätzlichen Querträger kann
Fahrbahn von großer Wichtigkeit. Bei Stra- von unten ohne Verkehrsstörung erfolgen.
ßenbrücken mit Buckelblechen und Füll­ Damit werden die Stützweite der Längsträ-
beton und bei bewehrten Stahlbetonplatten ger und die Belastung der Querträger ver-
auf Längs- und Querträgern ergibt sich eine kleinert und damit die Tragfähigkeit und die
gute Gelegenheit zur Verstärkung der Fahr- Steifigkeit der Fahrbahnkonstruktion ganz
bahn, wenn diese ursprünglich nicht inte- wesentlich erhöht (Bild 13.3.1-2).
grierten Bauteile durch Stahlbetonplatten Reichen diese Maßnahmen nicht aus,
im Verbund mit Längs- und Querträgern so kann die Fahrbahnkonstruktion ab-
ersetzt werden. Damit bleibt die Gesamtlast schnittsweise entfernt und durch eine neue

Bild 13.3.1-1   Verstärkung durch Stahlbetonplatten im Verbund [Ramberger et al., 1990]

Bild 13.3.1-2   Verstärkung durch zusätzliche Querträger [Ramberger et al., 1990]


13.3 Stahl- und Verbundbrücken 13.3 Stahl- und Verbundbrücken 1107

Querschnitt verstärkt Querschnitt alt

1% SOK 274,200
1%

Bild 13.3.1-3   Umbau und Verstärkung einer Eisenbahnbrücke [VA TECH VOEST MCE]

Konstruktion (orthotrope Platte oder Ver- 13.3.2 Systemverstärkung


bundplatte) ersetzt werden und diese in
die Tragfähigkeit der Hauptträger, z. B. als Bei Verstärkungen von Balkenbrücken mit
mitwirkender Gurt, einbezogen werden. Vollwandträgern ist zu unterscheiden, ob
Mit einer neuen Fahrbahnkonstruktion die Biegemomente oder die Querkräfte
wird meist auch die Beanspruchung der Ursache für die Verstärkungsmaßnahmen
Hauptträger reduziert und somit eine Sys- sind. Verstärkungen für Querkräfte sind
temverstärkung erzielt. schwierig durchzuführen, da Stegverstär-
Bild 13.3.1-3 zeigt den Umbau und die kungen nur dann wirksam sind, wenn sie
Verstärkung einer Eisenbahnbrücke durch auch direkt an die Gurte angeschlossen
Entfernen der offenen Fahrbahn und Auf- werden. Verstärkungen für Biegemomente
setzen einer querorientierten orthotropen sind dagegen wesentlich einfacher durch-
Fahrbahnplatte, die gleichzeitig den Ober- zuführen, da üblicherweise Zulagelamellen
gurt des Trägers bildet. für die Gurte ausreichen. Bei Deckbrücken
Bild 13.3.1-4 zeigt die Verstärkung einer mit orthotroper Fahrbahnplatte kann auch
aus dem Jahre 1889 stammenden Eisen- durch die unter 13.1.1 besprochenen Fahr-
bahnbrücke, bei der die Fahrbahnkonstruk- bahnverstärkungen mittels zusätzlicher
tion entfernt wurde und durch einen durch- Querträger die Beanspruchung der Fahr-
gehenden Längsträger mit Hutquerschnitt bahn reduziert werden, sodass die Bean-
ersetzt wurde, der mit Querscheiben an den spruchbarkeit der Hauptträger erhöht
Fachwerkknoten in die dort vorhandenen wird.
Diaphragmableche mittels GV-Schrauben- In Sonderfällen kann auch bei offenen
verbindungen angeschlossen wurde. In die- Querschnitten die Verbindung der Haupt-
sem Falle wurde der Längsträger gleichzeitig träger zu einem geschlossenen Querschnitt
auch als dritter Untergurt des Fachwerk- über Verbände die Biegebeanspruchung re-
hauptträgers genutzt. duzieren, da die Beanspruchung aus Quer-
schnittsverwölbung entfällt und nur die
1108 13 Brückenverstärkung

Bild 13.3.1-4   Verstärkung der Kampbrücke Rosenburg


13.3 Stahl- und Verbundbrücken 13.3 Stahl- und Verbundbrücken 1109

zentrische Biegebeanspruchung bestehen henden Hauptträgern so verbunden wer-


bleibt. den, dass der Querschnitt als Ganzes wirkt.
Reichen die zuvor genannten Maßnah- Ein Beispiel für eine sehr wirksame Brü-
men nicht aus, können zusätzliche Haupt- ckenverstärkung zeigen die Bilder 13.3.2-1
träger angeordnet werden. Bei Deckbrü- und 13.3.2-2 von der Haseltalbrücke im
cken können diese unterhalb der Fahrbahn Spessart, wo durch zusätzliche Fachwerk-
ohne Störung des Verkehrs montiert wer- hauptträger und zusätzliche Fachwerkquer-
den. Im Allgemeinen sind zusätzliche Fach- verbände die Tragfähigkeit der Brücke
werkträger einfacher zu montieren als zu- wesentlich erhöht werden konnte.
sätzliche Vollwandträger, da die Einzelstäbe Auch bei Stahlbrücken kann durch ex­
leichter und einfacher zu handhaben sind. terne Vorspannung die Tragfähigkeit der
Zusätzliche Träger werden selbstverständ- Hauptträger wesentlich erhöht werden. Die
lich so angeordnet, dass auch die örtlichen Wirkungsweise ist dabei vergleichbar mit
Beanspruchungen der Querträger abgebaut der externen Vorspannung bei Stahlbeton-
werden und die Mitwirkung des Gurtes brücken (siehe 13.2.2). Besonderes Augen-
verbessert wird. Sie werden daher z. B. in merk ist bei Stahlbrücken auf die Kraftein-
der Mitte oder in den Drittelpunkten zwi- leitung und die Kraftumlenkung zu legen.
schen den bestehenden Hauptträgern ange- Zu beachten ist auch, dass bei allen externen
ordnet. Durch entsprechende Querträger Vorspannungen zusätzliche Drucknormal-
und Verbände müssen sie mit den beste- kräfte in das Tragwerk eingebracht werden,

Längsschnitt durch Brückenachse


Verstärktes ‚ Tragwerk
LV LV LV
ZLV ZQV QV ZQV QV ZQV QV QV ZLV ZLV QV QV ZQV QV ZQV ZQV ZQV ZQV QV QV ZLV ZLV QV
0 5 9 13 12 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61 65 69 73 77 81

H = 3700
QV Querverband
ZQV Zusätzlicher Querverband
LV Lagerverband
ZLV Zusätzlicher Lagerverband

Draufsicht (Deck abgehoben)


alt

LV LV
QV QV QV QV QV QV QV QV QV QV QV

verstärkt
HT
Laufsteg
FW Rinne
FW
HT

LV LV
ZQV QV ZQV QV QV ZLV ZLV QV QV ZQV QV ZQV ZQV QV LQV QV QV LZV LZV QV QV

Bild 13.3.2-1   Verstärkung der Haseltalbrücke im Spessart – Längsschnitt [Ramberger et al., 1990]


1110 13 Brückenverstärkung

Querschnitt im Feldbereich
Normalquerschnitt 29000
1500 111500 3000 111500 1500

2% 2% alt
2.5%
2.5% 2%

Stegblechhöhe
3700 bis 5000
Parabel
verstärkt
2% 2% 2.5% 2.5% 2%

Verstärkung der Rohr 30°


Quersteifen

18526

Querschnitt am QV
alt
2% 2% 2.5% 2.5%
2.5% 2%

verstärkt
2% 2% 2.5% 2.5% 2%

Einbindung
der Quersteifen Rohre

1-Profil

Querschnitt im Stützenbereich
alt
2% 2% 2.5% 2.5%
2.5% 2%

verstärkt
2% 2% 2.5%
2.5% 2%

LV ZLV

5416 7680 5430 5237

Bild 13.3.2-2   Verstärkung der Haseltalbrücke im Spessart – Querschnitt [Ramberger et al., 1990]


13.3 Stahl- und Verbundbrücken 13.3 Stahl- und Verbundbrücken 1111

Hebung und Umbau der Praterbrücke

0) Ausgangssituation 5) April bis Juli 1997

Arbeitsbereich

Gehweg
Radweg

Donaustadtbrücke oberstrom

Oberstromiger Unterstromiger
Kasten Kasten

1) Jänner, Februar 1996


Gehweg 6) Juli bis Oktober 1997
Radweg

Arbeitsbereich
Donaustadtbrücke Arbeitsbereich
unterstrom

Gehweg
2) März bis Juni 1996
7) November, Dezember 1997
Gehweg

Arbeitsbereich

Donaustadtbrücke Arbeitsbereich
Gehweg

3) Juli bis Oktober 1996


Gehweg

Arbeitsbereich
8) Fertige Brücke

Donaustadtbrücke

Radweg Gehweg
4) November 1996 bis März 1997

Arbeits-
bereich

Bild 13.3.3-1   Hebung und Umbau der Praterbrücke über die Donau in Wien [MA 29]
1112 13 Brückenverstärkung

die sich eventuell auf vorher niedrig bean- Nur in seltenen Fällen können zusätzli-
spruchte Bauteile ungünstig (Stabilität!) che einfache vertikale Stützen angeordnet
auswirken können. Eine sorgfältige Unter- werden, um die Stützweite von Hauptträ-
suchung des Gesamttragwerks ist bei exter- gern zu verringern. Schrägstützen von den
ner Vorspannung von Stahltragwerken im- Pfeilern zum Brückenbalken hin oder zu-
mer notwendig. sätzliche Bogentragwerke als Unterstützun-
gen sind in manchen Fällen möglich.
Ein interessantes Beispiel für die Ver-
13.3.3 Systemänderung stärkung einer bestehenden dreifeldrigen
Balkenbrücke durch Systemänderung stellt
Die im vorigen Abschnitt erwähnte externe die Praterbrücke über die Donau in Wien
Vorspannung stellt bereits eine Änderung dar. Wegen des Aufstaus der Donau durch
des statischen Systems dar ohne jedoch die ein stromabwärts zur Brücke gelegenes
Ansicht der Brücke zu verändern. Kraftwerk musste die Brücke um etwa
Ist der Freiraum unter der Brücke aus- 1,80 m gehoben werden. Im Zuge dieser
reichend, kann durch Unterspannung der Hebung wurde auch die Fahrbahn von
Felder die Tragfähigkeit der Hauptträger sechs auf acht Spuren verbreitert und die
wesentlich erhöht werden. In ähnlicher ursprünglich beiderseits auf dem Brücken-
Weise funktioniert die Verstärkung durch deck angeordneten Gehwege unter die neue
Pylonen und Überspannung, wodurch aus auskragende Fahrbahnplatte verlegt. Zur
einer Durchlaufträgerbalkenbrücke eine Erhöhung der Tragfähigkeit wurde die Brü-
Schrägkabelbrücke wird. In beiden Fällen cke im Bereich beider Strompfeiler mit zu-
ist wieder darauf zu achten, dass zusätzliche sätzlichen Vouten versehen und so im Be-
Normalkräfte in das bestehende Tragwerk reich der Stützenmomente der Querschnitt
eingeleitet werden. erhöht und verstärkt. Um die Feldmomente

Bild 13.3.3-2   Hebung der Praterbrücke über die Donau in Wien – Ansicht [MA 29]
13.3 Stahl- und Verbundbrücken 13.3 Stahl- und Verbundbrücken 1113

in etwa unverändert zu belassen, musste die Verstärkung für die Querkraft notwendig.
Brücke in eine neue Form gebracht werden. Dies wurde durch einen eingebauten zu-
Dies wurde erreicht durch ein relatives An- sätzlichen Fachwerkträger bewerkstelligt.
heben der Innenstützen gegenüber den Wi- Zur Durchführung der beschriebenen
derlagern. Die Verstärkung blieb damit auf Maßnahmen wurde die Brücke, die einen
den (wesentlich kleineren) Bereich hoher Zwillingskastenquerschnitt aufweist, in der
Stützenmomente beschränkt, die von der Mitte längs geteilt und jeweils eine Hälfte
durch Vouten und Zulagebleche verstärk- nacheinander verstärkt und gehoben, wo-
ten Brücke aufgenommen werden konnten. bei die jeweils andere Hälfte im Betrieb
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Brückenverzeichnis

Name Ort, Region Seiten


Aji-Fluss-Brücke bei Osaka, Japan 90
Akashi-Kaikyo Brücke Kobe-Naruto, Japan 73, 75,450–453
Allegheny-Hängebrücke Pittsburgh 64
Allierbrücke bei Boutiron bei Boutiron, Frankreich 81/82, 304
Amperbrücke Inning A96 bei Inning am Ammersee 398, 401–403,
954/955
Anji-Brücke Über den Fluss Xiache, China 7
An-Lan-Brücke Südwesten Chinas 9
Anping-Brücke China 4/5
Argentobelbrücke Allgäu 167
Arminiusstraße Dortmund 951/952
Arnobrücke Florenz Florenz 432
Assos Steinplattenbrücke Assos, Westküste Kleinasiens 10
Augartenbrücke Wien 1000
Augustusbrücke Dresden 24, 26/27
Autobahnhochstraße Umgehung Köln Köln 316/317
Bamberger Kettenhängebrücke Bamberg 62/63
Baodai Brücke bei Suzhou, China 6
Bendorfer Brücke über den Rhein Bendorf, nahe Koblenz 86–89, 99, 236/237,
313,355
Biesenbach-Viadukt Südschwarzwald, Hegau 53
Blaues Wunder Dresden 54–57
Böckinger Brücke Heilbronn 273/274, 341
Bogenbrücke Pùnt la Resgia bei Innerferrera, Graubünden 407
Bogenbrücke über den Britzer Berlin 403/404
Verbindungskanal
Bosporus Brücke Istanbul 74, 79, 102/103
Britanniabrücke über die Nordwales-Insel Anglesey 44, 61
Menai-Meerenge
Bronx-Whitestone Brücke New York 71
1172 Brückenverzeichnis

Name Ort, Region Seiten


Brooklyn Brücke New York 66–69, 91, 452
Brücke zur Siele bei Olpe 347/348
BW 2/3 über den Neckar Stuttgart 835/836
Chazelet Eisenbetonbrücke Chazelet bei Saint-Benoit-du- 76
Sault, Westfrankreich
Clifton Brücke bei Bristol 61
Crestawaldbrücke bei Sufers, Schweiz 288, 361/362
Diepmannsbachtalbrücke A1 bei Remscheid 277
Dilltalbrücke Haiger bei Haiger 936/937
Dirschauer Weichselbrücke Dirschau, Tczew 45–47, 104, 106
Donaubrücke Metten bei Metten 329–334
Donaubrücke Schwabelweis Bei Regensburg 907/908
Donaukanalbrücke Wien Wien 230/231
Donaustadtbrücke Wien 430–434, 919
Donauübergang bei Fischerdorf nahe Deggendorf 404/405, 847–849,
956
Dordognebrücke bei Cubzag bei Cubzag, nahe Bordeaux 47/48
Dreiländerbrücke Weil-Huningue Weil am Rhein 126, 129/130,
156–159
Echelsbacher Brücke über die Ammer bei Echelsbach, Oberbayern 77
Eisenbahnbrücke Ingolstadt Ingolstadt 121/122, 136–139
Eisenbahnbrücke Melk Melk, Niederösterreich 273/274, 935/936
Eisenbahnbrücke über die Wien 358
Praterhauptallee
Eisenbahnüberführung BW 228 bei Köln 340, 342, 935
Elbe-Abstiegskanalbrücke bei Magdeburg-Rothensee 400
bei Rothensee
Elbebrücke Dömitz bei Dömitz, Mecklenburg 397, 399, 403, 955
Elbebrücke Pirna Pirna 409/410, 957
Elbebrücke Torgau Torgau 251, 341
Elbebrücke Vockerode A9 bei Vockerode 275/276
Elbebrücke Wittenberge A14 bei Wittenberge 117
Elornbrücke Albert Louppe bei Plougastel 82/83
Elstertalbrücke bei Jocketal, Vogtland 35
Elstertalbrücke Pirk Pirk an der Weißen Elster 372/373
Elztalbrücke Bei Kaisersesch, Eifel 309–311, 821
Engelsbrücke Rom 17–19
Brückenverzeichnis 1173

Name Ort, Region Seiten


Etzelsbachtalbrücke A38 815/816
Euphratbrücke in Babylon Babylon 10/11
Falkensteinbrücke Tauernbahn Salzburg-Villach 226/227, 376/377
Firth of Forth Brücke Queensferry/Schottland 54
Föhrer Brücke Berlin 354
Franzensbrücke Wien 1000
Freiberger Straße, Brücke über die Tharandt bei Dresden 121, 125/126,
146/147
Freiberger-Mulde Brücke Siebenlehn 937
Friedensbrücke Plauen Plauen/Vogtland 367–369
Friedrich-Ebert-Brücke Bonn 92/93
Fußgängerbrücke über Rhein-Herne- Oberhausen 60/61
Kanal
Gahlensche Straße, Brücke über die Bochum 121, 124/125,
144/145
Ganterbrücke bei Brig 94/95
Garabit-Brücke über den Truyère bei St. Flour 47/48, 51
Gärtnerplatzbrücke Kassel 97–99
George Washington Brücke New York 70/71, 75
Geratalbrücke Ichtershausen Eisenbahnstrecke Nürnberg- 180/181, 823/824
Erfurt, nahe Erfurt
Gessentalbrücke Ronneburg, Thüringen 126, 131, 162–164
Glemstalbrücke Schwieberdingen Schwieberdingen, 99/100
nahe Stuttgart
Glienicker Brücke Berlin 107/108
Gmündertobelbrücke bei Teufen, Kanton Appenzell 77
Golden Gate Brücke San Francisco 71/71, 75
Göltzschtalbrücke der A 72 A72, bei Reichenbach 374/375
Göltzschtalbrücke, Eisenbahnbrücke bei Mylau, Vogtland 34–37, 115
Grand-Pont über die Saane Fribourg 62
Grenzbrücke über die Oder Frankfurt an der Oder 956/957
Großherzogin-Charlotte-Brücke Luxemburg 389
Hafenbrücke Schierstein Wiesbaden 100/101
Hamana-Brücke Japan 89/90, 313
Hammer Eisenbahnbrücke Strecke Düsseldorf-Hamm 386, 394
Hangbrücke Würgau bei Würgau 316
Haseltalbrücke Spessart 1109/1110
1174 Brückenverzeichnis

Name Ort, Region Seiten


Havelbrücke Luckenberg Luckenberg, Brandenburg 121, 123, 138/139,
353/354
Hell Gate Brücke New York 70
Hellespont Schiffsbrücke Bosporus 11
Hochbrücke Brunsbüttel Nordostseekanal 261, 912/913
Höga-Kusten-Brücke Schweden 74, 75
Holzbogenbrücke über den Delaware bei Trenton 39
Holzbrücke über die Freiberger Straße Tharandt bei Dresden 121, 125/126,
im Forstbotanischen Garten in Tha- 146/147
randt
Holzfachwerkbrücke über Connecticut 40/41
den Chikapoe
Holzfachwerkbrücke über bei Washington 39/40
den Pontomac
Hooghly-River-Brücke Kalkutta 95, 446/447
Horrem, Eisenbahnüberführung Horrem bei Köln 950/951
Houston Ship Channel Crossing bei Baytown, Texas 447/448, 899
Huangpu-Zhujiang-Brücke Guangdong Huangpu, China 75
Humber Brücke Kingston upon Hull 74, 75
Humboldt-Hafenbrücke Berlin 60, 126/127,
148–151
Innbrücke Neuötting bei Neuötting 275/276
Innbrücke Zuoz Zuoz im Engadin 79/80
Isarbrücke Grünwald München 77, 409, 957/958
Jakobs Greek Kettenbrücke Pennsylvania 61
Jiangyin-Changjiang-Brücke Provinz Jiangsu, China 75
Judith-Brücke Prag 30
Jungfernbrücke Berlin 58
Kampbrücke Rosenburg 1108
Kampbrücke Zwettl 920, 931–934
Kap-Shui-Mun-Brücke Hongkong 449/450
Karls-Brücke Prag 30/31
Karun Staudammbrücke bei Schuschtar, Persien 12–14
Kehlheimer Fußgängerbrücke Kehlheim 60, 218/219
Kettiger Hang Brücke zwischen Andernach 316, 319
und Koblenz
Kochertalbrücke Bei Geislingen 353, 833/834
Brückenverzeichnis 1175

Name Ort, Region Seiten


Krämerbrücke Erfurt 24, 28–30
Kronprinz-Rudolf-Brücke über die Wien 920/921
Donau
Laasan Brücke über das Striegauer bei Laasan, Lazany 41
Wasser
La-Ferté-Steg Stuttgart-Zuffenhausen 121, 123/124,
140–143
Lahnbrücke Balduinstein Balduinstein, nahe Limburg 86/87, 312
Lautrupsbachtalbrücke Bei Flensburg 126, 128/129,
154/155
Le Pont de Brotonne bei Rouen 96, 228/229
Loschwitzer Elbebrücke Dresden 54–57
Luckenberger Brücke über die Havel Brandenburg 121, 123, 138/139,
353/354
Luding Brücke Provinz Sichuan, China 61
Luren-Brücke Luoyang, China 6
Machfeldkanal-Brücke Wien Wien 284
Magnetnadelbrücke bei Osaka 90
Mainbrücke der Nato-Rampe Zwischen Sulzbach 405
und Niedernberg
Mainbrücke Hoechst, Frankfurt 94, 238, 328/329
Schrägkabelbrücke
Mainbrücke Nantenbach Nantenbach 345–347
Mainbrücke Retzbach-Zellingen Retzbach und Zellingen 835, 849
Mainbrücke Veitshöchheim Veitshöchheim 839
Mainbrücke Würzburg Würzburg 108/109
Main-Donau-Kanal-Steg Essing bei Essing 284/285
Mangfallbrücke Autobahn A8 (München-Salz- 232/239
burg)
Manhattan-Brücke New York 69, 71
Maracaibo Brücke Venezuela 94, 327
Maria Pia Stahlbogenbrücke über den bei Porto 47
Duoro
Mariensteg Wernstein-Neuburg Wernstein (A)-Neuburg (D) 126, 130, 160/161
am Inn
Marnebrücke Esbly Esbly 84
Menaistraßen Hängebrücke Nordwales-Insel Anglesey 61
Monongahela-Brücke Pittsburgh 65
1176 Brückenverzeichnis

Name Ort, Region Seiten


Moselbrücke Bernkastel-Kues Bernkastel, Kues 277, 343, 346,
952–954
Moselbrücke Thörnich Thörnich, nahe Trier 88, 314/315
Muldebrücke Dessau bei Dessau 847/848
Müngstener Brücke über die Wupper Solingen - Remscheid
Nahebrücke Kirn Kirn 293, 301
Neckarbrücke bei Mannheim bei Mannheim 169
Neckarbrücke Neckarrems Neckarrems 87, 823
Nesenbachtalbrücke Stuttgart 105/106
Nesenbach-Viadukt Stuttgart 344/345
Neue Nibelungenbrücke über den Worms 88, 173
Rhein
New Ohio River Bridge USA 427/428, 898
Niagara-Brücke Niagara 65–68
Nibelungenbrücke über den Rhein Worms 87–89, 99, 312/313
Nihonbashi-Brücke Tokyo 37
Normandiebrücke Honfleur, nahe Le Havre 92, 234/235,
445/446
Nößlachbrücke Brennerautobahn 811
Ohio-Brücke Covington/Cincinnati Covington und Cincinnati 65/66, 68
Ohio-River Bridge Portsmouth 897
Öresundbrücke Kopenhagen-Malmö 431
Orkebrücke in Vöhl Vöhl-Ederbringhausen, Hessen 283/284
Ortsumgehung Erfurt L1055 bei Erfurt 356–358
Osormort Viaduct Barcelona 220/221
Perlach-Unterhaching A8 (bei München) 361, 945/946
Rahmentragwerk
Pfaffenbergbrücke ÖBB-Tauernbahn 806/807, 809/810
Pleichachtalbrücke A7 (Fulda-Würzburg) 316, 318
Pons Aelius, Ponte St. Angelo Rom 17/18, 22
Pons Aemilius Rom 17, 22
Pons Milvius Rom 20
Pons Sublicius Rom 14
Pont du Gard Nimes 19, 21
Ponte Cestio Rom 17, 21
Ponte Fabricio Rom 17/18, 21
Brückenverzeichnis 1177

Name Ort, Region Seiten


Ponte Molle Rom 17, 20
Ponte Mulvius Rom 17, 20, 104
Ponte Rotto Rom 17/18, 20
Ponte Santa Trinità Florenz 30–32
Ponte Vecchio Florenz 7, 30
Pragsattel II Stuttgart 100
Praterbrücke Wien 1024, 1030,
1111/1112
Puente de Alcántara Toledo 23/24
Puente de la Barqueta Sevilla 224/225
Pujinbrücke über den gelben Fluss, China 3
Qiongzhou-Haixia-Brücke Verbindung der Hainan-Insel 74
mit dem Festland China
Reichsbrücke Wien Wien 259, 922,
1102–1104
Rheinbrücke Diepoldsau Diepoldsau, Kanton St. Gallen 427
Rheinbrücke Ilverich Meerbusch 432
Rheinbrücke Oberkassel Düsseldorf 92, 269, 433,
435,568, 900, 914,
920, 922/923
Rheinbrücke Schierstein Wiesbaden-Mainz 59/60, 911
Rheinbrücke Tavanasa bei Tavanasa in Graubünden 78/79
Rhonebrücke Avignon 24, 27/28
Rialto Brücke Venedig 30, 32/33
Rio Caroni Brücke Brasilien 839
Rio Peixe Brücke Brasilien 86, 303/303,
825/826
Risorgimento-Brücke Rom 76/77
Römische Donaubrücke bei Turnu Severin, Rumänien 15/16
Römische Rheinbrücke bei Neuwied 14/15
Römische Rheinbrücke zwischen Mainz und Mainz- 14/15
Kastel
Ronatobelbrücke Schweiz 361/362
Rossauer Brücke Wien 101/102, 999
Runyang-Changjiang-Brücke Provinz Jiangsu, China 74, 75
Saalebrücke Alsleben Alsleben (zwischen Halle und 85, 305/306
Aschersleben)
Saalebrücke Bad Kösen Bad Kösen, Thüringen 365–367
1178 Brückenverzeichnis

Name Ort, Region Seiten


Saalebrücke Beesedau A14 bei Beesedau, nahe Bern- 113, 408/409, 954
burg
Saalebrücke der A72 A72, nahe Hof 373/374
Saalebrücke Jena-Göschwitz A4 bei Jena 116, 126, 127/128,
152/153
Saalebrücke Salzmünde A143 bei Salzmünde, Sachsen- 116
Anhalt
Sacramento- Fußgängerbrücke Redding, Kalifornien 222/223
Saint Jean Brücke über die Garronne Bordeaux 47
Salginatobelbrücke bei Schiers im Prättigau 1/2, 79, 80/81,
210–212
Schiersteiner Brücke Wiesbaden-Mainz 59/60, 911
Schiersteiner Hafenbrücke Wiesbaden 101/102
Schlossbrücke über die Spree Berlin 33/34
Schrägkabelbrücke über den Bahnhof Ludwigshafen 433
Ludwigshafen
Schrägseilbrücke Dubrovnik Dubrovnik 96, 238–240
Schuylkillbrücke, Messingdraht- Philadelphia 61, 62
Hängebrücke
Schwarzbachtalbrücke Wuppertal 920, 926–930
Seinebrücke Villeneuve bei Villeneuve 302/303
Selterstorbrücke Gießen 294–300
Severn Brücke Bei Bristol 74, 75
Severnbrücke in Coalbrookdale Coalbrookdale 41/42
Sky Brücke Schottland 259/260
Spannbandbrücke Bircherweid Bircherweid, Schweiz 456/457, 459/460
Spannbandbrücke Freiburg Freiburg 103/104
Spannbandbrücke über die Moldau Prag-Troja 457, 459
Spannbandbrücke über die Sávaza Bei Hvezdonice 457
Spannbetonbrücke bei Oelde bei Oelde, Münsterland 84/85
Spannbetonbrücke in Aue Aue, Erzgebirge 85, 306/307, 309
St. Lorenz-Strombrücke Quebec/Kanada 54
Stauseebrücke Zeulenroda bei Zeulenroda 106/107
Steinerne Brücke Regensburg 24–26, 30, 108
Sternbrücke Weimar 33
Stolma Brücke Bei Bergen, Norwegen 89, 313, 826, 835,
837
Brückenverzeichnis 1179

Name Ort, Region Seiten


Storebælt Brücke Korsor/Dänemark 74, 75
Storkower-Kanal-Brücke bei Blossin, Land Brandenburg 360
Stralsundquerung Stralsund - Insel Rügen 109/110
Strömsundbrücke Schweden 91
Sunnibergbrücke bei Klosters, Prättigau, Kanton 216/217, 891–893
Graubünden
Sunshine-Skyway-Brücke Florida 447
Sutong-Brücke über den Changjiang Provinz Jiangsu, China 95/96
Syratalbrücke Plauen, Vogtland 367/368, 369
Tacoma Narrows Brücke Tacoma, Staat Washington 72/73, 423, 454
Talbrücke Albrechtsgraben A71 bei Suhl 803–805
Talbrücke Pöhl A 72, bei Pöhl, nahe Plauen, 374/375
Vogtland
Talbrücke Schnaittach Autobahn A9 260/261
(Berlin-Nürnberg)
Talbrücke Siebenlehn Siebenlehn, nahe Meißen 192, 275, 957
Talbrücke Trockau A9 bei Pegnitz-Trockau, 819/820
Oberfranken
Talbrücke Wilde Gera Autobahn A71, bei Gräfenroda, 121/122, 124,
nahe Oberhof, Thüringen 132–135, 278
Talbrücke Wilkau-Haßlau Bei Zwickau 937/938
Talbrücke Zahme Gera Autobahn A 71 bei 177, 355, 513
Geschwenda, nahe Ilmenau
Tatara-Brücke Hiroshima, Japan 92
Teerhofbrücke Bremen Bremen 342
Teltowkanalbrücke Berlin-Tempelhof 345/346
Teufelstalbrücke A4, bei Jena 796, 802
Theodor-Heuss-Brücke Düsseldorf 91/92
Theodor-Heuss-Brücke Mainz 14, 59
Tiefenbachbrücke Ilsenburg Ilsenburg, Harz 286
Ting Kau Brücke Hongkong 177
Tor nach Dresden A4 bei Dresden 352/353
Trisanna-Brücke Bei Giggl, Tirol 920, 924/925
Tsinglung-Brücke Hongkong 75
Überführung Perlach-Unterhaching München 360/361, 945/946
Unkelsteinbrücke B9 (Köln-Mainz) 309/310
Verrazano-Narrows-Brücke Bucht von New York 72, 73, 75
1180 Brückenverzeichnis

Name Ort, Region Seiten


Viadukt von Lully Kanton Freiburg 347/348
Waalbrücke Tiel bei Tiel, Niederlande 327/328
Wadi-Kuf-Brücke Libyen 94, 327/328
Wahrener Viadukt Leipzig 370–372
Wan Xian Autobahnbrücke über den Provinz Sichuan, China 77
Yangtze
Weibrücken über den Fluss Wei, China 3
Weidendammer Brücke Berlin 58
Wörlitzer Brücke Wörlitz bei Dessau 42
Xiang Jia Tang Brücke China 427/428, 897
Yangluo Hubei Wuhan, China 75
Zamalong-Brücke bei Xining, China 4
Zhoushan-Xihoumen Provinz Zhejiang, China 74, 75
Zwickauer Mulde-Brücke bei Glauchau 300/301
Zwickauer-Mulde Brücke Wilkau-Haßlau 937/938
Personen- und Firmenverzeichnis

Ackermann und Partner, CSTB 234


Architekturbüro 218 Cue, Alexander Mc 66
Agrippa, Marcus Vispanius 19 Curbach, Manfred 829, 830, 835, 840, 847,
Aigner, Francesco 1022, 1034 848, 849, 965
Aigner, Franz 226, 895 Darby, Abraham 41
Alsen, Klaus 101, 294–296 Dauner, Hans-Gerhard 347
Ammann, Othmar Hermann 70–72 DEGES 132, 499, 940, 956, 1007
Ammannati, Bartolommeo 31 Dietleyn 62
Andrä, Wolfhart 86 Dietrich, Richard J. 132, 162, 282
Apollodorus, aus Damaskus 15/16 Dischinger, Franz 90, 300, 306, 309, 375, 380,
Architekten AX5 154 636, 638, 639
Armisén, Javier Manterola 220 Doehring, C. F. W. 304
Bachmann, Hugo 256, 471, 756–758, Dost, Ferdinand 35
760–767, 769, 771–775 Dreßler, Andre 146
Baker, Benjamin 54 Dubas, p. 579
Baumann, Helmut 355 Düvel, Olav 128
Baumann, Karl 760, 761, 766 École des Ponts et Chaussées 43/44, 46, 82
Baumann, Theodor 260 École polytechnique 43/44, 46, 82
Baur, Willy 86, 87, 90, 320, 326 Eibl, Josef 461, 540, 555, 694/695, 849
Bay, Hermann 99, 628 Eichinger, Eva-Maria 1057
Becker, Manfred 803/804 Eiffel, Gustave Alexandre 47–49
Bergermann, Rudolf 2, 446, 450, 461 Eilzer, Wolfgang 352, 409, 957
Bergmeister, Konrad 489, 1038, 1044, 1061, Ellet, Charles 65
1093, 1098 Ellis, Charles Alton 71
Bernasconi, Andrea 38 Emperger, Friedrich Ignaz 76, 77
Bernhardt, Klaus 120 Ernst, Martin 543
Bernoulli, Jacob und Johann 43, 536 Euler, Leonard 43, 537, 580
Bessemer, Henry 45 Fehling, Ekkehard 97, 98
Billington, David P. 2, 62, 78–80 Fehse, Werner 320
Boissanger, de 47 Feichtinger Architects 156
Bonatz, Paul 2 Feichtinger, Dietmar 129, 156
Boyer, Léon 47 Feistel, Dieter 28, 354, 356, 363–365
Brown, Sir Samuel 61 Fink, Josef 409, 957, 1034
Brühwiler, Eugen 2 Finley, James 61, 62
Brunel, Isambard Kingdom 62 Finsterwalder, Ulrich 85–89, 100, 102, 103,
Burkhardt, Hans-Günther 120 232, 236, 305, 306, 312, 313, 315, 354, 355,
Burr, Theodore 39 414, 456, 821, 825
Cauchy, Augustin Louis Baron 43 Firma
Chaley, M. J. Joseph 62 – Adam Hörnig 132, 513
Cornelius, Volker 331 – Agroman – Modeste Fraile 220
Cruciani 227, 796, 805–813 – Auteried & Co. 230
1182 Personen- und Firmenverzeichnis

– Auxini, S. A. 224 – Universale 101


– Beyer & Co. 226 – Vetsch 238
– Bilfinger und Berger 156, 238, 1101 – Walter – Bau AG 176
– Brückenbau-Anstalt Gustavsburg 51 – Wayss & Freytag 77, 83, 84, 99
– Campenon-Bernard 84, 234 – Wayss und Freytag & Heidschuch 76
– Charles Nepveu 47 – Wolff & Müller 104
– Construzioni Cimolai Armando Spa 238 Fischer, Uwe 125, 146
– DEMAG 91 Fowler, John 54
– Dörnen Stahlbauwerke 280, 951 Frank-Jakob-Bluth, Architekten 169
– DSD Dillinger Stahlbau 148 Freundt, Ursula 745, 1004
– Dyckerhoff & Widmann, DYWIDAG 85, Freyssinet, Eugène 81–86, 304, 305
86, 101, 136, 232, 236, 309, 314, 825, 1099 Gaddi, Taddeo 29
– Echterhoff 280 Gädeke, Kathrin 146
– Ensidesa, S. A. 224 Galilei, Galileo 43, 536, 537
– Enterprise Campenon Bernard 228 Gebert, Gregor 408, 409
– Felten & Guilleaume 55 Gerkan, Marg und Partner, Architekten 60,
– Friedrich Maurer Söhne 218 144, 148
– Fritz Spieker 154 Girmscheid, Gerhard 412, 414, 417, 418, 421,
– Gebrüder Kemmer 138 423, 424, 428, 435, 850, 853, 858, 860, 862,
– Gerdum und Breuer 152 868, 871, 873, 876, 900
– GLS Bau und Montage 160 Göppert, Knut 124, 144
– Grün & Bilfinger 236 Grawe, Wigand 128, 154
– Hein, Lehmann 91 Günther, Gerhard 399
– Heinrich Klostermann 138 Guyon, Y. 625, 627
– Hermann Assner 299 Harpalos 11
– Hoch- und Tiefbau 156 Heinzerling, Friedrich 15
– Hochtief 952 Hennebique, Francois 76
– John A. Roebling’s Company 62, 64 Hodgkinson, Eaton 44
– Karl Kübler 99 Homberg, Helmut 91, 548
– Königin-Marien-Hütte 55, 56 Hooke, Robert 43, 536, 624
– M. A. N. 51 Hoshino, Kunio 2
– Mannesmann Handel; Stahlrohre 148 Hoshino, Masaaki 321, 629
– Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg 51 Howe, William 40, 41
– Max Bögl und Fa. Bögl/Walter 156, 819 Hyatt, Thaddäus 74
– Max Früh 140 Ingenieurbüro
– MSD Maschinen- und Stahlbau 144 – A. Pauser 230, 919
– NOE Schaltechnik 513 – Ammann & Withney 72
– Pfeifer Seil- und Hebetechnik 156 – Bänziger und Köppel 216, 427
– Porr 95, 101,230 – Bonk & Herrmann 146
– Porr Technobau 148 – Brändli und Partner 216
– Preiswerk & Cie AG 154 – Bung 167, 173
– RW-Montage 160 – Carlos Fernández Casado 220
– Schaffizel Holzindustrie 162 – Fritsch 177
– Schmees & Lühn, Holz- und Stahlingenieur- – Gustav Lindenthal 70
bau 146 – IBB Fehling und Jungmann 98
– Setra 234 – Kinkel und Partner 152
– Shasta Constructors Inc. 222 – Kleb 152
– Sogea 234 – König und Heunisch 300
– Stahlbau Illingen 104 – Köppl 162
– Stanglmeier / Luitpold Aukofer 218 – Leonhardt, Andrä & Partner 86, 132, 148,
– Thyssen Guss 148 361, 444
Personen- und Firmenverzeichnis 1183

– Peter und Lochner 140 Lund 304


– Schlaich, Bergermann und Partner 60, 61, Maillart, Robert 1, 2, 77–80, 99, 210–212
100, 104–106, 177 Mandroklos 11
– Schüßler-Plan 940 Mang, Herbert 624
– Schütz 136 Mangerig 739, 741, 746
– Verheyen 173 Martin, Pierre Émile 45
– VIC Brücken- und Ingenieurbau 138 Martin, Rainer 803, 804, 821
– Zilch und Müller 299 Marx, Steffen 120
– Trebes 154 Mathivat, Jacques 96, 228
Grübl, Peter 96 Mautner, Karl 83
Ingerop 234 Mehlhorn, Gerhard 316, 321–324, 331, 525,
Iyengar, K. T. 625 528, 543, 554, 613, 617, 619, 624, 626,629,
Johansson, Bernt 579, 583, 585, 586, 588, 589 638, 640, 649, 679, 732
Jungwirth, Dieter 629, 849 Mehmel, Alfred 626, 627
Kargel, Erhard 130, 160 Melan, Joseph 69, 77, 282, 805
Keil, Andreas 122, 136 Menn, Christian 2, 94, 96, 216, 356, 355, 450,
Kepler, Johannes 43 541, 545, 546, 548, 647, 826, 827
Keuser, Manfred 538, 552, 821, 823/824 Moisseiff, Leon Solomon 69–71, 72
Kingsley, William C. 66 Möller, Max 302, 303
Kitzler, Julius 55 Monier, Joseph 76
Kleb, Thomas 127, 152 Morandi, Riccardo 94, 327, 328
Koechlin, Maurice 47 Mörsch, Emil 76, 77, 85, 801
Koenen, Matthias 76 Murphy, Henry C. 66
Koepcke, Claus 54–57 Naumann, Gerd 839
Kolb + Ripke, Architekten 138 Naumann, Joachim 108/109, 113, 120, 121,
Kollegger, Johann 1022, 1097, 1099, 1100 126
König, Gert 96, 300, 1059 Navier, Claude-Louis-Marie-Henry 44, 320,
Krumbach, Guido 431 536
Kuhlmann, Ulrike 274, 276, 277, 341, 343, Nepveu, Charles 47
345, 350, 397, 399, 401, 935, 940, 946, 947, Newton, Isaac 43
952 Nouguier, Emile 47
Kupfer, Herbert 232 Ohlig, Rudolf 101
Lagrange, Jean Louis 43 Pablo, Juan J. Arenas de 224
Lambot, Joseph Louis 73, 76 Pantaleón, Marcos J. 224
Langer, Joseph 385 Parler, Peter 30/31
Lavigne, Charles 234 Pauli, Friedrich August v. 35
Leibniz, Gottfried Wilhelm 43 Pauser, Alfred 2, 96, 101/102, 230, 249, 259,
Lentze, Carl 45, 46 375, 431, 434, 805, 919
Leonhardt, Fritz 1, 2, 73, 85–87, 90, 166, 231, Perronet, Jean-Rodolphe 43
243, 251, 254, 256, 326, 335, 355, 361, 375, Peter, Jörg 509/510
410, 411, 423, 424, 444, 450, 453, 507, 541, Pfohl, Hans 320, 629
546, 647, 796, 832, 833, 839, 896, 1012, 1020 Poisson, Simeon-Denis 43
Li Bing 9 Poitzsch, Peter 123, 138
Lichte, Ulf 738, 739, 741, 745, 746 Ponte, Antonio da 32
Lindenthal, Gustav 70 Pöppelmann, Matthias Daniel 24, 26
Lindlar, Hans-Gerd 120 Quadrig 234
Link, Michael 98 Rackwitz, Rüdiger 525, 534
Litzner, Hans-Ulrich 120 Ramberger, Günter 471–475, 488, 975–980,
Lohmer, Gerd 99, 101, 232, 236, 309 983–990, 991, 1106, 1109, 1110
Long, Stephen H. 40, 41 Reissner, Eric 665, 695
Lrpic, Veljko 238 Rieppel, Anton von 50
1184 Personen- und Firmenverzeichnis

Ritter, August 537 Steinman, David Bernard 69, 70, 71


Ritter, Wilhelm 69, 70 Stephenson, Robert 44
Robaglia 47 Strasky, Jiri 222, 457, 461
Röbling, Johann August 62–67, 90, 91, 452 Strauss, Joseph Baermann 71
Roebling, Washington 65–68 Stritzke, Jürgen 120, 350, 353, 357, 543, 799,
Rubin, Helmut 562, 579 800, 801, 805, 832, 834
Rüsch, Hubert 547, 629 Strobl, Wolfgang 129, 156
Saint Bénezet 27 Stüssi, Fritz 70, 71, 579
Saul, Reiner 275, 350, 423, 432, 447, 449, 450 Svensson, Holger S. 403, 423, 447, 896
Savov, Zlatko 238 Tamms, Friedrich, Architekt 92, 99
Schäfer, Horst 298 Telford, Tomas 61
Schäfer, Horst-Georg 1056, 1100, 1102 Thomas, Sidney Gilchrist 45
Schäfer, Wolfgang 294–296 Tiedje, Wilhelm, Architekt 99
Schambeck, Herbert 88,89, 94, 96, 236, 238, Triborough Bridge Authority 71
310, 311, 313, 315, 328, 329, 354, 355, 450, Trost, Heinrich 543, 629, 638, 639
821, 825 Vicat, Louis Joseph 62, 64
Schickhofer, Gerhard 38 Virlogeux, Michel 96, 234, 446
Schinkel, Karl Friedrich 33 Vockrodt, Hans 28, 29, 354
Schinz, Rudolph Eduard 46 Vockrodt, Hans-Jörg 28, 29, 363–365,368,750
Schlaich, Jörg 2, 59, 60, 122, 124, 126, 136, Vogel, Thomas 2, 849
148, 218, 246, 249, 250, 258, 349, 409, 446, Vogler, Otto M. 355
450, 545 Walraven,
Schlaich, Mike 461 Walther, René 427, 456, 540
Schleicher, Claus 354, 356 Warren Roebling, Emily 68
Schleicher, Wolfram 541, 551, 552, 748 Weise, Torsten 152
Schmackpfeffer, Heinz 408, 409, 543, 940 Wetzel, R. 440
Schmidt, Michael 97, 98 Wetzel, Roland 140, 509/510
Schober, Hans 60, 126, 148, 151, 349, 409 Wicke, Manfred 256, 258, 261
Schubert, Johann Andreas 35/36 Wilke, Robert 35/36
Schüller, Matthias 123, 140 Wittel, Andrea 144
Sedlacek, Gerhard 120, 399, 523, 579, 583, Wittfoht, Hans 303, 833
585, 586, 588, 589, 745 Wöhler, Friedrich 537
Séguin, Camille 62 Wölfel, Roland von 121, 132, 278, 406,
Séguin, Marc 62 837/838, 847/848
Siemens, Carl Wilhelm und Friedrich 45 Wölfel, Wilhelm von 4– 6, 8, 9–13, 15–17,
Sofresid 234 20–23
Sogelerg 234 Zilch, Konrad 96, 120, 189, 299, 300, 1012,
Splingard 35 1022, 1063, 1094
Sporschill, Karl 238 Zuse, Konrad 537
Standfuß, Friedrich 108/109, 306
Sachverzeichnis

A Antwortspektrum­ B
Abblättern von Beschich- verfahren 783 Balkenbrücken 302, 303,
tungsteilen 1047 Antwortverhalten 793 309, 321, 335, 336, 337, 340,
Abbruch 193 A-Pylon 418, 449, 879 342
Abdichtung 1022 Aquädukt der Römer 19, 20, Ballastierung 343
Abfließen der Hydratations- 21, 22 Barretts 517
wärme 731 Arbeitsfuge 659, 828, 840, Bauausführung 184
abhebende Lagerkräfte 342 1021 Baugrundgutachten 519
Abhebesicherung 343 –– mit Spanngliedkopp- Baugrundverbesserung 515
Abminderung der Vorspann- lung 318, 320, 321 Baukosten 202, 203, 204,
kraft 659 Archivolte 16 205
A-Bock 510 Ästhetik 196, 202, 205 Baukultur 108, 109, 110,
Abrechnung 187 aufgeständerte 111, 112, 115, 116, 202, 206
Absenkmaßnahmen 342, Fahrbahn 407 Baukunst, Revolution in
952 Aufhängung des Streck­ der 83
Absetzblock 844 trägers 418 Bauoberleitung 185
Abspannung 830, 956 Auflagerbank 500, 698 Bauüberwachung 185
Abstände Auflagerkraft, Einfluss- Bauverfahren 176
–– der Betonstähle 657 fläche 488 Bauweise aus bewehrter
–– der Spannglieder 660 auflagerkraftgesteuerte Erde 501
Absturzsicherung 1006 Einlagerung 489 Bauwerksprüfung 367, 1009
abtragende Korrosion 1018 Auflagerkraftmessung 489 Bauwerksüber­
Abtriebskräfte 404 Auflagerquerträger 472 wachung 1009
aerodynamische Auftriebssicherheit 514 Bauzeitverkürzung 271
Stabilität 454 Aufweitung 840, 849 Bauzustände 535, 553
aeroflügelähnlicher Quer- Augenstab 61 Beanspruchungsklasse 1078
schnitt 73 Ausfachung 405 Begrenzung der Rissbreite
Amplitudenspektren 762, Ausführungsplanung 183, –– in Längsrichtung,
763, 764, 766 864, 876 Nachweis 689
Anforderungsklasse 645, ausgerundetes Stützen­ –– in Querrichtung,
660 moment 678 Nachweis 690
Angebotsbearbeitung 181 ausgewogener Quer- Begrenzung der
Ankerkopf 435 schnitt 255 Spannungen 683
Ankerplatte 981 Auslegeträger 54 Behelfskabel 69
Anlieferung der Ausschreibung 178, 180 BELFA, Belastungs­
Segmente 863 außergewöhnliche Einwir- fahrzeug 364, 1045
Anprall, Nachweis kungen 529, 530, 531 Bemessungspunkte 543
gegen 714 Austausch 192 Bemessungssituationen 526
Anpressdruck 953 Austauschbarkeit 609 Bemessungswerte 526
Anschluss der Hänger 385 Auswahl ausgeführte Bemessungswerte für
Spannbandbrücken 458 Einwirkungen 527
1186 Sachverzeichnis

Bernoulli-Hypothese 615, Beulen 579, 580, 585, 586, Bogenbrücke 1, 2, 4, 5, 6, 7,


731, 736 588 12, 14, 16, 17, 18, 20, 24, 26,
Beschleunigungs­ Beurteilung 27, 29, 31, 33, 37, 39, 41, 47,
antwort 468, 784 –– der Lage der Bewehrung 77, 79, 80, 81, 82, 85, 167,
Beschleunigungsgröße 1063, sowie der Beton­ 168, 224, 225, 226, 362, 363,
1066 deckung 1043 365, 367, 375, 376, 378, 380,
Bessemer-Prozess 45 –– der Tragfähigkeit 1055 382, 384, 385, 397, 403, 404,
Bestimmung –– von Rissen im Beton 1040 406, 407, 408, 409, 956
–– der Karbonatisierung des bewehrte Elastomer- –– echte 384, 406
Betons 1042 lager 966 –– in sich verankerte 409
–– des Chloridgehalts des bewehrte Erde, –– mit aufgeständerter
Betons 1042 Bauweise 501 Fahrbahn 378
–– des Verpressgrads sowie des Bewehrungsanordnung 658 –– statische Systeme 379
Zustands des Spann- Bewehrungsausbildung an Bohlenbelag 961
stahls 1043 freien Plattenrändern 253 Bohren 517
Betonangriff 642 Bewehrungskorrosion 641 Bohrpfahl 728
Beton-Bogenbrücke, am Biege-Torsionsschwin- Bohrpfahlwand 498
weitesten gespannte 77 gung 454 Böschungsflügel 497
Betondeckung 643, 660 Blechabstufung 335 Böschungskegel 498
Betondruckspannung Blockdübel 446 Böschungsneigung 498
–– Begrenzung der 650 Bodenaustausch 516 Brettschichtholz­
–– Nachweis der Bodenbewegung 785 elemente 286
zulässigen 684 Bodenverdichtung 515 Brettsperrholzplatten 287
Betonersatzsystem 1078 Bodenverfestigung 516 Bruchdehnung 414
Betonfahrbahn, auf Stahl­ Bogen Brücken
kasten aufliegend 406 –– druckkraft 396, 957 –– baupreis 108, 117, 118,
Betonfahrbahnplatte 278 –– einleitung 386 120, 126, 131
Betonfertigteile (im –– form 380 –– bauwehr 12
Verbundbau) 449, 940 –– freivorbau 833 –– bestand 189
Betongelenk 501, 506 –– fußeinspannung 402 –– entwässerung 176
–– vorgespanntes 827 –– fußpunkt 402, 406 –– inspektionsgerüst 175
Beton-Holz-Verbund­ –– kämpfer 382 –– management 1059
brücken 289 –– klappverfahren 167 –– typen mit schwierig einzu-
Beton-Holz-Verbund, –– konstruktion 396 schätzendem Antwort­
Detail 408 –– montage 954 verhalten 786
Betonierfolge 953 –– querscheibe 383 Brunnengründung 514
Betonierlücken 658 –– querschnitt 381 BS-Holz 361, 407
Betonierzustand 948 –– Querschnittshöhe im Bundesarchitekten-
Betonschwellen 964 Scheitel 383 kammer 109
Betonstahlspannung –– schubkraft 408 Bundesingenieur-
–– Nachweis der –– spannweite 380 kammer 109, 111, 118,
zulässigen 685 –– stabilität 402 120
–– zulässige 652 –– stabilität, Abschät- Bundesstiftung
Betonummantelung 344 zung 384 Baukultur 109
Betonuntergrund 1071 –– stich 385
Betonverbundgurt 275 –– Stützen auf dem 383 C
Betonverbundplatten, –– system 954 Caisson 67
Kostenvergleich 279 –– Wanddicken des Kastens im Caisson-Krankheit 67
Betonzugspannung, Kämpferbereich 383 Catwalk (Kabelhilfssteg) 452
zulässige 652 –– widerlager 507 CFK-Lamellen 1088
–– zugband 397
Sachverzeichnis 1187

CFK-Matten 1088 Druckluft-Senkkasten 67 –– Temperatur 663


Chlorid Druckvorspannung 342 –– veränderliche 663
–– eindringung 1013 Dübelaussparung 447 Einwirkungskombina-
–– gehalt 1012 Dübelgruppe 944 tion 682
–– korrosion 1019 Duktilität 414 Einwirkungsmodell 561
Duktilitätsüberprüfungs­ Einzeldruckglied 710
D methode 787 Eisenbahnbrücken, Bestand in
Dammbereich 879 Durchbiegung, Deutschland 191
Dämpfung 417, 780 unstetige 315 Eisenbahnverkehr 532
–– dekrement 756 dynamische Einwir- Eisenbetonbrücke, erste 76
–– eigenschaften 444 kungen 755, 760 Eisenbrücke, erste 41
–– maß 756, 767 dynamische Messung 1064, Eisenbrücke, erste auf dem
–– ring 435 1065, 1066, 1067 europäischen
–– System 423 dynamischer Beiwert 757 Kontinent 41
Dauerhaftigkeit 196, 201, dynamisches Inkrement 757 elastische Lagerung 470,
209, 271, 1010 DYWIDAG-Spannver- 472, 475
Dauerüberwachung 98, 99, fahren 86, 232, 1097 Elastizitätsmodul des
1062, 1063, 1067 Betons 635
Deckschicht 959, 960, 1023 E Elastomerlager 966, 967,
Dehnfuge 1021 echte Bogenbrücke 384, 406 968, 969, 970, 971, 972, 973,
Dehnmessstreifen 1063, effektive Steifigkeit 592 974, 979, 980
1064, 1065, 1066 Eigenfrequenz 769 –– bewehrt 966
Dehnsteifigkeit 591 Eigengewichtsverbund 444, –– kippweich 980
Dekohäsionskorrosion 1019 448 –– unverankertes 969
Dekohäsionstheorie 1019 Eigenlastmoment 949 –– verankertes 969
Dekompression 647 Eigenlastschnittgrößen 951 Eleganz 292
–– Nachweis der 665, 687 Eigenspannung 731, 736 elektronische Schlauch-
Denkmalschutz 281 Einbindelänge 517 waage 1064
Diagonalausfachung 405 Eindeutigkeit 180 Element (FE-Rechnung) 331
Diagonalenanschlüsse 339 einfache Prüfung 1036 EMS-Skala 779
Diagonalen, Vorspannung in einfaches Widerlager 497 Endkriechzahl 635
den 405 Einflusslinie 544 Endquerträger 402
Diagonalfachwerk 405 eingespannter Bogen 363, Entscheidungsfindung
Dichtung 959 384 –– im Rahmen der baulichen
Dichtungsschicht 959, 1022 Einhängeträger 54 Brückenerhaltung 1060
DINA, Konusveranke- Einhubmontage 340, 935 Entwässerung 503
rung 441 einhüftiger Freivorbau 830 Entwurf 195, 196, 197, 201,
Dokumentation 188 Einlagerung, auflagerkraft­ 202, 204, 209, 210, 214, 215,
Doppeldübel 941 gesteuert 489 218, 232, 236, 238
Doppelverbundquer- Einmassenschwinger 780 –– elemente 174
schnitt 275, 409, 449, 953 Einmessung des –– grundlage 169
Drahtseil-Hängebrücke 64 Überbaus 860 –– grundsätze 890
Drainleitung 504 Einsatzkriterien 877 –– Kriterien 891
Drei – Bogenlösung 403 Einschieben 571 –– planung 169
Dreigelenkbogen 363 Einschwimmen 955 –– prozess 755
Dreigelenkträger mit unten Einspanngrad 354 –– tagebuch 172
liegendem Scheitel-Mittel- Einspannverhältnis 696 –– varianten 197
gelenk 56 einteiliger Überbau 406 –– ziel 210
Drillmomente 298 Einwirkungen 521 Epizentrum 779
Druckgröße 1063, 1066 –– auf Widerlager 692 Erdbeben
Druckluftgründung 514 –– ständige 528, 661 –– aktivität 778
1188 Sachverzeichnis

–– beanspruchung 778, 781, –– wirkung 405 –– mit Hilfspylon 409, 830,


783, 793 Fahrbahn 957
–– ereignisse 782 –– aufgeständert 407 –– mit Hilfsträger 832
–– intensität 779 –– ausbildung 959 –– mit Vorschubrüstung 832
–– isolation 468, 475 –– beheizung 732 Freivorbaubrücke 89
–– kennwerte 779 –– belag 959 Freivorbaubrücke,
–– lasten 535 –– belag, Instand­ Betonbau 87, 88, 302, 312,
–– -Magnitude 779 setzung 1084 313, 314, 315, 316
–– vorrichtung 465 –– dicke, Platte 292 Freivorbauwagen 87, 829,
Erdruhedruck 694 –– offene 962 884
erdverankerte –– platten, hölzern 285 –– oben liegend 884, 888
Hängebrücke 450 –– rostfertigstellung 954 –– unten liegend 884, 888
Ermittlung des erforderlichen –– trog 955 Frequenzabstimmung 770
Spannstahlquer- Fast-Track-Project 871 Fritz-Leonhardt-Preis 118
schnitts 671 FE Frostsprengrisse 1011
Ermüdungsanriss 399 –– -Modell 665 Fuge 1021
Ermüdungsfestigkeit 572 –– -Netz 330 Fügetechnik 900, 1025
ermüdungsgerechte Details- –– -Rechnung 330, 331, 663, Füllstoffe 440
ausbildung 350 665 Fundament 514
Ermüdungsnachweis 602 Feldvorspannung 827 Funktionale Ausschrei-
Erneuerung einer Richtungs- Fertigteilaussparung 945 bung 180
fahrbahn 406 Fertigungslinien 862 Furniersperrholzplatten 287
Ersatz Fertigungsprozesse 871 Fußgängerbrücke 430, 759,
–– fläche für Radlasten 663 –– Parallelität 868 760, 762, 763, 764, 765, 766,
–– koeffizientenmethode 786 Feuchtigkeit 440 767, 768, 769, 770, 771, 773
–– last 563, 786 Feuchtigkeitsgröße 1063, Fußgängerverkehr 531
–– modell 625 1066
–– temperaturfeld 738 Fischbauchträger 303 G
–– temperaturverteilung 738 Flächenkorrosion 1018 Gebrauchstauglichkeit 196,
Erschütterung 519 Flachgründung 406, 514 198, 209
Ertüchtigung 190 flächige Rosterschei- gekrümmter Träger
–– von Gewölbe- und Bogen- nung 1048 –– kreisförmig 60
brücken 368 Flachstahlhänger 385 gekrümmtes Tragwerk 432
Eulersche Bezugs­ Flatterschwingung 423, 454 Gelenk 827
spannung 581 Flügel 496, 502 Genehmigungsplanung 178
Eulersche Knick­ –– bauwerk 502 genietete Verbindung 446
spannung 584 –– stellung 497 Geogitter 502
European Macroseismic Scale –– verblendung 499 geometrische Imperfek-
(EMS-Skala) 779 –– wände 498 tion 563
Expositionsklassen 643 Fourierzerlegung 760 Gesamtquerschnittswert 593
externe Vorspannung 88, Freivorbau 86, 406, 443, 825, Gesamtsystem 559
606, 840, 870, 1096 826, 829, 830, 831, 832, 835, Gesamtverbundquer-
837, 913, 936, 954 schnitt 594
F –– einhüftiger 830 geschlossene Brücke 288
Fabrikfertigung 839 –– erste Spannbetonbrücke Geschwindigkeits-
Fachkataloge 174 im 86 größe 1063, 1066
Fachwerk –– im Waagebalken- Gestaltung 206, 207, 208,
–– aufteilung 405 prinzip 829 209, 243
–– balken 336 –– klassischer 825 gevoutete Träger 335
–– knoten 343 –– mit Fertigteilen 833 Gewalteinwirkung 1024,
–– verbundbrücke 344, 345, –– mit Hilfsabspannung 832, 1034
346 957 Gewölbebrücke 362
Sachverzeichnis 1189

Gewölbedicke 5 Hauptträgersteg 278 I


Gitterbalkenbrücke 45 HDPE-Rohre 441 Imperfektion
Gleitblech 843 Hebelgesetz 43 –– geometrische 563
Gleitfläche 917, 978, 979, Herstellungsorganisa- –– strukturelle 563
980 tion 857 Ingenieurbau-Preis 118
Gleitmittel 843 Herstellungsstandort 850, Innenverankerung 629
Gleitplatte 976 857 in sich verankerte Bogen-
Gleitschuh 844 Herstellungszyklus 855 brücke 409, 450
Gleitsicherheit 514, 720 HiAm (Konusveranke- Inspektion, visuelle 1040
Grenzdurchmesser des Beton- rung) 440 Instandsetzung 190, 365,
stahls 657 Hilfsaussteifungsriegel 884 367, 1069
Grenzmomentenlinie aus Hilfskonstruktion 954 –– des Fahrbahnbelags 1084
Verkehrslasten 668 Hilfslager 844 –– von Abrostung 1084
Grenzscherkraft 600 Hilfspylon 830, 843, 957 Intensität 779
Großflächenschal­ Hilfsstütze 829, 843 Interaktion 755
element 940 Hinterfüllmaterial 503 internes Spannglied ohne
Grundbruchsicherheit 514, Hinterfüllung 503 Verbund 308
720 Hinterfüllung, Verkehrsauflast interne Vorspannung 606
Grundfrequenz 756 auf 692
Grundidee des Vorspan- Hochleistungsbeton 299, J
nens 304 353 Japan Meteorological Agency
Grundierung 1090 Höchstwerte der Stababstände (JMA) 779
Gründung 167, 514, 515, des Betonstahls 657 JMA 779
519, 720, 721, 728 höhenverstellbare Lager 980
Grundwerte der Verkehrs- Hohlpfeiler 509 K
lasten 530 Hohlplatte 292 Kabel
Gutachter 172 Holzbalkenbrücke 3 –– abstände 416
Holz-Beton-Verbund 361 –– anordnung, harfenartig 92
H Holzbohlenbelag 961 –– anordnung, Vielkabel­
Hammerkopf 512 Holz-Fahrbahnplatte 38, system 92
Hängebrücke 8, 61, 62, 63, 285 –– brücke 62
65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 73, Holzkragträgerbrücke 3 –– ebenen 412, 430
74, 218, 450, 452, 454 Holzsprengwerk 14 –– hilfssteg (Catwalk) 452
–– erdverankerte 450 Horizontalbewegung 360 –– montage 73, 892
–– erste mit voll wirksamen Horizontalkraftlager 980 –– sattellager 453
Versteifungsträger 65 Horizontallasten 531 Kalottenlager 978
–– in sich verankerte 450 Howe, System von 40 Kammerwand 500
–– Stich der Tragkabel 452 HPC 96 Kämpfer 382
–– unechte 450 H-Pylon 418, 882 Kämpferstandort 380
–– versteifte 55 Hubzylinder 844 Kämpferstütze 382
–– Zusammenstellung (mit Hüllrohre, Betondeckung Kanal-Hängebrücke 64
größten Spannweiten) 75 der 661 Kapazitätsbemessung 793
Hänger 385, 454 Hüllrohre, HDPE 441 Kappenkonstruktion 399
–– ebenen, geneigte 399 Hüpffrequenz 760 Karbonatisierung 1014,
–– montage 954 Hydratation des jungen 1042
–– schwingungen 399 Betons 732 Kastenfangedamm 17
Hängewerk 282, 283 Hydratation des Kastenträger 545, 659
Harfenanordnung 92 Zements 324 –– Profilverformung 546
Hauptlastmodell 529, 531 Hydratationsrisse 1011 –– Torsionsbeanspru-
Hauptmomente 298 Hydratationswärme 750 chung 545
Hauptprüfung 189, 1036 –– windschlüpfiger 73
1190 Sachverzeichnis

Kastenwiderlager 496, 497, Kragarmvorspannung 827 Langer’sche Balken 385


555, 695 Kragflügel 497, 502 Längsdruckkräfte aus Haupt-
Ketten-Hängebrücke 61 Kragsteinbrücke 9 tragwirkung 448
Kippsicherheit 514 kreisförmig gekrümmter Längsschnitt, gevoutet 341
kippweiche Elastomer- Träger 60 Längsschubkrafttragfähig-
lager 980 Kreisringträger 59 keit 605
Klappbrücke 58 Kriechumlagerungen 831 Längssystem 541
Kletterschalung 878 Kriechverzerrung des Längsverschub 935
Klimaeinwirkung 732 Betons 634 Längszugspannungen aus
Knagge 362 Kriterien beim Entwurf 891 örtlicher Lastein­
Kohlenstofffaserkabel 1097 kritische Frequenzbe- leitung 449
kombinierte Pfahl – Platten reiche 770 Lärm
Gründung 721 –– belästigung 519
Konsolen, weit L –– einhausung 1007
auskragend 432 Lager 464, 966, 967, 968, –– schutzanlagen 1002, 1003,
Konstruktionshöhe 335, 381 969, 971, 972, 973, 974, 975, 1004
konstruktiver Holz- 976, 978, 979, 980, 981, –– schutzdeckel 104
schutz 361 1022 –– schutzlamellen 104
Kontinuitätsspann- –– anheben 534 Last
glieder 828 –– anordnung 471 –– ausbreitung 694
Kontraktorverfahren 518 –– arten 475 –– einleitung, konzen-
Kontrollen 860 –– Elastomerlager 965, 967, trierte 708
Kontrollgang 501 968, 969, 970, 971, 972, 973, –– einleitungslänge 601
Konusverankerung 440 974 –– geschichte 948
Konvektion 733 –– höhenverstellbar 980 –– modell 543
konzentrierte Last­ –– Kalotten 978 –– modell 1 530
einleitung 708 –– Linienkipplager 975 –– modell 2 530, 531
Kopfbolzen 276, 470, 969 –– liste 488 –– stellung 663
Koppelfuge 318, 320, 321, –– Punktkipplager 975 –– verteilungsfläche 663
322, 323, 629, 659, 1012, –– Rollenlager 975 –– verteilungswinkel 663
1021 –– schaden 975, 980 laufende Überwachung 1036
Koppelstelle 841 –– sensorbestückt 489 Leerrohr 831, 842
Korbbogen 363 –– sockel 504 Lehrgerüst 168, 795, 796,
Korrektur der Gradiente 316 –– Stahllager 975 797, 798, 799, 800, 801, 802,
Korrosions –– statik 476 803, 804
–– anfälligkeit 344 –– stellung, Über­ –– System Cruciani 227, 796,
–– mechanismus 1016, 1017 prüfung 1052 805–813
–– mittel 1017 –– Topflager 975 Lehrgerüstzustand 640
–– prozess 1016, 1018 –– versetzplan 488, 975, 981 Leichtbeton 294, 837
–– schutz 399, 414, 436, 453, –– wege 731 Linienkipplager 975
1012 –– widerstand 487 Litzenhub 341
–– sprengrisse 1011 –– Zuglager 975 Lochfraßkorrosion 1019
Kosten 870 Lagerung 175, 463, 465, 467, Lock-in Effekt 765
Kostenersparnis 273 468, 469, 470, 471, 472, 473, logarithmisches Dämpfungs-
Kostenvergleich 474, 475, 476, 477, 487, 492, dekrement 756
–– Betonverbundplatten 279 493, 494 Lokalkorrosion 1016
–– Streckträgermateri- –– elastische 470, 472, 475 Long-Line-Verfahren 852
alien 444 –– mit Festpunkten 470, 474 Long, System von 40
Kraftgröße 1063, 1066 –– schiefwinklige 542 Luftspinnverfahren 62, 64,
Kraftreduktionskoeffi- Lagesicherheitsnachweis 829 73, 450
zient 789, 790 Lancieren 571, 915
Sachverzeichnis 1191

M Momentengrenzlinie 544 Oberflächenkorrosion 1050


magnetinduktive Prüfung von Monitoring 98, 1062, 1068 Obergurtknaggen 936
Seilen 1052 Monokabel-Hänge- Obergurtknoten 337
Magnitude 779 brücke 453 Objektbetreuung 188
Maillartbogen 78 Montage Objektdatenbank 1061
Makroelement­ –– aussteifung 945 offene Fahrbahn 962
korrosion 1017 –– berechnung 568, 570, 571 öffentliche Institutionen 172
Mangel 1009 –– maßnahmen 343, 953 Ortbetonbauweise 839
Maßgenauigkeit 854 –– vorgang 395, 894, 936 Ortbeton-Verdrängungs-
Match-Cast-Methode 852 Montierbarkeit 360 pfahl 519
Material mutwillige Anregung (vandal
–– einsatz 362 loading) 760, 766 P
–– ermüdung 560, 572, 1024, Parallel
1031 N –– drahtkabel 62, 414, 440
–– kennwerte, CFK-Lamellen, Nachhaltigkeit des –– drahtseil, vorgefertigt 73
-Matten 1089 Bauens 300 –– flügel 497
–– proben, Entnahme 1044 Nachläufer 847 –– litzenkabel 441
–– wechsel 346 Nachspannbarkeit 609 Paralleldrahtseile 62
mechanische Schlank- Nachtrag 188 Parallelität von Fertigungs­
heit 293 Nachweis prozessen 868
Mehrträgersystem 404 –– der Begrenzung der Riss- Pendelfrequenz 762
Melan-Bauweise 77 breite in Längsrich- Persische Brückenbau-
Mercalli-Intensität 779 tung 689 weise 12
Messgröße 1062, 1063 –– der Begrenzung der Riss- Pfahlgründung 514, 517,
Mikroelementkorro- breite in Querrich- 721
sion 1016 tung 690 Pfahlmantelfläche 517
Mindestabstände der –– der Dekompression 665, Pfahl – Platten Gründung,
Spannglieder 660 687 kombinierte 721
Mindestbetondeckung 643, –– der zulässigen Betondruck- Pfeiler 507, 508, 509, 510,
644 spannung 684 511, 513, 556, 710, 711, 715,
Mindestbetonfestigkeits- –– der zulässigen Betonstahl- 716
klassen 643 spannung 685 –– gabel 356
Mindestbewehrung 658, –– der zulässigen Spannstahl- –– kopfausbildung 509
659, 679, 714 spannung 687 –– querschnitte 509
Mischbauweise, Spann- –– führung für Wider- –– schaft 512
beton 609, 841 lager 698 –– schlanker 716
Mischkonstruktion 362, –– gegen Anprall 714 –– tisch 829
410, 445, 449 Nebenspannungen 343 Pfeilhöhe 380
Mischsystem 409 Nennmaß 644 Pfeilverhältnis 380
Mittelträgerbogen- nichtlineare Verfahren der Pilgerschrittverfahren 936,
brücke 386 Schnittgrößenermitt- 951
Mittelträgerbrücke 429, 430, lung 713 Pilzbrücke, Entwicklung 309
432 Normalkräfte im Streck- Pilzkopf 310
MMI 779 träger 417 Planfeststellung 172
Modalanalyse 98, 783, 784 Notfallplanung 1068 Planfeststellungsbe-
Modalform 1062 Nullmessung 493, 1063 schluss 166
Modellbildung 538, 539 Nutzungsdauer 196, 201 Planungsparameter 242
Modellstützenverfahren 711 Planungstiefe 172
modifizierte Mercalli-Inten- O Planungswettbewerb 114,
sität (MMI) 779 oben liegender Freivorbau- 117
Möllerträger 303 wagen 884 Planwerk 169
1192 Sachverzeichnis

Plastizierung 750, 1024, Querkrafttragfähigkeit 278 Reibung 618, 670, 844


1026, 1032, 1034 Querrahmen 278 Relaxation, Spannungsände-
Platten Querrahmensystem 406 rung im Spannstahl 674
–– balken 273 Querschnitt Resonanz 533
–– brücke 291, 292, 293, 294, –– aeroflügelähnlicher 73 Resonanzschwingung 762
299, 300, 301, 660–662 –– art 242 Restflächenlast 663
–– dicke 251 –– ergänzung 1100, 1101 Revolution in der
–– dicke der Beton-Fahrbahn- –– form, Betonbrücken 292 Baukunst 83
platte 292 –– form, Holzbrücken 284 Richtungsfahrbahn, Erneue-
–– querschnitt 244 –– geometrie 242 rung einer 406
–– schlankheit 293 –– höhe im Scheitel des Richtzeichnungen 171
–– systeme aus Sperrholz 287 Bogens 383 Riss
–– systeme, quer vorge- –– klassen 562 –– abstand 653
spannte 286 –– wahl 241 –– bildung 591
–– systeme, verleimte 286 –– werte 609, 661 Rissbreite
–– systeme, vernagelte 286 –– werte, Berechnung 675 –– begrenzung 605, 649, 659
–– systeme, verschraubte 286 –– werte, Beton-brutto 611, –– Nachweis der Begrenzung
–– tektonik 778 662 in Längsrichtung 689
–– vorgespannte, Berech- –– werte, Beton-netto 612, –– Nachweis der Begrenzung
nungsbeispiel 660–662 676 in Querrichtung 690
Pontonbrücke 10 –– werte, ideelle 612, 676 –– Rechenwert der 653, 657
Portalpylon 418 –– werte, Spannstahl 610 –– schwankung 1020
Preisspiegel 182 Quersystem 541 Risse
Pressen Querträger 845 –– im Beton 1011
–– Zug-Druck 844 Querträgeranschluss 339 –– im Beton, Beurtei-
Pressenaufstandsfläche 500 Querverschub 158, 192, 799, lung 1040
Primärvorspannung 800, 818, 918, 919, 920, 921, –– in der Deckschicht 1047
–– zentrisch 840 923, 925 Robustheitsbewehrung 679
Prinzip des Spann­ quer vorgespannte Platten­ Rohrfachwerk 346
betons 307 systeme 286 Rohrknoten aus
Probebelastung 367, 1044 Querzugspannung 625, 698 Stahlguss 349
Prüfung 183 Rohrquerschnitt 344
Prüfung, einfache 1036 R Rollenlager 975
Prüfverfahren 1039 Radlast, Ersatzfläche für 663 Römerbrücken, Zusammen-
Prüfziel 1039 Radverkehr 531 stellung ausgewählter 20,
Pseudobeschleunigung 781 Rahmenbrücken 350, 351, 21, 22, 23
Pseudo-Verschiebungs- 352, 353, 354, 355, 356, 358, Rostbildung, punkt-
Antwortspektrum 781 360 förmig 1047
punktförmige Rost­ Rahmeneckmoment 360 Rosterscheinung,
bildung 1047 Rahmentragwerk 361 flächig 1048
Punktkipplager 975 Rammen 517 Rückkopplungseffekt 766
Pylone 435, 513, 878, 954 Rammpfähle 517 Rütteldruckverdichtung 515
–– freivorbau 832 Randbedingungen 870
–– temporäre 435 Raumfuge 502 S
–– typen 418 räumliches Fachwerk 347 saisonale Schwankung von
Realisierungswett­ Temperatureinwir-
Q bewerb 168 kungen 741
QS-Platte 38, 286 Rechenschieberprinzip 316 Sanierung 1069
Querbalken 881 Rechenwertverfahren 713 Sanierungsverfahren 1070
Quereinflusslinien 544 Reibdauerbeanspru- Sattelelemente 892
quergespannte Verbund- chung 1020 Schaden 1009
platte 401 Reibkorrosion 1020 Schadensursache 1009
Sachverzeichnis 1193

schädigungsäquivalente Schweißeisen 44 Siemens-Martin-


Schubspannungsschwing- Schweißen 192, 270, 271, Verfahren 45
breite 604 731, 900, 903, 909, 910, Simpson’sche Regel 617
Schalwagen 846, 939 1032, 1105 Sollform 564
Scheitel Schweißnahtanschluss­ Sonderentwurf 180
–– bereich 381 detail 399 Sonneneinstrahlung 242,
–– höhe 397 Schwindnormalkraft 597 733
–– senkung 367 Schwindverzerrung des Spalt
schiefwinklige Lagerung 542 Betons 635 –– korrosion 1049
Schienenbefestigung 964 Schwingungen 417, 533 –– zugbeanspruchung 401
Schiffsbrücke 3, 11 Schwingungsgefahr 770 –– zugbewehrung 472, 626
schlanker Pfeiler 716 Schwingungsprobleme 754, –– zugrisse 401
Schlankheit der Platte 293 755 –– zugspannung 698
Schlankheitsverhältnis, Schwingungstilger 771, 773 Spannband 457
Versteifungsträger bei Segment Spannbandbrücken 101,
Verbund-Stabbogen­ –– Anlieferung der 863 102, 103, 220, 456, 457, 459
brücken 397 –– bauweise 849, 868, 869, –– Auswahl ausgeführter
Schlitzwand 517 870, 871, 873, 876, 877 Brücken 458
Schnabelhubvorrich- –– bauweise mit einem Lehr­ Spannbetonbrücke
tung 845 gerüst 858 –– erste 85, 306
Schneelasten 535 –– bogenbrücke 7 –– erste mit Verbund 84
Schneidenlagerung 499 –– brückenbau 849 –– erster bekannter
Schnittgrößenumlagerungen –– geometrien 854 Entwurf 85
bei abschnittsweisem –– herstellung 850, 854 Spannbeton, Prinzip 307
Bauen 636 –– herstellung, Verfahren Spannbett 607
Schotterbett 962 zur 853 Spannbettvorspannung 607
Schotteroberbau 964 –– montage 854, 858, 862 Spannglied
Schrägflügel 497 –– verlegung 861 –– Anschluss des Fertigteil-
Schrägkabel 65, 68, 775, 776 –– vorspannung 861 Querbalkens an Pylon-
Schrägkabelbrücken 90, 91, Seil stiele 883
92, 93, 94, 95, 96, 216, 226, –– art 414, 436 –– extern 1097
232, 326, 410, 412, 414, 415, –– brücke 9 –– führung 301, 621
423, 424, 425, 429, 430, 433, –– ebenen 954 –– intern ohne Verbund 308
435, 436, 439, 443, 444, 446, –– Steifigkeitsänderung 416 –– Mindestabstände der 660
448, 450, 878 –– vollverschlossene 414, Spannkraft
–– Steifigkeit 414 439 –– verlauf 672
–– System 327 Seilschienenbahn 63 –– verlust 631, 671
–– Systeme 411 seismische Performance­ Spannstabstahlbündel 414
Schrägkabel, dynamische kriterien 788, 790 Spannstahl
Eigenschaften 776 seismischer Koeffizient 787, –– querschnitt, Ermittlung des
Schrägstielrahmen- 788 erforderlichen 671
brücke 351 Seitenführung 844 –– spannungen, Nachweis der
Schrammbord 961 Sekantenmodul 414 zulässigen 687
Schreitschalung 513 Sekundärspannglieder 841 –– spannung, zulässige 654
Schrittfrequenz 760 Senkkasten 67 –– vergütet 1019
Schrumpfrisse 1011 Sensor 1062, 1063, 1064 Spannungsänderung im
Schubflussdifferenz 604 sensorbestückte Lager 489 Spannstahl infolge Relaxa-
Schubgirlande 941 Setzungen 534 tion 674
Schubhaut 405 Short-Line-Verfahren 852 Spannungsbegrenzung 683
Schubkrafteinleitung 400 Sicherheitsmodell 561 Spannungsrisse 1011
Schubverzerrung 696 Sickerschicht 504 Spannungsrisskorro-
Schutzschicht 959 sion 1018
1194 Sachverzeichnis

Spannungsspitze 331, 1024, ständige Einwirkungen 528, Substanzerhalt 189


1033, 1095 661 synchrone Einwirkung 766
Spannverfahren 308, 527, stationäres Fertigteil- Synchronisationseffekt 766
606, 616, 619, 1097 werk 850 System
–– Baur-Leonhardt 86 statische Höhe 660 –– änderung 636
–– BBRV 1098 statische Messung 1064, –– dämpfung 423
–– Bilfinger und Berger 670, 1065, 1066, 1067 –– der Schrägkabel­
672, 1097 statische Systeme von Bogen- brücken 327
–– Dywidag 86, 232, 1097 brücken 379 –– mutationen 212, 213, 214
–– Freyssinet 83 Staudammbrücke 12 –– steifigkeit 454
–– LEOBA 86, 320 Steifigkeit der Schrägkabel- –– vorspannung 565
–– mit nachträglichem brücke 414
Verbund 608 Steifigkeitsänderung des T
–– Suspa 1097 Seils 416 tageszeitabhängiger Verlauf
–– Vorspanntechnik 1097 Steifigkeitsanforderung 242 der Ersatztemperatur­
Spannvorgang 867, 900 Steinbogenbrücke 16 verteilung 740
Spannweitenbereiche bei zwei Steinplattenbrücke 4, 10 Takt
Kabelebenen 424 Stich der Tragkabel bei –– keller 843
Spansperrholzplatten 287 Hängebrücken 452 –– länge 840
Sprengwerk 361 Stoßen von Spannglie- –– schiebeverfahren 87, 90,
Sprühnebelbereich 506 dern 842 326, 839, 840
Spundwandwiderlager 498 Straßenbrücken, Bestand in Tau
Stababstände des Betonstahls, Deutschland 190 –– mittel 1010
Höchstwerte der 657 Straßenverkehr 529 –– salz 1010
Stabbogen Strebenfachwerk 336 –– salzwasser, Zutritt
–– brücke 378, 384, 396, 954, –– pfostenloses 432 von 1014
956 Streben, schräg 278 technische Ausführungs­
–– entwürfe 399 Streckträger 423, 424, 425, planung 864
–– system 396, 403 430, 431, 433, 443, 881 Teflonplatten 844
–– verbundbrücken 954, 956 –– Aufhängung 418 Teilprozesse 871
–– -Verbundbrücken, Zusam- –– aus Beton 426 Teilsicherheitsbeiwerte für
menstellung ausgewählter –– aus Stahl 429 Einwirkungen 526
Brücken 398 –– in Verbundkonstruk- Teilvorfertigung 944
Stabdruckbogen 397 tion 427 Telleranker 1004
Stahlbetonhalbbogen 409 –– Normalkräfte im 418 Temperatur
Stahlbetonpylon 878 –– system 428 –– Bauwerksreaktionen 734
Stahlbetonverbund- –– Versteifungsträger 329 –– beanspruchung 731, 732,
platte 951 Strompfeiler 508 740, 741, 743, 746, 754
Stahlbetonzweigelenk- strukturelle Imperfek- –– bedingte Verdrillung 738
rahmen 350 tion 563 –– dehnung, ungleich­
Stahlgussknoten 61 Stützen 507, 508, 510, 511, mäßige 736
Stahlguss-Rohrknoten 349 512, 513, 710, 711, 715, 716 –– einwirkungen 534, 663,
Stahl-Holz-Verbund­ –– auf dem Bogen 383 732
brücken 288 –– kopf 511 –– entwicklung 734
Stahlhüllrohre 441 Stützenmoment 135, 350, –– reaktionen 748
Stahlkasten mit aufliegender 569, 638, 670, 682, 741, 826, –– unterschied, vertikal 742
Betonfahrbahn 406 829, 916, 1112, 1113 temporäre
Stahllager 974 Stützflüssigkeit 517 –– Abstützung oder Abspan-
Stahlobergurt 345 Stützlinie 363 nung 830
Stahlverbundbauweise 275 Stützlinienwirkung 375 –– Baustellenfertigung 850
Stahlversteifungsträger 399 Submission 182 –– Vorspannung der
Pylone 435
Sachverzeichnis 1195

Terminplanung 876 Unterhaltung 189 Verklebung 38, 98, 285,


Thomas-Verfahren 45 Unterrostung des Unter- 1090, 1091, 1094, 1095
Tiefenrüttlung 515 grunds 1048 Verlegeposition 866
Tiefgründung 514, 728 Unterspannter Träger 218 Verlegetechnik 866
Tilger 771, 772, 773 unverankertes Elastomer- verleimte Platten­
Topflager 976 lager 969 systeme 286
Torsionsmomente, verlorene Schalung 940
Platte 298 V Verlust an Vorspann-
Torsionsschwingung 424 vandal loading (mutwillige kraft 674
Torsionssteifigkeit 274, 402, Anregung) 760 Vermessung 854
424 veränderliche Einwir- vernagelte Platten­
Tragfähigkeit, Beurtei- kungen 529, 663 systeme 286
lung 1057 verankertes Elastomer- Veröffentlichungs­
Tragkabel 954 lager 969 organe 179
Tragseile 457 Verankerungsbereich 879, Verrohrung 517
Tragsicherheit 196, 197, 209 882 Verschiebebahn 839
Tragwerksquerschnitt 241 Verankerungsstiel 879 Verschiebelager 843, 844
Tragwerkssystem 167 Verantwortung des Verschieben 955
Trapezrahmentragwerk 361 Ingenieurs 2 Verschiebezustände 867
Trennmittel 843 Verbandsystem 402 Verschiebungsantwort 469,
Verbindungen, genietet 446 780
U Verbreiterung 192 Verschmutzungsmöglich-
Überbau, einteilig 406 Verbund keit 399
Überbaukonstruktion 409 –– bogenbrücke 397, 957 verschraubte Platten­
Überbauten 540 –– brücken, Beton-Holz 289 systeme 286
Überhöhungen 831 –– brücken, Stahl-Holz 288 Verschubanlage 843, 844,
Überprüfung der Lager­ –– brückensysteme 397 954
stellung 1052 –– fachwerkkonstruk- Verstärkung 191, 828, 1087
Überspannreserve 671 tion 348 versteifte Hängebrücke 55
Überwachung, –– fuge 344, 409, 410, 446, Versteifungsträger­
laufende 1036 590, 593, 596, 599, 600, 605, biegung 405
UHPC 97, 293 941, 948, 1024, 1027, 1092, Versteifungsträger/Streck-
Ultrahochfester-Beton 97, 1100, 1102 träger 396, 403, 457
98, 293 –– platte, quergespannt 401 Verzerrungsgröße 1063,
Umfeld 206 –– tragwirkung 590, 593 1065
Umhängen von externen –– vollwandbrücke 340 VFT-Bauweise 944
Spanngliedern 843 Verdichten des Bodens 515 Visualisierung 205, 206
Umkehrkabel 69 Verdrängungspfahl 518 visuelle Inspektion 1040
Umlenkwinkel 618, 670 Verdrillung, temperatur­ Vollplatte 292
Umwicklung 454 bedingte 738 vollverschlossene Seile 414,
unechte Hängebrücke 450 Verdübelungsdetail 400 439
ungleichmäßige Temperatur- Verfahren zur Segmenther- Vollwandbogen 284
dehnung 735 stellung 853 Vorbau
unstetige Durchbiegung 315 Vergabe 182 –– schnabel 843, 844
unten liegende Freivorbau- Vergleichsgröße 1062, 1063 –– wagen 825
wagen 888 Verguss 439 Vorbemessung 661, 668
Unterbauten 174, 495, 500, Vergussmörtel 981 Vordehnung 613
501, 504, 507, 510, 513, 554, vergüteter Spannstahl 1019 Vorgespannte Plattenbrücke,
692 Verkehrslast auf Hinter­ Berechnungsbei-
Untergrund-Klassifizierung, füllung 692 spiel 660–662
seismisch 791 Verkehrslastgruppen 530 vorgespanntes Beton­
Untergurtknoten 338 gelenk 501, 506, 827, 828
1196 Sachverzeichnis

Vorhaltemaß 644, 660 –– vor dem Erhärten des wirksame Betonfläche 656
Vormontageplatz 951 Betons 308, 606, 607 Wirtschaftlichkeit 196, 202,
Vorplanung 166 877
Vorschriften 172 W Wochentakt 839
Vorschub 862 Waagebalken 825
–– rüstung 87, 813, 814, 815, Waagebalkenprinzip 829 Z
816, 817, 818, 819, 820, 821, Wanddicken des Kastens im Zeitvorteil 876
822, 823, 824, 825 Kämpferbereich 384 Zementinjektion 440
–– stationen 937 Wärmeausdehnungskoeffi- zentrische Primärvorspan-
Vorspannen, Grundidee 304 zient 734 nung 840, 841
Vorspannkraft Wärmeentwicklung aus der Zugband 278, 396
–– Abminderung an Koppel- Hydratation des Zug-Druck-Pressen 844
fugen 659 Zements 324 Zug-Klappbrücke 58
–– beschränkte 86 Wärmefluss 734 Zuglager 346, 966, 980
–– erforderliche 665 Wartungsgang 501 Zugspannungen an Arbeits-
–– erstmalige Anwendung im Wasserbindemittelwert 1015 fugen aus der Wärmeent-
Betonbrückenbau am W/B-Wert 1015 wicklung aus der Hydrata-
Probekörper 82 Wegaufnehmer 1063, 1064 tion des Zements 324
–– externe 88 Weggröße 1063 zulässige
–– interne 88 weit auskragende –– Betondruckspannung,
–– ohne Verbund 85 Konsolen 432 Nachweis der 684
–– Verlauf 672 Weltkulturerbe 109, 110 –– Betonstahlspannung,
–– Verluste 674 Werkstattform 564 Nachweis der 685
Vorspannung 527, 606, 616, Wettbewerb 108, 109, 111, –– Spannstahlspannung,
849, 951, 952, 953 115, 116, 117, 119, 120, 126, Nachweis der 687
–– als Mischbauweise 308 128, 144, 169, 180, 224, 236, Zusatzlamellen 346
–– beschränkte 86 273, 334, 414, 806, 825 Zustands
–– erste Anwendung im Wheatstonesche Mess- –– bewertung 1054
Betonbrückenbau am brücke 1065 –– datenbank 1061
Probekörper 82 Widerlager 495, 496, 497, Zutritt von Tausalz-
–– externe 192, 606, 608, 498, 499, 501, 502, 503, 504, wasser 1014
609, 614, 840, 870, 1096 505, 506, 507, 554, 694, 695, Zwangs
–– exzentrische, verbund- 696, 697, 698, 699, 706, 707, –– beanspruchung 731, 737
lose 841 708, 709 –– moment 302, 621, 670
–– in den Diagonalen 405 –– einfaches 497 –– momente aus Vorspan-
–– interne 606 –– Einwirkungen auf 692 nung 302
–– Mischbauweise 841 –– kastenförmig 496 –– schnittgröße 351, 606,
–– mit nachträglichem –– Nachweisführung für 620, 638
Verbund 308, 607, 608, das 698 –– schnittgröße, zeitabhän-
615, 616, 841 –– wand 496, 500, 706 gige 638
–– mit sofortigem Widerstandsmodell 561 Zweigelenk
Verbund 308, 309, 606, Windlasten 535 –– bogen 363, 382
607, 614, 616 Windschlüpfiger Kasten- –– rahmen 350
–– ohne Verbund 192, 308, träger 73 zweistegiger Plattenbalken,
309, 606, 614, 841 Windströmungen 423 querträgerlos 316
Winkelgröße 1063, 1066

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