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Pietro Podolak

Soranos von Ephesos, Peri+ yuch&v


Beiträge zur Altertumskunde

Herausgegeben von
Michael Erler, Dorothee Gall,
Ludwig Koenen, Clemens Zintzen

Band 279

De Gruyter
Soranos von Ephesos, Peri+ yuch&v
Sammlung der Testimonien,
Kommentar und Einleitung

von
Pietro Podolak

unter der Mitarbeit von Jan Erik Heßler

De Gruyter
Dieser Band wurde mit finanzieller Unterstützung der
Alexander von Humboldt-Stiftung gedruckt.

ISBN 978-3-11-022582-2
e-ISBN 978-3-11-022583-9
ISSN 1616-0452

Library of Congress Cataloging-in-Publication Data

Podolak, Pietro, 1979−


Soranos von Ephesos, Peri psyches : Sammlung der Testimonien, Kom-
mentar und Einleitung / von Pietro Podolak ; unter der Mitarbeit von Jan
Erik Heßler.
p. cm. − (Beiträge zur Altertumskunde, ISSN 1616-0452 ; Bd. 279)
Includes bibliographical references and index.
ISBN 978-3-11-022582-2 (hardcover : alk. paper)
ISBN 978-3-11-022583-9 (e-bk.)
1. Soranus, of Ephesus. Peri psyches. 2. Soul. I. Heßler, Jan Erik.
II. Title. III. Title: Peri psyches.
PA4435.S2P47 2010
128.1−dc22
2010017612

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

쑔 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York


Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen
⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier
Printed in Germany
www.degruyter.com
COLLEGIS HERBIPOLENSIBUS
SODALIBUS ET AMICIS
S
Vorwort

Das Vorhaben, eine Testimoniensammlung zu Soranos’ ąȯȺ ɁȾɀȻ zu


erstellen, entstand während der Arbeit an einer kommentierten Überset-
zung zu Tertullians De anima, dem der Traktat des Arztes aus Ephesos
bekannterweise als Hauptquelle zugrunde lag. Der Vergleich mit anderen
Quellen, die aus Soranos stammende Materialien überliefern oder über die
hellenistische Seelenlehre informieren, war anfangs notwendig für das
Verständnis des Tertullian-Textes. In der Folge bot sich die Gelegenheit,
eine selbstständige Arbeit zu verfassen, deren Ziel nicht nur die Quellen-
forschung zu De anima ist. In dieser zweiten Phase war besonders der
Vergleich mit der philosophischen Seelenlehre der hellenistischen und
römischen Zeit notwendig, um die Ausbildung der Theorien zu erklären,
die den Traktat des Soranos charakterisieren, und seine Persönlichkeit im
zeitgenössischen Denken einzuordnen. Dieser späte Vertreter der Imma-
nenzpsychologie stellte sich (zumindest für mich) als interessant heraus,
insofern er die letzte Phase der hellenistischen Seelenlehre repräsentiert,
die sich schon mit der wieder aufkommenden Transzendenzphilosophie
der Kaiserzeit messen musste.
Diese Studie entstand fast vollständig im Rahmen eines Forschungs-
stipendiums im Institut für Klassische Philologie der Universität Würz-
burg. Zum Abschluss des Bandes möchte ich mich bei allen bedanken, die
mir diese Erfahrung und die Realisierung dieser Abhandlung ermöglicht
haben: bei der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, aber auch bei meinem
Gastgeber, Prof. Dr. Michael Erler, der die hier vorliegende Arbeit in
jeder Phase bis zum Druck unterstützt und gefördert hat; meine Dankbar-
keit gilt auch den Kollegen im Würzburger Seminar, wo ich eine Atmo-
sphäre außergewöhnlicher Kooperation und großer wissenschaftlicher
Motivation vorfand. Meinen besonderen Dank möchte ich schließlich
meinem Kollegen Jan Erik Heßler aussprechen, der die beschwerliche
Aufgabe der Überprüfung und Redaktion der deutschen Version meiner
Arbeit übernommen hat; er kann mit Recht als artifex des vorliegenden
Bandes betrachtet werden, welcher ohne seine Hilfe nie in dieser Form
hätte erscheinen können. Für den Inhalt dieses Buches trage ich alleine die
Verantwortung.

Würzburg, den 11.01.2010. Pietro Podolak


Inhalt

Einleitung ............................................................................................................... 1
1. Die hellenistische Seelenlehre ...................................................................... 1
1.1. Theophrast................................................................................................ 2
1.2. Dikaiarch und Aristoxenos .................................................................... 6
1.3. Straton von Lampsakos ........................................................................18
1.4. Epikur......................................................................................................30
1.5. Die Stoiker ..............................................................................................45
2. Vorbemerkungen über die Persönlichkeit des Soranos.........................62
3. Methodische Kriterien ................................................................................65
4. Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos ...............................................69
5. Die Quellen für die Rekonstruktion von Soranos’ ąȯȺ ɁȾɀȻ........... 96
5.1. Meletios, Orion und Pollux..................................................................96
5.2. Der Anonymus Londinensis................................................................99
5.3. Der Anonymus Fuchsii.......................................................................102
6. Zur Rekonstruktion einer Quelle des Soranos......................................103
Conspectus siglorum .....................................................................................109

Testimonia..........................................................................................................111
Kommentar........................................................................................................131
Literaturverzeichnis ..........................................................................................173
Register ...............................................................................................................181
Einleitung
1. Die hellenistische Seelenlehre

Der von Soranos zwischen Anfang und Mitte des zweiten Jahrhunderts
n.Chr. verfasste Traktat kann aus verschiedenen Gründen als eines der
letzten und bemerkswertesten Zeugnisse der Seelenlehre betrachtet wer-
den, welche die Forschung seit längerer Zeit als ›hellenistisch‹ definiert.
Diese Seelenlehre, die sich auch nach der Diadochenzeit verbreitet, bildet
sich aus und definiert sich in ihren Leitlinien im Zeitraum zwischen dem
Tod des Aristoteles und Alexanders und der römischen Zeit 1. Dass die
Definition dieser Lehre mit Blick auf die Epoche und nicht auf die Identi-
tät der Vertreter erfolgt (Peripatetiker, Stoiker und Epikureer), lässt sich
dadurch erklären, dass – mit Ausnahme der Akademie, die dazu neigt,
isoliert zu bleiben – die philosophischen Schulen dieser Zeit eine starke
Tendenz zur Osmose, zu wechselseitigem Austausch und zur Übernahme
von Lehren zeigen; das gilt vor allem für die spekulative Seite der Seelen-
lehre (stärker ausgeprägt sind die Unterschiede und Konflikte in Bereichen
wie der Ethik oder der Theologie) 2.
Um die Zielrichtung dieser Einleitung zu präzisieren, stellen wir klar,
dass deren Aufgabenstellung nicht darin besteht, eine erschöpfende Erklä-
rung der Seelenlehre in der hellenistischen Zeit zu bieten, sondern nur die
Ausbildung und Verbreitung der Auffassungen zu untersuchen, welche in
_____________
1 Zu dieser Definition vgl. z.B. Annas 1992.
2 Vgl. Gigante 1999, 143: »dopo i fondatori del Peripato e del Giardino, le barriere
delle scuole cadono e, nel dissenso o nel consenso, si sviluppa una singolare
cooperazione di energie intellettuali nell’emergente clima di una diversa civiltà
dove ogni pensatore vuole contribuire, senza rigidi schemi, a risolvere i problemi
della condizione umana«. Was Gigante für die Ethik behauptet, gilt noch mehr im
physikalischen und wissenschaftlichen Rahmen. Zum Übergewicht der ethischen
Fragen im Vergleich zu den theoretischen vgl. Bignone 1973, II, 186: »l’interesse
pratico è per entrambi [Epikur und Zeno] ben più intenso dello speculativo; e la
fisica e la logica sono per ambedue semplici sussidi dell’etica, e solo hanno valore
in quanto sono mezzi per raggiungere la felicità. Entrambi sono avversari di
quella aristocratica e disinteressata speculazione scientifica che è propria delle
altre due scuole nemiche [Platoniker und Peripatetiker, was heute nicht definitiv
überzeugt]«; zu den gemeinsamen Grundlagen des hellenistischen Materialismus
vgl. Konstan 1982, 31ff.
2 Einleitung

die Schrift des Soranos Eingang fanden. Dies geschieht, um das Gedan-
kengut zu erläutern, dessen Vertreter und gewissermaßen Epigone er ist.
Darum werden z.B. die Fragestellungen der Akademie Speusipps und
Xenokrates’ außerhalb unseres Interesses bleiben; dasselbe gilt für die
komplexen Diskussionen, die sich über die Rolle des Verstandes innerhalb
der peripatetischen Schule entwickelten und die am Ende der für uns inte-
ressanten Periode in Alexander von Aphrodisia ihren vollendeten Aus-
druck fanden: mit diesen Fragen scheint Soranos keine besonderen Berüh-
rungspunkte zu haben. Dasselbe gilt für die mittlere Stoa, deren Vertreter
(d.h. Panaitios und Poseidonios) in T 10 als gelehrtes doxographisches
Detail erwähnt werden, und deren Lehre bei Soranos keine tiefen Spuren
hinterlassen zu haben scheint.
Zu den Zeugnissen für die Gattung ąȯȺ ɁȾɀȻ, der Soranos zuzurechnen ist,
vgl. die Titel der Traktate zur Seelenlehre: ein Buch ąȯȺ ɁȾɀȻ ist für Speusipp
nachgewiesen (Diog. Laert. 4, 4); zwei Bücher mit demselben Titel werden im
Falle des Xenokrates erwähnt (Ibid., 4, 13); dieselbe Titelangabe finden wir für
Theophrast, in dessen Fall die psychologische Abhandlung eine Abteilung der
Physik war (Ibid., 5, 46); bei Herakleides Pontikos (ąȯȺ ɁȾɀȻ ȴȫ ȴȫȽ’ Ȯȫȷ
ąȯȺ ɁȾɀȻ, Diog. Laert. 5, 87); noch zwei Bände Chrysipps sind erwähnt (Ibid.,
7, 50); Diogenes von Babylon hatte sich mit einer technischen Fragestellung der
Stoa beschäftigt (ąȯȺ Ƚȹ8 ȽȻ ɁȾɀȻ ˂ȭȯȶȹȷȳȴȹ8, Galenus, De Hipp. et Plat.
dogm. p. 201); Antipatros von Tarsos in Diog. Laert. 7, 157 (zu diesen Werken vgl.
Gigon 1987, 287; Tieleman 2002, 137).
Was wir mit dem Etikett »hellenistische Seelenlehre« versehen haben, tritt
innerhalb kurzer Zeit in Erscheinung und erhält ebenso schnell seine end-
gültige Form; dies erfolgt, wie schon gesagt, trotz der von den Schulen
errichteten Barrieren kurz nach der langen Schulleitung Theophrasts (oder
vielleicht auch während dieser, die Chronologie verlorener Werke lässt
sich nur ungenau bestimmen).

1.1. Theophrast
Der erste Nachfolger des Aristoteles, der vielleicht ziemlich bald im Ver-
gleich zu anderen Vertretern des Peripatos isoliert war, scheint sich mit
Randproblemen des Aristoteles-Textes beschäftigt zu haben, was wir auf-
grund der Fragmente über die Seelenlehre erschließen können (wenn auch
nicht definitiv sicher ist, dass all diese Fragmente wirklich aus Theophrasts
ąȯȺ ɁȾɀȻ stammen, d.h. aus einer Abteilung seiner Physik) 3. Im Bereich

_____________
3 Zu diesen Fragmenten vgl. W. Fortenbaugh et alii, Theophrastus of Eresus. Sources for
His Life, Writings, Thought and Influence, 2 Bände, Leiden-New York-Köln 1992; die
Abteilung zur Seelenlehre besteht aus den frr. 265-349, II, 2-133; zu Titel und
Standpunkt von ąȯȺ ɁȾɀȻ vgl. fr. 265, 1 a (= Them. In Arist. De an. 430 a 25,
Die hellenistische Seelenlehre 3

der Fragestellung, die uns betrifft, scheint Theophrast eine Lösung für die
Schwierigkeiten zu suchen, die Aristoteles selbst hinterlassen hatte und die
mit bekannten, auch heute noch umstrittenen Stellen in Zusammenhang
stehen (z.B. Gen. an. 736 b 27; An. 430 a 12). In dessen Fussstapfen tre-
tend, macht Theophrast den Ursprung der Begierden, der Wünsche, des
Zorns und der verschiedenen ›körperlichen‹ Bewegungen im Leib aus.
Simpl. In Phys. p. 964, 31ff. (= fr. 271 Fortenbaugh = fr. 13 Barbotin): ȫ ȶ ȷ
)ȺɃȸȯȳȻ ȴȫ ąȳȲȾȶɅȫȳ ȴȫ )Ⱥȭȫ ȼɂȶȫȽȳȴȫ ȴȳȷɄȼȯȳȻ ȯȼ ȴȫ ʱą' ȽȹѠȽȹȾ Ƚȷ
ʱȺɀȷ ʿɀȹȾȼȳȷ, *ȼȫȳ Ȯ ȴȺɅȼȯȳȻ ȴȫ ȲȯɂȺɅȫȳ, ȽȫѠȽȫȻ ȹ3ȴ ʿȼȽȳȷ ȯȻ ˀȽȯȺȹȷ
ʱȷȫȭȫȭȯȷ, ʱȵȵ’ȷ ȫ3Ƚ Ƚ ɁȾɀ ȴȫ ˂ ʱȺɀ ȴȫ ˂ ȷɃȺȭȯȳȫ ȴȫ Ƚ' ȽɃȵȹȻ, ȯ
Ȯ Ȯ ȴȫ ( ȷȹ8Ȼ ȴȺȯȽȽџȷ Ƚȳ ȴȫ ȲȯȳџȽȯȺȹȷ, ʶȽȯ Ȯ ʿȸɂȲȯȷ ąȯȳȼȳAȷ ȴȫ
ąȫȷȽɃȵȯȳȹȻ 4.
Offensichtlich ist an dieser Stelle der Berührungspunkt mit der Theorie
der Empfindungen als Bewegungen der Seele und mit der vexata quaestio
des Verstandes als göttlichem, von außen kommendem Element 5; eindeu-
tig ist aber auch die Definition des Verstandes als heterogenes und höhe-
res Element im Vergleich zum sinnlich wahrnehmbaren Leib 6.
Ebenfalls in Verbindung mit der Aristotelesexegese steht das Frag-
ment, in dem Theophrast den Unterschied zwischen tätigem und passi-
vem Verstand erläutert:
Prisc. In Theophr. De an. 2, 4 (= fr. 307 b Fortenbaugh = fr. 1 c Barbotin):
ȽȪɀȫ Ȯ’ ʳȷ ȿȫȷȯɅȱ ȴȫ Ƚȹ8Ƚȹ ʵȽȹąȹȷ ȯ ( ȷȹ8Ȼ ʿɀȯȳ 4ȵȱȻ ȿѠȼȳȷ ȶȱȮ ȷ Gȷ
ʶąȫȷȽȫ Ȯ ȮȾȷȫȽџȻ. ȹ3ɀ ȹ4Ƚɂ Ȯ ȵȱąȽɃȹȷ ȹ3Ȯ ąȪȷȽȫ ȷȹ8ȷ, ʱȵȵ Ȯȯ
Ȯȳȯȵȯȷ. ąȹȹȻ ȹ9ȷ ȴȫ ȽɅȻ ˂ ȮȳȫɅȺȯȼȳȻ; ˂ ȶ ȷ ȭ Ⱥ 4ȵȱ ȹ3 ȽџȮȯ Ƚȳ, ( Ȯ ȷȹ8Ȼ ȯ
ȶ ȹ4Ƚɂ, ȽɅ ʳȷ ˀȽȯȺȹȷ; ȴȫȽ ʱȷȫȵȹȭɅȫȷ ȹ9ȷ ȴȫ Ƚ' ȮȾȷȪȶȯȳ ȵȱąȽɃȹȷ ą Ƚȹ8
ɁȾɀȳȴȹ8 ȷȹ8· BȻ ȭ Ⱥ ąȺ'Ȼ Ƚ'ȷ ȷȯȺȭȯɅˤ ȷȹ8ȷ 7.

_____________
CAG 5, 3 p. 108, 11; vgl. auch fr. 137): ȷ ą ȶąȽL ȽHȷ ȥȾȼȳȴHȷ, ȮȯȾȽ ȺL Ȯ
ȽHȷ ąȯȺ ɁȾɀȻ. Die Fragmente über die Seelenlehre stimmen mit der
Sammlung von Barbotin überein (vgl. Barbotin 1954), der seinerseits schon die
Sammlung von Hicks 1907 benutzt hatte.
4 Zu diesem Fragment vgl. auch Movia 1968, 63ff.
5 Klar ist der Bezug auf An. 1, 4, 408 b 1ff.: ȿȫȶ ȷ ȭ Ⱥ Ƚȷ ɁȾɀȷ ȵȾąȯȼȲȫȳ
ɀȫȺȯȳȷ ȲȫȺȺȯȷ ȿȹȬȯȼȲȫȳ, ʿȽȳ Ȯ )ȺȭȰȯȼȲȫ Ƚȯ ȴȫ ȫȼȲ ȷȯȼȲȫȳ ȴȫ Ȯȳȫ-
ȷȹȯȼȲȫȳȊ Ƚȫ8Ƚȫ Ȯ ą ȷȽȫ ȴȳȷȼȯȳȻ ȯȷȫȳ Ȯȹȴȹ8ȼȳ; Gen. An. 2, 3, 736 b 27ff.:
ȵȯąȯȽȫȳ Ȯ Ƚ'ȷ ȷȹ8ȷ ȶ&ȷȹȷ Ȳ0ȺȫȲȯȷ ąȯȳȼȳ ȷȫȳ ȴȫ Ȳȯȹȷ ȯȷȫȳ ȶ&ȷȹȷȊ ȹ3Ȳ ȷ
ȭ Ⱥ ȫ3Ƚȹ8 Ƚ ȷȯȺȭȯˤ ȴȹȳȷɂȷȯ <˂> ȼɂȶȫȽȳȴ ȷ Ⱥȭȯȳȫ.
6 Vgl. Movia 1968, 65: »nel caso di Teofrasto, anzi, il termine designante la
separazione dell’intelligenza assume un unico significato: esso semplicemente
indica la (relativa) indipendenza di quest’ultima dalla corporeità«.
7 Zum Text vgl. Prisc. Lyd. Metaph. in Theophr. De an. 2, 4 (Supplementum
Aristotelicum 1, 2) p. 25, 28ff. Bywater; zu diesem Fragment vgl. Devereux 1992,
35ff. Eindeutig ist der Bezug auf den Philosophen, De an. 429 a 24.
4 Einleitung

Mit anderen Worten wird hier die Unterscheidung zwischen dem


Verstand, dessen Natur derjenigen der Materie ähnlich ist, und einem
andersartigen Verstand eingeführt.
Soweit wir aufgrund von fr. 320 a verstehen können, ist auch die Fra-
ge nach dem Verhältnis zwischen passivem und aktivem Verstand ein
Thema der Aristotelesexegese, mit dem sich Theophrast beschäftigt. Ers-
terer entspricht wie bei Aristoteles der stofflichen und potentiellen Kom-
ponente, letzterer der aktiven und kausativen. Die Aporie, die sich für
Theophrast ergibt, besteht in der Bestimmung, warum das Verstandes-
vermögen bei uns manchmal vorhanden ist und manchmal nicht:
Them. In Arist. De an. 3, 5 (= fr. 320 a Fortenbaugh = fr. 12 Barbotin): ȯ ȶ ȷ
ȹ9ȷ ȼѠȶȿȾȽȹȻ ( ȴȳȷHȷ, ȴȫ ȯ3Ȳ1Ȼ ɀȺȷ ȴȫ ʱȯɅ· ȯ Ȯ 4ȼȽȯȺȹȷ, ȶȯȽ ȽɅȷȹȻ ȴȫ
ąHȻ ˂ ȭɃȷȯȼȳȻ; ʿȹȳȴȯ Ȯ’ ȹ9ȷ BȻ ʱȭɃȷȱȽȹȻ, ȯąȯȺ ȴȫ ʵȿȲȫȺȽȹȻ. ȷȾąȪȺɀɂȷ Ȯ’
ȹ9ȷ Ȯȳ ȽɅ ȹ3ȴ ʱȯɅ; ˃ Ȯȳ ȽɅ ȵɄȲȱ ȴȫ ʱąȪȽȱ ȴȫ Ɂȯ8ȮȹȻ; ˃ Ȯȳ Ƚȷ ȶȸȳȷ 8.
Es bleibt im Dunkel, ob die Theorie vom Verstand als einer Mischung als
Zugeständnis des Peripatos gegenüber der Immanenzphilosophie gelten
kann (die Mischung dürfte das ursprüngliche Wesen der zwei Verstandes-
arten gefährden) 9; der Begriff ȶȸȳȻ wird von Aristoteles in Bezug auf kör-
perliche Substanzen benutzt, in diesem Fall wird sie allerdings von Theo-
phrast auf unkörperliche angewandt. Tatsache bleibt, dass der Text
Theophrasts sich in Aristoteles’ Fußstapfen bewegt, vor allem bei der
schwer zu deutenden Stelle über den Verstand 10. Die Schlussinterpretation
der ontologischen Bedeutung der Seelenlehre Theophrasts ist noch alles
andere als endgültig, vorausgesetzt, der Text des Fragments gibt zuverläs-
sig eine Meinung des Theophrasts wieder, die nicht im Laufe der Zeit
durch diesen modifiziert wurde. Auch wenn sich Devereux für eine Im-
manenzinterpretation entscheidet 11, so bleibt festzuhalten, dass Theo-
phrast – ganz anders als seine Nachfolger – die Seele im Vergleich zum
Leib als aktives Prinzip, nicht als eine organische Funktion auffasst. Der
Text der Metaphysik scheint geradezu eine Analogie zwischen der Bewe-
gungsfunktion der Seele und dem unbewegten Beweger zu suggerieren
(Met. 5 b 2: ɁȾɀ Ȯ’ ʶȶȫ Ȯȹȴȯ ȴȫ ȴȷȱȼȳȻ 2ą Ⱥɀȯȳȷ; 4 b 18: Ƚȹȳȫ0ȽȱȻ

_____________
8 Zum Text des Themistios vgl. Them. In Arist. De an. 3, 5 (CAG 5, 3 p. 108, 18ff.
Heinze); zu diesem Fragment vgl. Devereux 1992, 41-43; Barbotin 1954, 161-166;
191ff.; Movia 1968, 55.
9 Vgl. Devereux 1992, 42; anders Barbotin.
10 Vgl. De an. 430 a 10: ąȯ Ȯ’ [DȼąȯȺ] ȷ ʲą ȼ Ƚ ȿ0ȼȯȳ ȼȽ [Ƚȳ] Ƚ' ȶ ȷ 4ȵȱ
ʼȴ ȼȽL ȭ ȷȯȳ (Ƚȹ8Ƚȹ Ȯ + ą ȷȽȫ ȮȾȷ ȶȯȳ ȴȯȷȫ), ˀȽȯȺȹȷ Ȯ Ƚ' ȫȽȳȹȷ ȴȫ
ąȹȳȱȽȳȴ&ȷ, ȽN ąȹȳȯȷ ą ȷȽȫ, ȹ ȹȷ ˂ Ƚ ɀȷȱ ąȺ'Ȼ Ƚȷ 4ȵȱȷ ą ąȹȷȲȯȷ, ʱȷ ȭȴȱ
ȴȫ ȷ Ƚ ɁȾɀ 2ą Ⱥɀȯȳȷ Ƚȫ0ȽȫȻ Ƚ Ȼ ȮȳȫȿȹȺ Ȼ.
11 Vgl. Devereux 1992, 42-43.
Die hellenistische Seelenlehre 5

Ȯȃ ȹ6ȼȱȻ ȽȻ ʱȺɀȻ, Ȯȵȹȷ BȻ ȫȽȫȷ ȲȯȽ ȹȷ Ƚȫ0Ƚȱȷ ȽȻ ȴȳȷȼȯɂȻ);


damit fänden wir eine Parallele zu den Adjektiven, denen wir schon in fr.
271 begegnet sind. In jedem Fall wäre diese Bewegungsfunktion der Seele
für einen so raffinierten Interpreten des Stagiriten nicht mit der »epiphä-
nomenistischen« Sicht kompatibel (vgl. An. 407 b 33f.: ʿȽȳ Ȯ Ƚ' ȴȳȷȯȷ
ȹ3ȴ ʿȼȽȳȷ ʲȺȶȹȷȫȻ, ɁȾɀ Ȯ ą ȷȽȯȻ ʱąȹȷ ȶȹȾȼȳ Ƚȹ8Ƚȹ ȶ ȵȳȼȲ’ BȻ
ȯąȯȷ). Wir können uns der Folgerung Movias anschließen: »nella noetica
teofrastea non si ritrova nessun elemento di una evoluzione teoretica
propriamente detta, in rapporto alle posizioni di Aristotele, a parte
l’approfondimento di alcuni aspetti, sia pure spesse volte essenziali della
speculazione dello Stagirita« 12.
Neben den Fragmenten, welche die Noustheorie betreffen, ist die See-
lenlehre Theophrasts von besonderem Interesse für die Wahr-
nehmungstheorie; hierzu verfügen wir glücklicherweise auch über das
lange Fragment De sensibus 13. Angesichts des Umfangs der doxogra-
phischen Gelehrsamkeiten, die in diesem Fragment enthalten sind und
nicht selten in aporetischer Weise beurteilt werden, ist es nicht immer
einfach, die Meinung herauszugreifen, die Theophrast selbst vertrat (ge-
wöhnlich in aller Kürze geäußert). Soweit wir verstehen können, scheint
Aristoteles’ Nachfolger, der seinerseits in der hellenistischen Zeit zur
Quelle für doxographische Angaben wurde, die vorsokratischen Lehren
zu bekämpfen, die in der Folgezeit positiv aufgenommen werden.
Die für die spätere Wahrnehmungslehre charakteristische Theorie der
Poren und Ausströmungen wird von Theophrast im Fall der übrigen Sin-
ne als ausreichend bewertet, im Fall des Tastsinnes und des Geschmacks-
sinnes allerdings entschieden zurückgewiesen: bei diesen Sinnen könne
man nicht von Ausströmungen oder dem Eindringen von Elementen in
den Leib ausgehen 14. Die Theorie, der zufolge die Ausströmungen durch
diese Öffnungen in die Sinnesorgane eindringen, verursacht eine Schwie-
rigkeit: man sollte entweder annehmen, dass sich in den Öffnungen selbst
manchmal das Leere befindet (was Empedokles nicht annehmen wollte),
oder dass die Sinnesorgane ständig in Betrieb sind (was der alltäglichen

_____________
12 Movia 1968, 66.
13 Der Text in Diels 1929, 497-527; Text mit Übersetzung in Stratton 1917, 66-151,
Erläuterung, 155-221; zu diesem Fragment, das bis jetzt nicht das Interesse erregt
zu haben scheint, das es verdient hätte, vgl. Baltussen 1992; Sedley 1992;
Baltussen 2000; Mansfeld 1996.
14 Vgl. De sens. 20: ʽȽȳ Ȯ Ƚ' ąȯȺ Ƚȷ ʱąȹȺȺȹȷ, ȴȫąȯȺ ȹ3ɀ ȴȫȷHȻ ȵȯȭ&ȶȯȷȹȷ
ąȯȺ ȶ ȷ Ƚ Ȼ ʵȵȵȫȻ *ȶɂȻ ʿȼȽȳ ąHȻ 2ąȹȵȫȬȯȷ, ąȯȺ Ȯ Ƚȷ ʲȿȷ ȴȫ ȭȯ8ȼȳȷ
ȹ3 .˥Ȯȳȹȷ. ąHȻ ȭ Ⱥ Ƚ ʱąȹȺȺȹ ȴȺȷɂȶȯȷ ˃ ąHȻ ȷȫȺȶ&ȽȽȹȷ ȽȹȻ ą&ȺȹȳȻ Ƚ'
ȽȺȫɀ1 ȴȫ Ƚ' ȵȯȹȷȆ
6 Einleitung

Erfahrung widerspricht) 15. Der überproportionierte Raum, welcher der


Theorie des Empedokles gewidmet wird (achtzehn Paragraphen, Platon
oder Anaxagoras nur ungefähr zehn), lässt sich durch das große Ansehen
erklären, welches dieser Vorsokratiker genoss, zum Teil auch durch den
Wunsch, ihn zu widerlegen. Tatsache ist allerdings, dass die zahlreichen
Informationen, die Theophrast in seine Schrift aufnimmt, in der Folge
dazu dienen, die Einwände wieder aufleben zu lassen, die Theophrast in
De sensibus widerlegt hatte. Ähnlich bei der Kritik an der Theorie der Bil-
der und der ʱąȹȽѠąɂȼȳȻ im Fall des Gesichtssinnes, auch wenn die Po-
lemik diesmal gegen Demokrit gerichtet ist: die Luft hat nicht die Festig-
keit, um einen eventuellen Abdruck bewahren zu können (noch die
hellenistische Philosophie – vor allem Epikur – musste sich mit solcher
Polemik auseinandersetzen 16).
Der in De sensibus für positiv befundene Ausgangspunkt ist in jedem
Fall die aristotelische Philosophie 17; das massive Eindringen platonischen
Materials (vor allem aus dem Timaios) kann nur auf den ersten Blick ver-
wundern. Im Fall des Gesichtssinnes hat der Eresier das Modell des Ti-
maios übernommen, und die Funktionsweise der Augen wird wie im plato-
nischen Text durch das feurige Element erklärt 18. Die Berührungspunkte
zwischen diesem Theophrast-Fragment und dem platonischen Dialog
treten im Kommentar Stratons zahlreich zutage, so dass wir schon beim
ersten Leiter des Peripatos ein massives Vorkommen anthropologischer
Themen, die dem Timaios entnommen sind, feststellen können, in der
späteren hellenistischen Zeit ein alles andere als seltenes Phänomen 19.

1.2. Dikaiarch und Aristoxenos


Theophrast blieb in seiner Position der Problemstellung treu, die vom
Schulgründer offen gelassen wurde und einen metaphysischen Ansatz der
_____________
15 Vgl. De sens. 13.
16 Vgl. De sens. 51 = DK 68 A 135, 50; zu einer ähnlichen Erklärung der Träume
vgl. DK 68 A 136-137: Ƚȹ1Ȼ )ȷȯȺȹȾȻ ȭȷȯȼȲȫȳ ȴȫȽ Ƚ Ȼ ȽHȷ ȯȮ@ȵɂȷ
ąȫȺȫȼȽ ȼȯȳȻ. Zu Epikur vgl. Epl. Hdt. 46-48; der Terminus ʱąȹȽ0ąɂȼȳȻ
entspricht dem Verb ȷȫąȹȼȿȺȫȭȰɂ bei Epikur (Epl. Hdt. 49).
17 Vgl. Moraux 1978, 283: »il est manifeste que Théophraste a voulu éclairer,
préciser, prolonger et compléter ce qu’avait fait Aristote«; ähnlich die Meinung
Barbotins (1954, passim).
18 Vgl. De sens. 18: Ƚȹ0ȽȹȳȻ Ȯ’ ȯ6ȵȹȭȹȷ Ƚȹ8Ƚ’ ȼɀ0ȯȳȷ Ƚ' ȹȴȯȹȷ ą8Ⱥ; vgl. auch § 5
und Tim. 45 b.
19 Vgl. Tim. 45 b und De sens. 5 (Stratton 1917, 160-161); Tim. 67 b und De sens. 6
(Stratton 1917, 162); Tim. 61 d-e und De sens. 83 (Stratton 1917, 203); Tim. 62 a-b
und De sens. 83 (Stratton 1917, 204); Tim. 64 c-e und De sens. 84 (Stratton 1917,
206); Tim. 67 b; 80 a-b und De sens. 85 (Stratton 1917, 210-211).
Die hellenistische Seelenlehre 7

Psychologie verfolgte, auch wenn er wohl nicht die allgemeine Orientie-


rung des Peripatos vertrat. Es scheint im Gegenteil wahrscheinlicher, dass
die Auffassung des Eresiers innerhalb der Schule alles in allem eine Ein-
zelerscheinung war. Im Peripatos lassen sich während der langen Schullei-
tung Theophrasts (323-288) die Spuren persönlicher Feindschaften erken-
nen, die vielleicht mit den eigentlichen wissenschaftlichen Fragen ver-
quickt wurden.
Die ›Gegenpartei‹, die dem Nachfolger des Aristoteles antagonistisch
gegenüber gestanden haben dürfte, können wir mit großer Wahr-
scheinlichkeit in zwei Mitschülern und vermutlich auch Zeitgenossen
Theophrasts (d.h. Dikaiarch und Aristoxenos) erkennen. Dass diese mit-
einander nicht nur in der späteren doxographischen Tradition verbunden
waren, können wir auch anhand der verbliebenen Zeugnisse feststellen:
zwischen beiden gibt es einen Briefwechsel – ob es einen wirklichen Aus-
tausch gab, oder ob sie lediglich dem jeweils anderen Schriften widmeten,
ist nicht eindeutig festzustellen 20. Zwischen Dikaiarch und Theophrast
entstand ein Streit über den Wert des kontemplativen Lebens, den Cicero
tanta controversia nannte 21.
Eine wenn auch spätere Nachricht informiert uns darüber, dass
Aristoxenos den sterbenden Aristoteles in einem Akt von 4ȬȺȳȻ beleidigt
hatte: dies sei dem Umstand geschuldet, dass Aristoteles Theophrast als
seinen Nachfolger und Leiter der Schule bestimmt hatte. Diese Angabe
wird von einer späteren Quelle überliefert und von der Forschung in
Zweifel gezogen: die Ernennung eines Nachfolgers sei nur im Rahmen
einer offiziell organisierten Institution möglich 22. Das stimmt an und für

_____________
20 Vgl. Dikaiarch fr. 8 d Wehrli (= fr. 15 Mirhady = Cic. Tusc. 1, 18, 41): Dicaearchum
vero cum Aristoxeno aequali et condiscipulo suo, doctos sane homines, omittamus…; vgl. 70
Wehrli (= 11 b Mirhady = Cic. Att. 13, 32, 2): Dicaearchi ąȯȺ ɁȾɀȻ utrosque velim
mittas et ȴȫȽȫȬ ȼȯɂȻ. ȣȺȳąȹȵȳȽȳȴ'ȷ non invenio et epistulam eius, quam ad Aristoxenum
misit.
21 Vgl. fr. 25 Wehrli (= fr. 33 Mirhady = Cic. Att. 2, 16, 3): nunc prorsus hoc statui ut
quoniam tanta controversia est Dicaearcho familiari tuo cum Theophrasto amico meo, ut ille
tuus Ƚ'ȷ ąȺȫȴȽȳȴ'ȷ Ȭȹȷ longe omnibus anteponat, hic autem Ƚ'ȷ ȲȯɂȺȱȽȳȴџȷ, utrique a
me mos gestus esse videatur. Zu dieser Streitgkeit vgl. Huby 2001.
22 Vgl. Aristoxenos, fr. 1 Wehrli (= Suidas I, p. 357, 10ff. Adler): ȯȻ +ȷ
ʱąȹȲȫȷ&ȷȽȫ 4ȬȺȳȼȯ, ȮȳџȽȳ ȴȫȽɃȵȳąȯ ȽȻ ȼɀȹȵȻ Ȯȳ Ȯȹɀȹȷ șȯ&ȿȺȫȼȽȹȷ, ȫ3Ƚȹ8
Ȯџȸȫȷ ȶȯȭ ȵȱȷ ȷ ȽȹȻ ʱȴȺȹȫȽȫȻ ȽȹȻ ϮȺȳȼȽȹȽ ȵȹȾȻ ʿɀȹȷȽȹȻ. Vermutet wurde
auch, Aristoteles habe einen Nachfolger nicht offiziell bestimmt; es bleibt
allerdings wahrscheinlich, dass der Philosoph eine Präferenz geäußert hatte (vgl.
hierzu Dorandi 1998, 34).Vgl. z.B. Natali 1991, 173: »la notizia è molto dubbia,
perché presuppone l’esistenza di una scuola filosofica organizzata già alla morte
di Aristotele«; Visconti 1999, 16.
8 Einleitung

sich nicht: ein wenn auch inoffizieller Leiter kann nicht gefehlt haben, und
in der Tat »nessuno degli studiosi che si sono occupati di Aristosseno
nutre dubbi sulla fondatezza della notizia circa l’aspirazione del tarantino
alla direzione del Liceo« 23. Dass die Hegemonie im Inneren der Schule viel
mehr eine zugleich persönliche und kulturelle als institutionelle Rolle war,
ändert nichts an den tatsächlich bestehenden Ambitionen des Aristoxe-
nos. Andererseits wurde (diesmal zu Recht) bemerkt, die Spannung zwi-
schen Aristoxenos und Aristoteles sei »un episodio circoscritto, una reazi-
one immediata« 24. Denn, als Aristoteles im Sterbebett lag (ich würde den
Text lieber so verstehen als »schon verstorben« 25), und auch schon früher,
d.h. vor der Bestimmung eines Nachfolgers, wäre ein Streit für das Errei-
chen des erstrebten Zieles kontraproduktiv gewesen. Die ganze Nachricht
sei entstanden »intorno ad un effettivo allontanamento di Aristosseno dal
Liceo, determinato da cause non meglio precisabili« 26; aber diese Hypo-
these ersetzt eine – wenn auch unsichere – überlieferte Angabe durch eine
noch unsicherere Konjektur, die durch ›nicht genauer bestimmbare Ursa-
chen‹ erklärt wird. Problematisch bleibt ohnehin die Antwort auf die Fra-
ge, warum eine Abwendung von Aristoxenos auf persönlichen und wis-
senschaftlichen Spannungen beruhen muss. Diese Beleidigung, die
aufgrund des Aorists als punktuelle Handlung aufgefasst werden sollte,
lässt sich einfacher als ein Zornausbruch des Musikers aus Tarent inter-
pretieren, verursacht durch die erlebte Enttäuschung; diese hat die Span-
nung zwischen Aristoxenos und dem neuen Schulleiter vielleicht nicht
verursacht, aber sicher verschlimmert.
Ein weiteres Zeugnis dürfte aus zwei Gründen die Hypothese stützen,
der zufolge im Peripatos während der Schulleitung des ersten Nachfolgers
starke Spannungen bestanden: in seinem Testament gibt Theophrast zu
verstehen, dass diejenigen, die sich in der Schule aufhalten, sich wie »Fa-
milienangehörige und Freunde« verhalten müssen – d.h. die Beziehungen
waren nicht immer familiär und freundschaftlich 27. Zum zweiten steht
vielleicht die Entscheidung, »alle Bücher« Neleus von Skepsis zu überlas-
sen, mit dem Wunsch in Zusammenhang, diesen – wenn auch unbürokra-
tisch – als seinen Nachfolger zu bestimmen und sich gewaltsam einer
_____________
23 Visconti 1999, 16.
24 Visconti 1999, 17. Der Aorist scheint die kurze Dauer der Episode zeigen.
25 Anders interpretiert Visconti 1999, 11: »insultò quest’ultimo una volta morto«;
17: »insulta Aristotele morto«.
26 Visconti 1999, 18.
27 Diog. Laert. 5, 53 p. 346, 15ff. Marcovich (= Strato fr. 6 Wehrli): ȶɄȽ’
ȸȫȵȵȹȽȺȳȹ8ȼȳ ȶɄȽ’ ȸȳȮȳȫȰȹȶɃȷȹȾ ȶȱȮȯȷџȻ, ʱȵȵ’ BȻ ʳȷ ȯȺ'ȷ ȴȹȳȷ
ȴȯȴȽȱȶɃȷȹȳȻ, ȴȫ Ƚ ąȺ'Ȼ ʱȵȵɄȵȹȾȻ ȹȴȯɅɂȻ ȴȫ ȿȳȵȳȴHȻ ɀȺɂȶɃȷȹȳȻ, DȼąȯȺ
ąȺȹȼȴȹȷ ȴȫ ȮɅȴȫȳȹȷ.
Die hellenistische Seelenlehre 9

mehrheitlichen, aber ihm unerwünschten Strömung im Inneren der Schule


zu widersetzen 28.
Anders gesagt, könnte die ›psychologische Wende‹ des Peripatos, die
wir bei Straton bemerken, statt einer wirklichen Neuerung das Überwie-
gen einer schon existierenden Strömung innerhalb der Schule sein, die von
Dikaiarch und Aristoxenos vertreten wurde. Dass Straton Nachfolger
wurde, könnte die Entscheidung des Neleus beeinflusst haben, die Schule
zu verlassen und in die Heimat (d.h. die Troas) zu reisen und die Bücher
mitzunehmen. Auch die Zustimmung Stratons gegenüber dieser ›Splitter-
gruppe‹, die keine besonders guten Beziehungen zu Theophrast hatte,
könnte durch eine biographische Gegebenheit bestätigt werden, d.h.
durch die Entscheidung des Physikers, die Schule von Athen zu verlassen
und nach Alexandria zu reisen; er sei nach Athen zurückgereist, als der
schon betagte Theophrast die Fähigkeit verloren hatte, die Schule wirklich
zu leiten.
Die geringe Zahl und die Unsicherheit der Zeugnisse raten davon ab,
bei der Rekonstruktion der Geschichte des Peripatos vor und nach dem
Tod des Theophrast Einzelheiten bestimmen zu wollen. Aber man sollte
festhalten, dass die Reflexion im Bereich der Seelenlehre in der Zeit zwi-
schen dem Tod Theophrasts und Alexander von Aphrodisia alles andere
als erloschen ist 29; Tatsache ist auch, dass eine neue, von der aristoteli-
schen und platonischen Tradition unabhängige Lehre im Bereich der Psy-
chologie in Erscheinung tritt.
Bei diesen Schülern des Aristoteles fällt zuerst auf, dass sie nicht auf
die Werke des Gründers des Peripatos Bezug nehmen; im Falle von Di-
kaiarch und Aristoxenos findet sich in den verbliebenen Fragmenten kein

_____________
28 Sehr bekannt ist die Stelle bei Diogenes Laertios 5, 52 p. 346, 10 Marcovich: Ƚ
Ȯ ȬȬȵȳȫ ą ȷȽȫ Ȟȱȵȯ; vgl. Strab. 13, 1, 54; Athen. 1, 4, 3 a-b; zu diesen Stellen
vgl. v. Arnim 1928, 105: »Es scheint, daß Theophrast die Wahl seines
Nachfolgers zwar den zehn Teilhabern des Grundstücksbesitzes freiließ, wie es
später auch Lycon getan hat… daß er aber die Wahl des Neleus, seines ältesten,
noch von Aristoteles übernommenen Schülers, erwartete und wünschte und
durch die Hinterlassung der Bibliothek an ihn gewissermaßen präjudizieren
wollte«; vorsichtiger ist Wehrli 1950, 46: »Theophrast hatte wahrscheinlich nicht
Str.s Wahl zum Nachfolger erwartet, sondern die des Neleus, der seine Bücher
erbte… Str.s Scholarchat bedeutete einen Kurswechsel, den Theophrast nicht
wünschen konnte«; Moraux schließt allerdings den Wunsch Theophrasts aus, die
Nachfolge zu beeinflussen: vgl. Moraux 1973, 12: »Neleus allein bekommt die
Bibliothek, wahrscheinlich weil Theophrast ihn schon als den dritten Scholarchen
des Lykeion betrachtete. Theophrast hatte sich aber verrechnet«.
29 Vgl. Movia 1968, 71 zu den Meinungen der Forscher, welche annahmen, die
Psychologie sei in diesem Zeitraum ausgestorben.
10 Einleitung

Zitat aus den Werken des Philosophen; dies ist alles andere als selbstver-
ständlich, hielten sich diese Denker doch für Erben des Aristoteles. Die
Ursache hierfür wurde schon in der Antike durch den Umstand erklärt,
dass die von Neleus mitgenommenen Werke des Aristoteles in einem
Keller in Skepsis verborgen geblieben seien 30. Diese Erklärung wurde
allerdings von P. Moraux in Zweifel gezogen: nach diesem Forscher sollte
man außer den drei Orten, an denen sich die Werke des Aristoteles befan-
den (d.h. Skepsis, Alexandria und Rhodos), auch an Athen denken, denn
es sei nicht vorstellbar, dass der Peripatos nicht über die Schriften des
Gründers verfügt habe 31. Im Falle von Dikaiarch und Aristoxenos sollte
man ohnehin neben dem persönlichen Kontakt mit Aristoteles auch die
Kenntnis der Werke des Stagiriten in der Periode vor Theophrasts Tod
annehmen: die Abwesenheit jeglichen Zitates in den Fragmenten der bei-
den Schüler kann als bewusste Entscheidung gelten.
Eine Stellungnahme zur Verfügbarkeit des ganzen aristotelischen
Corpus in Athen ist zweifellos gewagt, vor allem von mir; wir können uns
auf die Feststellung Morauxs beschränken: »dans les deux siècles qui suivi-
rent la mort de Théophraste, les maigres restes de la littérature philo-
sophique péripatéticienne ne présentent aucune trace de l’utilisation du De
anima, et on peut supposer que l’ouvrage ne fut guère lu avant la renais-
sance de l’aristotélisme sous Andronicus« 32.

_____________
30 Vgl. z.B. Plut. Sulla 26, 3: ȹ Ȯ ąȺȯȼȬѠȽȯȺȹȳ ȡȯȺȳąȫȽȱȽȳȴȹ ȿȫɅȷȹȷȽȫȳ ȶ ȷ ȴȫȲ’
ʼȫȾȽȹ1Ȼ ȭȯȷџȶȯȷȹȳ ɀȫȺɅȯȷȽȯȻ ȴȫ ȿȳȵȹȵџȭȹȳ, ȽHȷ Ȯ ϮȺȳȼȽȹȽɃȵȹȾȻ ȴȫ
șȯȹȿȺȪȼȽȹȾ ȭȺȫȶȶȪȽɂȷ ȹ6Ƚȯ ąȹȵȵȹȻ ȹ6ȽP ʱȴȺȳȬHȻ ȷȽȯȽȾɀȱȴџȽȯȻ Ȯȳ Ƚ'
Ƚ'ȷ ȞȱȵɃɂȻ Ƚȹ8 ȢȴȱɁɅȹȾ ȴȵȺȹȷ, ˠ Ƚ ȬȳȬȵɅȫ ȴȫȽɃȵȳąȯ șȯџȿȺȫȼȽȹȻ, ȯȻ
ʱȿȳȵȹȽɅȶȹȾȻ ȴȫ ȮȳѡȽȫȻ ʱȷȲȺѡąȹȾȻ ąȯȺȳȭȯȷɃȼȲȫȳ; Strabo 13, 1, 54: ȼȾȷɃȬȱ Ȯ
ȽȹȻ ȴ ȽHȷ ąȯȺȳąȪȽɂȷ ȽȹȻ ȶ ȷ ąȪȵȫȳ ȽȹȻ ȶȯȽ șȯџȿȺȫȼȽȹȷ ȹ3ȴ ʿɀȹȾȼȳȷ
*ȵɂȻ Ƚ ȬȳȬȵɅȫ ąȵȷ )ȵɅȭɂȷ, ȴȫ ȶȪȵȳȼȽȫ ȽHȷ ȸɂȽȯȺȳȴHȷ, ȶȱȮ ȷ ʿɀȯȳȷ
ȿȳȵȹȼȹȿȯȷ ąȺȫȭȶȫȽȳȴHȻ, ʱȵȵ ȲɃȼȯȳȻ ȵȱȴȾȲɅȰȯȳȷ. Vgl. hierzu Moraux 1973, 24:
Philosophie ist also nach der Quelle Plutarchs die beständige Interpretation der
Texte des Meisters, kein originelles theoretisches Streben; vgl. Gottschalk 1987,
1088: »Strabo’s claim looks like a fiction invented to support his explanation of
the decline and recovery of Aristotle’s school… everything points to Tyrannio as
its originator and as the source of Strabo’s account«.
31 Vgl. Moraux 1973, 15: »ein halbes Jahrhundert nach Aristoteles’ Tod gab es also
in der griechischen Welt mindestens vier Städte, die Lehrschriften des
Philosophen besaßen: Skepsis in der Troas, Alexandrien, Rhodos… und sicher
auch Athen, denn es wäre völlig unvorstellbar, dass nach Neleus’ Weggang der
Peripatos überhaupt keine Kopien der wichtigsten Werke des Aristoteles mehr
besessen hätte«; zu den Wechselfällen, denen die Werke des Aristoteles ausgesetzt
waren, vgl. auch Gottschalk 1987, 1083ff.
32 Moraux 1978, 284.
Die hellenistische Seelenlehre 11

Die Leitlinien der hellenistischen Seelenlehre sind bereits definiert, als


sie kurz nach (oder während) der Schulleitung Theophrasts das erste Mal
in Erscheinung tritt, d.h. bei Dikaiarch und Aristoxenos. Die Angabe von
Tertullian-Soranos (T 12) ordnet Dikaiarch denjenigen zu, die abstulerunt
principale, d.h. das Vorhandensein eines leitenden Vermögens in der Seele
ablehnten. Aber die von ihm behauptete Theorie dürfte eine weitere Be-
deutung haben:
Cic. Tusc. 1, 10, 21 (= Dikaiarch fr. 7 Wehrli = fr. 19 Mirhady): Dicaearchus au-
tem in eo sermone, quem Corinthi habitum tribus libris exponit, doctorum
hominum disputantium primo libro multos loquentes facit; duobus Pherecraten
quendam Phthiotam senem, quem ait a Deucalione ortum, disserentem inducit,
nihil esse omnino animum et hoc esse nomen totum inane frustraque animalia et
animantes appellari, neque in homine inesse animum vel animam nec in bestia,
vimque omnem eam, qua vel agamus quid vel sentiamus, in omnibus corporibus
vivis aequabiliter esse fusam nec separabilem a corpore esse, quippe quae nulla
sit, nec sit quicquam nisi corpus unum et simplex, ita figuratum, ut temperatione
naturae vigeat et sentiat 33.
In einem Dialog in drei Büchern, dessen Struktur an die ȴȹȺȳȷȲȳȫȴȹ ȵџȭȹȳ
erinnert, und danach in einem späteren, in Mytilene angesiedelten (d.h. in
den ȵȯȼȬȳȫȴȹ ȵџȭȹȳ, qui Lesbiaci vocantur: es ist unklar, ob dieses Werk eine
Abteilung von ąȯȺ ɁȾɀȻ ist, dessen Titel von Plutarch zitiert wird). hatte
Dikaiarch eine sehr kritische Position zur Lehre der Unsterblichkeit der
Seele eingenommen: acerrume autem deliciae meae Dicaearchus contra hanc immor-
talitatem disseruit 34. Diese Zeugnisse wurden als »eliminativistic dossier«
bezeichnet 35; hier sollte man allerdings vorsichtig sein, weil die Zeugnisse
verändert worden sein könnten 36. Die Ablehnung der Existenz der Seele
_____________
33 Bemerkenswert ist die doxographische Quelle dieser Angaben: sie ist dieselbe wie
die zu Aristoxenos in § 19: vgl. 1, 11, 22: nisi quae me forte fugiunt, h a e c s u n t d e
a n i m o s e n t e n t i a e ; sie war zeitlich nicht so weit von diesen zwei Autoren
entfernt: vgl. 1, 10, 19: proxime autem Aristoxenus… die Stelle dürfte auf die
ȴȹȺȳȷȲȳȫȴȹ ȵџȭȹȳ anspielen: vgl. Wehrli 1944, 44ff.; Movia 1968, 72ff. Cicero
hatte ohnehin ąȯȺ ɁȾɀȻ direkt gelesen: vgl. fr. 17 c Wehrli (= Cic. Att. 13, 33,
2): Dicaearchi ąȯȺ ɁȾɀȻ accepi et ȴȫȽȫȬ ȼȯɂȻ exspecto.
34 Vgl. fr. 9 Wehrli (= fr. 27 Mirhady = Cic. Tusc. 1, 31, 77). Es ist fraglich, ob die
Dialoge von Lesbos und Korinth zwei Abteilungen desselben Werkes sind, oder
zwei verschiedene, mit derselben Titelangabe bezeichnete Werke (vgl. Movia
1968, 77). Sollte man in den Dialogen von Lesbos eine Polemik gegen
Theophrast erkennen? Zeugt die dialogische Form von einer polemischen
Haltung gegenüber Platon (so Movia 1968, 84)?
35 Vgl. Sharples 2001, 148ff.; zu ähnlichen Zeugnissen vgl. fr. 8 b Wehrli (= fr. 19
Mirhady = Sext. Pyrrh. Hyp. 2, 31).
36 Vgl. fr. 8 a Wehrli (= fr. 24 Mirhady = Sext. Adv. Mat. 7, 348-349):
Kontamination mit der stoischen Lehre des Ƚ' ąHȻ ʿɀȹȷ ȼHȶȫ; ich bin
12 Einleitung

würde nicht zur Definition der Seele als Harmonia passen: die Textpassa-
ge ist vielleicht als Ablehnung einer unabhängigen Existenz der Seele zu
interpretieren, die also eine reine Körperfunktion wäre.
Zahlreich sind auch die Belege für die Seele als Harmonia des körper-
lichen Leibes (alle werden in der Doxographie überliefert):
Nemesios, De nat. hom. 2, p. 17, 1ff. Morani (= fr. 11 Wehrli = fr. 21 a Mirha-
dy): ȕȳȴȫȫȺɀȹȻ Ȯ ʲȺȶȹȷɅȫȷ ȽHȷ ȽȯȼȼȪȺɂȷ ȼȽȹȳɀȯɅɂȷ (scil. Ƚȷ ɁȾɀȷ ȯȷȫȳ),
ʱȷȽ Ƚȹ8 ȴȺ˦ȼȳȷ ȴȫ ȼȾȶȿɂȷɅȫȷ ȽHȷ ȼȽȹȳɀȯɅɂȷ· ȹ3 ȭ Ⱥ Ƚȷ ȴ ȽHȷ
ȿȲџȭȭɂȷ ȼȾȷȳȼȽȫȶɃȷȱȷ, ʱȵȵ Ƚȷ ȷ ȽN ȼѡȶȫȽȳ ȲȯȺȶHȷ ȴȫ ɁȾɀȺHȷ ȴȫ
2ȭȺHȷ ȴȫ ȸȱȺHȷ ȷȫȺȶџȷȳȹȷ ȴȺ˦ȼȳȷ ȴȫ ȼȾȶȿɂȷɅȫȷ ȬȹѠȵȯȽȫȳ ȵɃȭȯȳȷ. ȕȵȹȷ
Ȯ *Ƚȳ ȴȫ Ƚȹ0Ƚɂȷ ȹ ȶ ȷ ʵȵȵȹȳ Ƚȷ ɁȾɀȷ ȹ3ȼȫȷ ȯȷȫȳ ȵ ȭȹȾȼȳ.
ϮȺȳȼȽȹȽ ȵȱȻ Ȯ ȴȫ ȕȳȴȫȫȺɀȹȻ ʱȷȹ0ȼȳȹȻ.
Ps.-Plut. De placitis philos. 4, 2, 5, 898 b – c (= fr. 12 a Wehrli): ȕȳȴȫȫȺɀȹȻ
ʲȺȶȹȷɅȫȷ ȽHȷ ȽȯȼȼȪȺɂȷ ȼȽȹȳɀȯɅɂȷ (scil. Ƚȷ ɁȾɀȷ ȯȷȫȳ) 37.
Alles, was wir über Aristoxenos in Erfahrung bringen können, stammt aus
lateinischen Quellen, die auf Cicero zurückzuführen sind:
Cic. Tusc. 1, 11, 24 (= Aristoxenos, fr. 119 Wehrli): si est Aristoxeni harmonia
(scil. animus) dissolvetur 38.
Cic. Tusc. 1, 10, 19 (= Aristoxenos, fr. 120 Wehrli): Aristoxenus musicus idemque
philosophus ipsius corporis intentionem quandam (scil. animam esse dixit) velut
in cantu et fidibus quae harmonia dicitur, sic ex corporis totius natura et figura
varios motus cieri tamquam in cantu sonos 39.
Cic. Tusc. 1, 18, 41 (= Dikaiarch, fr. 8 d Wehrli = Aristoxenos, fr. 120 b Wehrli):
Dicaearchum vero cum Aristoxeno aequali et condiscipulo suo, doctos sane
homines, omittamus, quorum alter ne condoluisse quidem umquam videtur, qui
animam se habere non sentiat, alter ita delectatur suis cantibus…40.
Bei diesen Zeugnissen stellt sich erneut die Frage nach einer eventuellen
Kontamination mit der Lehre Dikaiarchs. Es wurde erstens bemerkt, dass
Cicero den für Aristoxenos sicher nachgewiesenen Gräzismus Harmonia
nie auf die Lehre Dikaiarchs anwendet: »that is to say, Dicaearchus may
have formulated a theory of the soul, or of life, as the arrangement of the
body, and Aristoxenus, whose specifically musical interests are much bet-
ter attested, may have borrowed the theory and applied the term “har-
_____________
allerdings skeptisch gegenüber der von Movia behaupteten Kontamination mit
stratonianischen Materialien (vgl. Movia 1968, 73 und das oben zitierte fr. 7
Wehrli).
37 In engem Zusammenhang mit dieser doxographischen Tradition stehen die
übrigen Quellen: Stobaios 1, 49, 1 a (I, p. 318, 19ff. Wachsmuth); Theodor. Graec.
aff. cur. 5, 18; Herm. Irris. 2, in Diels 1929, 651.
38 Vgl. Movia 1968, 85.
39 Vgl. ebd.
40 Die übrigen Zeugnisse stammen von Laktanz (Instit. 7, 13; De opif. 16), der aber
offensichtlich von Cicero abhängig ist.
Die hellenistische Seelenlehre 13

mony” to it« (dies scheint vorauszusetzen, dass Dikaiarchs Tätigkeit früher


anzusetzen ist) 41. Zweitens wurde bemerkt, dass die von Nemesios über-
lieferte Stelle und die übrige Doxographie im Fall der Elemente, aus denen
sich die Harmonia der Seele ergibt, nicht übereinstimmen: es könnte sich
um Wasser, Luft, Erde und Feuer handeln, wie man aus fr. 12 a Wehrli
schließen könnte, aber auch um die vier Ureigenschaften (Hitze, Kälte,
Feuchtigkeit und Trockenheit), die von Nemesios in Übereinstimmung
mit dem platonischen Text erwähnt werden (Phaed. 86 b 9). Zudem, wie
bemerkt wurde, könnte sich die Harmonia des Aristoxenos weniger durch
die vier stofflichen Elemente ergeben als vielmehr durch die verschiede-
nen Organe, aus denen der Leib besteht 42.
Die erste Frage lässt eine einfache, lexikalische Lösung zu: der Termi-
nus temperatio, mit dem Cicero den von Dikaiarch behaupteten Einklang
definiert (fr. 7 Wehrli), stimmt genau mit der Harmonia überein, wie wir
aus einer Textpassage desselben Werkes schließen können: ut enim corpo-
ris temperatio cum ea congruunt inter se e quibus constamus, sanitas, sic animi
dicitur cum eius iudicia opinionesque concordant 43. Was die Benutzung des termi-
nus technicus der Musikwissenschaft in Bezug auf die Ausgewogenheit der
Komponenten des Leibes anbelangt, so scheint es unmöglich, einen signi-
fikanten Unterschied zwischen Dikaiarch und Aristoxenos auszumachen.
Andererseits lässt sich durch die Fragmente nachweisen (frr. 73-89 Wehr-
li, ąȯȺ ȶȹȾȼȳȴHȷ ʱȭѡȷɂȷ), dass auch Dikaiarch sich für die Musik inte-
ressierte, und schon Movia hatte die Aufmerksamkeit auf die Zuverlässig-
keit des Terminus temperatio als Synonym für Harmonia gelenkt 44. Wegen
des fragmentarischen und unsicheren Zustandes der Textzeugnisse ist eine
Osmose zwischen Dikaiarch und Aristoxenos zu deren Lebzeiten wahr-
scheinlicher als eine Kontamination der Lehren nach ihrem Tod. Das
Geburtsjahr Dikaiarchs schwankt zwischen 365 und 355, das des Aristo-
xenos lässt sich auf ca. 375 festlegen 45; die beiden waren, wie schon ge-
sagt, sowohl durch eine Kooperation innerhalb der Schule als auch durch
einen Schriftwechsel miteinander verbunden; es scheint also unwahr-
scheinlich, eine Projektion der Lehre des ersten auf den zweiten post mor-

_____________
41 Vgl. Sharples 2001, 146-147; Gottschalk 1971, 186-187; .
42 Zur Annahme einer späteren Kontamination mit dem Text Platons tendieren
Gottschalk 1971, 183; Sharples 2001, 147; besonders für Gottschalk wäre die
Harmonia das Resultat eines reibungslosen Zusammenspiels der verschiedenen
aufeinander abgestimmten Organe. Hierzu vgl. auch Rohde 1925, II, 170.
43 Cic. Tusc. 4, 13, 30.
44 Vgl. Movia 1968, 74.
45 Vgl. Wehrli-Wöhrle-Zhmud in Flashar (Hg.) 2004, 568; 576.
14 Einleitung

tem anzunehmen, eine Interaktion zu deren Lebzeiten scheint die einfache-


re Lösung zu sein.
Komplizierter ist das zweite Problem, d.h. die Komponenten zu iden-
tifizieren, welche die Harmonia bilden, und gegebenenfalls zu bestimmen,
ob sie mit den gegensätzlichen Ureigenschaften, die im Phaidon erwähnt
werden, kontaminiert wurden (d.h. Hitze, Kälte, Feuchtigkeit und Tro-
ckenheit). Diese Identifikation ist nur bei Nemesios zu finden: er war ein
Leser, der Bücher verschlang, könnte also die Angaben des platonischen
Textes und die ursprüngliche Lehre Dikaiarchs übereinandergelegt haben
(so Gottschalk und Sharples). Auch in diesem Fall ist eine definitive Stel-
lungnahme aus Mangel an Beweisen unmöglich; eine kurze Andeutung des
Aristoteles im Rahmen einer Polemik gegen die Seele als Harmonie dürfte
die Vorstellung befördern, dass sich der Einklang zwischen den gegensätz-
lichen Ureigenschaften und nicht zwischen den vier stofflichen Elementen
einstellt (An. 407 b 27ff.: ȴȫ ȭ Ⱥ Ƚȷ ʲȺȶȹȷɅȫȷ ȴȺ˦ȼȳȷ ȴȫ ȼ0ȷȲȯȼȷ
Ƚȳȷȫ ȷȫȷȽɂȷ ȯȷȫȳ, ȴȫ Ƚ' ȼHȶȫ ȼȾȭȴȯȼȲȫȳ ȸ ȷȫȷȽɂȷ). Die Defini-
tion der Harmonia als Einklang zwischen ȷȫȷȽȫ sollte von der Identifi-
kation mit Wasser, Luft, Erde und Feuer abraten; sie kann auch die Ver-
mutung entkräften, die Harmonia sei eine aufeinander abgestimmte
Funktionsweise der Organe des Körpers 46. Andererseits scheint eine po-
lemische Bezugnahme der zwei Aristotelesschüler auf den Text Platons
alles andere als unwahrscheinlich, so dass manche Forscher dies anneh-
men 47. Aber nichts kann uns Gewissheit verschaffen, dass die Lehre, ge-
gen die Aristoteles polemisierte, wirklich mit derjenigen von Aristoxenos
und Dikaiarch übereinstimmt; es ist also umsichtiger, diese Frage offen zu
lassen.
Nicht einfacher zu bestimmen ist der historische Ursprung der Lehre
von der Seele als Harmonia: sind die Schüler des Aristoteles die ersten, die
die Harmonia in einem materialistischen und ›epiphänomenistischen‹ Sin-
ne auffassen? Den ersten schriftlichen Beleg bietet die Passage Phaed. 85 e
3 – 86 b 5 bei Platon, allerdings ist mit dieser Stelle ein kompliziertes ex-
egetisches Problem verbunden: wie konnte Platon einem Pythagoreer (d.h.
dem Simmias) eine Lehre in den Mund legen, die in derart hohem Grad
der Metempsychose widerspricht 48? Da diese Lehre in den Quellen zuvor
nicht zu finden ist, kam Gottschalk zu einer radikalen Schlussfolgerung: die

_____________
46 Themistios, In Arist. De an. 24, 13 (= Arist. Eud. fr. 7 Ross), hatte diese ȷȫȷȽȫ
mit Hitze, Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit identifiziert; in diesem Fall dürfte
es sich um eine wirkliche Kontamination mit dem Phaidon handeln.
47 Vgl. z.B. Movia 1968, 84.
48 Die Erklärung von Wehrli (1945, 85), in der Antike habe es eine »aufgeklärt-
wissenschaftliche Richtung« des Pythagoreismus gegeben, überzeugt nicht.
Die hellenistische Seelenlehre 15

Lehre von der Seele als Einklang verschiedener Elemente sei von Platon
erfunden worden 49. Dagegen spricht allerdings die Tatsache, dass Aristo-
teles äußert, die Lehre von der Seele als Harmonia sei zu seiner Zeit sehr
verbreitet und zumeist in sich gegliedert:
Arist. Pol. 1340 b 18-19: Ȯȳ' ąȹȵȵȹ ȿȫȼȳ ȽHȷ ȼȹȿHȷ ȹ ȶ ȷ ʲȺȶȹȷȫȷ ȯȷȫȳ
Ƚȷ ɁȾɀɄȷ, ȹ Ȯȃ ʿɀȯȳȷ ʲȺȶȹȷȫȷ.
Arist. An. 1, 4, 407 b 27ff.: ȴȫ ʵȵȵȱ ȮɃ ȽȳȻ Ȯџȸȫ ąȫȺȫȮ ȮȹȽȫȳ ąȯȺ ɁȾɀȻ,
ąȳȲȫȷ ȶ ȷ ȽȹȻ ąȹȵȵȹȻ ȹ3Ȯȯȶȳ˦Ȼ ˈȽȽȹȷ ȽHȷ ȵȯȭȹȶɃȷɂȷ, ȵџȭȹȷ ȮP DȼąȯȺ
ȯ3Ȳ0ȷȹȳȻ ȮȯȮɂȴȾȫ ȴʱȷ ȽȹȻ ȷ ȴȹȳȷN ȭȳȷȹȶ ȷȹȳȻ ȵџȭȹȳȻ. ʲȺȶȹȷɅȫȷ ȭ Ⱥ Ƚȳȷȫ
ȫ3Ƚȷ ȵɃȭȹȾȼȳȊ ȴȫ ȭ Ⱥ Ƚȷ ʲȺȶȹȷȫȷ ȴȺ˦ȼȳȷ ȴȫ ȼ0ȷȲȯȼȳȷ ȷȫȷȽɂȷ ȯȷȫȳ
ȴȫ Ƚ' ȼHȶȫ ȼȾȭȴȯȼȲȫȳ ȸ ȷȫȷȽɂȷ.
Cic. Tusc. 1, 10, 19 (= fr. 120 a Wehrli): reliqua fere singuli, ut multi ante veteres,
proxime autem Aristoxenus, musicus idemque philosophus, ipsius corporis inten-
tionem quandam velut in cantu et fidibus quae harmonia dicitur 50.
Gottschalk erkennt, dass sich aus den oben angegebenen Stellen eine
wirkliche Schwierigkeit ergibt 51, interpretiert allerdings die ȷ ȴȹȳȷN
ȭȳȷџȶȯȷȹȳ ȵџȭȹȳ als Diskussionen zwischen den Mitgliedern der Akade-
mie, die das Argument Platons zu ernst genommen und somit missver-
standen hätten. Es wäre allerdings besser, den Ausdruck mit Simplikios
und Bernays als eine Bezugnahme auf den Eudemos des Aristoteles zu
interpretieren, in dessen Fragmenten eine Widerlegung der Harmonia
enthalten ist 52; das Vorhandensein einer solchen Diskussion in einem
veröffentlichten Werk kann nur eine große Verbreitung außerhalb der
Schule voraussetzen, d.h. dass die Lehre auch vor Platon existierte. Erneut
ist hier aufgrund des Mangels an Belegen und der Unklarheit der Zeugnis-
se Vorsicht geboten. Vor allem an dieser Stelle scheint es zweckmäßig, für
die Zeit vor Platon die Harmonia-Lehre vom ›epiphänomenistischen‹
Verständnis dieser Theorie zu unterscheiden, das sich vielleicht erst später
_____________
49 Bereits vor Gottschalk hatte Rohde als erster seine Bestürzung geäußert: (vgl.
Rohde 1925, 169ff.): »es ist schwer verständlich, wie mit dieser Vorstellung der
altpythagoreische Glaubenssatz von der als selbständiges Wesen im Leibe
wohnenden und diesen überdauernden, ja ewig lebenden Seele vereinigt werden
konnte … aber freilich derselbe Philolaos, der die Seele als Harmonie ihres
Körpers kennt, redet auch von den Seelen als selbständigen und unvergänglichen
Wesen. Man kann im Zweifel sein, ob sich diese unvereinbaren Aussagen eines
und desselben Mannes überhaupt auf den gleichen Gegenstand beziehen«;
zugunsten einer platonischen Erfindung Gottschalk 1971, 190-196; Trabattoni
1988, 55.
50 Die Quelle ist doxographisch und alt: proxime autem in Bezug auf einen Schüler
des Aristoteles ergibt im Falle Ciceros keinen Sinn.
51 Gottschalk 1971, 195: »this is a serious difficulty«.
52 Vgl. Simpl. In de an. p. 53, 1 Hayduck; Bernays 1863, 15-29; Arist. Eudemos, fr. 7
Ross.
16 Einleitung

entwickelte. Mit anderen Worten könnte sich die Harmonia-Theorie im


pythagoreischen Milieu gebildet haben (auf dieses führen sie zahlreiche,
wenn auch spätere Quellen zurück 53); sie könnte aber im Laufe der Zeit
eine neue materialistische Bedeutung erhalten haben. Diese Deutung dürf-
te diejenige sein, die Platon bekämpfte (es ist allerdings unklar, ob er sie
als Negativbeispiel selbst aufgebracht hatte oder ob sie auf andere zurück-
geht) und auf die Dikaiarch und Aristoxenos Bezug nehmen (in den oben
abgedruckten Zeilen gibt Aristoteles keinen Hinweis auf Vorstellungen,
wie sie Simmias äußerte) 54. Auch in diesem Fall stellt sich die Frage, ob die
Schüler des Aristoteles bewusst auf den platonischen Text Bezug nahmen;
zudem bleibt im Dunkel, ob es ihr Ziel war, zu stützen, was dort be-
kämpft wird, oder ob sie sich auf Meinungen berufen, die zu Platons Zeit
bereits existierten und gegen die dieser argumentierte 55.
Die Bewertung dieser Neuerung gegenüber Platon, die eventuell von
den Schülern des Aristoteles eingeführt wurde, ist eng mit der Aristoteles-
exegese verbunden. Was das Verhältnis zu den Texten der Philosophen
betrifft, so spricht kein chronologisches Argument dagegen, dass Dikai-
arch und Aristoxenos außer Phaidon und Eudemos auch das letzte Werk der
attischen Blütezeit (d.h. De anima) kannten. Für moderne Interpreten
bleibt also jeder Standpunkt zum Verhältnis der beiden zur vorherigen
Produktion möglich. So lassen sich die verschiedenen in der Forschung
geäußerten Hypothesen erklären: es handle sich um eine offene Polemik
gegen Platon und Aristoteles (Brandis und Martini), oder die Seelenlehre
Dikaiarchs sei eine strenge und konsequente Entwicklung der Lehre von
der Entelecheia (Tennemann) oder des Naturalismus des Aristoteles
(Chaignet). Auch was vor allem für Aristoxenos und Dikaiarch typisch
scheint, d.h. die Harmonia-Lehre, wurde interpretiert als Entwicklung der
hylemorphischen Theorie des Aristoteles über das Verhältnis zwischen

_____________
53 Zu den Quellen, die die Lehre auf die Pythagoreer zurückführen vgl. Gottschalk
1971, 192: Macrobius, In somn. Scip. 1, 14, 19 (= DK 44 A 23); Olympiod. In
Phaed. p. 57, 17 Norvin; Philop. In de an. p. 70, 5ff. Hayduck. Della Valle (1905,
214) hatte schon bemerkt, dass die Quellen über die Pythagoreer – in primis
Macrobius – von der Harmonia, nicht von der Harmonia des Leibes sprechen;
Wehrli 1944, 45, spricht im Falle von Pythagoras und Philolaos nur über die Seele
als Harmonia; mit dem Zusatz »des Leibes« könnte der Ausdruck eine
materialistische Prägung erfahren.
54 Vgl. Trabattoni 1988, 55: »che le conseguenze materialistiche dell’anima-armonia
non appartengono alla posizione genuinamente pitagorica, ma sono tratte da
Platone stesso«.
55 Vgl. Movia 1968, 89-92.
Die hellenistische Seelenlehre 17

Seele und Leib 56. Tatsache bleibt, dass Aristoteles selbst auch in der letz-
ten Periode seiner Tätigkeit (De anima) die Harmonia-Lehre bekämpfte,
nicht vertrat; die Schüler, die diese Theorie verteidigten, können ihm nicht
gleichgestellt werden.
Die ›neuen‹ Positionen scheinen auf jeden Fall für die Reflexion der
folgenden Jahrhunderte von Bedeutung zu sein; die Wende, die sich schon
bei den ersten Schülern des Aristoteles ankündigt, sollte einen Eindruck
hinterlassen, der einige Jahrhunderte überdauerte (wenn wir auch nicht
ausschließen können, dass manche Werke schon unter der Schulleitung
des Aristoteles verfasst wurden). Ein gutes Beispiel kann hierfür die Har-
monia-Lehre bieten: mit ihr sollte sich auch Lukrez beschäftigen (3, 98ff.).
Andererseits ist das Vorhandensein dieser Lehre auch in unwissenschaftli-
chen Texten durch zwei Papyrusfragmente nachgewiesen, die derselben
Rolle aus dem 3. Jh. v.Chr. entstammen (PHeid G inv. 28 + PGraecMon
21, es handelt sich um eine Schulabhandlung) 57. »Sarebbe francamente
fuori luogo evocare l’ombra di Dicearco o di un Aristosseno« 58, der Text
des Papyrus dürfte also als Zeugnis der Verbreitung und der (kritischen)
Rezeption der Harmonia-Lehre in hellenistischer Zeit gelten. Ein Beweis
für die philosophiehistorische Bedeutung dieser Periode ist der Umstand,
dass das Wirken während dieser Jahrhunderte dauerhafte Spuren in der
späteren Philosophie hinterlassen wird. Die Analyse von Carlini hat ge-
zeigt, dass viele der in diesem Papyrus enthaltenen Argumente gegen die
Lehre von der Seelenharmonie mit denjenigen vergleichbar sind, die bei
den neuplatonischen Autoren begegnen: bemerkenswert sind die Paralle-
len mit Johannes Philoponos und Nemesios (die gemeinsame Quelle dürf-
te Porphyrios sein), aber auch mit Themistios und Damaskios 59; ein weite-
res interessantes Phänomen in diesem der Phaidon-Exegese gewidmeten
Werk (auch wenn es sich um keinen richtigen Kommentar im Sinne der
Alexandriner handelt) ist die Angewohnheit, die Philosophie als Exegese
von Texten zu betrachten, die zu einer gefestigten Tradition gehören.
Um die Analyse der ersten Erscheinungsform der hellenistischen See-
lenlehre abzuschließen, erinnern wir kurz an die Elemente, die in diesem
nicht langen, aber bedeutungsvollen Zeitraum in Erscheinung treten. Um-
stritten ist die Theorie, welche die Seele nicht nur als unsterblich, sondern
auch als Substanz ansieht: die Seele wird jetzt als reine Funktion des kör-

_____________
56 Zu einer Übersicht der verschiedenen Meinungen vgl. Movia 1968, 78-80; Della
Valle 1905, 219.
57 Ausgabe in Carlini 1995; eine provisorische Ausgabe war in Carlini 1975
abgedruckt.
58 Carlini 1995, 210.
59 Zu diesen Übereinstimmungen vgl. Carlini 1995, 208-212.
18 Einleitung

perlichen Leibes betrachtet – also nicht mehr als transzendentes, sondern


als untrennbar mit dem Leib verbundenes Element; sie wird als Organ des
Leibes (auch wenn sie nicht über einen bestimmten Sitz verfügt) und als
vom Organismus abhängig verstanden, nicht als aktives Prinzip. Dies sind
die konstanten Hauptmerkmale der Seelenlehre der kommenden Jahrhun-
derte: es handelt sich um den ›Physikalismus‹, d.h. um die Konzeption, der
zufolge die Seele, wie alles andere, was existiert, durch die Regeln der Phy-
sik erklärt werden muss 60.
Dies sind die Kennzeichen der Wende, die man bei den Vertretern der
›neuen‹ Seelenlehre beobachten kann; doch gibt es neben diesen Merkma-
len auch Elemente, die aus dem aristotelischen Peripatos übernommen
wurden: es handelt sich allerdings eher um Punkte, die aus methodischem
und wissenschaftlichem Interesse hinzugefügt wurden, als um ontologi-
sche und metaphysische Eckpfeiler. Zuerst sollte man das Interesse für
Doxographie erwähnen, das schon bei Theophrast sehr ausgeprägt ist und
bei diesem über eine bloße Gelehrsamkeit hinausgeht; die vom Eresier
gesammelte und im Laufe der Zeit erweiterte Doxographie entstammt
nicht katalographischem Interesse, sondern wird auch als Repertoire von
Lehren verwendet, deren man sich bei der Behandlung eines bestimmten
Themas bedienen kann. Ein zweites Element ist der Umstand, dass die
Erkenntnislehre nach dem Zusammenbruch der Noustheorie die Tendenz
zeigt, sich auf die Wahrnehmungstheorie zu konzentrieren oder, wie bei
den Vorsokratikern, Sinneswahrnehmung und Verstand gleichzusetzen.
Physikalische und biologische Interessen, die schon beim Schulgründer
vorhanden sind, werden miteinander Schritt halten. Die schon bei The-
ophrast eindeutig auf den Vorgang der Sinneswahrnehmung gerichtete
Aufmerksamkeit wird beim dritten Leiter des Peripatos, d.h. bei Straton
von Lampsakos, wieder zum Vorschein kommen.

1.3. Straton von Lampsakos


Im Falle des Peripatos nach Theophrast hatte Cicero das Gefühl, die Ver-
treter dieser Schule seien aus Urzeugung geboren worden, wie die Riesen
aus der Erde: so groß war der Unterschied zur vorherigen Generation (ita
degenerant ut ipsi ex se nati esse videantur) 61. Diese Bewertung, die bei Cicero
mit der Abkehr von ethischen Fragestellungen in Zusammenhang steht,
_____________
60 Hierzu vgl. Annas 1992, 37-43; Everson 1999, 546-550.
61 Vgl. Cic. Fin. 5, 5, 13 (= Straton, fr. 12 Wehrli): simus igitur contenti his (scil.
Aristotele et Theophrasto); namque horum posteri, meliores illi quidem mea sententia quam
reliquarum philosophi disciplinarum, sed ita degenerant ut ipsi ex se nati esse videantur.
Primum Theophrasti, Strato, physicum se voluit in quo etsi est magnus, tamen nova pleraque et
perpauca de moribus.
Die hellenistische Seelenlehre 19

kann noch besser mit der antimetaphysischen Wende in Verbindung ge-


bracht werden, die sich nach Theophrast vollzog. Die kritische Urteilsfä-
higkeit Ciceros in philosophischen Fragen wird heutzutage nur in be-
schränktem Maße konstatiert, so dass man ihn nicht mehr für eine
Autorität halten kann. Egal, wie man das System Stratons interpretieren
will, sein Denken kann nicht als Urzeugungsphänomen betrachtet werden
– trotz seiner Originalität im Vergleich zu den Anfängen der von ihm
geleiteten Schule.
L. Repici hat ein Kapitel ihres Buches dem Versuch gewidmet, die
Seelenlehre Stratons historisch einzuordnen. Die Theorie von der Einheit
des psychischen Prinzips, die Straton von den Interpreten aufgrund einer
antistoischen Passage bei Plutarch zugeschrieben wurde, hält die Forsche-
rin nicht für genuin stratonisch. Wäre dies wirklich die Meinung Stratons
gewesen, so hätte Plutarch diese Behauptung nie gegen die Stoiker anfüh-
ren können: d.h. Straton war nie dieser Überzeugung 62. Die communis opi-
nio, der zufolge Straton das leitende Vermögen der Seele hinter den Au-
genbrauen verortete (vgl. T 13), ist nach der Meinung Repicis nur eine
Kontamination mit der stoischen Lehre; die Theorie von einem leitenden
Vermögen im Inneren der Seele sei von Aristoteles übernommen wor-
den 63. Der Enzephalozentrismus des Physikers aus Lampsakos gilt seit
längerer Zeit als Beweis für die Distanzierung von Aristoteles’ Biologie;
aber Repici führt auch dieses Element auf Aristoteles zurück 64. Die Meta-
pher der Flöte (fr. 108 Wehrli = Soranos T 11), in der alle Interpreten die
deutlichste Spur der Pneumalehre bei Straton sahen, wird von dieser For-
scherin gänzlich anders gedeutet: das Bild eines Instruments setzt die
Möglichkeit voraus, das Instrument und den Musiker auseinanderzuhal-
ten: die Seele sei also der Musiker und der Leib das Instrument; damit
wird Straton wieder dem Aristotelismus angenähert, welcher der Tradition
des Meisters treu blieb 65.
Dem Beitrag von L. Repici ist meines Wissens keine Diskussion ge-
folgt – innerhalb einer solchen wäre der gewagten Interpretation der Wis-
_____________
62 Plut. De soll. an. 3, 961 a (= fr. 112 Wehrli, in einer breiteren Form in Repici 1988,
2ff.). Methodisch betrachtet ist es zu gefährlich, die Vorstellung Stratons e
contrario auf der Grundlage der polemischen Zielrichtung der überliefernden
Quelle gewinnen zu wollen.
63 Zu diesen Stellungnahmen Repici 1988, 7ff.; 9ff; zu den peripatetischen Quellen
vgl. 42.
64 Vgl. Repici 1988, 11.
65 Zur Interpretation der Metapher der Flöte vgl. Repici 1988, 17ff.; 26-33; vgl.
Plato, I Alc. 130 a 1ff.; Arist. Eth. Nic. 8, 13, 1161 a 33ff.: ȷ ȹ Ȼ ȭ Ⱥ ȶȱȮ ȷ
ȴȹȳȷџȷ ȼȽȳ ȽN ʵȺɀȹȷȽȳ ȴȫ ʱȺɀȹȶ ȷL, ȹ3Ȯ ȿȳȵȫ.. ȹ ȹȷ ȽȯɀȷȽ ąȺ'Ȼ
,Ⱥȭȫȷȹȷ ȴȫ ɁȾɀ ąȺ'Ȼ ȼHȶȫ ȴȫ ȮȯȼąџȽ ąȺ'Ȼ Ȯȹ8ȵȹȷ.
20 Einleitung

senschaftlerin wohl entschieden widersprochen worden. Ihr größter


Schwachpunkt ist das Verdrehen der Quellen: den Terminus Hegemoni-
kon, den Soranos-Tertullian in T 13 überliefert, mag man ja für eine Kon-
tamination mit dem Stoizismus halten, die nach dem Tode Stratons statt-
gefunden hat; aber dass sich das leitende Vermögen für Straton im Kopf
befindet, kann man nicht leugnen, so dass die Ableitung aus dem ȴȾȺȳȯ8ȹȷ
des Aristoteles als irreführend gelten kann. Bei Aristoteles mag man gele-
gentlich Ansätze des Enzephalozentrismus finden, Tatsache ist allerdings,
dass sich laut Aristoteles der psychische Mittelpunkt im Herzen befindet,
was sich nicht auf Straton übertragen lässt. Die Metapher der Flöte sollte
wie jeder Vergleich feinfühlig interpretiert, nicht in eine bestimmte Rich-
tung gezwungen werden. Der in die Testimonien des Soranos aufgenom-
mene Text (T 11) gibt nur zu verstehen, dass die Seele der Atemluft in
einem Blasinstrument ähnlich ist, jeder Bezug auf die Tätigkeit eines Mu-
sikers fehlt. Mit diesen Argumenten versucht L. Repici die Elemente auf
Aristoteles zurückzuführen, die früher als typische Neuerungen Stratons
galten; aber wie lässt sich erklären, dass bei Straton die charakteristischen
Grundsätze der Ontologie und der Seelenlehre des Stagiriten nicht zu
finden sind? Die hylemorphische Theorie und ihre Anwendung auf die
Psychologie, ganz zu schweigen von der Nouslehre, würde man bei Stra-
ton vergebens suchen.
Damit möchte ich nicht aristotelische Anregungen für den Physiker
leugnen; aber eine Treue gegenüber der Lehre des Aristoteles wie im Falle
Theophrasts lässt sich für Straton nicht behaupten. Man kann in ihm ge-
gebenenfalls, wie schon Gomperz meinte, einen Erben Dikaiarchs und
Aristoxenos’ erkennen, vor allem was die Ablehnung eines unabhängigen,
den Leib überdauernden psychischen Prinzips betrifft 66.
Die dialogische Struktur von Dikaiarchs ąȯȺ ɁȾɀȻ ließ manche
Forscher behaupten, das wahre Ziel seiner Polemik sei Platons Phaidon; im
Falle Stratons wird die antiplatonische Polemik deutlich, vor allem in den
gegen die platonischen Argumente gerichteten aporiai, die jetzt im Phaidon-
Kommentar Olympiodors greifbar sind (zumindest nach einer ersten Un-
tersuchung scheint allerdings Olympiodor den Text Stratons nicht direkt
gelesen zu haben, die direkte Quelle dürfte der Phaidon-Kommentar des

_____________
66 Vgl. Gomperz 1909, 395: »an Vorläufern in der Leugnung eines besonderen, den
Körper überdauernden Seelenprinzips hat es übrigens unserem “Physiker” im
Kreise seiner Schulgenossen nicht gefehlt; man vergleiche unsere vorgreifenden
auf Aristoxenos und Dikaearch bezüglichen Bemerkungen«; Movia 1968, 111ff.;
Flashar (Hg.) 2004, 604-611; 609ff.
Die hellenistische Seelenlehre 21

Albinos sein, der auch die sekundäre Quelle von Tertullians De anima
ist) 67.
In einem Fragment (fr. 118) besteht die Zielsetzung Stratons darin,
auf der Basis einer sensualistischen Erkenntnislehre einen nur graduellen
Unterschied zwischen menschlichem und tierischem Bewusstsein heraus-
zuarbeiten; in dieser Textpassage nimmt Straton eine deutlich polemische
Stellung zum sokratischen, schon im oben genannten Papyrus befindli-
chen Argument ein, dem zufolge die Seele, anders als der Einklang, keine
Stufen zulässt; auch die Seele, so antwortet Straton, könne verschiedene
Abstufungen zulassen; den verschiedenen Abstufungen entsprächen ›hel-
lere‹ oder ›dunklere‹ Seelen, wie beim musikalischen Einklang68.
Schwierig ist auch zu bestimmen, warum von Straton die Seelenlehre
Platons, aber nicht die des Aristoteles widerlegt wird: war Platon vielleicht
der Vertreter par excellence und ein augenfälligeres Ziel im Rahmen einer
Polemik gegen die Unsterblichkeit der Seele (wie Wehrli meinte)? Ob der
psychologische Traktat des Aristoteles Straton schon bekannt war, was
bedeutende Forscher aufgrund von fr. 74 behaupteten, bleibt für mich im
Dunkel; Aristoteles’ De anima, auch wenn es materiell verfügbar war,
scheint dasselbe Schicksal erfahren zu haben wie der ganze esoterische
Aristoteles, d.h. einen Mangel an Interesse 69.
Bei Dikaiarch und Aristoxenos könnte sich die Frage stellen, ob die
Harmonia, die sich zwischen den vier Ureigenschaften einstellt, als
_____________
67 Vgl. Tert. An. 29, 3-4 (= Albinos T 9 Gioè). Die Einwände wurden von Wehrli
gesammelt, frr. 122-127.
68 Vgl. Plato, Phaed. 93 b 5ff.: ˇ ȹ9ȷ ʿȼȽȳ Ƚȹ8Ƚȹ ąȯȺ ɁȾɀɄȷ, DȼȽȯ ȴȫ ȴȫȽ Ƚ'
ȼȶȳȴȺџȽȫȽȹȷ ȶ˦ȵȵȹȷ ʼȽ Ⱥȫȷ ʼȽ ȺȫȻ ɁȾɀȻ ą ąȵɃȹȷ ȴȫ ȶ˦ȵȵȹȷ ˃ ąȃ
ʿȵȫȽȽȹȷ ȴȫ ˈȽȽȹȷ ȫ3Ƚ' Ƚȹ8Ƚȹ ȯȷȫȳ, ɁȾɀȷ; PheidG inv. 28 col. II; diese
Argumente stimmen, wie erwähnt, mit den neuplatonischen Autoren überein: vgl.
Philop. In de an. p. 142, 22 Hayduck: ˂ ʲȺȶȹȷȫ Ƚ' ȶ˦ȵȵȹȷ ȴȫ ˈȽȽȹȷ
ąȳȮ ɀȯȽȫȳȊ ȵɃȭȹȶȯȷ ȭ Ⱥ ȶ˦ȵȵȹȷ ˂ȺȶџȼȲȫȳ ȽɄȷȮȯ Ƚȷ ȵ0Ⱥȫȷ ȽȼȮȯȊ ˂ Ȯ
ɁȾɀ ȹ3ȴ ąȳȮ ɀȯȽȫȳ Ƚ' ȶ˦ȵȵȹȷ ȴȫ Ƚ' ˈȽȽȹȷ; Them. In Arist. De an. 43, p. 24,
25 Heinze: Ƚ' ȶ˦ȵȵȹȷ ȴȫ ˈȽȽȹȷ ʲȺȶȹȷȫ ȶ ȷ Ȯ ɀȯȽȫȳ, ɁȾɀ Ȯ ȹ6. Zu diesen
Argumenten vgl. Movia 1968, 143; Carlini 1995, 208.
69 Straton bekämpft nicht die abstrakte Noustheorie des Aristoteles, sondern
Platon, weil letzterer ein lebhafter Verteidiger der Unsterblichkeit der Seele war:
vgl. Wehrli 1950, 75; Movia nimmt an, dass Straton De anima kannte: vgl. Movia
1968, 147. Ich vermag eine solche Kenntnis nicht definitiv abzulehnen, wäre
allerdings skeptischer: der Text dieses Fragments könnte vom überliefernden
Autor (Simplikios) kontaminiert worden sein; dass die esoterischen Werke, auch
wenn sie materiell verfügbar waren, sehr wenig verbreitet waren, ist ja kein
Wunder in dieser Periode (allerdings würde ich die Aristotelesrenaissance in der
Spätantike nicht mit dem esoterischen und mystischen Interesse dieser Zeit in
Zusammenhang bringen; vgl. dagegen Bignone 1973, 32ff.).
22 Einleitung

ʱȼѡȶȫȽȹȻ gelten kann wie beim platonischen Simmias. Nach dem Zu-
sammenbruch der aristotelischen Eidetik im System Stratons bleibt kaum
ein Zweifel: die Seele hat beim Physiker eine deutlich stoffliche Komposi-
tion und kann mit dem Pneuma gleichgesetzt werden, wie sich klar aus
einem Soranos-Testimonium samt einer Parallele aus Sextus Empiricus
ersehen lässt, das aus Gründen der Kürze hier nicht wiedergegeben wird
(fr. 108 Wehrli = Soranos T 11).
Für diese Gleichsetzung der Seele mit einer pneumatischen Substanz
muss man nicht bis auf die Vorsokratiker und Diogenes von Apollonia
zurückgehen; sie entstammt vielleicht der aristotelischen Lehre vom
Pneuma, unterscheidet sich von dieser allerdings deswegen grundlegend,
weil die Nouslehre, die noch für Theophrast so wichtig war, aufgegeben
wurde 70. Diese Abwendung Stratons von der Nouslehre stimmt mit der
zeitgenössischen Erkenntnislehre überein, der zufolge der Erkenntnisvor-
gang tout court mit der Sinnesempfindung gleichgesetzt werden kann. Somit
lassen sich die stratonianischen Fragmente über die Gleichsetzung zwi-
schen Sinneswahrnehmung und Verstand leicht erklären; aber ob Straton
an diesen Stellen bewusst auf die Vorsokratiker und vor allem Demokrit
Bezug nimmt, bleibt für mich im Dunkel 71.
Wenige Jahre nach der komplizierten Nouslehre des Theophrast tritt
plötzlich eine stark sensualistische Theorie in Erscheinung, die letztlich
der epikureischen ähnlich ist, auch wenn nicht eindeutig ist, welche sich
zuerst entwickelte und die andere beeinflusste.

_____________
70 Vgl. Diogenes von Apollonia in DK 64 A 19: DȼąȯȺ Ƚ' Ȱȷ ȴȫ Ƚ' ȿȺȹȷȯȷ ȽN
ʱ Ⱥȳ ȴȫ Ƚ Ȼ ȫȼȲȼȯȳȻ ʱȷ ąȽȯȳ; 64 B 5; zum Pneuma bei Aristoteles vgl. De
motu an. 703 a 4ff.; zur Pneumatheorie bewahren ihre Gültigkeit die glänzenden
Beiträge von Diels 1893 a; Jaeger 1913; zu diesen Fragmenten vgl. auch Movia
1968, 133ff.
71 Zum Sensualismus Stratons vgl. Sext. Emp. Adv. Math. 7, 350 (fr. 109 Wehrli):
ȴȫ ȹ ȶ ȷ Ȯȳȫȿ Ⱥȯȳȷ ȫ3Ƚȷ ( scil. Ƚȷ ɁȾɀȷ ) ȽHȷ ȫȼȲȼȯɂȷ, BȻ ȹ ąȵȯȹȾȻ,
ȹ Ȯ ȫ3Ƚȷ ȯȷȫȳ Ƚ Ȼ ȫȼȲɄȼȯȳȻ, ˈȻ ȼȽ ȼȯɂȻ ˇȺȸȯ ȢȽȺ Ƚɂȷ Ƚȯ ( ȿȾȼȳȴџȻ; zu
Demokrit vgl. DK 68 A 113: ȽʱȾȽ'ȷ ȭ Ⱥ 2ąȯȵ ȶȬȫȷȹȷ ȯȷȫi ɁȾɀȷ ȴȫ ȷȹ8ȷ;
zu einer interessanten Ähnlichkeit zwischen dem Argument Stratons und
Diogenes von Apollonia vgl. DK 64 A 19 (= Thphr. De sens. 42: die überliefernde
Quelle kann sowohl den Verdacht der Kontamination beiseite schieben als auch
sicherstellen, dass diese Lehre für Straton zugänglich war): ąȹȵȵ ȴȳȻ ąȺ'Ȼ ʵȵȵȫ
Ƚ'ȷ ȷȹ8ȷ ʿɀȹȷȽȯȻ ȹ6ȲP (ȺHȶȯȷ ȹ6ȽP ʱȴȹ0ȹȶȯȷ: vgl. fr. 112 Wehrli (= Plut. De soll.
an. 3, 961 a): ȴȫ ȭ Ⱥ ȭȺ ȶȶȫȽȫ ąȹȵȵ ȴȳȻ ąȳąȹȺȯȾȹȶ ȷȹȾ Ƚ ,Ɂȯȳ ȴȫ ȵ&ȭȹȳ
ąȺȹȼąąȽȹȷȽȯȻ Ƚ ʱȴȹ ȮȳȫȵȫȷȲȪȷȹȾȼȳ ˂ȶ˦Ȼ ȴȫ ȮȳȫȿȯѠȭȹȾȼȳ ąȺ'Ȼ ʼȽɃȺȹȳȻ
Ƚ'ȷ ȷȹ8ȷ ʿɀȹȷȽȫȻ.
Die hellenistische Seelenlehre 23

Die Wahrnehmungstheorie, die sich in den folgenden von Wehrli ge-


sammelten Zeugnissen findet, trug auf jeden Fall zur Ausbildung der so-
ranischen Lehre bei:
Ps.-Plut. Epit. 4, 23, 3 (~Aët. 4, 23, 3 p. 415 Diels = Straton fr. 110 Wehrli):
ȢȽȺ Ƚɂȷ ȴȫ Ƚ ą Ȳȱ ȽȻ ɁȾɀȻ ȴȫ Ƚ Ȼ ȫȼȲȼȯȳȻ ȷ ȽN ˂ȭȯȶȹȷȳȴN, ȹ3ȴ
ȷ ȽȹȻ ąȯąȹȷȲџȼȳ ȽџąȹȳȻ ȼȾȷȼȽȫȼȲȫȳ…
Plut. De libidine et aegritudine 4, 697 b (= Straton fr. 111 Wehrli): ȹ ȶ ȷ ȭ Ⱥ
ʶąȫȷȽȫ ȼȾȵȵɄȬȮȱȷ Ƚȫ8Ƚȫ Ƚ ɁȾɀ ȿɃȺȹȷȽȯȻ ʱȷɃȲȯȼȫȷ, DȼąȯȺ ȢȽȺ Ƚɂȷ (
ȿȾȼȳȴџȻ, ȹ3 ȶџȷȹȷ Ƚ Ȼ ąȳȲȾȶɅȫȻ, ʱȵȵ ȴȫ Ƚ Ȼ ȵѠąȫȻ, ȹ3Ȯ Ƚȹ1Ȼ ȿџȬȹȾȻ ȴȫ
Ƚȹ1Ȼ ȿȲџȷȹȾȻ ȴȫ Ƚ Ȼ ąȳɀȫȳȺȯȴȫȴɅȫȻ, ʱȵȵ ȴȫ ąџȷȹȾȻ ȴȫ ˂Ȯȹȷ Ȼ ȴȫ
ʱȵȭȱȮџȷȫȻ ȴȫ *ȵɂȻ ą˦ȼȫȷ ȫȼȲȱȼȳȷ ȷ Ƚ ɁȾɀ ȼȾȷɅȼȽȫȼȲȫȳ ȿȪȶȯȷȹȻ, ȴȫ
ȽȻ ɁȾɀȻ Ƚ Ƚȹȳȫ8Ƚȫ ąȪȷȽ’ ȯȷȫȳ, ȶ Ƚ'ȷ ąџȮȫ ąȹȷȹѠȷȽɂȷ ˂ȶHȷ, *Ƚȫȷ
ąȺȹȼȴȺȹѠȼɂȶȯȷ, ȶȱȮ Ƚȷ ȴȯȿȫȵɄȷ, *Ƚȫȷ ȴȫȽȪȸɂȶȯȷ, ȶȱ<Ȯ > Ƚ'ȷ ȮȪȴȽȾȵȹȷ,
*Ƚȫȷ ȴȽɃȶɂȶȯȷ· ʱȷȫɅȼȲȱȽȫ ȭ Ⱥ Ƚ ȵȹȳą ąȵȷ Ƚȹ8 ˂ȭȯȶȹȷȳȴȹ8, ąȺ'Ȼ + ȽȻ
ąȵȱȭȻ )ȸɃɂȻ ʱȷȫȿȯȺȹȶɃȷȱȻ Ƚȷ ȫȼȲȱȼȳȷ ʱȵȭȱȮџȷȫ ȴȫȵȹ8ȶȯȷ. BȻ Ȯ Ƚȷ
ȿɂȷȷ ȽȹȻ Cȼȷ ȫ3ȽȹȻ ȷȱɀȹ8ȼȫȷ ʿȸɂ Ȯȹȴȹ8ȶȯȷ ȯȷȫȳ, Ƚ' ʱą' ȽȻ ʱȺɀȻ
ą Ƚ' ˂ȭȯȶȹȷȳȴ'ȷ ȮȳȪȼȽȱȶȫ Ƚ ȫȼȲɄȼȯȳ ąȺȹȼȵȹȭȳȰџȶȯȷȹȳ, ąȫȺȫąȵȱȼɅɂȻ Ƚ'ȷ
ȴ Ƚȹ8 ȽȺȫѠȶȫȽȹȻ ąџȷȹȷ ȹ3ɀ *ąȹȾ Ƚȷ ȫȼȲȱȼȳȷ ȯȵȱȿȯȷ, ʱȵȵ’ *Ȳȯȷ ʿȼɀȯ Ƚȷ
ʱȺɀȷ ȯȷȫȳ Ȯȹȴȹ8ȶȯȷ, ʼȵȴȹȶɃȷȱȻ ą’ ȴȯȷȹ ȽȻ ɁȾɀȻ ʱȿ’ ȹ: ąɃąȹȷȲȯ. Ȯȳ'
ȴȫ ąȺȹȼȴџɁȫȷȽȯȻ ȫ3ȽɅȴȫ Ƚ Ȼ )ȿȺ8Ȼ ȼȾȷȪȭȹȶȯȷ, ȽN ąȵȱȭɃȷȽȳ ȶȹȺɅL Ƚȹ8
˂ȭȯȶȹȷȳȴȹ8 Ƚȷ ȫȼȲȱȼȳȷ )ȸɃɂȻ ʱąȹȮȳȮџȷȽȹȻ, ȴȫ ąȫȺȯȭȴџąȽȹȶȯȷ ʿȼȲ’ *Ƚȯ Ƚ'
ąȷȯ8ȶȫ, ȴʳȷ Ƚ ȶɃȺȱ ȮȯȼȶȹȻ ȮȳȫȵȫȶȬȪȷȱȽȫȳ, <ȽȫȻ> ɀȯȺȼ ȼȿџȮȺȫ ąȳɃȰȹȶȯȷ,
<ȷ>ȳȼȽȪȶȯȷȹȳ ąȺ'Ȼ Ƚȷ ȮȳȪȮȹȼȳȷ Ƚȹ8 ąȪȲȹȾȻ ȴȫ Ƚȷ ąȵȱȭȷ ȷ ȽȹȻ
ʱȷȫȳȼȲɄȽȹȳȻ ȲȵɅȬȹȷȽȯȻ, ȷȫ ȶ <ȽN> ȼȾȷȪɁȫȳ ąȺ'Ȼ Ƚ' ȿȺȹȷȹ8ȷ ʱȵȭȱȮAȷ
ȭɃȷȱȽȫȳ. Ƚȫ8Ƚȫ ȶ ȷ ȹ9ȷ ( ȢȽȺȪȽɂȷ ą ąȹȵȵȹȻ BȻ ȯȴ'Ȼ ȽȹȳȹѠȽȹȳȻ 72.
Die beiden Zeugnisse wurden schon mehrfach von Forschern untersucht,
deswegen werde ich vermeiden, bereits Bekanntes zu wiederholen. Die
Definition des Hegemonikon ist wahrscheinlich Ergebnis einer lexikali-
schen Kontamination mit der stoischen Lehre; Straton musste allerdings
die Existenz eines leitenden Vermögens anerkennen, das über einen be-
stimmten Sitz verfügt, d.h. sich im Kopf hinter den Augenbrauen be-
findet 73. Es wurde andererseits schon betont, wie viel Wert Straton auf die
Theorie von der Einheit der Seele legt 74: man denke nur an die Meinung
des Physikers bei Soranos (T 11: in totum corpus diffusa et ubique ipsa). Die
stoffliche Natur des Pneumas wurde bereits festgestellt, und man kann sie
m.E. auch dem Hegemonikon nicht absprechen. Hieraus ergibt sich eine
bisher nicht gesehene Schlussfolgerung: das leitende Vermögen und das
Pneuma sind stofflich gleichartig (wie auch die zwei Seelenvermögen der
epikureischen Tradition) und von der stofflichen Komposition her be-

_____________
72 Zu diesen Fragmenten vgl. auch Movia 1968, 134ff.; Gatzemeier 1970, 135-136.
73 Zur stoischen Herkunft der Definition des Hegemonikon bei Straton vgl. Capelle
1931, 303-304; Wehrli 1950, 72; Movia 1968, 136.
74 Vgl. Movia 1968, 136ff.
24 Einleitung

trachtet dasselbe 75. Während des Wachzustandes wird das Pneuma durch
verschiedene äußere Anregungen veranlasst, zu den peripheren Öffnun-
gen der Wahrnehmungsorgane zu kommen; es ist während dieser Phase
im ganzen Leib verstreut. Während des Schlafs kann sich die formbare
und bewegliche Seele an ihren Ort zurückziehen und die Wahrnehmungs-
tätigkeit unterbrechen; ebenso kann man durch Zusammendrücken die
stoffliche formbare Substanz zwingen, zum Mittelpunkt des Leibes zu-
rückzufließen. Diese stoffliche Wesenheit wurde natürlich von Straton
aufgrund ihrer Funktionen mit dem Leib verbunden sowie als dem Verfall
unterworfenes Organ des Leibes betrachtet.
Ausgehend hiervon lässt sich auch der Gebrauch des Begriffes ›Sin-
nesorgan‹ bei Straton näher bestimmen: diese Verwendung ist legitim,
wenn man den Umstand im Auge behält, dass man bei Straton kein Sin-
nesorgan im modernen Sinne findet. Es handelt sich nicht um ein Organ,
das eine äußere Anregung (Licht, Töne oder Gerüche) in einen inneren
Impuls in Richtung des leitenden Vermögens verwandelt. Solche Organe
gibt es bei Straton nicht, oder genauer, es gibt keine Wahrnehmungsorga-
ne im eigentlichen Sinne, sondern nur Öffnungen, durch welche die Seele
mit der Außenwelt in Kontakt treten kann. Das einzige echte Organ ist die
Seele selbst, die durch reine Öffnungen (d.h. solche ohne eigene Funkti-
on) mit der Außenwelt in Kontakt tritt (fr. 108 Wehrli = Soranos T 11, per
sensualia variis modis emicet; fr. 109 Wehrli ąȺȹȴ0ąȽȹȾȼȫȷ).
Es bleibt eventuell zu bestimmen, auf welchem Weg sich das Pneuma,
aus dem die Seele besteht, vom Mittelpunkt des Leibes zu den peripheren
Organen bewegt. Auch in diesem Fall ist die Analogie zwischen Seelen-
lehre und Physik offenkundig.
Der bedeutendste Berührungspunkt Stratons mit der atomistischen
Lehre wurde von H. Diels in der Porentheorie ermittelt, d.h. in der Auf-
nahme des Leeren, wenn auch nur in den Zwischenräumen der Körper
oder Korpuskel (auf keinen Fall ȴȫȽP ʱȲȺџȫȷ ȿ0ȼȳȷ) 76. Der Beweis für
diese Theorie wurde von Straton mithilfe verschiedener Experimente
erbracht: man muss die Luft als Zusammensetzung von im Leeren ver-
streuten Korpuskeln betrachten: durch Ausüben von Druck kann man
_____________
75 Anders denkt Gatzemeier 1970, 137: »ist die Gleichsetzung von Pneuma und
Seele nicht gerechtfertigt. Man könnte eher vermuten, Straton denke sich das
Verhältnis der Seele zum Pneuma analog zur Form-Materie Beziehung«. Aber die
hylemorphische Theorie des Aristoteles ist bei Straton verschwunden, es wäre
erstaunlich, wenn sie im Rahmen der Seelenlehre wieder lanciert würde. Dass in
den Fragmenten 130 und 131 Wehrli eine vernünftige, vom ȭȷɂȼȽȳȴџȷ
unterschiedene ȿѠȼȳȻ erwähnt wird, scheint mir nicht die substantielle (d.h. bei
Straton stoffliche) Einheit der Seele zu beeinträchtigen.
76 Vgl. Diels 1893 a, 110ff.
Die hellenistische Seelenlehre 25

durch die Verkleinerung der Zwischenräume einen Verlust von Volumen


verursachen (frr. 56 und 64 Wehrli); dasselbe gilt im Fall des Schwammes,
der zusammengedrückt werden kann, aber wieder die urpsprünglichen
Dimensionen annimmt, wenn der Druck nachlässt; so auch bei einem mit
Wasser gefüllten Krug, der das Sonnenlicht aufnimmt, ohne dass das
Wasser herausfließt: das bedeutet, dass das Licht den leeren Raum einge-
nommen hat, der zwischen den Korpuskeln der Flüssigkeit verblieben
war. Die Streuung des Leeren in den Korpuskeln, aus denen die Materie
besteht, wird normalerweise durch das Perfekt des Verbes ąȫȺȫȼąȯȺɂ
ausgedrückt, das oft in den stratonianischen Fragmenten vorkommt, die in
den Pneumatica des Heron überliefert sind 77. Es kann kein Zufall sein, dass
das von Soranos-Tertullian überlieferte stratonianische Fragment die Seele
als per totum corpus diffusa definiert (T 11).
Die Art der Vereinigung von Leib und Seele dürfte von Straton analog
zur Streuung des Leeren in der Korpuskelstruktur der Materie begriffen
worden sein, d.h. die stratonianische Seele dürfte sich in den Zwischen-
räumen des mit Kanälen ausgestattenen Leibes bewegen. Für diejenigen,
welche die Materie nicht wie die Stoiker als continuum begriffen, bestand
keine andere Möglichkeit, eine intime Vereinigung zweier Körper zu an-
zunehmen. Trotz der Skepsis von L. Repici scheint mir Wehrli mit Recht
in den Adern (oder mehr oder minder im Blutkreislauf) das Kanalnetz zu
erkennen, durch welches sich die Pneumaseele im Leib ausbreitet und
bewegt (fr. 108 Wehrli = Soranos T 11); unwahrscheinlicher scheint mir
die Hypothese Gatzemeiers, der zufolge es sich um das Nervensystem
handelt 78. Auf jeden Fall ist ein Einfluss des Erasistratos eindeutig er-

_____________
77 Vgl. Heron von Alexandrien, Pneumatica I, p. 6, 11 Schmidt (= Straton, fr. 56
Wehrli): ȹ3ɀ 2ąȹȵȱąȽɃȹȷ ȹ9ȷ ȷ ȽȹȻ ȹ9ȼȳ ȴȯȷȹ8 Ƚȳȷȫ ȿѠȼȳȷ ʱȲȺџȫȷ ȫ3Ƚȷ
ȴȫȲ’ ʼȫȾȽȷ 2ąȪȺɀȯȳȷ, ąȫȺȯȼąȫȺȶɃȷȱȷ Ȯ ȴȫȽ ȶȳȴȺ ȶџȺȳȫ ȽN Ƚȯ ʱɃȺȳ ȴȫ
ȽN 2ȭȺN ȴȫ ȽȹȻ ʵȵȵȹȳȻ ȼѡȶȫȼȳȷ; Ibid. I, p. 4, 2 Schmidt (= Strato, fr. 57
Wehrli): ȹ ȶ ȷ ȭ Ⱥ Ƚ' ȴȫȲџȵȹȾ ȶȱȮ ȷ ȯȷȫȳ ȴȯȷ'ȷ <ȮȳȫȽȯɅȷȹȷȽȫȳ>, ȹ Ȯ
ʵȲȺȹȾȷ ȶ ȷ ȴȫȽ ȿѠȼȳȷ ȶȱȮ ȷ ȯȷȫȳ ȴȯȷџȷ, ąȫȺȯȼąȫȺȶɃȷȹȷ Ȯ ȴȫȽ ȶȳȴȺ
ȶџȺȳȫ ȽN ʱɃȺȳ ȴȫ ȽN 2ȭȺN ȴȫ <ȽN> ąȾȺ ȴȫ ȽȹȻ ʵȵȵȹȳȻ ȼѡȶȫȼȳȷ; Ibid. I,
p. 16, 20 Schmidt (= Straton, fr. 64 Wehrli): *Ƚȳ ȴȯȷ'ȷ ʵȲȺȹȾȷ ȼȽȷ ąȫȺ
ȿѠȼȳȷ ȶɃȷȽȹȳ ȭȳȷџȶȯȷȹȷ, ȴȫ ȴȫȽ ȿѠȼȳȷ ȶ ȷ ȴȯȷџȷ, ȴȫȽ ȵȯąȽ Ȯ
ąȫȺȯȼąȫȺȶɃȷȹȷ, ȴȫ *Ƚȳ ȴȫȽ ąɅȵȱȼȳȷ Ƚ ȼѡȶȫȽȫ ʱȷȫąȵȱȺȹ Ƚ
ąȫȺȯȼąȫȺȶɃȷȫ ȴȯȷȪ.
78 Vgl. Wehrli 1950, 71: »der Hohlraum, durch welchen die Seele sich bewegt, sind
wohl die Adern; für entsprechende Anschauungen des Erasistratos vgl. Zeller p.
919, 2 und Wellmann RE VI, 343, 66«; dieser Meinung hatte auch Solmsen 1961,
180ff. zugestimmt; skeptisch hierzu Repici 1988, 30ff.; vgl. Gatzemeier 1970, 138:
»wie Straton das Pneuma im Leib verteilt sein lässt, ist aus den Fragmenten nicht
zu ermitteln. Vielleicht denkt er sich das Blut mit Pneuma durchsetzt oder er
26 Einleitung

kennbar. Ob die Seele sich in den Venen, in den Adern, in den Nerven
oder in andersartigen Kanälen bewegt, spielt im Prinzip keine so wichtige
Rolle, schließlich versteht man unter Venen und Adern in der Antike et-
was anderes als heutzutage; wichtig ist die Vorstellung von einer pneuma-
tischen Seele, die sich in den Kanälen durch den Leib bewegt. Eine Über-
nahme der stoischen Seelenlehre durch Straton scheint unwahrscheinlich
– was schon von H. Diels betont wurde –, und zwar aus zwei Gründen:
als Straton lebte, hatte sich die Stoa noch nicht den Enzephalozentrismus
zu eigen gemacht; noch unwahrscheinlicher scheint eine Kontamination
nach Stratons Tod, unter Chrysipp war nämlich die Stoa zum Kardio-
zentrismus zurückgekehrt (mit wenigen Ausnahmen, wie z.B. im Fall des
Diogenes von Babylon) 79.
Ein makroskopisches Element, das sich anhand der Texte des Aristo-
teles nicht erklären lässt, ist die Lehre, die das Gehirn als Zentrum der
psychischen Tätigkeit betrachtet (Soranos T 13). Für diese deutliche Än-
derung gegenüber der aristotelischen Lehre (der Enzephalozentrismus war
in der Antike die Lehre einer Minderheit 80) nimmt man heute mehrheitlich
eine Analogie zur medizinischen Schule des Herophilos und Erasistratos
an. Das Problem, wer gegebenenfalls von wem abhängig ist, überschneidet
sich mit Fragestellungen zur Chronologie und Biographie des Arztes und
des Physikers. Die Unempfänglichkeit der Epikureer gegenüber der neuen
hellenistischen Naturwissenschaft oder der Dogmatismus der Stoa konn-
ten die Rezeption derartiger innovativer Lehren verhindern; aber die Of-
fenheit des neuen Peripatos und die Neigung zur Aufnahme verschiedener
der ›empirischen‹ Wissenschaft entommenen Elemente vermochte dies
nicht 81. Das Problem könnte eventuell mithilfe der Chronologie beider
Autoren gelöst werden. Wehrli meinte, Herophilos und Erasistratos seien
jünger als Straton; auf der Basis dieser Hypothese war er der Überzeu-
gung, Straton sei von den Vorsokratikern abhängig, die alexandrinischen
Ärzte hätten die stratonianische Lehre übernommen; dieser Überzeugung
war auch Movia, Gottschalk hingegen sah einen Einfluss des Herophilos

_____________
weist dem Pneuma die gerade zu seiner Zeit von Herophilos entdeckten Nerven
als Ort zu«.
79 Vgl. Diels 1893 a, 117: »ob Siebeck mit Recht Straton hier oder überhaupt von
der Stoa abhängig sein lässt, ist mir sehr zweifelhaft«; die Möglichkeit einer
Kontamination lässt offen Repici 1988, 1ff., die allerdings keine richtige
Erklärung bietet.
80 Vgl. Solmsen 1961, 192: »in any case it is evident that the party favoring the brain
was a minority«.
81 Vgl. Solmsen 1961, 195.
Die hellenistische Seelenlehre 27

auf Straton 82. Wir verfügen jetzt über eine kommentierte Testimonien-
sammlung des Herophilos: von Staden bestimmt die Chronologie des
Herophilos auf den Zeitraum zwischen 330/320 und 260/250, die ägypti-
sche Hauptstadt sei Mittelpunkt der Tätigkeit des Arztes 83; diese Daten
erfordern zwangsläufig, das Ende der Ausbildung des Herophilos, d.h.
den Beginn seiner Tätigkeit, gegen Anfang des Jahrhunderts in Alexandria
anzusetzen 84.
Auch die gleichzeitige Anwesenheit beider in Alexandria kann den –
vielleicht persönlichen – Kontakt mit Straton erleichtert haben, der Physi-
ker war nämlich vor 290 in der Hauptstadt tätig. Andererseits ergibt sich
keine besondere Schwierigkeit, einen schriftlichen Kontakt mit dem be-
reits in Attika lebenden Straton anzunehmen: die beiden Städte waren
nämlich wichtige Zentren der hellenistischen Kultur, und Alexandria wur-
de stark von der peripatetischen Lehre geprägt 85. Ein Fragment des He-
rophilos scheint eine große Ähnlichkeit mit der pneumatischen Lehre
Stratons aufzuweisen:
Galen, De usu part. 10, 12 (= fr. 140 a von Staden): ȽHȷ ȭ Ⱥ ą Ƚȹ1Ȼ
)ȿȲȫȵȶȹ1Ȼ ʱą’ ȭȴȯȿȪȵȹȾ ȴȫȽȳџȷȽɂȷ ȷȯѠȺɂȷ ȽHȷ ȫȼȲȱȽȳȴHȷ, ʴ Ȯ ȴȫ
ąџȺȹȾȻ CȷџȶȫȰȯȷ ϽȺџȿȳȵȹȻ, *Ƚȳ ȶџȷȹȳȻ ȫ3ȽȹȻ ȫȼȲȱȽȫ ȴȫ ȼȫȿȯȻ ȯȼȳȷ ȫ
Ƚȹ8 ąȷȯѠȶȫȽȹȻ (ȮȹɅ, DȼąȯȺ ȫ3Ƚ' Ƚȹ8Ƚȹ [Ƚ'] ąȫȺȪȮȹȸџȷ Ƚȯ ȴȫ 2ą Ⱥ Ƚ
ȵȹȳą ȽHȷ ȷȯѠȺɂȷ ȼȽɅȷ, ȹ4Ƚɂ ȴȫ Ƚ' ȿѠȯȼȲȫȳ ȶ ȷ ȴ ȮȳȫȿȯȺџȷȽɂȷ Ƚџąɂȷ,
ąȺȹɇџȷȽȫ Ȯ’ ʱȵȵɄȵȹȳȻ ʼȷȹ8ȼȲȫȳ ȴʵąȯȳȽȫ ąȪȵȳȷ ʱąȹɀɂȺȯȷ Ƚȯ ȴȫ
ȮȳȫȼɀɅȰȯȼȲȫȳ 86.

_____________
82 Vgl. Wehrli 1950, 75: »Strato folgt also wie Platon dem Alkmaion… während
Diokles und Aristoteles das Herz als Sitz der Seele betrachten; von den Späteren
folgen dem Str. Erasistratos und Herophilos«; Movia 1968, 142: »più tardi, a
seguire Stratone saranno Erasistrato ed Erofilo«; vgl. Gottschalk 1965, 163:
»Herophilus... discovered the structure and the function of the nervous system…
he was followed by Erasistratus and Strato, whose psychology seems to have
been very much influenced by current medical ideas«. Ein direkter Kontakt
zwischen Erasistratos und Straton wird auch von Vegetti angenommen, der
allerdings den Arzt für den Schüler des Physikers hält (vgl. Vegetti 1993, 84, vgl.
Erasistratos, frr. 6-8 Garofalo); Gourevitch hält Straton für den Schüler des
Erasitratos, vgl. Gourevitch 1993, 127.
83 Vgl. von Staden 1989, 35-66.
84 Vgl. von Staden 1989, 46.
85 Vgl. von Staden 1989, 97-98.
86 Zu diesem Fragment vgl. von Staden 1989, 317-318; Solmsen 1961, 186 hatte die
Stelle als Beweis dafür zitiert, dass Herophilos die Lehre, der zufolge das Pneuma
für Wahrnehmung und Motorik verantwortlich ist, von Aristoteles übernommen
hatte; skeptisch ist von Staden 1989, 237, aber »T 140 does, however, support
Solmsen’s conclusion«.
28 Einleitung

Der Unterschied besteht darin, dass sich an dieser Stelle das Pneuma in
den Nerven bewegt, bei Straton ist keine genaue Ortsbestimmung mög-
lich, wobei es in den Venen verstreut sein dürfte. Wenn die Pneumatheo-
rie vom Physiker aus Lampsakos und nicht von Aristoteles übernommen
wurde, so bleibt die Möglichkeit, dass Herophilos und Straton, die gleich-
zeitig und in derselben Stadt tätig waren, einander in Bezug auf die Pneu-
matheorie und den Sitz des leitenden Vermögens im Gehirn beeinflusst
haben.
Um den Abschnitt zu Straton abzuschließen, sollten wir festhalten,
dass die Seelenlehre Stratons die erste Systematisierung der Psychologie
darstellt, die auch in ihrem Verhältnis zu anderen Abteilungen des philo-
sophischen Systems (vor allem zur Physik) nach Einheitlichkeit strebt. Die
ersten Schüler des Aristoteles, d.h. Dikaiarch und Aristoxenos, treten jetzt
entschieden dafür ein, dass die Seele stofflich und sterblich ist. Die Sterb-
lichkeit beruht noch nicht wie bei Epikur auf der atomistischen Lehre,
sondern auf der Aristoteles entommenen, aber betont materialistischen und
immanentistischen Pneumatheorie. Die – wenn auch nur teilweise erreich-
te – Überwindung des horror vacui infolge der Theorie des Leeren als
ąȫȺȯȼąȫȺȶ ȷȹȷ schafft die Grundlage für die Porentheorie, die im physi-
kalischen und anthropologischen Bereich angewandt wird (bei der Wahr-
nehmungstheorie und der Lehre vom gegenseitigen Durchdringen von
Seele und Leib) und die wir auch bei Epikur erkennen können; auch die
Lehre von der zweigeteilten Seele bereitet die Systematisierung des Kepos
vor, auch wenn Straton innerhalb der hellenistischen philosophischen
Physiologie dadurch eine Sonderstellung einnimmt, dass er vom Sitz des
leitenden Vermögens im Gehirn ausgeht; das beweist allerdings, wie stark
der Physiker aus Lampsakos unter dem Einfluss der alexandrinischen
Medizin stand.
Wie man schon im Falle Stratons beobachtet hat, ist ein besonders in-
teressantes Phänomen die Tendenz der hellenistischen Schulen zur wech-
selseitigen Kontamination, was sich vor allem für die theoretischen Gebie-
te der Philosophie feststellen lässt (im Bereich der Ethik ist die
Bereitschaft zum Austausch nicht so groß). Dies erfordert besondere Vor-
sicht bei der Bewertung der Quellen: was wir über den Peripatos nach
Theophrast wissen, wird durch indirekte, vor allem doxographische Quel-
len überliefert; dasselbe gilt für die Stoiker und teilweise auch für Epikur,
so dass in manchen Fällen ähnliche Lehren bei Vertretern verschiedener
Schulen zu finden sind. Dies ist das Problem, das schon vor längerer Zeit
festgestellt und noch vor kurzem von L. Repici betont wurde: die do-
Die hellenistische Seelenlehre 29

xographischen Quellen, bei denen dieselben Lehren unter verschiedenen


Namen zu finden sind, sind möglicherweise keine zuverlässigen Zeugen 87.
Die uns überlieferten Informationen sind doch in manchen Fällen un-
zuverlässig, da sie nur indirekt und durch verschiedene Schriftsteller auf
uns gekommen sind, die manchmal keine Ahnung von Philosophie hatten
und den ursprünglichen Gedanken in eine andere Richtung lenken woll-
ten. Eine hieraus resultierende Vorsicht muss andererseits nicht zu einem
systematischen Misstrauen bei allen Textpassagen werden, in welchen die
verschiedenen philosophischen Systeme irgendeine Ähnlichkeit aufweisen.
Diese ließe sich nicht nur durch eine Kontamination der Autoren post
mortem, sondern auch durch eine Interaktion zu Lebzeiten erklären, wie wir
es schon bei Dikaiarch und Aristoxenos beobachten konnten. Die Inter-
aktion lässt sich letztlich aufgrund der zeitlichen und örtlichen Nähe zu-
einander leicht erklären; es ist überflüssig, nochmals auf Athen als Zent-
rum der hellenistischen Philosophie einzugehen. Auch zeitlich standen
sich die Philosophenschulen dieser Periode sehr nahe: während seiner
langen Schulleitung (323-288) hatte Theophrast als ›Kollegen‹ Zenon (tätig
zwischen 323 und 262) und Epikur, der 307 nach Athen zurückkam und
dort bis zu seinem Tod (270) blieb. Diese waren auch Amtskollegen Stra-
tons, der als Schulleiter zwischen 288 und 268 tätig war. Zudem muss man
bedenken, dass der Kepos und die Stoa neu geschaffene Schulen sind;
auch der Peripatos ist nach der Wende, die nach Theophrasts Tod eintritt,
eine neue Schule. Dass in dieser innovativen, mit den Gründungen neuer
Schulen verbundenen Atmosphäre auch eine gewisse Osmose stattfand,
ist an sich kein Wunder; zudem sind der Materialismus und die Imma-
nenzphilosophie die gemeinsamen philosophischen Voraussetzungen. Die
Tendenz zur Kontamination ist nicht auf die technische Seite der Philoso-
phie beschränkt; sie erstreckt sich auch, was unseren Sachbereich anbe-
langt, auf naturwissenschaftliche Gebiete wie die Medizin. Die Theorie
von H. Diels, der zufolge die Immanenzpsychologie Stratons von den
Forschungen des Erasistratos über das Pneuma beeinflusst worden sei, ist
wohlbekannt, auch wenn sie nicht immer Zustimmung findet 88; deutlich
_____________
87 Vgl. z.B. Repici 1988, 15: »il che dovrebbe quanto meno suggerire qualche cautela
nell’assunzione degli schemi dossografici: essi appaiono spesso rimaneggiati e
quel poco di teoria che trasmettono non è sempre del tutto affidabile«. Das
stimmt, und tatsächlich sollte der moderne Leser große Vorsicht walten lassen;
andererseits sind diese Quellen die einzigen, die wir besitzen, es wäre also noch
unvorsichtiger, sie durch ein vorgefasstes Schema zu ersetzen.
88 Vgl. Diels 1893 a, und danach Jaeger 1913; dagegen Repici 1988, 1ff., die Straton
als echten Aristoteliker zu erklären versucht; über den Einfluss der
hellenistischen Naturwissenschaft auf das philosophische Denken vgl. auch
Annas 1992, 20-26.
30 Einleitung

ist der Einfluss der Naturwissenschaft auf die Philosophie allerdings im


Falle der Übernahme des Enzephalozentrismus des Herophilos durch
Straton; oder bei Kleanthes, der trotz des Dogmatismus der Stoa Zenons
Kardiozentrismus aufgab und das Hegemonikon im Kopf lokalisierte. Im
Falle Stratons wäre noch die Porentheorie zu erwähnen, die wahrschein-
lich dem medizinischen Milieu Alexandrias entstammte.

1.4. Epikur
Betrachtet man die Seelenlehre Epikurs, so hat man das Gefühl, dass des-
sen philosophisches System seine Satzung und seine bleibenden Leitlinien
nach der Systematisierung des stratonianischen Peripatos fand. Die helle-
nistische Seelenlehre ist seit dieser Zeit in ihren Grundzügen weitgehend
ähnlich definiert (freilich wollen wir hierbei nicht die charakteristischen
Merkmale der einzelnen Schulen und Denker verkennen) und bildet einen
gemeinsamen Ausgangspunkt für alle, die sich bis zum 1. Jh. n.Chr. mit
dem Thema beschäftigen werden. Das muss an sich nicht verwundern,
denn zu jener Zeit treten die theoretischen Interessen zugunsten der ethi-
schen Forschung zurück, und die verschiedenen Schulen tendieren, wie
schon gesagt, stärker als früher zur Osmose. Ähnliches lässt sich im Falle
des Neuplatonismus beobachten, der in der Spätantike die gemeinsame
philosophische Grundlage für alle Denker bildete, zu denen nicht nur die
›Griechen‹, sondern auch die Christen zu zählen sind.
Die Berührungspunkte zwischen Kepos und Peripatos wurden schon
von M. Gigante untersucht, im uns betreffenden Zeitraum insbesondere
zwischen Epikur und Theophrast: der Schulleiter des Kepos habe im
Werk ąȺ'Ȼ șȯ&ȿȺȫȼȽȹȷ (besser An Theophrast als Gegen Theophrast?) gegen
Demokrit und zugunsten Theophrasts kritisch Stellung bezogen: »i colori
non dipendono dagli atomi, ma dalle condizioni della vista« 89; die ȿȾȼȳȴHȷ
Ȯџȸȫȳ Theophrasts seien zudem eine wichtige doxographische Quelle für
das 14. Buch von Epikurs ąȯȺ ȿ0ȼȯɂȻ. Ab jetzt dürfte es uns nicht mehr
wundern, bei Epikur die Spuren des Peripatos in der Phase nach Theoph-
rast zu finden. Dass Epikur Straton schon während des Aufenthaltes in
Lampsakos kennengelernt hatte, scheint im Prinzip unwahrscheinlich 90.
Man denke daran, dass – nachdem Epikur im Jahre 307 in Athen ange-
kommen war und sich Straton dort angesiedelt hatte (auf jeden Fall vor
_____________
89 Vgl. Gigante 1999, 51-60, insbesondere 52-53.
90 Vgl. Fr. Gr. Hist. 244 F 41-42 zur Nachricht Apollodors über den Aufenthalt
Epikurs in Lampsakos zwischen 311 und 207; skeptisch gegenüber einem
Kontakt zwischen Epikur und Straton in Lampsakos ist Gatzemeier 1970, 35;
einen persönlichen Kontakt zwischen den beiden nimmt allerdings Warren an
(Warren 2006, 241).
Die hellenistische Seelenlehre 31

288, zu diesem Zeitpunkt übernahm er die Schulleitung) – der Leiter des


Kepos und der des Peripatos bis zum Tode Stratons (ca. 268) ungefähr 20
Jahre in derselben Stadt wirkten. Andererseits müssen die Werke eines
Autors wie Straton, der mit einem Gehalt von 80 Talenten an den ale-
xandrinischen Hof eingeladen war, überall Verbreitung gefunden haben,
schon bevor die Schulleitung ihm die offizielle Rolle des Vertreters des
Peripatos zudachte. Schon auf den ersten Blick versteht man, dass die
Seelenlehre Epikurs von den Fragestellungen sowohl der platonischen
Akademie als auch des Peripatos von Aristoteles und Theophrast un-
abhängig ist: es gibt keinen Hinweis auf die Problematik der Vereinigung
von Seele und Leib, wobei diese Vereinigung materialistisch als gegenseiti-
ges Durchdringen zweier Körper betrachtet wird; keine Bezugnahme auf
das Verhältnis zwischen dem Lebens- und dem Verstandesprinzip, die für
zwei verschiedene Funktionen derselben Substanz gehalten werden.
Neben den Rekonstruktionsschwierigkeiten, die sich aus dem frag-
mentarischen Zustand oder der unklaren Bedeutung der Zeugnisse erge-
ben, stellt sich das Problem, das Verhältnis zur gleichzeitigen peri-
patetischen Produktion zu bestimmen und zu bewerten, welche Schule
gegebenenfalls die andere beeinflusst hat.
Ep. Hdt. 63: ȶȯȽ Ȯ Ƚȫ8Ƚȫ Ȯȯ ȼȾȷȹȺ˦ȷ ʱȷȫȿɃȺȹȷȽȫ ą Ƚ Ȼ ȫȼȲɄȼȯȳȻ ȴȫ
Ƚ ąȪȲȱ — ȹ4Ƚɂ ȭ Ⱥ ˂ ȬȯȬȫȳȹȽȪȽȱ ąɅȼȽȳȻ ʿȼȽȫȳ — *Ƚȳ ˂ ɁȾɀ ȼHȶȪ ȼȽȳ
ȵȯąȽȹȶȯȺɃȻ, ąȫȺ’ *ȵȹȷ Ƚ' ʵȲȺȹȳȼȶȫ ąȫȺȯȼąȫȺȶɃȷȹȷ, ąȺȹȼȯȶȿȯȺɃȼȽȫȽȹȷ Ȯ
ąȷȯѠȶȫȽȳ, ȲȯȺȶȹ8 Ƚȳȷȫ ȴȺ˦ȼȳȷ ʿɀȹȷȽȳ ȴȫ ą ȶ ȷ ȽȹѠȽL ąȺȹȼȯȶȿȯȺɃȻ, ą Ȯ
ȽȹѠȽL. ʿȼȽȳ ȮɃ Ƚȳ ȶɃȺȹȻ ąȹȵȵȷ ąȫȺȫȵȵȫȭȷ ȯȵȱȿ'Ȼ Ƚ ȵȯąȽȹȶȯȺȯɅˤ ȴȫ
ȫ3ȽHȷ ȽȹѠȽɂȷ, ȼȾȶąȫȲ Ȼ Ȯȳ Ƚȹ8Ƚȹ ȶ˦ȵȵȹȷ ȴȫ ȽN ȵȹȳąN ʱȲȺȹɅȼȶȫȽȳ 91.

_____________
91 Diese Stelle wurde anders von Kerferd interpretiert (vgl. Kerferd 1971, 81; 92ff.),
dessen Schlussfolgerungen ich nur teilweise zustimmen kann. Insbesondere kann
es durchaus sein, dass sich nach dem Verständnis Epikurs die Seele aus ver-
schiedenen einander homogenen Korpuskeln zusammensetzt (handelt es sich um
zusammengesetzte Körperchen, die den Molekülen ähnlich sind?); das kann
allerdings nicht die Komposition der Seele aus den vier von der Doxographie
überlieferten Elementen entkräften (drei dieser Elemente stimmen mit Ep. Hdt.
63 überein). Man kann durchaus mit Kerferd (1971, 81; 93) in 63, 6 die Lesart der
Hs. Ƚ' ȶɃȺȹȻ statt Woltjers Konjektur Ƚȳ ȶɃȺȹȻ beibehalten (was allerdings nicht
viel ändert); die Übersetzung Kerferds (S. 93) überzeugt nicht: »which has
acquired great mobility [or perhaps “great capacity for change”, i.e. “variability”]
as a result of the lightness of parts of just these things [namely of breath and
heat]«, auch wenn man für diese Interpretation Lucr. 3, 241ff. zum Vergleich
heranziehen kann.
Der Text selbst ist brachylogisch und unklar: hier steht nicht, dass der Köper der
Seele aus ąȷȯ8ȶȫ und ȲȯȺȶџȷ besteht, Epikur sagt wörtlich nur, dass dieses ȼHȶȫ
teilweise dem ersten, teilweise dem zweiten Element ähnlich ist; aber diese
Ähnlichkeit scheint auf eine stoffliche Zusammensetzung hinzuweisen.
32 Einleitung

Ep. Hdt. 66, 5ff. (scholion): ȵɃȭȯȳ ȷ ʵȵȵȹȳȻ [fr. 311 Usener] ȴȫ ȸ ʱȽџȶɂȷ
ȫ3Ƚȷ ȼȾȭȴȯȼȲȫȳ ȵȯȳȹȽȪȽɂȷ ȴȫ ȼȽȺȹȭȭȾȵɂȽȪȽɂȷ, ąȹȵȵN Ƚȳȷȳ ȮȳȫȿȯȺȹȾȼHȷ
ȽHȷ Ƚȹ8 ąȾȺџȻ· ȴȫ Ƚ' ȶɃȷ Ƚȳ ʵȵȹȭȹȷ ȫ3ȽȻ, + ȽN ȵȹȳąN ąȫȺȯȼąȪȺȲȫȳ
ȼѡȶȫȽȳ· Ƚ' Ȯ ȵȹȭȳȴ'ȷ ȷ ȽN ȲѡȺȫȴȳ, BȻ Ȯȵȹȷ ʿȴ Ƚȯ ȽHȷ ȿџȬɂȷ ȴȫ ȽȻ
ɀȫȺ˦Ȼ 92.
Aëtios 4, 4, 6 p. 390 Diels (= fr. 312 Usener = 160 Arrighetti = DK 68 A
105): ϶ąɅȴȹȾȺȹȻ ȮȳȶȯȺ Ƚȷ ɁȾɀɄȷ, Ƚ' ȶ ȷ ȵȹȭȳȴ'ȷ ʿɀȹȾȼȫȷ ȷ ȽN ȲѡȺȫȴȳ
ȴȫȲȳȮȺȾȶɃȷȹȷ, Ƚ' Ȯ’ ʵȵȹȭȹȷ ȴȫȲ’ *ȵȱȷ Ƚȷ ȼѠȭȴȺȳȼȳȷ Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ
ȮȳȯȼąȫȺȶɃȷȹȷ.
Plut. Adv. Col. 1118 d (= fr. 314 Usener = 158 Arrighetti): Ƚȷ ȹ3ȼɅȫȷ
ȼȾȶąȱȭȷѠȷȽȯȻ ȫ3ȽȻ ʿȴ ȽȳȷȹȻ ȲȯȺȶȹ8 ȴȫ ąȷȯȾȶȫȽȳȴȹ8 ȴȫ ʱȯȺѡȮȹȾȻ ȹ3ȴ
ȸȳȴȷȹ8ȷȽȫȳ ąȺ'Ȼ Ƚ' ȴȾȺȳѡȽȫȽȹȷ ʱȵȵ’ ʱąȫȭȹȺȯѠȹȾȼȳ· Ƚ' ȭ Ⱥ ˠ ȴȺɅȷȯȳ ȴȫ
ȶȷȱȶȹȷȯѠȯȳ ȴȫ ȿȳȵȯ ȴȫ ȶȳȼȯ, ȴȫ *ȵɂȻ Ƚ' ȿȺџȷȳȶȹȷ ȴȫ ȵȹȭȳȼȽȳȴ'ȷ ʿȴ ȽȳȷџȻ
ȿȱȼȳȷ ‘ʱȴȫȽȹȷȹȶȪȼȽȹȾ’ ąȹȳџȽȱȽȹȻ ąȳȭɅȷȯȼȲȫȳ 93.
Aëtios 4, 3, 11 p. 388 Diels (= fr. 315 Usener = 159 Arrighetti): ϶ąɅȴȹȾȺȹȻ
(scil. Ƚȷ ɁȾɀɄȷ) ȴȺ˦ȶȫ ȴ ȽȯȽȽȪȺɂȷ, ȴ ąȹȳȹ8 ąȾȺѡȮȹȾȻ, ȴ ąȹȳȹ8
ʱȯȺѡȮȹȾȻ, ȴ ąȹȳȹ8 ąȷȯȾȶȫȽȳȴȹ8, ȴ ȽȯȽȪȺȽȹȾ Ƚȳȷ'Ȼ ʱȴȫȽȹȷȹȶȪȼȽȹȾ· Ƚȹ8Ƚȹ
Ȯ’ ˇȷ ȫ3ȽN Ƚ' ȫȼȲȱȽȳȴџȷ· Jȷ Ƚ' ȶ ȷ ąȷȯ8ȶȫ ȴɅȷȱȼȳȷ, Ƚ'ȷ Ȯ ʱɃȺȫ ˁȺȯȶɅȫȷ,
Ƚ' Ȯ ȲȯȺȶ'ȷ Ƚȷ ȿȫȳȷȹȶɃȷȱȷ ȲȯȺȶџȽȱȽȫ Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ, Ƚ' Ȯ’ ʱȴȫȽȹȷџȶȫȼȽȹȷ
Ƚȷ ȷ ˂ȶȷ ȶąȹȳȯȷ ȫȼȲȱȼȳȷ.

_____________
92 Deutlich ist die polemische Haltung gegenüber der Lehre Demokrits, der zufolge
die Seele aus feurigen Elementen besteht (zur Identifikation dieser Polemik vgl.
Kerferd 1971, 82-83; Arrighetti 1973, 515-516); vgl. DK 68 A 101 (= Arist. An.
405 a 5): ʿȮȹȸɃ Ƚȳȼȳ ą8Ⱥ ȯȷȫȳȊ ȴȫ ȭ Ⱥ Ƚȹ8Ƚȹ ȵȯąȽȹȶȯȺ ȼȽȫȽџȷ Ƚȯ ȴȫ
ȶȪȵȳȼȽȫ ȽHȷ ȼȽȹȳɀȯɂȷ ʱȼѡȶȫȽȹȷ; DK 68 A 106: ȵɃȭȯȳ ȮP BȻ ˂ ɁȾɀ ȴȫ Ƚ'
ȲȯȺȶ'ȷ Ƚȫ3Ƚ&ȷ. Für eine Parallele dieser Polemik bei Lukrez vgl. 3, 136ff.: nunc
animum atque animam dico coniuncta teneri/ inter se atque unam naturam conficere ex se/ sed
caput esse quasi et dominari in corpore toto/ consilium, quod nos animum mentemque vocamus.
Idque situm media regione in pectoris haeret/ hic exultat enim pavor ac metus, haec loca
circum/ laetitiae mulcent… cetera pars animae per totum dissita corpus/ paret et ad numen
mentisque momenque movetur; zu einem Echo dieser Polemik in Materialien, die dem
Text des Soranos entstammen, vgl. Anon. Lond. 1, 21-24 in T 11 [c]; die
Ähnlichkeit der zwei Meinungen hat vielleicht Soranos Anlass gegeben, die
epikureischen Aussagen nochmals mit stratonianischen Materialien zu
vermischen. Noch weniger überzeugen mich die Vorschläge von Garcia Calvo
1974, 93-97, insbesondere: 1. Korrektur von ąȷȯѠȶȫȽȳ zu ȼȽȺɃȶȶȫȽȳ, das mit
»bucle o torbellino« zu übersetzen wäre; 2. Korrektur von Ƚȳȷȫ in Ƚȳȷȳ; 3. ʿȼȽȳ…
ȯȵȱȿџȻ sei mit »hay veas que«, »ocasionalmente« zu übersetzen; 4. ąȫȺȫȵȵȫȭɄ
bedeute »variabilidad«. Zu dieser schwierigen Stelle in Ep. Hdt. vgl. auch Silvestre
1985, 89-96, die eine Mischung von Materialien aus Aristoteles und Demokrit
erkennt, allerdings behauptet (m.E. fälschlicherweise), Epikur habe Aristoteles’
De anima benutzt.
93 Repici 1988, 16-18 hält die Angabe über Demokrit für zuverlässig, was allerdings
nicht stimmt, die Information scheint vom epikureischen Scholiasten
kontaminiert worden zu sein.
Die hellenistische Seelenlehre 33

Die Doxographie veränderte die Anordnung der Komponenten der epi-


kureischen Seele, doch gibt es keine guten Gründe, die Angaben bei Aëti-
os und Plutarch in Zweifel zu ziehen.

Ep. Hdt. 63: Plutarch: Aëtios:


1. ąȺȹȼȯȶȿȯȺɃȼȽȫȽȹȷ 1. ȲȯȺȶџȷ 1. ąȾȺHȮȯȻ
Ȯ ąȷȯѠȶȫȽȳ
2. ȲȯȺȶȹ8 Ƚȳȷȫ ȴȺ˦ȼȳȷ 2. ąȷȯȾȶȫȽȳȴџȷ 2. ʱȯȺѡȮȯȻ
ʿɀȹȷȽȳ
3. om. 3. ʱȯȺѡȮȯȻ 3. ąȷȯȾȶȫȽȳȴџȷ
4. ʿȼȽȳ ȮɃ Ƚȳ ȶɃȺȹȻ 4. ʱȴȫȽȹȷџȶȫȼȽȹȷ 4. ʱȴȫȽȹȷџȶȫȼȽȹȷ
ąȹȵȵȷ ąȫȺȫȵȵȫȭȷ
ȯȵȱȿ'Ȼ Ƚ ȵȯąȽȹ-
ȶȯȺȯɅˤ ȴȽȵ .

Zudem wird auch die Komposition der Seele aus vier Elementen, deren
Anordnung auf verschiedene Weise berichtet wird (hielten die Epikureer
die Reihenfolge dieser Komponenten vielleicht nicht für wichtig?), von
Lukrez bestätigt:
(a) 3, 232ff.: nec tamen haec simplex nobis natura putanda est/ tenuis enim
quaedam moribundos deserit aura/ mixta vapore, vapor porro trahit aera secum/
nec calor est quisquam cui non sit mixtus et aër… 237: iam triplex animi est igitur
natura reperta/ nec tamen haec sat sunt ad sensum cuncta creandum… 241 quar-
ta quoque his igitur quaedam natura necessest/ adtribuatur: east omnino nominis
expers/ qua neque mobilius quicquam neque tenuius exstat/ nec magis e parvis
et levibus ex elementis/ sensiferos, wobei aura mit dem ąȷȯ8ȶȫ (vgl. 3, 290) und
vapor mit calor übereinstimmt, so dass die Reihenfolge an dieser Stelle dieselbe wie
in Ep. Hdt. sein dürfte.
(b) doch vgl. 3, 269ff.: sic calor atque aer et venti caeca potestas/ mixta creant
unam naturam, et mobilis illa/ vis, initum motus ab se quae dividit ollis/ sensifer
unde oritur primum per viscera motus: die Erwähnung des Windes kann nur das
ąȷȯ8ȶȫ (vgl. 3, 299) bezeichnen, an dieser Stelle dürfte die Reihenfolge bei
Lukrez dieselbe wie bei Aëtios sein. Die Position des vierten Elements ist in allen
Zeugnissen auf das Ende der Reihe festgelegt; dies ist im Prinzip logisch, geht
doch die Argumentation der Epikureer ausschlussweise vor und setzt an die letz-
te Stelle das Element, das für die Wahrnehmung verantwortlich ist und, da es
aufgrund seiner Feinheit nicht sinnlich wahrnehmbar ist, mithilfe theoretischer
Erwägung fassbar ist (necessest/ adtribuatur).
Eher als durch inhaltliche Aspekte lässt sich die Auslassung in Ep. Hdt. 63
durch den Umstand erklären, dass der Brief eine Epitome ist; um nicht zu
wiederholen, was in der Sekundärliteratur erklärt wurde, halten wir nur
fest, dass die Definition Epikurs im Herodotosbrief und die der doxographi-
34 Einleitung

schen Tradition sich ohne Widerspruch gegenseitig ergänzen 94. Auch die
Tatsache, dass Epikur im Herodotosbrief eine einzige Seele erwähnt, die
dagegen Aëtios als ȮȳȶȯȺɄȻ definiert, ist erneut als Brachylogie aufzufassen;
andererseits gibt Lukrez zu verstehen, dass animus und anima miteinander
vereint sind und una natura bilden (3, 137), so dass die Teilung der Seele als
Teilung in zwei verschiedene Funktionen, nicht zwei verschiedene Sub-
stanzen zu interpretieren ist; infolge der Studien von Bailey und Giussani
geht man zudem davon aus, dass die zwei Teile in ihrer stofflichen Zu-
sammensetzung gleichartig sind 95.
Unter den stofflichen Komponenten der epikureischen Seele haben
die Wissenschaftler schon seit längerer Zeit Elemente aristotelischer Her-
kunft erkannt. Die vierte Substanz wurde zu Recht von Giussani mit der
fünften Natur des Aristoteles in Zusammenhang gebracht, und so wurde
ein wichtiger Bezugspunkt für die Entstehung der epikureischen Seelen-
lehre erarbeitet 96. Auch in den anderen drei Elementen sah Diano eine
atomistische Umbildung der aristotelischen Theorie über das Pneuma, das
als thermisches und kinetisches Element gilt. Man hat das Gefühl, Diano
wolle die drei Elemente allzu streng mit dem Pneuma des Aristoteles
übereinstimmen lassen; vielleicht ist es vorsichtiger, nur das ąȷȯȾȶȫȽȳȴџȷ
mit dem Pneuma der peripatetischen und medizinischen Tradition in Zu-
sammenhang zu bringen und für die übrigen drei Elemente eine andere
Herkunft anzunehmen.
M.E. gibt es noch ein weiteres Element, das Epikur mit den Aristote-
lesschülern der post-theoprastischen Phase verbinden könnte: die Teilung
der Seele in zwei Teile (oder besser Funktionen), die verschiedene Positi-
onen einnehmen, hat keine Parallele in den Texten von Platon und Aristo-
teles, stimmt allerdings mit Straton überein. Die Tatsache, dass Epikur das
leitende Vermögen in der Brust und nicht (wie Straton) im Kopf lokali-
siert, lässt sich leicht durch eine Bezugnahme auf den verbreiteten Kardi-
ozentrismus erklären. Andererseits lässt sich die Unempfänglichkeit des
Kepos für die neuen enzephalozentristischen alexandrinischen Theorien
durch die allgemeine Unempfänglichkeit gegenüber der zeitgenössischen
Naturwissenschaft erklären 97.
_____________
94 Zur Seelenlehre Epikurs vgl. Giussani 1896, 183-217; Bailey 1928, 384-437;
Kerferd 1971; Konstan 1973; Diano 1974, 1219-168; Silvestre 1985, 176ff.;
Pigeaud 1989, 142-145; Erler 1994, 146-149; Konstan 2007 (neu bearbeitete
Auflage von 1973).
95 Vgl. Giussani 1896, 193ff.; Bailey 1928, 390ff.; Diano 1974, 144ff.; Erler 1994,
147.
96 Vgl. Giussani 1896, 187; Bailey 1928, 391; Diano 1974, 135; Bignone 1973, I, 249.
97 Zum Sitz des leitenden Vermögens im Kopf laut Demokrit vgl. DK 68 A 105 (Aët.
4, 5, 1): ЅąąȹȴȺȪȽȱȻ ȶ ȷ ȭ Ⱥ ȴȫ ȕȱȶ&ȴȺȳȽȹȻ ȴȫ ȡȵ Ƚɂȷ ȷ ȭȴȯȿ ȵL Ƚȹ8Ƚȹ
Die hellenistische Seelenlehre 35

Die Abhängigkeit Epikurs tritt noch deutlicher bei den Merkmalen zu


Tage, die der aufkommenden post-aristotelischen Seelenlehre gemeinsam
sind (d.h. beim Materialismus und bei der Immanenzpsychologie). Zudem
gibt es auch interessante lexikalische Berührungspunkte98:

Ep. Hdt. 63: ȼHȶȪ ȼȽȳ ȵȯąȽȹȶȯȺɃȻ, Straton, fr. 108 Wehrli = Soranos
ąȫȺ’ *ȵȹȷ Ƚ' ʵȲȺȹȳȼȶȫ ąȫȺ- T 11: Non longe hoc exemplum
ȯȼąȫȺȶɃȷȹȷ. est a Stratone et Aenesidemo et
Ep. Hdt. 66, 5: Ƚ' ȶɃȷ Ƚȳ ʵȵȹȭȹȷ Heraclito; nam et ipsi unitatem
ȫ3ȽȻ, + ȽN ȵȹȳąN ąȫȺȯȼąȪȺȲȫȳ animae tuentur, quae in totum
ȼѡȶȫȽȳ. corpus diffusa et ubique ipsa, velut
_____________
ȮȺ0ȼȲȫȳ ȯȺɄȴȫȼȳ; auffallend ist die Kontamination mit dem Epikureismus bei
Aët. 4, 4, 6 (DK 68 A 105), vgl. oben: meines Wissens gebrauchte Demokrit den
Terminus ąȫȺȯȼąȫȺȶɃȷȹȻ nie in Bezug auf die Seele: »verm. aus epikur. Quelle«
war die scharfsinnige Anmerkung von Diels-Kranz: vgl. Ep. Hdt. 66, 10: ȽHȷ ȽȻ
ɁȾɀȻ ȶȯȺHȷ ȽHȷ ąȫȺP *ȵȱȷ Ƚȷ ȼ0ȭȴȺȳȼȳȷ ąȫȺȯȼąȫȺȶ ȷɂȷ; idem in DK 68 A
107 [= Sext. Emp. Adv. Math. 7, 349]; Repici 1988, 16; 18 hält die Angabe über
Demokrit für zuverlässig, was allerdings abzulehnen ist. Zur Unempfänglichkeit
Epikurs gegenüber der Naturwissenschaft seiner Zeit vgl. Annas 1992, 123: »the
Stoics are heavily influenced by contemporary medical and scientific theories,
whereas Epicurus is less impressed by scientific results and more reliant on a
combination of commonsense folk psychology and straightforward philosophical
argument«; Isnardi Parente 1977, 302ff.
98 Vgl. auch Dikaiarch fr. 7 Wehrli: aequabiliter esse fusam; vgl. Lucr. 4, 888ff.: animai
dissita vis est; vgl. auch Mehl 1999, 286. Man muss auch eine genaue Bestimmung
vornehmen: der Terminus ąȫȺȯȼąȫȺȶ ȷȹȷ dürfte tatsächlich von Straton
gebraucht worden sein und nicht von Heraklit oder Ainesidemos stammen: die
Textpassage aus Soranos-Tertullian wurde nicht von Diels und Kranz in die
Testimoniensammlung aufgenommen, sondern fand in die Anmerkung zu DK
22 B 67 Eingang; dass die Seele als ąȫȺȯȼąȫȺȶ ȷȹȷ auch von Ainesidemos
vertreten wurde, kann eine Herkunft aus Straton nicht ausschließen (vgl. Straton
fr. 109 Wehrli = Sext. Emp. Adv. Math. 7, 349; Soranos T 11). Eine Bestätigung
für die Herkunft aus Straton oder für dessen Einfluss auf Epikur mag die
Verwendung von ąȫȺȫȼąȯȺɂ bieten; bis zur hellenistischen Zeit wird dieses
Verb nur in botanischem Kontext eingesetzt (Caus. Plant. 3, 10, 3: Ƚ
ąȫȺȫȿȾȽȯȾџȶȯȷȫ ȴȫ Ƚ ąȫȺȫȼąȯȳȺџȶȯȷȫ Ȯȳ Ƚȹ8Ƚȹ Ȭȵ ąȽȯȳ ą ȷȽȫ); bei
Straton wird das Wort in Bezug auf das Leere und vielleicht auf die Seele
verwendet (vgl. oben); andererseits wird ąȫȺȫȼąȯȺɂ außerhalb des
epikureischen Milieus sehr selten in Bezug auf die Seele angewandt: vgl. Ps. Plato
Ax. 366 a (vgl. unten) und Philo Alex. Opif. 66: Ȯȳ' ȽHȷ ȶɁѠɀɂȷ ąȺѡȽȹȾȻ
ȭɃȷȷȱȼȯȷ ɀȲѠȫȻ ąȵɃȹȷ ȶȯȽɃɀȹȷȽȫȻ ȼɂȶȫȽȳȴȻ ˃ ɁȾɀȳȴȻ ȹ3ȼɅȫȻ, ȽȺџąȹȷ
Ƚȳȷ ȰNȫ ȴȫ ȹ3 ȰNȫ, ȴȳȷȱȽ ʵɁȾɀȫ, ąȺ'Ȼ ȫ3Ƚ' ȶџȷȹȷ Ƚȷ ȽHȷ ȼɂȶȪȽɂȷ
Ȯȳȫȶȹȷȷ ąȫȺȫȼąȫȺɃȷȽȹȻ ȫ3ȽȹȻ Ƚȹ8 ɁȾɀȹȯȳȮȹ8Ȼ, wobei erstere Stelle
eindeutig unter dem Einfluss Epikurs steht.
36 Einleitung

Iambl. De an. 36 p. 64, 22ff. flatus in calamo per cavernas…


Finamore-Dillon (= Stob. Anth. 1,
49, 43 p. 384 W.):ȱ ȯ Ȯ ąȫȺ-
ȼąȫȺȽȫȳ ȶ ȷ ȴȫ ʿȷȯȼȽȳȷ ˂ ɁȾɀ
ȽN ȼѡȶȫȽȳ (vgl. den Kommentar
zu T 4 [b]).
Aët. 4, 4, 6, vgl. oben.

Infolge der chronologischen Unsicherheit ist es nicht einfach, genau zu


bestimmen, auf welchem Weg Epikur die Lehre Stratons kennengelernt
hat 99; er könnte auch trotz der räumlichen Distanz zwischen den Autoren
durch eine Schrift mit der Physik Stratons vertraut gewesen sein. Die
durch den Zustand der Zeugnisse verkomplizierte Frage lässt keine siche-
re und definitive Antwort zu; man sollte sich darauf beschränken, bei
diesen zeitgleich wirkenden Autoren eine sehr ähnliche Theorie festzustel-
len. Man kann vermuten, dass das Pneuma als Bestandteil der Seele nicht
oder nicht nur Aristoteles, sondern auch Straton entnommen wurde, auch
wenn sie im Rahmen der atomistischen Lehre umgearbeitet wurde. Eine
Abhängigkeit Epikurs von Dikaiarch oder Aristoxenos statt von Straton
anzunehmen wäre deswegen nicht ratsam, weil die zwei Schüler des Aris-
toteles nicht von einem leitenden Vermögen ausgingen, das über einen
bestimmten Sitz verfügt, aber den übrigen Seelenteilen homogen ist. Viel-
leicht hatte die epikureische Lehre mit Blick auf die zwei direkten Schüler
des Aristoteles gegen die Theorie von der Seele als Harmonia (in der
vorstratonianischen Phase) polemisiert. Das Ziel war natürlich nicht, eine
Transzendenzpsychologie zu vertreten, sondern der Lehre zu widerspre-
chen, es gebe kein leitendes Vermögen und die Seele sei keine Substanz.
Von dieser Polemik ist meines Wissens keine Spur im Text Epikurs
verblieben; Lukrez nahm allerdings polemisch Stellung zur Meinung der-
jenigen, die das Wahrnehmungsvermögen für im ganzen körperlichen
Leib verstreut hielten. Bei Johannes Philoponos ist noch eine Spur der
Polemik Epikurs gegen Straton zu finden: Epikur hatte der Lehre von der
Seele als Harmonia widersprochen und diese für eine – wenn auch stoffli-
che und sterbliche – Substanz gehalten 100.
_____________
99 Vgl. Erler 1994, 76.
100 Vgl. oben Dikaiarch fr. 7 Wehrli, und Lucr. 3, 98ff.: sensum animi certa non esse in
parte locatum/ veritum habitum quendam vitalem corporis esse/ harmoniam Grai quam
dicunt, quod faciat nos/ vivere cum sensu, nulla cum in parte siet mens… sic animi sensum non
certa parte reponunt/ magno opere in quo mi diversi errare videntur. Zur Polemik Epikurs
gegen Straton vgl. Philop. In de an. 407 b 27ff., p. 142, 5ff. Hayduck; zu dieser
Stelle und zur Polemik gegen Straton vgl. Warren 2006.
Die hellenistische Seelenlehre 37

Die in Ep. Hdt. 63 als Voraussetzung angenommene Körperlichkeit


der Seele wird im Folgenden bekräftigt:
Ep. Hdt. 67, 6-9: DȼȲ’ ȹ ȵɃȭȹȷȽȯȻ ʱȼѡȶȫȽȹȷ ȯȷȫȳ Ƚȷ ɁȾɀȷ ȶȫȽȫȳȑȰȹȾȼȳȷ.
ȹ3Ȳ ȷ ȭ Ⱥ ʳȷ ȮѠȷȫȽȹ ąȹȳȯȷ ȹ6Ƚȯ ąȪȼɀȯȳȷ, ȯ ˇȷ ȽȹȳȫѠȽȱ· ȷ8ȷ Ȯ’ ȷȫȺȭHȻ
ʱȶȿџȽȯȺȫ Ƚȫ8Ƚȫ ȮȳȫȵȫȶȬȪȷȹȶȯȷ ąȯȺ Ƚȷ ɁȾɀȷ Ƚ ȼȾȶąȽѡȶȫȽȫ.
Der Ursprung dieses Arguments betrifft uns unmittelbar: es wird, mit
Kleanthes als Vermittler, auch von Soranos (T 2) wieder als Beweis für die
Körperlichkeit der Seele herangezogen. Das Argument lag Epikur beson-
ders am Herzen und wurde auch in ąȯȺ ȿѠȼȯɂȻ [34, 14, 1-5 Arrighetti]
angeführt 101: ȸ ,ȭȴɂȷ ȯȷȫȳ ȼɂȶȫȽȳȴHȷ ąȯąȹȳȱȶ ȷȹȷ, ȯȽȫ ȴȹȳȷ'ȷ
ʼȫȾȽȻ ąȯȲȯѡȺȱȼȯ ąȪȲȹȻ. Auch wenn in Epikurs Text keine klare Aus-
sage steht, so steht die Benutzung der Kategorien von Wirken und Leiden
mit großer Wahrscheinlichkeit in Zusammenhang mit dem Verhältnis
zwischen Leib und Seele, d.h., wäre die Seele unkörperlich, so könnte sie
mit dem verschiedenartigen Leib nicht in Verbindung stehen (wobei die
Verbindung im mechanistischen Sinne als Berührung zwischen zwei Kör-
pern aufgefasst wird) 102.
Der Argumentationsgang kann wie bei Annas – die allerdings den
Text Epikurs nicht direkt in Betracht zieht – folgendermaßen schemati-
siert werden: 1. nur Körper können miteinander interagieren; 2. Seele und
Leib stehen miteinander in Wechselwirkung; 3. die Seele ist ein Körper 103.
Zu diesem erstmals bei Epikur nachgewiesenenen Argument wird auch
Kleanthes zurückkehren, der ählich wie Lukrez die Interaktion zwischen
Leib und Seele für eine körperliche Berührung hält: Berührung kann es
nur zwischen zwei Körpern geben 104. Es bleibt eventuell zu erklären, auf
welche Weise die physische Vereinigung des Seelenkörpers mit dem Leib
stattfindet. Die Stoiker, die die Materie als continuum betrachteten, konnten
ohne Schwierigkeit das gegenseitige Durchdringen zweier Körper anneh-
men. Bei Epikur ist dies anders, für ihn muss der Seelenkörper in den
Zwischenräumen des Leibes einen Platz finden. Auch in diesem Fall steht
_____________
101 Vgl. den Kommentar, 627ff. Das Neutrum in Zeile 2-3 hielt Arrighetti für das
fünfte [scil. das vierte] der Elemente, aus denen die Seele besteht; man könnte
auch das ȼHȶȫ wie in Ep. Hdt. 63 interpretieren.
102 Eine Parallele bei Lucr. 3, 161ff.: haec eadem ratio naturam animi atque animai/
corpoream docet esse: ubi enim propellere membra/ corripere ex somno corpus, mutareque
vultum/ atque hominem totum regere ac versare videtur/ quorum nil fieri sine tactu posse
videmus/ nec tactum porro sine corpore, nonne fatendumst/ corporea natura animum constare
animamque?; dasselbe Argument, das auf den gemeinsamen Sinneswahrneh-
mungen von Leib und Seele basiert, findet sich bei Lucr. 3, 175f.: ergo corpoream
naturam animi esse necessest/ corporeis quoniam telis ictuque laborat.
103 Vgl. Annas 1992, 41.
104 Vgl. die Syllogismen von Kleanthes und Chrysipp in T 2.
38 Einleitung

im Text Epikurs keine klare Aussage; faute de mieux sollten wir seine An-
sicht mithilfe der Aussagen des Lukrez rekonstruieren. Demokrit behaup-
tete, Seele und Leib seien in der Weise miteinander vereinigt, dass deren
Atome nebeneinandergestellt seien; wir wissen allerdings, dass Lukrez
dieser Lehre widersprach, und haben somit Grund zu der Annahme, dass
Epikur derselben Meinung war 105. Man kann folglich nur annehmen, dass
die Seele für Epikur in Zwischenräumen anderer Art (d.h. in den Kanälen,
vielleicht in den Venen) im Leib verstreut ist; diese Theorie scheint von
einigen Textpassagen bei Lukrez bestätigt zu werden (auch wenn wir nur
vermuten und nicht mit Sicherheit davon ausgehen können, dass die Leh-
re des Lukrez völlig mit der seines Meisters übereinstimmt):
(a) Aller Wahrscheinlichkeit nach bestätigt Ps.-Platon, Ax. 366 a die Streuung der
epikureischen Seele mittels der Poren (es ist nicht nötig, das Vorkommen epiku-
reischer Materialien im Axiochos erneut nachzuweisen: vgl. nur Erler 2005; Tulli
2005): ȷџȼȹȾȻ Ȯ ȴȫ ȿȵȯȭȶȹȷ Ȼ ȽHȷ ȫȼȲȱȽȱȺɅɂȷ, ʿȽȳ Ȯ Ƚ Ȼ ȷȽ'Ȼ
ȴȫȴџȽȱȽȫȻ, ȹ Ȼ ʱȷȫȭȴȫȼȽHȻ, ʶȽȯ ąȫȺȯȼąȫȺȶɃȷȱ ȽȹȻ ąџȺȹȳȻ, ˂ ɁȾɀ
ȼȾȷȫȵȭȹ8ȼȫ Ƚ'ȷ ȹ3ȺȪȷȳȹȷ ąȹȲȯ ȴȫ ȼѠȶȿȾȵȹȷ ȫȲɃȺȫ; für die Funktion der
Poren im Kontext der Verdauung vgl. Asklepiades von Bithynien ap. Cael. Aur.
Acut. Morb. 1, 113 (im Kommentar zu T 11 und die dort angeführte Literatur).
(b) An zwei Stellen begegnet die aus vier Teilen zusammengesetzte Junktur venae
viscera nervi ossa: vgl. 3, 566ff.: nimirum, quia per venas et viscera mixtim/ per
nervos atque ossa tenentur corpore ab omni/ nec magnis intervallis primordia
possunt/ libera dissultare, ideo conclusa moventur/ sensiferos motus; dieselbe
Kombination findet sich in 3, 690ff.: namque ita conexa est per venas viscera
nervos/ ossaque, uti dentes quoque sensu participentur. Nur zwei Termini in 3,
123: deserit extemplo venas atque ossa relinquit. Die ständige Bezugnahme auf
die venae muss an die – wenn auch rekonstruierte – stratonianische Lehre erin-
nern. Die aus Lukrez zu erschließenden Angaben sind aber leider unsystematisch
und ungenau: sollte man glauben, dass sich die epikureische Seele in den ossa oder
in den viscera bewegt (was am wenigsten ratsam ist)? Man sollte besser darauf ver-
zichten, Unklares genau bestimmen zu wollen: halten wir fest, dass sich die epi-
kureische Seele in unidentifizierten Kanälen bewegt; die Erwähnung der Kno-
chen scheint vor allem ein poetischer Zusatz zu sein: für die Seele in den
Knochen gäbe es keine Parallele.
(c) In anderen Passagen benutzt Lukrez den Terminus caulae, um die Streuung der
Seele im Leib zu bezeichnen: es handelt sich wahrscheinlich um eine lukrezische
Umarbeitung eines Terminus aus der Landwirtschaft, der nicht in die spätere la-
teinische Sprache übernommen wurde; das Wort begegnet in dieser Bedeutung
tatsächlich nur bei Lukrez (vgl. ThlL III, 650, 26-31; Verg. Aen. 9, 60: lupus fremit
ad caulas). Er benutzt dieses Wort in zwei Zusammenhängen, in Bezug auf die
Kanäle, in denen sich die Seele bewegt, und in Bezug auf die Wahrnehmungspo-
ren: vgl. 3, 702: dispertitus enim per caulas corporis omnis/ ut cibus, in membra
_____________
105 Vgl. DK 68 A 108 (= Lucr. 3, 370ff.): illud in his rebus nequaquam sumere possis/
Democriti quod sancta viri sententia ponit/ corporis atque animi primorida singula privis/
apposita alternis variare ac nectere membra. Hierzu vgl. auch Diano 1974, 146ff.
Die hellenistische Seelenlehre 39

atque artus cum diditur omnis,/ disperit atqua aliam naturam sufficit ex se/ sic
anima atque animus quamvis integra recens in/ corpus eunt, tamen in manando
dissolvuntur,/ dum quasi per caulas omnis diduntur in artus/ particulae quibus
haec animi natura creatur/ quae nunc in nostro dominatur corpore nata; das sel-
tene caulae scheint die Übersetzung für einen Begriff zu sein, den die Römer nicht
kannten – z.B. ąџȺȹȻ. Auch in diesem Fall ist es unmöglich, die Einzelheiten zu
ermitteln: zur Streuung der Nahrung im Leib vgl. Soranos ą.ȭ. 2, 13 p. 51 Ilberg;
T 38; Demokrit DK 68 C 1, vgl. unten).
Wenn Epikur die Lehre Demokrits missbilligt, so stellt sich die Frage, aus
welchem Grund der Leiter des Kepos zu seinem Gewährsmann im Be-
reich der Physik kritisch Stellung bezieht. Für eine definitive Antwort
bräuchte man Textzeugnisse, über die man leider nicht verfügt; man kann
allerdings annehmen, dass die caulae mit den Kanälen gleichzusetzen sind,
in denen sich laut Straton die Seele bewegt.
Die Verwendung der Porentheorie bei Epikur ist allerdings auch im
Bereich der Wahrnehmungstheorie gut nachzuweisen, auch wenn man oft
nur über enttäuschende Papyrusfragmente verfügt; andererseits ist auch
für Lukrez die Vorstellung bezeugt, dass die für die Wahrnehmung ver-
antwortlichen Korpuskel durch die Öffnungen in den Leib eindringen.
Zu Epikur vgl. 34, 26, 9ff.: ȴȫ Ƚ ȴ Ƚȹ8 ąȯȺȳ ɀȹȷȽȹȻ ȴȫȽP ʱȷ ȭȴȱȷ Ȯȳ Ƚȹ1Ȼ
ą&ȺȹȾȻ ȯȼȺ ȹȷȽȫ ąȫȺP ˂ȶ˦Ȼ ąȹȽȯ ȭȯȷȯȼȲȫȳ ȴȫ ąȫȺ Ƚ Ȼ ˂ȶȯȽ ȺȫȻ ȸ ˂ȶHȷ
ȫ3ȽHȷ ȮџȸȫȻ; 36, 23: ʿȸɂ ȽHȷ ąџȺɂȷ ȭȭȷȯȼȲȫ ȽȳȻ ȼȾȶȶȯȽȺȫ (vgl. Arrighetti
1973, 646: die ą&Ⱥȹȳ gehören zum wahrnehmenden Organismus); Epikur wider-
spreche nicht der Lehre von der ȼȾȶȶȯȽȺȫ im allgemeinen, sondern nur derjeni-
gen, der zufolge die ȼȾȶȶȯȽȺȫ außerhalb des Organismus stattfindet, z.B. der pla-
tonischen Theorie über den Gesichtssinn: Plut. Adv. Col. 1109 a [= 152 Arr., vgl.
Aët. 4, 9, 6 p. 397 Diels]: ȽHȷ ąȯȺ Ƚ ȫȼȲȱȽɄȺȳȫ ąџȺɂȷ. Die caulae werden auch
bei Lukrez im Kontext der Wahrnehmungstheorie verwendet: vgl. 4, 618ff.: inde
quod exprimimus per caulas omne palati/ diditur et rarae perplexa foramina lingu-
ae./ hoc ubi levia sunt manantis corpora suci/ suaviter attingunt et suaviter omnia
tractant; zu einem anderen Terminus, der denselben Wahrnehmungsvorgang be-
zeichnet, vgl. 4, 728: quippe etenim multo magis haec sunt tenuia textu/ quam quae
percipiunt oculos visumque lacessunt/ corporis haec quoniam penetrant per rara
cientque/ tenuem animi naturam intus sensumque lacessunt.
Die Lehre, der zufolge die Wahrnehmung mittels der Poren stattfindet, ist
seit den Vorsokratikern so verbreitet, dass man die Art und Weise der
Tradierung bis zu Epikur als Endpunkt nicht ermitteln kann; die Poren-
theorie begegnet bei Alkmaion, Empedokles, Heraklit, aber auch bei den
Atomisten wie z.B. Leukipp und Demokrit; die zeitliche Entfernung man-
cher Quellen sollte nicht negativ ins Gewicht fallen, viele unter ihnen
waren in Theophrasts De sensibus zu finden.
(a) Zur Porentheorie im Bereich der Wahrnehmung vgl. Heraklit DK 22 A 16
(= Sext. Emp. Adv. Math. 7, 129-130): ȷ ȭ Ⱥ ȽȹȻ 4ąȷȹȳȻ ȶȾȼȪȷȽɂȷ ȽHȷ
ȫȼȲȱȽȳȴHȷ ąџȺɂȷ ɀɂȺɅȰȯȽȫȳ ȽȻ ąȺ'Ȼ Ƚ' ąȯȺȳɃɀȹȷ ȼȾȶȿȾȑȫȻ ( ȷ ˂ȶȷ ȷȹ8Ȼ,
40 Einleitung

ȶџȷȱȻ ȽȻ ȴȫȽ ʱȷȫąȷȹȷ ąȺȹȼȿѠȼȯɂȻ ȼLȰȹȶɃȷȱȻ ȹȹȷȯɅ ȽȳȷȹȻ .ɅȰȱȻ,


ɀɂȺȳȼȲȯɅȻ Ƚȯ ʱąȹȬȪȵȵȯȳ ˄ȷ ąȺџȽȯȺȹȷ ȯɀȯ ȶȷȱȶȹȷȳȴȷ ȮѠȷȫȶȳȷ· ȷ Ȯ
ȭȺȱȭџȺȼȯȳ ąȪȵȳȷ Ȯȳ ȽHȷ ȫȼȲȱȽȳȴHȷ ąџȺɂȷ DȼąȯȺ ȮȳȪ Ƚȳȷɂȷ ȲȾȺɅȮɂȷ
ąȺȹȴѠɁȫȻ ȴȫ ȽN ąȯȺȳɃɀȹȷȽȳ ȼȾȶȬȫȵAȷ ȵȹȭȳȴȷ ȷȮѠȯȽȫȳ ȮѠȷȫȶȳȷ; Alkmaion
DK 24 A 5 (= Thphr. De sens. 26 p. 506 Diels): ʲąȪȼȫȻ Ȯ Ƚ Ȼ ȫȼȲɄȼȯȳȻ
ȼȾȷȱȺȽȼȲȫɅ ąɂȻ ąȺ'Ȼ Ƚ'ȷ ȭȴɃȿȫȵȹȷ, Ȯȳ' ȴȫ ąȱȺȹ8ȼȲȫȳ ȴȳȷȹȾȶɃȷȹȾ ȴȫ
ȶȯȽȫȵȵȪȽȽȹȷȽȹȻ Ƚȷ ɀѡȺȫȷ· ąȳȵȫȶȬȪȷȯȳȷ ȭ Ⱥ Ƚȹ1Ȼ ąџȺȹȾȻ, Ȯȳ’ Jȷ ȫ
ȫȼȲɄȼȯȳȻ. ąȯȺ Ȯ ʲȿȻ ȹ3ȴ ȯȺȱȴȯȷ ȹ6Ƚȯ ąHȻ ȹ6Ƚȯ ȽɅȷȳ ȭɅȷȯȽȫȳ; Empedokles
DK 31 A 87 (= Ioh. Philop. In de gen. et corr. p. 160, 3 Vitelli): ʱȷȫȭȴȫȹȷ,
ȿȱȼɅ, ȽN ϶ȶąȯȮȹȴȵȯ ȵɃȭȯȳȷ ȯȷȫɅ Ƚȳȷȫ ȼȽȯȺȯ ȴȫ ʱȮȳȫɅȺȯȽȫ, Ȯȳ Ƚ' ȶ ȯȷȫȳ
ąȪȷȽ Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ ąџȺȹȾȻ ȼȾȷȯɀȯȻ; Ibid. pp. 177, 32 – 178, 2: ˇȼȫȷ Ȯ ˆ Ƚȯ
Ȯȳ ąџȺɂȷ Ƚȹ8Ƚȹ ȭɅȷȯȼȲȫȳ ȵɃȭȹȾȼȫ ˈȻ ϶ȶąȯȮȹȴȵȻ ąȺȹȯȳȼȽɄȴȯȳ, ȴȫ ˂ Ȯȳ
Ƚȹ8 ȴȯȷȹ8 BȻ ȹ ąȯȺ ȕȱȶџȴȺȳȽȹȷ ȴȫ ȜȯѠȴȳąąȹȷ 2ąȯȵȪȶȬȫȷȹȷ. *Ƚȳ ȹ9ȷ ȹ3
Ȯȳ ąџȺɂȷ ȭɅȷȯȽȫȳ Ƚ' ąȹȳȯȷ ȴȫ Ƚ' ąȪȼɀȯȳȷ, ȮȯɅȴȷȾȼȳȷ ȹ4ȽɂȻ. Die Poren-
theorie steht bei Demokrit mit der Lehre von den Ausströmungen in Zu-
sammenhang, vgl. DK 68 A 135 (= Thphr. De sens. 74): ʿȽȳ Ȯ Ƚ Ȼ ʱąȹȺȺȹɅȫȻ
ȷɂȲȯȻ ȴȫ ȽȫȺȫɀѡȮȯȳȻ· ȮȳȫȿɃȺȯȳȷ ȭȪȺ Ƚȳ ȴȫ Ƚȷ ʱąȹȺȺȹȷ ȽN ąȹȳ ȷ ȯȷȫȳ
ąȺ'Ȼ Ƚȷ ȿȫȷȽȫȼɅȫȷ, ˄ȷ ȭɅȷȯȼȲȫȳ Ȯȳ Ƚȷ ȷȫąџȵȱɁȳȷ Ƚȹ8 ʱɃȺȹȻ ʱȵȵȹɅȫȷ;
DK 68 A 135 (= Thphr. De sens. 80): (Ⱥ˦ȷ ȮɃ ȿȱȼȳ Ȯȳ Ƚȷ ʱąȹȺȺȹȷ ȴȫ
Ƚȷ ʿȶȿȫȼȳȷ Ƚȷ ȯȻ Ƚȷ ,Ɂȳȷ· ȯ Ȯ Ƚȹ8ȽP ʿȼȽȳ, ȽɅ ȮȳȹɅȼȯȳ Ƚȹ1Ȼ ąџȺȹȾȻ
ȴȯȼȲȫȳ ȴȫȽ’ ʱȵȵɄȵȹȾȻ ˃ ąȫȵȵȪȽȽȯȳȷ; auch die Theorie von den Bildern wäh-
rend des Schlafes ist bei Demokrit zu finden, vgl. DK 68 A 77 (= Plut.
Quaest. conv. 8, 10, 2 p. 734 f): 2ąȹȲɃȶȯȷȹȻ Ƚȹ8Ƚȹ Ȯ Ƚȹ3ąȳȮɄȶȳȹȷ * ȿȱȼȳȷ
ȕȱȶџȴȺȳȽȹȻ ȭȴȫȽȫȬȾȼȼȹ8ȼȲȫȳ Ƚ ȯȮɂȵȫ Ȯȳ ȽHȷ ąџȺɂȷ ȯȻ Ƚ ȼѡȶȫȽȫ
ȴȫ ąȹȳȯȷ Ƚ Ȼ ȴȫȽ 4ąȷȹȷ ,ɁȯȳȻ ąȫȷȫȿȯȺџȶȯȷȫ; zur Streuung der Nahrung
durch die Poren des Leibes vgl. DK 68 C 1 (= Damox. fr. 2 ȢѠȷȽȺȹȿȹȳ):
ȽȹȳȭȫȺȹ8ȷ ȯȻ Ƚȹ1Ȼ ąџȺȹȾȻ/ o: ȭ Ⱥ, ȵ ȭȯȳ ȕȱȶџȴȺȳȽȹȻ, ȹ3 Ȯȯ ąȺȪȭȶȫȽȫ
ȭȳȷџȶȯȷȫ ąȹȳȯ Ƚ'ȷ ȿȫȭ&ȷȽȃ ʱȺȲȺȳȽȳȴџȷ.
(b) Die ȼȾȶȶȯȽȺȫ ermöglicht, dass jedes Sinnesorgan nur die Wahrnehmung leis-
tet, für die es zuständig ist, vgl. Epikur Ep. Hdt. 49, 7ff.: ȹ4ȽɂȻ BȻ ȽѠąɂȷ ȽȳȷHȷ
ąȯȳȼȳџȷȽɂȷ ˂ȶȷ ʱą' ȽHȷ ąȺȫȭȶȪȽɂȷ (ȶȹɀȺџɂȷ Ƚȯ ȴȫ (ȶȹȳȹȶџȺȿɂȷ ȴȫȽ
Ƚ' ȷȫȺȶџȽȽȹȷ ȶɃȭȯȲȹȻ ȯȻ Ƚȷ ,Ɂȳȷ ˃ Ƚȷ ȮȳȪȷȹȳȫȷ; Ibid., 53, 10ff.: ȴȫ ȶȷ
ȴȫ Ƚȷ )ȼȶȷ ȷȹȶȳȼȽɃȹȷ, DȼąȯȺ ȴȫ Ƚȷ ʱȴȹȷ ȹ3ȴ ʵȷ ąȹȽȯ ȹ3Ȳ ȷ ąȪȲȹȻ
ȺȭȪȼȫȼȲȫȳ, ȯ ȶ ,ȭȴȹȳ Ƚȳȷ Ȼ ˇȼȫȷ ʱą' Ƚȹ8 ąȺȪȭȶȫȽȹȻ ʱąȹȿȯȺџȶȯȷȹȳ
ȼѠȶȶȯȽȺȹȳ ąȺ'Ȼ Ƚȹ8Ƚȹ Ƚ' ȫȼȲȱȽɄȺȳȹȷ ȴȳȷȯȷ (hierzu vgl. Diano 1974, 156);
Plut. Adv. Col. 1109 a (= 152 Arrighetti): ȫ Ȯ ąȹȵȾȲȺ0ȵȱȽȹȳ ȼȾȶȶȯȽȺȫȳ ȴȫ
ʲȺȶȹȷȫȳ ȽHȷ ąȯȺ Ƚ ȫȼȲȱȽɄȺȳȫ ąџȺɂȷ; Lucr. 4, 649ff.: semina cum porro
distent differre necessest/ intervalla viasque, foramina quae perhibemus/ omni-
bus in membris et in ore ipsoque palato/ esse minora igitur quaedam maioraque
debent/ esse triquetra aliis, aliis quadrata necessest/ multa rotunda modis multis
multangula quaedam/ namque figurarum ratio ut motusque reposcunt/ proinde
foraminibus debent differre figurae/ et variare viae proinde ac textura coërcet;
Empedokles DK 31 A 86 (= Thphr. De sens. 7): ϶ȶąȯȮȹȴȵȻ Ȯ ąȯȺ ʲąȫȼHȷ
(ȶȹɅɂȻ ȵɃȭȯȳ ȴȫɅ ȿȱȼȳ ȽN ȷȫȺȶџȽȽȯȳȷ ȯȻ Ƚȹ1Ȼ ąџȺȹȾȻ Ƚȹ1Ȼ ʼȴȪȼȽȱȻ
ȫȼȲȪȷȯȼȲȫȳ· Ȯȳ' ȴȫ ȹ3 ȮѠȷȫȼȲȫȳ Ƚ ʱȵȵɄȵɂȷ ȴȺɅȷȯȳȷ, *Ƚȳ ȽHȷ ȶ ȷ ȯ3ȺѠȽȯȺȹɅ
ąɂȻ, ȽHȷ Ȯ ȼȽȯȷѡȽȯȺȹȳ ȽȾȭɀȪȷȹȾȼȳȷ ȹ ąџȺȹȳ ąȺ'Ȼ Ƚ' ȫȼȲȱȽџȷ, BȻ Ƚ ȶ ȷ
ȹ3ɀ ʲąȽџȶȯȷȫ ȮȳȯȾȽȹȷȯȷ, Ƚ Ȯ’ *ȵɂȻ ȯȼȯȵȲȯȷ ȹ3 ȮѠȷȫȼȲȫȳ; die Anpassung
der Ausströmungen an die Poren wird auch bei nicht lebenden Wesen ange-
Die hellenistische Seelenlehre 41

nommen, vgl. DK 31 A 86 (= Thphr. De sens. 12): ȷȫȺȶџȽȽȯȳ ȭ Ⱥ ȴȫ ȽȹȻ ȽHȷ


ʱɁ0ɀɂȷ ą&ȺȹȳȻ, *ȵɂȻ ȭ Ⱥ ąȹȳȯ Ƚȷ ȶȸȳȷ Ƚ ȼȾȶȶȯȽȺˤ ȽHȷ ąџȺɂȷ. Zur
Theorie, der zufolge die Poren nicht nur in Lebewesen vorhanden sind, die mit
Wahrnehmung begabt sind, sondern im Prinzip in jedem Wesen, vgl. Empedo-
kles DK 31 A 87 (= Arist. De gen. et corr. 1, 8, 324 b 26ff.) = Leukipp DK 67 A 7:
ȽȹȻ ȶ ȷ ȹ9ȷ Ȯȹȴȯ ąȪȼɀȯȳȷ ˀȴȫȼȽȹȷ ȮȳȪ Ƚȳȷɂȷ ąџȺɂȷ ȯȼȳџȷȽȹȻ Ƚȹ8
ąȹȳȹ8ȷȽȹȻ ȼɀȪȽȹȾ ȴȫ ȴȾȺȳɂȽȪȽȹȾ, ȴȫ Ƚȹ8Ƚȹȷ Ƚ'ȷ ȽȺџąȹȷ ȴȫ (Ⱥ˦ȷ ȴȫ
ʱȴȹѠȯȳȷ ˂ȶ˦Ȼ ȿȫȼȳ ȴȫ Ƚ Ȼ ʵȵȵȫȻ ȫȼȲɄȼȯȳȻ ȫȼȲȪȷȯȼȲȫȳ ąȪȼȫȻ, ʿȽȳ Ȯ
(Ⱥ˦ȼȲȫȳ ȮȳȪ Ƚȯ ʱɃȺȹȻ ȴȫ 4ȮȫȽȹȻ ȴȫ ȽHȷ ȮȳȫȿȫȷHȷ, Ȯȳ Ƚ' ąџȺȹȾȻ ʿɀȯȳȷ
ʱȹȺȪȽȹȾȻ ȶ ȷ Ȯȳ ȶȳȴȺџȽȱȽȫ, ąȾȴȷȹ1Ȼ Ȯ ȴȫ ȴȫȽ ȼȽȹɀȹȷ, ȴȫ ȶ˦ȵȵȹȷ ʿɀȯȳȷ
Ƚ Ȯȳȫȿȫȷ ȶ˦ȵȵȹȷ. ȹ ȶ ȷ ȹ9ȷ ąɅ Ƚȳȷɂȷ ȹ4Ƚɂ ȮȳѡȺȳȼȫȷ, DȼąȯȺ ȴȫ
϶ȶąȯȮȹȴȵȻ, ȹ3 ȶџȷȹȷ ą ȽHȷ ąȹȳȹѠȷȽɂȷ ȴȫ ąȫȼɀџȷȽɂȷ, ʱȵȵ ȴȫ
ȶȯɅȭȷȾȼȲȫɅ ȿȱȼȳȷ *ȼɂȷ ȹ ąџȺȹȳ ȼѠȶȶȯȽȺȹȳ ąȺ'Ȼ ʱȵȵɄȵȹȾȻ ȯȼɅȷ. (ȮN Ȯ
ȶȪȵȳȼȽȫ ȴȫ ąȯȺ ąȪȷȽɂȷ ʼȷ ȵџȭL ȮȳɂȺɅȴȫȼȳ ȜȯѠȴȳąąȹȻ ȴȫ ȕȱȶџȴȺȳȽȹȻ,
ʱȺɀȷ ąȹȳȱȼȪȶȯȷȹȳ ȴȫȽ ȿѠȼȳȷ ˆąȯȺ ȼȽɅ. Dass Epikur die Lehre der
ȼȾȶȶȯȽȺȫ von Leukipp und Demokrit übernommen hat, ist natürlich die wahr-
scheinlichste Hypothese; man muss aber auch berücksichtigen, dass die Theorie
sich auch bei Diogenes von Apollonia findet, vgl. DK 64 A 19 (= Thphr. De sens.
39 p. 510 Diels): Ƚȷ ȶ ȷ ,ȼȿȺȱȼȳȷ ȽN ąȯȺ Ƚ'ȷ ȭȴɃȿȫȵȹȷ ʱɃȺȳ· Ƚȹ8Ƚȹȷ ȭ Ⱥ
ʵȲȺȹȾȷ ȯȷȫȳ ȴȫ ȼѠȶȶȯȽȺȹȷ Ƚ )ȼȶ.
Andererseits wusste Epikur seine Unabhängigkeit von den Ansichten
Stratons zu bewahren. Als Korollar der Porentheorie kam der Schulleiter
des Peripatos zu einer meines Wissens zuvor unbekannten Schlussfolge-
rung: das Wahrnehmungsorgan sei eine reine Öffnung ohne eigene Fähig-
keit zur Wahrnehmung, für diese sei allein die Seele verantwortlich; durch
diese Öffnungen könne sie sich nach außen ›hinauslehnen‹ und mit der
Außenwelt direkt und ohne ein Hilfsmittel (physisch) Kontakt aufneh-
men 106. In Auseinandersetzung mit dieser Auffassung sprach Epikur den
einzelnen Sinnesorganen Funktion und Wahrnehmungsfähigkeit innerhalb
des Wahrnehmungsvorgangs zu; das Vorbild, das den Leiter des Kepos
dazu veranlasst haben dürfte, die stratonianische Lehre abzulehnen, wurde
zu Recht im Text des Aristoteles ermittelt107. Der ursprüngliche Text Epi-
kurs ist leider verloren, wir können nur die Angaben der Doxographie
_____________
106 Diano 1974, 146; 160, behauptete, diese Lehre käme bei den im Folgenden
zitierten Vorsokratikern vor. Man muss allerdings unterscheiden, ob nur
Öffnungen vorhanden sind, die mit den Wahrnehmungsfunktionen in
Verbindung stehen, oder ob die Sinnesorgane an sich wahrnehmungsunfähig
gedacht sind. Mit anderen Worten können die Augen, das Ohr, die Zunge oder
die Nase als wahrnehmungsfähig betrachtet werden, auch wenn man Öffnungen
annimmt, die ermöglichen, dass das Innere des Körpers mit dem Äußeren
Verbindung aufnimmt. Klare Aussagen über die Wahrnehmungsunfähigkeit der
Sinnesorgane sind meines Wissens nicht bei den Vorsokratikern zu finden.
107 Vgl. Diano 1974, 146; 148-149 mit Bezug auf De sensu 438 b 5; Arist. An. 426 b 8;
vgl. auch Repici 1988, 42.
42 Einleitung

oder des Lukrez heranziehen; ebenso unangenehm ist für uns die Unmög-
lichkeit, genau zu ermitteln, welche Auffassung über die Wahrnehmungs-
fähigkeit der Sinnesorgane die Zustimmung des Soranos fand.
Zur Auffassung Stratons vgl. Plut. De soll. an. 3, 961 a (= Straton fr. 112 Wehrli):
ȴȫɅȽȹȳ ȢȽȺȪȽɂȷџȻ ȭȯ Ƚȹ8 ȿȾȼȳȴȹ8 ȵџȭȹȻ ȼȽȷ ʱąȹȮȯȳȴȷѠɂȷ BȻ ȹ3Ȯ’
ȫȼȲȪȷȯȼȲȫȳ Ƚ' ąȫȺȪąȫȷ ʵȷȯȾ Ƚȹ8 ȷȹȯȷ 2ąȪȺɀȯȳ, zusammen mit dem Zitat
aus Epicharm, DK 23 B 12: ȷȹ8Ȼ (Ⱥ ȴȫ ȷȹ8Ȼ ʱȴȹ0ȯȳ, Ƚʷȵȵȫ ȴɂȿ ȴȫ ȽȾȿȵ ,
wobei wir leider nicht ermitteln können, mit welcher Bedeutung und mit Bezug
auf welchen Nous Epicharm diesen Vers geschrieben hatte; mit klarem Bezug auf
Straton, der zu den genannten physici gehört, Cic. Tusc. 1, 20, 46: neque est enim
ullus sensus in corpore, sed, ut non physici solum docent verum etiam medici
(vgl. unten); Ibid.: animum et videre et audire, non eas partis quae quasi fenestrae
sint animi. Für die Meinung Epikurs sollten wir auf die Angaben bei Alexander
von Aphrodisia und Cicero beschränken (In de sens. 51, 3 p. 24 Wendland [= fr.
319 Usener]):ȱ ˂ȭȯȽȫȳ Ȯ ȫ3ȽџȻ (scil. ȕȱȶџȴȺȳȽȹȻ) Ƚȯ ȴȫ ąȺ' ȫ3Ƚȹ8
ȜȯѠȴȳąąȹȻ ȴȫ 4ȼȽȯȺȹȷ Ȯ ȹ ąȯȺ Ƚ'ȷ ϶ąɅȴȹȾȺȹȷ ȯȮɂȵȪ Ƚȳȷȫ ʱąȹȺȺɃȹȷȽȫ
(ȶȹȳџȶȹȺȿȫ ȽȹȻ ʱȿ’ Jȷ ʱąȹȺȺȯ (Ƚȫ8Ƚȫ ȮɃ ȼȽȳ Ƚ (ȺȫȽȪ) ȶąɅąȽȯȳȷ ȽȹȻ
ȽHȷ (ȺѡȷȽɂȷ )ȿȲȫȵȶȹȻ ȴȫ ȹ4ȽɂȻ Ƚ' (Ⱥ˦ȷ ȭɅȷȯȼȲȫȳ, Cic. De nat. deor. 1, 38,
108: vos autem non modo oculis imagines sed etiam animis inculcatis; vgl. Diano
1974, 146; 160; vgl. zudem auch die Widerlegung bei Lukrez 3, 359ff.: dicere
porro oculos nullam rem cernere posse/ sed per eos animum ut foribus spectare
reclusis/ difficilest, contra cum sensus dicat eorum/ sensus enim trahit atque
acies detrudit ad ipsas… praeterea si pro foribus sunt lumina nostra/ iam magis
exemptis oculis debere videtur/ cernere res animus sublatis postibus ipsis; die
Sehfähigkeit ist also in der Pupille lokalisiert: 3, 408f.: ut lacerato oculo circum si
pupula mansit/ incolumis stat cernundi vivata potestas/ dum modo ne totum
corrumpas luminis orbem… 413f.: at si tantula pars oculi media illa peresa est/
occidit extemplo lumen tenebraeque secuntur.
Das Verhältnis Epikurs zu Straton ist also komplex, vielleicht komplexer
als das zu Aristoteles. Bei seiner Wiederaufnahme des Atomismus konnte
Epikur nicht die Einwände des frühen Peripatos gegen die atomistische
Lehre ignorieren. Für die Theorie von einem Medium beim Gesichtssinn
hatte Demokrit die Hypothese entwickelt, der gesehene Gegenstand hin-
terlasse eine Art Abdruck in der Luft, welcher zu den Augen gelange.
Diese Theorie wurde von Theophrast scharf kritisiert: es sei absurd, dass
ein Körper wie die Luft, der über keine eigene Gestalt verfüge, einen Ab-
druck aufnehmen oder bewahren könne. Epikur wurde vielleicht von
Theophrast selbst dazu veranlasst, die Theorie Demokrits aufzugeben 108:
_____________
108 Zur stoischen Lehre von der Wahrnehmung s. unten; zu diesem Berührungs-
punkt zwischen Epikur und Theophrast vgl. auch Silvestre 1985, 56-57:
»Teofrasto obiettava a Democrito che, se da ogni cosa partiva un flusso di atomi,
tale flusso non sarebbe partito solo dall’oggetto da percepire, ma anche dal
soggetto percipiente e quindi i due flussi provenienti dai sensi opposti si
sarebbero dovuti necessariamente scontrare, producendo così nell’aria un nuovo
Die hellenistische Seelenlehre 43

Ep. Hdt. 49, 1-4: Ȯȯ Ȯ ȴȫ ȷȹȶɅ- Demokrit DK 68 A 135 (=Thphr.
Ȱȯȳȷ ąȯȳȼȳџȷȽȹȻ Ƚȳȷ'Ȼ ʱą' ȽHȷ De sens. 51, pp. 513-514 Diels):
ʿȸɂȲȯȷ Ƚ Ȼ ȶȹȺȿ Ȼ (Ⱥ˦ȷ ˂ȶ˦Ȼ ȴȫ ąȺHȽȹȷ ȶ ȷ ȹ9ȷ ʵȽȹąȹȻ ˂
ȮȳȫȷȹȯȼȲȫȳ· ȹ3 ȭ Ⱥ ʳȷ ȷȫąȹ- ʱąȹȽѠąɂȼȳȻ ˂ ȷ ȽN ʱɃȺȳ. Ȯȯ
ȼȿȺȫȭɅȼȫȳȽȹ Ƚ ʿȸɂ Ƚȷ ʼȫȾȽHȷ ȭ Ⱥ ʿɀȯȳȷ ąȾȴȷџȽȱȽȫ ȴȫ ȶ
ȿѠȼȳȷ Ƚȹ8 Ƚȯ ɀȺѡȶȫȽȹȻ ȴȫ ȽȻ ȲȺѠąȽȯȼȲȫȳ Ƚ' ȽȾąȹѠȶȯȷȹȷ,
ȶȹȺȿȻ Ȯȳ Ƚȹ8 ʱɃȺȹȻ Ƚȹ8 ȶȯȽȫȸ1 DȼąȯȺ ȴȫ ȫ3Ƚ'Ȼ ȵɃȭȯȳ ąȫȺȫ-
˂ȶHȷ Ƚȯ ȴʱȴȯɅȷɂȷ. ȬȪȵȵɂȷ ȽȹȳȫѠȽȱȷ ȯȷȫȳ Ƚȷ
ȷȽѠąɂȼȳȷ, ȹ ȹȷ ȯ ȴȶȪȸȯȳȫȻ ȯȻ
ȴȱȺџȷ. ʿąȯȳȽȫ ȶ˦ȵȵȹȷ ȷ 4ȮȫȽȳ
ȽȾąȹ8ȼȲȫȳ ȮȾȷȫȽџȷ, *ȼL ąȾȴȷџ-
ȽȯȺȹȷ· ˈȽȽȹȷ Ȯ (Ⱥ˦Ƚȫȳ, ȴȫɅȽȹȳ
ąȺȹȼȴȯ ȶ˦ȵȵȹȷ. *ȵɂȻ Ȯ
ʱąȹȺȺȹȷ ąȹȳȹ8ȷȽȫ ȽȻ ȶȹȺȿȻ,
DȼąȯȺ ȷ ȽȹȻ ąȯȺ ȽHȷ ȯȮHȷ, ȽɅ
Ȯȯ Ƚȷ ʱąȹȽѠąɂȼȳȷ ąȹȳȯȷ;
ȫ3Ƚ ȭ Ⱥ ȶȿȫɅȷȯȽȫȳ Ƚ ȯȮɂȵȫ.
ȯ Ȯ Ȯ Ƚȹ8Ƚȹ ȼȾȶȬȫɅȷȯȳ ȴȫ (
ʱȺ ʱąȹȶȪȽȽȯȽȫȳ ȴȫȲȪąȯȺ ȴȱȺ'Ȼ
CȲȹѠȶȯȷȹȻ ȴȫ ąȾȴȷȹѠȶȯȷȹȻ, ąHȻ
ȴȫ ąȹɅȫ ȽȳȻ ˂ ʿȶȿȫȼȳȻ ȭɅȷȯȽȫȳȆ

Eine weitere Thematik begegnet im epikureischen Umfeld meines Wissens


erstmals bei Lukrez: es handelt sich um eine direkte Folge der hellenisti-
schen Immanenzphilosophie; die Verbreitung dieser Lehre auch außerhalb
des epikureischen Milieus macht es unmöglich, die genaue Herkunft zu
ermitteln. Die Definition der Seele als Organ des körperlichen Leibes
bringt natürlich mit sich, dass die Seele zusammen mit dem Leib wachsen
und vergehen muss. Diese von Soranos akzeptierte und von Tertullian in
polemischer Absicht wiedergegebene Auffassung (T 22) ist nur in späteren

_____________
aggregato e modellandola come un pezzo di cera… Epicuro quindi secondo noi
polemizza con Teofrasto e non con Democrito: l’aria non svolge nessun ruolo
intermediario, ripete Epicuro, in linea quindi con la teoria più propria di
Democrito«. Dieser Forscherin kann ich weder hinsichtlich der Textinter-
pretation noch der Schlussfolgerung zustimmen: der Text Demokrits enthält
keinen Hinweis auf das Zusammentreffen zweier Bilder, sondern nur auf den in
der Luft hinterlassenen Abdruck; Demokrit hatte behauptet, dass ein Medium
notwendig sei, Epikur hatte die Hypothese vielleicht auf Drängen Theophrasts
aufgegeben.
44 Einleitung

›kontaminierten‹ Quellen nachgewiesen, so dass die Zuschreibung zum


Kepos als ›erstem Erfinder‹ nur eine Vermutung sein kann 109.
Soweit aus den Zeugnissen ersichtlich ist, stammt von Epikur auch ei-
ne lexikalische Definition, die für die medizinischen und philosophischen
Milieus der hellenistischen und römischen Zeit eine wichtige Rolle spielen
wird. Die epikureische Erkenntnislehre beruhte auf einem starken Sensua-
lismus, nach dem die Wahrnehmung mit einem körperlichen Kontakt
zwischen dem Wahrnehmenden und dem Wahrgenommenen (oder den
von ihm ausgehenden Ausströmungen) gleichzusetzten sei; auch das Den-
ken folge dem Prinzip von körperlichem Kontakt und Bewegung. Im
übrigen ließ die epikureische Physik keine Existenz außerhalb der Atome
und des Leeren zu; hieraus ergab sich das Problem der Erklärung, wie
abstrakte Begriffe fassbar seien, wie z.B. Raum oder Zeit. Das Problem
löste man mithilfe der Analogie: für diese Abstrakta, die nur auf diese
Weise und nicht über die Wahrnehmung fassbar sind, d.h. vor allem die
Zeit und die Götter, schuf Epikur den Ausdruck ȵџȭL ȲȯɂȺȱȽџȻ, d.h.
sinnlich nicht wahrnehmbar, sondern mittels Logik begreifbar. Im Inter-
aktionsklima zwischen Philosophie und Naturwissenschaft wird auch die
Medizin diese Junktur regelmäßig verwenden, um alle Wesenheiten zu
bezeichnen, die nicht unmittelbar sinnlich wahrnehmbar sind (die Verbin-
dung wurde auch in diesem Falle aller Wahrscheinlichkeit nach durch die
Schule des Herophilos hergestellt). Deswegen ist die Verwendung der
Junktur ȵџȭL ȲȯɂȺȱȽџȻ im Zusammenhang mit unsichtbaren Poren im
methodischen Milieu der Kaiserzeit so verbreitet; auch in den Quellen, die
Material von Soranos enthalten, ist dieser Ausdruck sehr oft zu finden;
seine erste Verwendung im Bereich der Medizin wurde durch von Staden
bei Alexander Philalethes ermittelt: in diesem Fall ist die Vermittlung von
Asklepiades von Bithynien eindeutig 110.
_____________
109 Vgl. Lucr. 3, 445: praeterea gigni pariter cum corpore et una/ crescere sentimus pariterque
senescere mentem; zu anderen Stellen und einem Beleg im stoischen Umfeld
(Antipatros von Tarsos) vgl. den Kommentar zu T 22.
110 Zu ȵџȭL ȲȯɂȺȱȽџȻ bei Epikur: ɀȺџȷȹȻ ȵ.Ȳ. in Ep. Hdt. 47, 1; 62, 4; Ȯȳ ȵџȭȹȾ
ȲȯɂȺȱȽȹ ɀȺџȷȹȳ in Ep. Hdt. 62, 7; Ȳȯȹ ȵџȭL ȲȯɂȺȱȽȹ in KD 1, 4 (schol.); Aët.
1, 7, 34, p. 306 Diels (= 257 Arrighetti); dass Alexander Philalethes diesen
Terminus für die Anwendung im medizinischen Bereich urbar machte, sollte
nicht erstaunen, da sein Interesse gleichzeitig Heilkunde und Philosophie galt
(vgl. von Staden 1989, 531ff.); zur häufigen Anwendung dieser Junktur bei
Soranos vgl. den Kommentar zu T 11; zum technischen Charakter dieses
Ausdrucks vgl. Diano 1974, 158ff.; vgl. auch Casadei 1997, 95: dieser Ausdruck
sei schon für Anaxagoras nachgewiesen (59 A 46) und könne deswegen nicht als
»indizio sicuro della dottrina atomista« betrachtet werden; Tatsache bleibt
allerdings, dass diese Junktur ausschließlich nach Epikur und nur bei Atomisten
Die hellenistische Seelenlehre 45

Um zum Abschluss zu kommen: unter physiologischen und theoreti-


schen Gesichtspunkten zeigt der Kepos weniger Persönlichkeit als z.B. die
aufkommende Stoa; dies bringt einen geringeren Widerstand gegen das
Eindringen fremder Elemente mit sich, vor allem des aristotelischen oder
stratonianischen Peripatos. Aus dieser Schule scheint der Kepos die See-
lenlehre übernommen haben, der zufolge die Seele neben anderen Kom-
ponenten auch aus Pneuma besteht und im ganzem Leib verstreut ist –
wahrscheinlich in Hohlräumen, die nicht genau zu ermitteln sind. Auch
die stofflich homogene Komposition der Seele und die gleichzeitige An-
wesenheit eines leitenden Vermögens, das über einen bestimmten Sitz
verfügt, zeigt eine Analogie zum Physiker aus Lampsakos. Andererseits
kann der Wunsch, auf Demokrits Atomismus zurückzugreifen, nicht über
Aristoteles’ und Theophrasts Einwände gegen diesen hinwegsehen lassen.
Das Verhältnis zum Peripatos ist also problematisch: es gibt zwar gemein-
same Elemente, allerdings auch Punkte, an denen Epikur die Tendenz
zeigt, sich zu distanzieren: die Lehre Stratons, der zufolge das Sinnesorgan
nicht über eine Wahrnehmungsfähigkeit verfügt, wird von Epikur ent-
schieden abgelehnt; das leitende Vermögen lokalisiert Epikur ganz anders
als Straton in der Brust und nicht im Kopf.
Die Leitlinien der hellenistischen Seelenlehre sind bereits skizziert
worden; schon sind die Punkte zu sehen, welche die unterschiedlichen
kommenden Traditionen trennen werden: die stoffliche Natur der Seele
ist eine allgemeine Voraussetzung, man streitet gegebenenfalls über die
Komponenten; das Vorhandensein eines leitenden Vermögens ist unum-
stritten, ein eventueller Streitpunkt ist, ob es über einen bestimmten Sitz
verfügt oder nicht; die sensualistische Erkenntnislehre ist ein weiteres
Merkmal, das allen Schulen gemeinsam ist; was Raum für Diskussionen
lässt, ist die Wahrnehmungsfähigkeit der einzelnen Organe und die Art
der Verbindung zwischen den Sinnesorganen und dem leitenden Vermö-
gen.

1.5. Die Stoiker


Die ›Dogmatisierung‹ und Systematisierung der Seelenlehre, die schon bei
Straton zu beobachten ist, findet ihren Höhepunkt in der letzten hellenis-
tischen Schule, d.h. in der Stoa.
Als Zenon, der etwa zehn Jahre jünger war als Epikur (er wurde um
333/332 geboren), nach Athen kam (gegen 311), verstand er noch nichts
von Philosophie; im selben Zeitraum siedelte sich der zukünftige Leiter

_____________
in Hülle und Fülle verbreitet ist; vgl. hierzu auch Pigeaud 1989, 180ff.; Vegetti
1993, 101ff.
46 Einleitung

des Kepos nach dem Aufenthalt in Lampsakos in Attika an. Vielleicht war
die Abneigung gegen das epikureische System der Faktor, der Zenon dazu
veranlasste, eine eigene Schule zu gründen; nicht selten waren Zenons
Stellungnahmen positive oder negative Reaktionen auf die Position des
Kepos 111. Andererseits fiel das Wirken Zenons größtenteils in den Zeit-
raum der Schulleitung Theophrasts und Stratons, so dass es nicht verwun-
dern kann, beim ersten Vertreter der Stoa Spuren einer gedanklichen
Schuld gegenüber dem zeitgenössischen Peripatos zu finden.
Wenn das quantitative Missverhältnis der uns aus den zwei Schulen
überlieferten Texte nicht irreführend ist, zeigt die Stoa eine größere Ten-
denz zur Systematisierung und zur Kodifikation von Argumenten, die
innerhalb der Schule ausgearbeitet oder anderen philosophischen Rich-
tungen entlehnt wurden. Die von der hellenistischen Philosophie ausgear-
beiteten Argumente, die als Beweis der Körperlichkeit der Seele herange-
zogen wurden, sind im wesentlichen drei; sie werden alle in der
Doxographie überliefert und stimmen mit Soranosfragmenten überein,
wobei der Stoa eine Vermittlerrolle zukommt 112. Der erste Beweis wird
unter dem Namen Zenons überliefert, und es besteht kein Grund, dem
ersten Schulleiter die Urheberschaft abzusprechen. Das Argument wird in
zwei verschiedenen Formen überliefert, deren Untersuchung lohnend sein
kann. Die erste Form ist bei Soranos-Tertullian zu finden (T 2); um es
kurz zu machen, geben wir nur die Begriffsstruktur des Syllogismus wie-
der 113:

1. Definition: die Seele ist ȼѠȶȿȾȽȹȷ ąȷȯ8ȶȫ.


2. was, wenn man es enfernt, den Tod des Lebewesens verursacht,
muss ein Körper sein.
3. infolge der Entfernung des ȼѠȶȿȾȽȹȷ ąȷȯ8ȶȫ stirbt das Lebewesen.
4. das ȼѠȶȿȾȽȹȷ ąȷȯ8ȶȫ ist ein Körper.
5. (infolge der Definition): die Seele ist ein Körper.

_____________
111 Vgl. Pohlenz 1948, 22-23; Sedley 2003, 9-13; Dorandi 1991, 61-62.
112 Vgl. SVF II, 790-800; Soranos, T 2.
113 Tert. An. 5, 3 (= Soranos T 2 = SVF I, 137). Hierzu vgl. Annas 1992, 39ff., aus
deren Buch die Begriffsstruktur mit einigen Änderungen übernommen wurde;
vgl. allerdings auch Schofield 1983, 39 und Waszink 1947, 128; die Definition
von consitus spiritus, die wir im tertullianischen Text finden, ist also keine vom
Afrikaner vorgenommene Änderung; vgl. das ąȷȯ8ȶȫ ȼȾȶȿȾ Ȼ SVF II, 774; II,
778, ȼѠȶȿȾȽȹȷ ąȷȯ8ȶȫ bei SVF II, 885.
Die hellenistische Seelenlehre 47

Eine unterschiedliche Variante dieses Syllogismus ist bei Calcidius zu le-


sen 114:

1. was, wenn man es enfernt, den Tod des Lebewesens verursacht, ist
die Seele.
2. infolge der Entfernung des ȼѠȶȿȾȽȹȷ ąȷȯ8ȶȫ stirbt das Lebewesen.
3. die Seele ist ȼѠȶȿȾȽȹȷ ąȷȯ8ȶȫ.

Die unterschiedliche Form, in der der Syllogimus überliefert wird, könnte


die Zuverlässigkeit einer der beiden Varianten in Zweifel ziehen, und tat-
sächlich wurde Tertullians Text korrigiert und dem des Calcidius angegli-
chen; andererseits wurde auch unabhängig von den Problemen der Text-
konstitution die von Tertullian überlieferte Form für eine ›garbled version‹
gehalten 115. Von Arnim hatte allerdings die tertullianische Form des Syllo-
gismus Zenons verteidigt 116; wenn Ziel dieses Argumentes wirklich war,
die Körperlichkeit der Seele zu beweisen, so wurde dies bei Calcidius gar
nicht erreicht, bei dem die Gleichsetzung zwischen ȼѠȶȿȾȽȹȷ ąȷȯ8ȶȫ und
Materie fehlt; andererseits zitiert der Platonkommentator den Syllogismus
nicht als Beweis für die Körperlichkeit der Seele, sondern nur als Zeugnis
für Zenons Beschäftigung mit dem spiritus (spiritum quippe Zeno quaerit hacte-
nus); dem Zeugnis über Zenon folgt allerdings das über Chrysipp, das
ɁȾɀ und Pneuma gleichsetzt, was bedeutet, dass sich die zwei stoischen
Fragmente ursprünglich in einem unterschiedlichen Kontext befanden117.
Dass Tertullian seine philosophischen Quellen oft achtlos zitiert, ist un-
bestritten; in diesem Fall hat man allerdings das Gefühl, als sei dieses Ar-
gument vor Calcidius entstellt worden und Tertullian gebe die ursprüngli-
che Version des Gedankenvorgangs wieder.
Schon anhand dieses Arguments kann man sich eine Vorstellung der
Seelenlehre des Gründers der Stoa machen; das ȼѠȶȿȾȽȹȷ ąȷȯ8ȶȫ, mit dem
schon in der Definition die Seele gleichgesetzt wird, muss körperlich sein,
damit es vom Leib getrennt werden kann. Daraus erschließt sich e contrario,

_____________
114 Vgl. Calc. In Tim. 220 p. 232 Waszink (= SVF I, 138): spiritum quippe Zeno quaerit
hactenus: quo recedente a corpore moritur animal, hoc certe anima est. naturali porro spiritu
recedente moritur animal: naturalis igitur spiritus anima est.
115 Schofield 1983, 39.
116 Vgl. die Anmerkung zu SVF I, 137, 38: »mihi etiam formam syllogismi apud
Tertullianum traditam defendi posse persuasum est. Nam verba “consitum
spiritum definiens animam” fundamentum indicant, cui Zeno hunc syllogismum
superstruxit«; hierzu auch Waszink 1947, 172.
117 Vgl. SVF II, 879 (aus Chrysipps De anima: der dritte Schulleiter interpretierte
vielleicht das Argument für eigene Zwecke um).
48 Einleitung

dass Zenon die Vereinigung von Seele und Leib für einen Kontakt zwi-
schen Körpern hielt (auf diese Voraussetzung wird auch der dritte Schul-
leiter mit einem nicht identischen, aber ähnlichen Beweis zurückkom-
men).
Wie schon seit längerer Zeit anerkannt ist, ist die Definition der Seele
als ȼѠȶȿȾȽȹȷ ąȷȯ8ȶȫ ein Berührungspunkt mit der Lehre des Aristoteles
(De part. an. 659 b 17-18: ȴȫ ą ȷȽȫ ȽN ȼȾȶȿ0ȽL ąȷȯ0ȶȫȽȳ Ƚȹ8
ȼ@ȶȫȽȹȻ DȼąȯȺ ȴȳȷȯȽȫȳȊ Ƚȹ8Ƚȹ 2ą Ⱥɀȯȳ ȿ0ȼȯȳ ą˦ȼȳ) 118; auch bei den
Stoikern lässt sich dieselbe materialistische Wende feststellen wie bei Stra-
ton (schwierig ist eine Aussage, ob ein direkter Einfluss bestand); auf je-
den Fall ist die Gleichsetzung von psychischem Prinzip und Pneuma, die
bei Straton nur zu vermuten war, bei den Stoikern klar zu erkennen.
Ein Teil der Doxographie berichtet, dass Zenon ɁȾɀ und Feuer
gleichsetzt 119; die Frage nach der Vereinbarkeit der Quellen stellt aller-
dings in diesem Fall kein wirkliches Problem dar: die Natur des Pneumas
ist sowohl auf kosmologischer als auch auf psychologischer Ebene feurig,
so dass das konstitutive Element der Seele auch als Wärme bestimmt wer-
den kann 120; auch infolge dieser thermischen Merkmale zeigt sich das
psychische Pneuma Zenons scheinbar als Erbe des peripatetischen Pneu-
mas. Charakteristisch für das stoische psychische Pneuma ist im Vergleich
zu anderen Schulen (vor allem zu Stratons Peripatos und dem Kepos) die
Ähnlichkeit zum göttlichen Prinzip; diese Ähnlichkeit lässt sich durch
verschiedene Aspekte erklären: zuerst durch die feurige Natur, dann durch
die Intelligenz, mit der das Seelenpneuma ausgestattet ist (wenn auch nicht
auf derselben qualitativen Ebene); der Nous ist der stofflichen Zusam-
mensetzung homogen und kann jede physische Wesenheit durchdringen.
Ein konstantes Element ist auch die Analogie (die normalerweise mit
Verben der Bewegung ausgedrückt wird) zwischen der Art und Weise, wie
die menschliche Seele den Leib durchdringt, und derjenigen, wie das gött-
liche Feuer die Welt durchdringt 121.
_____________
118 Zu dieser Stelle und ihrem Einfluss auf das stoische Pneuma vgl. Jaeger 1913,
45ff.; Diano 1974, 136; Lapidge 1978, 168.
119 SVF I, 134 (= Cic. Acad. Post. 1, 39): Zeno statuebat ignem esse ipsam naturam quae
quoique gigneret mentem atque sensus; Ibid., De fin. 4, 12 (scil. quinta natura) ex qua ratio
et intelligentia oriretur, in quo etiam de animis cuius generis essent quaereretur, Zeno id dixit
esse ignem; Ibid., Tusc. 1, 19: Zenoni stoico animus ignis videtur.
120 Vgl. SVF I, 135: ȗɄȷɂȷ Ȯ ( țȳȽȳȯ0Ȼ.. ąȷȯ8ȶȫ ʿȷȲȯȺȶȹȷ ȯȷȫȳ Ƚȷ ɁȾɀȷ.
121 Das aktive Prinzip ist gleichzeitig ein stoffliches und geistiges Prinzip, ohne dass
diese Eigenschaften voneinander trennbar wären: vgl. Long 1999, 561; zur
Analogie zwischen kosmologischem und menschlichem Pneuma vgl. auch Frede
2005, 229: »dans ce corps vivant intelligent, Dieu prend alors la forme d’une âme
dont l’hegemonikon est la raison ou l’intellect«; zur Analogie der Vereinigung von
Die hellenistische Seelenlehre 49

Zur feurigen Natur des göttlichen Pneumas vgl. SVF I, 157 (= Aët. 1, 7, 23):
ȗɄȷɂȷ ( ȢȽɂȳȴ'Ȼ ȷȹ8ȷ ȴџȼȶȹȾ ąѠȺȳȷȹȷ; I, 158 (= Them. De an. 2, p. 64, 25):
Ȯȳ ąȪȼȱȻ ȹ3ȼȫȻ ąȯȿȹȳȽȱȴ ȷȫȳ Ƚ'ȷ Ȳȯ'ȷ ȽȳȲȯȶ ȷȹȳȻ ȴȫ ąȹ8 ȶ ȷ ȯȷȫȳ ȷȹ8ȷ,
ąȹ8 Ȯ ɁȾɀȷ, ąȹ8 Ȯ ȿ0ȼȳȷ; zur Fähigkeit des Pneumas, die Materie zu durch-
dringen vgl. SVF I, 153: Ȯȳ ąȪȷȽɂȷ Ȯ Ȯȳȴȯȳȷ Ƚȷ ąȺ&ȷȹȳȫȷ ȫ3Ƚȹ8; I, 159:
Ȯȳ ąȪȼȱȻ 4ȵȱȻ ȴȫ ȽȻ ʱȽȳȶȹȽ ȽȱȻ Ƚ' Ȳȯȹȷ ȮȳɄȴȯȳȷ ȵɃȭȹȷȽȫȻ; Ibid., ąȷȯ8ȶȫ
Ȯȳȴȹȷ; der eigentliche Terminus ist Ȯȳȴȯȳȷ (aber vgl. oben ȿȹȳȽȪɂ); die Römer
versuchten auf verschiedene Weise, diesen Terminus zu übersetzen: Tertullian
benutzt transire oder decurrere (SVF I, 155: Tert. Nat. 2, 4, 10: eum [scil. deum] per
illam [scil. materiam] tamquam mel per favos transisse dicit; Herm. 44, 1: stoici
enim volunt deum sic per materiam decucurrisse quomodo mel per favos); pertine-
re bei Cicero (De nat. deor. 1, 36, SVF I, 161: per omnem naturam rerum pertinen-
tem). Im Falle Zenons enthalten die Fragmente zur Seelenlehre keine so reichhal-
tigen Angaben wie zur Kosmologie; die Vereinigung von Seele und Leib scheint
mit dem ȮȳɄȴȯȳȷ des ersten Prinzipes durch die Materie gleichzusetzen zu sein; für
das Stimmvermögen (das auf jeden Fall ein Vermögen der Seele ist) vgl. SVF I,
150: ąȷȯ8ȶȫ ȮȳȫȽȯȷȹȷ ʱą' Ƚȹ8 ˂ȭȯȶȹȷȳȴȹ8 ȶ ɀȺȳ ȿ ȺȾȭȭȹȻ ȴȫ ȭȵѡȽȽȱȻ.
Das Verb ȮȳɄȴȯȳȷ wird andererseits von den späteren Stoikern für das gegenseiti-
ge Durchdringen von Leib und Seele gebraucht: SVF II, 785: ˃ ą8Ⱥ ˃ ąȷȯ8ȶȫ
ȵȯąȽȹȶȯȺ Ȼ ȼȽȳ Ȯȳ ąȫȷȽ'Ȼ Ȯȳȴȹȷ Ƚȹ8 ȶɁ0ɀȹȾ ȼѡȶȫȽȹȻ; II, 797: ą˦ȷ Ƚ'
ȼHȶȫ ʿȶɁȾɀȹȷ ąHȻ ȼHȶȫ Ȯȳ ȼѡȶȫȽȹȻ Ȯȳȴȯȳ Ȯȯȳȴȷ0ȷȫȳ Ȯȯ; II, 798: ȽN
ȵ ȭȹȷȽȳ Ƚȷ ɁȾɀȷ ȼHȶȫ ˀąȯȽȫȳ Ƚ' ȼHȶȫ Ȯȳ ȼѡȶȫȽȹȻ ɀɂȺȯȷ; II, 799: ȯ
ȼHȶȫ ȹ9ȼȫ ˂ ɁȾɀ ȮȳȵȲȯ Ȯȳ ąȫȷȽџȻ.
Bei den Stoikern, anders als bei Straton oder Epikur, stellt sich nicht das
Problem einer Bestimmung, wie der Seelenkörper den Leib durchdringen
kann. Für die Philosophen der Stoa gibt es kein Leeres innerhalb des
Kosmos, sondern nur außerhalb; innerhalb des Kosmos gibt es nur die
Materie, die allerdings als continuum und nicht als korpuskular betrachtet
wird und das gegenseitige Durchdringen der Körper ermöglicht (SVF I,
96ff.). Dieses Charakteristikum der stoischen Physik muss nicht für eine
reine gelehrte Besonderheit gehalten werden: hierauf ruhen in der Tat die
philosophischen Tragbalken der Stoa. In einem System wie dem stoischen,
in welchem die ganze Welt aus dem passiven und dem aktiven Prinzip
besteht, d.h. aus Materie und Pneuma (wobei auch das Pneuma als stoff-
lich betrachtet wird), ist die Bedingung, dass zwei Körper einander durch-
dringen können, von grundlegender Bedeutung. Ohne diese Vorausset-
zung blieben die zwei Prinzipien voneinander getrennt, und nichts könnte
existieren (die spätere Geistesmetaphysik, z.B. in Alexander von Aphrodi-
sias De mixtione, wird genau diese Voraussetzung zu widerlegen versuchen,
indem sie auf konzeptuelle Schwierigkeiten hinweist) 122. Als Konsequenz
_____________
Pneuma und Materie auf kosmologischer Ebene und von Seele und Leib auf
anthropologischer Ebene vgl. Long 1982, 36ff.; Lapidge 1978, 163; 165.
122 Vgl. SVF II, 463ff.; Frede 2005, 214: was unkörperlich ist, kann weder wirken
noch leiden, also auch keine Ursache sein; vgl. Isnardi Parente 2005, 176f.; zur
50 Einleitung

des physikalischen Ansatzes lassen die Stoiker die Porentheorie fallen, die
bei Straton zu finden und vielleicht auch bei Epikur hinter den lukrezi-
schen caulae auszumachen ist: diese stellt für die Stoiker eine überflüssige
Lösung für ein Problem dar, das für sie nicht existiert. Der Körper der
Seele und der des Leibes können einander komplett durchdringen, ohne
auf Hohlräume oder Kanäle angewiesen zu sein. Die menschliche Seele
kann sich im ganzen Leib und nicht nur in den Venen gleichmäßig
verstreuen (vgl. das, was oben über die Analogie zwischen der Vereini-
gung des Pneuma mit der Materie und derjenigen der Seele mit dem Leib
beobachtet worden ist).
Die homogene stoffliche Zusammensetzung der Seele stört nicht die
Einheit der Funktionen, welche schon der Schulgründer für zahlreich hält
und mit dem Terminus ȶɃȺȹȻ definiert. Die Vielzahl dieser Funktionen
wird mit der Einheit der Seele in eindeutig materialistischem Sinne in Ein-
klang gebracht: in Übereinstimmung mit der stoischen Ontologie werden
die verschiedenen Vermögen als Eigenschaften (ąȹȳџȽȱȽȯȻ) eines einzigen
stofflichen Substrats (2ąȹȴȯȶȯȷȹȷ) interpretiert 123.
Neben der Verwandtschaft zwischen der Seele und dem kosmischen
Prinzip besteht die größte Originalität der stoischen Seelenlehre in der
Unterteilung der Seele, die schon beim ersten Schulleiter nicht weniger als
acht Teile vorsieht (vgl. T 10); von diesen ist der erste das leitende Ver-
mögen (welches wie schon bei Epikur für einen Teil des ganzen Organis-
mus gehalten wird), zu dem die fünf Sinne, das Reproduktionsvermögen
und das Stimmvermögen treten 124. Diese schon zu Beginn der Stoa nach-
gewiesene Unterteilung in acht Teile wurde erst allmählich um den be-
rühmten Vergleich mit den Tentakeln des Polypen ergänzt. Abgesehen
von den übrigen Teilen scheint das Hegemonikon Zenons im Vergleich
zum leitenden Vermögen Stratons oder Epikurs keine besonderen funkti-
onellen Eigenschaften zu haben (der Erkenntnisvorgang, der im Hegemo-
nikon stattfindet, mag bei den Stoikern anders sein, wobei er sehr kompli-
ziert ist).
Die von Tertullian-Soranos überlieferte stratonianische Definition des
principale/ ˂ȭȯȶȹȷȳȴџȷ (T 13; Straton, fr. 110 Wehrli) muss nunmehr als

_____________
Bedeutung dieser Mischung vgl. auch Long 1982, 39ff.; zur Lehre von den zwei
Prinzipien vgl. Todd 1978, 139; 141; Lapidge 1978, 165; die zwei Prinzipien
werden auch allegorisch mit Zeus und Hera gleichgesetzt; vgl. Lapidge 1978, 166;
zur ȶȸȳȻ vgl. erneut Todd 1978, 155.
123 Zu den ontologischen Kategorien vgl. Long - Sedley 2000, 190; vgl. SVF I, 142.
Vgl. SVF I, 143: ȗɄȷɂȷ Ȯ ( ȢȽɂȳȴ'Ȼ )ȴȽȫȶȯȺ ȿȱȼȳȷ ȯȷȫȳ Ƚȷ ɁȾɀɄȷ,
ȮȳȫȳȺHȷ ȫ3Ƚȷ ȯȻ Ƚȯ Ƚ' ˂ȭȯȶȹȷȳȴ'ȷ ȴȫ ȯȻ Ƚ Ȼ ą ȷȽȯ ȫȼȲȼȯȳȻ ȴȫ ȯȻ Ƚ'
ȿɂȷȱȽȳȴ'ȷ ȴȫ Ƚ' ȼąȯȺȶȫȽȳȴ&ȷ; SVF I, 144 (= Soranos T 10).
Die hellenistische Seelenlehre 51

Überlagerung der Lehre Stratons durch die stoische Terminologie aufge-


fasst werden; aber eine solche Kontamination wurde vielleicht durch die
Ähnlichkeit der zwei Systeme ermöglicht. Was den terminologischen Be-
fund beim ersten stoischen Schulleiter betrifft, so kann man nicht darüber
hinwegsehen, dass Platon (erneut im Timaios) und Aristoteles in ähnlicher
Weise die Denkfähigkeit als ›Leiter‹ definieren:
Tim. 70 b 8: ȴȫ Ƚ' ȬɃȵȽȳȼȽȹȷ ȹ4ȽɂȻ ȷ ȫ3ȽȹȻ ą˦ȼȳȷ ˂ȭȯȶȹȷȯȯȷ N; Eth. Nic.
1113 a 5ff.: ąȫѠȯȽȫȳ ȭ Ⱥ ˀȴȫȼȽȹȻ ȰȱȽHȷ ąHȻ ąȺȪȸȯȳ, *Ƚȫȷ ȯȻ ȫ2Ƚ'ȷ
ʱȷȫȭȪȭ Ƚȷ ʱȺɀɄȷ, ȴȫ ȫ2Ƚȹ8 ȯȻ Ƚ' ˂ȭȹѠȶȯȷȹȷ. vgl. auch Isokr. Nicocl. 9:
ʱȵȵ ȴȫ ȽHȷ ʿȺȭɂȷ ȴȫ ȽHȷ ȮȳȫȷȹȱȶȪȽɂȷ ʲąȪȷȽɂȷ ˂ȭȯȶџȷȫ ȵџȭȹȷ ,ȷȽȫ,
ȴȫ ȶȪȵȳȼȽȫ ɀȺɂȶɃȷȹȾȻ ȫ3ȽN Ƚȹ1Ȼ ąȵȯȼȽȹȷ ȷȹ8ȷ ʿɀȹȷȽȫȻ.
Das von Straton im Kopf lokalisierte leitende Vermögen war, wie schon
gesagt, innerhalb der antiken Physiologie eine Einzelmeinung. Auch Ze-
non nahm aus diesem Grund für das Hegemonikon eine kardiozentrische
Lage an; den Beweis hierfür sah er in dem Umstand, dass die Stimme aus
der Brust durch den Rachen bis zum Mund gelangt; die Stimme sei aber
Ausdruck der Vernunft, weshalb diese in der Brust zu lokalisieren sei 125.
Die im Herzen zu lokalisierende stofflich homogene Seele veranlasste
Zenon auch zu der Vorstellung, die Seele nähre sich durch das Blut 126.
Der Sitz des Hegemonikon im Herzen findet auch die Zustimmung des
Soranos, der hier also mehr der stoischen als der epikureischen Auffas-
sung folgt. Auch das Zitat des Empedokles-Verses in T 13 scheint einge-
fügt zu sein, um die Theorie von der Verbindung von Seele und Blut zu
bestätigen (auch wenn der Philosoph das Blut mit dem Denken gleichsetz-
te und nicht behauptete, das Denken werde durch das Blut mit Nahrung
versorgt; akzeptierte Soranos die stoische Lehre, der zufolge die Seele sich
von Blut ernährt?). Die Ähnlichkeit der hellenistischen Lehren ermöglicht
allerdings auch, verschiedene Meinungen ohne große Schwierigkeit zu
vereinen: der Sitz des Hegemonikon im Herzen bei den Stoikern ist bei
eingehender Betrachtung eine nähere Bestimmung, keine Alternative zur
epikureischen Theorie, die das Hegemonikon ohne genauere Angabe in
der Brust verortet.
Die Verwandtschaft der menschlichen Seele mit dem kosmischen
Pneuma und dessen Teilhabe an der stofflichen Materie können bei Ze-
non nicht die Unsterblichkeit der Seele ausmachen. Die pneumatische

_____________
125 Vgl. SVF I, 148: ȿɂȷ Ȯȳ ȿȪȺȾȭȭȹȻ ɀɂȺȯ. ȯ Ȯ ˇȷ ʱą' Ƚȹ8 ȭȴȯȿ ȵȹȾ
ɀɂȺȹ8ȼȫ, ȹ3ȴ ʳȷ Ȯȳ ȿ ȺȾȭȭȹȻ ɀ@Ⱥȯȳ. *Ȳȯȷ Ȯ ȵџȭȹȻ ȴȫ ȿɂȷ ȴȯȲȯȷ
ɀɂȺȯ. ȵџȭȹȻ Ȯ ʱą' Ȯȳȫȷ&ȳȫȻ ɀɂȺȯ, DȼȽP ȹ3ȴ ȷ ȽN ȭȴȯȿ ȵL ȼȽȷ ˂
Ȯȳ ȷȹȳȫ. Zu diesem Argument vgl. I, 150.
126 Vgl. SVF I, 140: țȵȯ ȷȲȯȳ ȴȫ ȦȺȾȼąąL ȴȫ ȗȷɂȷȳ ȽȺ ȿȯȼȲȫȳ ȶ ȷ ȸ
ȫȶȫȽȹȻ ȿɄȼȫȷȽȳ Ƚȷ ɁȾɀȷ.
52 Einleitung

Natur ermöglicht der Seele ein Weiterleben nach dem körperlichen Tod,
weswegen bei Zenon die Definition der Seele als »dauerhaftes (nicht un-
sterbliches) Pneuma« zu finden ist; das Weiterleben außerhalb des Leibes
kann nicht ewig währen: die Seele reibt sich allmählich auf (ȴȮȫąȫȷ˦Ƚȫȳ),
bis zur endgültigen Vernichtung (ȯȻ Ƚ' ʱȿȫȷ Ȼ). Unter diesem Gesichts-
punkt scheint auch der stoische Schulgründer voll und ganz ein Kind
seiner Zeit zu sein 127.
Im Bereich der Seelenlehre scheint die vom zweiten Schulleiter der
Stoa, Kleanthes (zwischen 262 und 232 tätig), eingebrachte Neuerung
nicht besonders bemerkswert zu sein. Ein von Eusebios überliefertes
Zeugnis lässt erkennen, dass Kleanthes die Lehre seines Vorgängers über-
nommen hatte (ąȯȺ Ȯ ɁȾɀȻ țȵȯ ȷȲȱȻ ȶ ȷ Ƚ ȗȷɂȷȹȻ Ȯ&ȭȶȫȽȫ
ąȫȺȫȽȳȲ ȶȯȷȹȻ) 128. Es stellt sich die Frage, wie viel Material, das unter
dem Namen des Kleanthes überliefert ist, tatsächlich von Zenon stammt
und für den ersten Schulleiter nur deshalb nicht nachzuweisen ist, da des-
sen Werke verloren sind. Der lückenhafte Zustand der Zeugnisse ermög-
licht kein eindeutiges Urteil und sollte vor allem davon abraten, die Sinn-
richtung der Fragmente durch Konjekturen zu ändern – iuxta lacunam ne
mutaveris: die lex Youtie sollte auch im Bereich der antiken Philosophie
Anwendung finden.
Der erste Nachfolger in der Leitung der Stoa versuchte noch, die
Körperlichkeit der Seele nachzuweisen; Soranos’ T 2 und der aus dersel-
ben Quelle schöpfende Nemesios überliefern zwei Syllogismen, die der
Philosoph aus Assos zum Nachweis dieser Körperlichkeit ausarbeitete.
Ob solche Syllogismen nur erdacht wurden, um die Lehre des ersten
Schulleiters zu kodifizieren und zu bestätigen, oder um diese innnerhalb
einer Auseinandersetzung mit anderen Schulen zu betonen, bleibt für uns
im Dunkel. Letztere Sichtweise scheint deswegen nicht ratsam, weil die
einzigen Gegner des stoischen Materialismus zu jener Zeit nur die zeit-
gleich mit Polemon und Krates wirkenden Akademiker sein konnten; es
scheint andererseits unwahrscheinlich, dass die bereits blutleere Akademie,
die sich den übrigen hellenistischen Schulen folgend vorwiegend ethischen
Interessen widmete, zur allgegenwärtigen Immanenzpsychologie pole-
misch Stellung bezogen hatte. Um nicht bereits hier den Text des Zeug-
nisses wiederzugeben, betrachten wir nur die Struktur der Syllogismen des
Kleanthes:

_____________
127 Vgl. SVF I, 146: ȴ ȵȯȳ Ƚȷ ɁȾɀȷ ąȹȵȾɀȺџȷȳȹȷ ąȷȯ8ȶȫ, ȹ3 ȶȷ Ȯ ʵȿȲȫȺȽȹȷ
ȮȳP *ȵȹȾ ʿȵȯȭȯȷ ȫ3Ƚȷ ȯȷȫȳ. ȴȮȫąȫȷ˦Ƚȫȳ ȭ Ⱥ 2ą' ąȹȵȵȹ8 ɀȺџȷȹȾ ȯȻ Ƚ'
ʱȿȫȷ Ȼ, DȻ ȿȱȼȳ.
128 Eusebios, Praep. Ev. 15, 20, 2 (= Ar. Did. fr. 39 Diels = SVF I, 519).
Die hellenistische Seelenlehre 53

a) die Ähnlichkeit zwischen Kindern und Eltern 129


1. die Kinder sind nicht nur aufgrund körperlicher, sondern auch auf-
grund geistiger Merkmale den Eltern ähnlich (animae notis).
2. Ähnlichkeit und Unähnlichkeit sind Eigenschaften körperlicher,
nicht unkörperlicher Wesen.
3. die Seele ist also ein Körper.
b) die Gemeinsamkeit der Empfindungen 130
1. nur Körper können in Wechselwirkung zueinander stehen.
2. Seele und Leib stehen in Wechselwirkung zueinander.
3. die Seele ist also ein Körper.

Das erste Argument, hinter welchem scheinbar anders als in anderen Fäl-
len keine Schultradition steht, ist repräsentativ für die Art und Weise, wie
die stoische Schule (wie sonst auch die epikureische) die geistigen Eigen-
schaften auffasste. Tertullian spricht in seinem Text von Sitten, Neigun-
gen und Affekten (morum et ingeniorum et adfectuum); auch bei Nemesios
werden Leidenschaften, Gewohnheiten und Veranlagungen erwähnt (ȽȹȻ
ą Ȳȯȼȳ, ȽȹȻ ˅Ȳȯȼȳ, ȽȫȻ ȮȳȫȲ ȼȯȼȳ); solche Charakteristika sind – genau
wie Haare, Augen und andere körperliche Eigenschaften – bei Kindern
und Eltern in ähnlicher Form ausgeprägt. Die Folge und zugleich Grund-
lage dieses Arguments ist die Überzeugung, dass auch die Wahrnehmungs-
und Erkenntnisvorgänge stoffliche Wesenheiten sind. Auch Kleanthes
scheint diese streng positivistische Grundlage vertreten zu haben, so dass
auch abstrakte Begriffe als stoffliche Wesenheiten aufgefasst werden (das
Spazierengehen sei nichts anderes als eine Ausbreitung des Hegemonikon
bis zu den Füßen, welche die Bewegung verursacht)131.
Auch das zweite Argument ist sehr nützlich, um den Gedankengang
der hellenistischen Seelenlehre zu verstehen. Wie wir schon bemerkt ha-
ben, ist auch dieser Syllogismus eine Umarbeitung des analogen epikurei-
schen Arguments, das auf den Kategorien von Wirken und Leiden basiert,
wobei Wirken und Leiden als körperlicher Kontakt aufgefasst werden.
Hierauf wird auch Chrysipp zurückgreifen, der das Argument mit demje-
nigen Zenons vereinte und den Tod als Trennung zweier Komponenten
definierte, die zuvor in Verbindung standen.

_____________
129 Vgl. Tert. An. 5, 4 (= T 2 Soranos = SVF I, 518) ~ Nemes. De nat. hom. 76-79 pp.
20f. Morani; vgl. hierzu den Kommentar zum Zeugnis und Annas 1992, 40.
130 Vgl. Tert. An. 5, 5 (= T 2 Soranos = SVF I, 518) ~ Nemes. De nat. hom. 76-79 pp.
20f. Morani; vgl. hierzu den Kommentar zum Zeugnis und Annas 1992, 41.
131 Vgl. Sen. Ep. 113, 18 (= SVF I, 525): inter Cleanthem et discipulum eius Chrysippum non
convenit quid sit ambulatio: Cleanthes ait spiritum esse a principali usque in pedes permissum.
54 Einleitung

Auch die Psychologie des Kleanthes schließt die Ewigkeit der Seele
aus, er setzt die Lehre Zenons fort und nimmt an, dass das psychische
Prinzip nach der Trennung vom Leib nur zeitlich begrenzt weiterlebt.
Dass Kleanthes die einzelne ɁȾɀ bis zur ȴą0ȺɂȼȳȻ überleben lässt, d.h.
bis zum Ende des kosmischen Zyklus, in dem sie erzeugt wurde, scheint
eine Präzisierung gegenüber dem ersten Schulleiter zu sein 132.
Folglich sollte man nicht annehmen, dass sich die Seele wie bei Zenon
nach und nach aufreibt; laut Kleanthes sollte sie während des Welten-
brands vernichtet werden. In diesem Fall ermöglicht der Zustand der
Zeugnisse jedoch nicht, genaue Einzelheiten zu ermitteln.
Wenn man den persönlichen Beitrag des dritten Schulleiters, d.h.
Chrysipps, zur stoischen Psychologie untersucht, so ergibt sich erneut ein
Problem im Zusammenhang mit dem Überlieferungsbefund: Chrysipps
Werke dürften schon in der Antike mit denjenigen der vorherigen Schul-
leiter in Konkurrenz getreten sein, bis sie fast komplett die frühere Pro-
duktion ersetzten; darum bewahrt m.E. noch heute die methodische Ent-
scheidung von Arnims in seiner Fragmentesammlung ihre Gültigkeit, der
in den Chrysipp gewidmeten Band all das aufnahm, was ohne Erwähnung
Zenons oder Kleanthes’ überliefert ist. Da es nicht möglich ist, den wah-
ren Ursprung jedes einzelnen Lehrsatzes zu überprüfen, besteht die Ge-
fahr, Chrysipp manche Lehren zuzuschreiben, die er lediglich von den
vorherigen Schulleitern ererbt hatte. Auch in diesem Fall ist es besser, auf
unsichere Wiederherstellungsversuche durch Konjekturen zu verzichten
und sich auf die Feststellung zu beschränken, dass das ganze Material,
welches in der Chrysipp gewidmeten Abteilung der stoischen Fragmente
enthalten ist, auch bei diesem zu finden war – es bleibt allerdings im Dun-
keln, ob nur bei ihm.
Chrysipp bemühte sich ebenfalls darum, die Körperlichkeit der Seele
zu beweisen; allerdings hat man das Gefühl, Chrysipp hätte diese Beweis-
führung mehr zur Kodifizierung der Schullehre benutzt als zur Reaktion
auf wirkliche Gegner. Dieser Beweis übernimmt eindeutig Zenons Syllo-
gismus über die Entfernung des angeborenen Pneumas aus dem Leib; Ziel
ist der Nachweis, dass diese Entfernung sich nur aus einem Körper voll-
ziehen kann, weshalb die Seele körperlich sein muss.

_____________
132 Vgl. Diog. Laert. 7, 157 (= SVF I, 522): țȵȯ ȷȲȱȻ ȶ ȷ ȹ9ȷ ąȪȼȫȻ ąȳȮȳȫȶ ȷȯȳȷ
(scil. Ƚ Ȼ ɁȾɀ Ȼ) ȶ ɀȺȳ ȽȻ ȴąȾȺѡȼȯɂȻ.
Die hellenistische Seelenlehre 55

Dieser Syllogismus wird neben anderen Quellen auch von Tertullian-


Soranos überliefert (T 2), darum vermeiden wir, den Text bereits hier
abzudrucken 133.

1. der Tod ist die Trennung von Seele und Leib.


2. nichts, was körperlich ist, kann sich vom Unkörperlichen trennen,
oder eine Berührung ist nicht möglich.
3. die Seele berührt sich mit dem Körper und kann sich von diesem
trennen.
4. die Seele ist körperlich.

Die Definition der Seele als körperlich lässt sich im Rahmen der stoischen
Tradition erklären, die das psychische Prinzip mit dem Pneuma gleich-
setzt. Letzteres wird bei Chrysipp mit Adjektiven definiert, die seine aktive
Rolle im Vergleich zur Passivität der sichtbaren Materie betonen; wie
schon bei Zenon wird die Seele mit dem feurigen Element in Verbindung
gebracht, das eine ›schöpferische‹ Rolle spielt (ąȾȺȹȯȳȮ Ȼ ȴȫ ȽȯɀȷȹȯȳȮ Ȼ) 134.
Bei Chrysipp wie auch bei Zenon wird die Seele mit dem angeborenen
Pneuma gleichgesetzt, weshalb bei diesen Adjektive wie ȼȾȶȿȾ Ȼ,
ȼ0ȶȿȾȽȹȷ zu lesen sind. Ebenfalls bei Chrysipp ist die menschliche Seele
mit dem kosmischen Pneuma verbunden, da sie daran Anteil hat. Ein
späteres Zeugnis des Hieronymus informiert uns, dass die Seele laut den
Stoikern a propria dei substantia stamme. Auch wenn dieses Zeugnis eine
Kontamination mit der gnostischen Wesensgleichheit suggerieren könnte,
so wird die Angabe auch bei Areios Didymos bestätigt, der das Verhältnis
zwischen der Seele des Individuums und der kosmischen Seele mit dem
Verb ąȺȹȼąȯȿȾȴ ȷȫȳ beschreibt, als seien die einzelnen Seelen wie Keime
oder Hörner aus der Weltseele ›herausgewachsen‹ und mit ihr in Verbin-
dung geblieben 135. Die stoffliche, dem stofflichen kosmischen Pneuma
_____________
133 Vgl. Tert. An. 5, 6 (= Soranos T 2) ~ SVF II, 790 (Nemes. De nat. hom. 81 p. 22
Morani) ~ SVF II, 792 (Alex. Aphr. De an. cum mant. p. 117); vgl. hierzu Annas
1992, 40.
134 Zu diesen lexikalischen Angaben vgl. Lapidge 1978, 164.
135 Zu den genauen lexikalischen Angaben vgl. SVF II, 774: ąȾȺȹȯȳȮ Ȼ ȴȫ
ȽȯɀȷȹȯȳȮ Ȼ, und danach ȼȾȶȿȾ Ȼ ˂ȶȷ ąȷȯ8ȶȫ; SVF II, 885 für das ąȷȯ8ȶȫ
ȼ0ȶȿȾȽȹȷ; II, 776 (= Hier. Ep. 126): utrum lapsa de caelo sit, ut Pythagoras philosophus
omnesque Platonici et Origenes putant, an a propria dei substantia ut Stoici (natürlich in
Bezug auf die stoffliche Zusammensetzung); II, 821 (= Ar. Did. fr. 39 p. 471
Diels): ȯȷȫȳ Ȯ ɁȾɀȷ ȷ ȽN *ȵL ȿȫȼɅȷ, + ȴȫȵȹ8ȼȳ ȫȲ Ⱥȫ ȴȫ ʱ Ⱥȫ, ȴ0ȴȵL
ąȯȺȳ ɀȹȾȼȫȷ ȭȷ ȴȫ Ȳ ȵȫȼȼȫȷ ȴȫ ȴ Ƚȹ0Ƚɂȷ ʱȷȫȲȾȶȳȫȲȯȼȫȷȊ Ƚ Ȼ Ȯ
ȵȹȳą Ȼ ɁȾɀ Ȼ ąȺȹȼąȯȿȾȴ ȷȫȳ Ƚȫ0Ƚ. Interessant ist auch die lexikalische
Angabe, mit der das Wachsen der Glieder und Körperteile nach außen
56 Einleitung

entstammende Seele ernährt sich laut Chrysipp von stofflichen Substan-


zen, wie bei Zenon vor allem von Blut 136.
Auch die Vereinigung mit dem Leib folgt einer gänzlich materialisti-
schen Logik: wie schon bei Epikur als ȵȯąȽȹȶȯȺȻ definiert, ist das psy-
chische Prinzip im ganzem Leib verstreut; aber die epikureische, von Stra-
ton übernommene lexikalische Angabe (ąȫȺȫȼąȯȺɂ) wird durch Verben
ersetzt, welche die aktive und dynamische Fähigkeit der Seele bezeichnen,
den Leib zu durchdringen, wie z.B. ɀɂȺȯȷ, Ȯȳȴȯȳȷ, Ȯȳ ȺɀȯȼȲȫȳ 137.
Die Unterteilung der Seele in acht Teile (d.h. Vermögen) war schon
bei Zenon zu finden; soweit wir aus den Quellen ersehen können, hatte
Chrysipp diese Verteilung durch die Metapher des Polypen ergänzt: aus
dem Hegemonikon strahlen verschiedene Fangarme als Verlängerungen
der formbaren Seelenmaterie bis zu den fünf Sinnen aus sowie zu den
Reproduktions- und Stimmorganen, als wären sie in verschiedene Rich-
tungen abgehende Zungen 138. Der Mittelpunkt, von dem aus sich die
Fangarme in Richtung Peripherie ausdehnen, ist das Hegemonikon; dieses
lokalisiert Chrysipp erneut im Herzen, in Auseinandersetzung mit denjeni-
gen, die der Physiologie des Herophilos folgten und von einem Enzepha-
lozentrismus ausgingen 139.

_____________
bezeichnet wird, die mit dem ursprünglichen Organismus verbunden bleiben: vgl.
Plato Tim. 45 a 2: ȼȴɃȵȱ ȶ ȷ ȹ9ȷ ɀȯȺɃȻ Ƚȯ ȽȫѠȽ ȴȫ Ȯȳ Ƚȫ8Ƚȫ ąȺȹȼɃȿȾ
ą˦ȼȳȷ; Rsp. 10, 611 d 3: Ƚ Ȯ ȼȾȷȽȯȽȺȿȲȫȳ ȴȫ ąȪȷȽɂȻ ȵȯȵɂȬȼȲȫȳ 2ą' ȽHȷ
ȴȾȶȪȽɂȷ, ʵȵȵȫ Ȯ ąȺȹȼąȯȿȾȴɃȷȫȳ; Eur. Bacch. 921 (in Bezug auf die Hörner).
Vgl. auch Pohlenz 1948, 85: »Kleanthes hat dieses Seelenfeuer ausdrücklich mit
dem reinen Feuer der Gestirnseelen gleichgesetzt«.
136 Vgl. SVF II, 783: ȴȫȽȹȳ ȴʱȴ ȽȻ Ƚȹ8 ȫȶȫȽȹȻ ʱȷȫȲȾȶȳ ȼȯȻ ȹ3ȴ ʱąȯȳȴ'Ȼ ȫ3Ƚ'
ȽȺ ȿȯȼȲȫȳ.
137 Vgl. SVF II, 785: ąȷȯ8ȶȫ ȵȯąȽȹȶȯȺ Ȼ ȼȽȳ Ȯȳ ąȫȷȽ'Ȼ Ȯȳȴȹȷ Ƚȹ8 ȶɁ0ɀȹȾ
ȼ@ȶȫȽȹȻ; II, 885: ˂ ɁȾɀ ąȷȯ8ȶ ȼȽȳ ȼѠȶȿȾȽȹȷ ˂ȶȷ ȼȾȷȯɀ Ȼ ąȫȷȽ ȽN
ȼѡȶȫȽȳ Ȯȳȴȹȷ; (~ Epic. Ep. Hdt. 63: ȼHȶȪ ȼȽȳ ȵȯąȽȹȶȯȺɃȻ, ąȫȺ’ *ȵȹȷ Ƚ'
ʵȲȺȹȳȼȶȫ ąȫȺȯȼąȫȺȶɃȷȹȷ); II, 797: ȼHȶȫ Ȯȳ ȼ@ȶȫȽȹȻ Ȯȳȴȯȳ; II, 798: ȼHȶȫ
Ȯȳ ȼ@ȶȫȽȹȻ ɀɂȺȯȷ; II, 799: ȼHȶȫ ȹ9ȼȫ ˂ ɁȾɀ ȮȳȵȲȯ Ȯȳ ąȫȷȽџȻ.
138 Vgl. SVF II, 826: ąȷȯѠȶȫȽȫ ȭ Ⱥ ʱą' Ƚȹ8 ˂ȭȯȶȹȷȳȴȹ8 ȿȫȼȳȷ ȹ:Ƚȹȳ ȮȳȫȽȯɅȷȯȳȷ
ʵȵȵȫ ȴȫȽ’ ʵȵȵȫ, Ƚ ȶ ȷ ȯȻ )ȿȲȫȵȶȹѠȻ, Ƚ Ȯ ȯȻ IȽȫ, Ƚ Ȯ ȯȻ ʵȵȵȫ
ȫȼȲȱȽɄȺȳȫ; II, 827: Ƚȫ8Ƚȫ ąȪȷȽȫ ąȳȽɃȽȫȽȫȳ Ȯȳ ȽHȷ ȹȴȯɅɂȷ )ȺȭȪȷɂȷ
ąȺȹȼȿȯȺHȻ ȽȫȻ Ƚȹ8 ąȹȵѠąȹȮȹȻ ąȵȯȴȽȪȷȫȳȻ; II, 828; zur Definition solcher
Fangarme als ąȷȯ0ȶȫȽȫ, d.h. als stofflich der Seele homogen, vgl. II, 827: Ƚ'
ʱȴȹȾȼȽȳȴ'ȷ ąȷȯ8ȶȫ ȴȫ Ƚ' )ąȽȳȴџȷ; zur Metapher des Polypen vgl. Pohlenz
1948, 89. Eigentlich comparatio claudicat: wenn sich das Hegemonikon im
Mittelpunkt (d.h. im Herzen) befindet, sind die davon ausgehenden Fangarme
sieben, nicht acht.
139 Vgl. SVF II, 834-839; Pohlenz 1948, 87.
Die hellenistische Seelenlehre 57

Interessant ist auch die Stellungnahme zur Wahrnehmungstätigkeit,


die gegen die stratonianische Lehre gerichtet zu sein scheint. Der Physiker
aus Lampsakos hatte den Sinnesorganen jede Rolle bei der Verarbeitung
sinnlicher Anregungen abgesprochen und das Wahrnehmungsvermögen
ausschließlich im Hegemonikon verortet. Wie wir aus den verbliebenen
Fragmenten ersehen können, scheint Chrysipp die Lehre des Physikers
aus Lampsakos gekannt und ihr teilweise auch zugestimmt zu haben: wie
bei Straton kann nur das Hegemonikon hören und sehen; im Falle einer
Verletzung kommt die Schmerzempfindung allein im Hegemonikon an;
der Schmerz lässt sich infolge der Ausdehnung des psychischen Pneumas
in der Seele empfinden – hierin besteht vielleicht die größte gedankliche
Schuld der Stoiker gegenüber Straton 140. Chrysipp kann der extremen
Position Stratons allerdings nicht zustimmen: die Außenseite des Körpers
könne keine richtige Wahrnehmung empfinden, allerdings auch nicht
wahrnehmungsunfähig sein, da dort die Schmerzempfindung stattfinde
(ą ȲȹȻ oder )Ȯ0ȷȱ) 141; hieraus entstammt die Definiton des Aëtios: »laut
den Stoikern sind die Empfindungen in den betroffenen Teilen, die
Wahrnehmungen im Hegemonikon anzusetzen« 142.
Wenn auch nicht klar ist, ob es sich um einen originellen Beitrag
Chrysipps handelt, so ist für den dritten Stoiker das Bemühen nachgewie-
sen, die Art und Weise der Vereinigung von Seele und Leib (d.h. zweier
Körper) genauer zu bestimmen, da Aristoteles die Vorstellung abgelehnt
hatte, dass zwei Körper einander durchdringen könnten. Man kann nicht
genau ermitteln, ob jemand (und gegebenenfalls wer) den Einwand des
Aristoteles gegen die Stoiker verwendet hatte. Tatsache ist, dass sich der
dritte Schulleiter in einer schwierigen Lage befand: einerseits musste er das
verteidigen, was er als Erbe der hellenistischen Seelenlehre übernommen
hatte, d.h. die Körperlichkeit der Seele und deren Streuung im ganzen
_____________
140 Vgl. SVF II, 857: ȴȫȽ ȶ ȷ ȭ Ⱥ Ƚ'ȷ ʱȵȱȲ ȵџȭȹȷ ȴȫ ȬȵɃąȯȳȷ ȫ3Ƚ' Ƚȹ8Ƚȹ
(scil. Ƚ' ȽȻ ɁȾɀȻ ˂ȭȯȶȹȷȳȴџȷ) ȴȫ ʱȴȹѠȯȳȷ 2ąȹȵȱąȽɃȹȷ, ʱȵȵ Ȯȳ’ )ȿȲȫȵȶHȷ
ȶ ȷ ȬȵɃąȯȳȷ, Ȯȳ’ FȽɂȷ Ȯ’ ʱȴȹѠȯȳȷ; zur Theorie von der Ausdehnung der
Schmerzempfindung bei den Stoikern, die derjenigen Stratons sehr ähnlich ist,
vgl. SVF II, 858: ȮȳȫȮџȼȯȳ, ȿɄȼȹȾȼȳ, ąȫȲџȷȽȹȻ ȶ ȷ ąȺѡȽɂȻ Ƚȹ8 ąȯȺ Ƚ'ȷ
ȮȪȴȽȾȵȹȷ ɁȾɀȳȴȹ8 ąȷȯѠȶȫȽȹȻ, ȶȯȽȫȮџȷȽȹȻ Ȯ ȽN ȿȯȸȻ ȴȫ ȽȹѠȽȹȾ ʵȵȵL,
ˀɂȻ ȹ: ąȺ'Ȼ Ƚ' ˂ȭȯȶȹȷȹ8ȷ ʱȿɅȴȹȳȽȹ; II, 862, vgl. Straton fr. 111 Wehrli (vgl.
oben); vgl. hierzu Lapidge 1978, 172.
141 Vgl. SVF II, 855: ȷ ȫ3ȽȹȻ ȶ ȷ ȭ Ⱥ ȽȹȻ ȴȫȽ ȶɃȺȹȻ )ȺȭȪȷȹȳȻ ʼȴȪȼȽ ȽHȷ
ȫȼȲɄȼȯɂȷ ˂ ʱą' ȽHȷ ȫȼȲȱȽHȷ ʱȵȵȹɅɂȼȳȻ ąȳȽȯȵȯȽȫȳ; II, 858: ˂ ȶ ȷ )ȮѠȷȱ
ąȯȺ Ƚ'ȷ ȮȪȴȽȾȵȹȷ ȮɄąȹȾȲȯȷ, ˂ Ȯ’ ȫȼȲȱȼȳȻ Ƚȹ8 ʱȵȭȯȷ Ȯȵȹȷ *Ƚȳ
(ȶȹȵȹȭɄȼȹȾȼȳȷ BȻ ąȯȺ Ƚ' ˂ȭȯȶȹȷȹ8ȷ ȭɅȭȷȯȽȫȳ.
142 Vgl. SVF II, 854: ȹ ȢȽɂȳȴȹ Ƚ ȶ ȷ ą Ȳȱ ȷ ȽȹȻ ąȯąȹȷȲџȼȳ ȽџąȹȳȻ, Ƚ Ȼ Ȯ
ȫȼȲȼȯȳȻ ȷ ȽN ˂ȭȯȶȹȷȳȴN.
58 Einleitung

Leib; andererseits musste er die Eigenschaften der Seele unverändert be-


wahren und von deren Trennbarkeit vom Leib ausgehen (ansonsten hätte
die Seele im ersten Fall ihre ursprünglichen Eigenschaften verloren, im
zweiten wäre sie vom Leib untrennbar, d.h. das Lebewesen wäre unsterb-
lich, was absurd ist). Die von der Stoa in dieser Phase vertretene Lösung
spiegelt Chrysipps Intellektualismus wieder. Die Argumentation des drit-
ten Schulleiters basiert auf einer Unterscheidung zwischen der Juxtapositi-
on (ąȫȺ ȲȯȼȳȻ), der Verschmelzung, die den Verlust der ursprünglichen
Eigenschaften mit sich bringt (ȼ0ȭɀȾȼȳȻ), und der vollständigen Vermen-
gung, bei der die ursprünglichen Elemente bewahrt werden und vonein-
ander gretrennt werden können (ȶȸȳȻ) 143. In den verbliebenen, von Ale-
xander von Aphrodisia in eindeutig polemischer Absicht überlieferten
Fragmenten sind allerdings neben der Unterscheidung nur eine Reihe
Beispiele und keine richtigen Beweise zu finden: der Weihrauch verbreitet
sich überall in der Luft und bewahrt seinen Duft; das Feuer verbreitet sich
in der Masse des Eisens und bringt es zum Glühen (allerdings wäre es sehr
schwierig, den Weihrauch von der Luft zu trennen) 144; Wasser kann mit
Wein vermischt werden, allerdings sei es möglich, die zwei Flüssigkeiten
mithilfte eines ölgetränkten Schwammes voneinander trennen 145. Wenn
auch die Strategie, Definitionen statt Beweisführungen anzuführen, dem
modernen Rezipienten naiv erscheinen mag, so wurde doch die stoische
Lehre der Mischung in der Antike sehr ernst genommen: Diejenigen, die
von Alexander von Aphrodisia bis zu Plotin, Porphyrios und dem Spät-
neuplatonismus die Geistesmetaphysik wiederaufnahmen, hielten es für
notwendig, die stoische Lehre der Mischung zu widerlegen (vgl. unten).
Die Folge der Ausbreitung des psychischen Prinzips in der ganzen
Masse des Körpers ist die Gestalt, die der Seele zugeschrieben wird und
denselben Umfang und dieselben Dimensionen aufweist wie der Körper.
In den überlieferten Fragmenten Chrysipps steht nicht, dass die Seele
dieselbe Gestalt und Größe aufweist wie der Körper, der sie beherbergt;
es ist allerdings nachgewiesen, dass der Fangarm des Hegemonikon, der
dem Tastsinn entspricht, sich durch den ganzen Leib ausbreitet, was die-
_____________
143 Die oben genannte lexikalische Definition beruht auf derjenigen Alexanders,
welcher der zuverlässigste Zeuge zu sein scheint (SVF II, 473); Philon von
Alexandria scheint ȶȸȳȻ und ąȫȺ ȲȯȼȳȻ für Synonyme zu halten, aber er benutzt
ȴȺ˦ȼȳȻ für die Mischung, die die ursprünglichen Eigenschaften bewahrt (SVF II,
472).
144 Vgl. SVF II, 473ff. (Alexander von Aphrodisia, De mixtione); dass diese physi-
kalische Theorie eigentlich psychologisch und eventuell kosmologisch gedeutet
werden muss (d.h. im Sinne des gegenseitigen Durchdringens von Pneuma und
Materie), geht eindeutig aus dem Text Alexanders hervor, vgl. SVF II, 473, 25ff.
145 Vgl. SVF II, 472.
Die hellenistische Seelenlehre 59

selbe Schlussfolgerung mit sich bringt 146. Diese Gestalt scheint der Seele
nicht zu eigen zu sein; der Meinung des dritten Schulleiters zufolge nähme
nämlich die Seele nach dem Austritt aus dem Leib eine runde Gestalt an.
Damit ließe sie sich als an sich gestaltloser Körper auffassen (ähnlich der
modernen Vorstellung eines Gases?), der allerdings auch zerquetscht wer-
den kann: die Seelen der Menschen, die zerquetscht werden und daran
sterben, würden sich nämlich – im Gegensatz zu den anderen – sofort
auflösen 147.
Auch die ›eschatologische‹ Lehre Chrysipps (auch wenn dieser Begriff
eigentlich nicht angemessen ist) scheint vor allem eine Präzisierung der
Seelenlehre seines Vorgängers zu sein. Die Unvergänglichkeit der Seele ist
zweifellos wie bei Kleanthes ausgeschlossen; während allerdings dieser
von einem Überleben der Seele bis zum Weltenbrand ausging, beschränk-
te Chrysipp dieses Überleben auf die Seelen der Weisen; die Seelen der
Tiere oder törichter Menschen seien dazu bestimmt, sich nach dem Tod
aufzulösen. Die Stoa im allgemeinen schließt also die Ewigkeit aus
menschlicher Perspektive aus148.
Im Rahmen der Erkenntnislehre spielte das Hegemonikon schon bei
Zenon eine wichtige Rolle, dem nicht nur die Erkenntnis-, sondern auch
die Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit zugeschrieben wurden;
das Hegemonikon wurde nämlich als Sitz der Wahrnehmung, der Zu-
stimmung, des Triebes und und der Vernunft betrachtet. Schon der erste
Schulleiter hielt den Erkenntnisvorgang für einen Kontakt und eine Inter-
aktion zwischen zwei Körpern: hierin besteht bei ihm (wie auch bei
Kleanthes) ein Berührungspunkt mit der epikureischen Erkenntnislehre.
Das Hegemonikon sei wie ein formbarer Stoff in der Lage, die von außen
empfangenen Abdrücke zu bewahren (es handelt sich allerdings um ein
sehr verbreitetes Bild, das schon von Platon und Aristoteles verwendet
worden war) 149.
_____________
146 Vgl. SVF II, 885: Ƚ' Ȯȳȴȹȷ ȯȻ *ȵȱȷ Ƚȷ ȼ Ⱥȴȫ ʲȿɄȷ.
147 Vgl. SVF II, 815 (= Schol. Il. ȧ 65): ȦȺѠȼȳąąȹȻ Ȯ ȶȯȽ Ƚ'ȷ ɀɂȺȳȼȶ'ȷ Ƚȹ8
ȼѡȶȫȽȹȻ ȼȿȫȳȺȹȯȳȮȯȻ ȭȯȷɃȼȲȫȳ ȮȹȭȶȫȽɅȰȯȳ; II, 816 (= Hier. Ep. 108, 23): et
globos mihi Stoicorum atque aeria quaedam deliramenta; SVF II, 820 (= Sen. Ep. 57):
Stoici existimant animam hominis magno pondere extriti permanere non posse et statim spargi,
quia non fuerit illi exitus liber.
148 Vgl. SVF II, 809-822.
149 Vgl. SVF I, 143 zur Rolle des Hegemonikon als Sitz von ȿȫȷȽȫȼȫ,
ȼȾȭȴȫȽȫȲ ȼȳȻ, (Ⱥȶ und ȵџȭȹȻ; zur Wahrnehmungstätigkeit, die durch das
Modell der Abdrücke erklärt wird, vgl. SVF I, 141: ȽȾąȹ8ȼȲȫɅ Ƚȯ ȮѠȷȫȽȫȳ [Ƚ'
ȶɃȭȯȲȹȻ] Ƚ' ȶɃȺȹȻ Ƚ' ˂ȭȹѠȶȯȷȹȷ ȫ3ȽȻ ʱą' ȽHȷ ,ȷȽɂȷ ȴȫ 2ąȫȺɀџȷȽɂȷ Ȯȳ
ȽHȷ ȫȼȲȱȽȱȺɅɂȷ ȴȫ ąȫȺȫȮɃɀȯȼȲȫȳ Ƚ Ȼ ȽȾąѡȼȯȳȻ; noch deutlicher ist der
Beleg bei Kleanthes: SVF II, 56: DȼąȯȺ ȴȫ Ȯȳ ȽHȷ ȮȫȴȽȾȵɂȷ ȭȳȷȹȶ ȷȱ Ƚȹ8
60 Einleitung

Von den ersten zwei Schulleitern distanzierte sich Chrysipp, der die
Unmöglichkeit erkannte, dass sich mehrere Abdrücke gleichzeitig in der-
selben Seele befinden können; er definiert die ȿȫȷȽȫȼȫ als ʼȽȯȺȹɂȼȳȻ
des Hegemonikon aufgrund des Wahrnehmungsreizes 150.
Auch die stoische Erkenntnislehre basiert in jedem Fall (wie die ande-
ren zeitgenössischen Erkenntnislehren) auf einem starken Sensualismus,
so dass auch die intellektuellen Vorgänge mit der Wahrnehmung gleichge-
setzt werden. Im Vergleich zur epikureischen Erkenntnislehre muss man
bei den Stoikern eine Besonderheit feststellen: während die Epikureer den
Wahrnehmungvorgang durch die Theorie von den Poren und Ausströ-
mungen erklärten, spielen bei den Stoikern die Körperchen, die aus dem
wahrgenommenen Gegenstand austreten und das Wahrnehmungsorgan
reizen, keine sehr wichtige Rolle. In den verbliebenen Fragmenten wird
die Ausströmungstheorie nur im Falle des Geruchssinnes erwähnt 151.
Beim Sehvorgang wird die Theorie des psychischen Pneumas mit der
platonischen Lehre in Einklang gebracht, der zufolge der Gesichtssinn
eine aus den Augen austretende Strahlung sei. Das aus den Pupillen aus-
tretende Pneuma kann laut den Stoikern einen Luftkegel aufspannen, der
die Wahrnehmung verursacht, wenn er an der Grundfläche von den
wahrgenommenen Gegenständen getroffen wird 152.
Ebenfalls im Rahmen der Wahrnehmungstheorie (diesmal allerdings in
Übereinstimmung mit den Epikureern) mussten sich die Stoiker mit einer
weiteren hellenistischen Schule (d.h. mit der skeptischen) messen: auch
wenn sie in Quellen aus der späten Republik und der Kaiserzeit überliefert
werden (vgl. Soranos selbst in T 14, Sextus Empiricus, Lukrez und Dioge-
nes Laertios 153), müssen die Tropoi, welche die Unzuverlässigkeit der Sin-

_____________
ȴȱȺȹ8 Ƚ0ąɂȼȳȷ; es handelt sich um ein bereits verbreitetes Bild, vgl. Plato Theaet.
191 d 5: ʱąȹȽȾąȹ8ȼȲȫȳ DȼąȯȺ ȮȫȴȽȾȵɂȷ ȼȱȶȯȫ; 194 c 5ff.: Ƚ џȷȽȫ Ȯȳ
ȽHȷ ȫȼȲȼȯɂȷ ȷȼȱȶȫȳȷџȶȯȷȫ ȯȻ Ƚȹ8Ƚȹ Ƚ' ȽȻ ɁȾɀȻ ȴ ȫȺ; Arist. De an. 424
a 20: ȹ ȹȷ ( ȴȱȺ'Ȼ... Ȯ ɀȯȽȫȳ Ƚ' ȼȱȶȯȹȷ: auch in diesen Fällen geht es um die
Seele, die einen Abdruck von außen empfängt.
150 Vgl. SVF II, 56: ȿȫȷȽȫȼȫ ȼȽȷ ʼȽȯȺȹɅɂȼȳȻ ɁȾɀȻ. Vgl. auch, was im weiteren
Verlauf des Fragments behauptet wird: das Hinzutreten einer zweiten
Wahrnehmung würde die vorherige löschen, eine Erinnerung wäre auf solche
Weise unmöglich. Vgl. hierzu auch Annas 1992, 73ff.
151 Vgl. SVF II, 859: *ȼȹȷ ȭ Ⱥ ʱąȹȺȺȯ ȽHȷ ȼɂȶ Ƚɂȷ ʼȴ ȼȽȹȾ, ȽȹȾȽP ȼȽ ȽHȷ
)ȼȿȺȱȽHȷ ˂ ȹ3ȼȫ.
152 Vgl. SVF II, 863-872.
153 Vgl. Sext. Emp. Pyrrh. Hyp. 1, 36 p. 12, 22, s. unten; er spricht in Bezug auf die
Argumente gegen die Wahrhaftigkeit der Sinneswahrnehmung von »alten
Skeptikern«; vgl. auch die Stellen 1, 118; Adv. Math. 7, 208ff.; Lucr. 4, 424-436;
Die hellenistische Seelenlehre 61

neswahrnehmung behaupteten, Teil einer Schultradition gewesen sein.


Trotz ihres Namens standen auch die Skeptiker unter dem Einfluss der
Tendenz zur Kodifikation und Dogmatisierung von Argumenten und The-
sen (Sextus Empiricus selbst gibt uns zu verstehen, dass die zu einer Tradi-
tion erstarrten Tropoi ein Produkt der ʱȺɀȫȳџȽȯȺȹȳ ȼȴȯąȽȳȴȹɅ sind). Die
›Tropoitafel‹, die verwendet wird, um die Zuverlässigkeit der Wahrnehmung
in Zweifel zu ziehen, dürfte die Vertreter des Kepos und der Stoa in nicht
geringem Maße verärgert haben, für welche die Wahrnehmungs- und Er-
kenntnislehre eine so wichtige Rolle spielte. Tatsache ist, dass die nicht
skeptischen Quellen, welche die Tropoi enthalten, aus stoischen und noch
regelmäßiger aus epikureischen Texten bestehen (vgl. die im Kommentar zu
T 14 angeführten Texte). Die Stoiker mussten, wenn auch in begrenztem
Maße, dem Zweifel der Pyrrhonianer nachgeben und sich vor allem mit
dem Gesichtssinn beschäftigten. Der durch das Pneuma aufgespannte Luft-
kegel kann je nach der Distanz oder dem zwischengeschalteten Medium
Änderungen unterworfen sein; unter Bedingungen, die bestimmbar und
erklärbar waren, kann es zu Wahrnehmungsfehlern kommen 154. Die Epiku-
reer (deren Meinung Soranos besonders zustimmte: sie werden in T 14 als
letzte erwähnt und ihm zufolge constantius defendunt veritatem) ließen sich
durch diese Zweifel nicht beirren und fanden eine Lösung in der Theorie
der Bilder. Wie wir anhand der lukrezischen Widerlegung der Skeptiker am
besten im Falle des Gesichtssinnes nachweisen können155, sah die epikurei-
sche Wahrnehmungstheorie keinen direkten Kontakt zwischen Gegenstand
und Sinnesorgan vor, sondern Ausströmungen oder Bilder, die aus dem
wahrgenommenen Gegenstand austreten und bis zum Sinnesorgan gelan-
gen. Solche Ausströmungen oder Bilder können unterwegs Veränderungen
erfahren, andererseits können sich Ausströmungen oder Bilder formen (wie
beim Kentauren oder bei der Chimäre), denen kein Gegenstand entspricht:
was das Sinnesorgan erreicht, muss nicht der Realität entsprechen156. Auf
_____________
Diog. Laert. 9, 85, die mit T 14 verglichen werden (s. unten); weitere Parallelen
dort im Kommentar. Vgl. auch Gigante 1981, 135ff.
154 Vgl. SVF II, 863 (= Calc. In Tim. 237, vgl. den Kommentar zu T 14): certe conum
ipsum pro modo mensuraque intentionis augeri, et prout basis eius vel directa vel inflexa erit
incidetque in contemplabilem speciem, ita adparebunt quae videntur. Zur epikureischen
Widerlegung der Skeptiker vgl. Everson 1990, 164ff.; es scheint passender, von
einer epikureischen Widerlegung zu sprechen als von einer Widerlegung Epikurs,
der mit großer Wahrscheinlichkeit keine direkte Kenntnis einer vollständigen
Version der Tropoi hatte; zur stoischen Erkenntnislehre vgl. Annas 1990; zur
epikureischen Wahrnehmungstheorie vgl. de Witt 1943, 22ff.
155 Vgl. erneut die Stellen im Kommentar zu T 14.
156 Zur epikureischen Wahrnehmungstheorie vgl. Annas 1991, 97ff.; Annas 1992,
157-173. Zu den Quellen vgl. Diog. Laert. 10, 32; Sext. Emp. Adv. Math. 8, 63ff.
62 Einleitung

diese Weise wurde das Sinnesorgan von jeder Verantwortlichkeit für Fehler
befreit, es konnte nämlich nur überbringen, was bei ihm angekommen war;
die Verantwortlichkeit für Fehler sei dem Verstand zuzuschreiben, der In-
formationen Glauben schenke, die keiner adäquaten Kontrolle unterzogen
wurden. Dieser Ansicht dürfte auch Soranos zugestimmt haben, wenn der
am Ende von T 14 stehende sarkastische Ausspruch Tertullian und nicht
unserem Arzt zuzuschreiben ist.

2. Vorbemerkungen über die Persönlichkeit des Soranos

»There are not many corners of the ancient world which have escaped the
searching eye of classical scholars. Methodism is just such a dark place –
and a surprisingly large one at that« 157.
Diese allgemeine Tendenz (d.h. die Vernachlässigung des Methodis-
mus durch die Forschung) gilt auch für den Vertreter der methodischen
Schule par excellence, d.h. Soranos; eine Ausnahme stellt sein Traktat ąȯȺ
ȭȾȷȫȳȴȯɅɂȷ ąȫȲȱȶ Ƚɂȷ (= ą.ȭ. ) dar: dieser erschien jüngst in einer neu-
en kritischen Ausgabe, die in der Einleitung einen zuverlässigen Überblick
zur Problematik bietet 158. Das aus der Antike verbliebene Material, auch
wenn es im Verhältnis zur ursprünglichen Größe sehr wenig ist, ist weit
davon entfernt, erschöpfend untersucht worden zu sein, was vor allem im
Falle der vielseitigen Persönlichkeit des Soranos gilt.
Um nicht zu wiederholen, was schon seit längerer Zeit bekannt ist, er-
innern wir nur daran, dass die Hauptinformationen über den Arzt aus
Ephesos der Suda zu entnehmen sind: er war unter Trajan und Hadrian
(d.h. ungefähr zwischen 100 und 140 n.Chr.) in Alexandria und Rom tä-
tig 159. Seine Interessen lagen nicht nur im Bereich der Medizin, sondern
auch der Grammatik und der Geschichte der Medizin (ersteres ist nach-
gewiesen durch die Schrift Etymologien des menschlichen Körpers, letzteres
_____________
157 Tecusan 2004, 2.
158 Vgl. Soranos d’Ephèse, Maladies des femmes, texte établi, traduit et commenté par
P. Burguière, D. Gourevitch, Y. Malinas, I, Paris 1988; II, Paris 1990; III, Paris
1994; IV, Paris 2000; Hanson - Green 1994.
159 Die Biographie des Soranos ist der Suda zu entnehmen, wobei eine Dublette
besonders auffällig ist: vgl. Ȣ 851 und 852, IV, p. 407 Adler: ȝȯȷȪȷȮȺȹȾ ȴȫ
ȥȹɅȬȱȻ, ϶ȿɃȼȳȹȻ, ȫȽȺџȻ, ȮȳȫȽȺɅɁȫȻ ȷ ϮȵȯȸȫȷȮȺȯɅˤ ȴȫ ȷ Ƚ нѡȶ Ȯ
ȫȽȺȯѠȼȫȻ ą ȣȺȫɇȫȷȹ8 ȴȫ ϮȮȺȳȫȷȹ8 ȽHȷ ȬȫȼȳȵɃɂȷ ȬȳȬȵɅȫ Ƚȯ ȼȾȷȽȪȸȫȻ
ąȵȯȼȽȫ ȴȫ ȴȪȵȵȳȼȽȫ; 852: ȢɂȺȫȷџȻ, ϶ȿɃȼȳȹȻ, ȫȽȺ'Ȼ ȷȯѡȽȯȺȹȻ. ȔȾȷȫȳȴȯȫ
ȬȳȬȵɅȫ Ȯȃ, ȓɅȹȾȻ ȫȽȺHȷ ȴȫ ȫȺɃȼȯȳȻ ȴȫ ȼȾȷȽȪȭȶȫȽȫ ȬȳȬȵɅȫ ȳȃ· ȴȫ ʵȵȵȫ
ȮȳȪȿȹȺȫ. Vgl. hierzu Scheele 1884, 3ff.; Kind 1927, 1112; Waszink 1947, 25*;
Burguière - Gourevitch - Malinas 1988, XXIIIff.; Hanson - Green 1994, 981ff.
62 Einleitung

diese Weise wurde das Sinnesorgan von jeder Verantwortlichkeit für Fehler
befreit, es konnte nämlich nur überbringen, was bei ihm angekommen war;
die Verantwortlichkeit für Fehler sei dem Verstand zuzuschreiben, der In-
formationen Glauben schenke, die keiner adäquaten Kontrolle unterzogen
wurden. Dieser Ansicht dürfte auch Soranos zugestimmt haben, wenn der
am Ende von T 14 stehende sarkastische Ausspruch Tertullian und nicht
unserem Arzt zuzuschreiben ist.

2. Vorbemerkungen über die Persönlichkeit des Soranos

»There are not many corners of the ancient world which have escaped the
searching eye of classical scholars. Methodism is just such a dark place –
and a surprisingly large one at that« 157.
Diese allgemeine Tendenz (d.h. die Vernachlässigung des Methodis-
mus durch die Forschung) gilt auch für den Vertreter der methodischen
Schule par excellence, d.h. Soranos; eine Ausnahme stellt sein Traktat ąȯȺ
ȭȾȷȫȳȴȯɅɂȷ ąȫȲȱȶ Ƚɂȷ (= ą.ȭ. ) dar: dieser erschien jüngst in einer neu-
en kritischen Ausgabe, die in der Einleitung einen zuverlässigen Überblick
zur Problematik bietet 158. Das aus der Antike verbliebene Material, auch
wenn es im Verhältnis zur ursprünglichen Größe sehr wenig ist, ist weit
davon entfernt, erschöpfend untersucht worden zu sein, was vor allem im
Falle der vielseitigen Persönlichkeit des Soranos gilt.
Um nicht zu wiederholen, was schon seit längerer Zeit bekannt ist, er-
innern wir nur daran, dass die Hauptinformationen über den Arzt aus
Ephesos der Suda zu entnehmen sind: er war unter Trajan und Hadrian
(d.h. ungefähr zwischen 100 und 140 n.Chr.) in Alexandria und Rom tä-
tig 159. Seine Interessen lagen nicht nur im Bereich der Medizin, sondern
auch der Grammatik und der Geschichte der Medizin (ersteres ist nach-
gewiesen durch die Schrift Etymologien des menschlichen Körpers, letzteres
_____________
157 Tecusan 2004, 2.
158 Vgl. Soranos d’Ephèse, Maladies des femmes, texte établi, traduit et commenté par
P. Burguière, D. Gourevitch, Y. Malinas, I, Paris 1988; II, Paris 1990; III, Paris
1994; IV, Paris 2000; Hanson - Green 1994.
159 Die Biographie des Soranos ist der Suda zu entnehmen, wobei eine Dublette
besonders auffällig ist: vgl. Ȣ 851 und 852, IV, p. 407 Adler: ȝȯȷȪȷȮȺȹȾ ȴȫ
ȥȹɅȬȱȻ, ϶ȿɃȼȳȹȻ, ȫȽȺџȻ, ȮȳȫȽȺɅɁȫȻ ȷ ϮȵȯȸȫȷȮȺȯɅˤ ȴȫ ȷ Ƚ нѡȶ Ȯ
ȫȽȺȯѠȼȫȻ ą ȣȺȫɇȫȷȹ8 ȴȫ ϮȮȺȳȫȷȹ8 ȽHȷ ȬȫȼȳȵɃɂȷ ȬȳȬȵɅȫ Ƚȯ ȼȾȷȽȪȸȫȻ
ąȵȯȼȽȫ ȴȫ ȴȪȵȵȳȼȽȫ; 852: ȢɂȺȫȷџȻ, ϶ȿɃȼȳȹȻ, ȫȽȺ'Ȼ ȷȯѡȽȯȺȹȻ. ȔȾȷȫȳȴȯȫ
ȬȳȬȵɅȫ Ȯȃ, ȓɅȹȾȻ ȫȽȺHȷ ȴȫ ȫȺɃȼȯȳȻ ȴȫ ȼȾȷȽȪȭȶȫȽȫ ȬȳȬȵɅȫ ȳȃ· ȴȫ ʵȵȵȫ
ȮȳȪȿȹȺȫ. Vgl. hierzu Scheele 1884, 3ff.; Kind 1927, 1112; Waszink 1947, 25*;
Burguière - Gourevitch - Malinas 1988, XXIIIff.; Hanson - Green 1994, 981ff.
Vorbemerkungen über die Persönlichkeit des Soranos 63

durch die Biographien der Ärzte, Sekten und Traktate) 160. »Seine Schriftstelle-
rei, die sich nicht nur über die gesamte Heilkunde erstreckt, sondern auch
auf das philosophische und grammatische Gebiet übergreift, zeigt … ein
weitgehendes historisches Interesse« 161. »Effectivement, Soranos est un
médecin philologue; il a de hautes aspirations intellectuelles et il écrit dans
des domaines qui sont à la limite de ses compétences professionnelles;
ainsi des biographies, dont probablement celle d’Hippocrate, et des ouvra-
ges de grammaire, ce qui n’est pas invraisemblable non plus puisqu’on
peut observer tout au long de son traité Des maladies des femmes son souci
du mot propre et son interêt pour l’étymologie« 162.
Die verschiedenen Interessen können die vielseitige Persönlichkeit des
Autors wiederspiegeln, sind allerdings auch (m.E. vor allem) durch das
Bestreben zu erklären, innere und äußere Schwierigkeiten der methodi-
schen Schule zu lösen. Infolge einer gewissen dogmatischen Erstarrung
des Methodismus versuchte Soranos wohl, mithilfe der Auseinanderset-
zung mit der Philosophie neuen Lebenssaft in die Adern der Schule einzu-
flößen, die sich auf eine Orthodoxie versteifte; von außen war der Metho-
dismus schon seit längerer Zeit der Oberflächlichkeit und Scharlatenerie
beschuldigt worden: Soranos versuchte darum wohl, durch Zurschaustel-
lung seiner philosophischen Gelehrsamkeit neuen Ruhm und Glaubwür-
digkeit zu gewinnen 163. Hierzu passt auch das für Soranos charakteristi-
sche, auf den genauen lexikalischen Gebrauch gerichtete Augenmerk,
insbesondere in Verbindung mit der Etymologie, was von Diels als ›Defi-
niermanie‹ aufgefasst wurde 164.
Tatsache ist dass, mit Ausnahme von ą.ȭ., das verbliebene Material
aus den literarischen Werken des Soranos (z.B. aus den Etymologien) viel-
leicht umfangreicher ist als das aus den medizinischen; eine Sammlung
dieser Fragmente ist bis heute ein großes desideratum für diejenigen, die
sich mit dem Arzt aus Ephesos beschäftigen 165.
_____________
160 Zu den ϶ȽȾȶȹȵȹȭȫȳ Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ Ƚȹ8 ʱȷȲȺѡąȹȾ und ȓɅȹȾȻ ȫȽȺHȷ ȴȫ
ȫȺɃȼȯȳȻ ȴȫ ȼȾȷȽȪȭȶȫȽȫ vgl. Hanson - Green 1994, bzw. 1021ff.; 1007ff.
161 Kind 1927, 1114, 29-34.
162 Burguière - Gourevitch - Malinas 1988, XXV.
163 Wellmann 1922, 409ff.
164 Diels 1893 b, 425, über den Anonymus Londinensis.
165 Vgl. die Rufusausgabe von Ch. Daremberg - É. Ruelle 1879 (!), 237-238: »Les
concordances que j’ai établies, soit entre les scholies Colonna et les trois
Étymologiques, soit entre ces Étymologiques eux-mêmes, prouvent que plus d’une
glose anonyme dans ces recueils et se rapportant à l’anatomie, a été tirée des
Etymologies de Soranus… les découvertes récentes, le progrès de la critique…
rendent chaque jour plus urgente une étude approfondie et comparative des
sources d’après lesquelles ont été rédigés nos Glossaires et nos Étymologiques«.
64 Einleitung

Besonders interessant ist ąȯȺ ɁȾɀȻ (= ą.Ɂ., d.h. das einzige bezeug-
te philosophische Werk des Soranos) auch deswegen für die Rekonstruk-
tion der Persönlichkeit unseres Arztes, weil diese Schrift vielleicht das
bedeutendste Zeugnis der materialistischen Immanenzpsychologie in der
Zeit der Wiederaufnahme der Geistesmetaphysik ist (im eigentlichen Sin-
ne handelt es sich um eine materialistische Reaktion gegen den nun wieder
aufkommenden Platonismus). Nach dem monumentalen Kommentar
Waszinks ist eine Testimoniensammlung dieser psychologischen Schrift,
die von Tertullian in De anima als Hauptquelle benutzt wurde, deshalb von
Bedeutung, weil das Ziel des holländischen Wissenschaftlers nicht die
Rekonstruktion von ą.Ɂ. war, sondern nur die Erläuterung des tertulliani-
schen Textes. Die Benutzung des Kommentars als alleiniges Hilfsmittel ist
für einen Zugang zu ą.Ɂ. nicht geeignet; spätere Forscher – vielleicht
auch angesichts des umfangreichen Materials, das Waszink anführte –
sprachen fälschlicherweise bestimmten Textstellen eine Herkunft aus
dem Werk des Soranos zu 166 und vor allem bei der allgemeinen Interpreta-
tion des Denkens des Soranos kam es zu Irrtümern (man findet z.B. in
Veröffentlichungen jüngeren Datums lange Widerlegungen von Interpre-
tationen, die nie vertreten wurden 167).

_____________
166 Nur einige Beispiele: Hanson - Green 1994, 983 A. 45 (über die mulier enixa
quinionem in An. 6, 8): »is based on the observation that pregnant women carry
one or even more children in their wombs… Waszink considers the argument
likely to have been drawn from Soranus«, sed contra Waszink 1947, 132:
»nevertheless, several details of this section must surely be regarded as Tert.’s
intellectual property, viz… the example of the quintuplets, which was taken from
juridical literature«.
167 So im Falle von R. Polito: er widerlegt die Hypothese, Soranos sei ein Anhänger
des Skeptizismus gewesen, was niemals behauptet wurde: vgl. Polito 1994, 432ff.;
452ff.; eine solche Hypothese sei laut Polito von Waszink geäußert worden:
Waszink sprach zwar von der Benutzung des Ainesidemos durch Soranos (um
die Berührungspunkte mit Sextus Empiricus zu erklären), war allerdings nie der
Meinung, Soranos habe sich die skeptischen Thesen angeeignet, vgl. Waszink
1947, z.B. 24*: »of philosophical systems Scepticism was the nearest to this
doctrine« (d.h. der methodischen Schule, nicht Soranos persönlich); 30*: Soranos
habe Ainesidemos direkt gelesen, nicht durch die Vermittlung eines skeptischen
Arztes, was Diels meinte, vgl. allerdings ebd.: »it is quite possible that at Rome
Soranus... consulted the work of the famous Sceptic himself«, Soranos wird
allerdings nie für einen Skeptiker gehalten; vgl. 238; im Gegenteil, 33*: »this is
sufficient evidence to show that he was strongly influenced by Stoic philosophy«,
was nicht mit dem Skeptizismus kompatibel ist. Das größte Manko des ansonsten
so interessanten Aufsatzes Politos ist die Ungenauigkeit, mit der antike Texte und
moderne Interpretationen ohne genaue Angabe von Belegstellen angeführt
werden; so z.B. S. 449: »di diverso avviso è però Waszink, il quale ritiene che il
Methodische Kriterien 65

Sodann sollte man eher die anspruchlosere Bezeichnung ›Testimo-


niensammlung‹ als ›Fragmentensammlung‹ verwenden, weil der psycholo-
gische Traktat des Soranos nur von Tertullian als Quelle benutzt wurde.
Zudem arbeitete der Afrikaner in zahlreichen Punkten das seiner Quelle
entnommene Material um und kontaminierte. Folglich können wir nur
ungefähr Inhalt und Argumentationsgang von ą.Ɂ., aber fast nie die ge-
nauen Bruchstücke rekonstruieren. Da es unmöglich ist, verschiedene
direkt aus ą.Ɂ. stammende Quellen zu kombinieren, besteht die einzige
von mir vorgenommene methodische Neuerung darin, Tertullians De
anima systematisch mit ą.ȭ. selbst oder anderen Quellen zu vergleichen,
die Spuren der Werke des Soranos enthalten. Der Arzt zeigt die Tendenz,
ähnliche Argumentationen in verschiedenen Werken zu benutzen; da ą.Ɂ.
das einzige von Tertullian gelesene Werk des Soranos ist, können wir mit
relativer Sicherheit davon ausgehen, dass aus dem Traktat zur Seelenlehre
die Materialien stammen, die bei den von Soranos abhängigen Autoren zu
finden sind.

3. Methodische Kriterien

Betrachten wir jetzt eine der Textpassagen, die sehr wichtig sind, um das
Verhältnis zwischen Tertullian und seiner Quelle zu erfassen:
sed nec hic gradus stabit etiam Sorano methodicae medicinae instructissimo auc-
tore respondente animam corporalibus quoque ali, denique deficientem a cibo
plerumque fulciri… ita etiam ipse Soranus plenissime super anima commentatus
quattuor voluminibus et cum omnibus philosophorum sententiis expertus corpo-
ralem animae substantiam vindicat, etsi illam immortalitate fraudavit. Non enim
omnium est credere quod Christianorum est 168.
Neben der Lehre von der Körperlichkeit und der Sterblichkeit der Seele,
die sich wie der menschliche Leib ernährt, zeichnet sich in diesen Zeilen
_____________
materiale utilizzato nel capitolo 17, contenente la confutazione del razionalismo
platonico, derivi da Albino«, sed contra Waszink 1947, 38*: »a special difficulty is
raised by the very detailed discussion on sense-perception (ch. 17) in which the
arguments of the Middle Academy against the reliability of the senses are
refuted… so that it is fairly probable that this selection was made by Tert.
himself«; vgl. 240; vgl. auch Polito 1994, 450: »secondo lo studioso olandese
Albino sarebbe la fonte del cap. 18, poiché in esso è contenuto materiale
platonico«: sed contra Waszink 1947, 255: »that this argument is of Tert.’s own
making, is shown already by the circumstances«. Unannehmbar ist die Äußerung,
der zufolge »tale scetticismo risale dunque direttamente a Tertulliano«: vgl. Polito
1994, 434.
168 Tert. An. 6, 6-7 (= Soranos T 3).
Methodische Kriterien 65

Sodann sollte man eher die anspruchlosere Bezeichnung ›Testimo-


niensammlung‹ als ›Fragmentensammlung‹ verwenden, weil der psycholo-
gische Traktat des Soranos nur von Tertullian als Quelle benutzt wurde.
Zudem arbeitete der Afrikaner in zahlreichen Punkten das seiner Quelle
entnommene Material um und kontaminierte. Folglich können wir nur
ungefähr Inhalt und Argumentationsgang von ą.Ɂ., aber fast nie die ge-
nauen Bruchstücke rekonstruieren. Da es unmöglich ist, verschiedene
direkt aus ą.Ɂ. stammende Quellen zu kombinieren, besteht die einzige
von mir vorgenommene methodische Neuerung darin, Tertullians De
anima systematisch mit ą.ȭ. selbst oder anderen Quellen zu vergleichen,
die Spuren der Werke des Soranos enthalten. Der Arzt zeigt die Tendenz,
ähnliche Argumentationen in verschiedenen Werken zu benutzen; da ą.Ɂ.
das einzige von Tertullian gelesene Werk des Soranos ist, können wir mit
relativer Sicherheit davon ausgehen, dass aus dem Traktat zur Seelenlehre
die Materialien stammen, die bei den von Soranos abhängigen Autoren zu
finden sind.

3. Methodische Kriterien

Betrachten wir jetzt eine der Textpassagen, die sehr wichtig sind, um das
Verhältnis zwischen Tertullian und seiner Quelle zu erfassen:
sed nec hic gradus stabit etiam Sorano methodicae medicinae instructissimo auc-
tore respondente animam corporalibus quoque ali, denique deficientem a cibo
plerumque fulciri… ita etiam ipse Soranus plenissime super anima commentatus
quattuor voluminibus et cum omnibus philosophorum sententiis expertus corpo-
ralem animae substantiam vindicat, etsi illam immortalitate fraudavit. Non enim
omnium est credere quod Christianorum est 168.
Neben der Lehre von der Körperlichkeit und der Sterblichkeit der Seele,
die sich wie der menschliche Leib ernährt, zeichnet sich in diesen Zeilen
_____________
materiale utilizzato nel capitolo 17, contenente la confutazione del razionalismo
platonico, derivi da Albino«, sed contra Waszink 1947, 38*: »a special difficulty is
raised by the very detailed discussion on sense-perception (ch. 17) in which the
arguments of the Middle Academy against the reliability of the senses are
refuted… so that it is fairly probable that this selection was made by Tert.
himself«; vgl. 240; vgl. auch Polito 1994, 450: »secondo lo studioso olandese
Albino sarebbe la fonte del cap. 18, poiché in esso è contenuto materiale
platonico«: sed contra Waszink 1947, 255: »that this argument is of Tert.’s own
making, is shown already by the circumstances«. Unannehmbar ist die Äußerung,
der zufolge »tale scetticismo risale dunque direttamente a Tertulliano«: vgl. Polito
1994, 434.
168 Tert. An. 6, 6-7 (= Soranos T 3).
66 Einleitung

sehr deutlich die Art und Weise ab, wie das Werk des Soranos von Tertul-
lian benutzt wurde. 1. ą.Ɂ. wurde von Tertullian eigens für die Abfassung
von De anima herangezogen: vor dem Seelenlehretraktat gibt es bei Tertul-
lian keine Spuren, welche die Benutzung der Schrift des Soranos oder
auch nur deren Kenntnis beweisen; auch die Lektüre von ą.Ɂ. dürfte also
durch Tertullians Ausbildung ›in progress‹ erklärbar sein (die intensive
Tätigkeit während der Abfassung von An. wurde in treffender Form als
eine geistige Fresssucht bezeichnet) 169. 2. die Superlative instructissimo aucto-
re und plenissime ... commentatus lassen uns verstehen, wie sehr Tertullian
seinen Gewährsmann schätzte; die Wertschätzung für die umfassende
Bildung des Soranos kann man – wie bereits Waszink – mit ähnlichen
Erklärungen sowie analogen Fällen der Quellenbenutzung vergleichen und
nachweisen, dass der Epheser als Hauptquelle für psychologische Frage-
stellungen betrachtet werden kann 170. 3. der Titel der Schrift des Soranos
war tatsächlich ąȯȺ ɁȾɀȻ, was der Gewohnheit des Soranos entspricht,
die Titel seiner Werke mit ąȯȺ und Genitiv zu bilden (vgl. oben super
anima, vgl. aber auch An. 2, 6: habuit et philosophia libertatem ingenii et medicina
necessitatem artificii ad extendendos de anima retractatus; 13, 2: ipsi postremo philo-
sophi ipsique medici, quamvis de animo quoque disputaturi, faciem tamen operis fron-
temque materiae »de anima« unusquisque proscripsit). Den gewissenhaften Anga-
ben Tertullians zufolge bestand der Traktat aus vier Büchern (er war also
länger als ą.ȭ. in der jetzigen Form, wobei der letzte Teil des vierten Bu-
ches verloren gegangen ist). Im Vergleich zu diesem Umfang müssen die
80 Seiten der Waszink-Ausgabe von De anima den Text und die Informa-
tionen aus ą.Ɂ. an zahlreichen Punkten verkürzt wiedergeben. 4. an der
oben adgedruckten Stelle wird Soranos bezeichnet als cum omnibus philo-
sophorum sententiis expertus: das Adjektiv hat wahrscheinlich im tertulliani-
schen Text einen übertriebenen Stellenwert, Tatsache bleibt allerdings,
dass ą.Ɂ. der doxographischen Darstellung zahlreicher vorheriger Mei-
nungen großen Raum gewidmet haben muss. Das bedeutet nicht, dass der
Arzt lediglich eine aktualisierte Auflage der Vetusta Placita ohne jede per-
sönliche Stellungnahme oder Argumentation verfasst hätte; die philosopho-
_____________
169 Vgl. Turcan 2007, 49: »d’où la boulimie de lectures, surtout philosophiques, sur
laquelle repose le De anima«.
170 Vgl. Diels 1929, 207; Waszink 1947, 45*; so auch Karpp 1934, 32: »die
empfehlenden Worte, mit welchen Tertullian den Soran überhäuft, sind ein
deutlicher Hinweis auf seinen Gewährsmann«; die Parallele ist Cor. 7, 6-7, wo
Claudius Saturninus, d.h. die Hauptquelle, als praestantissimus in hac materia
bezeichnet wird; vgl. auch Val. 5, 1, wo Irenäus omnium doctrinarum curiosissimus
explorator genannt wird: die Schrift gegen die Valentinianer ist streng genommen
eine Paraphrase des Textes des Irenäus, Tertullian fügt nur Scherze und
Beleidigungen gegen die Häretiker hinzu.
Methodische Kriterien 67

rum sententiae spielten allerdings innerhalb des Werkes eine wichtige Rol-
le 171.
Dass das Vorhandensein doxographischer Materialien in der Schrift
des Soranos nicht von untergeordneter Bedeutung war, können wir er-
schließen, indem wir den Aufbau bei Tertullian und Aëtios vergleichen.
Dieser Aspekt der dispositio, die Tertullian von seinem Gewährsmann
übernahm, wurde in der Forschung schon oft betont; darum werden wir
nur das anführen, was zum Verständnis der Schrift des Soranos beitragen
kann 172.

Aëtios Tertullian, De anima


4, 3: ȯ ȼHȶȫ ˂ ɁȾɀ. Kap. 5-9: Körperlichkeit der Seele.
4, 4: ąȯȺ ȶȯȺHȷ ȽȻ ɁȾɀȻ. Kap. 10-14: Teile oder Vermögen
4, 5: ąȯȺ Ƚȹ8 ˂ȭȯȶȹȷȳȴȹ8. der Seele.
4, 7: ąȯȺ ʱȿȲȫȺȼȫȻ ɁȾɀȻ. Kap. 15: das leitende Vermögen.
4, 8-9: ąȯȺ ȫȼȲȼȯɂȻ ȴȫ Kap. 14, 1; 22, 2; 24, 2; De censu
ȫȼȲȱȽHȷ. animae.
5, 15: ȯ Ƚ' ʿȶȬȺȾȹȷ ȰNȹȷ; 5, 16: Kap. 17.
ąHȻ ȽȺ ȿȯȽȫȳ Ƚ ʿȶȬȺȾȫ; 5, 21: ȷ Kap. 27; Kap. 25-26; 36-37.
ą&ȼL ɀȺ&ȷL ȶȹȺȿȹ8Ƚȫȳ Ƚ ȰNȫ.
5, 23-26: Geschlechtsreife.
5, 24-25: ąȯȺ 4ąȷȹȾ ȴȫ Ȳȫȷ ȽȹȾ. Kap. 38.
5, 1-2: ąȯȺ ȶȫȷȽȳȴȻ, ąȯȺ Kap. 43-44; 50-53.
)ȷȯȺɂȷ. Kap. 45-46.

Es ist eindeutig, dass diese strukturelle Übereinstimmung zwischen Tertul-


lian und Aëtios nicht zufällig sein kann; dass Tertullian den Argumentati-
onsgang Albinos entlehnte, ist auszuschließen: der Platoniker ist alles in
allem eine zweitrangige Quelle, und sein Phaidon-Kommentar musste eine
ganz andere Gliederung haben. Als einzige Schlussfolgerung bleibt, dass

_____________
171 Vgl. Polito 1994, 427: »l’opera del medico non era infatti a carattere
dossografico«: Polito missversteht erneut die Meinungen der modernen
Interpreten: dass Soranos lediglich ein unkritischer Sammler gelehrter Materialien
gewesen sei, wurde nie behauptet, auch nicht von Waszink. Politos Interesse ist
weder auf Tertullian noch Soranos gerichtet, sondern auf Ainesidemos: der
ständige Wunsch, den Skeptizismus des Soranos zu bestreiten und ihn als
Vertreter der Seelenlehre des ›herakliteischen‹ Ainesidemos zu betrachten,
resultiert aus der Fokussierung auf Ainesidemos.
172 Zur Anordnung der Argumente bei Tertullian und Soranos vgl. Karpp, 1934,
42ff.; Waszink 1947, 31*ff.; Festugière 1949, 133ff.; Festugière 1953, 15ff. In der
folgenden Tabelle wird vereinfacht das Schema Festugières dargestellt.
68 Einleitung

die Tertullian und Aëtios gemeinsame Struktur auch bei Soranos zu finden
war.
Es wurde bereits bemerkt, dass der Afrikaner eine Vorliebe für eine
sehr klare und scharf zwischen Abschnitten trennende dispositio zeigt 173.
Bei der Lektüre von De anima gewinnt man den Eindruck, noch mehr als
in den anderen Werken, einen klar oder geradezu streng festgelegten Auf-
bau vor Augen zu haben; daher auch das Gefühl von D. Devoti, dem
zufolge »tutto lo scritto ha più il carattere di una raccolta di sviluppi su
questioni disparate che rientrano quale più quale meno nella psicologia che
non di un trattato sistematico e concepito unitariamente« 174. Dieses Ge-
fühl stellt sich vornehmlich ein bei einer Anordnung in klar getrennte
Abteilungen, nicht bei einer Zusammenstellung verschiedener heterogener
Fragestellungen. Die Möglichkeit einer direkten Überprüfung besteht
leider nicht, allerdings bleibt der Verdacht, dass ein so scharf trennender
Aufbau dem Traktat des Soranos entnommen ist; die Tendenz des Sora-
nos, in scharfer Trennung von Abschnitten und Themen zu komponieren,
ist schon seit längerer Zeit bekannt 175.
Um den Tratktat des Soranos näher zu untersuchen, kann man versu-
chen, auf der Basis des Tertullian-Textes einige Kriterien zu festzulegen,
um die von unserem Arzt stammenden Textpassagen zu identifizieren.
Insbesondere: 1. aus der oben abgedruckten Stelle kann man erschließen,
dass Soranos die Unsterblichkeit der Seele bestritten hatte: damit ist aus-
zuschließen, dass in der eschatologischen Abteilung der Schrift Tertullians
(Kapp. 54 – 58, 8) bedeutende Spuren von ą.Ɂ. zu finden sind. 2. dem
Text des Soranos sind natürlich die Textpassagen entnommen, in welchen
der Name des Arztes genannt wird; allerdings sind diese Stellen nicht zahl-
reich 176. 3. auf Soranos sind die Stellen bei Tertullian zurückzuführen, an
denen Ärzte oder medizinische Lehrmeinungen erwähnt werden 177. 4. die
Passagen, in welchen signifikante doxographische Angaben zu finden sind,
sind Soranos zuzuschreiben – eine Ausnahme bilden die Bezugnahme auf

_____________
173 Vgl. Ch. Mohrmann 1961, 240ff.
174 Vgl. Devoti 1989, 44.
175 Vgl. Kind 1927, 1114, 49ff.: »ein zweites Charakteristikum ist seine Weise, scharf
zu disponieren; er tut dies auch im einzelnen und liebt es, die vorher
angekündigten Punkte der Reihe nach auszuführen und zu erläutern«.
176 Tert. An. 6, 6-7; 8, 3; 14, 2; 15, 3; 25, 5; 44, 2.
177 Vgl. Andreas in 15, 2-3; Apollodor in 15, 6; Asklepiades in 15, 2-3; 15, 6; 25, 5;
38, 1; Chrysipp der Arzt in 15, 6; Diokles in 15, 3 und 17, 2; Erasistratos in 15, 3;
15, 5; 25, 5; Herophilos in 10, 4; 15, 3; 15, 5; 25, 5; Hikesios in 25, 2 und 25, 6;
Hippokrates in 15, 3; 15, 5; 25, 5; Moschion in 15, 5; Straton der Arzt in 15, 5.
Vgl. das Register von Waszink 1947, 623.
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 69

Albinos, der nach Soranos tätig war und von Tertullian direkt gelesen
wurde, und einige Zitate aus Platon178.
Diese Kriterien, die im Vergleich zu den von Waszink angewandten
keine nennenswerte Neuerung bieten, lassen sich durch zwei Elemente
bestätigen: was die Punkte 3 und 4 betrifft, so sind die Stellen, die von
doxographischer und medizinischer Bildung zeugen, nicht gleichmäßig
über De anima verteilt, sondern konzentrieren sich auf wenige Punkte (z.B.
Kapp. 15 und 25), was man mit nur einem Blick in das Personenregister
erkennen kann, wo neben den Namen von Ärzten und Philosophen vor
allem diese Kapitel angeführt sind. Das suggeriert, dass Tertullian schon
vor der Abfassung seines Werks einige ›bibliographische Karteikarten‹
vorbereitet hatte, auf denen er das Material zusammengestellt hatte, das er
für nützlich hielt. Zudem ergibt ein Vergleich mit den Quellen außerhalb
Tertullians keine signifikanten Parallelen zu den Textpassagen, die man
anhand der oben angeführten Kriterien ermitteln kann.

4. Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos

Tertullian (An. 5, 1, T 2) übermittelt eine reiche Doxographie zur Frage


nach der Körperlichkeit der Seele. In § 3 werden am Ende die Stoiker
(denique Zeno…) erwähnt, zuerst Zenon und danach die materialistische
Lehre Chrysipps, der zufolge Leib und Seele dieselben Empfindungen
teilen und die Seele körperlich sein muss, damit sie den Leib verlassen
kann. Verschiedene Elemente bieten uns die Sicherheit, dass auch Soranos
sich diese Argumente aneignete. Tertullian selbst gibt deutlich zu verste-
hen, dass der Epheser die körperliche Natur der Seele vertreten hatte 179;
dass der Arzt sich diese Lehre zu eigen gemacht hatte, kann man daraus
erschließen, dass sie am Ende der doxographischen Reihe angeführt
wird 180. Die Lehre von der Körperlichkeit und Empfindungsfähigkeit der
Seele ist ein allen hellenistischen Schulen gemeinsames Element. Die Er-
wähnung des Kleanthes im selben Testimonium kann uns auf die Spur des
Stoizismus bringen (vgl. auch T 19, An. 25, 9: die Kinder gleichen den

_____________
178 Vgl. Waszink 1947, 42*.
179 Vgl. T 3 (An. 6, 6): ita etiam ipse Soranus plenissime super anima commentatus quattuor
voluminibus et cum omnibus philosophorum sententiis expertus corporalem animae substantiam
vindicat.
180 Zu diesem Kriterium, das die Reihenfolge der verschiedenen von Soranos
übermittelten Meinungen bestimmt, vgl. Hanson - Green 1994, 972: »his
propensity to list and then contest opinions from earlier physicians, most often
agreeing himself with the last opinion he surveys«.
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 69

Albinos, der nach Soranos tätig war und von Tertullian direkt gelesen
wurde, und einige Zitate aus Platon178.
Diese Kriterien, die im Vergleich zu den von Waszink angewandten
keine nennenswerte Neuerung bieten, lassen sich durch zwei Elemente
bestätigen: was die Punkte 3 und 4 betrifft, so sind die Stellen, die von
doxographischer und medizinischer Bildung zeugen, nicht gleichmäßig
über De anima verteilt, sondern konzentrieren sich auf wenige Punkte (z.B.
Kapp. 15 und 25), was man mit nur einem Blick in das Personenregister
erkennen kann, wo neben den Namen von Ärzten und Philosophen vor
allem diese Kapitel angeführt sind. Das suggeriert, dass Tertullian schon
vor der Abfassung seines Werks einige ›bibliographische Karteikarten‹
vorbereitet hatte, auf denen er das Material zusammengestellt hatte, das er
für nützlich hielt. Zudem ergibt ein Vergleich mit den Quellen außerhalb
Tertullians keine signifikanten Parallelen zu den Textpassagen, die man
anhand der oben angeführten Kriterien ermitteln kann.

4. Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos

Tertullian (An. 5, 1, T 2) übermittelt eine reiche Doxographie zur Frage


nach der Körperlichkeit der Seele. In § 3 werden am Ende die Stoiker
(denique Zeno…) erwähnt, zuerst Zenon und danach die materialistische
Lehre Chrysipps, der zufolge Leib und Seele dieselben Empfindungen
teilen und die Seele körperlich sein muss, damit sie den Leib verlassen
kann. Verschiedene Elemente bieten uns die Sicherheit, dass auch Soranos
sich diese Argumente aneignete. Tertullian selbst gibt deutlich zu verste-
hen, dass der Epheser die körperliche Natur der Seele vertreten hatte 179;
dass der Arzt sich diese Lehre zu eigen gemacht hatte, kann man daraus
erschließen, dass sie am Ende der doxographischen Reihe angeführt
wird 180. Die Lehre von der Körperlichkeit und Empfindungsfähigkeit der
Seele ist ein allen hellenistischen Schulen gemeinsames Element. Die Er-
wähnung des Kleanthes im selben Testimonium kann uns auf die Spur des
Stoizismus bringen (vgl. auch T 19, An. 25, 9: die Kinder gleichen den

_____________
178 Vgl. Waszink 1947, 42*.
179 Vgl. T 3 (An. 6, 6): ita etiam ipse Soranus plenissime super anima commentatus quattuor
voluminibus et cum omnibus philosophorum sententiis expertus corporalem animae substantiam
vindicat.
180 Zu diesem Kriterium, das die Reihenfolge der verschiedenen von Soranos
übermittelten Meinungen bestimmt, vgl. Hanson - Green 1994, 972: »his
propensity to list and then contest opinions from earlier physicians, most often
agreeing himself with the last opinion he surveys«.
70 Einleitung

Eltern nicht nur körperlich, sondern auch geistig; dieses Argument des
Kleanthes zielte darauf ab, die Körperlichkeit der Seele und ihre Ähnlich-
keit zum Leib zu beweisen). Zum Beweis der Körperlichkeit der Seele
finden wir drei dem antiken Stoizismus entnommene Argumente 181:

1. Vult et Cleanthes SVF I, 518 (Nemes. De


non solum corporis nat. hom. 76-79 pp. 20f.
lineamentis, sed et Morani): ( țȵȯȪȷȲȱȻ
animae notis similitu- ȽȹȳџȷȮȯ ąȵɃȴȯȳ
dinem parentibus in ȼȾȵȵȹȭȳȼȶџȷ. ȹ3
filiis respondere, de ȶџȷȹȷ, ȿȱȼȷ, *ȶȹȳȹȳ
speculo scilicet morum ȽȹȻ ȭȹȷȯ8ȼȳȷ
et ingeniorum et adfec- ȭȳȷџȶȯȲȫ ȴȫȽ Ƚ'
tuum, corporis autem ȼHȶȫ, ʱȵȵ ȴȫ ȴȫȽ
similitudinem et dis- Ƚȷ ɁȾɀɄȷ, ȽȹȻ
similitudinem capere et ąȪȲȯȼȳ, ȽȹȻ ˅Ȳȯȼȳ,
animam, itaque corpus ȽȫȻ ȮȳȫȲɃȼȯȼȳ· ȼѡ-
similitudini vel dis- ȶȫȽȹȻ Ȯ Ƚ' *ȶȹȳȹȷ
similitudini obnoxium. ȴȫ Ƚ' ʱȷџȶȹȳȹȷ ȹ3ɀ
(Kleanthes ap. An. 5, 4, Ȯ ʱȼɂȶȪȽȹȾ· ȼHȶȫ
Soranos T 2). ʵȺȫ ˂ ɁȾɀɄǜ

2. Item corporalium et ʿȽȳ ȿȱȼɅȷ [scil. SVF II, 792 (Alex.


incorporalium pas- Kleanthes]· ȹ3Ȯ ȷ Aphr. De an. mant. p.
siones inter se non ʱȼѡȶȫȽȹȷ ȼȾȶąȪȼɀȯȳ 117): ʱȵȵ ȴȫ (
communicare; porro et ȼѡȶȫȽȳ, ȹ3Ȯ ʱȼɂ- ȵџȭȹȻ ɁȯȾȮȻ (
animam compati cor- ȶȪȽL ȼHȶȫ· ȼȾȶ- ȵɃȭɂȷ ʱȼѡȶȫȽȹȷ
pori, cui laeso ictibus ąȪȼɀȯȳ Ȯ ˂ ɁȾɀ ȽN ȼѡȶȫȽȳ ȶ ȼȾȶ-
vulneribus ulceribus ȼѡȶȫȽȳ ȷȹȼȹ8ȷȽȳ ȴȫ ąȪȼɀȯȳȷ, DȼȽȯ ȶ
condolescit, et corpus ȽȯȶȷȹȶɃȷL ȴȫ Ƚ' ȯȷȫȳ ʱȼѡȶȫȽȹȷ Ƚȷ
animae, cui afflictae ȼHȶȫ Ƚ ɁȾɀ· ɁȾɀɄȷ.
cura angore amore ȫȼɀȾȷȹȶɃȷȱȻ ȭȹ8ȷ
coaegrescit per detri- ȺȾȲȺ'ȷ ȭɅȷȯȽȫȳ ȴȫ
mentum socii vigoris, ȿȹȬȹȾȶɃȷȱȻ CɀȺџȷ·
cuius pudorem et ȼHȶȫ ʵȺȫ ˂ ɁȾɀɄ.
pavorem rubore atque
pallore testetur. Igitur
anima corpus ex corpo-
ralium passionum

_____________
181 Hierzu vgl. auch Mansfeld 1990, 3135ff.
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 71

communione. (Klean-
thes ap. An. 5, 5,
Soranos T 2).

3. Sed et Chrysippus SVF II, 790 (Nemes. ȹ3ɀ 2ȭȳȻ Ȯ ȵџȭȹȻ


manum ei porrigit con- De nat. hom. 81 p. 22): ȹ3Ȯ ( ȵɃȭɂȷ ȶȱȮ ȷ
stituens corporalia ab ȦȺѠȼȳąąȹȻ ȮɃ ȿȱȼȳȷ· ʱȼѡȶȫȽȹȷ ȼѡȶȫȽȹȻ
incorporalibus derelin- ( ȲȪȷȫȽџȻ ȼȽȳ ɀɂȺɅȰȯȼȲȫȳ, Ƚȷ Ȯ
qui omnino non posse, ɀɂȺȳȼȶ'Ȼ ɁȾɀȻ ʱą' ɁȾɀȷ Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ
quia nec contingantur ȼѡȶȫȽȹȻ· ȹ3Ȯ ȷ Ȯ ɀɂȺɅȰȯȼȲȫȳ, DȼȽȯ ȶ
ab eis… derelicto au- ʱȼѡȶȫȽȹȷ ʱą' ȼѡ- ȯȷȫȳ ʱȼѡȶȫȽȹȷ.
tem corpore ab anima ȶȫȽȹȻ ɀɂȺɅȰȯȽȫȳ· ȹ3Ȯ
affici morte. Igitur ȭ Ⱥ ȿȪąȽȯȽȫȳ
corpus anima, quae nisi ȼѡȶȫȽȹȻ ʱȼѡȶȫȽȹȷ·
corporalis corpus non
˂ Ȯ ɁȾɀ ȴȫ
derelinquet.
ȿȪąȽȯȽȫȳ ȴȫ ɀɂȺɅ-
(Chrysipp ap. An. 5, 6,
Soranos T 2). ȰȯȽȫȳ Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ·
ȹ3ȴ ʵȺȫ ʱȼѡȶȫȽȹȻ ˂
ɁȾɀɄ.

Die Zusammenstellung der drei Beweise zugunsten der Immanenzpsycho-


logie, die wir bei Soranos finden, sammelt Argumente verschiedener stoi-
scher Lehrer unter demselben Gesichtspunkt (d.h. »Körperlichkeit der
Seele«). Auch in diesem Fall können wir dieselbe Tendenz feststellen, die
auch in den Quellen Alexanders und Nemesios’ zu beobachten ist; diese
Kombination der drei stoischen Argumente dürfte Soranos schon in sei-
ner Quelle vorgefunden haben, d.h. mit großer Wahrscheinlichkeit in
einem Schulhandbuch, vgl. unten 182. Auf jeden Fall können wir schon auf
den ersten Blick feststellen, dass die Seelenlehre des Soranos – trotz seines
Studiums in Alexandria in einer von der Platonismusrenaissance gekenn-
zeichneten Periode – dem materialistischen und positivistischen Zeitgeist
des Hellenismus treu blieb.
Nehmen wir jetzt T 9 (An. 12, 5-6) in Augenschein: zu diesem Ab-
schnitt des tertullianischen Textes gibt es keine weitere Parallele, aber das
Zitat aus Anaxagoras und die getreue Paraphrase des Aristoteles-Textes
können nur von Soranos stammen. In seiner Schrift hatte der Arzt also
gegen die anaxagoreische Theorie des getrennten Nous (der zudem auch
_____________
182 Zu dieser Kombination der Argumente vgl. auch Dörrie 1959, 132ff.; Annas
1992, 39ff. und die kurzen Hinweise in dieser Einleitung auf die stoische
Seelenlehre.
72 Einleitung

innerhalb der Seelenlehre eine Rolle spielte) polemisch Stellung bezogen.


Die Polemik des Soranos dürfte sich auch auf die aristotelische Lehre der
Empfindungslosigkeit des Nous konzentriert haben 183; die Seele war näm-
lich für den Arzt in der Lage, an den Empfindungen teilzuhaben 184. Es
handelt sich hier um ein Element von großem Interesse, wird hierdurch
doch nach der Wiederentdeckung der Aristoteleswerke durch Andronikos
bewiesen, wie die Seelenlehre des Stagiriten von der hellenistischen Psy-
chologie, die vom post-theophrastischen Peripatos beeinflusst war, als ein
Fremdkörper und nicht vertretbar betrachtet wurde.
Diese polemische Äußerung gegen die Theorie des getrennten Nous
passt sehr gut zu T 11 (An. 14, 4f.). An dieser durch die Parallelen bei
Pollux und dem Anonymus Londinensis gesicherten Stelle ist die Argu-
mentation des Soranos eher konstruktiv als polemisch; nach dem Beispiel
der Wasserorgel und einigen doxographischen Angaben finden wir die
Definition der Seele als »im ganzen Leib verstreut« (in totum corpus diffusa,
ȽN *ȵL ȼѡȶȫȽȳ ąȫȺȯȼąȫȺȶ ȷȱ). Die Seelenlehre des Soranos wird also
durch die typischen Kennzeichen der hellenistischen Zeit, d.h. Materialis-
mus und Immanenzphilosophie, charakterisiert; die stoffliche ɁȾɀ ist bei
ihm genau wie bei Straton und Epikur im ganzen menschlichen Leib ver-
streut 185.
Ein nur bei Tertullian überliefertes (T 10, An. 14, 2), durch die Er-
wähnung des Arztes gesichertes Zeugnis enthält eine doxographische
Aufzählung der Meinungen über die Unterteilung des psychischen Prin-
zips. Anders als an anderen Stellen wird in diesem Fall die Meinung des
Arztes nicht am Ende der Aufzählung wiedergegeben, sondern steht in
einer Liste von neun Elementen an fünfter Stelle, wobei die verschiedenen
Meinungen aufsteigend nach der Anzahl der Teile sortiert sind. Soranos
hatte die ɁȾɀ in sieben Teile unterteilt. Trotz der Unklarheit, die aus der
mangelhaften Beleglage resultiert, wird an dieser Stelle deutlich, dass der
antike Stoizismus und die Unterteilung der stofflichen Seele in acht Ab-
schnitte der Ausgangspunkt für die Seelengliederung des Soranos ist 186.
Der tertullianische Text gibt zu verstehen, dass das psychische Prinzip
dividitur in partes, es handelt sich allerdings um eine vom Afrikaner vorge-
nommene Verzerrung, Tertullian hält nämlich die verschiedenen Seelen-

_____________
183 Vgl. Arist. An. 430 a 17: ȴȫ ʱąȫȲȻ ȴȫ ʱȶȳȭȻ; Gen. an. 736 b 27: ȲѠȺȫȲȯȷ
ąȯȳȼȳ ȷȫȳ ȴȫ Ȳȯȷ ȯȷȫȳ ȶџȷȹȷ. Die Parallelen wurden von Waszink 1947, 203-
204 angeführt.
184 Vgl. T 9, An. 12, 5.
185 Vgl. SVF II, 471, 10; SVF II, 473, 20.
186 Vgl. SVF I, 143: ȗȷɂȷ Ȯ ( ȢȽɂȳȴ'Ȼ )ȴȽȫȶȯȺ ȿȱȼȳȷ ȯȷȫȳ Ƚȷ ɁȾɀȷ, und
die Beobachtungen zur stoischen Seelenlehre in der Einleitung.
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 73

vermögen für Teile einer stofflichen Masse. Wie man aus T 11 (An. 14, 4)
erschließen kann, hatte Soranos solche Teile wahrscheinlich eher für Ver-
mögen als für stofflich getrennte Abschnitte gehalten. Um diese Teile zu
bestimmen, sollten wir ausschlussweise vorgehen, bewegen uns hier aber
auf unsicherem Terrain. Wir können allerdings mit Waszink feststellen,
dass Soranos das Hegemonikon (T 12, An. 15; vgl. auch 13, 2), die fünf
Sinneswahrnehmungen (T 14, An. 17) und das Reproduktionsvermögen
(T 20, Kap. 27, wo steht, dass mit der Ejakulation de anima quoque sentimus
exire) als Teile annahm. Mit großer Wahrscheinlichkeit ging Soranos von
Zenons Unterteilung in acht Teile aus und schloss von diesen das Stimm-
vermögen aus.
Es scheint allerdings sonderbar, dass ein unersättlicher Leser wie So-
ranos, der zudem in Alexandria studiert hatte, die damals sehr lebendige
Geistesmetaphysik hatte ignorieren können (oder wollen): Eudor, Mode-
ratos und Philon hatten nur etwa ein Jahrzehnt früher unterrichtet. Auch
wenn die Dokumentation fragmentarisch ist, so können wir doch feststel-
len, dass Soranos sich mit der Widerlegung platonischer Argumente be-
schäftigte. Wie man sich leicht vorstellen kann, war der größte Span-
nungspunkt die Lehre von der Körperlichkeit der Seele:

T 3 = An. 6, 6: De insignioribus Xenokrates, fr. 203 Isnardi-Parente


argumentationibus erit etiam illa, (Nemesios, De nat. hom. 72 p. 19
quod omne corpus corporalibus ali Morani = Numenios, fr. 4 des
iudicant, animam vero, ut incorpo- Places): ʿȽȳ ˂ ɁȾɀ ȯ ȶ ȷ
ralem, incorporalibus, sapientiae ȽȺɃȿȯȽȫȳ 2ąȃ ʱȼɂȶȪȽȹȾ
scilicet studiis. Sed nec hic gradus ȽȺɃȿȯȽȫȳ, Ƚ ȭ Ⱥ ȶȫȲɄȶȫȽȫ
stabit etiam Sorano methodicae ȽȺɃȿȯȳ ȫ3ȽɄȷ· ȹ3Ȯ ȷ Ȯ ȼHȶȫ
medicinae instructissimo auctore 2ąȃ ʱȼɂȶȪȽȹȾ ȽȺɃȿȯȽȫȳ· ȹ3ȴ
respondente animam corporalibus ʵȺȫ ȼHȶȫ ˂ ɁȾɀɄ. (ȟȯȷȹȴȺȪȽȱȻ
quoque ali, denique deficientem a ȹ4Ƚɂ ȼȾȷȭȯȷ)· ȯ Ȯ ȶ
cibo plerumque fulciri. ȽȺɃȿȯȽȫȳ, ą˦ȷ Ȯ ȼHȶȫ ȰMȹȾ
ȽȺɃȿȯȽȫȳ, ȹ3 ȼHȶȫ ˂ ɁȾɀɄ.

(ȟȯȷȹȴ. ȴȽȵ. seclusit Morani collata


armeniaca versione).

vgl. Platon, Phaed. 84 a 8: Ƚ' Ȳȯȹȷ ȴȫ


Ƚ' ʱȮџȸȫȼȽȹȷ Ȳȯɂȶ ȷȱ ȴȫ 2ąP ȴȯȷȹȾ
ȽȺȯȿȹȶ ȷȱ. Phaedr. 247 d 4: ȲȯɂȺȹ8ȼȫ
ȽʱȵȱȲ ȽȺ ȿȯȽȫȳ; vgl. Prot. 313 c 4-5.
74 Einleitung

Wie auch immer man die problematische Xenokrates-Stelle interpretiert 187


– man kann sicher ausschließen, dass Tertullian diese Informationen auf
direktem Wege erhalten hatte. Der Text des Afrikaners gibt im Gegenteil
deutlich zu verstehen, dass Soranos dieser Theorie, die vielleicht von Xe-
nokrates, aber sicher aus einem platonischen Milieu stammt, entschlossen
widersprach; er habe die Körperlichkeit der Seele, die sich von stofflicher
Nahrung ernährt, betont und sich hierbei auf die alltägliche Erfahrung des
Mediziners bezogen, dass niemand einem schwachen, appetitlosen Kran-
ken geistige Nahrung anbietet 188. Dass Soranos Xenokrates direkt gelesen
und bekämpft hatte, können wir nicht definitiv ausschließen; es erscheint
mir allerdings unwahrscheinlich, dass ein wenn auch gelehrter Leser, wie
Soranos es war, zwischen dem ersten und zweiten Jahrhundert einen di-
rekten Zutritt zu den Werken des Schulleiters der Akademie hatte; zu-
gunsten einer indirekten Benutzung können wir noch anführen, dass der
Name des Xenokrates auch in T 2 (An. 5, 1) und T 13 (An. 15, 5) in einer
doxographischen Aufzählung zu lesen ist.
Dieselbe indirekte Benutzung des Arguments dürfte auch bei Neme-
sios zu beobachten sein, der Xenokrates nicht direkt, sondern durch Nu-
menios kennengelernt hatte. An dieser Stelle ist der Text des Bischofs von
Emesa auch infolge eines Überlieferungsproblems schwer zu verstehen:
wegen des harten Asyndetons und der Auslassung in der armenischen
Übersetzung tilgte Morani Xenokrates’ Namen. Die Rekonstruktion des
Xenokrates-Fragments und diejenige des Nemesios-Textes sind zwei von-
einander getrennte Probleme; dass der Name des akademischen Schullei-
ters in der armenischen Übersetzung fehlt, mag beweisen, dass diese Wor-
te nicht aus der Feder des Nemesios geflossen sind; es kann allerdings
nicht zeigen, dass sie inhaltlich falsch sind (die Erwähnung des Xenokrates
ist zudem Teil einer Textpassage, die wohl größtenteils aus Numenios
stammt, was eine Stilanomalie erklären könnte). Dass auch Nemesios die
Argumentation durch einen alexandrinischen Platoniker kennengelernt
hat, kann uns auf die Spur des Mittelsmannes des Arztes aus Ephesos
bringen. Viel plausibler als eine direkte Kenntnis ist die Annahme, dass
Soranos nicht direkt Xenokrates widersprach, sondern platonischen Den-
_____________
187 Isnardi-Parente 1982, 396-397 vermutet eine polemische Stellungnahme zur
peripatetischen Lehre, der zufolge sich die Seele vom ersten Element ›ernährt‹; sie
führt dazu Cic. De nat. deor. 2, 15, 43 an (in dieser Textpassage scheint die
Thematik allerdings eine andere zu sein: die Wesenheiten, die sich wie die
Gestirne von feineren, unkörperlicheren Elementen ernähren, verfügen über eine
schärfere Intelligenz).
188 Vgl. T 3, An. 6, 7. Die Interpretation Politos 1994, 440 scheint eine verzerrte
Auslegung zu sein: ihm zufolge geht es an dieser Stelle nicht um Nahrung,
sondern um »farmaci efficaci«.
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 75

kern, die das Argument des Xenokrates im antimaterialistischen Sinne


wieder aufgriffen. Alexandria ist der Ort, an welchem Soranos mit größter
Wahrscheinlichkeit die platonische Philosophie kennengelernt hatte; in der
ägyptischen Hauptstadt hatte der Arzt seine berufliche Ausbildung absol-
viert.
Auf dieselbe Spur führt ein weiteres ›Phänomen‹, das – wenn es Sora-
nos zuzuschreiben ist (auch wenn sich bei Tertullian keine Parallele findet)
– einen interessanten persönlichen Beitrag des Arztes im Rahmen der
Streitigkeiten über die Seelenlehre in der Kaiserzeit darstellen könnte. Wie
erwähnt, nahmen die Stoiker drei Formen von Mischung an: 1. die
ąȫȺ ȲȯȼȳȻ; 2. die ȶȸȳȻ; 3. die ȴȺ˦ȼȳȻ und die ȼ0ȭɀȾȼȳȻ. Die zweite dieser
Möglichkeiten der Vermischung kann den Stoikern zufolge ermöglichen,
dass zwei Körper einander völlig durchdringen und gleichzeitig ihre spezi-
fischen Eigenschaften unverändert bewahren; diese Mischung wurde im
Falle der Vereinigung von Leib und Seele angenommen 189. Auf diesen
Punkt hatte sich die Kritik der Platoniker und Peripatetiker an der stoi-
schen Seelenlehre besonders konzentriert: diese führe zur absurden
Schlussfolgerung, zwei Körper befänden sich gleichzeitig am selben Ort.
Der Mittelplatonismus dürfte vor allem das Argument wieder aufgegriffen ha-
ben, dass zwei Körper unmöglich einander durchdringen können 190, der Aus-
gangspunkt findet sich in Aristoteles’ De anima (Arist. An. 409 b 2ff.: ȯąȯȺ ȭȪȺ
ȼȽȳȷ ˂ ɁȾɀ ȷ ąȫȷȽ ȽN ȫȼȲȫȷȹȶɃȷL ȼѡȶȫȽȳ, ʱȷȫȭȴȫȹȷ ȷ ȽN ȫ3ȽN
ȮѠȹ ȯȷȫȳ ȼѡȶȫȽȫ, ȯ ȼHȶȪ Ƚȳ ˂ ɁȾɀɄ; vgl. An. 418 b 18: ȹ6Ƚȯ ȭ Ⱥ ȮѠȹ
ȼѡȶȫȽȫ ʶȶȫ ȮȾȷȫȽ'ȷ ȷ ȽN ȫ3ȽN ȯȷȫȳ .
SVF II, 796 (= Calcid. Comm. Tim. 221, pp. 234-235 Waszink) 191: societas porro
vel ex adplicatione fit vel ex permixtione vel ex concretione. Si adplicita sint cor-
pus et anima, quid ex adplicatione compositum horum duum quatenus totum erit
vivum?... si vero permixta sunt, anima unum aliquid non erit, sed permixta multa;
Stoici spiritum, id est animam, unum quid esse profitentur: non ergo permixta
sunt. superest ut ex concretione manent: ergo et per se invicem transeunt duo
corpora, et locus unus quo corpus continetur duobus corporibus praebebit ca-
pacitatem, cum vas quod aquam recipit vinum et aquam simul capere non possit.

_____________
189 Vgl. SVF II, 471, 10: (ȶȹɂȻ Ȯ ȴʱą ȽHȷ ȷ ˂ȶȷ ɁȾɀHȷ ʿɀȯȳȷȊ ȮȳP *ȵɂȷ ȭ Ⱥ
ȽHȷ ȼɂȶ Ƚɂȷ ˂ȶHȷ ʱȷȽȳąȫȺȯȴȽȯȷȹȾȼȳ, ʱȺ ȼȴȯȳ ȭ Ⱥ ȫ3ȽȹȻ ȼHȶȫ Ȯȳ
ȼѡȶȫȽȹȻ ʱȷȽȳąȫȺɄȴȯȳȷ; SVF II, 473, 20: Ƚ Ȼ Ȯ ȽȳȷȫȻ ȭȷȯȼȲȫȳ ȶȸȯȳȻ ȵ ȭȯȳ, ȮȳP
*ȵɂȷ ȽȳȷHȷ ȹ3ȼȳHȷ Ƚȯ ȴȫ ȽHȷ Ƚȹ0Ƚɂȷ ąȹȳȹȽȽɂȷ ʱȷȽȳąȫȺȯȴȽȯȳȷȹȶ ȷɂȷ
ʱȵȵȵȫȳȻ ȶȯȽ Ƚȹ8 Ƚ Ȼ ȸ ʱȺɀȻ ȹ3ȼȫȻ Ƚȯ ȴȫ ąȹȳџȽȱȽȫȻ ȼMȰȯȳȷ ȷ Ƚ ȶȸȯȳ
Ƚ Ƚȹȳ˧Ȯȯ. Sehr ähnlich sind die Fragestellungen, wenn auch in polemischer
Absicht vorgebracht, in Alexanders De mixtione, 3, 216, ed. Todd 1976, p. 116,
25ff.; dazu vgl. auch Dörrie 1959, 24ff.
190 Zur mittelplatonischen Herkunft dieses Begriffes vgl. Calcidius Comm. Tim. 221
und den Kommentar von Waszink 1947, 234-235.
191 Vgl. Dörrie 1959, 30ff.
76 Einleitung

neque igitur ex adplicatione neque permixtione neque vero concretione corpus et


anima sociantur; ex quo confit animam non esse corpus.
Priscian, Solutiones ad Chosroen p. 44, 16-28 Bywater 192: de eo quod anima incorporea sit.
Anima enim a se animato animali aut apponitur aut miscetur aut concreta est. sed
si quidem quasi tangens apponitur, non fortassis esset animal totum animatum.
impossibile enim est corpus totum corpori toto apponi; sed animal totum anima-
tum. non igitur apponitur anima, et per hoc corpus non est. si autem miscetur,
non iam unum erit anima, sed quiddam divisorum et partitorum; unum autem
oportet esse animam, non igitur miscetur. si vero concreta est, corpus totum per
corpus totum pertransivit; impossibile autem hoc; duo enim in eodem corpora
erunt. itaque neque apponitur, neque miscetur neque concreta est: et necessario
neque corpus est. sed pervenit ut essentia quaedam incorporalis; proprium vero
incorporalis pervenire per totum corpus.ȱ
SVF II, 797 (Alex. Aphr. De anima libri mant. p. 115, 32ff. Bruns): ʱȵȵ ȹ3Ȯ
BȻ ȷ ʱȭȭȯɅL ȽN ȼѡȶȫȽȳ ȯȱ ʳȷ ˂ ɁȾɀɄ. ȯȱ ȭ Ⱥ ʳȷ ȴȫ ȹ4ȽɂȻ ȹ3ɀ *ȵȹȷ
ʿȶɁȾɀȹȷ Ƚ' ȼHȶȫ. ʱȵȵ ȹ3Ȯ ȴȫȽ ąȫȺȪȲȯȼȳȷ. ȹ3Ȯ ȭ Ⱥ ȹ4ȽɂȻ *ȵȹȷ
ʿȶɁȾɀȹȷ ʿȼȽȫȳ Ƚ' ȼHȶȫ. ȶ˦ȵȵȹȷ Ȯ ȹ3Ȯ’ *ȵɂȻ ʿȶɁȾɀȹȷ. ȹ3Ȯ ȭ Ⱥ ą Ƚȹ8
ȼɂȺȹ8 ȷ Ƚ ȴȺȳȲ ( ąȾȺџȻ. ȯ Ȯ *ȵȹȷ Ȯȳ’ *ȵȹȾ, ąȯȳȮ ą˦ȷ Ƚ' ȼHȶȫ
ʿȶɁȾɀȹȷ, ąHȻ ȼHȶȫ Ȯȳ ȼѡȶȫȽȹȻ ȮȳɄȴȯȳ, ȮȯȳȴȷѠȷȫȳ Ȯȯ.ȱ
Das Argument der stoischen ȶȸȳȻ war offensichtlich so ernst zu nehmen, dass
sich auch der reife Neuplatonismus ab Plotin gezwungen fühlte, diese Theorie zu
bekämpfen: vgl. Plot. Enn. 4, 7, 82, 20-22 (SVF II, 799): ȹ3 ȽȹȷȾȷ *ȵȹȷ ȮȳP *ȵȹȾ
ɀɂȺȯȷ ȮȾȷȫȽ'ȷ Ƚ' ȼHȶȫȊ ˂ Ȯ ɁȾɀ ȮȳP *ȵɂȷȊ ʱȼѡȶȫȽȹȻ ʵȺȫ; auch Porphy-
rios musste in den Symmikta Zetemata der stoischen Lehre widersprechen: vgl. 258
p. 280ff. Smith (Nemes. De nat. hom. p. 38, 12ff.): ʱȷȪȭȴȱ ȭ Ⱥ ˃ ˂ȷHȼȲȫȳ [es
handelt sich hier um ein Synonym für ȼ0ȭɀȾȼȳȻ] Ƚȷ ɁȾɀȷ ȴȫ Ƚ' ȼHȶȫ ȴȫ
ȼȾȷȱȵȵȹȳHȼȲȫȳ ȴȫ ȼȾȷȯȿȲȪȺȲȫȳ ʱȶȿџȽȯȺȫ, BȻ Ƚ ȼȽȹȳɀȯȫ· ˃ ȶ ˂ȷHȼȲȫȳ
ȶ ȷ Ȯȳ Ƚ Ȼ ąȺȹȯȳȺȱȶɃȷȫȻ ʱȽȹąɅȫȻ, ąȫȺȫȴȯȼȲȫȳ Ȯ BȻ ɀȹȺȯȾȽ Ȼ ȷ ɀȹȺN ˃
Ɂȿȹȷ ɁɄȿL, ˃ ȴȯȴȺ˦ȼȲȫȳ, BȻ ȹȷȹȷ ȴȫ 4ȮɂȺ. ʱȵȵ’ *Ƚȳ ȶ ȷ ȹ3 ȮѠȷȫȽȫȳ
ąȫȺȫȴȯȼȲȫȳ ȽN ȼѡȶȫȽȳ ˂ ɁȾɀ ȷ ȽN ąȯȺ ɁȾɀȻ ʱąȹȮɃȮȯȳȴȽȫȳ… ȯ Ȯ
ȶɄȽȯ ˆȷɂȽȫȳ ȶɄȽȯ ąȫȺȪȴȯȳȽȫȳ ȶɄȽȯ ȴɃȴȺȫȽȫȳ, ȽɅȻ ( ȵџȭȹȻ Ƚȹ8 Ƚ' ȰNȹȷ ʾȷ
ȵɃȭȯȼȲȫȳȆ Bemerkswert ist auch der Unterschied zwischen der Argumentation
des Porphyrios und dem mittelplatonischen Material: gegen die stoische ȶȸȳȻ
wird hier nicht das traditionelle Argument vorgebracht, zwei Körper könnten
sich nicht gegenseitig durchdringen; das mittelplatonische, schon bei Calcidius
nachgewiesene Argument der Vermischung von Wasser mit Wein wird hier wie-
der aufgenommen, hinzugefügt wird allerdings das Ergebnis des Experiments,
dem zufolge Wasser und Wein mithilfe eines öligen Schwammes auch nach der
Vermischung wieder getrennt werden könnten. Dies ist der Ausgangspunkt für
die Beweisführung des Porphyrios: auch die ȶȸȳȻ muss als eine Art des Neben-
einanderstellens betrachtet werden, es handelt sich lediglich um eine ąȫȺȪȲȯȼȳȻ,
die zwischen mikroskopischen Körperchen stattfindet: vgl. p. 281, 50ff. Smith:

_____________
192 Vgl. Prisciani Lydi Metaphrasis in Theophrastum et Solutionum ad Chosroem liber, ed. I.
Bywater, Supplementum Aristotelicum 1, Berolini 1886. Zum Vorhandensein
einer gemeinsamen mittelplatonischenȱ Quelle von Calcidius und Priscian (es
dürfte sich nicht um Materialien aus Porphyrios handeln) vgl. Dörrie 1959, 30-31.
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 77

ȴȫɅȽȹȳ ȽȻ ȽȹȳȫѠȽȱȻ ȴȺȪȼȯɂȻ ȴȫȽ ąȫȺȪȲȯȼȳȷ ȭȳȷȹȶɃȷȱȻ ȵȫȷȲȪȷȹȾȼȫȷ <ȶ ȷ>
Ƚȷ ȫȼȲȱȼȳȷ Ȯȳ Ƚ' ȵȯąȽȹȶȯȺ Ȼ ȽHȷ ȴȯȴȺȫȶɃȷɂȷ· Ȯȵȹȷ Ȯ ȴ Ƚȹ8 ąȪȵȳȷ
ʱą’ ʱȵȵɄȵɂȷ ȮѠȷȫȼȲȫȳ ɀɂȺɅȰȯȼȲȫȳ.
Eine ähnlich polemische Stelle ist auch bei Tertullian bezeugt; hier sind
allerdings die von Soranos stammenden Materialien mit anderen Argu-
menten vermischt, so dass die Textpassage nicht unter die sicheren Testi-
monien aufgenommen wird (T 37 An. 6, 8: tale aliquid, opinor, ei accidit cum
duo in unum corpora negavit). Eine ähnliche Fragestellung, wenn auch ohne
direkten Bezug auf die Seelenlehre, ist auch beim Anonymus Londinensis
(39, 1-15, T 38) zu lesen:
Ȳȫȳ ϮȵɃȸȫȷȮȺȹȻ, ą(Ⱥȹȼ)ɀȺHȷȽȫȳ. [ȴȫ ȫ, ȿ(ȱȼɅȷ),] ʱąȹȴȺɅ-
ȷȯȽȫɅ Ƚȳȷȫ ʱȿ’ ˂ȶHȷ ȴȫ ȯȼȴȺɅȷȯȽȫɅ Ƚȳȷȫ ȯȻ
˂ȶ˦Ȼ ąȪȷȽɂȻ ȮȳȪ Ƚȳȷ(ɂȷ) ȵџȭɂȳ ȲȯɂȺȱȽ(Hȷ) ąџȺɂȷ,
ąȯȳȮɄąȯȺ ȼHȶȫ Ȯȳ ȼѡȶȫȽȹȻ ȹ[3 ȵɃȭ]ȹȾȼȳ ȮȳȯȵǽȲǽȯȷ.
ȴȫ ʵȵȵɂȻ ȿ(ȱȼɅȷ)· BȻ ˂ ȿѠȼȳȻ ȽȱȺȯ Ƚ'ȷ [ȷџȶ]ȹȷ, ǽąǽȹǽɅ[ȱȼȯȷ] 5
[ąȪ]ȷȽ(ɂȷ) ʱąȹȿȹȺȪȻ ȽȳȷȫȻ ȫȼȲȱȽ Ȼ ȴȫ ȵџȭɂȳ Ȳȯ[ɂȺȱȽȪȻ]
[ȴ]ȫ ȮȳȫȿџȺȹȾȻ ʱąȹȿȹȺ Ȼ ȴ(ȫȽ ) Ƚ' ȫȼȲȱȽ'ȷ ȴȫ ȴ(ȫȽ ) [Ƚ']
[ȵ]џȭɂȳ ȲȯɂȺȱȽџȷ. * ąȯ ȹ9ȷ ȴȫȽ Ƚ' ȫȼȲȱȽ'ȷ
[]ąȹɅȱȼɃȷ ȽȳȷȫȻ ąџȺȹȾȻ, ȴȫ ȴ(ȫȽ ) Ƚ' ȵǽџǽȭǽɂǽȳ ȲǽȯǽɂǽȺǽȱȽ'ȷ
[ą]ȹȳɄȼȫȽȹ, * *Ƚȳ ȽȺɃȿȯȽȫȳ, (ȿȱȼɅȷ), ąȪȷȽȫ [Ȯȳ] [ąџȺ]ɂȷ 10
[Ƚȹ]8 ȼѡȶ[ȫȽ]ȹȻ ȴȫ [ȹ3] ȵɃȭȹȾȼȳȷ ȼ[Hȶȫ Ȯȳ ] ȼѡ(ȶȫȽȹȻ)
[ȮȳȯȵȲȯȷ], ȴȫ Ƚ' ɀȾȵǽ[ɂ]Ƚ'ȷ ȴȫ Ƚʷȵȵȫ [Ƚȹ8 ȼ]ѡȶ(ȫȽȹȻ)
[ȶɃȺȱ ȭɅ(ȷȯȽȫȳ)] ȽȻ ȽȺȹȿȻ ȮȳȹȮȯȾȹѠȼ[ȱ]Ȼ [.]ȫǽȳ[..]
[..........]ȹǽȻǽ ȶɃȺȹȻ Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ, [BȻ] Ƚ(Hȷ)
[ȵџ]ȭɂȳ ȲȯɂȺȱȽ(Hȷ) ąџȺɂȷ ,ȷȽɂȷ ȽȫѠȽȱ […] 15
Dieses problematische Fragment kann man vermutlich Soranos zuschrei-
ben (m.E. ist diese Zuweisung sogar wahrscheinlich); das nun Folgende
wird also nur auf hypothetischer Ebene angeführt.ȱ
Die schon im Abschnitt zur hellenistischen Seelenlehre betrachtete
Porentheorie ging vom Vorhandensein unsichtbarer, aber deduzierbarer
Poren im menschlichen Leib aus (es handelt sich um die bereits erwähnten
ąџȺȹȳ ȵџȭL ȲȯɂȺȱȽȹ઀) 193. Dieser Theorie zufolge ist der menschliche

_____________
193 Zu Asklepiades vgl. Wellmann 1922, 398; 401: wurde die Porentheorie von
Themison verworfen? Vgl. auch RE 4, 1632-1633; Dictionnaire des philosophes
antiques 1, 624-625 (R. Goulet).
78 Einleitung

Leib nicht kompakt, sondern porös und schwammartig; dieser Körper sei
ebenfalls mit zahlreichen Zwischenräumen ausgestattet, deren Vorhanden-
sein auch für die Ernährung unentbehrlich sei, da es die Verteilung der
Nahrung im ganzen Leib ermögliche; die Kanäle seien auch bei der Re-
produktion unentbehrlich, sie ermöglichten die Verteilung des Samens im
weiblichen Leib 194. Wenn Soranos, wie es scheint, den menschlichen Leib
als mit solchen Poren ausgestattet betrachtete, so war diese Theorie für
ihn im Rahmen der Seelenlehre eine große Hilfe gegen den Widerspruch,
der auf der Undurchdringbarkeit der Körper basierte; man kann vermu-
ten, dass das so rege Bemühen des Anonymus, die Aporie bezüglich der
zwei Körper zu überwinden, zur Annahme der Porentheorie im Rahmen
der Seelenlehre führte. Daraus ergibt sich eindeutig eine korpuskurale
Basis für Physik und Physiologie, d.h. eine im Wesentlichen epikureische
bzw. in jedem Fall atomistische Theorie, die von der Stoa weit entfernt ist.
Nehmen wir jetzt in Augenschein, was man als das größte Deutungs-
problem bezüglich der philosophischen Persönlichkeit des Soranos be-
trachten kann, d.h. sein Verhältnis zu Ainesidemos und dem Skeptizismus.
Unser Ziel besteht ausschließlich darin, den Seelenlehretraktat des Arztes
zu rekonstruieren, die Frage nach Ainesidemos und seinem Skeptizismus
muss erfahreneren Wissenschaftlern überlassen werden.
Ausgangspunkt sind die Angaben, die wir trotz des Verlustes der
Quellen mit relativ großer Sicherheit deuten können. T 14 lässt sich mit
Gewissheit wieder aufbauen, indem man auf An. 17, 2ff. (Te) in Verbin-
dung mit dem Text des Meletios (M) zurückgreift: der Afrikaner übermit-
telt (nicht: unterstützt) an dieser Stelle die Meinung derer, die die Verläss-
lichkeit der Sinneswahrnehmung bestreiten. Diese Argumentation, die bei
Tertullian regelmäßig auf die fünf Sinne angewandt wird, gibt den Text
der skeptischen Tropoi wieder (des siebten Tropos nach Diogenes Laerti-
os, des fünften in der Aufzählung des Sextus Empiricus) 195:ȱ

_____________
194 Im Kontext der Ernährung ist in ą.ȭ. keine deutliche Erwähnung der ąџȺȹȳ zu
finden, dort wird allerdings die Überzeugung widerlegt, dass sich durch das
Schaukeln des Kindes die Nährstoffe besser in dessen Leib verteilen (2, 13 p. 51
= p. 83, 5-10 Ilberg); zu den Poren im Kontext der Reproduktion vgl. ą.ȭ. 1, 4 p.
11 (= p. 9, 14 Ilberg): ( ȼąȯȺȶȫȽȳȴ'Ȼ Ȯ ąџȺȹȻ ʱą' ȽȻ 2ȼȽ ȺȫȻ ȮȳȃʼȴȫȽ ȺȹȾ
ȿ ȺȯȽȫȳ ȮȳȮ0ȶȹȾ; 1, 14 p. 40 (= p. 30, 29 Ilberg): ȴȫȲ’ +ȷ ȭ Ⱥ ȴȫȳȺ'ȷ ȷ ȽȹȻ
ȼąȯȺȶȫȽȳȴȹȻ ąȯȺȳɃɀȯȽȫȳ ąџȺȹȳȻ, ȴȺȫȽȯȽȫȳ ȶ ȷ ąȳȶџȷɂȻ, ʱȵȵ’ ȹ3ȴ ʿȼȽȳȷ
Ƚȹ8Ƚȹ ȼѠȵȵȱɁȳȻ.
195 Die Sekundärliteratur ist umfangreich: vgl. nur Annas - Barnes 1985, 98ff. und
die dort angeführten und diskutierten Texte; eine weitere Version des Tropos des
Ainesidemos ist für Philon bezeugt (Ebr. 181ff.).
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 79

(a) Der Gesichtssinn Aines. ap. Diog. Laert. Sext. Emp. Pyrrh. Hyp.
ist trügerisch bei gro- 9, 85 p. 691, 5ff. Mar- 1, 118-120: ąɃȶąȽȹȻ
ßer Entfernung; wenn covich: ˀȬȮȹȶȹȻ ( ȼȽ ȵџȭȹȻ ( ąȫȺ
ein Medium die direkte ąȫȺ Ƚ Ȼ ʱąȹ- Ƚ Ȼ ȲɃȼȯȳȻ ȴȫ Ƚ
Verbindung unter- ȼȽȪȼȯȳȻ ȴȫ ąȹȳ Ȼ ȮȳȫȼȽɄȶȫȽȫ ȴȫ Ƚȹ1Ȼ
bricht; oder wenn sich ȲɃȼȯȳȻ ȴȫ Ƚȹ1Ȼ ȽџąȹȾȻ· ȴȫ ȭ Ⱥ
die Wahrnehmung ȽџąȹȾȻ ȴȫ Ƚ ȷ ȽȹȻ ąȫȺ ȽȹѠȽɂȷ ˀȴȫȼ-
während einer Bewe- ȽџąȹȳȻ. ȴȫȽ Ƚȹ8Ƚȹȷ Ƚȹȷ Ƚ ȫ3Ƚ ąȺȪȭ-
gung vollzieht: das Ƚ'ȷ ȽȺџąȹȷ (a) Ƚ ȶȫȽȫ ȮȳȪȿȹȺȫ ȿȫɅ-
unversehrte Ruder Ȯȹȴȹ8ȷȽȫ ȯȷȫȳ ȷȯȽȫȳ, (a) ȹ ȹȷ ˂ ȫ3Ƚ
erscheint im Wasser ȶȯȭȪȵȫ ȶȳȴȺ ȿȫɅ- ȼȽȹ ʱą' ȶ ȷ ȽȻ
zerbrochen, der vier- ȷȯȽȫȳ, Ƚ ȽȯȽȺȪȭɂȷȫ ʼȽɃȺȫȻ ʱȺɀȻ
eckige Turm scheint ȼȽȺȹȭȭѠȵȫ, Ƚ (ȺɂȶɃȷȱ ȶȯɅȹȾȺȹȻ
rund zu sein (Te M); (ȶȫȵ ȸȹɀ Ȼ ʿɀȹȷȽȫ, ȿȫɅȷȯȽȫȳ, ʱą' Ȯ Ƚȹ8
der Bogengang scheint Ƚ )ȺȲ ȴȯȴȵȫȼȶɃȷȫ, ȶɃȼȹȾ ȼѠȶȶȯȽȺȹȻ
am Ende enger zu Ƚ CɀȺ ʼȽȯȺџɀȺȹȫ. ąȪȷȽȹȲȯȷ, ȴȫ Ƚ'
sein, das Meer und der ( ȭȹ8ȷ ˆȵȳȹȻ ąȫȺ ȫ3Ƚ' ąȵȹȹȷ ąџȺ-
Himmel scheinen sich Ƚ' ȮȳȪȼȽȱȶȫ <ȶȳȴȺ'Ȼ> ȺɂȲȯȷ ȶ ȷ ȶȳȴȺ'ȷ
miteinander zu vermi- ȿȫɅȷȯȽȫȳ· ȴȫ Ƚ ,Ⱥȱ ȿȫɅȷȯȽȫȳ ȴȫ ʼȼȽAȻ,
schen (Te); was groß ąџȺȺɂȲȯȷ ʱȯȺȹȯȳȮ ȭȭѠȲȯȷ Ȯ ȶɃȭȫ ȴȫ
ist, scheint klein zu ȴȫ ȵȯȫ, ȭȭѠȲȯȷ Ȯ ȴȳȷȹѠȶȯȷȹȷ, ȴȫ (
sein (M); sind in den ȽȺȫɀɃȫ... * Ƚȯ ȽȻ ȫ3Ƚ'Ȼ ąѠȺȭȹȻ ąџȺ-
Wahrnehmungsvor- ąȯȺȳȼȽȯȺ˦Ȼ ȽȺȪɀȱȵȹȻ ȺɂȲȯȷ ȶ ȷ ȿȫɅȷȯȽȫȳ
gang Spiegel oder ąȫȺ Ƚȷ ȼȽȺȹȿɄȷ. ȼȽȺȹȭȭѠȵȹȻ ȭȭѠȲȯȷ
andere durchsichtige ąȯ ȹ9ȷ ȹ3ȴ ʿȷȳ ʿȸɂ Ȯ ȽȯȽȺȪȭɂȷȹȻ. Ƚȫ8-
Medien involviert, so Ƚџąɂȷ ȴȫ ȲɃȼȯɂȷ Ƚȫ ȶ ȷ ąȫȺ Ƚ
kann die Wahrneh- Ƚȫ8Ƚȫ ȴȫȽȫȷȹȼȫȳ, ȮȳȫȼȽɄȶȫȽȫ, ąȫȺ Ȯ
mung trügen (M); ʱȭȷȹȯȽȫȳ ˂ ȿѠȼȳȻ Ƚȹ1Ȼ ȽџąȹȾȻ *Ƚȳ Ƚ'
Wahrnehmungsfehler, ȫ3ȽHȷ. ȵȾɀȷȳȫȹȷ ȿHȻ ȷ
die durch schnelle ˂ȵɅL ȶ ȷ ʱȶȫȾȺ'ȷ
Bewegung verursacht ȿȫɅȷȯȽȫȳ ȷ ȼȴџȽL Ȯ
werden, wie z.B. beim ȵȫȶąȺџȷ, ȴȫ ˂ ȫ3Ƚ
Hals der Taube (M). ȴѡąȱ ʿȷȫȵȹȻ ȶ ȷ
(b) der Gehörsinn ist ȴȯȴȵȫȼȶɃȷȱ ʿȸȫȵȹȻ Ȯ
trügerisch: das Ge- ȯ3Ȳȯȫ, (d) ȴȫ Ƚ'
räusch eines Donners ˙'ȷ ȷ ȶ ȷ Ƚ ,ȺȷȳȲȳ
und der Lärm eines ʲąȫȵ'ȷ ȷ ʱɃȺȳ Ȯ
Wagens können mit- ȼȴȵȱȺџȷ, ȴȫ Ƚ'
einander verwechselt ȵȾȭȭȹѠȺȳȹȷ ȷ ȶ ȷ
werden (Te). ȵȾȭȭ 2ȭȺ'ȷ ȷ ʱɃȺȳ
(c) Geruchsempfin- Ȯ ȼȴȵȱȺџȷ, ȴȫ Ƚ'
dung und Geschmack: ȴȹȺȪȵȳȹȷ ȷ ȲȫȵȪȽȽ
80 Einleitung

Weine und Parfüme ȶ ȷ ʲąȫȵ'ȷ ȷ ʱɃȺȳ


scheinen ihr Aroma zu Ȯ ȼȴȵȱȺџȷ, (b) ȴȫ
verlieren, wenn man ȿɂȷ ʱȵȵȹɅȫ ȶ ȷ
sich daran gewöhnt ȿȫɅȷȯȽȫȳ ȷ ȼѠȺȳȭȭȳ
hat (Te). ȭȳȷȹȶɃȷȱ, ʱȵȵȹɅȫ Ȯ
(d) Tastsinn: was den ȷ ȫ3ȵN, ʱȵȵȹɅȫ Ȯ
Händen rau scheint, ist ȷ ʱɃȺȳ ʲąȵHȻ. ąȫȺ
für die Füße glatt; die Ȯ Ƚ Ȼ ȲɃȼȯȳȻ *Ƚȳ ˂
Empfindung von Hit- ȫ3Ƚ ȯȴAȷ
ze kann trügerisch ȸȾąȽȳȫȰȹȶɃȷȱ ȶȷ
sein, wenn man sich an ȵȯɅȫ ȿȫɅȷȯȽȫȳ, ąȹȼHȻ
sie gewöhnt hat (Te). Ȯ ąȳȷȯȾȹȶɃȷȱ
ȯȼȹɀ Ȼ ȴȫ ȸȹɀ Ȼ
ʿɀȯȳȷ Ȯȹȴȯ. ȴȫ ȹ
ȽȺȪɀȱȵȹȳ Ȯ ȽHȷ
ąȯȺȳȼȽȯȺHȷ ąȫȺ
Ƚ Ȼ ȮȳȫȿџȺȹȾȻ ąȳ-
ȴȵɅȼȯȳȻ ȮȳȪȿȹȺȹȳ
ȿȫɅȷȹȷȽȫȳ ȴȫȽ
ɀȺHȶȫ.
ȱ
Die Berührungspunkte zwischen Soranos und den Tropoi lassen sich
nicht leugnen (ein direkter Kontakt Tertullians mit den skeptischen Quel-
len ist zweifellos auszuschließen). Wenn auch nicht in Hülle und Fülle, so
sind bei Tertullian doch einige Textpassagen zu identifizieren, die Paralle-
len zu Sextus Empiricus aufweisen und mit großer Wahrscheinlichkeit aus
skeptischen Materialien schöpfen 196:

—T 5 (An. 8, 4), vgl. Adv. Math. 9, 247.


—T 6 (An. 9, 5), vgl. Adv. Math. 9, 360.
—T 11 (An. 14, 5), vgl. Adv. Math. 7, 349.
—T 21 (An. 32, 4), vgl. Phyrr. Hyp. 3, 152.
_____________
196 Zu diesen Parallelen vgl. Waszink 1947, 30*; 174; 217. Wir werden auch in
Versuchung geführt, An. 32, 3 und Pyrrh. Hyp. 1, 41 (der Unterschied zwischen
den diversen Elementen, aus denen die Tiere entstanden sind) miteinander in
Verbindung zu bringen; An. 32, 6 ~ Pyrrh. Hyp. 1, 56-57 (der Unterschied
zwischen den verschiedenen Arten tierischer Ernährung); schon Waszink 1947,
383ff. bemerkte allerdings, die zoologischen Informationen seien »borrowed
from Pliny with doxographical records about the substance of the soul«: wenn
eine Benutzung des Ainesidemos an diesen Stellen anzunehmen ist, so wurden
die ihm entnommenen Informationen mit anderen Materialien kontaminiert, so
dass eine genaue Differenzierung unmöglich ist.
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 81

Unterschiedlich sind jedoch die Erklärungen, die vorgebracht wurden, um


das Vorhandensein dieser skeptischen Materialien im Seelenlehretraktat
des Soranos zu begründen; das Problem des Vorhandenseins der skepti-
schen Tropoi ist zudem verknüpft mit demjenigen der umfangreichen
Doxographie, was eine Erklärung noch erschwert. Laut Diels verfügte
Soranos über die doxographischen Informationen durch die Werke des
Ainesidemos, welche er wiederum nicht auf direktem Weg kannte, son-
dern mittels einer medizinischen Schrift. Durch diesen ›Ainesidemosfilter‹
seien die skeptischen Argumente zu erklären und die Tendenz, die Do-
xographie zu benutzen, um die Ȯȳȫȿɂȷȫ und die Unzuverlässigkeit der
Philosophen zu betonen 197. Diesen Weg beschritt Waszink weiter; zudem
äußerte er die Vermutung, der in Rom tätige Soranos hätte die in der
Hauptstadt befindlichen Werke des Ainesidemos dort benutzen können;
»at any rate, it is obvious that Soranus knew the Vetusta Placita through the
intermediary of the Sceptics« 198. Die neueste Interpretation – m.E. die am
wenigsten plausible, auch wenn sie die inhaltliche Rekonstruktion von
ą.Ɂ. nicht direkt betrifft – wurde von R. Polito vorgeschlagen. Der
Schwerpunkt dieses Forschers liegt darin, die skeptische Komponente des
Ainesidemos zu bestreiten und seinen Heraklitismus zu betonen; daher
auch der Versuch, den Skeptizismus des Soranos und Tertullians zu
bestreiten. Diese Theorie stößt an ihre Grenzen, wenn es um die Erklä-
rung des Vorhandenseins skeptischer Materialien bei Soranos geht, die
Diels und Waszink zufolge Ainesidemos entnommen wurden. Polito fand
folgende Lösung: die gemeinsame Quelle von Soranos-Tertullian und
Sextus Empiricus sei weder Ainesidemos noch eine skeptische Quelle im
eigentlichen und philosophischen Sinne, sondern eine Sammlung von
placita medica, die das Material aus Ainesidemos (und zwar ›dem Herakli-
teer‹, ohne skeptische oder doxographische Elemente) schon mit den
Informationen der Vetusta Placita vermischt habe 199. Diese Theorie betrifft
Ainesidemos mehr als Soranos und interessiert uns nur am Rande; sie
weist allerdings einige große Schwachpunkte auf: zuerst werden die placita
vorausgesetzt, für sie und ihre Existenz allerdings keine Beweise vorge-
bracht (sind sie etwas Ähnliches wie die Sammlung des Alexander Phila-
lethes?); zweitens: wenn diese placita auch die Quelle für Sextus Empiricus
sind, warum gibt es bei diesem keine Spur solchen medizinischen Materi-

_____________
197 Diels 1929, 207; 212.
198 Waszink 1947, 30*.
199 Polito 1994, 454; die Theorie wurde in Polito 2004, 111 verbessert: die Quelle
von Soranos und Sextus Empiricus sei jetzt ein »handbook x«, das nach
Moschion verfasst wurde und die Doxographie mittels Ainesidemos
überarbeitete. Aber entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem.
82 Einleitung

als? Die placita medica scheinen ein Zwischenschritt zu sein, der a priori
eingegeben wurde, um die Präsenz des Skeptikers Ainesidemos im Text zu
bestreiten. So sei die skeptische Komponente nicht vor, sondern nur nach
dem ›herakliteischen‹ Ainesidemos anzusetzen (er sei also nicht als skepti-
sche Quelle heranzuziehen, da eine spätere Kontamination vorliege).
Diese Fragestellung kann uns, wie gesagt, nur am Rande berühren; es
genügt, sich daran zu erinnern, dass Ainesidemos im Text Tertullians als
Nachfolger Heraklits erwähnt wird 200; andererseits wird das Zeugnis, in
welchem der Zusammenhang mit dem Skeptizismus am deutlichsten in
Erscheinung tritt (T 14, An. 17, 2), unter dem Namen Heraklits angeführt.
Es scheint vorsichtiger, die Ainesidemosfrage erfahreneren Forschern zu
überlassen und sich auf die Feststellung zu beschränken, dass im Traktat
des Soranos zugleich die Materialien zum ›herakliteischen‹ Ainesidemos,
diejenigen zum ›skeptischen‹ Ainesidemos und die Doxographie vorhan-
den waren. Ob für diese Kombination Soranos selbst oder seine Quelle
verantwortlich ist (was naheliegender erscheinen mag, vgl. unten), ist der-
zeit nicht eindeutig zu bestimmen. Tatsache ist (was nur scheinbar selbst-
verständlich ist, wie ein Blick auf die Sekundärliteratur zeigt), dass die
Benutzung einer skeptischen Quelle durch Soranos alles andere als eine
Unterstützung des Skeptizismus bedeutet.
Wie wir im Gegenteil aus den Zeugnissen erschließen können, muss
die Lehre, die sich Soranos angeeignet hatte, einen entschiedenen Sensua-
lismus vertreten haben; die starke Präsenz skeptischer Argumente (T 14,
An. 17) ist vielleicht im Rahmen einer Polemik des Soranos gegen den
Skeptizismus zu erklären (in An. 17, 4 zeugt die zuletzt angeführte Mei-
nung, der sich Soranos anschloss, von einem großen Vertrauen in die
Sinneswahrnehmung) 201. Das muss nicht verwundern, wenn man bedenkt,
dass die Epikureer und die Stoiker gegen die Tropoi der Skepsis einen
gemeinsamen Widerstand geleistet hatten (wenn auch nicht mit denselben
Argumenten); aus diesem Grund ist die Auflistung der Tropoi gegen die
_____________
200 Vgl. An. 9, 5: non, ut aer sit ipsa substantia eius, etsi hoc Aenesidemo visum est et
Anaximeni, puto secundum quosdam et Heraclito, nec ut lumen, etsi hoc placuit Pontico
Heraclidi; 14, 5: non longe hoc exemplum est a Stratone et Aenesidemo et Heraclito; nam et
ipsi unitatem animae tuentur, quae in totum corpus diffusa et ubique ipsa, velut flatus in
calamo per cavernas, ita per sensualia variis modis emicet; 25, 2: hoc Stoici cum Aenesidemo et
ipse interdum Plato, cum dicit perinde animam extraneam alias et extorrem uteri prima
adspiratione nascentis infantis adduci, sicut exspiratione novissima educi. Diesen Umstand
führte Polito zur Unterstüzung seiner These an (1994, 452).
201 Dieser Überzeugung war auch Karpp 1934, 44-45: »hier scheint Soran vor allem
die Skepsis des Änesidem und Platons Misstrauen gegen die Sinne bekämpft zu
haben. Aus der Einheitlichkeit der Seele hat er vermutlich zusammen mit der
Stoa die Zuverlässigkeit der Sinneskräfte gefolgert«.
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 83

Zuverlässigkeit der Sinneswahrnehmung bei Lukrez und in den stoischen


Fragmenten in deutlich polemischem Kontext bezeugt 202. Auch die per-
sönliche Meinung des Soranos dürfte sich vom epikureischen und stoi-
schen Sensualismus nur wenig unterscheiden. Die Argumentation, mit der
der Arzt die Zuverlässigkeit der Sinneswahrnehmung verteidigte, ist leider
nicht in den Testimonien erhalten; nur sie hätte uns helfen können zu
bestimmen, ob Soranos sich die stoische oder die epikureische Position
angeeignet hatte (d.h. es ist unklar, ob er sich der Theorie von den Bildern
angeschlossen hatte oder derjenigen vom Pneuma, das in der Luft einen
Kegel aufspannt). Die epikureische Lehre wird in jedem Fall als letzte
beschrieben, was die wahrscheinliche Vermutung – wenn auch nicht die
Gewissheit – zulässt, dass der Arzt die Lehre des Kepos übernahm.
Was das Problem des gegenseitigen Durchdringens der Körper be-
trifft, so hatten wir versucht zu zeigen, auf welche Weise Soranos die Po-
rentheorie zugunsten der hellenistischen Lehre von der Körperlichkeit der
Seele verwendet hatte. Ähnlich dürfte der Gedankengang sein, der im
Rahmen der Sinneswahrnehmung eingesetzt wird. Erinnern wir uns nur
daran, dass die hellenistische Seelenlehre (des Straton, aber auch die epiku-
reische und die stoische), ohne die Existenz eines leitenden Vermögens in
Zweifel zu ziehen, von der Seele annahm, sie sei in den einzelnen Körper-
teilen anwesend und dehne sich bis zu den Sinnesorganen aus. Die Theo-
rie des Soranos dürfte mit dieser Lehre vergleichbar sein: die Seele dürfte
nach ihm eine Einheit sein, die sich zum jeweiligen Sitz der Wahrneh-
mungsfunktion ausbreitet (ohne sich aufzuspalten, T 11). Der Text von
An. 14, 5 zusammen mit den Parallelen aus den griechischen Quellen gibt
zu verstehen, dass die Seele, die sich verstreut, ohne sich aufzuspalten, mit
der Außenwelt durch bestimmte Öffnungen Kontakt aufnimmt (per sensua-
lia variis modis emicet); der Teil der Seele, der den verschiedenen Öffnungen
entspricht (z.B. den Augen, der Nase oder den Ohren), übernimmt de facto
die Funktion eines Sinnesorgans.
Diese von Tertullian ungenau mit dem Terminus cavernae bezeichneten Öffnun-
gen wurden von Soranos ąџȺȹȳ oder )ąȫ (T 11, die bereits erwähnten ąџȺȹȳ
ȵџȭL ȲȯɂȺȱȽȹ; aber auch ąџȺȹȳ [d], )ąȫ [e, f] und ȽȺȶȫȽȳ [f]) genannt; ob-
wohl es nicht so scheint, ist auch der Terminus ȽȺȶȫ technisch und medizinisch;
vgl. Gal. De sympt. caus. 7, 89: Ƚ' ʱąP ȭȴȯȿ ȵȹȾ ȴȫȽȫȿȯȺ&ȶȯȷȹȷ ą Ƚ'ȷ
)ȿȲȫȵȶ'ȷ ȷȯ8Ⱥȹȷ + Ȯȯ ȴȫ ąџȺȹȷ )ȷȹȶ ȰȹȾȼȳ ȹ ąȯȺ Ƚ'ȷ ϽȺџȿȳȵȹȷ, *Ƚȳ
Ƚȹ8Ƚȹ ȶџȷȹȷ ȿȫȷȯȺџȷ ȼȽȳ ȽȺȶȫ , vgl. hierzu Polito 2004, 121). Die genauere
Angabe von T 11, die Funktion dieser Poren stehe auch mit der Wahrnehmung
in Zusammenhang, stimmt also mit der Wahrnehmungstheorie des Soranos
überein.
_____________
202 Vgl. den Abschnitt zur stoischen Seelenlehre in der Einleitung, 45-62; vgl. auch
den Kommentar zu T 14.
84 Einleitung

Somit wird – unter Auslassung des stoischen Modells – die Herkunft der
Theorie von den Poren und Ausströmungen genauer bestimmt, die für die
Seelenlehre Stratons und Epikurs charakteristisch ist (und vielleicht auch
für die des Ainesidemos) 203:
fr. 109 Wehrli (Sext. Emp. Adv. Math. 7, 349):ȱȴȫ ȹ ȶ ȷ ȮȳȫȿɃȺȯȳȷ ȫ3Ƚȷ (scil.
Ƚȷ Ȯȳ ȷȹȳȫȷ) ȽHȷ ȫȼȲɄȼȯɂȷ, BȻ ȹ ąȵȯɅȹȾȻ, ȹ Ȯ ȫ3Ƚȷ ȯȷȫȳ Ƚ Ȼ ȫȼȲɄȼȯȳȻ,
ȴȫȲȪąȯȺ ȮȳȪ Ƚȳȷɂȷ )ąHȷ ȽHȷ ȫȼȲȱȽȱȺɅɂȷ ąȺȹȴѠąȽȹȾȼȫȷ, ˈȻ ȼȽȪȼȯɂȻ ˇȺȸȯ
ȢȽȺȪȽɂȷ Ƚȯ ( ȿȾȼȳȴ'Ȼ ȴȫ ȒȷȱȼɅȮȱȶȹȻ.ȱ
Die Präsenz der stratonianischen Wahrnehmungstheorie kann nicht ver-
wundern: auch im äußerst umfangreichen Material des Anonymus Londi-
nensis sind verschiedene Spuren des Denkens des Physikers aus Lampsa-
kos zu finden, vor allem die Theorie, der zufolge die Abkühlung und die
Erwärmung der Körper durch das Eindringen kalter oder warmer Luft
mittels der Poren zu erklären sei 204. Die Verbreitung dieser Lehre im me-
dizinischen und nicht nur philosophischen Bereich ist auch durch eine
Stelle bei Cicero bezeugt, die deutlich den Einfluss Stratons erkennen lässt
und mit einer (gesicherten) Textpassage aus Soranos übereinstimmt 205:ȱȱ
ȱ
Cic. Tusc. 1, 20, 46: neque enim T 11 [d] (Etym. Orion. 100): ȶȾȴȽɄȺ.
ullus sensus in corpore, sed, ut non ʱą' Ƚȹ8 Ƚȷ ȶѠȸȫȷ Ȯȳ’ ȫ3Ƚȹ8
physici solum docent verum etiam ȸȳɃȷȫȳ. ˃ ʱą' Ƚȹ8 ȶѠȸȫȻ Ƚȳȷ Ȼ ȿ’
medici qui ista aperta et patefacta ʼȫȾȽN ʿɀȯȳȷ, ȽȹȾȽɃȼȽȳ ąџȺȹȾȻ, ˃
viderunt, viae quasi quaedam sunt ʱą' Ƚȹ8 ˂ȭȯȶȹȷȳȴȹ8 ȽȯȽȫȭȶɃȷȹȻ
ad oculos ad auris ad naris a sede ȽȻ ȫȼȲɄȼȯɂȻ... ȹ4ȽɂȻ ( ȫ3Ƚ'Ȼ
animi perforatae. ȢɂȺȫȷџȻ.
ȱ

_____________
203 Vgl. auch Sext. Emp. Adv. Math. 7, 130: ȷ Ȯ ȭȺȱȭ&Ⱥȼȯȳ ą ȵȳȷ Ȯȳ ȽHȷ
ȫȼȲȱȽȳȴHȷ ąџȺɂȷ DȼąȯȺ Ȯȳ Ƚȳȷɂȷ ȲȾȺȮɂȷ ąȺȹȴ0ɁȫȻ; Lucr. 3, 359ff.; Cic.
Tusc. 1, 20, 46 (vgl. unten); Waszink 1947, 218. Laut Polito 2004, 129 ist Straton
die direkte Quelle des Ainesidemos.
204 Anon. Lond. 38, 25: ʵȵȵɂȻ Ƚȯ ȰȱȽȯȽȫȳ, ąHȻ ȲȯȺȶȫɅȷȯȽȫȳ ˂ȶHȷ Ƚ ȼѡȶȫȽȫ·
Ȯȵȹȷ ȭ( Ⱥ) BȻ ȽȻ ȲȯȺȶȫȼɅȫȻ ȯȼȴȺȳȷȹȶɃȷȱȻ ȯȻ Ƚ ˂ȶɃȽȯȺȫ ȼѡȶȫȽȫ; 38, 33:
ȴȫ ą Ƚȹ8 ɀȯȳȶHȷȹȻ ɁȾɀȺџȽȯȺȫ ˂ȶHȷ (ȼȽȳȷ) Ƚ ȼѡȶȫȽȫ ЖȽȹЗ ȽHȳ Ƚ'ȷ ʱɃȺȫ
ɁȾɀȺ'ȷ ,ȷȽȫ ȴȫ ȯȼȳџȷȽȫ ȯȻ ˂ȶ˦Ȼ ȴ(ȫȽȫ)ɁѠɀȯȳȷ ˂ȶ˦Ȼ; vgl. Straton, fr. 56, 4
Wehrli: Ƚ ȭ Ⱥ Ƚȹ8 ąȾȺ'Ȼ ȼѡȶȫȽȫ ąȫɀȾȶȯȺɃȼȽȯȺȫ ,ȷȽȫ ȽHȷ ȷ ȽN ȵɅȲL
ȴȯȷHȷ ȹ3 ąȫȺȯȳȼɃȺɀȯȽȫȳ, ʱȵȵ ȶџȷȹȷ ąȳɁȫѠȯȳ ȽȻ ȴȽ'Ȼ ąȳȿȫȷȯɅȫȻ· ȮȳџąȯȺ
ȶ ąȺȹȴȫȽȯȳȼȮѠȷȹȷȽȫ ȷȽ'Ȼ ȴȫȲȪąȯȺ ą ȽHȷ ʵȵȵɂȷ ȼɂȶȪȽɂȷ ȹ3Ȯ ȮɃɀȯȽȫȳ
ȲȯȺȶџȽȱȽȫ.
205 Zu dieser Parallele vgl. auch Polito 2004, 124; zur Herkunft der Cicero-Stelle aus
Straton vgl. Gottschalk 1965, 122.
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 85

Soranos ging wie seine von Cicero erwähnten Kollegen von der Existenz
von Kanälen aus, die das Hegemonikon im Mittelpunkt mit den äußeren
Zonen des Körpers verbinden und die Sinneswahrnehmung ermöglichen.
Ein ähnlicher späterer Versuch, die Ausdehnung des Hegemonikon bis zu den
Sinnesorganen zu behaupten, ist in der doxographischen Quelle Jamblichs zu le-
sen (auch wenn an dieser Stelle der Bezug auf die Porentheorie fehlt), De an. 11 p.
36, 1ff. Finamore - Dillon (SVF II, 826 = Stob. I, p. 367, 17ff. W.): ȴȫȽ ȶ ȷ
Ƚȹ1Ȼ ȢȽɂȳȴȹ1Ȼ ʿȷȳȫȳ ȶ ȷ ȮȳȫȿȹȺџȽȱȽȳ <ȽHȷ> 2ąȹȴȯȳȶɃȷɂȷ ȼɂȶȪȽɂȷ·
ąȷȯѠȶȫȽȫ ȭ Ⱥ ʱą' Ƚȹ8 ˂ȭȯȶȹȷȳȴȹ8 ȿȫȼȳȷ ȹ:Ƚȹȳ ȮȳȫȽȯɅȷȯȳȷ ʵȵȵȫ ȴȫ ʵȵȵȫ,
Ƚ ȶ ȷ ȯȻ )ȿȲȫȵȶȹѠȻ, Ƚ Ȯ ȯȻ IȽȫ, Ƚ Ȯ ȯȻ ʵȵȵȫ ȫȼȲȱȽɄȺȳȫ.
Die durch die etymologica in T 11 gesicherte und von Soranos im Rahmen
der Wahrnehmungslehre übernommene Porentheorie bringt nicht
zwangsläufig auch eine Zustimmung zum extremen stranonianischen
Mechanismus mit sich, d.h. die Wahrnehmungsunfähigkeit der Sinnesor-
gane 206. Was leider infolge des fragmentarischen Zustands des Textes
fehlt, ist eine klare Aussage über die Wahrnehmungsfähigkeit der Sinnes-
organe: wäre eine solche erhalten, so könnten wir die Position des Arztes
im Rahmen der Streitigkeiten der hellenistischen Philosophie über die
Wahrnehmungstheorie bestimmen. Hatte sich Soranos die Meinung Stra-
tons angeeignet, der zufolge die Sinnesorgane absolut wahrnehmungsun-
fähig sind, oder hatte der Epheser wie Epikur und die Stoiker auch diesen
Organen eine aktive Rolle zuerkannt? In T 11 a ist die letzte im tertulliani-
schen Text angeführte Meinung diejenige Stratons, was aufgrund der be-
reits erwähnten Praxis des Soranos suggerieren könnte, Soranos hätte
dieser Sichtweise zugestimmt. Auf dieselbe Spur führt T 11 f (IąȯȻ. ȹ ȹȷ
)ąȫɅ ȽȳȷȯȻ ȹ9ȼȫȳ ȽȻ ɁȾɀȻ ȲȯɂȺȱȽȫɅ), wo die ›Löcher‹ und die Seele
nebeneinander stehen, ohne dass eine explizite Aktivität der einzelnen
Sinnesorgane erwähnt wird. Die Fragestellung ist sehr komplex: ohne eine
klare Aussage sollte man besser darauf verzichten, die stratonianische
Lehre auch Soranos zuzuschreiben.
Wie schon oftmals erwähnt, kann die Psychologie des Soranos der
›hellenistischen Seelenlehre‹ zugeordnet werden. Die Merkmale, die sie mit
dieser psychologischen Koine verbinden, sind deutlich zu erkennen: der
Materialismus, welcher der Seele eine andersartige Natur im Vergleich
zum Leib abspricht; dazu der Immanentismus, der die Seele innerhalb des
Leibes ansetzt und sie für ein Organ des Körpers hält; hinzu kommt der
Naturalismus, dem zufolge das psychische Prinzip zusammen mit dem
Leib, in dem es sich befindet, wächst, verkümmert und schließlich stirbt;
zuletzt der Sensualismus, dem gemäß noetische Prozesse auf der Sinnes-
wahrnehmung beruhen oder auch gänzlich mit ihr gleichgesetzt werden.
_____________
206 Vgl. oben, 2ff.
86 Einleitung

Noch deutlicher wird die Entschlossenheit unseres Arztes, diese phi-


losophische Grundthese zu vertreten, wenn er sie gegen die Einwände
verteidigt, die sich während der Kaiserzeit gegen die immanentistische und
materialistische Seelenlehre erhoben. Wenn Soranos den Platonikern zu-
gunsten der Körperlichkeit der Seele widerspricht oder sich Aristoteles’
Theorie des getrennten Nous entgegenstellt, so hat er nicht alte, nur aus
gelehrtem Interesse ausgegrabene Lehren vor Augen; vielmehr wider-
spricht er den Vertretern der wieder aufkommenden Geistesmetaphysik,
welche zu diesem Zeitpunkt die Transzendenzphilosophie Platons und
Aristoteles’ wiederentdecken (vgl. erneut T 3, Sorano… respondente). Sora-
nos ist also ein später Vertreter der hellenistischen Seelenlehre und aus
verschiedenen Gründen deren Epigone.
Trotz der klaren Zugehörigkeit zur materialistischen und immanen-
tistischen Lehre ergeben sich Schwierigkeiten bei dem Versuch, die Schul-
zugehörigkeit des Ephesers genauer zu bestimmen. Auf der Basis der
Stellungnahmen, die in den verbliebenen Zeugnissen zu finden sind, ver-
suchen wir eine Zuordnung.
Wie schon oft gesagt, sind in T 2 die drei stoischen Beweisführungen
zugunsten der Körperlichkeit der Seele zu finden. Diese Annahme der
körperlichen Natur des psychischen Prinzips ist allerdings an sich kein
Unterscheidungsmerkmal, der psychologische Physikalismus ist die ge-
meinsame Grundlage für alle hellenistischen Schulen. Um ein Charakteris-
tikum identifizieren zu können, bräuchten wir mehr Informationen über
diese körperliche Wesenheit und sollten bestimmen können, ob es sich
um die epikureischen Atome oder das stoische Pneuma handelt. Auch in
diesem Fall dürften wir über nur unzureichende Information verfügen;
Tatsache ist, dass in den Testimonien kein Bezug auf die atomistische
Komposition oder auf die vier Naturen der epikureischen Tradition zu
finden ist. Vielleicht kann uns T 11, mit seinem Bezug auf Straton am
Ende der Aufzählung und der Erwähnung von spiritus und flatus, auf die
Spur der pneumatischen Lehre des Physikers aus Lampsakos führen.
Auch in T 2 wird die pneumatische Lehre der Stoiker in prominenter Stel-
lung am Ende der Reihung erwähnt; die stoische Lehre wird zudem mit
dem Ausdruck paene nobiscum bezeichnet, der die persönliche Meinung des
Soranos widerspiegeln dürfte. Auch in diesem Fall ist Vorsicht angebracht:
angenommen, das Zeugnis über die pneumatische Seele ist absolut gesi-
chert, so genügt die pneumatische Substanz der ɁȾɀ aus zwei Gründen
nicht, um Soranos als Stoiker zu betrachten: zuerst fand die Lehre des
Physikers aus Lampsakos größtenteils Eingang in die stoische Naturphilo-
sophie; zudem verfügt unser Arzt über eine zwar gründliche, aber nicht
professionelle philosophische Ausbildung: daher hätte er eine stratoniani-
sche Lehre für eine stoische halten und eine nicht stoische Lehre zuguns-
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 87

ten des Stoizismus anführen können. Aus demselben Grund wurde umge-
kehrt das stoische Hegemonikon von einer philosophisch unprofessio-
nellen Quelle im nachhinein Straton zugeschrieben.
Die körperliche Natur des psychischen Prinzips impliziert, was nicht
verwundern kann, dass sich auch die Seele wie jeder Körper von stoffli-
cher Nahrung ernährt. Auch in diesem Fall ist das Zeugnis durch die Er-
wähnung des Soranos gesichert, die Aussage ist jedoch nicht eindeutig (T
3: animam corporalibus quoque ali, denique deficiente a cibo pleroque fulciri). Viel-
leicht hat Soranos in diesem Punkt versucht, sich von der Lehre der drei
Schulleiter der Stoa zu distanzieren, die das Blut für die Nahrung der Seele
hielten. Auch an dieser Stelle ist Vorsicht geboten: die Lehre, der zufolge
die Seele durch körperliche Nahrung versorgt wird, ist nicht unvereinbar
mit der stoischen Theorie von der blutgenährten ɁȾɀ. Mit anderen Wor-
ten könnte Tertullian die Formulierung des Arztes brachylogisch übermit-
telt haben, so dass Soranos eine Stellungnahme zugeschrieben werden
könnte, die auch bei Galen zu finden ist: nach der Verdauung im Magen
und der Ankunft in der Leber werde die Nahrung in Blut umgewandelt,
das den ganzen Organismus nähre 207. Einerseits ist die Seele, die durch
körperliche Nahrung versorgt wird, nicht unvereinbar mit der blutgenähr-
ten; andererseits kann eine Distanzierung von den Stoikern nicht als eine
Stellungnahme zugunsten anderer Schulen gelten.
Die Art und Weise der Vereinigung von Seele und Leib ist besser
nachvollziehbar, wenn auch nicht völlig eindeutig (vgl. T 11). In diesem
Zeugnis ist sowohl bei Tertullian als auch bei den griechischen Quellen die
Art der Vereinigung von Seele und Leib durch die wichtige lexikalische
Angabe diffusa/ ąȫȺȯȼąȫȺȶ ȷȱ definiert. Wenn stimmt, was wir oben
beobachtet haben, so dürfte dies eine Distanzierung von der stoischen
Lehre bedeuten: die Stoa benutzte nämlich für die Vereinigung des Kör-
pers und des psychischen Prinzips dynamische Verben, welche unterstrei-
chen, dass die Seele ein aktives Prinzip ist (Ȯȳȴȯȳȷ, ɀɂȺȯȷ, ȮȳɃȺɀȯȼȲȫȳ).
Wie schon gesagt, bringt auch in diesem Fall eine Distanzierung von der
stoischen Lehre nicht unbedingt die Möglichkeit mit sich, Soranos einer
Schule zuzuordnen: die lexikalische Angabe des Perfekts zu ąȫȺȫȼąȯȺɂ
_____________
207 Vgl. Galen, De usu part. 4, 7 (III, p. 275 Kühn): eine wichtige Rolle spielt das Herz
auch im Rahmen der Ernährung: die im Magen verdaute Nahrung gelangt in den
Darm; von dort gelangt sie durch die Pfortader bis zur Leber, dem Sitz der
Blutbildung und der Umwandlung von Nahrung in Blut; ein Teil des Blutes steigt
zum Herzen empor und nährt anschließend den ganzen Leib. Auch wenn ein
weiterer Zwischenvorgang nötig ist, so ist die Vorstellung von der blutgenährten
Seele nicht unvereinbar mit derjenigen von der Seele, die durch körperliche
Nahrung versorgt wird. In diesem Fall können wir nicht ermitteln, ob ein solcher
Zwischenvorgang auch von Soranos angenommen wurde.
88 Einleitung

kann sowohl auf die Spur Stratons als auch der Epikureer führen (die
tatsächlich, wie oben vermutet wurde, diesen Sprachgebrauch von Straton
übernommen hatten). Die Streuung der Seele im Leib, wahrscheinlich in
den Kanälen, kann auf jeden Fall bei unserem Arzt nur eine Physik kor-
puskularer Prägung voraussetzen, die sich vom continuum der Stoiker, wel-
ches das gegenseitige Durchdringen der Körper ermöglicht, grundlegend
unerscheidet. Schwierig ist es, aus diesem Umstand einen weiteren Schluss
zu ziehen, der zumindest sehr wahrscheinlich ist: war Soranos eher Ato-
mist als Stoiker? Hatte er die eindeutig der Stoa entommenen Elemente
(wie z.B. die Unterteilung der Seele in sieben Teile, vgl. T 10) vielleicht
erst in einer späteren Phase kennengelernt, als sein Denken bereits durch
den Atomismus geprägt war? Was auch die Ursache dafür ist, Soranos
lässt die Theorie der Materie als continuum fallen und ist folglich nicht als
Stoiker zu betrachten. Im übrigen scheint er die theologischen und kos-
mologischen Folgen dieser Theorie nicht übernommen zu haben: bei ihm
fehlt tatsächlich jeder Bezug zu und jede Übereinstimmung mit der gegen-
seitigen Durchdringung des aktiven (d.h. des Pneumas) und des passiven
Prinzips (d.h. der Materie); in den verbliebenen Zeugnissen fehlt auch
jeder Bezug auf die Pronoialehre und die Teleologie der Stoiker.
Die Streuung des psychischen Prinzips im Leib zieht eine weitere
selbstverständliche Folge nach sich: die Seele weist während ihres Aufent-
halts im Körper dieselbe Gestalt und Ausdehnung wie der Leib auf. So
lässt sich erklären, was in T 6 zu beobachten ist: die menschliche Seele
verfüge wie alle übrigen Körper über drei Dimensionen, d.h. Höhe, Breite
und Tiefe. Es ist jedoch nicht klar, ob diese Gestalt der Seele zu eigen ist
und ob sie auch nach der Trennung vom Leib erhalten bleibt; die Seele
scheint für Chrysipp nicht über eine eigene Gestalt zu verfügen, sie werde
nämlich nach dem Tod kugelförmig (vgl. oben). Auch wenn wir diese
unsichere Angabe beiseite lassen, so bleibt die Feststellung, dass die Zu-
weisung einer Gestalt an die eingekörperte Seele eine allgemeine Überzeu-
gung der hellenistischen Schulen ist und kein signifikantes Element, um
die Seelenlehre des Soranos zuordnen zu können. Die Ausdehnung im
Leib hat auch für die Stratonianer und Epikureer zur Folge, dass die Seele
die gleiche Gestalt und dieselben Dimensionen aufweist wie die sichtbare
Körpermasse.
In den Zeugnissen des Soranos steht allerdings nicht, ob die Seele
auch über eine eigene Farbe verfügt: Tertullian (An. 9, 5) bestimmt die
Farbe der Seele als aerius ac lucidus, es handelt sich allerdings um eine Über-
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 89

lagerung mit der Prophetie der montanistischen Fanatikerin, die im vorhe-


rigen Paragraph angeführt wird 208.
Die Ausdehnung der Seele im Leib hat zur Folge, dass sie zusammen
mit dem Körper wächst und vergeht. Die persönliche Meinung des Arztes
müssen wir e contrario aus T 22 erschließen: anima substantia crescere negandum
est. Trotz der lakonischen Form, mit der der Afrikaner die Lehre seiner
Quelle bekämpft, wird an dieser Stelle die Überzeugung des Ephesers
deutlich. In An. 32, 6 hatte Tertullian schon zu verstehen gegeben, dass
jede Seele in einem passenden Leib Platz finden sollte, sie würde nämlich
hinsichtlich ihrer Größe einem zu kleinen oder zu großen Körper ange-
passt. Aus diesem Grund könne sich die Seele eines Menschen nicht im
Leib eines Elefanten aufhalten und umgekehrt 209. Wie kann man aber den
Aufenthalt einer Seele in einem wachsenden Leib erklären? Tertullian löst
die Aporie mit einem nicht sehr professionell wirkenden Argument, das
nach T 22 zu lesen ist (es handelt sich um einen Zusatz Tertullians, der
Text wurde also nicht in die Testimoniensammlung aufgenommen): die
Seele müsse man sich als flexible und formbare Materie vorstellen: auch
wenn sie als stoffliche Masse identisch bleibe, so könne sie sich doch
gleichzeitig mit dem Körper, der sie beherbergt, ausbreiten und ausdehnen
(das Wachsen sei so im Fall der Seele ausgeschlossen) 210. Dieses Argument
widerspricht deutlich dem des Elefanten in An. 32, 6, es wurde mit großer
Wahrscheinlichkeit von Tertullian selbst eingefügt. Dieser versucht zu
bestreiten, dass die Seele zusammen mit dem Leib wächst, weil ihm daran
liegt, das Altern und Sterben der Seele zu vermeiden. Die Seele wächst
und verkümmert laut Soranos gleichzeitig mit dem Leib, in dem sie sich
_____________
208 Vgl. An. 9, 5 (= T 6): quem igitur alium animae aestimabis colorem quam aerium ac
lucidum? ~ An. 9, 4: tenera et lucida et aerii coloris et forma per omnia humana. Fraglich
ist, ob die montanistische Prophetin nur ein Sprachrohr Tertullians ist, das über
eine prophetische Autorität verfügt. Die Vision der soror findet im Anschluss an
eine Homilie Tertullians über die Seelenlehre statt (9, 2); es scheint jedoch
unvorsichtig, Soranos zuschreiben, was die soror in einem halb bewussten
Zustand im Anschluss an eine Homilie Tertullians geäußert hatte. Bemerkenswert
wäre es (dies muss aber eine Vermutung bleiben), wenn die aufgeklärte Schrift
unseres Arztes die Predigten und Visionen der Montanisten von Karthago mit
Material versorgt hätte.
209 Vgl. Tert. An. 32, 6: necesse est enim et corpus omne anima compleri et animam omnem
corpore obduci. quomodo ergo anima hominis complebit elephantum? quomodo item obducetur in
culice? si tantum extendetur aut contrahetur, profecto periclitabitur.
210 Vgl. Tert. An. 37, 6: constitue certum pondus auri vel argenti, rudem adhuc massam: collectus
habitus est illi et futuro interim minor, tamen continens intra lineam moduli totum quod natura
est auri vel argenti. dehinc cum in laminam massa laxatur, maior efficitur initio suo per
dilatationem ponderis certi, non per adiectionem, dum extenditur, non, dum augetur; etsi sic
quoque augetur, dum extenditur: licet enim habitu augeri, cum statu non licet.
90 Einleitung

aufhält. Weiter oben hatte ich vermutet, dieses Argument sei ursprünglich
epikureisch. Bei Soranos kann das nicht als Zustimmung zur epikurei-
schen Lehre gelten: der Stoiker Antipatros von Tarsos hatte ebenfalls
dieselbe Meinung vertreten, die auch bei Lukrez zu lesen ist; diese Vorstel-
lung wurde früh zu einem Element der philosophischen Koine der helle-
nistischen Seelenlehre 211.
Im Kontext der Unterteilung der Seele verfügen wir über größere Si-
cherheit. Der doxographische Überblick in T 10 zeigt eindeutig, dass der
Arzt das psychische Prinzip in sieben Teile unterteilt hatte. Was die Identi-
fikation der Teile betrifft, so beschränken wir uns auf die Feststellung,
dass diese Gliederung auf der stoischen Unterteilung beruht, auch wenn
sie von Soranos umgearbeitet wurde (vgl. den Kommentar zur Bestim-
mung der Teile). Eindeutig ist auch in diesem Fall das stoische Gedanken-
gut.
Die Einheit der Seelenvermögen war nach Soranos von einem summus
gradus… vitalis et sapientialis quod ˂ȭȯȶȹȷȳȴџȷ appellant (T 12) ermöglicht. Er
hatte zugunsten der Existenz dieses Vermögens gegen Dikaiarch, Andreas
und Asklepiades Stellung bezogen. Obwohl er die Seele als im ganzen
Leib verstreut definiert hatte, verfügt das Hegemonikon bei ihm über
einen bestimmten Sitz (certo in corporis recessu consecratum), der im folgenden
Fragment erklärt wird. Auch an dieser Stelle ist derselbe Gedankengang
wie bei Pollux zu finden: nach einer in polemischer Absicht angeführten
doxographischen Reihung (zuerst wird die Meinung Heraklits über den
getrennten Nous ausgeschlossen) legte Soranos seine eigene Überzeugung
dar, der zufolge das Hegemonikon im Herzen zu lokalisieren ist. Zuguns-
ten dieser Lehre wurde auch (wahrscheinlich aus erster Hand) ein Vers des
Empedokles angeführt, vielleicht in Bezug auf die stoische Seele, die sich
von Blut ernährt (obwohl Empedokles anders dachte, das ȷ&ȱȶȫ bestand
nämlich bei ihm aus Blut) 212. Soranos versuchte diese Lehre durch die
Meinungen der Ärzte Praxagoras [?], Apollodor und Chrysipp zu stützen;
diese Stellungnahme zugunsten des Sitzes des Hegemonikon im Herzen
_____________
211 Vgl. Lucr. 3, 455ff.; Ant. Tars. in SVF III, 50 (beide Stellen werden im
Kommentar zu T 22 zitiert); vgl. auch die Einleitung.
212 Abhängig von Soranos sind, außerhalb des Tertullian-Textes, auch die
Empedokleszitate bei Orion (von diesem wiederum Etymologicum Magnum 34, 21)
und Meletios. Wie man Diels-Kranz 31 B 105 entnehmen kann, ist das einzige
von Soranos unabhängige Zeugnis bei Porphyrios zu finden (De styge, nun p. 454
Smith). Der Zusammenhang zwischen diesem Empedoklesvers und der stoischen
Lehre könnte von Diogenes von Babylon hergestellt worden sein: laut diesem
bestand nämlich die Seele aus Blut (SVF III, 30, bei Galen!). Zur Seele, die sich
von Blut ernährt, vgl. SVF I, 140; vgl. den Abschnitt zur stoischen Seelenlehre in
der Einleitung.
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 91

stellt einen Berührungspunkt mit der stoischen Schule dar, die in dem von
Pollux überlieferten Fragment ausdrücklich erwähnt wird. Es stimmt zwar,
dass sich innerhalb der stoischen Schule neben der Lehre, die das Hege-
monikon im Herzen lokalisierte, auch die Überzeugung gebildet hatte, das
Hegemonikon befinde sich im Kopf 213. Meines Wissens war es allerdings
nur der ›orthodoxe‹ Zweig der Stoa, der das leitende Vermögen im Herzen
lokalisierte, wohingegen Epikur den Sitz des Hegemonikon unspezifischer
in der Brust bestimmte. Mit der Lokalisierung des leitenden Vermögens
im Herzen wollte sich Soranos vielleicht dem ›klassischen‹ Zweig der Stoa
annähern 214.
Viel schwieriger ist der Versuch, die Wahrnehmungstheorie des Sora-
nos innerhalb der hellenistischen Philosophie einzuordnen. Aber die gesi-
cherte Quelle, d.h. die Etymologien des Orion (T 11 [e]), sagt nur aus, dass
»der Gesichtssinn aus den Augen herausspringt (ȸ Jȷ ʶȵȵȯȽȫȳ ˂ ,ɁȳȻ)«,
was an die Wahrnehmungstheorie Stratons erinnert, der zufolge die Seele
sich durch die Wahrnehmungsporen nach außen herauslehnt, um mit der
Außenwelt in Kontakt zu treten. Der Zustand der Quellen ermöglicht
allerdings keine gesicherte Aussage und so verzichten wir auf eine solche.
Dieselbe Unsicherheit besteht bei dem Versuch, eine eventuelle Stel-
lungnahme von Soranos über die Wahrnehmungsunfähigkeit der Sinnes-
organe auszumachen. Wir hatten oben vermutet, eine Spur der stratonia-
nischen Lehre sei in der Nebeneinanderstellung der ›Löcher‹ und der Seele
in T 11 [f] zu ermitteln, wobei jede Erwähnung eines Sinnesorganes fehlt.
Es handelt sich allerdings um eine reine Hypothese, auf der man besser
keine weiteren Vermutungen aubauen sollte.
Kompliziert ist auch das Verhältnis zu der hellenistischen Schule, die
am weitesten von unserem Arzt entfernt ist: weiter oben wurde deutlich,
dass Soranos die Wahrhaftigkeit der Sinneswahrnehmung energisch gegen
die Tropoi der Skeptiker verteidigte und vielleicht dem extremen Sensua-
lismus der Epikureer zustimmte. An zwei Stellen, die von der Polemik
gegen die Transzendenzphilosophie der Platoniker gekennzeichnet sind,
verwendet Soranos eindeutig zwei Argumente skeptischer Herkunft: das
_____________
213 Vgl. SVF II, 836, 38: ȫ3Ƚ' Ȯ Ƚ' ˂ȭȯȶȹȷȳȴ'ȷ DȼąȯȺ ȷ ȴџȼȶL <ˆȵȳȹȻ>
ȴȫȽȹȳȴȯ ȷ Ƚ ˂ȶȯȽ Ⱥˤ ȼȿȫȳȺȹȯȳȮȯ ȴȯȿȫȵ; SVF III, 33, 18 (erneut Diogenes
von Babylon): Ƚȳȷ Ȼ Ȯ ȽHȷ ȢȽȹȳȴHȷ ȿ ȼȴȯȳȷ *Ƚȳ Ƚ' ˂ȭȯȶȹȷȳȴ'ȷ ȷ Ƚ ȴȯȿȫȵ.
Vgl. auch SVF II, 838-839; II, 885 (bei Galen): ȹ ȶ ȷ ȭ Ⱥ ąȯȺ Ƚ'ȷ ȲѡȺȫȴȪ
ȿȫȼȳȷ ȯȷȫȳ ȫ3Ƚџ, ȹ Ȯ ąȯȺ Ƚȷ ȴȯȿȫȵɄȷ. ȴȫȽ Ƚ ȫ3Ƚ Ȯ Ƚȫ8Ƚȫ
Ȯȳȫȿɂȷȹ8ȼȳ, ąȹ8 ȽȻ ȴȯȿȫȵȻ ȴȫ Ƚȹ8 ȲѡȺȫȴџȻ ȼȽȳȷ, ȹ3 ȼȾȶȿɂȷȹ8ȷȽȯȻ
ȫ2ȽȹȻ. Erneut SVF II, 908: ʱȴȹѠɂ Ȯ ȽȳȷȫȻ ȵɃȭȯȳȷ ąȫȺȫȶȾȲȹȾȶ ȷȹȾȻ ąȺ'Ȼ Ƚ'
ȷ Ƚ ȴȯȿȫȵ ȯȷȫȳ Ƚ' ˂ȭȯȶȹȷȳȴџȷ.
214 Vgl. SVF II, 848; 879; 885; 889; 895-896; 908. Das Hegemonikon lokalisierte
insbesondere Chrysipp im Herzen.
92 Einleitung

Gewicht der Körper sei nicht objektiv mit ihrer Masse verbunden (T 4, es
handelt sich um den vierten der von Sextus Empiricus angeführten skepti-
schen Tropoi, ąȫȺ Ƚ Ȼ ąȯȺȳȼȽ ȼȯȳȻ); die Unsichtbarkeit der Seele sei
nicht die Ursache für ihre Unkörperlichkeit, da diese Unsichtbarkeit von
den menschlichen Sinnesorganen abhängig ist (T 5: et pro natura eorum qui-
bus invisibilis esse sortita est, es handelt sich um den dritten der Tropoi des
Empirikers, ąȫȺ Ƚ Ȼ ȮȳȫȿџȺȹȾȻ ȽHȷ ȫȼȲȱȽȱȺɅɂȷ ȴȫȽȫȼȴȯȾ Ȼ) 215.
Am Ende unserer Bemühungen, die Zugehörigkeit des Arztes zu einer
bestimmten Schule zu ermitteln, versuchen wir die Berührungspunkte mit
den einzelnen Schulen zu identifizieren:

(a) Körperlichkeit der Seele (T 3): in Übereinstimmung mit Straton,


den Epikureern und den Stoikern, gegen die Mittelplatoniker.
(b) Die Seele besteht aus Pneuma (T 11): in Übereinstimmung mit
Straton und den Stoikern, gegen die Epikureer.
(c) Die Seele ist in den Poren (?) verstreut (ąȫȺȯȼąȫȺȶ ȷȱ, T 11): in
Übereinstimmung mit Straton und den Epikureern, gegen die Stoi-
ker.
(d) Die eingekörperte Seele hat dieselbe Gestalt und denselben Umfang
wie der körperliche Leib (T 11): in Übereinstimmung mit Straton,
den Epikureern und den Stoikern.
(e) Die Seele ist in sieben Teile unterteilt (T 10): Modifikation einer
stoischen Lehre, gegen Straton und die Epikureer.
(f) Das Hegemonikon ist im Herzen lokalisiert (T 13): in Überein-
stimmung mit den Stoikern, teilweise mit den Epikureern, gegen
Straton.
(g) Die Seele wächst und verkümmert gleichzeitig mit dem Leib (T 22):
in Übereinstimmung mit den Stoikern und Epikureern.

_____________
215 Vgl. Tert. An. 8, 3 (= Soranos T 4), der Beweis ist gegen die Platoniker gerichtet:
wenn man die Körperlichkeit der Seele annimmt, dürfte der unbeseelte Leichnam
den Platonikern zufolge leichter als der lebendige und beseelte Leib sein: quid
enim, inquit Soranus, si mare negent corpus, quia extra mare immobilis et gravis navis
efficitur? ~ Ainesidemos (!) ap. Diog. Laert. 9, 85 p. 691, 1-3 Marc.: ȴȫ ( ȷ ʱɃȺȳ
2ą' ȮȾȹȷ ȴȹȾȿȳȰџȶȯȷȹȻ ȵɅȲȹȻ ȷ 4ȮȫȽȳ .ˤȮɅɂȻ ȶȯȽȫȽɅȲȯȽȫȳ, ˅Ƚȹȳ ȬȫȺ1Ȼ Gȷ
ȴȫ 2ą' Ƚȹ8 4ȮȫȽȹȻ ȴȹȾȿȳȰџȶȯȷȹȻ ˃ ȵȫȿȺ'Ȼ Gȷ ȴȫ 2ą' Ƚȹ8 ʱɃȺȹȻ
ȬȫȺȾȷџȶȯȷȹȻ (vgl. auch die weiteren im Kommentar angeführten Stellen); Tert.
An. 8, 4 (= Soranos T 5): ceterum etsi invisibilis anima, et pro condicione corporis sui et
proprietate substantiae et pro natura etiam eorum quibus invisibilis esse sortita est. solem
noctuae nesciunt oculis; aquilae ita sustinent… ~ Sext. Emp. Adv. Math. 9, 247: ȴȫ ˂ȶȷ
ȶ ȷ Ƚȹ8 (Ⱥ˦ȷ ȫȽȳȹȻ ȭɅȷȯȽȫȳ, ȽȹȻ ȷȾȴȽȳȷџȶȹȳȻ Ȯ ȽHȷ )ȺȷɅȲɂȷ, ȹ ȹȷ ȭȵȫȾȸ
ȴȫ ȷȾȴȽȯȺɅȼȳ, Ƚȹ8 ȶ (Ⱥ˦ȷ.
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 93

(h) Verteidigung der Wahrhaftigkeit der Sinneswahrnehmung (T 14): in


Übereinstimmung mit den Epikureern, teilweise mit den Stoikern,
gegen die Skeptiker.
(i) Verwendung der skeptischen Tropoi: das Gewicht ist nicht objektiv
mit der Masse eines Körpers verbunden (T 4); die Unsichtbarkeit
der Seele kann von den menschlichen Sinnesorganen abhängig sein
(T 5): in Übereinstimmung mit den Skeptikern, gegen die Mittelpla-
toniker.

Abgesehen von dem konstanten Widerstand gegen den Mittelplatonismus


gewinnt man den Eindruck eines starken Eklektizismus, der sich innerhalb
der gemeinsamen philosophischen Leitlinien die schon verfügbaren, von
den verschiedenen Schulen erdachten Lösungen aneignet: als hätte der
Arzt mal mit A und B gegen C Stellung bezogen, mal mit B und C gegen
A, mal mit A und C gegen B.
Das erinnert an das Phänomen, das die Textkritik als Problem erach-
tet, das sehr schwierig zu bewältigen und für umfangreiche Textüberliefe-
rungen charakteristisch ist, d.h. die Kontamination. »Wenn z.B. von drei
Zeugen ȬȭK manchmal Ȭȭ gegen K, manchmal KȬ gegen ȭ, manchmal
Kȭ gegen Ȭ einen Fehler gemeinsam haben, so sind Ȭ, ȭ und K unterein-
ander kontaminiert« 216.
In unserem Fall kann man natürlich nicht von wirklichen Fehlern
sprechen, sondern nur von charakteristischen ›Trenn- oder Bindelehren‹.
Ähnlich unmöglich ist es, die Vertreter der Überlieferung genealogisch
einzuordnen.
Auch wenn das Phänomen im Hinblick auf eine genealogische Ein-
ordnung entmutigend ist, so ist es doch lehrreich für das Verständnis, wie
zu dieser Zeit Wissen rezipiert und vervielfältigt wurde. Ein solches ›Kon-
taminationsphänomen‹ kann eintreten, wenn verschiedene Bedingungen
gegeben sind: zuerst eine umfangreiche Kulturverbreitung, die derselben
Person den Zugang zu verschiedenen Bildungstraditionen (oder Überliefe-
rungszweigen wie bei der Maas’schen Kontamination) ermöglicht. Eine
weitere Bedingung ist ein gutes Ausbildungsniveau bei demjenigen, der
verschiedene Traditionsstränge zusammenfasst: die Kontamination ist
auch im Bereich der Textkritik ein Kennzeichen gelehrter Überlieferun-
gen; auch die horizontale Verbreitung solcher Lehren während des Helle-
nismus und der Kaiserzeit setzt eine andauernde Tätigkeit voraus, d.h.
dass man unterschiedliche Meinungen vergleicht, Material sammelt und
verschiedene Traditionen beständig nebeneinander stellt und interagieren
lässt. Auch wenn sie manchmal (im negativen Sinne) für reine Kompilati-
_____________
216 Vgl. Maas 1957, 8.
94 Einleitung

onen gehalten werden, so bezeugen die Werke der doxographischen Tra-


dition doch ein Milieu, das verschiedenen Schulen gegenüber offen und
zum Vergleich bereit war. Soranos ist mit seiner Neugierde, die keine
dogmatischen Grenzen kennt, mit seinem umfassenden Kenntnisstand
und seiner Bereitschaft, verschiedene Meinungen in Einklang zu bringen,
ein Kind seiner Zeit, d.h. der eklektischen und homogenen hellenistischen
Periode. Darum scheint es vernünftig, darauf zu verzichten, die Lehre des
Soranos auf eine einzige Schule zu beschränken; aus demselben Grund
lässt sich die Psychologie des Arztes nur mithilfe der allgemeinen Defini-
tion der ›hellenistischen Seelenlehre‹ einordnen, auch wenn Soranos in der
Kaiserzeit tätig war. Während dieser Periode begann sich allerdings eine
neue geistige Welt zu entwickeln, die gekennzeichnet ist durch die Wie-
deraufnahme der Geistesmetaphysik im Rahmen des wieder entdeckten
Aristotelismus und Platonismus. Im Vergleich zu dieser sich bildenden
Tradition zeigt sich der Arzt als ein polemischer Reaktionär, wenn er ein
jahrhundertealtes kulturelles Erbe verteidigt, das er als bedroht empfinden
musste. Auch das Bestreben, die philosophischen Ergebnisse der ver-
schiedenen Schulen zusammenzufassen, ist vielleicht durch den Wunsch
zu erklären, mithilfe der verfestigten Traditionen einen gemeinsamen Wi-
derstand gegen die neue platonische und aristotelische Metaphysik zu
leisten. Soranos konnte sich nicht vorstellen, dass diese Metaphysik einer
ebenfalls alten Tradition entstammte und eine geistige Hegemonie erobern
würde, die dazu bestimmt war, Jahrhunderte zu dauern.
Das letzte Problem muss in äußerster Kürze behandelt werden, da es
sich um ein Randthema handelt; ąȯȺ ɁȾɀȻ war kein bekanntes Werk,
das keine Spuren bei den antiken Autoren hinterlassen hat: fraglich ist
also, aus welchem Grund es von Tertullian als Quelle benutzt wurde. Dass
der Traktat des Soranos von Tertullian bewusst für die Abfassung von De
anima benutzt wurde, ist eine Tatsache; das sollte nicht interpretiert wer-
den, als hätte Tertullian diese Quelle nach dem Nachschlagen in zahlrei-
chen unterschiedlichen Fachwerken ausgewählt. Das einzige Fachbuch,
das Tertullian zu jener Zeit über die Seelenlehre gelesen hatte, scheint die
Schrift des Albinos zu sein, dessen vom platonischen Dualismus geprägter
Phaidon-Kommentar dem Afrikaner eine zu große Affinität zur gnosti-
schen Dichotomie aufwies und als zweitrangige Quelle benutzt wurde.
Andererseits war Tertullian wohl nicht daran interessiert, vor der Auswahl
seines Gewährsmannes weitere Referenztexte heranzuziehen: der Afrika-
ner scheint als Modell das erste Werk benutzt zu haben, das er in die
Hand nahm.
Bei einem Schriftsteller wie Tertullian, der dem Leben in seiner Stadt
und seiner Provinz so eng verbunden war, kann die Auswahl eines Arztes,
der in Afrika hohes Ansehen genoss, aber andernorts unbekannt war,
Hinweise auf die Seelenlehre des Soranos 95

nicht zufällig sein. Während der Ruhm des Arztes im Osten scheinbar
geschwunden war, war der Epheser in Afrika zu dieser Zeit und in den
folgenden Jahrzehnten sehr geachtet. Obwohl wir über keinen definitiven
Beweis verfügen, dass auch Perpetua oder der Verfasser ihrer Passio Sora-
nos gelesen hatte 217, ist das Nachleben unseres Arztes im afrikanischen
Bereich klar bezeugt: seine Spuren sind bei Augustinus 218, Cyprian 219, bei
Caelius Aurelianus (der Soranos in Afrika zwischen dem 5. und 6. Jhrh.
übersetzte und bearbeitete) und danach bei Muscio und Vindicianus zu
finden 220. Tertullian hatte zweifellos während der Lektüre des Soranostex-
tes weitreichende Übereinstimmungspunkte mit seinen eigenen Überzeu-
gungen gefunden. Dass die Medizin bei Soranos ihre Ansprüche auf dem
Gebiet der Seelenlehre gegenüber der Philosophie geltend macht (T 1, An.
2, 6: sorori refragatur), dürfte damals ein starkes Interesse in Tertullian her-
vorgerufen haben, der so engagiert an der (platonischen) Philosophie, die
sich die Gnostiker angeeignet hatten, Kritik übte. Die materialistische und
immanentistische Grundlage der Seelenlehre des Arztes stimmte völlig mit
dem Materialismus überein, den Tertullian vertrat, seitdem er ein Jahr-
zehnt zuvor mit der Abfassung seiner apologetischen Schriften begonnen
hatte. Die umfangreiche doxographische Komponente dürfte in Tertullian
kein geringes Interesse ausgelöst haben; in diesem Werk standen ihm die
Meinungen ›aller Philosophen‹ zur Verfügung, mit denen er den Leser
beeindrucken konnte, ohne allzu viel Zeit für die Lektüre von Werken zur
antiken Philosophie aufzuwenden. Auch inhaltlich (oder vielmehr ideolo-
gisch) muss Tertullian von der rigoristischen Morallehre des Arztes beein-
druckt gewesen sein: Soranos empfiehlt oftmals die Enthaltsamkeit als
Teil einer gesunden Lebensführung für beide Geschlechter 221, und nicht
selten polemisiert er gegen die Riten des heidnischen Volksglaubens222.
_____________
217 Pass. Perp. 15, 4: et cum pro naturali difficultate octavi mensis in partu laborans doleret…;
vgl. ą.ȭ. 1, 56: an dieser Stelle findet sich die Überzeugung, das nach sieben
Monaten frühgeborene Kind habe mehr Überlebenschancen als das, welches
nach acht Monaten geboren wird. Dieser Volksglaube war allerdings sehr
verbreitet: er ist auch bei Tertullian bezeugt (An. 37, 4) und war im medizinischen
Bereich gang und gäbe (Hippokrates widmete diesem Thema einen ganzen
Traktat), so dass diese Ansicht bis zum heutigen Tage als Bauernglaube überlebt.
Vgl. auch Hanson - Green 1994, 1007.
218 Aug. C. Iulian. 5, 14, 51, vgl. ą.ȭ. 1, 39; Hanson - Green, 1043.
219 Vgl. Ep. 69, 13 (= CSEL 3, 1 p. 762): nisi forte qui plura et secretiora legerunt apud
Hippocratem vel Soranum clinicos istos deprehenderunt.
220 Vgl. Hanson - Green 1994, 1042ff.
221 Vgl. ą.ȭ. 1, 9 p. 28 (= p. 21 Ilberg): ˂ȶȯȻ Ȯ Ƚȷ Ȯȳȱȷȯȴ ąȫȺȲȯȷɅȫȷ 2ȭȳȯȳȷȷ
ȯȷȫɅ ȿȫȶȯȷ, *Ƚȳ ȬȵȫȬȯȺ ȴȫȽ ȭɃȷȹȻ ˂ ȼȾȷȹȾȼɅȫ, ȴȫȲȪąȯȺ ȷ ȽN ВȭȳȯȳȷN
Ȯȳ ąȵȯȳџȷɂȷ ʱąȹȮɃȮȯȳȴȽȫȳ (die Argumente zugunsten der Keuschheit waren für
96 Einleitung

5. Die Quellen für die Rekonstruktion von Soranos’ ąȯȺ ɁȾɀȻȱ

Soranos’ ą.Ɂ. wurde meines Wissens nur von Tertullian als Quelle be-
nutzt, so dass in eine Testimoniensammlung des Werkes nur Stellen aus
dem Text des Afrikaners aufgenommen werden sollten. Interessante Pa-
rallelen sind allerdings auch zwischen Passagen aus Tertullians Text und
anderen Werken zu beobachten, die Material aus Soranos enthalten. Dies
lässt sich leicht durch die Vermutung erklären, dass der Arzt dieselben
Themen in verschiedenen Werken behandelt hatte. Außer im Falle von T
38 (das allein aus dem Anonymus Londinensis besteht) haben wir neben
den Text Tertullians die Parallelen gestellt, die Materialien aus anderen
Werken des Soranos enthalten.
Die wichtigsten Zeugnisse lassen sich auf die Etymologiae zurück-
führen; auch diese Schrift ist leider verloren gegangen, allerdings durch
einen Vergleich der aus ihr schöpfenden Werke rekonstruierbar, darunter
die Arbeiten des Orion, des Pollux und des Meletios.
Noch komplizierter ist die Frage nach zwei von uns benutzten Quel-
len, dem Anonymus Londinensis und dem Anonymus Fuchsii: bei diesen
bleibt unklar, aus welchem Werk sie schöpfen; in jedem Fall halten wir das
Vorhandensein von Material aus Soranos bei diesen Autoren für wahr-
scheinlich.

5.1. Meletios, Orion und Polluxȱ


Der Großteil der indirekt fassbaren Zeugnisse stammt aus den Etymologiae.
Für die Rekonstruktion dieses Werkes greifen wir auf das Etymologicum
Orionis als eine der Hauptquellen zurück, für welches die Abstammung
zahlreicher Glossen aus den Etymologiae des Soranos unbestritten ist: von
diesem Werk hatte Orion direkte Kenntnis (die Titelangabe ist bei ihm

_____________
ihn so wichtig, dass er sie auch in anderen Werken anführte); Ibid.: ȮȳџąȯȺ
2ȭȳȯȳȷ ȶ ȷ ˂ ȮȳȱȷȯȴɄȻ ȼȽȳȷ ąȫȺȲȯȷɅȫ ȴȫȲȪąȯȺ ą ȽHȷ ʱȺȺɃȷɂȷ ȴȫ ą
ȽHȷ ȲȱȵȯȳHȷ, ȽN ȴȹȳȷN Ȯ ȽȻ ȿѠȼȯɂȻ ȵџȭL.
222 Vgl. T 28 (An. 44, 2) zur Widerlegung des Glaubens an den Incubus; vgl. auch
ą.ȭ. 1, 3 (die gute Hebamme muss ʱȮȯȳȼȳȮȫȶɂȷ sein); ą.ȭ. 2, 6 p. 17 (= p. 58,
14 Ilberg): ȫ ąȹȵȵȫ Ȯ ȽHȷ ȶȫȳȹȾȶɃȷɂȷ 2ɃȵL ˃ ȴȫȵȪȶL ˃ )ȼȽȺȪȴL ˃ ȽN
ȵȯąɅL Ƚȹ8 ʵȺȽȹȾ ȮȹȴȳȶȪȰȹȾȼȳȷ Ƚȷ ʱąȹȴȹąȷ ˃ ȵɅȷL ȬȳȫɅɂȻ ʱąȹȼȿɅȭȸȫȼȫȳ,
ȽN ȮȾȼȹȳѡȷȳȼȽȹȷ ȯȷȫȳ Ƚȷ ȷ ȽN ąȺѡȽL ɀȺџȷL ȼȳȮɄȺȹȾ ȽȹȶɄȷ. *ąȯȺ
ąȫȷȽȯȵHȻ ȴȫȽȫȭɃȵȫȼȽџȷ ȼȽȳȷ· ȴȫ <ȭ Ⱥ> Ƚ' ȴȵȫɅȯȳȷ ȫ3Ƚ' ȮȾȼȹȳѡȷȳȼȽџȷ
ȼȽȳȷ, ʱą' Ȯ ȽȹѠȽȹȾ Ƚ' ȭȯȷȷȱȲ ȷ ʵȺɀȯȽȫȳ Ƚȹ8 Ȱȷ.
Die Quellen für die Rekonstruktion von Soranos’ ąȯȺnɁȾɀȻn 97

selbst überliefert), und manche Glossen werden mit dem Namen des Arz-
tes ›signiert‹ 223. Aus Orion schöpft auch das Etymologicum Magnum.
Direkte Kenntnis der Etymologien muss man auch für das zweite Buch
des Onomasticon des Pollux voraussetzen, das den Bezeichnungen meschli-
cher Körperteile gewidmet ist224.
Der letzte, der das lexikalische Werk des Soranos gekannt zu haben
scheint, ist der Mönch Meletios. Die Chronologie dieses Schriftstellers ist
sehr umstritten: er verfasste sein Werk nach dem Ende des siebten Jahr-
hunderts; der terminus ante quem seiner Tätigkeit ist nicht genau zu bestim-
men, wobei er zwischen dem neunten und dem dreizehnten Jahrhundert
schwankt 225. Obwohl Hanson und Green die Aufmerksamkeit auf diesen
Iatrosophisten gelenkt haben (»his treatise may be the single most impor-
tant source for recovering what we can of Soranus’ lost work«) 226, sind im
Rahmen unserer Rekonstruktion nur wenige Parallelen aus Meletios zu
gewinnen, obwohl eine unter diesen von grundlegender Bedeutung ist. Bei
der Benutzung dieser Quelle ist besondere Vorsicht angebracht: obwohl
der byzantinische Mönch seine Arbeit als eine reine Kompilation bezeich-
net 227, gibt er die Lehre seiner Vorlagen nicht getreu wieder: er arbeitet sie
nach seinen eigenen Überzeugungen um, wobei der Einfluss umfang-
reicher Lektüre festzustellen ist (z.B. kennt er die kappadokischen Vä-
ter 228, Ps.-Dionysios, 229 aber auch Galen 230, und den Neuplatonismus von
Chronios, Porphyrios und Jamblich durch Nemesios 231). Abgesehen von
_____________
223 Vgl. Kind 1927, 1117, 26ff.; Hanson - Green 1994, 1021-1022; problematisch ist
eventuell zu bestimmen, ob der uns überlieferte Text Orions die ursprüngliche
Fassung oder eine Epitome ist: besitzen wir den Orio genuinus oder den Orio
breviatus? Zu dieser Frage war uns eine definitive Stellungnahme nicht möglich.
224 H. Diels brachte erstmals mit erstaunlicher Gelehrsamkeit den Text Tertullians
mit Pollux in Zusammenhang: vgl. Diels 1929, 207.
225 Zur problematischen Datierung dieses Autors vgl. Hanson - Green 1994, 1022;
Meletios wird in Leven 2005, 603-604 ins 9. Jahrhundert datiert.
226 Hanson - Green 1994, 1022.
227 Vgl. p. 1, 8ff. Cramer: ȹ3ɀ BȻ ȴȫȳȷџȷ Ƚȳ ąȳȷȹɄȼȫȷȽȹȻ ąȯȺ ȿѠȼȯɂȻ ʱȷȲȺѡąȹȾ
ȿȾȼȳȹȵȹȭȼȫȳ, ʱȵȵ ȼѠȷȽȹȶȹȷ ȴȫ ʱȷȯȵȵȳą ąȺȫȭȶȫȽȯɅȫȷ ȴȲɃȼȲȫȳ ȽȹȻ
ȿȳȵȹȶȫȲɃȼȳ ȴȫ ȿȳȵȹąџȷȹȳȻ ȬȹȾȵȹȶ ȷȹȾ.
228 Die Kenntnis des Basilius ist an verschiedenen Stellen nachweisbar (nur einige
Beispiele aus der Ausgabe von Cramer): p. 43; p. 52 (er schließt sich der Meinung
des Basilius an und lokalisiert entgegen Soranos’ Auffassung das Hegemonikon
im Herzen); Gregor von Nyssa wird erwähnt (p. 116 Cramer).
229 Das Corpus Dionysiacum wird nicht ausdrücklich erwähnt, ein Bezug darauf ist aber
p. 148 Cramer zu finden, der Vergleich mit dem Tageslicht stammt aus De divinis
nominibus 2, 4 p. 127 Suchla.
230 Vgl. p. 111 Cramer.
231 Vgl. p. 147 Cramer. Vgl. Nemes. De nat. hom. 116 p. 35, 3ff. Morani.
98 Einleitung

einer modernen Konjektur wird Soranos’ Name nie erwähnt; auch die aus
den Etymologiae des Arztes stammenden Materialien wurden oftmals mit
Elementen anderer Herkunft zusammengefasst 232.

5.1.1. Meletios und Nemesios


Angesichts der Tendenz des byzantinischen Mönchs, verschiedene Quel-
len zusammenzufassen, muss man auch aus einem anderen Grund Vor-
sicht walten lassen, da sonst die Benutzung des Meletios als Quelle für die
Rekonstruktion des Soranos sehr gefährlich sein kann: wie schon seit län-
gerer Zeit bekannt ist, fügte Meletios auch excerpta aus Nemesios in seine
Schrift ein 233; Nemesios zeigt manche interessante Parallele mit Tertullian-
Soranos, so dass man bei jeder Ähnlichkeit zwischen Tertullian und Ne-
mesios darauf achten muss, ob die Textpassage eher Nemesios als Sora-
nos zuzuschreiben ist. Wir können allerdings mindestens an einer Stelle
nachweisen, dass Meletios den Text des Nemesios mit einer Textpassage
aus Soranos kontaminiert hat. Vgl. das folgende Beispiel (der Meletios-
Text wurde in T 14 aufgenommen):

Nemes. De nat. hom. 187-188 p. 62, Meletios, p. 72, 8-20: ąȹȽ ȶ ȷ ˂


10-19:ȱ ąȹȽ Ȯ ȴȫȲ’ ʼȫȾȽȷ ,ɁȳȻ ȽȻ ąȳȶȫȺȽȾȺɅȫȻ ɀȺɄȰȯȳ ȽHȷ
ȷȫȺȭHȻ ąȫȺɅȼȽȱȼȳ Ƚ ȿȫȳȷџȶȯȷȫ ʵȵȵɂȷ ȫȼȲɄȼȯɂȷ ąȺ'Ȼ Ƚ' ȶ
*Ƚȫȷ ȶ ąџȺȺɂȲȯȷ (Ⱥ˧· Ƚ'ȷ ȭȹ8ȷ ȼȿȪȵȵȯȼȲȫȳ· ąȹȽ Ȯ ȴȫȲ’ ʼȫȾȽȷ
ąѠȺȭȹȷ Ƚ'ȷ ȽȯȽȺȪȭɂȷȹȷ ȷȫȺȭHȻ ąȫȺɅȼȽȱȼȳ Ƚ'
ȼȽȺȹȭȭѠȵȹȷ (Ⱥ˧ ąџȺȺɂȲȯȷ· ȿȫȳȷџȶȯȷȹȷ· *Ƚȫȷ ȹ9ȷ Ƚ'ȷ ąѠȺȭȹȷ
ȼȿȪȵȵȯȽȫȳ Ȯ ȴȫ *Ƚȫȷ Ȯȳ’ ʱɀȵѠȹȻ Ƚ'ȷ ȽȯȽȺȪȭɂȷȹȷ ȼȽȺȹȭȭѠȵȹȷ
˃ ȴȫąȷȹ8 ȬȵɃąɂȶȯȷ ˅ ȽȳȷȹȻ ȽHȷ ąџ/.ɂȲȯȷ (Ⱥ˦, ȴȫ Ƚ ȶȯɅȰȹȷȫ
ąȫȺȫąȵȱȼɅɂȷ ȽHȷ ąȳȲȹȵȹѠȷȽɂȷ ȽHȷ Ȱѡɂȷ ˃ ȴȽȳȼȶȪȽɂȷ, ȶȳȴȺ ,
Ƚȷ ,Ɂȳȷ. (ȶȹɅɂȻ ȴȫ *Ƚȫȷ Ȯȳ’ ȼȿȪȵȵȯȽȫȳ· (ȶȹɅɂȻ ȴȫ *Ƚȫȷ Ȯȳ’
4ȮȫȽȹȻ ȴȳȷȹȾȶɃȷȹȾ (ȴȫ ȭ Ⱥ ȷ Ƚ 4ȮȫȽȹȻ ȴȳȷȹȾȶɃȷȹȾ (Ⱥ˦· Ƚȷ ȭ Ⱥ
ȲȫȵȪȼȼ Ƚȷ ȴѡąȱȷ BȻ ȴȯȴȵȫȼ- ȴѡąȱȷ BȻ ȴȯȴȵȫȼȶɃȷȱȷ ȬȵɃąȯȳ ȷ
ȶɃȷȱȷ (Ⱥ˧) (ȶȹɅɂȻ ȴȫ *Ƚȫȷ ȮȳȪ Ƚ ȲȫȵȪȼȼ· (ȶȹɅɂȻ Ȯ ȴȫ *Ƚȫȷ
ȽȳȷȹȻ Ȯȳȫȿȫȷȹ8Ȼ 4ȵȱȻ ȬȵɃą, BȻ ȮȳȪ ȽȳȷȹȻ 4ȵȱȻ, BȻ ą ȽHȷ
ą ȽHȷ ȼџąȽȺɂȷ ȴȫ ȽȻ 2ɃȵȹȾ ȼџąȽȺɂȷ, ȴȫ ʼȽɃȺɂȷ ȮȳȫȿȫȷHȷ·
_____________
232 Vgl. Melet. p. 1, 21-23 Cramer: ȢɂȴȺȪȽȱȻ Ȯ ȽȾȶȹȵȹȭɅȫȻ ȶ˦ȵȵȹȷ ȶȹȺɅɂȷ ȴȫ
)ȷȹȶȪȽɂȷ ȷ ȽN ąȯȺ ȿѠȼȯɂȻ ʱȷȲȺѡąȹȾ ȼȾȷȽȪȭȶȫȽȳ ȫ3Ƚȹ8, BȻ ȭȺȫȶȶȫȽȳȴ'Ȼ
˃ ȿȳȵџȼȹȿȹȻ ȼȾȷȯȽȪȸȫȽȹ. Scheele 1884, 159-168 wollte den Namen des Sokrates
in Soranos korrigieren; infolge dieser Konjektur läsen wir allerdings bei Meletios
einen Titel, der nirgendwo für die Schrift des Soranos bezeugt ist: vgl. Kind 1927,
1117, 42ff.; die Konjektur wird von Hanson - Green 1994, 1022 verworfen (ebd.
weitere bibliographische Informationen).
233 Vgl. die Liste der Parallelen bei Morani, 141ff.
Die Quellen für die Rekonstruktion von Soranos’ ąȯȺnɁȾɀȻn 99

ȴȫ ȽHȷ ʵȵȵɂȷ ȽHȷ ȽȹȳȹȾȽȹ- ȴȫ *Ƚȫȷ )ȸɃɂȻ ȴȳȷȽȫȳ Ƚ'
ȽȺџąɂȷ· ˃ *Ƚȫȷ )ȸɃɂȻ ȴȳȷȽȫȳ Ƚ' (Ⱥѡȶȯȷȹȷ· ȼȾȷȽȫȺȪȼȼȯȳ ȭ Ⱥ Ƚȷ
(Ⱥѡȶȯȷȹȷ· ȼȾȷȽȫȺȪȼȼȯȳ ȭ Ⱥ Ƚȷ ,Ɂȳȷ ˂ Ƚȫɀȯȫ ȴɅȷȱȼȳȻ, BȻ ą Ƚȹ8
,Ɂȳȷ ˂ Ƚȫɀȯȫ ȴɅȷȱȼȳȻ, BȻ ȽȻ ąȯȺȳȼȽȯȺ˦Ȼ ȽȺȫɀɄȵȹȾ·
ȼȽȺȹȭȭѠȵȫ Ƚ ȶ ȼȽȺȹȭȭѠȵȫ ȽȯȼȼȪȺɂȷ Ȯ ȶȪȵȳȼȽȫ ąȺ'Ȼ
ȬȵɃąȯȳȷ ȴȫ BȻ ʼȼȽHȽȫ Ƚ ȷȫȺȭ ȮȳȪȭȷɂȼȳȷ ˂ ,ɁȳȻ ɀȺɄȰȯȳ·
ȴȳȷȹѠȶȯȷȫ. ʱȬȵȫȬȹ8Ȼ ȫȼȲȱȽȱȺɅȹȾ· ȼȾȶ-
ȶɃȽȺȹȾ ȴȳȷɄȼȯɂȻ· ȴȫ ȮȳȫȼȽɄ-
ȶȫȽȹȻ ʱɃȺȹȻ ȴȫȲȫȺȹ8· ȴȫ
ȵȫȶąȺȹ8 ȿɂȽџȻ.

Die Berührungspunkte mit dem Text des Nemesios sind m.E. unbestreit-
bar. Wenn man die parallelen Texte allerdings näher betrachtet, so findet
man bei Meletios zwei Details, die in Nemesios’ De natura hominis fehlen.
Der erste Punkt steht mit den skeptischen Tropoi in Zusammenhang
(Diog. Laert. 9, 85; vgl. Sext. Emp. Pyrrh. Hyp. 1, 118ff.: Ƚ Ȯȹȴȹ8ȷȽȫ
ȯȷȫȳ ȶȯȭ ȵȫ ȶȳȴȺ ȿȫȷȯȽȫȳ, vgl. Tert. An. 17, 2: quod aequalissimam porti-
cum angustiorem in ultimo infamet). Im zweiten Punkt kann die Anspielung auf
den bunten Hals der Taube nicht zufällig von Meletios eingefügt worden
sein, da dieses Detail erneut mit den skeptischen Tropoi übereinstimmt
(Diog. Laert. 9, 85; Sext. Emp. Pyrrh. Hyp. 1, 120ff.: ȴȫ ȹ ȽȺȪɀȱȵȹȳ Ȯ
ȽHȷ ąȯȺȳȼȽȯȺHȷ ąȫȺ Ƚ Ȼ ȮȳȫȿџȺȹȾȻ ąȳȴȵɅȼȯȳȻ ȮȳȪȿȹȺȹȳ ȿȫɅȷȹȷȽȫȳ
ȴȫȽ ɀȺHȶȫ). M.E. sollte man zu folgender Schlussfolgerung gelangen:
Meletios hatte die Ähnlichkeit zwischen Nemesios und dem Text des
Soranos (d.h. die Darstellung der skeptischen Tropoi) bemerkt und die
beiden Quellen miteinander kontaminiert, um die Argumentation zu ver-
vollständigen. Trotz der Kontamination mit Nemesios, der aus einer
Quelle schöpft, die er mit dem Arzt gemeinsam hat, muss man den Text
des byzantinischen Iatrosophisten neben den Tertullians stellen, da er auch
Argumente enthält, die aus Soranos stammen.

5.2. Der Anonymus Londinensis


Ein besonderes Problem stellt der Text dar, der im Papyrus 137 (P.Lit.
Lond. 165, aus dem 2. Jh. n.Chr.) im British Museum aufbewahrt wird
und von H. Diels unter dem Titel Anonymus Londinensis ediert wurde 234.
Trotz der aporetischen Schlussbemerkung von Diels, dem die Identität

_____________
234 Vgl. Supplementum Aristotelicum 3, 1, Berolini 1893; zur Datierung ins 2. Jh.
n.Chr. vgl. ebd., IX und Jones 1968, 1; diese Datierung wurde von D. Manetti
geändert, die für den Papyrus eine Abfassungszeit im 1. Jh. annahm: vgl. Manetti
1994, 57.
100 Einleitung

des Verfassers »im Dunkel geblieben« war 235, wurde der Anonymus von
M. Wellmann mehrmals mit Soranos gleichgesetzt 236. W.H.S. Jones führt
in seiner sorgfältigen, aber nicht innovativen Ausgabe eine erneute Unter-
suchung der Frage nach der Identität des Verfassers durch und hält es für
denkbar (ohne sich festzulegen), dass der Anonymus-Text aus Materialien
schöpft, die auf Soranos zurückzuführen sind.
Die Besonderheit dieses so schwer verständlichen Zeugnisses hat zu
verschiedenen Hypothesen Anlass gegeben: es könnte sich um die priva-
ten excerpta eines Medizinstudenten handeln, die einer bereits verderbten
Vorlage entnommen wurden 237; der Text könnte auch aus Notizen beste-
hen, die sich ein Student ʱą' ȿɂȷȻ gemacht hatte und die danach unor-
dentlich abgeschrieben wurden 238. Eine dritte Hypothese hat D. Manetti
aufgestellt. Mit Blick auf die Erfahrung des Schreibers behauptete die
Forscherin, PLit.Lond. sei ein Autograph: die Fehler des Textes seien der
Tatsache geschuldet, dass sich die Arbeit in einem unvollendeten Zustand
befände, der Text habe mit dem Arzt aus Ephesos nichts zu tun239.
Diese Hypothese ist meiner Meinung nach nicht völlig überzeugend,
und es entstünde ein gewaltiges Problem (auf welches Manetti nicht hin-
weist 240) durch die vorgeschlagene Identifikation einer der Quellen des
Papyrus mit Soranos: sollte P.Lit.Lond. 165 ein Autograph des Soranos
_____________
235 Diels 1893 b, 413: »für mich ist Name wie Secte des Mannes im Dunkel
geblieben«.
236 Wellmann 1922; 1926.
237 Diels 1893 b, 410: »die Unsicherheit der Züge, die vielen Nachträge und
Correcturen, das Abbrechen mitten im Satze zeigen, dass der Schreiber das
Original gegen Ende nicht mehr recht lesen konnte und daher nothgedrungen die
Arbeit einstellte. Diesen Eindruck, dass der Schreiber sich nur schwer in dem ihm
vorliegenden Texte zurecht fand, habe ich durchweg auch sonst empfangen«.
238 Vgl. Jones 1968, 4: »the scrappiness, slovenly expressions, repetitions and general
carelessness speak for themselves suggesting that the papyrus was intended for
the personal use of the writer... the strange ȷȽȺɃɀȯȳȫ of 1, 24 and 2, 9 points to
an original consisting of lecture-notes taken down by a student in the course of a
lecture or lectures«.
239 Vgl. Manetti 1986, 59: »tali caratteristiche danno piuttosto l’impressione che il
supposto “scriba” stia elaborando ciò che scrive e talvolta abbia dei
ripensamenti… non mi pare che si possano giudicare questi casi come correzioni
di errori meccanici ma piuttosto come variazioni del discorso«; die Theorie der
Autographie dieses Textes wurde auch von Dorandi 1992 angenommen.
240 Die Forscherin gibt keinen Hinweis auf diese vexata quaestio, es findet sich nur
eine kurze Erwähnung in 1986, 58 A. 6: »Wellmann propose la paternità di
Sorano basandosi su evidenti incomprensioni del testo«. Bei Manetti 1994, 57ff.
wird als Entstehungsort des Zeugnisses eine medizinische Schule in Kleinasien
angenommen (was plausibel scheint).
Die Quellen für die Rekonstruktion von Soranos’ ąȯȺnɁȾɀȻn 101

sein? Diese Vorstellung scheint nicht wahrscheinlich: die obengenannte


ȷȽȺ ɀȯȳȫ, d.h. eine Verzerrung der aristotelischen ȷȽȯȵ ɀȯȳȫ, bringt uns
auf die Spur eines Verfassers, der keine Ahnung von Philosophie hatte,
und eines Textes, der wohl kaum recta via aus der Feder des Soranos ge-
flossen sein dürfte, der Aristoteles’ De Anima selbst gelesen hatte.
Um kurz auf das hinzuweisen, was im Folgenden vorausgesetzt wird,
halten wir fest, dass der Papyrus im jetzigen Zustand kein Text ist, der
veröffentlichbar wäre. In diese Richtung weisen die häufigen Diplo-
graphien und Schreibfehler. Auch der Argumentationsgang ist zumindest
ungeordnet: der Verfasser stellt mal die Lehre seiner Quelle, mal die seiner
Gegner dar, wobei nicht einfach zu erkennen ist, welche Meinungen er
akzeptiert und welche er ablehnt 241. Dass der Text eine Kompilation ist
(vielleicht aus einer schriftlichen Vorlage), scheinen Formeln wie ȴȫ
ʵȵȵɂȻ ȿȱȼ zu verraten, mit denen der Anonymus die Stellungnahmen
einleitet (z.B. 39, 5). Obwohl die Klarheit der Darstellung und der konser-
vatorische Zustand des Textes alles andere als befriedigend sind, gibt es
im Text Spuren des Methodismus sowie einige, wenn auch nicht allzu
zahlreiche Berührungspunkte mit Argumenten, die auf Soranos zurückzu-
führen sind 242. Auch die der Quelle entnommenen Ansichten werden
nicht immer auf dieselbe Weise wiedergegeben: mal paraphrasiert der
Verfasser seine Vorlage, mal führt er den Text wörtlich an (z.B. das Ar-
gument der Schläuche: vielleicht handelt es sich um eine Stelle, die der
Autor für wichtig hielt). Der Verfasser des Textes scheint zudem nicht mit
_____________
241 Vgl. z.B. 31, 25ff.; dasselbe gilt für 38, 47.
242 Für ein Beispiel einer ungeordneten, für Soranos unvorstellbaren Argumentation
vgl. 1, 33: zuerst spricht der Verfasser von den ą Ȳȱ ȼɂȶȫȽȳȴ , erst danach
kommt die Definition: 1, 40: Ƚ ȶ ȷ ɁȾɀȳȴ , Ƚ Ȯ ȼɂȶȫȽȳȴ . Wellmann 1922,
417 hatte bereits (diesmal zum Recht) eine Spur von Methodismus in Anon.
Lond. 1, 7 (die Definition der Ȯȳ ȲȯȼȳȻ) ermittelt (die polemische Parallele bei
Galen, Meth. Med. 1, 7, X, p. 51 Kühn, wurde schon von Diels bemerkt);
andererseits ist in 38, 41-47 der Gegensatz zwischen der durch Kälte verur-
sachten ą0ȴȷɂȼȳȻ und der durch Hitze hervorgerufenen ʱȺȫɂȼȳȻ ein
eindeutiger Beweis für die Annahme der Lehre der ȴȹȳȷѡȽȱȽȯȻ. Berührungs-
punkte mit der Lehre des Soranos: in 2, 13-14 können die ɁȾɀȳȴ ą Ȳȱ
naturgemäß oder naturwidrig sein, was an die oftmaligen Definitionen des
Soranos auf der Grundlage des Kriteriums ȴȫȽ ȿ0ȼȳȷ /ąȫȺ ȿ0ȼȳȷ erinnert; 4,
13 die Bezeichnung ȿȺȯȷȽȳȻ bezieht sich auf die durch die Krankheit beschädigte
Körperfunktion, nicht auf deren Sitz: schon Diels hatte die Parallele zu Soranos
ap. Cael. Aur. Acut. Morb. 1, 8, 53 und Anon. Fuchs. 1, 1, jetzt p. 2 Garofalo (vgl.
T 13), bemerkt; die Anekdote über den Tod Demokrits (37, 35) war auch bei
Soranos ap. Cael. Aur. Acut. Morb. 2, 37 überliefert. In 16, 3 ist der Trimeter über
die Fettleibigkeit als Hindernis für das Denken angeführt, eine sprichwörtliche
Redensart (inhaltlich übereinstimmend auch in T 16 zu finden).
102 Einleitung

der Philosophie vertraut zu sein: offensichtlich ist dies in 2, 5; auf dieselbe


Spur führt uns das häufige Vorkommen stereotyper Junkturen, z.B. ȵџȭL
ȲȯɂȺȱȽȹ ąџȺȹȳ 243, so dass man in vielen Fällen den Eindruck gewinnt,
dass der Verfasser Ausdrücke wiederholt, die er in seiner Vorlage fand,
ohne die Materie zu beherrschen. Was die heikle Frage der soranischen
Autorschaft anbelangt (eine erneute eingehende Untersuchung hierüber
wäre wünschenswert), so halten wir uns an Jones’ Schlussfolgerung, wel-
che die Entscheidung offen lässt, und beschränken uns auf die Feststel-
lung, dass der Text unter anderem auch aus soranischen Materialien
schöpft 244. Die Frage, auf welchem Weg diese Materialien Eingang in den
Text fanden und wie der Charakter des Verfassers einzuordnen ist, be-
rührt uns letztlich nicht, da sich unser Ziel auf die Rekonstruktion von
ą.Ɂ. beschränkt. Wer sich künftig mit dem Text des Anonymus Londi-
nensis auseinandersetzen wird, muss sich auch mit dem Traktat Tertullians
beschäftigen, der an einigen Stellen interessante Parallelen zu dem Papyrus
aufweist.

5.3. Der Anonymus Fuchsii


Auch wenn das philosophiehistorische Problem viel geringer ist, so ist die
Lage im Falle des sogenannten Anonymus Fuchsii ähnlich zu bewerten. Der
Text, der den Namen des ersten Herausgebers trägt, wurde von Diels und
Wellmann Soranos zugeschrieben, wovon Fuchs selbst nicht überzeugt
war 245. Was unser Ziel der Rekonstruktion betrifft, so erhält man durch

_____________
243 Vgl. 37, 5-6; 37, 29; 38, 22; 38, 24; 38, 31; 38, 52; 39, 3; 39, 15; 39, 22; 39, 31 (vgl.
das Register bei Diels); vgl. auch 21, 26. Vgl. zu Ursprung und Verbreitung dieser
Junktur die Einleitung (oben, 44-45).
244 Vgl. Jones 1968, 7 und seine Überprüfung der schon von Wellmann angeführten
Parallelen: Anon. Lond. 21, 21: ʲąȵ˦ Ȯ ȴȫ ȼѠȷȲȯȽȫ ȵȫȶȬȪȷȹȶ(ȯȷ) ą(Ⱥ'Ȼ)
ȫȼȲȱȼȳȷ, ȴȫȲAȻ ȴȫ ϽȺџȿȳȵȹȻ ąȳȼȱȶȯȳȹ8Ƚȫȳ ȵɃȭɂȷ ȹ(4ȽɂȻ)· »ȵȯȭɃȼȲɂ Ȯ
Ƚ ȿȫȳȷџȶȯȷȫ ą[Ⱥ]HǽȽȫ, ȴȫ ȯ ȶ (ʿȼȽȳȷ) ąȺHȽȫ.« ~ Galen. Meth. Med. 2, 5, X
p. 107 Kühn: ȴȫɅ ȽȳȻ ąȷȯȼȯȷ ȷ ȽȹѠȽL Ƚ'ȷ ϽȺџȿȳȵȹȷ ȯąџȷȽȫ ȴȫȽ ȵɃȸȳȷ
ȹ4ȽɂȻ· »ʿȼȽɂ Ƚȫ8Ƚȫ ȯȷȫȳ ąȺHȽȫ, ȯ ȴȫ ȶɄ ȼȽȳ ąȺHȽȫ«.
245 Für die erste Ausgabe vgl. Fuchs 1894; danach Diels 1893 a, 102: »so ist die
Ȯȳ ȭȷɂȼȳȻ ąȯȺ ȽHȷ )ȸ ɂȷ ȴȫ ɀȺȹȷɂȷ ȷȹȼȱȶ Ƚɂȷ von der Hr. R. Fuchs
jüngst aus einer Pariser Hds. Abschrift genommen und mir freundlichst Einsicht
gestattet hat, eine höchst erwünschte Ergänzung unseres Materials. Denn hier
wird gerade das Doxographische besonders herausgehoben und namentlich für
Erasistratos, Diokles, Praxagoras eine Fülle neuer Placita gewonnen. Den Beweis,
dass diese Excerpte wirklich auf Soran zurückgehen, hoffe ich führen zu können,
glaube aber vorher die Veröffentlichung dieses Anecdoton durch den glücklichen
Entdecker abwarten zu sollen«; Wellmann 1901, 140; 155; skeptisch gegenüber
Zur Rekonstruktion einer Quelle des Soranos 103

einen Vergleich mit Tertullians Text in An. 15, 5f. Parallelen, die nicht
zufällig sein können 246; dass der Anonymus Fuchsii mit Soranos nur durch
eine gemeinsame Quelle verbunden ist, wirkt unwahrscheinlich. Auch
wenn der für uns interessante aitiologische Teil kein Auszug aus Soranos
ist, so ist Soranos doch eine Quelle für den Anonymus, was für unsere
Zwecke hinreichend ist 247.

6. Zur Rekonstruktion einer Quelle des Soranos

Weiter oben haben wir beobachtet, wie Soranos zugunsten der materialis-
tischen Psychologie die Argumente Kleanthes’ und Chrysipps im Rahmen
der Beweisführung der Körperlichkeit der Seele anführte. Diese Argumen-
te stimmen genau mit dem Text des Nemesios überein, und dass sie dort
in einer anderen Reihenfolge auftreten, stellt kein großes Problem dar.
Folglich bleibt die Hypothese H. Dörries (1959, 132) weiterhin gültig:
»Die peripatetische Parallele (bei gleicher Reihenfolge, aber ohne Nen-
nung von Namen), findet sich bei Alexander de anima mant. 117, 1 – 118, 4.
Diese zeitlich vor Nemesios liegenden Parallelen erweisen: Nemesios hat
diese drei Argumente nicht selbst zusammengestellt, sondern die platoni-
sche wie die peripatetische Schultradition bot dies als ein dreigeteiltes
Lehrstück. Nemesios hat es recht geschickt an dieser Stelle eingefügt, wo
es die beabsichtigte Gliederung am wenigsten stört«.
Diese Quelle des Nemesios, welche die Schulargumente überliefert
(und nicht Porphyrios sein kann), wird von Dörrie auf folgende Weise
beschrieben (1959, 121ff.): (a) es handle sich um ein Werk, das zahlreiche
doxographische Materialien enthalten habe: »eine Zusammenstellung, die
der Doxographie bei Areios Didymos sehr ähnlich, mit ihr aber nicht
identisch war«; (b) diese Quelle habe unter dem Einfluss der Akademie
des Karneades gestanden, was aus der eher polemischen als konstruktiven
Tendenz der Argumente abzuleiten sei; (c) sie biete eine mittelplatonische
Definition der Seele als »unkörperliche Substanz«; (d) die kompakte Struk-
tur und die kompetente Diskussion philosophischer Fragestellungen (auch
auf Gebieten, die nicht von der eigenen Schule behandelt wurden) »lassen
vermuten, dass dem Nemesios eine erstrangige Quelle zur Verfügung
_____________
der Zuschreibung an Soranos war Fuchs 1900; vgl. hierzu auch Garofalo 1997,
XI, wobei auf die Soranosfrage nicht hingewiesen wird.
246 Zu diesen Übereinstimmungen vgl. Wellmann 1901, 143.
247 Vgl. auch den Artikel I. Garofalos in Leven 2005, 54: »zeigt aber Sympathie für
die Empiriker und inhaltliche Ähnlichkeiten mit Soran«; Mansfeld 1990, 3104:
»Anonymus Fuchsii, which likewise is believed to derive from Soranus«.
Zur Rekonstruktion einer Quelle des Soranos 103

einen Vergleich mit Tertullians Text in An. 15, 5f. Parallelen, die nicht
zufällig sein können 246; dass der Anonymus Fuchsii mit Soranos nur durch
eine gemeinsame Quelle verbunden ist, wirkt unwahrscheinlich. Auch
wenn der für uns interessante aitiologische Teil kein Auszug aus Soranos
ist, so ist Soranos doch eine Quelle für den Anonymus, was für unsere
Zwecke hinreichend ist 247.

6. Zur Rekonstruktion einer Quelle des Soranos

Weiter oben haben wir beobachtet, wie Soranos zugunsten der materialis-
tischen Psychologie die Argumente Kleanthes’ und Chrysipps im Rahmen
der Beweisführung der Körperlichkeit der Seele anführte. Diese Argumen-
te stimmen genau mit dem Text des Nemesios überein, und dass sie dort
in einer anderen Reihenfolge auftreten, stellt kein großes Problem dar.
Folglich bleibt die Hypothese H. Dörries (1959, 132) weiterhin gültig:
»Die peripatetische Parallele (bei gleicher Reihenfolge, aber ohne Nen-
nung von Namen), findet sich bei Alexander de anima mant. 117, 1 – 118, 4.
Diese zeitlich vor Nemesios liegenden Parallelen erweisen: Nemesios hat
diese drei Argumente nicht selbst zusammengestellt, sondern die platoni-
sche wie die peripatetische Schultradition bot dies als ein dreigeteiltes
Lehrstück. Nemesios hat es recht geschickt an dieser Stelle eingefügt, wo
es die beabsichtigte Gliederung am wenigsten stört«.
Diese Quelle des Nemesios, welche die Schulargumente überliefert
(und nicht Porphyrios sein kann), wird von Dörrie auf folgende Weise
beschrieben (1959, 121ff.): (a) es handle sich um ein Werk, das zahlreiche
doxographische Materialien enthalten habe: »eine Zusammenstellung, die
der Doxographie bei Areios Didymos sehr ähnlich, mit ihr aber nicht
identisch war«; (b) diese Quelle habe unter dem Einfluss der Akademie
des Karneades gestanden, was aus der eher polemischen als konstruktiven
Tendenz der Argumente abzuleiten sei; (c) sie biete eine mittelplatonische
Definition der Seele als »unkörperliche Substanz«; (d) die kompakte Struk-
tur und die kompetente Diskussion philosophischer Fragestellungen (auch
auf Gebieten, die nicht von der eigenen Schule behandelt wurden) »lassen
vermuten, dass dem Nemesios eine erstrangige Quelle zur Verfügung
_____________
der Zuschreibung an Soranos war Fuchs 1900; vgl. hierzu auch Garofalo 1997,
XI, wobei auf die Soranosfrage nicht hingewiesen wird.
246 Zu diesen Übereinstimmungen vgl. Wellmann 1901, 143.
247 Vgl. auch den Artikel I. Garofalos in Leven 2005, 54: »zeigt aber Sympathie für
die Empiriker und inhaltliche Ähnlichkeiten mit Soran«; Mansfeld 1990, 3104:
»Anonymus Fuchsii, which likewise is believed to derive from Soranus«.
104 Einleitung

stand«; (e) die Quelle gebe keine Hinweise auf die platonische Schule; (f)
das dem Nemesios zur Verfügung stehende Handbuch versuche, sich
vom immanentistischen Peripatos zu distanzieren.
Ein Werk, das über ein solches Profil verfügt, scheint schon auf den
ersten Blick für das Verständnis der Quellen des Soranos interessant zu
sein: die in Wortlaut und Umfang sehr parallel gestalteten Passagen bei
Tertullian und Nemesios scheinen die Existenz eines gemeinsamen ›Liefe-
ranten‹ zu suggerieren, der in T 2 (An. 5, 4ff.) die bereits zusammengefass-
ten stoischen Argumente übermittelt hat. Soranos und Nemesios sind
nicht nur an dieser Stelle durch nicht unbedeutende Argumente miteinan-
der verbunden; im Folgenden führen wir die Parallelen zwischen beiden
Autoren an:
(a) Nemes. De nat. hom. 67, p. 16, 1-21: ȮȳȫȿɂȷȯȽȫȳ ȼɀȯȮ'ȷ ʶąȫȼȳ ȽȹȻ
ąȫȵȫȳȹȻ ( ąȯȺ ȽȻ ɁȾɀȻ ȵ&ȭȹȻ. ȕȱȶ&ȴȺȳȽȹȻ ȶ ȷ ȭ Ⱥ ȴȫ ϶ąɅȴȹȾȺȹȻ ȴȫ
ą˦ȷ Ƚ' ȽHȷ ȢȽɂȳȴHȷ ȿȳȵȹȼџȿɂȷ ȼѠȼȽȱȶȫ ȼHȶȫ Ƚȷ ɁȾɀȷ ʱąȹȿȫɅȷȹȷȽȫȳ,
ȴȫ ȫ3Ƚȹ Ȯ ȹ:Ƚȹȳ ȹ ȼHȶȫ Ƚȷ ɁȾɀȷ ʱąȹȿȫȳȷџȶȯȷȹȳ ȮȳȫȿɃȺȹȷȽȫȳ ąȯȺ ȽȻ
ȹ3ȼɅȫȻ ȫ3ȽȻ· ȹ ȶ ȷ ȭ Ⱥ ȢȽɂȳȴȹ ąȷȯ8ȶȫ ȵɃȭȹȾȼȳȷ ȫ3Ƚȷ ʿȷȲȯȺȶȹȷ ȴȫ
ȮȳȪąȾȺȹȷ, țȺȳȽɅȫȻ Ȯ ȫ ȶȫ, Љąąɂȷ Ȯ ( ȿȳȵџȼȹȿȹȻ 4ȮɂȺ, ȕȱȶџȴȺȳȽȹȻ Ȯ ą8Ⱥ
(Ƚ ȭ Ⱥ ȼȿȫȳȺȹȯȳȮ ȼɀɄȶȫȽȫ ȽHȷ ʱȽџȶɂȷ ȼȾȭȴȳȺȷȪȶȯȷȫ, ą8Ⱥ Ƚȯ ȴȫ ʱɄȺ,
ɁȾɀȷ ʱąȹȽȯȵȯ). ϽȺȪȴȵȯȳȽȹȻ Ȯ Ƚȷ ȶ ȷ Ƚȹ8 ąȫȷȽ'Ȼ ɁȾɀȷ ʱȷȫȲȾȶɅȫȼȳȷ ȴ
ȽHȷ 2ȭȺHȷ, Ƚȷ Ȯ ȷ ȽȹȻ ȰMȹȳȻ ʱąџ Ƚȯ ȽȻ ȴȽ'Ȼ ȴȫ ȽȻ ȷ ȫ3ȽȹȻ
ʱȷȫȲȾȶȳȪȼȯɂȻ (ȶȹȭȯȷ ąȯȿȾȴɃȷȫȳ ~ T 2 (Tert. An. 5, 2): nec illos dico solos
qui eam de manifestis corporalibus effingunt, ut Hipparchus et Heraclitus ex
igni, ut Hippon et Thales ex aqua, ut Empedocles et Critias ex sanguine, ut
Epicurus ex atomis (si et atomi corpulentias de coitu suo cogunt), ut Crito-
laus et Peripatetici eius ex quinta nescio qua substantia (si et illa corpus, quia
corpora includit), sed etiam Stoicos allego, qui spiritum praedicantes animam
paene nobiscum, qua proxima inter se flatus et spiritus, tamen corpus ani-
mam facile persuadebunt.
(b) Nemes. De nat. hom. 72, pp. 18, 22 – 19, 2 Morani:ȱ ʿȽȳ ą˦ȷ ȼHȶȫ ˅Ƚȹȳ
ʿȸɂȲȯȷ ȴȳȷȯȽȫȳ ˃ ʿȷȮȹȲȯȷ· ʱȵȵ’ ȯ ȶ ȷ ʿȸɂȲȯȷ, ʵɁȾɀȹȷ ʿȼȽȫȳ· ȯ Ȯ ʿȷȮȹȲȯȷ,
ʿȶɁȾɀȹȷ. ȯ Ȯ ȼHȶȫ ˂ ɁȾɀɄ, ȯ ȶ ȷ ʿȸɂȲȯȷ ȴȳȷȹȽȹ, ʵɁȾɀџȻ ȼȽȳȷ· ȯ Ȯ
ʿȷȮȹȲȯȷ, ʿȶɁȾɀȹȻ· ʵȽȹąȹȷ Ȯ ȴȫ Ƚ' ʵɁȾɀȹȷ ȴȫ Ƚ' ʿȶɁȾɀȹȷ ȵɃȭȯȳȷ Ƚȷ
ɁȾɀɄȷ· ȹ3ȴ ʵȺȫ ȼHȶȫ ˂ ɁȾɀɄȱ~ T 35 (Tert. An. 6, 1): haec Platonici subtili-
tate potius quam veritate conturbant. Omne, inquiunt, corpus aut animale sit
necesse est aut inanimale. Et si quidem inanimale est, extrinsecus movebitur,
si vero animale, intrinsecus. Anima autem nec extrinsecus movebitur, ut quae
non sit inanimalis, nec intrinsecus, ut quae ipsa potius moveat corpus. Itaque
non videri eam corpus, quae non corporalium forma ex aliqua regione move-
atur. ȱ
(c) Nemes., De nat. hom. 72 p. 19 Morani (Xenokrates, fr. 203 Isnardi-Parente =
Numenios, fr. 4 b des Places) ~ T 3 = An. 6, 6; vgl. die Einleitung, 73.
(d) Nemes. De nat. hom. 76-79, pp. 20-21 Morani; Ibid., 81 p. 22 (SVF I, 518 und
SVF II, 790) ~ T 2 (Tert. An. 5, 4-6), vgl. die Einleitung, 70-71.
(e) Nemes. De nat. hom. 187-188 p. 62, 10-19: ąȹȽ Ȯ ȴȫȲ’ ʼȫȾȽȷ ȷȫȺȭHȻ
ąȫȺɅȼȽȱȼȳ Ƚ ȿȫȳȷџȶȯȷȫ *Ƚȫȷ ȶ ąџȺȺɂȲȯȷ (Ⱥ˧· Ƚ'ȷ ȭȹ8ȷ ąѠȺȭȹȷ Ƚ'ȷ
Zur Rekonstruktion einer Quelle des Soranos 105

ȽȯȽȺȪȭɂȷȹȷ ȼȽȺȹȭȭѠȵȹȷ (Ⱥ˧ ąџȺȺɂȲȯȷ· ȼȿȪȵȵȯȽȫȳ Ȯ ȴȫ *Ƚȫȷ Ȯȳ’ ʱɀȵѠȹȻ


˃ ȴȫąȷȹ8 ȬȵɃąɂȶȯȷ ˅ ȽȳȷȹȻ ȽHȷ ąȫȺȫąȵȱȼɅɂȷ ȽHȷ ąȳȲȹȵȹѠȷȽɂȷ Ƚȷ ,Ɂȳȷ.
(ȶȹɅɂȻ ȴȫ *Ƚȫȷ Ȯȳ’ 4ȮȫȽȹȻ ȴȳȷȹȾȶɃȷȹȾ (ȴȫ ȭ Ⱥ ȷ Ƚ ȲȫȵȪȼȼ Ƚȷ ȴѡąȱȷ
BȻ ȴȯȴȵȫȼȶɃȷȱȷ (Ⱥ˧) (ȶȹɅɂȻ ȴȫ *Ƚȫȷ ȮȳȪ ȽȳȷȹȻ Ȯȳȫȿȫȷȹ8Ȼ 4ȵȱȻ ȬȵɃą, BȻ
ą ȽHȷ ȼџąȽȺɂȷ ȴȫ ȽȻ 2ɃȵȹȾ ȴȫ ȽHȷ ʵȵȵɂȷ ȽHȷ ȽȹȳȹȾȽȹȽȺџąɂȷ· ˃
*Ƚȫȷ )ȸɃɂȻ ȴȳȷȽȫȳ Ƚ' (Ⱥѡȶȯȷȹȷ· ȼȾȷȽȫȺȪȼȼȯȳ ȭ Ⱥ Ƚȷ ,Ɂȳȷ ˂ Ƚȫɀȯȫ
ȴɅȷȱȼȳȻ, BȻ ȼȽȺȹȭȭѠȵȫ Ƚ ȶ ȼȽȺȹȭȭѠȵȫ ȬȵɃąȯȳȷ ȴȫ BȻ ʼȼȽHȽȫ Ƚ
ȴȳȷȹѠȶȯȷȫ ~ T 14 (Tert. An. 17, 2): itaque mendacium visui obicitur, quod
remos in aqua inflexos vel infractos adseverat adversus conscientiam integri-
tatis, quod turrem quadrangulatam de longinquo rotundam persuadeat, quod
aequalissimam porticum angustiorem in ultimo infamet, quod caelum tanta
sublimitate suspensum mari iungat.
Nehmen wir jetzt diese Textpassagen in Augenschein: die Stelle (a) dürfte
an sich kein entscheidendes Element sein, da der doxographische Inhalt
auch anderen lehrbuchartigen Schriften entnommen sein könnte; die aus
anderen Gründen anzunehmende Existenz einer gemeinsamen Quelle
scheint allerdings auch in diesem Fall die einfachste Lösung zu sein. Die
Reihenfolge, in welcher die Zeugnisse auftreten, ist verändert, was auf eine
Umordnung durch Soranos hinweist, die er aufgrund seiner Argumentati-
onsgewohnheiten vornahm. Die Stoiker nehmen bei Nemesios den ersten
Platz ein, stehen allerdings in der Liste des Soranos am Ende: dies verrät
eine Umarbeitung durch den Arzt, der stets die von ihm geteilte Meinung
am Ende der Liste anführt. Die verschiedenen Stellungnahmen werden in
den beiden Listen nach einem scholastischen Kriterium katalogisiert (das
man noch heute beobachten kann), welches die Namen der Vorsokratiker
mit dem Element verbindet, das sie als Urstoff annahmen, wobei jedem
Vorsokratiker immer nur ein Element zugeordnet wird und umgekehrt.
Das Feuer ist allerdings bei Tertullian-Soranos mit Hipparch und Heraklit
verbunden, bei Nemesios mit Demokrit; Hippons Name wird bei beiden
im Zusammenhang mit dem Wasser genannt, der des Thales fehlt bei
Nemesios; auch im Falle der Definition der Seele als Blut erscheint bei
beiden der Name des Kritias, bei Nemesios fehlt der des Empedokles
(wurde er von Soranos hinzugefügt?); Epikur ist in beiden Listen zu fin-
den, aber bei Nemesios findet sich nur die allgemeine Zuordnung zum
Materialismus, während Tertullian konkreter wird und von Atomen
spricht.
Von anderer Art und größerer Bedeutung ist Zeugnis (b): trotz der
Umarbeitung des Gedankengangs durch Tertullian kann die Ähnlichkeit
nicht zufällig sein; zudem sind keine weiteren Parallelen für diesen Syllo-
gismus zu finden, der in der ursprünglichen Form bei Nemesios überlie-
fert zu werden scheint (vgl. den Kommentar hierzu).
Deutlich ist schon auf den ersten Blick die platonische Orientierung dieser Quel-
le, deren eindeutiger Bezugspunkt Phaedr. 245 e 4ff. ist: ą˦ȷ ȭ Ⱥ ȼHȶȫ ˠ ȶ ȷ
106 Einleitung

ʿȸɂȲȯȷ Ƚ' ȴȳȷȯȼȲȫȳ, ʵɁȾɀȹȷ, ˠ Ȯ ʿȷȮȹȲȯȷ ȫ3ȽN ȸ ȫ2Ƚȹ8 ʿȶɁȾɀȹȷ; vgl. Tim.
34 a; 43 b; zur Rezeption dieses platonischen Arguments vgl. Atticus fr. 8 des
Places: (Eus. Praep. Ev. 15, 12): *Ƚȳ ȽȹȻ ȴȳȷȹȾȶ ȷȹȳȻ ʶąȫȼȳ ʱȺɀ ȴȫ ąȱȭ ȽȻ
ȴȳȷȼȯɂȻ ˂ ɁȾɀ; Apul. De Platone 1, 9, 199 p. 97, 16 Moreschini: animam vero
animantium omnium non esse corpoream nec sane perituram… ipsamque sem-
per et per se moveri, agitatricem aliorum quae natura sui immota sunt atque pigra;
Diog. Laert. 3, 67: ȫ3ȽȹȴȷȱȽџȷ Ƚȯ ȯȷȫȳ ȴȫ ȽȺȳȶȯȺ.
Der Syllogismus wird an dieser Stelle von den Platonikern in entgegenge-
setzter Richtung angewandt: ausgehend von der Voraussetzung, die Seele
sei ȫ3ȽȹȴȷȱȽȹȻ und unsterblich, gehen die Platoniker ausschlussweise
vor: die Seele kann weder von außen noch von innen bewegt werden, also
auf keinen Fall ein Körper sein.
Ausgangspunkt dieser Argumente ist zweifellos der platonische Text;
die daraus entommenen Materialien scheinen allerdings auf der Basis einer
logischen Syntax nach aristotelischem Muster angeordnet worden zu sein.
Ebenfalls eindeutig ist der Bezugspunkt des Zeugnisses (c), in wel-
chem ein weiterer Syllogismus überliefert wird, den eine schwer verständ-
liche Stelle des Nemesios-Textes Xenokrates zuschreibt (vgl. oben, 73).
Diese Zuweisung ist neben dem inhaltlichen Problem dadurch erschwert,
dass auch Nemesios keinen direkten Zugang zum Text des dritten Schul-
leiters hatte; das Argument des Xenokrates scheint also von Ammonios
oder Numenios vermittelt worden zu sein 248. Dieser Umstand lässt den
Schluss zu, dass Soranos dieses Argument im alexandrinischen Milieu
kennengelernt hat, wo mit großer Wahrscheinlichkeit auch diese Quelle zu
lokalisieren ist. Neben der Verwendung des peripatetischen Syllogismus
greift diese Quelle platonische Materialien auf; diese werden zugunsten
einer Dichotomie sinnlich wahrnehmbar/ intelligibel angeführt, wobei die
zwei Welten voneinander entschieden getrennt, aber letztlich analog und
spiegelbildlich konzipiert sind.
Neben der bereits oben betrachteten Textpassage (d) finden wir in (e)
einen weiteren problematischen Berührungspunkt zwischen Soranos und
dem Skeptizismus. Die betreffende Stelle steht mit der Auflistung der
skeptischen Tropoi in Zusammenhang, die Sextus Empiricus in Bezug auf
die ʱȺɀȫȳџȽȯȺȹȳ ȼȴȯąȽȳȴȹ anführt. Es handelt sich um die Tropoi über
die Unzuverlässigkeit der Sinneswahrnehmung; meines Wissens konzent-
rierten sich die späteren Skeptiker (unter ihnen Ainesidemos) nicht auf das
Problem der Sinneswahrnehmung, sondern auf das der Richtigkeit logi-
scher Verfahren (vor allem auf das Verhältnis zwischen Ursache und Wir-
_____________
248 Diese Stelle wurde als Numenios, fr. 4 b in die Textsammlung von des Places
aufgenommen; Nemesios selbst bestätigt, dass das Material ursprünglich von
Numenios und Ammonios stammt, vgl. 70, p. 17, 17 Morani; vgl. auch oben,
76ff.
Zur Rekonstruktion einer Quelle des Soranos 107

kung) 249. In jedem Fall ist bei Nemesios kein Bezug auf Ainesidemos und
die Tropoi zu finden, die nach Sextus Empiricus dem Philosophen aus
Knossos zuzuschreiben sind: dies führt zu der Annahme, dass die mittel-
platonische Quelle von Nemesios und Soranos den neuen, in den letzten
Jahren der republikanischen Zeit entstandenen Skeptizismus nicht ken-
nengelernt hatte.
Dies dürfte mit dem schon von Dörrie bemerkten Charakteristikum
übereinstimmen, das unsere Quelle mit der skeptischen Akademie des
Karneades verbindet; somit erschließt sich uns ein weiterer Aspekt der
von unserem Arzt benutzten Quelle, in der doxographische Gelehrsam-
keit, platonische Argumente und skeptische Tropoi bereits miteinander
vereint waren. Zur Bestätigung der Hypothese, dass die Doxographie
bereits mit skeptischen Elementen durchsetzt war (d.h. diese nicht von
Ainesidemos eingearbeitet wurden), kann man auch die Meinung J. Mans-
felds anführen: die Placita seien in einer durch ein Mitglied der skeptischen
Akademie unter Arkesilaos ›neubearbeiteten Auflage‹ veröffentlicht wor-
den: »I shall argue that the compilation used by Chrysippus was of Skepti-
cal provenance and so must have originated in the Academy of Arcesilaus,
i.e. among the latter’s pupils« 250. Andererseits sind skeptische Materialien
auch bei Aëtios überliefert: vgl. 3, 5, 5 p. 372 Diels: Ȯȳ' ȴȫ Ƚȷ ȴѡąȱȷ ȷ
Ƚ Ȳȫȵ ȼȼ ȶȫȴȺ&Ȳȯȷ ȴȫȶąȽȹȶ ȷȱȷ (ȺHȶȯȷ.
Zwei Punkte sind noch ungeklärt: (1): war die Vorlage des Soranos
wirklich dieselbe wie die des Nemesios, oder ist eine Zwischenquelle an-
zunehmen? Daraus ergibt sich Frage (2): die Soranos und Nemesios ge-
meinsame Quelle vereinte Doxographie und Skeptizismus gegenüber der
Sinneswahrnehmung, wahrscheinlich ohne Bezug auf den entweder skep-
tischen oder herakliteischen Ainesidemos: wurden diese Bezüge von Sora-
nos selbst eingefügt, oder standen sie bereits in seiner Vorlage?
Weiter oben hatten wir auch die These H. Dörries angeführt: trotz des
Einflusses der skeptischen Akademie konnte die Soranos und Nemesios
gemeinsame Quelle auch konstruktive Argumente aufstellen, die der mit-
telplatonischen Philosophie folgten. Dies lässt sich durch die Renaissance
der platonischen Philosophie während der vermutlichen Entstehungszeit
der Quelle erklären (d.h. zwischen dem 1. Jh. v.Chr. und dem 1. Jh.

_____________
249 Vgl. Pyrrh. Hyp. 1, 36 p. 12, 22 Mutschmann: ąȫȺȫȮɅȮȹȷȽȫȳ ȽȹȷȾȷ ȼȾȷɄȲɂȻ
ąȫȺ ȽȹȻ ʱȺɀȫȳȹȽ ȺȹȳȻ ȼȴȯąȽȳȴȹȻ ȽȺџąȹȳ ȮȳP Jȷ ˂ ąȹɀ ȼȾȷ ȭȯȼȲȫȳ Ȯȹȴȯ,
dagegen 1, 164 p. 41, 5: ȹ Ȯ ȷȯѡȽȯȺȹȳ ȼȴȯąȽȳȴȹ ąȫȺȫȮȳȮ&ȫȼȳ ȽȺџąȹȾȻ ȽȻ
ąȹɀȻ ą ȷȽȯ Ƚȹ0ȼȮȯ; dazu 1, 180 p. 45, 1: ȴȫ Ȯ ȒȷȱȼɅȮȱȶȹȻ )ȴȽA ȽȺџąȹȾȻ
ąȫȺȫȮɅȮɂȼȳ ȴȫȲ’ ȹ5Ȼ ȹȯȽȫȳ ą˦ȼȫȷ ȮȹȭȶȫȽȳȴȷ ȫȽȳȹȵȹȭɅȫȷ BȻ ȶȹɀȲȱȺ ȷ
ȵɃȭɀɂȷ ʱąȹȿɄȷȫȼȲȫȳ.
250 Vgl. Mansfeld 1990, 3062; vgl. auch 3121.
108 Einleitung

n.Chr.) 251. Aufgrund dieser Tatsache müssen wir auch die geistige Unab-
hängigkeit unseres Arztes konstatieren. Auch wenn er ein entschlossener
Vertreter der materialistischen hellenistischen Immanenzpsychologie war,
so dürfte er auch ein Werk der platonischen Schule herangezogen haben,
ohne sich von diesem beeinflussen zu lassen. Interessant ist auch, was aus
Punkt (d) zu erschließen ist, wo Soranos seiner Quelle die drei stoischen
Argumente zugunsten der Körperlichkeit der Seele entnimmt, wobei sie
mit großer Wahrscheinlichkeit in polemischer Absicht zitiert worden wa-
ren. An dieser Stelle scheint der Arzt im konstruktiven Sinne auch auf
Beweisführungen zurückzugreifen, die seine Vorlage verwarf. Die Absicht
des Soranos erweist sich als eine Reaktion gegen die wieder auflebende
platonische Transzendenzphilosophie; diese Reaktion schließt auch keinen
›Vatermord‹ aus, d.h. die Benutzung der in der Quelle vorhandenden Ar-
gumente gegen die Quelle selbst.

_____________
251 Zum archaischen Charakter dieser Quelle und einer möglichen Datierung vgl.
Dörrie 1959, 126ff.
Conspectus siglorum

A = Agobardinus (Paris, Bibliothèque Nationale, Lat. 1622, IX saec., ff.


118 v – 166 r).
B = ed. Martini Mesnart, Parisii 1545.
Bmg. = lectiones quae in marginibus B adnotantur.
Gel = ed. Sigismundi Gelenii, Basileae 1550.
Kroymann = Ae. Kroymann, Quaestiones Tertullianeae criticae, Innsbruck
1893.
Pam. = ed. Iacobi Pamelii, Antverpiae 1579.
Rig. = ed. Nicolai Rigaltii, Lutetiae 1634.
La Cerda = ed. Ludovici La Cerda, Parisii 1630.
Lat. = Latini Latinii, Bibliotheca sacra et profana, a Dominico Macro Melitensi
nunc primum e biblioteca Brancaccia in lucem edita, Romae 1677.
Reifferscheid = ed. Aug. Reifferscheid, CSEL 20, Vindobonae 1890.
Iunius = notae Francisci Iunii editioni in margine Pamelianae iteratae
(Franekerae 1597).
Urs. = Fulvii Ursini lectiones adservatae a Ioa. A Wouwer, Ad Q. Septimii
Florentis Tertulliani opera emendationes epidicticae, Francofurti 1603.
Testimonia

1 — Tert. An. 2, 6. Sed et medicinam inspexi, sororem, ut aiunt, philoso-


phiae, sibi quoque hoc negotium vindicantem. Quidni? ad quam1 magis
animae ratio pertinere videatur per corporis curam. Unde et plurimum
sorori refragatur, quod animam quasi coram in domicilio suo tractando
magis norit. Sed viderit utriusque praestantiae ambitio. Habuit et philoso-
phia libertatem ingenii et medicina necessitatem artificii ad extendendos de
anima retractatus: late quaeruntur incerta, latius disputantur praesumpta.
Quanta difficultas probandi, tanta operositas suadendi, ut merito Heracli-
tus ille tenebrosus vastiores caligines animadvertens apud examinatores
animae taedio quaestionum pronuntiarit terminos animae nequaquam
invenisse2 omnem viam ingrediendo3.
1 Quidni? ad quam Thörnell 1918-1926, III, 31; Quidem, ad quam B; ut ad quam Ge-

lenius; quippe ad quam Reifferscheid et alii alia || 2 invenisse Gelenius; inveniens B; invenies
Reifferscheid || 3 ingrediendo: ingrediens B.

2 — Tert. An. 5, 1-6. Accerserit1 Eubulum aliquem et Critolaum et Xe-


nocraten et isto in loco amicum Platonis Aristotelen. Fortassean2 extruen-
tur magis ad auferendam animae corpulentiam, si non alios e contrario
inspexerint, et quidem plures, corpus animae vindicantes. 2. Nec illos dico
solos qui eam de manifestis corporalibus effingunt, ut Hipparchus3 et
Heraclitus ex igni, ut Hippon et Thales ex aqua, ut Empedocles et Critias
ex sanguine, ut Epicurus ex atomis (si et atomi corpulentias de coitu suo
cogunt), ut Critolaus et Peripatetici eius ex quinta nescio qua substantia (si
et illa corpus, quia corpora includit), sed etiam Stoicos allego, qui spiritum
praedicantes animam paene nobiscum, qua proxima inter se flatus et spiri-
tus, tamen corpus animam facile persuadebunt. 3. Denique Zeno consi-
tum spiritum definiens animam hoc modo instruit. Quo, inquit, digresso
animal emoritur, corpus est4; consito autem spiritu digresso animal emo-
ritur, ergo consitus spiritus corpus5 est6; ergo corpus est anima. 4. Vult et
Cleanthes non solum corporis lineamentis, sed et animae notis similitudi-
nem parentibus in filiis7 respondere, de speculo scilicet morum et ingen-
iorum et adfectuum, corporis autem similitudinem et dissimilitudinem
capere et animam, itaque corpus similitudini vel dissimilitudini obnoxium.
5. Item corporalium et incorporalium passiones inter se non commu-
nicare; porro et animam compati corpori, cui laeso ictibus vulneribus ul-
112 Testimonia

ceribus condolescit, et corpus animae, cui afflictae cura angore amore


coaegrescit8 per detrimentum socii9 vigoris, cuius pudorem et pavorem
rubore atque pallore testetur. Igitur anima corpus ex corporalium pas-
sionum communione. 6. Sed et Chrysippus manum ei porrigit constituens
corporalia ab incorporalibus derelinqui omnino non posse, quia nec con-
tingantur ab eis {(unde et Lucretius: »Tangere enim et tangi nisi corpus
nulla potest res«)}, derelicto autem corpore ab anima affici morte. Igitur
corpus anima, quae nisi corporalis10 corpus non derelinquet11.
1 accerserit: accerserint Iunius || 2 Aristotelen. Fortassean Ciacconius; Aristotelem for-
tasse an B; Aristotelem fortasse. An Gelenius; Aristotelen fortasse an Urs. || 3 Hip-
parchus: Hippasus susp. Iunius || 4 corpus: anima Gomperz 1895, 62 ||5 corpus: anima
Gomperz || 6 est: est; consitus autem spiritus corpus est Gomperz|| 7 filiis: Iunius; filios
B Gelenius; filios, respondere de speculo distinxit Hartel 1890, 51 || 8 coaegrescit Lat.;
cohaerescit B Gelenius || 9 socii Gelenius; societ B; scilicet Urs. || 10 quae nisi corporalis
Gelenius; quam si corporali B; a qua nisi corporali Kroymann 1893, 102 || 11 derelinquet
Gelenius; derelinquet. Videntur B; derelinqueret Pam.; derelinquere videretur Hartel ap.
Reifferscheid; derelinqueret, videtur Reifferscheid; derelinqueretur Kroymann 1893, 102.

3 — Tert. An. 6, 6-7 ~ 38, 3.


[a] 6, 6-7. De insignioribus argumentationibus erit etiam illa, quod
omne corpus corporalibus ali iudicant1, animam vero, ut incorporalem,
incorporalibus, sapientiae scilicet studiis. Sed nec hic gradus stabit etiam
Sorano methodicae medicinae instructissimo auctore respondente animam
corporalibus quoque ali, denique deficientem a2 cibo plerumque fulciri.
Quidni? quo adempto in totum dilabitur ex corpore. Ita etiam3 ipse Sora-
nus plenissime super anima commentatus quattuor voluminibus et cum
omnibus philosophorum sententiis expertus corporalem animae substan-
tiam vindicat, etsi illam immortalitate fraudavit.{Non enim omnium est
credere quod Christianorum est}. 7. Sicut ergo Soranus ipse rebus ostendit
animam corporalibus ali, proinde4 et philosophus exhibeat illam incorpo-
ralibus5 pasci. Sed nemo unquam cunctanti de exitu animae mulsam
aquam de eloquio Platonis infudit aut micas de minutiloquio6 Aristotelis
infersit7.
[b] 38, 3. Auferenda est enim argumentatoris occasio, qui quod anima
desiderare videatur alimenta, hinc quoque mortalem eam intellegi cupit,
quae cibis sustineatur, denique derogatis eis evigescat, postremo subtractis
intercidat.
1 ali iudicant Gelenius; adiucant B || 2 deficientem a Gelenius; deficiente in ea B; defi-
cientem eam Urs. || 3 etiam: et ne B || 4 proinde: perinde Reifferscheid || 5 incorpora-
libus: ita corporalibus B || 6 de minutiloquio: deminuti loquio A; de multiloquio B ||
7 infersit: intersit B Gelenius.
Testimonia 113

4 — Tert. An. 8, 3 ~ Anon. Lond. 31, 25 – 32, 26.


[a] 8, 3. Aiunt enim et idcirco animam incorporalem renuntiandam,
quia digressa ea graviora efficiantur corpora defunctorum, cum leviora
esse deberent, unius corporis pondere exempto, si anima corpus. Quid
enim, inquit Soranus, si mare negent corpus, quia extra mare immobilis et
gravis navis efficitur? Quanto ergo validius corpus animae, quod tanti
postea ponderis corpus1 levissima mobilitate circumfert!
1 animae… corpus om. A.
[b] Anon. Lond. 31, 25 – 32, 26 Diels.
ą(Ⱥ'Ȼ) ȽȹѠȽȹȾȻ Ƚȹ1Ȼ 25
ȵџȭȹȾȻ ʱȷȽȳȿɃȺȹȷȽȫȳ ȹ ϶ȶ(ąȯȳȺȳȴȹ) ȵɃȭȹȷȽȯȻ· »ȹ3ȴ ȯ
Ƚȳ ʱąџ ȽȳȷȹȻ ʱȿȫȳȺȯȽȫȳ, ȴȯȷȹ )ȿȯɅȵȯȳ ȴȹ8-
ȿȹȷ ȭɅ(ȷȯȼȲȫȳ), ȹ3Ȯ’ ȯ ȽɅ Ƚȳȷȳ ąȺȹȼȽɅȲȯȽȫȳ, ȴȯȷȹ ȬȫȺѠ-
ȽȯȺȹȷ ȭɅ(ȷȯȽȫȳ), ʱȵǽȵǽ’ (ʿȼȽȳȷ) *ǽȽǽȯǽ ą(Ⱥȹȼ)ȲɃȼȯɂȻ ȭȳȷȹȶɃȷȱȻ Ƚ'
2ąȹȴȯɅȶȯȷȹȷ ȴ(ȫȽȫ)ȼȴȯȾȪȰȯȽȫȳ ȴȹȾȿџ<ȽȯȺȹ>ȷ, (ʿȼȽȳȷ) Ȯ’ *Ƚȯ 30
ȴȫ ʱȿȫȳȺɃȼȯɂȻ ȭȯȷȹȶɃȷȱȻ Ƚ' 2ąȹȴȯɅȶȯȷ(ȹȷ)
ȭɅ(ȷȯȽȫȳ) ȬȫȺѠȽȯȺȹȷ BȻ ą ȽHȷ ʱȼȴHȷ ȴȫ ą Ƚ(Hȷ)
ȽǽȯȽȯȵȯȾȽȱȴџȽ(ɂȷ) Ȱѡȳɂȷ ȴȫ ʱȷǽȲǽɃɂȷ«. ** ȴȫ ȫȃ
[ȶ( ȷ) Ƚ]ȹ8 ʱȼȴǽȹǽ8 2ąȹȶȳȶȷɄȼȴȹȾȼȳȷ· »( ʱȼȴ'Ȼ
[ȭȯȷџȶ(ȯȷ)]ȹǽȻǽ ɀɂȺȻ ąȷȯѠȶȫȽȹȻ ȬȫȺѠȽȯȺџȻ (ȼȽȳȷ), ąȵȱȺɂ(ȲȯȻ) 35
[Ȯ ąȷȯ]ѠȶȫȽȹȻ ȴȹȾȿџȽȯȺȹȻ ȭɅ(ȷȯȽȫȳ). ȴȫ Ƚ ȰHȳȫ
[ȴ Ȭ Ƚ]ȹǽѠȽ(ɂȷ) ȼȾȷɃȼȽȱȴȯȷ, ɁȾɀȻ Ƚȯ ȴȫ ȼѡȶȫȽȹ(Ȼ),
[ȴȫ *Ƚȯ] ȶ( ȷ) ʱȶȿџȽȯȺȫ Ƚȫ8Ƚȫ ąȪȺ(ȯȼȽȳȷ), ȴȹȾȿџȽ<ȯȺџ>ȷǽ (ȼȽȳȷ)
[Ƚ' ȰH]ȳȹȷ, *Ƚȯ Ȯ ʱȿȫȷɅȰȯȽȫȳ ʱą' Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹ(Ȼ)
[˂ ɁȾɀɄ,] ȬȫȺѠȽȯȺȹȷ ȭɅ(ȷȯȽȫȳ) Ƚ' ȼHȶȫ«. * »ȴȫ ȶɄȷ, ȿ(ȫȼɅȷ), 40
[*Ƚȳ] (ʿǽȼǽȽǽȳǽȷǽ) ȼHȶȫ ˂ ɁȾɀɄ, ȹ ąȵȯɅȹȾȻ Ƚ(Hȷ) ȿȳȵȹȼџȿɂȷ
[ȵɃȭ]ȹȾȼȳ. ȴȫ ʱȼѡȶȫȽȹȷ Ȯ ȫ3Ƚȷ ʱąȹȵȯɅ-
[ąȹȷ]ȽǽȯǽȻǽ ȹǽ3ǽȼɅȫȷ ˅ Ƚȳȷȫ ȫ3Ƚȷ ʿɀȯȳȷ ʿȿ(ȫȼȫȷ), ϡBȻ ˂ ȲȾȺȻ ʱȿȫȳ- 43a
ȺɃȼȯȳ ȶ<ȯ>ɅȰ(ɂȷ) ȭɅ(ȷȯȽȫȳ), ąȺȹȼȲɃȼȯȳ Ȯ ȶȳȴȺȹȽɃȺȫϤ. 43b
[ȿȫ]ȷǽȯǽȺ'ȷ ȹ9ȷ Ƚȹȳȭ(ȪȺ)Ƚȹȳ ȴ Ƚ[ȹѠ]Ƚ(ɂȷ), BȻ ȴ(ȫȽ ) ʱȿȫɅȺȯȼȳ<ȷ> 44
[ȭɅ(ȷȯȽȫȳ)] ȬȫȺѠȽȱȻ ȴȫ ȴ(ȫȽ ) ą(Ⱥџȼ)Ȳȯȼȳȷ ȴȹȾȿџȽȱȻ, BǽȻǽ 2ąȯ- 45
[Ȯȯ]Ʌȸȫȶ(ȯȷ)«. ** ȵȯɅȫǽȷ Ȯǽ’ (ȼȽȷ) ȹ:ȽȹȻ ( ȵџ(ȭȹȻ) ȶ[ɂȺ]џǽȻǽ Ƚȯ
[ȴȫ ʱąȫȽ]ȱǽȽǽȳȴџȻ, BȻ ʱąȹȮȯɅȸȹȶȯȷ. [ȫȃ] ȶ( ȷ) ʱąȹ-
[ȮȯɅȸȹȶ(ȯȷ) ȹ4Ƚ]ɂȻ· Ƚȳȷ'Ȼ ȭ( Ⱥ) ʱȿȫȳȺɃȼ[ȯȳ] ȵɃȭȹȶ(Ƀȷ) Ƚȳȷȳ
[ą(Ⱥџȼ)Ȳȯȼȳȷ ȭɅ(ȷȯȼȲȫȳ), ʱȵ(ȵ )] ȹ3ɀ ȽȹѠȽȹȾ ȽȻ ą(Ⱥȹȼ)ȲɃȼȯɂȻ
[( ȫ3Ƚ'Ȼ ȵџȭ]ȹǽȻ· ą(Ⱥȹȼ)ȽɅȲȯȶȯȷ ȭ( Ⱥ) Ƚȳ ȲȾȺɅȮȳ, 50
[ʱȿȫȳȺȹ8ȶ(ȯȷ)] Ȯ Ƚȹ8 ȽȹɅɀȹȾ. ** ȯȽȫ ȴȫ [ą] ȽǽǽȻ
[Ɂ]Ⱦǽɀ[Ȼ Ȯȳ ȬȺȫɀ]Ƀǽɂǽȷǽ ȵɃȭȹȶȯȷ, BǽȻǽ ˂ ɁȾ[ɀ] ȫ(ȽɅȫ) (ȼȽȷ)
[ȭȳ(ȷȹȶɃȷȱ) ȽȻ ȴȹȾȿџ]ȽȱȽȹȻ ȴȫ [..]ȽǽȳǽȴǽȾǽȳǽȫǽȼǽȯǽ [....]
[........] ȽȻ ȴȹȾȿџȽȱȽȹȻ· [**] Ȯȳ’ ˄ȷ ȫȽɅȫȷ ąȫȺȹѠ- XXXII
114 Testimonia

ȼȱȻ ȶ( ȷ) ȽȻ ɁȾɀȻ [ȴȹ]8ȿ[џ]ȷ (ȼȽȳȷ) Ƚ' ȰHȳȹȷ, *Ƚǽȳ ȴȫ ąȷȯ8ȶ(ȫ)
˂ ɁȾɀɄ, Ƚ' Ȯ ąȷȯ8ȶȫ ȴȹ8ȿȹȷ Ƚȷ ȿѠȼȳȷ
ЖȽȹ ąȷȯ8ȶȫЗ. ąȷȯȾȶȫȽȳȴ Ȯ ȴȫ ˂ ɁȾɀɄ· ȽȹȳȫѠ-
ȽȱЖȳЗ Ȯ 2(ąȪȺɀȹȾȼȫ) ϡȯ3ȵǽџǽȭǽɂǽȻǽϤ ąȫȺȹ8ȼ[ȫ] ȶ( ȷ) [ȴȹ]8ȿȹȷ ąȫȺɃɀȯȳ
Ƚ' ȰHȳȹȷ,
ʱąȹ8ȼȫ Ȯ ȬȫȺѠȽȯȺȹȷ· * ȹ[4ȽɂȻ] ȭ( Ⱥ) 2ą' ȽȻ ɁȾɀ(Ȼ) 5
ȬȫȼȽȪȰȯȽȫȳ Ƚ' *ȵȹȷ ϡȼHȶ[ȫ]Ϥ. ȭǽɅǽ(ȷǽȯǽȽǽȫǽȳǽ) [Ȯ ...] ȵȯȭǽȯǽȳȷ Ƚȹ8Ƚȹ ȶ( ȷ)
ЖȫąȹȽ(ɂȷ)ȫǽȵ(ɂȷ)З ʱą' Ƚ(Hȷ) ʵȵȵɂǽ[ȷ ȮȾ(ȷȪȶȯɂȷ), ȫ]:ǽȽǽȫǽ[ȳ Ȯ ] ʱą'
Ƚ(Hȷ) ȴȯȳ-
ȷɄȼȯɂȷ. * ȴȯȳȷȯǽǽȽȫȳ ȭ( Ⱥ) Ƚ' *ȵȹȷ ȼHȶȫ ȽȻ
ɁȾɀȻ Ȯȳ Ƚȹ8 ȭȯѡȮȹȾȻ [ȴȫ ʱȯȺѡȮȹ]ȾȻ ȴȫ
ȮȳȫȬȫȼȽȫȰȹѠȼȱȻ ȫ3ȽȪ· ȹ4[ȽɂȻ ȴȯȷȹ ȽȯɅȷȯȽȫȳ] 10
ʵȷɂ· ȭȳȷȹȶɃȷȱ[Ȼ] ȭǽ( ǽȺǽ) ȫ3ȽȻ ȽȻ ɁȾɀȻ ȭɅ(ȷȯȽȫȳ)·
Ȯȳ' Ȯ ȴȫ .ȱ[Ƚ]Ƀǽȹȷ, *ǽȽǽȳǽ <ȹ3ɀ> *ǽȽǽȫȷ Ƚ[ȳȷ'Ȼ ȭɃȷȱ]Ƚȫȳ ą(Ⱥџȼ)-
ȲȯȼȳȻ, ȴȯȷȹ ȭɅ(ȷȯȽȫȳ) ȬȫȺѠȽȯȺȹȷ, ʱȵ(ȵ ) [ ȷ] ȬǽȫǽȺǽɃǽȹǽȻ ȽȳȷџȻ
Ƚȳȷȳ ȭɃȷȱȽȫȳ ą(Ⱥџȼ)ȲȯȼȳȻ, ȴȯ[ȷȹ ȭɅ(ȷȯȽȫȳ) ȬȫȺѠȽȯȺȹ]ȷ.
˂ Ȯ ɁȾɀ Ƚȹȼȹ8Ƚȹȷ [ʱą]Ƀɀȯ[ȳ Ƚȹ8 (ȯȷȫȳ)] ȬȫȺȯȫ, 15
DȼȽȯ ȴȫ Ƚ' ȿ0ȼȯȳ ȴ(ȫȽȫ)ȺǽȺǽ ǽąǽȹȷ ȴǽȹȾȿǽǽȰǽȯȳȷ ȴȫ
ȬȫȼȽȪȰȯȳȷ. Ƚȫ0ȽȱȻ ȹ9ȷ ąȫ[Ⱥ]ȹ0ȼȱȻ Ȯǽȯǽџȷ
ȽɂȻ ȴȹ8ȿǽџǽȷǽ (ǽȼǽȽǽȳǽȷǽ) Ƚ' ȰǽNǽȹǽȷǽ. *Ƚȫȷ ȶ ȷȽȹȳ ȭȯ ЖȫǽȿǽЗ
ʲȿȫȷȳȼȲ ˂ ɁȾɀ, ȽN ȶȱȴɃȽȳ ąȫȺȯȷȫȳ
Ƚ' ȴȹȾȿȰȹȷ ȶȱȮ ȫɂȺȹ8ȷ ȵǽȹǽȳǽą'ȷ ȬȫȺɃЖȳЗȫ 20
ȿȫȷȯȽȫȳ ȯ3ȵџȭɂȻ Ƚ ȷȯȴȺ Ƚ[ȫ0ȽȱȻ] ȫ(ȽɅˤ).
ȴȫ ą Ƚ(Hȷ) ʱȼȴHȷ Ȯ ąȯąȵȱȺɂǽȶ ȷ(ɂȷ) ϡǽ Ƚȹ8 ąȷȯѠȶ(ȫȽȹȻ)Ϥ ȴȹȾȿџȽȱȻ
ȴȫȽȫȵȫȶȬȪȷȯȽȫȳ ȽN Ƚȹ8Ƚȹ ȴ[ȹ8ȿȹȷ] -ǽȷǽ ȴȹȾ-
ȿȰȯȳȷ Ƚǽ'ǽȷ ʱȼȴџȷ. *Ƚȫȷ Ȯ ȶǽǽ [ąȫȺ] Ƚ' ąȷȯ8ȶ(ȫ),
ȬȫȺ1Ȼ ȭ(ȷȯȽȫȳ) ( ʱȼȴ'Ȼ ȽN ȼȽȯȺȼȲȫȳ 25
Ƚȹ8 ȴȹȾȿȰȹȷȽȹȻ ȫȽȹȾ.

5 — Tert. An. 8, 4. Ceterum etsi1 invisibilis anima, et pro condicione cor-


poris sui et proprietate2 substantiae et pro natura etiam eorum quibus
invisibilis esse sortita est. Solem noctuae nesciunt oculis; aquilae ita susti-
nent, ut natorum suorum generositatem de pupillarum audacia iudicent;
alioquin3 non educabunt, ut degenerem, quem solis radius averterit.
1 etsi B; est A; et si Gelenius || 2 proprietate: pro proprietate Gelenius || 3 alioquin:
alioqui B Gelenius.

6 — Tert. An. 9, 1; 9, 5.
[a] 9, 1. Et tamen non inconstanter profitebimur sollemniora quaeque
et omnimodo debita corpulentiae adesse animae quoque, ut habitum, ut
Testimonia 115

terminum, ut illud trifariam distantivum1, longitudinem dico et latitudinem


et sublimitatem, quibus metantur corpora philosophi.
1 distantivum Lat. Iunius, distantium A B Gelenius; distentivum Urs.
[b] 9, 5. Si enim corpus anima, sine dubio1 inter illa2 quae supra sumus
professi, proinde et coloris proprietas omni corpori aderit3. Quem igitur
alium animae aestimabis colorem quam aerium ac lucidum? Non, ut aer sit
ipsa substantia eius, etsi hoc Aenesidemo4 visum est et Anaximeni, puto
secundum quosdam et Heraclito, nec ut lumen, etsi hoc placuit Pontico
Heraclidi.
1 post dubio lacunam statuit Reifferscheid, qui teneri eam et teneram esse vel aliquid simile
intercidisse putat || 2 illa: alia susp. Gomperz 1895, 64 || 3 aderit A, tuentibus Gomperz
1895, 64-65 et Thörnell 1918-1926, I, 23; adhaeret B Gelenius.

7 — Tert. An. 10, 4-5. Herophilus ille medicus aut lanius, qui sexcentos1
exsecuit, ut naturam scrutaretur, qui hominem odiit2, ut nosset, nescio an
omnia interna eius liquido explorarit, ipsa morte mutante quae vixerant, et
morte non simplici, sed ipsa inter artificia exsectionis errante. 5. Philoso-
phi3 pro certo renuntiaverunt culicibus et formicis et tineis deesse pul-
mones et arterias.
1 sexcentos: septingentos B; sexcentos Bmg || 2 odiit: occidit Diels 1929, 206 || 3

errante. Philosophi: errante philosopho B; errantes philosophi Gelenius.

8 — Tert. An. 12, 2. Quam1 Anaxagorae turbata sententia est! Initium


enim omnium commentatus animum et universitatis oscillum de illius axe
suspendens purumque eum affirmans et simplicem et incommiscibilem,
hoc vel maxime titulo segregat ab animae commixtione et tamen eundem
alibi animam edicit2. 3. Hoc etiam Aristoteles denotavit, nescio an sua
paratior implere quam aliena inanire3. Denique et ipse definitionem animi
cum differret, interim alterum animi genus pronuntiavit, illum divinum,
quem rursus et inpassibilem subostendens abstulit et ipse eum a consortio
animae.
1quam A, tuente Kroymann 1893, 106; quamvis B Gelenius || 2 animam edicit Gelenius;
anima edicit AB; animae addicit Rigaltius et alii alia || 3 inanire: damnare B; inanire
Bmg.

9 — Tert. An. 12, 5-6. Iam ergo et commiscibilis est animus adversus
Anaxagoran1 et passibilis adversus Aristotelen. Ceterum si discretio admit-
titur, ut substantia duae res sint animus atque anima, alterius erit et passio
et sensus et sapor omnis et actus et motus, alterius autem otium et quies et
stupor et nulla iam causa, et aut animus vacabit aut anima. 6. Quodsi
constat ambobus haec omnia reputari, ergo unum erunt utrumque et De-
116 Testimonia

mocritus obtinebit differentiam tollens et quaeretur, quomodo unum


utrumque, ex duarum substantiarum confusione, an ex unius dispositione.
Nos autem animum ita dicimus animae concretum, non ut substantia2
alium, sed ut substantiae officium.
1 Anaxagoran: Anaxagoram B Gelenius; aristotilen A; Aristotelem B Gelenius || 2 sub-
stantia: substantiae B Gelenius.

10 — Tert. An. 14, 2. Dividitur autem in partes, nunc in duas a Platone,


nunc in tres a Zenone, nunc in quinque <ab Aristotele>1 et in sex a Pan-
aetio, in septem a Sorano, etiam in octo penes Chrysippum, etiam in no-
vem penes Apollophanen, sed et in duodecim2 apud quosdam Stoicorum,
et in duas amplius apud Posidonium, qui a duobus exorsus titulis, princi-
pali, quod aiunt ˂ȭȯȶȹȷȳȴ&ȷ, et a rationali, quod aiunt ȵȹȭȳȴ&ȷ3, in decem
septem4 exinde prosecuit; ita aliae ex aliis species dividunt animam.
1 in quinque <ab Aristotele> Pamelius, quod plures probarunt; inquitque A; in quinque B
Gelenius; a filio Nicomachi in quinque Iunius|| 2 duodecim A Bmg; decem B Gelenius,
probante Diels 1929, 206; duodecim et in quindecim Reinhardt (cf. Waszink ad locum) || 3
nec defuerunt qui pro rationali et ȵȹȭȳȴџȷ scribere irrationali et ʵȵȹȭȹȷ vellent; alii alia, cf.
Waszink ad locum || 4 decem septem A; decem et septem B Gelenius; decem Iunius;
duodecim Pamelius; decem et quattuor Reifferscheid.

11 — Tert. An. 14, 4-5 ~ Pollux, Onom. 2, 236 p. 155 ~ Anon. Lond. 1,
21-24; 37, 47-49 ~ Etym. Orion. 100; 116-117; 169.
[a] Tert. An. 14, 4. Atquin ex multitudine membrorum unum corpus
efficitur, ut concretio sit potius ipsa divisio. Specta portentosissimam Ar-
chimedis munificentiam, organum hydraulicum dico, tot membra, tot
partes, tot compagines, tot itinera vocum, tot compendia sonorum, tot
commercia modorum, tot acies tibiarum, et una moles erunt omnia. Sic et
spiritus, qui illic de tormento aquae anhelat, non ideo separabitur in partes,
quia per partes administratur, substantia quidem solidus, opera vero divisus.
5. Non longe hoc exemplum est a [b] Pollux, Onom. 2, 236 p. 155. ȫ
Stratone et Aenesidemo et Hera- ȽȹȷȾȷ ȫȼȲȼȯȳȻ ą ȷȽȯ ȶ ȷ ȯȼȳȷ,
clito; nam et ipsi unitatem animae ȹ3ȴ ȷ ʼȷ Ȯ ȽџąL, ʱȵȵP ˂ ȶ ȷ
tuentur, quae in totum corpus dif- ,ȼȿȺȱȼȳȻ ąȯȺ Ƚ Ȼ .ȷȫȻ
fusa et ubique ipsa, velut flatus in ȸȯȽȪȰȯȽȫȳ, ˂ ȮP ,ɁȳȻ ąȯȺ Ƚȹ1Ȼ
calamo per cavernas, ita per sensu- )ȿȲȫȵȶȹ1Ȼ ȿȫȷȽȪȰȯȽȫȳ, ˂ ȮP ʱȴȹ
alia variis modis emicet, non tam ąȯȺ Ƚ IȽȫ ȷȮȳȫȳȽ˦Ƚȫȳ, ˂ Ȯ
concisa quam dispensata. Haec ȭȯ8ȼȳȻ ąȯȺ Ƚȷ ȭȵHȽȽȫȷ ȯȵȱȽȫȳ,
omnia quibus titulis nuncupentur et ˂ ȮP ʲȿ ąȯȺ *ȵȹȷ Ƚ' ȼHȶȫ
quibus ex se divisionibus detinean- ąȹȵȳȽȯѠȯȽȫȳ.
tur1 et quibus in corpore metationi-
bus sequestrentur, medici potius
Testimonia 117

cum philosophis2 considerabunt;


nobis pauca convenient.
[c] Anon. Lond. 1, 21-24. ɁȾɀ Ȯ
ȵɃȭȯȽȫȳ ȽȺȳɀHȻ· [ˆ Ƚȯ] ȽHȳ *ȵɂȳ
ȼѡȶȫȽȳ ąȫȺȯȼąȫȺȶǽɃȷȱ ȴȫ Ƚ'
ȶџȺȳȹȷ Ƚ' ȵȹȭȳȼȽȳȴ'ȷ [ȴ]ȫ ʿȽȳ ˂
ȷȽȺɃɀȯȳȫ; 37, 47-49: Ȯȵȹȷ ʳȷ
ȯ]ąȹȳȶ(ȯȷ), BȻ ȴȫ Ȯȳ Ƚ(Hȷ)
ȵџȭL ȲȯɂȺȱȽ(Hȷ) [ąџȺɂȷ] ˂
ȫȼȲȱȼȳȻ ȭȷȯȽȫȳ ȯȻ ˂ȶ˦Ȼ.
1detineantur A Bmg: deriventur B Gelenius; distineantur Kroymann 1893, 107 || 2 cum
philosophis: tum philosophi Gelenius.
[d] Etym. Orion. 100. ȝȾȴȽɄȺ. ʱą' Ƚȹ8 Ƚȷ ȶѠȸȫȷ Ȯȳ’ ȫ3Ƚȹ8 ȸȳɃȷȫȳ.
˃ ʱą' Ƚȹ8 ȶѠȸȫȻ Ƚȳȷ Ȼ ȿ’ ʼȫȾȽN ʿɀȯȳȷ, ȽȹȾȽɃȼȽȳ ąџȺȹȾȻ, ˃ ʱą' Ƚȹ8
˂ȭȯȶȹȷȳȴȹ8 ȽȯȽȫȭȶɃȷȹȻ ȽȻ ȫȼȲɄȼȯɂȻ. *Ȳȯȷ ȴȫ ȶȾȴȽȱȺɅȰȯȷ ȵɃȭȹȶȯȷ
Ƚȹ1Ȼ ȷ ȽN ȮȳȫąȫɅȰȯȳȷ Ƚȳȷ Ȼ Ƚȹ8Ƚџ ąɂȻ Ƚ' ȶɃȺȹȻ ąȳȼąHȷȽȫȻ. ȹ4ȽɂȻ
( ȫ3Ƚ'Ȼ ȢɂȺȫȷџȻ. (cf. Etym. Magn. 594, 27ff).
[e] Ibid., 116-117. ЌȿȲȫȵȶȹɅ. ąȫȺ Ƚ' )ȿȲȷȫȳ ąȫȺɃɀȯȳȷ ʶąȫȷȽȫ·
ȴȫȽ Ȯ Ƚȳȷ Ȼ, )ȿȲȫȵȵȹɅ ȽȳȷȯȻ ȯȼȷ, ȸ Jȷ ʶȵȵȯȽȫȳ ˂ ,ɁȳȻ, ˃ )ąHȷ
)ȿȲȫȵȶȹɅ. БȺȫȼȳȻ. ʱą' Ƚȹ8 *ȺȳȼȳȻ ȯȷȫȳ ȴȫ Ƚ ąɃȺȫȽȫ ȽHȷ
ȼɂȶȪȽɂȷ ȴȫȽȫȵȫȶȬȪȷȯȳȷ. (˃ )ąHȷ Ȳ ȵȫȶȹȳ ,ȷȽȯȻ Etym. Magn. 644, 19
quod praestat)... ȹ4Ƚɂ ȢɂȺȫȷџȻ.
[f] Ibid., 169. МąȯȻ. ȹ ȹȷ )ąȫɅ ȽȳȷȯȻ ȹ9ȼȫȳ ȽȻ ɁȾɀȻ ȲȯɂȺȱȽȫɅ.
ȼѡȰȯȽȫȳ Ȯ ȷ ȼȾȷȲɃȽȹȳȻ ȴȫ ȷ8ȷ ąȫȺ ȽN ȬɅL Ƚ' ,ȷȹȶȫ. 2ąѡąȳȫ
ȭ Ⱥ ȵɃȭȯȽȫȳ Ƚ 2ą' Ƚȹ1Ȼ )ȿȲȫȵȶȹ1Ȼ ąȯȵȳѡȶȫȽȫ. BȻ ȮɃ ȽȳȷȯȻ, IąȯȻ,
*Ƚȳ )ą ȴȫ ȽȺɄȶȫȽȳ ȹɅȴȫȼȳ. ȢɂȺȫȷџȻ.

12 — Tert. An. 15, 1-3. Inprimis an sit aliqui1 summus in anima gradus
vitalis et sapientialis, quod ˂ȭȯȶȹȷȳȴџȷ appellant, id est principale, quia2 si
negetur, totus animae status periclitatur3. Denique qui negant principale,
ipsam prius animam nihil censuerunt. 2. Messenius aliqui4 Dicaearchus, ex
medicis autem Andreas et Asclepiades ita abstulerunt principale, dum in
animo ipso volunt esse sensus, quorum vindicatur principale. Asclepiades
etiam illa argumentatione vectatur, quod pleraque animalia ademptis eis
partibus corporis, in quibus plurimum existimatur principale consistere, et
insuper vivant aliquatenus et sapiant nihilominus, ut muscae et vespae et
lucustae, si capita decideris, ut caprae et testudines et anguillae, si corda
detraxeris; itaque principale non esse, quo5, si fuisset, amisso6 cum suis
sedibus7 vigor animae non perseveraret. 3. Sed plures et philosophi adver-
sus Dicaearchum, Plato Strato Epicurus Democritus Empedocles Socra-
tes8 Aristoteles, et medici adversus Andrean et Asclepiaden, Herophilus
118 Testimonia

Erasistratus Diocles Hippocrates et ipse Soranus, {iamque omnibus plures


Christiani, qui apud deum de utroque deducimur, et esse principale in
anima et certo in corporis recessu consecratum}.
1 aliqui A: aliquis B Gelenius || 2 quia om. A || 3 periclitatur: periclitetur A || 4 aliqui:
aliquis B Gelenius || 5 quo Kroymann 1893, 107, quod A B Gelenius || 6 amisso A:
amissus B Gelenius || 7 sedibus om. A || 8 Socrates: Xenocrates Diels 1929, 204.

13 — Tert. An. 15, 5-6 ~ Pollux, Onom. 2, 226 p. 152 ~ Etym. Or. 16 ~
Anonymus Fuchsii 1, 1 ~ Cael. Aur. Acut. Morb. 1, 8, 53.
[a] An. 15, 5-6. Ut [b] Pollux, Onom. 2, [c] Anon. Fuchsii 1, 1
neque extrinsecus 226 p. 152. ȼѠȭȴȯȳȽȫȳ p. 2 Garofalo (ordine
agitari putes principale ȶȷ Ȯ ( ą˦Ȼ mutato).
istud secundum Hera- ʵȷȲȺɂąȹȻ ȴ ɁȾɀȻ
clitum, neque per Ƚȯ ȴȫ ȼѡȶȫȽȹȻ, ȴȫ
totum corpus ventilari ʿȼȽȳȷ ˂ ɁȾɀ ąȷȯ8ȶȫ
secundum Mo- ˃ ą8Ⱥ ˃ ȫ ȶȫ ˃ * Ƚȳ
schionem1, neque in ʳȷ Ȯȹȴ ȽȹȻ ȼȹȿȹȻ,
capite concludi secun- ȶɃȺȱ Ȯ’ ȫ3ȽȻ ȷȹ8Ȼ
dum Platonem, neque ąȳȲȾȶɅȫ ȲȾȶџȻ. ȴȫ (
in vertice potius prae- ȶȷ ȷȹ8Ȼ ȴȫ
sidere secundum ȵȹȭȳȼȶ'Ȼ
Xenocraten, neque in ȴȫ ˂ȭȯȶȹȷȳȴџȷ, ȯȽȯ
cerebro cubare secun- ąȯȺ ȭȴȯȿȪȵL ȴȫȽ
dum Hippocraten, sed ȡȾȲȫȭџȺȫȷ ȴȫ ȡȵȪ-
nec circa cerebri fun- Ƚɂȷȫ ȮȺȾȶɃȷȹȻ, ȯȽȯ ( Ȯ ЅąąȹȴȺȪȽȱȻ Ƚ'ȷ
damentum, ut Hero- ȷ ąȫȺȯȭȴȯȿȫȵɅȮȳ ˃ ȶ ȷ ȷȹ8ȷ ȿȱȼȳȷ ȷ ȽN
philus, nec in mem- ȶɄȷȳȭȸȳȷ, BȻ ąȹȵȵȹȻ ȭȴȯȿȪȵL ȽȯȽȪɀȲȫȳ
branulis2, ut Strato et3 ȽHȷ ȫȽȺHȷ Ȯȹȴȯ, ȴȫȲȪąȯȺ Ƚȳ ȯȺ'ȷ
Erasistratus, nec in ȯȽȯ ȴȫȽ Ƚ' ʵȭȫȵȶȫ ȷ ʱȴȺȹąџȵȯȳ
superciliorum meditul- ȶȯȼџȿȺȾȹȷ, BȻ ʿȵȯȭȯ Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ
lio, ut Strato physicus, ȢȽȺȪȽɂȷ, ȯȽȯ ąȯȺ
nec in tota lorica pec- ϶ȺȫȼȼȽȺȫȽȹȻ ȶ ȷ ȸ
Ƚ' ȫ ȶȫ, BȻ ϶ȶ-
toris, ut Epicurus, ʱȴȹȵȹѠȲȹȾ ȽHȷ
ąȯȮȹȴȵȻ Ƚȯ ȴȫ
{sed quod4 et Aegyptii ʼȫȾȽȹ8 ȮȹȭȶȪȽɂȷ
renuntiaverunt et qui ϮȺȳȼȽȹȽɃȵȱȻ, ȯȽȯ
ąȯȺ Ƚȷ ȴȫȺȮɅȫȷ, BȻ ȿȱȼ ȭɅȷȯȼȲȫȳ Ƚȷ
divinarum commenta- ȿȺȯȷȽȳȷ ȴȫȽȪ Ƚȳ
tores videbantur}, ut5 ˂ ȢȽȹȪ. ȲȾȶȹ8 Ȯ
ȽџąȹȻ ʵȷȽȳȴȺȾȻ ˂ ąȪȲȹȻ ȽHȷ ȴȫȽ Ƚȷ
et ille versus Orphei ȶɄȷȳȭȭȫ ȷȯȺȭȯȳHȷ·
vel Empedoclis: ȴȫȺȮȫ, ȴȫȲȪąȯȺ (
ąȯȺ Ƚ' ˈąȫȺ ȽџąȹȻ ȹ: ȭ Ⱥ ȽџąȹȾ ȴȫȽ’
»Namque homini6
ąȳȲȾȶɅȫȻ . ȫ3Ƚ'ȷ ˂ ȷџȱȼȳȻ
sanguis circumcor-
ȿȺџȷȱȼȳȻ, ą ȽȹѠȽȹȾ
Testimonia 119

dialis est sensus«. 6. ˂ ąȫȺȫȷџȱȼȳȻ ąȫȺȫ-


Etiam †Protagoras†7, ȿȺџȷȱȼȳȻ ʳȷ ȯȱ.
etiam Apollodorus8 et
[d] Etym. Orion. 16.
Chrysippus haec sapi-
Ȓ ȶȫ, ąȫȺ Ƚ' ʿȼɂ,
unt, ut vel ab istis ȡȺȫȸȫȭџȺȫȻ Ȯ ȿȵȯȭ-
BȻ ʶȶȶȫ, ȴȫ Ȯȯȼȶ'Ȼ
retusus Asclepiades ȶȹȷȷ ȽȻ ȴȫȺȮɅȫȻ
ąȪȷȽɂȷ ȮȾȷȫȼȽȯѠɂȷ·
capras suas quaerat ȯȷȫɅ ȿȱȼȳ Ƚȷ
BȻ ϶ȶąȯȮȹȴȵȻ (
sine corde balantes et ȿȺȯȷȽȳȷ, ˈȻ ȴȫ Ƚ'
ȿȳȵџȼȹȿȹȻ ȿȱȼɅȷ·
muscas suas abigat ȴȫȽ ȿѠȼȳȷ ʿȺȭȹȷ
ȫ ȶȫ ȭ Ⱥ ʱȷȲȺѡąȹȳȻ
sine capite volitantes, ȿȺџȷȱȼȳȷ ȹȯȽȫȳ ȯȷȫȳ.
ąȯȺȳȴȪȺȮȳȹȷ ȼȽ
et omnes iam sciant se
ȷџȱȶȫ (= Melet. p. 37,
potius sine corde et
9).
cerebro vivere, qui
dispositionem animae
humanae de9 condi-
cione bestiarum [e] Etym. Orion. 145 (=
praeiudicarint. Melet. p. 89, 15).
ȢȽȲȹȻ. *Ƚȳ ˀȼȽȱȴȯȷ
ʱȼȪȵȯȾȽȹȷ· BȻ Ȯ
ʵȵȵȹȳ, *Ƚȳ ȷ ȫ3ȽN
Ƚ' ˂ȭȯȶȹȷȳȴ'ȷ
ˀȼȽȱȴȯȷ· ˃ *Ƚȳ Ȯȳ’
ȫ3Ƚȹ8 Ƚ ȼȳȽɅȫ
ȮȳɂȲȯȽȫȳ, ȹ ȹȷ ȼȳȽɅ-
ɂȲȹȻ. ȢɂȺȫȷ'Ȼ
ȹ4Ƚɂ .
1 Moschionem Bmg: oschionem A; Moscionem B || 2 membranulis: membranullis A;
membranula eius susp. Iunius || 3 Strato et seclusit Diels 1929, 204 || 4 post sed lacunam
statuit Reifferscheid, qui putat in corde habere sedem intercidisse; lacunam statuit et Kroymann
1893, p. 107; sed quod et in sed et quod corr. Pamelius, secundum quod et Hartel|| 5 ut
om. Gelenius || 6 homini: hominis B Gelenius ||7 Protagoras A Waszink: Praxagoras
Pamelius; Pythagoras La Cerda et Diels 1929, 204|| 8 Apollodorus: Apollo durus A,
Apollo Horus La Cerda || 9 humanae de om. A.
[f] Cael. Aur. Acut. Morb. 1, 8, 53. Quaesitum etiam quis locus in phre-
niticis patitur… aliqui igitur cerebrum pati dixerunt, alii eius fundum sive
basin, quam nos sessionem dicere poterimus, alii membranas, alii et ce-
rebrum et eius membranas, alii cor, alii cordis summitatem, alii membra-
nam quae cor circumtegit, alii arteriarum eam quam Graeci ʱȹȺȽȷ appel-
lant, alii venam crassam quam iidem ȿȵ Ȭȫ ąȫɀȯȫȷ vocaverunt, alii
diaphragma. Et quid ultra tendimus, quod facile explicare possumus, si id,
quod senserunt, dixerimus? nam singuli eum locum in phreniticis pati
dixerunt in quo animae regimen esse suspicati sunt. Denique singulorum
120 Testimonia

iudicium atque assertionem pertractantes expugnabimus libris, quos De


passionum causis scribemus.

14 — Tert. An. 17, 2-4 ~ Meletios, p. 72, 8-20.


[a] Tert. An. 17, 2-4. Horum [scil. sensuum] fidem Academici durius
damnant, secundum quosdam et Heraclitus et Diocles1 et Empedocles,
certe Plato in Timaeo inrationalem pronuntians sensualitatem et opinioni
coimplicitam.
Itaque mendacium visui obicitur, [b] Meletios, p. 72, 8-20. ąȹȽ ȶ ȷ
quod remos in aqua inflexos vel ˂ ,ɁȳȻ ȽȻ ąȳȶȫȺȽȾȺɅȫȻ ɀȺɄȰȯȳ
infractos adseverat adversus consci- ȽHȷ ʵȵȵɂȷ ȫȼȲɄȼȯɂȷ ąȺ'Ȼ Ƚ'
entiam integritatis, quod turrem ȶ ȼȿȪȵȵȯȼȲȫȳ· ąȹȽ Ȯ ȴȫȲ’
quadrangulatam de longinquo ro- ʼȫȾȽȷ ȷȫȺȭHȻ ąȫȺɅȼȽȱȼȳ Ƚ'
tundam persuadeat, quod aequalis- ȿȫȳȷџȶȯȷȹȷ· *Ƚȫȷ ȹ9ȷ Ƚ'ȷ
simam porticum angustiorem in ąѠȺȭȹȷ Ƚ'ȷ ȽȯȽȺȪȭɂȷȹȷ
ultimo infamet, quod caelum tanta ȼȽȺȹȭȭѠȵȹȷ ąџ/.ɂȲȯȷ (Ⱥ˦, ȴȫ
sublimitate suspensum mari iungat. Ƚ ȶȯɅȰȹȷȫ ȽHȷ Ȱѡɂȷ ˃
ȴȽȳȼȶȪȽɂȷ, ȶȳȴȺȪ, ȼȿȪȵȵȯȽȫȳ·
(ȶȹɅɂȻ ȴȫ *Ƚȫȷ Ȯȳ’ 4ȮȫȽȹȻ
ȴȳȷȹȾȶɃȷȹȾ (Ⱥ˦· Ƚȷ ȭ Ⱥ ȴѡąȱȷ
BȻ ȴȯȴȵȫȼȶɃȷȱȷ ȬȵɃąȯȳ ȷ Ƚ
ȲȫȵȪȼȼ· (ȶȹɅɂȻ Ȯ ȴȫ *Ƚȫȷ ȮȳȪ
ȽȳȷȹȻ 4ȵȱȻ, BȻ ą ȽHȷ
ȼџąȽȺɂȷ, ȴȫ ʼȽɃȺɂȷ ȮȳȫȿȫȷHȷ·
ȴȫ *Ƚȫȷ )ȸɃɂȻ ȴȳȷȽȫȳ Ƚ'
(Ⱥѡȶȯȷȹȷ· ȼȾȷȽȫȺȪȼȼȯȳ ȭ Ⱥ Ƚȷ
,Ɂȳȷ ˂ Ƚȫɀȯȫ ȴɅȷȱȼȳȻ, BȻ ą
Ƚȹ8 ȽȻ ąȯȺȳȼȽȯȺ˦Ȼ ȽȺȫɀɄȵȹȾ·
ȽȯȼȼȪȺɂȷ Ȯ ȶȪȵȳȼȽȫ ąȺ'Ȼ
ȷȫȺȭ ȮȳȪȭȷɂȼȳȷ ˂ ,ɁȳȻ ɀȺɄȰȯȳ·
ʱȬȵȫȬȹ8Ȼ ȫȼȲȱȽȱȺɅȹȾ· ȼȾȶ-
ȶɃȽȺȹȾ ȴȳȷɄȼȯɂȻ· ȴȫ Ȯȳȫ-
ȼȽɄȶȫȽȹȻ ʱɃȺȹȻ ȴȫȲȫȺȹ8· ȴȫ
ȵȫȶąȺȹ8 ȿɂȽџȻ.
3. Perinde auditus fallaciae reus, ut cum caeleste murmur putamus et
plaustrum est, vel tonitru meditante pro certo2 de plaustro credimus soni-
tum. Sic et odoratus et gustus arguuntur, siquidem eadem unguenta
eademque vina posteriore quoque usu depretiantur. Sic et tactus repre-
henditur, siquidem eadem pavimenta manibus asperiora, pedibus leviora
creduntur, et in lavacris idem calidae lacus ferventissimus primo, dehinc
temperatissimus renuntiatur. 4. Adeo, inquiunt, sic quoque fallimur sen-
Testimonia 121

sibus, dum sententias vertimus. Moderantius Stoici non omnem sensum,


nec semper, de mendacio onerant. Epicurei constantius parem omnibus
atque perpetuam defendunt veritatem, sed alia via. Non enim sensum
mentiri, sed opinionem. Sensum enim pati, non opinari; animam enim
opinari3. Absciderunt et opinionem a sensu4 et sensum ab anima5.
1Heraclitus et Diocles: Heraclides susp. Iunius || 2 pro certo: procella susp. Lindnerus ||
3 animam enim opinari: animam opinari Iunius; animam enim non opinari Rig. || 4
sensu: sensus A || 5 et sensum ab anima om. A.

15 — Tert. An. 19, 2. Volunt infantiam sola anima contineri, qua tantum-
modo vivat, non ut pariter sapiat, quia nec omnia sapiant quae vivant.
Denique arbores vivere nec tamen sapere secundum Aristotelen et si quis
alius substantiam animalem in universa communicat, quae apud nos in
homine privata res est, {non modo ut dei opus, quod et cetera, sed ut dei
flatus, quod haec sola, quam dicimus cum omni instructu suo nasci}.

16 — Tert. An. 20, 3-4. Thebis hebetes et brutos1 nasci relatum est,
Athenis sapiendi dicendique acutissimos, ubi penes Colyttum pueri mense
citius eloquuntur praecoca lingua, siquidem et Plato in Timaeo Minervam
affirmat, cum urbem illam moliretur, nihil aliud quam regionis naturam
prospexisse talia ingenia pollicitam; unde et ipse in Legibus Megillo et
Cliniae2 praecipit condendae civitati locum3 procurare. Sed Empedocles
causam argutae indolis et obtusae in sanguinis qualitate constituit, perfec-
tum ac profectum de doctrina disciplinaque deducit. {Tamen vulgata iam
res est gentilium proprietatum} (…) 4. Fortassean et de corpore et valetu-
dine aliquid accedat. Opimitas sapientiam impedit, exilitas expedit, paraly-
sis mentem prodigit, pthisis servat. Quanto magis de accidentibus habe-
buntur quae citra corpulentiam et valentiam4 vel acuunt vel obtundunt!
Acuunt doctrinae disciplinae artes et experientiae5 negotia studia; ob-
tundunt inscitiae ignaviae6 desidiae libidines inexperientiae otia vitia {su-
per haec, si et aliquae praesunt potestates}.
1 et brutos om. A || 2 Cliniae: incliniae A || 3 locum: loci vim A || 4 et valentiam om.

A || 5 et experientiae B; experimentiae A; et experientia Gelenius; experientiae Reiffer-


scheid || 6 ignaviae: ignavia B Gelenius.

17 — Tert. An. 25, 2. Nulla interest professoribus veritatis de adversariis


eius, maxime tam audacibus quam sunt primo isti, qui praesumunt non in
utero concipi animam nec cum carnis figulatione compingi atque produci,
sed et effuso iam partu nondum vivo infanti extrinsecus inprimi; ceterum
semen ex concubitu muliebribus locis sequestratum motuque naturali
vegetatum compinguescere in solam substantiam carnis; eam editam et de
uteri fornace fumantem et calore solutam, ut ferrum ignitum et ibidem
122 Testimonia

frigidae immersum, ita aeris rigore percussam et vim animalem rapere et


vocalem sonum reddere. Hoc Stoici cum Aenesidemo et ipse interdum
Plato, cum dicit perinde animam extraneam alias et extorrem uteri prima
adspiratione nascentis infantis adduci, sicut exspiratione novissima educi1.
Videbimus an ex sententia2 finxerit. Ne ex medicis quidem defuit Hicesius,
et naturae et artis suae praevaricator.
1 novissima educi Rigaltius; novissime duci A B Gelenius; novissime educi Lat. || 2 ex
sententia Rigaltius; ex sententias A; sententiam B Gelenius; ex sententia sua Hartel.

18 — Tert. An. 25, 5. Itaque est1 inter arma medicorum et cum organo, ex
quo prius patescere secreta coguntur tortili temperamento, cum anulocul-
tro2, quo intus membra caeduntur anxio arbitrio, cum hebete unco, quo
totum facinus extrahitur violento puerperio. Est etiam aeneum spiculum,
quo iugulatio ipsa dirigitur caeco latrocinio; ȶȬȺȾȹȼȿ ȴȽȱȷ3 appellant de
infanticidii officio, utique viventis infantis peremptorium. Hoc et Hippo-
crates habuit et Asclepiades et Erasistratus et maiorum4 quoque prosector
Herophilus et mitior ipse Soranus, certi animal esse conceptum atque ita
miserti infelicissimae huiusmodi infantiae, ut prius occidatur, ne viva lanie-
tur5. 6. De qua sceleris necessitate nec dubitabat, credo, Hicesius6, iam
natis animam superducens ex aeris frigidi pulsu, quia et ipsum vocabulum
animae penes Graecos de refrigeratione respondens.
1 est A; et B Gelenius || 2 anulocultro Rigaltius; anulo cultro A; anulo, cultro B; anulo
cultrato Gelenius || 3 ȶȬȺȾȹȼȿ ȴȽȱȷ Urs.: ȖȝȓѢȤȠѢȢȖțȣȘȞ A; ȶȬȺȾȹą ȴȽȱȷ B;
ȶȬȺȾȹȺȼ ȴȽȱȷ Bmg; ȶȬȺȾȹȺ ȴȽȱȷ Gelenius; ȶȬȺȾȹȷɃȴȽȱȷ Lat.; ȶȬȺȾȹȺȴȽȱȷ
Scaligerus || 4 maiorum: vivorum Diels 1929, 206 || 5 ne viva lanietur Gelenius; ne vivat
A; ne vivat lanietur B.

19 — Tert. An. 25, 9 ~ Soranos, ą.ȭ. 1, 12 p. 36.


[a] Tert. An. 25, 9. At idem in sexto
Legum monens cavere, ne vitiatio
seminis ex aliqua vilitate concubitus
labem corpori et animae supparet,
nescio de pristina magis an de ista
sententia sibi exciderit. {Ostendit [b] Soranos, ą.ȭ. 1, 12 p. 36 (= p.
enim animam de semine induci, 27, 36ff. Ilberg). ȷȱȿɃȽɂȼȫȷ ȫ
quod curari monet, non de prima ȭȾȷȫȴȯȻ ȷ ȽȹȻ ąȵȱȼȳȫȼȶȹȻ, ȯȲ’
aspiratione nascentis}. Unde, oro, *Ƚȳ ȴȫ ąȺ'Ȼ Ƚ Ȼ ȶȱȽɃȺȫȻ
similitudine animae quoque paren- (ȶȹȳџȽȱȻ ȽȳȻ ȹ3 ȴȫȽ ȼHȶȫ
tibus de ingeniis respondemus ȶџȷȹȷ, ʱȵȵ ȴȫ ȴȫȽ ɁȾɀȷ
secundum Cleanthis testimonium {si ʱȷȫȿɃȺȯȽȫȳ ȽHȷ ȭȯȷȷɂȶɃȷɂȷ.
non et ex animae semine educimur}?
Testimonia 123

20 — Tert. An. 27, 5-6 ~ Soranos, ą.ȭ. 1, 9 p. 17.


[a] Tert. An. 27, 5-6. Unico igitur
impetu utriusque toto homine con-
cusso despumatur1 semen totius
hominis habens ex corporali sub-
stantia humorem, ex animali
calorem. Et si frigidum nomen est
anima Graecorum, quare corpus
exempta ea friget? 6. Denique ut
adhuc verecundia magis pericliter
quam probatione, in illo ipso vo-
luptatis ultimae aestu quo genitale
virus expellitur, nonne aliquid de
anima quoque sentimus exire atque
adeo marcescimus et devigescimus2 [b] Soranos, ą.ȭ. 1, 9 p. 27 (= p. 20,
cum lucis detrimento? Hoc erit 30 Ilberg). ʿȷȳȹȳ ȮɃ ȿȫȼȳȷ ȬȵȫȬȯȺ ȷ
semen animale, protinus ex animae ȶ ȷ ȯȷȫȳ Ƚȷ Ƚȹ8 ȼąɃȺȶȫȽȹȻ
destillatione, sicut et virus illud ąȺџȯȼȳȷ BȻ ʱȽȹȷɅȫȻ ȹ9ȼȫȷ
corporale semen ex carnis defaeca- ʱąȹȽȯȵȯȼȽȳȴɄȷ, ˅Ȯȱ ȮɃ ąȹȽȯ ȴȫ
tione. ȴȫȽ Ƚȹ8Ƚȹ ȵȾąȹ8ȼȫȷ.
1 despumatur Iunius Urs.; despumat in B Gelenius || 2 devigescimus: devirescimus Bmg.

21 — Tert. An. 32, 4. Ceterum si et atomos Epicuri tenerem et numeros


Pythagorae viderem et ideas Platonis offenderem et entelechias Aristotelis
occuparem, invenirem fors his quoque speciebus animalia quae nomine
contrarietatis opponerem.

22 — Tert. An. 37, 5. Ceterum animam substantia crescere negandum est.

23 — Tert. An. 38, 1. Quamquam autem et retro praestruxerimus, omnia


naturalia animae ipsi substantiae inesse pertinentia ad sensum et intellec-
tum ex ingenito animae censu, sed paulatim per aetatis spatia procedere et
varie per accidentia evadere pro artibus, pro institutis, pro locis, {pro
dominatricibus potestatibus,} quod tamen faciat ad carnis animaeque pro-
positam nunc societatem, pubertatem quoque animalem cum carnali
dicimus convenire pariterque et illam suggestu sensuum et istam processu
membrorum exsurgere a quarto decimo fere anno, non quia Asclepiades
inde sapientiam supputat, nec quia iura civilia abhinc agendis rebus attem-
perant, sed quoniam et haec a primordio ratio est.
124 Testimonia

24 —Tert. An. 42, 1. Quamquam Epicurus vulgari satis opinione negarit


mortem ad nos pertinere. »Quod enim dissolvitur, inquit, sensu caret;
quod1 sensu caret, nihil ad nos«. Dissolvitur autem et caret sensu non ipsa
mors, sed homo qui eam patitur. At ille ei dedit passionem, cuius est actio.
Quodsi hominis est pati mortem dissolutricem corporis et peremptricem2
sensus, quam ineptum, ut tanta vis ad hominem non pertinere dicatur!.
1 quod: et quod B Gelenius || 2 corporis et peremptricem bis exhibent A B.

25 — Tert. An. 43, 1-5. De somno prius disputemus, post, mortem quali-
ter anima decurrat. Non utique extranaturale est somnus, ut quibusdam
philosophis placet, cum ex his eum deputant causis quae praeter naturam
haberi videntur. 2. Stoici somnum resolutionem sensualis vigoris affir-
mant, Epicurei deminutionem spiritus animalis, Anaxagoras cum Xeno-
phane defetiscentiam, Empedocles et Parmenides refrigerationem, Strato
segregationem consati spiritus, Democritus indigentiam spiritus, Aristo-
teles marcorem circumcordialis caloris. Ego me nunquam ita dormisse
praesumo, ut ex his aliquid agnoscam. Neque enim credendum est defetis-
centiam esse somnum, contrarium potius defetiscentiae, quam scilicet
tollit, siquidem homo somno magis reficitur quam fatigatur. Porro nec
semper ex fatigatione concipitur somnus, et tamen cum ex illa est, illa iam
non est. 3. Sed nec refrigescentiam admittam aut marcorem aliquem
caloris, cum adeo corpora somno concalescant et dispensatio ciborum per
somnum non facile procederet calore properabili et rigore tardabili, si
somno refrigeraremur. Plus est, quod etiam sudor digestionis aestuantis
est index. Denique concoquere dicimur, quod caloris, non frigoris opera-
tio est. 4. Perinde deminutionem animalis spiritus aut indigentiam spiritus
aut segregationem consati spiritus immortalitas animae non sinit credi.
Perit anima, si minoratur. 5. Superest, si forte, cum Stoicis resolutionem
sensualis vigoris somnum determinemus, quia corporis solius quietem
procuret, non et animae.

26 — Tert. An. 43, 8. Sic et medici omne contrarium vitali salutari auxiliari
extra naturales cardines relegant. Nam et aemulas somno valetudines,
phreneticam atque cardiacam, praeter naturam iudicando naturalem som-
num praeiudicaverunt; etiam in lethargo non naturalem notantes testimo-
nio naturali respondent, cum in suo temperamento est. Omnis enim natu-
ra aut defraudatione aut enormitate rescinditur, proprietate mensurae
conservatur. Ita naturale erit statu, quod non naturale effici potest decessu
vel excessu.
Testimonia 125

27 — Tert. An. 43, 12. Sed et illa sic patitur, ut alibi agere videatur, dis-
simulatione praesentiae futuram absentiam ediscens (de Hermotimo scie-
mus)1, et tamen interim somniat: unde tunc somnia?2 Nec quiescit nec
ignavescit omnino {nec naturam immortalitatis servam soporis addicit}.
Probat se mobilem semper; terra mari peregrinatur negotiatur agitatur
laborat ludit dolet gaudet, licita atque inlicita persequitur, ostendit quod
sine corpore etiam plurimum possit, quod et suis instructa sit membris,
sed nihilominus necessitatem habeat rursus corporis agitandi. {Ita cum
evigilaverit corpus, redditum officiis eius resurrectionem mortuorum tibi
affirmat}. Haec erit somni et ratio naturalis et natura rationalis. {Etiam
per imaginem mortis fidem initiaris, spem meditaris, discis mori et vivere,
discis vigilare, dum dormis}.
1 de Hermotimo sciemus om. Gelenius || 2 unde tunc somnia om. Gelenius.

28 — Tert. An. 44, 2. Quorsum istud? Ne, quia facile est vulgo existimare
secessionem animae esse somnum, hoc quoque Hermotimi argumento
credulitas subornetur. Genus fuerat gravioris aliquanto soporis, ut de in-
cubone praesumptio est vel de ea valetudinis labe quam Soranus opponit
excludens incubonem, aut tale quid vitii quod etiam Epimeniden in fabu-
lam impegit quinquaginta paene annos somniculosum.

29 — Tert. An. 48, 1-2. Certiora et colatiora somniari affirmant sub exti-
mis noctibus, quasi iam emergente animarum vigore prodacto sopore. Ex
temporibus autem1 anni verno magis quieta, quod2 aestas3 dissolvat ani-
mas et hiems quodammodo obduret et autumnus, temptator alias valetu-
dinum, succis pomorum vinosissimis diluat. 2. Item ex ipsius quietis situ,
si neque resupina neque dextero latere decumbat neque conresupinatis
internis, quasi refusis loculis, statio sensuum fluitet aut conpressa iecoris
sagina † sit mentis4. Sed haec ingeniose aestimari potius quam constanter
probari putem, etsi Plato est qui ea aestimavit; et fortassean casu proce-
dant. Alioquin ex arbitrio erunt somnia, si dirigi poterunt.
1 autem om. A || 2 quieta, quod Urs.: quia & aquod A; quieta est quod B Gelenius || 3

aestas Iunius: om. A B Gelenius || 4 sagina A Bmg; angina B Gelenius.

30 — Tert. An. 51, 2-3 ~ Meletios, p. 123, 3-18 ~ Pollux, Onom. 2, 145-
146 p. 128; 2, 36 p. 92.
[a] Tert. An. 51, 2-3. Ad hoc enim et Plato, etsi quas vult animas ad
caelum statim expedit, in Politia tamen cuiusdam insepulti cadaver opponit
longo tempore sine ulla labe prae animae scilicet individuitate servatum.
126 Testimonia

Ad hoc et Democritus crementa [b] Meletios, p. 123, 3-18. ȫ Ȯ


unguium et comarum in sepulturis ʱąȹȽȯȵȯȾȽɄȼȯȳȻ ȽHȷ ȷ ȽȹȻ Ȯȫȴ-
aliquanti temporis denotat. ȽѠȵȹȳȻ ȷȯѠȺɂȷ ȹ ,ȷȾɀȯȻ ȯȼɅȷ…
Ȯȳ' ȴȫɅ ȽȳȷȯȻ ȼȽȹȺȹ8ȼȳȷ, *Ƚȳ ȴȫ
ȶȯȽ ȲȪȷȫȽȹȷ ȫ6ȸȹȾȼȳȷ ȷ ȽȹȻ
ȼȾȷȳȼȽȫȶɃȷȹȳȻ ȼѡȶȫȼȳ ȽHȷ ʱȷȲȺѡ-
Porro et aeris qualitas corpori illi ąɂȷ· Ƚ' ȫ3Ƚ' Ȯ ȴȫ ą ȽHȷ
potuit tutela fuisse. Quid enim1, si ȽȺȳɀHȷ ȭɅȷȯȼȲȫȳ ȵɃȭȯȽȫȳ.
aridior aer et solum salsius? Quid,
si et ipsius corporis substantia
exsuccior? Quid, si et genus mortis
ante iam corruptelae2 materias
erogarat?
Ungues autem cum exodia3 ner- [c] Pollux, Onom. 2, 145-146 p. 128.
vorum sint, merito nervis resolu- ȸ ȫ3ȽHȷ ȭ Ⱥ ȫ ȽHȷ )ȷѠɀɂȷ
tione porrectis provectiores et ʱȺɀȫɅ. ȶȯȲ’ ʴȻ ,ȷȾɀȯȻ, 2ȿ’ ȹ Ȼ Ƚ
cotidie deficiente carne expelli ȷȯ8Ⱥȫ ąȫѠȯȼȲȫȳ ȵɃȭȹȾȼȳȷ· Jȷ Ƚ
videntur. ȶ ȷ 2ą' ȽN ,ȷȾɀȳ ȴȺȾąȽȪ, Ƚ Ȯ’
ʵȷɂȲȯȷ ʵȺȭȯȶȹȳ, Ƚ Ȯ’ ʼȴȫȽɃȺɂȲȯȷ
ąȫȺɂȷȾɀɅȫȳ, Ƚ Ȯ ȶȯȽ’ ȫ3Ƚ Ȼ
ȭɂȷɅȫȳ.

Comae quoque alimenta de cere- [d] Ibid., 2, 36 p. 92. 2ąџȴȯȳȽȫȳ Ȯ


bro, quod aliquamdiu durare Ƚ ȴџȶ ȴȯȿȫȵɄ, ȴȫ ȮɃȺȶȫ
praestat secreta munitio. Denique ȵȫȿȺџȷ Ƚȯ ȴȫ ȴȹ8ȿȹȷ ąȳȽɃȽȫȽȫȳ
in viventibus etiam pro cerebri ȴȫȽȫȴȯȴȯȷȽȱȶɃȷȹȷ, BȻ ȿȱȼȷ (
ubertate vel affluit capillago vel ȡȵȪȽɂȷ ȯȻ ȽȺȳɀHȷ ʿȴȿȾȼȳȷ, ȴȫ
deserit. Habes medicos. DȼąȯȺ ȿȾȽ Ƚ Ȼ ȽȺɅɀȫȻ ąȪȺȮȹȷ
ȽN ʿȷȮȹȲȯȷ ąȷȯѠȶȫȽȳ.
1 enim om. B Gelenius || 2 corruptelae Bmg; corruptele A; corruptrices B Gelenius || 3

exodia Iunius: exordia A B Gelenius.

31 — Tert. An. 52, 1-2. Hoc igitur opus mortis: separatio carnis atque
animae; seposita quaestione fatorum et fortuitorum bifariam distinxit hu-
manus affectus, in ordinariam et extraordinariam formam, ordinariam
quidem naturae deputans, placidae cuiusque mortis, extraordinariam vero
praeter naturam iudicans, violenti cuiusque finis. {2. Qui autem primordia
hominis novimus, audenter determinamus mortem non ex natura secutam
hominem, sed ex culpa, ne ipsa quidem naturali}.
Testimonia 127

32 — Tert. An. 53, 1. Prius tamen quod est loci huius explebimus, ne, quia
varios exitus mortis ediximus, expectet quis a nobis rationes singulorum
medicis potius relinquendas, propriis arbitris omnium letalium rerum sive
causarum et ipsarum corporalium condicionum.

33 — Tert. An. 54, 1-2 ~ 55, 4.


[a] 54, 1-2. Quo1 igitur deducetur anima, iam hinc reddimus. Omnes
ferme philosophi, qui immortalitatem animae, qualiterqualiter volunt,
tamen vindicant, ut Pythagoras, ut Empedocles, ut Plato, quique aliquod
illi tempus indulgent ab excessu usque in conflagrationem universitatis, ut
Stoici, suas solas, id est sapientium, animas in supernis mansionibus collo-
cant. 2. Plato quidem non temere philosophorum animabus hoc praestat,
sed eorum qui philosophiam scilicet exornaverint amore puerorum.
{Adeo etiam inter philosophos magnum habet privilegium impuritas.}
Itaque apud illum in aetherem sublimantur animae sapientes, apud Arium
in aerem, apud Stoicos sub lunam.
1 quo: quod A.
[b] 55, 4. Sed in aethere dormitio nostra cum puerariis1 Platonis aut in
aere cum Ario aut circa lunam cum Endymionibus Stoicorum? {Immo,
inquis, in paradiso, quo iam tunc et patriarchae et prophetae appendices
dominicae resurrectionis ab inferis migraverint}.
1 puerariis: pueris B Gelenius.

LOCI INCERTI
34 — Tert. An. 3, 2. Proinde enim et animae ratio per philosophatas doc-
trinas hominum miscentes aquas vino: alii immortalem negant animam, alii
plus quam immortalem adfirmant, alii de substantia, alii de forma, alii de
unaquaque dispositione disceptant; hi statum eius aliunde <de>ducunt1, hi
exitum aliorsum abducunt, prout aut Platonis honor aut Zenonis vigor aut
Aristotelis tenor aut Epicuri stupor aut Heracliti maeror aut Empedoclis
furor persuaserunt.
1 aliunde deducunt Loefstedt: alium deducunt B; aliunde ducunt Gelenius.

35 — Tert. An. 6, 1. Haec Platonici subtilitate potius quam veritate con-


turbant. Omne, inquiunt, corpus aut animale sit necesse est aut inanimale.
Et si quidem inanimale est, extrinsecus movebitur, si vero animale, intrin-
secus. Anima autem nec extrinsecus movebitur, ut quae non sit inanimalis,
nec intrinsecus, ut quae ipsa potius moveat corpus. Itaque non videri eam
corpus, quae non corporalium forma ex aliqua regione moveatur.
128 Testimonia

36 — Tert. An. 6, 4. Sed quomodo divisi videntur in homine1 sensus cor-


porales et intellectuales? Corporalium aiunt rerum qualitates, ut terrae2, ut
ignis, corporalibus sensibus renuntiari, ut tactui, ut visui3, incorporalium
vero intellectualibus conveniri, ut benignitatis, ut4 malignitatis. Itaque in-
corporalem esse animam constat cuius qualitates non corporalibus, sed
intellectualibus sensibus comprehendantur.
1homine: homines B ||2 terrae: terra B Gelenius || 3 ut tactui ut visui: ut tactu ut visu
Urs. || 4 ut: aut Gelenius; vel Rig.

37 — Tert. An. 6, 8. Sed enormis intentio philosophiae solet plerumque


nec prospicere pro pedibus (sic Thales in puteum), solet et sententias suas
non intellegendo valetudinis corruptelam suspicari (sic Chrysippus ad
elleborum). Tale aliquid, opinor, ei accidit, cum duo in unum corpora
negavit, alienata a prospectu et recogitatu praegnantum, quae non singula
cotidie corpora, sed et bina et terna in unius uteri ambitu perferunt.

38 — Anonymus Londinensis 39, 1-15.


Ȳȫȳ ϮȵɃȸȫȷȮȺȹȻ, ą(Ⱥȹȼ)ɀȺHȷȽȫȳ. [ȴȫ ȫP, ȿ(ȱȼɅȷ),] ʱąȹȴȺɅ-
ȷȯȽȫɅ Ƚȳȷȫ ʱȿ’ ˂ȶHȷ ȴȫ ȯȼȴȺɅȷȯȽȫɅ Ƚȳȷȫ ȯȻ
˂ȶ˦Ȼ ąȪȷȽɂȻ ȮȳȪ Ƚȳȷ(ɂȷ) ȵџȭɂȳ ȲȯɂȺȱȽ(Hȷ) ąџȺɂȷ,
ąȯȳȮɄąȯȺ ȼHȶȫ Ȯȳ ȼѡȶȫȽȹȻ ȹ[3 ȵɃȭ]ȹȾȼȳ ȮȳȯȵǽȲǽȯȷ.
ȴȫ ʵȵȵɂȻ ȿ(ȱȼɅȷ)· BȻ ˂ ȿѠȼȳȻ ȽȱȺȯ Ƚ'ȷ [ȷџȶ]ȹȷ, ǽąǽȹǽɅ[ȱȼȯȷ] 5
[ąȪ]ȷȽ(ɂȷ) ʱąȹȿȹȺȪȻ ȽȳȷȫȻ ȫȼȲȱȽ Ȼ ȴȫ ȵџȭɂȳ Ȳȯ[ɂȺȱȽȪȻ]
[ȴ]ȫ ȮȳȫȿџȺȹȾȻ ʱąȹȿȹȺ Ȼ ȴ(ȫȽ ) Ƚ' ȫȼȲȱȽ'ȷ ȴȫ ȴ(ȫȽ ) [Ƚ']
[ȵ]џȭɂȳ ȲȯɂȺȱȽџȷ. * ąȯ ȹ9ȷ ȴȫȽ Ƚ' ȫȼȲȱȽ'ȷ
[]ąȹɅȱȼɃȷ ȽȳȷȫȻ ąџȺȹȾȻ, ȴȫ ȴ(ȫȽ ) Ƚ' ȵǽџǽȭǽɂǽȳ Ȳǽȯɂ
ǽ ǽȺǽȱȽ'ȷ
[ą]ȹȳɄȼȫȽȹ, * *Ƚȳ ȽȺɃȿȯȽȫȳ, (ȿȱȼɅȷ), ąȪȷȽȫ [Ȯȳ] [ąџȺ]ɂȷ 10
[Ƚȹ]8 ȼѡȶ[ȫȽ]ȹȻ ȴȫ [ȹ3] ȵɃȭȹȾȼȳȷ ȼ[Hȶȫ Ȯȳ ] ȼѡ(ȶȫȽȹȻ)
[ȮȳȯȵȲȯȷ], ȴȫ Ƚ' ɀȾȵǽ[ɂ]Ƚ'ȷ ȴȫ Ƚʷȵȵȫ [Ƚȹ8 ȼ]ѡȶ(ȫȽȹȻ)
[ȶɃȺȱ ȭɅ(ȷȯȽȫȳ)] ȽȻ ȽȺȹȿȻ ȮȳȹȮȯȾȹѠȼ[ȱ]Ȼ [.]ȫǽȳ[..]
[..........]ȹǽȻǽ ȶɃȺȹȻ Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ, [BȻ] Ƚ(Hȷ)
[ȵџ]ȭɂȳ ȲȯɂȺȱȽ(Hȷ) ąџȺɂȷ ,ȷȽɂȷ ȽȫѠȽȱ […] 15

39 — Tert. An. 19, 8 ~ Soranos, ą.ȭ. 2, 6 p. 16.


[a] Tert. An. 19, 8. Plus est quod de [b] Soranos, ą.ȭ. 2, 6 p. 17 (= p.
prospectu lacrimabilis vitae quidam 58, 14ff. Ilberg). ȫ ąȹȵȵȫ Ȯ ȽHȷ
augurem incommodorum vocem ȶȫȳȹȾȶɃȷɂȷ 2ɃȵL ˃ ȴȫȵȪȶL ˃
illam flebilem interpretantur, {quod )ȼȽȺȪȴL ˃ ȽN ȵȯąɅL Ƚȹ8 ʵȺȽȹȾ
etiam praesciens habenda sit ab ȮȹȴȳȶȪȰȹȾȼȳȷ Ƚȷ ʱąȹȴȹąȷ ˃
ingressu nativitatis, nedum intelle- ȵɅȷL ȬȳȫɅɂȻ ʱąȹȼȿɅȭȸȫȼȫȳ, ȽN
gens}. ȮȾȼȹȳѡȷȳȼȽȹȷ ȯȷȫȳ Ƚȷ ȷ ȽN
Testimonia 129

ąȺѡȽL ɀȺџȷL ȼȳȮɄȺȹȾ ȽȹȶɄȷ.


*ąȯȺ ąȫȷȽȯȵHȻ ȴȫȽȫȭɃȵȫȼȽџȷ
ȼȽȳȷ· ȴȫ Ƚ' ȴȵȫɅȯȳȷ ȫ3Ƚ'
ȮȾȼȹȳѡȷȳȼȽџȷ ȼȽȳȷ, ʱą' Ȯ
ȽȹѠȽȹȾ Ƚ' ȭȯȷȷȱȲ ȷ ʵȺɀȯȽȫȳ Ƚȹ8
Ȱȷ.

40 — Tert. An. 46, 3. Aristoteles maiorem1 partem mendacio reputans2


agnoscit et verum. Telmessenses nulla somnia evacuant, imbecillitatem
coniectationis incusant. Quis autem tam extraneus humanitatis, ut non
aliquam aliquando visionem fidelem senserit? Pauca de insignioribus per-
stringens Epicuro pudorem imperabo.
1maiorem Reifferscheid: maiore A B Gelenius; maiori Oehler || 2 reputans Borleffs: recitans
A Gelenius; ei recitans B; citans Reifferscheid.
Kommentar

1 — Tert. An. 2, 6.
Sorori refragatur: die Angabe des Anon. Lond. 21, 15 ist problematisch:
ąȯȺ ȶ ȷ ɁȾɀȻ ʵȵȵȹȳȻ ʱȷȫȬ ȵȵȹȶȫȳ [ʵȵȵȹȼȯ ʱȷȫȬ ȵȵȹȶȫȳ Wellmann
1922, 425, quod parum placet] : ˂ȶȷ Ȯ Ƚȹ8 ȼ@ȶȫȽȹȻ ȶȯȵȱȽ ȹȷ, ąȯ
ȶ ȵȳȼȽȫ ąȯȺ Ƚȹ8Ƚȹ ȼąȹȾȮ Ȱȯȳ ˂ ȫȽȺȳȴɄ: der Anonymus scheint hier
die Überlegenheit der Medizin im Vergleich zur Philosophie zu behaup-
ten, hingegen die Möglichkeit abzulehnen, sich mit der Psychologie zu
beschäftigen, wenn sie nicht die Heilkunde betrifft. Zur Gegenüberstel-
lung von Medizin und Philosophie vgl. Polito 2006, 316ff.
Zu Heraklit vgl. DK 22 A 1 a; 3 a; Cic. De fin. 2, 5, 15: aut de industria
facias, ut Heraclitus, cognomento qui ȼȴȹȽȯȳȷ&Ȼ perhibetur. Dieser pejorative
Beiname wurde auch von den christlichen Schriftstellern übernommen
(Tat. Or. 3, 1; Clem. Alex. Strom. 5, 8, 50, 2). Zu diesem Fragment Hera-
klits vgl. DK 22 B 45 [= Diog. Laert. 9, 7]: ɁȾɀȻ ąȯȺȫȽȫ Aȷ ȹ3ȴ ʳȷ
ȸȯ0Ⱥȹȳȹ, ą˦ȼȫȷ ąȳąȹȺȯȾ&ȶȯȷȹȻ (Ȯџȷ. Vgl. auch Tert. Marc. 2, 28, 1
[DK 22 B 60] Heraclitus ille tenebrosus; Polito 1994, 435-437.

2 — Tert. An. 5, 1-6.


Eubulos von Alexandria war ein Mitglied der skeptischen Akademie (2.
Jh. n.Chr.); von ihm kennt Tertullian nur den Namen (vgl. RE 6, 879;
Dictionnaire des Philosophes antiques 3, 249-251). Kritolaos von Phaselides,
der sechste Leiter des Peripatos, war in den Jahren 156-155 v.Chr. in
Rom. Unter dem Einfluss der Stoa nahm er die körperliche Natur der
Seele an und identifizierte sie mit der fünften Substanz. Anders als Tertul-
lian meinte, vertrat Kritolaos nie die Unsterblichkeit der Seele, sondern
nur der Welt und des menschlichen Geschlechtes (Waszink 1947, 126;
Wehrli 1959, frr. 12, 13 und 15; es handelt sich hier um das Fragment 17,
p. 52). Xenokrates, der dritte Scholarch der platonischen Akademie, ent-
wickelte eine religiöse Weltanschauung, innerhalb welcher auch die Un-
sterblichkeit der Seele ihren Platz hatte (aus dem hier vorliegenden Text
besteht fr. 202, p. 128 in der Fragmentensammlung von Isnardi Parente
1982). Die Erwähnung des Aristoteles klingt im diesem Kontext sehr
sarkastisch, gerade wegen der Bezugnahme auf den Denkspruch amicus
132 Kommentar

Plato sed magis amica veritas (Eth. Nic. 1096 a 16: ʱȶȿȹȷ ȭ Ⱥ ,ȷȽȹȳȷ ȿȵȹȳȷ
*ȼȳȹȷ ąȺȹȽȳȶ˦ȷ Ƚȷ ʱȵɄȲȯȳȫȷ); möglicherweise ist die Aufnahme des
Denkspruchs an dieser Stelle ein boshafter Zusatz Tertullians.
Der Name Hipparch ist, nach der Beobachtung Waszinks, ein fal-
sches Zitat und müsste Hippasos lauten (vgl. Aët. 4, 3, 4: ȡȫȺȶȯȷȮȱȻ ȴȫ
ЉąąȫȼȹȻ ȴȫ ϽȺȪȴȵȯȳȽȹȻ ąȾȺѡȮȱ = DK 18 B 7-9; 28 A 45). Der Bezug
auf Hippasos, den Pythagoreer aus Metapont, stammt mit großer Wahr-
scheinlichkeit aus einer peripatetischen Quelle: vgl. Arist. Met. A 3, 984 a
7, nach dessen Angabe Hippasos und Heraklit miteinander verbunden
sind; der Ursprung dieser Verunstaltung des Namens Hippasos ist wahr-
scheinlich bei Tertullian und nicht bei Soranos zu suchen: für den Afrika-
ner war Hippasos nur ein Name: vgl. Sext. Adv. Math. 9, 360f.: șȫȵȻ Ȯ
( ȝȳȵȼȳȹȻ 4ȮɂȺ... ЉąąȫȼȹȻ Ȯ ( ȝȯȽȫąȹȷȽȷȹȻ ȴȫ ȴȫȽ’ ȷɅȹȾȻ
ϽȺȪȴȵȯȳȽȹȻ ą8Ⱥ, ȟȯȷȹȿȪȷȱȻ Ȯ 4ȮɂȺ ȴȫ ȭȷ (ąȪȷȽȯȻ ȭ Ⱥ ȭȫɅȱȻ Ƚȯ
ȴȫ 4ȮȫȽȹȻ ȴȭȯȷџȶȯȼȲȫ), Љąąɂȷ Ȯ ( нȱȭȷȹȻ ą8Ⱥ ȴȫ 4ȮɂȺ...
ȕȱȶџȴȺȳȽȹȻ Ȯ ȴȫ ϶ąɅȴȹȾȺȹȻ ʱȽџȶȹȾȻ.
Hippon von Samos (oder nach anderen Quellen von Rhegios) war
gegen Mitte des 5. Jh.s tätig; er nahm das feuchte Element als Urstoff an
und wurde darum zu den Vorsokratikern gezählt; ein Teil der Geschichts-
schreibung will allerdings in ihm einen Pythagoreer erkennen; zu den An-
gaben über Hippon und Thales vgl. Anon. Lond. 11, 22ff.: Љąąɂȷ Ȯ (
țȺȹȽɂȷȳ ȽȱȻ ȹȯȽȫȳ ȷ ˂ȶȷ ȹȴȯɅȫȷ ȯȷȫȳ 2ȭȺџȽȱȽȫ, ȴȫȲP ˄ȷ ȴȫ
ȫȼȲȫȷџȶȯȲȫ ȴȫ 2ȭȳȫȷȹȶȯȷ ˘ ȰHȶȯȷ; vgl. DK 38 A 3; 38 A 10; 11 A 13
(șȫȵȻ... ȴȫ Љąąɂȷ... 4ȮɂȺ ʿȵȯȭȹȷ Ƚȷ ʱȺɀɄȷ = Simpl. Phys. 23, 21);
11 A 23; Waszink 1947, 128.
Zu den hier über Empedopkles vorliegenden Testimonien vgl. DK
31 A 30: Ƚ' Ȯ ˂ȭȯȶȹȷȳȴ'ȷ [auffällig ist die Kontamination mit der Stoa]
ȹ6Ƚȯ ȷ ȴȯȿȫȵ ȹ6Ƚȯ ȷ ȲѡȺȫȴȳ ʱȵȵP ȷ ȫȶȫȽȳ; 31 A 76 (Platon, Phaed.
96 a – b); 31 A 84. Zu Kritias vgl. DK 88 A 23 (Arist. An. 1, 405 b 5:
ˀȽȯȺȹȳ Ȯȃ ȫ ȶȫ ȴȫȲȪąȯȺ țȺȳȽȫȻ).
Über die Erwähnung Epikurs bemerkt Waszink: »no such statement
is found in doxography«; vgl. allerdings Ep. Hdt. 66, 5 (Scholion), zitiert in
der Einleitung, und dazu die Verse des Lukrez (3, 179: principio esse aio
persubtilem atque minutis/ perquam corporibus factum constare/ … at quod mobile
tanto opere est, constare rotundis/ perquam seminibus debet perquamque minutis…
nunc igitur quoniam <est> animi natura reperta/ … perquam constare necessest/
corporibus parvis et levibus atque rotundis).
Was Kritolaos betrifft, so führt Waszink zum Vergleich den Text von
Aët. Plac. 1, 7, 21 an: țȺȳȽџȵȫȹȻ ȴȫ ȕȳ&ȮɂȺȹȻ ( ȣѠȺȳȹȻ ȷȹ8ȷ ʱąP
ȫȲ ȺȹȻ ʱąȫȲȹ8Ȼ. Zur stoischen Lehre von der Körperlichkeit der Seele
vgl. SVF I, 135 (= Diog. Laert. 7, 157): ȗȷɂȷ Ȯ ( țȳȽȳȯ0Ȼ… ąȷȯ8ȶȫ
Kommentar 133

ʿȷȲȯȺȶȹȷ ȯȷȫȳ Ƚȷ ɁȾɀȷ. Ƚȹ0ȽL ȭ Ⱥ ˂ȶ˦Ȼ ȯȷȫȳ ȶąȷ&ȹȾȻ ȴȫ 2ą'
Ƚȹ0ȽȹȾ ȴȳȷȯȼȲȫȳ.
Der von Zenon ausgearbeitete Syllogismus ist SVF I, 137 zugeordnet.
Calcidius überliefert allerdings eine andere Form des Syllogismus: (Calc. In
Tim. 220 p. 232 Waszink = SVF I, 138): spiritum quippe Zeno quaerit hactenus:
quo recedente a corpore moritur animal, hoc certe anima est. naturali porro spiritu
recedente moritur animal: naturalis igitur spiritus anima est; bis neue Interpretati-
onen vorgeschlagen werden, können wir mit von Arnim von der Gültig-
keit des Fragments auch in der von Tertullian überlieferten Form ausge-
hen (vgl. Einleitung). Gomperz hatte den tertullianischen Text korrigiert:
quo digresso animal emoritur anima est, consito autem spiritu digresso animal emoritur;
ergo consitus spiritus anima est. Consitus autem spiritus corpus est: ergo corpus est
anima. Diese invasive Korrektur scheint heute überflüssig.
Aus dem Text der §§ 4 und 5 besteht SVF I, 518; die beiden Argu-
mente des Kleanthes (die gemeinsamen Empfindungen von Seele und
Leib und die Ähnlichkeit von Kindern zu ihren Eltern) werden auch von
Nemesios überliefert, De nat. hom. p. 20 Morani; vgl. auch Tert. An. 25, 9
und Panaet. ap. Cic. Tusc. 1, 32, 79: eorum similitudo qui procreentur, quae etiam
in ingeniis non solum in corporibus appareat; das Argument kehrt auch in ą.ȭ . 1,
12 p. 36 wieder: ȹ3 ȴȫȽ ȼHȶȫ ȶџȷȹȷ, ʱȵȵ ȴȫ ȴȫȽ ɁȾɀȷ, es stammt
fast sicher aus Soranos (Karpp 1934, 36). Die These, dass Leib und Seele
dieselben Empfindungen teilen, findet sich schon bei Aristoteles (An. 403
a 15ff.: ʿȹȳȴȯ Ȯ ȴȫ Ƚ ȽȻ ɁȾɀȻ ą Ȳȱ ą ȷȽȫ ȯȷȫȳ ȶȯȽ ȼѡȶȫȽȹȻ..
ʶȶȫ ȭ Ⱥ ȽȹѠȽȹȳȻ ą ȼɀȯȳ Ƚȳ Ƚ' ȼHȶȫ) und Lucr. 3, 175: ergo corpoream
naturam animi esse necessest/ corporeis quoniam telis ictuque laborat; Nemes. De
nat. hom. 79 p. 21 Morani. Bemerkenswert ist auch, dass Tertullian in An.
58, 4 behauptet, die Seele könne selbst bei körperlichem Leid gleichmütig
oder gar fröhlich bleiben (mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich
bei diesem Punkt um einen Zusatz von Tertullian selbst).
Aus dem Text von § 6 besteht SVF II, 791; dieselbe Textpassage
Chrysipps wird in SVF II, 790 überliefert: ȦȺѠȼȳąąȹȻ Ȯ ȿȱȼȳȷ *Ƚȳ (
Ȳ ȷȫȽ&Ȼ ȼȽȳ ɁȾɀȻ ɀɂȺȳȼȶ'Ȼ ʱą' ȼ@ȶȫȽȹȻ; man denke an Lukrez’
Definition des Todes als discidium (Lucr. 3, 341). Den Ausdruck manum
porrigere findet man oft bei Tertullian (Res. 53, 5; Marc. 3, 24, 12; 4, 41, 4),
im Falle Chrysipps handelt es sich aber um eine Bezugnahme auf die Sta-
tue im Keramikos, die den stoischen Schulleiter beim Lehren mit ausge-
streckter Hand darstellte: vgl. Cic. Fin. 1, 39: statua est in Ceramico Chrysippi
sedentis porrecta manu; vgl. auch Pohlenz 1948, 29: wenn die Quelle dieses
Details wirklich Cicero ist, dürfte Tertullian selbst diese Metapher einge-
fügt haben.
134 Kommentar

3 — Tert. An. 6, 6-7 ~ 38, 3.


[a] Zur Seele, die sich von unkörperlichen Stoffen ernährt, zitiert Waszink
die Beispiele von Platon (Phaed. 84 a 8) und Nemesios (De nat. hom. 72),
vgl. die Einleitung. Das hier vorliegende Testimonium wurde Xenokrates
zugeschrieben (fr. 204, Isnardi-Parente 1982, 396-397, vgl. auch den
Kommentar: in seiner Verteidigung der absoluten Unkörperlichkeit der
Seele könnte Xenokrates auch gegen die Theorie polemisiert haben, der
zufolge die Seele durch das erste Element »ernährt wird«); vgl. auch Nu-
menios, fr. 4 des Places. Das Prinzip, dem zufolge das Ähnliche das Ähn-
liche nährt, hat in der Geschichte der Philosophie Tradition: vgl. Emped.
fr. 83 Gallavotti (= DK 31 B 90): BȻ ȭȵȾȴ1 ȶ ȷ ȭȵȾȴ1 ȶ ȺąȽȯ, ąȳȴȺ'ȷ
ȮP ą ąȳȴȺ'ȷ ,ȺȹȾȼȯ / )ȸ1 ȮP ąP ąȹȸ<0ȽȯȺȹȷ>, ȮȫȯȺ'ȷ ȮȫȯȺȹ8 ȵ Ȭȯ
Ƚ ȼȮȯ; vgl. auch Macrobius, Sat. 7, 5, 17: scimus autem similibus similia nutri-
ri… singula ad se similitudinem sui rapere testis Empedocles. In diesem Fall wurde
das Prinzip von der platonischen Quelle, die Nemesios und Soranos ge-
meinsam war, wahrscheinlich herangezogen, um die Andersartigkeit der
Seele gegenüber der sinnlich wahrnehmbaren Welt sowie die Existenz
einer intelligiblen Stufe zu beweisen.
Soranos hatte wahrscheinlich den Text des Xenokrates nicht direkt ge-
lesen: der Kontakt mit dem dritten Schulleiter der Akademie wurde viel-
leicht durch das alexandrinische Milieu ermöglicht, wie wir aufgrund der
Bezugnahme auf Ammonios und Numenios bei Nemesios vermuten kön-
nen (es handelt sich hier um fr. 4 des Places des Philosophen von Apa-
meia). Zu dem An. 6, 6 entommenen Zeugnis vgl. Pigeaud 1989, 79ff.
[b] Die Stelle An. 38, 3 wurde derselben Abteilung zugeordnet, in der
Körperlichkeit und Sterblichkeit der Seele durch den Umstand bewiesen
werden, dass die Seele sich von Stofflichem ernährt. Soranos ist argumenta-
tor, nicht nur Quelle gelehrter Angaben; dass die Seele durch körperliche
Stoffe ernährt wird, ist an sich eine allgemeine Folge des Materialismus
der hellenistischen Seelenlehre; hier bleibt allerdings im Dunkel, ob Sora-
nos sich von den Stoikern distanziert, denen zufolge sich die Seele von
Blut ernährt (SVF I, 140), oder ob der Arzt (wie auch Galen) einen Vor-
gang voraussetzte, innerhalb dessen die Nahrung das Blut und das Blut
wiederum die Seele ernährt (vgl. die Einleitung).

4 — Tert. An. 8, 3 ~ Anon. Lond. 31, 25 – 32, 26.


Die Testimonien [a] und [b] behandeln aus zwei verschiedenen Gesichts-
punkten dasselbe Thema, d.h. Gewichtsabweichung bei Entfernung eines
Körpers oder Zugabe eines Körpers zu einem anderen; im ersten Fall ist
der Schwerpunkt die Psychologie, im zweiten die Physik; es handelt sich
allerdings um zwei Aspekte derselben Problematik. Die Stelle [a] ist im
Kommentar 135

Prinzip klar: Soranos antwortet gegen einen platonischen Einwand: wenn


man per absurdum die Körperlichkeit der Seele annimmt, müsste der Kör-
per eines Verstorbenen leichter als der eines Lebenden sein, denn erste-
rem fehlt das Gewicht der Seele; tatsächlich passiert allerdings das Gegen-
teil.
Im selben Kontext sollte auch Zeugnis [b] gesehen werden; in diesem
Fall ist aber eine Deutung erschwert aufgrund des unzusammenhängen-
den und unklaren Gedankengangs, so dass selbst eine reine Paraphrase
sehr schwierig erscheint. Das oben genannte platonische Argument wider-
legen jetzt die Empiriker mit dem Ziel, zu beweisen, dass in manchen
Fällen aus der Zugabe eines anderen Körpers ein Gewichtsverlust resul-
tiert. Zwei Beispiele werden angeführt: im ersten ist der mit Luft aufgebla-
sene Schlauch leichter als der leere; im zweiten ist der beseelte Körper
leichter als der unbeseelte. Diesem letzten Beispiel (unter philosophischen
Gesichtspunkten von minderer Qualität) fügt der Anonymus das Beispiel
der Tür hinzu: wenn man einer Wand (Bau-)Stoff entnimmt, wird die Tür
größer. Nach den zwei Beispielen ist die Stellungnahme der Hauptquelle
zu lesen (d.h. des Soranos); das Beispiel der Tür wird zuerst verworfen: die
Tür wird größer, weil man der Wand (Bau-)Stoff entnimmt, und nicht,
weil man derselben Tür Stoff hinzufügt.
Das Argument, welches die Seele betrifft wird nur unter der Bedin-
gung angenommen, dass eine Präzisierung erfolgt: die Seele kann durch-
aus durch ihre Anwesenheit einen Gewichtsverlust verursachen, weil sie
leicht ist und den beseelten Körper leichter macht; Gewichtszunahme
kann es nur geben, wenn ein schwererer Körper hinzugefügt wird. Die
Erklärung dieses Phänomens steht mit der Definition der Seele als ąȷȯ8ȶȫ
in Zusammenhang, d.h. sie stimmt auch mit der stoischen Lehre überein
(SVF I, 146: ąȹȵȾɀȺџȷȳȹȷ ąȷȯ8ȶȫ; II, 773: ąȷȯ8ȶȫ ʿȷȲȯȺȶȹȷ ȴȫ
Ȯȳ ąȾȺȹȷ; SVF II, 778: ąȷȯ8ȶȫ ȼȾȶȿȾ Ȼ). Auch in diesem Fall finden wir
einen peripatetischen Spross, der in den stoischen Baumstamm verpflanzt
wurde: der Ausdruck ȽȯȷȯȽȫȳ ʵȷɂ findet sich nicht in den stoischen
Fragmenten, hat aber eine Parallele bei Aristoteles Phys. 4, 208 b 10ff.:ȱ
ȿɃȺȯȽȫȳ ȭ Ⱥ ˀȴȫȼȽȹȷ ȯȻ Ƚ'ȷ ȫ2Ƚȹ8 Ƚџąȹȷ ȶ ȴɂȵȾџȶȯȷȹȷ, Ƚ' ȶ ȷ
ʵȷɂ Ƚ' Ȯ ȴȪȽɂ... ȹ3 ȭ Ⱥ * Ƚȳ ʿȽȾɀɃȷ ȼȽȳ Ƚ' ʵȷɂ, ʱȵȵ’ *ąȹȾ
ȿɃȺȯȽȫȳ Ƚ' ą8Ⱥ ȴȫ Ƚ' ȴȹ8ȿȹȷ· (ȶȹɅɂȻ Ȯ ȴȫ Ƚ' ȴȪȽɂ ȹ3ɀ * Ƚȳ
ʿȽȾɀȯȷ, ʱȵȵ’ *ąȹȾ Ƚ ʿɀȹȷȽȫ ȬȪȺȹȻ ȴȫ Ƚ ȭȯȱȺȪ.ȱ
[a] Zur Definition des Soranos als methodicae disciplinae instructissimo auc-
tore vgl. Cael. Aur. Morb. chron. 1, 1, 50: methodicorum princeps und Hanson -
Green 1994, 970. Mit dem Beispiel des Meeres widerspricht Soranos den
Vertretern einer Unkörperlichkeit der Seele: das Meer trägt das Gewicht
der Schiffe, seine körperliche Natur ist allerdings unumstritten. Für die
Parallelen sind die von Waszink angeführten Materialien unentbehrlich:
136 Kommentar

vgl. Lucr. 3, 228-230: fugiens nihil ponderis aufert; Corp. Herm. 10, 13: Ƚ'
ąȷȯ8ȶȫ Ȯȳȴȹȷ Ȯȳ ȿȵȯȬHȷ ȴȫ ʱȺȽȱȺȳHȷ ȴȫ ȫȶȫȽȹȻ ȴȳȷȯ Ƚ' ȰNȹȷ
ȴȫ DȼąȯȺ ȽȺџąȹȷ Ƚȳȷ ȬȫȼȽȪȰȯȳ. Von großem Interesse scheint mir
auch eine Textpassage aus Ainesidemos (!) ap. Diog. Laert. 9, 85 p. 691, 1-
3 Marc.: ȴȫ ( ȷ ʱɃȺȳ 2ą' ȮȾȹȷ ȴȹȾȿȳȰџȶȯȷȹȻ ȵɅȲȹȻ ȷ 4ȮȫȽȳ .ˤȮɅɂȻ
ȶȯȽȫȽɅȲȯȽȫȳ, ˅Ƚȹȳ ȬȫȺ1Ȼ Gȷ ȴȫ 2ą' Ƚȹ8 4ȮȫȽȹȻ ȴȹȾȿȳȰџȶȯȷȹȻ ˃
ȵȫȿȺ'Ȼ Gȷ ȴȫ 2ą' Ƚȹ8 ʱɃȺȹȻ ȬȫȺȾȷџȶȯȷȹȻ; ebenfalls aus skeptischem
Kreis vgl. Sext. Emp. Pyrrh. Hyp. 1, 125 p. 33: Ƚ' ȼHȶȫ 2ą' 4ȮȫȽȹȻ ȶ ȷ
ąȯȺȳȯɀџȶȯȷȹȷ ȴȹ8ȿџȷ ȼȽȳ, 2ą' Ȯ Ƚȹ8 ʱɃȺȹȻ ȬȫȺ0. Um gegen die Pla-
toniker zu polemisieren, scheint Soranos sich opportunistisch ein skepti-
sches Argument angeeignet zu haben: das Gewicht der Körper ist nicht
objektiv mit der Masse der Körper verbunden, es kann auch von äußeren
Umständen beeinflusst werden (es handelt sich um den vierten Tropos,
ąȯȺ Ƚ Ȼ ąȯȺȳȼȽ ȼȯȳȻ, vgl. Pyrrh. Hyp. 1, 100 p. 27).
[b] Zum Vergleich des beseelten Körpers mit einem Schlauch, der mit
Luft aufgeblasen wurde, vgl. Anon. Lond. 27, 11ff.: ȷȫɅ, ȿȫȼȷ ȹ
϶ȺȫȼȳȼȽȺȪȽȯȳȹȳ, ȹ3ȴ ʿȹȳȴȯ Ƚ ˂ȶɃȽȯȺȫ ȼѡȶȫȽȫ ȽȹȻ ʱȼȾǽȶǽą[Ƚѡ]ȽȹȳȻ
ȼѡȶȫȼȳȷ, ʴ [ȴȾȺɅɂȻ] ȴǽȫǽȽǽɂǽȷџȶȫȼȽȫȳ, [ʱȵ(ȵ )] ʱȼȴHȳ ȷąǽȯǽąȵȱȺɂȶɃȷɂǽȳǽ
2ǽȭǽȺȹ8 ȴȫ ǽȶǽąǽȯǽąȷȯǽȾȶȫȽɂǽȶǽɃȷɂȳ ɂǽȼȹǽ[.]ȷȹǽȷǽ, +ǽȻ ȽȺɂȲȯȻ ʱąȹȴǽȺȯɅ[ȷȯȳ] Ȯȳ’
ȫ2Ƚȹ8 Ƚџ Ƚȯ ąȷȯ8ȶȫ ȴȫ 2ȭȺџȷ. Vgl. Simpl. Comm. de cael. 311 b 44. Die-
se Analogie ist allerdings in der hellenistischen Psychologie recht verbrei-
tet: vgl. Iambl. De an. 36 p. 64, 22ff. Finamore-Dillon (= Stob. Anth. 1, 49,
43 p. 384 W.):ȱȯ Ȯ ąȫȺɃȼąȫȺȽȫȳ ȶ ȷ ȴȫ ʿȷȯȼȽȳȷ ˂ ɁȾɀ ȽN ȼѡȶȫȽȳ
ȴȫȲȫąȯȺȯ ʱȼȴN ąȷȯ8ȶȫ, ąȯȺȳȯɀȹȶɃȷȱ ˃ ȼȾȶȶȳȭȷȾȶɃȷȱ ąȺ'Ȼ ȫ3Ƚ' ȴȫ
ȭȴȳȷȹȾȶɃȷȱ DȼąȯȺ Ƚ ȷ ȽN ʱɃȺȳ ȸѠȼȶȫȽȫ Ȯȳ ȽHȷ ȲȾȺɅȮɂȷ
ȿȫȳȷџȶȯȷȫ, Ȯȵџȷ ąȹȾ Ƚȹ8Ƚȹ *Ƚȳ ʿȸȯȳȼȳȷ ȶ ȷ ʱą' Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ, ȷ Ȯ
ȽN ȴȬȫɅȷȯȳȷ ȮȳȫȿȹȺȯȽȫȳ ȴȫ ȮȳȫȼȴȯȮȪȷȷȾȽȫȳ, DȼąȯȺ ȕȱȶџȴȺȳȽȹȻ ȴȫ
϶ąɅȴȹȾȺȹȻ ʱąȹȿȫɅȷȹȷȽȫȳ...ȱ (besonders auffallend ist die Überlagerung
der demokriteischen Lehre durch die epikureische), dieselbe Analogie ist
Voraussetzung für die lukrezische Beschreibung des Todes: Lucr. 3, 434:
nunc igitur quoniam quassatis undique vasis/ diffluere umorem et laticem discedere
cernis/ et nebula ac fumus quoniam discedit in auras/ crede animam quoque diffundi
multoque perire.ȱ
ȴ ȬPȽȹѠȽɂȷ ȼȾȷ ȼȽȱȴȯȷ: vgl. Anon. Lond. 21, 13-14: ȼȾȷ ȼȽȱȴȯȷ Ȯ
( ʵȷȲȺɂąȹȻ ȴ ɁȾɀȻ ȴȫ ȼ@ȶȫȽȹȻ; Pollux, Onom. 2, 226 p. 106:
ȼ0ȭȴȯȳȽȫȳ ȶ ȷ Ȯ ( ą˦Ȼ ʵȷȲȺɂąȹȻ ȴ ɁȾɀȻ Ƚȯ ȴȫ ȼ@ȶȫȽȹȻ; Tert. An.
51, 1: opus autem mortis in medio est, discretio corporis animaeque; SVF II, 790; es
handelt sich auf jeden Fall um eine in nichtplatonischen Kreisen verbreite-
te Lehre: aber vgl. auch Nemes. De nat. hom. 1, p. 1 Morani: Ƚ'ȷ
ʵȷȲȺɂąȹȷ ȴ ɁȾɀȻ ȷȹȯȺ˦Ȼ ȴȫ ȼ@ȶȫȽȹȻ ʵȺȳȼȽȫ ȴȫȽȯȼȴȯȾȫȼȶ ȷȹȷ;
Dörrie 1959, 50.
Kommentar 137

5 — Tert. An. 8, 4.
Eine weitere Textpassage, die von der antiplatonischen Polemik zugunsten
des Materialismus geprägt ist. Soranos antwortete denjenigen, welche die
Körperlichkeit der Seele deswegen ablehnten, weil sie nicht mit den Sin-
nen wahrgenommen wird (letztere These wurde auch von Alexander von
Aphrodisia vertreten, vgl. SVF II, 794 = De anima mant. p. 113, 31 Bruns:
<ʿȽȳ> ȯ ˂ ɁȾɀ ȼHȶȫ, ą˦ȷ Ȯ ȼHȶȫ ȶȳ˧ ȭɃ Ƚȳȷȳ ȫȼȲɄȼȯȳ ȫȼȲȱȽ'ȷ
Ƚ ȫ2Ƚȹ8 ȿѠȼȯȳ (ȵɃȭɂ Ȯ ąȯȺ ȽHȷ ȷȯȺȭȯɅˤ ,ȷȽɂȷ ȼɂȶȪȽɂȷ ȴȫɅ, DȻ
ȿȫȼȳȷ ȫ3ȽȹɅ, ąȯąȹȳɂȶɃȷɂȷ), ȯȱ ʳȷ ȴȫ ˂ ɁȾɀ ȫȼȲȱȽɄ (ȹ3 ȭ Ⱥ Ȯ
ʵąȹȳџȷ ȭȯ ȼHȶȫ ȫ3Ƚȷ Ⱥȹ8ȼȳȷ, ʿȼȽȫȳ ȭ Ⱥ 4ȵȱ)· ȹ3ȴ ʿȼȽȳȷ ȮɃ· ȹ3ȴ
ʵȺȫ ȼHȶȫ). In seiner polemischen Antwort verwendet Soranos erneut ein
skeptisches Argument gegen die Geistesmetaphysik: die Seele sei für die
Menschen unsichtbar infolge der Struktur der menschlichen Sinnesorgane,
für andere Lebewesen könne sie sehr gut sichtbar sein (es handelt sich um
den dritten Topos, ąȫȺ Ƚ Ȼ ȮȳȫȿџȺȹȾȻ ȽHȷ ȫȼȲȱȽȱȺɂȷ ȴȫȽȫȼȴȯȾ Ȼ:
vgl. Sext. Emp. Pyrrh. Hyp. 1, 36). Auch zu den Beispielen finden sich bei
Sextus Empiricus Parallelen: das der Eulen befindet sich nach der Angabe
Waszinks auch in Adv. Math. 9, 247 (( ˆȵȳȹȻ… ȴȫ ˂ȶȷ ȶ ȷ Ƚȹ8 (Ⱥ˦ȷ
ȫȽȳȹȻ ȭɅȷȯȽȫȳ, ȽȹȻ ȷȾȴȽȳȷџȶȹȳȻ Ȯ ȽHȷ )ȺȷɅȲɂȷ, ȹ ȹȷ ȭȵȫȾȸ ȴȫ
ȷȾȴȽȯȺɅȼȳ, Ƚȹ8 ȶ (Ⱥ˦ȷ ); das Beispiel des Adlers liest man bei Plin. Nat.
Hist. 10, 3, 3 (haliaetus tantum implumes etiamnum pullos suos percutiens subinde
cogit adversus intueri solis radios, et, si coniventem umectantemque animadvertit, prae-
cipitat e nido velut adulterinum atque degenerem; illum cuius acies firma contra stetit
educat); es ist nicht ausgeschlossen, dass das Adlerbeispiel von Tertullian
mit dem Text des Naturforschers kontaminiert wurde; als weit zurücklie-
gende Quelle sollten wir uns allerdings auch an den Aristotelestext erin-
nern: Met. 1, 993 b 10: DȼąȯȺ ȭ Ⱥ Ƚ ȽHȷ ȷȾȴȽȯȺɅȮɂȷ ,ȶȶȫȽȫ ąȺ'Ȼ Ƚ'
ȿɃȭȭȹȻ ʿɀȯȳ Ƚ' ȶȯȲ’ ˂ȶɃȺȫȷ, ȹ4Ƚɂ ȴȫ ȽȻ ˂ȶȯȽɃȺȫȻ ɁȾɀȻ ( ȷȹ8Ȼ
ąȺ'Ȼ Ƚ Ƚ ȿѠȼȯȳ ȿȫȷȯȺѡȽȫȽȫ ąȪȷȽɂȷ.

6 — Tert. An. 9, 1; 9, 5.
Das neunte Kapitel von Tertullians De anima enthält verschiedene Ele-
mente (z.B. die Bibelzitate, die Vision der soror), die auf keinen Fall Sora-
nos zugeschrieben werden können; aber innerhalb dieses Textabschnitts
»the note concerning the trifariam distantivum in § 1 and the doxographical
material found in § 5 must be traced back to the Ephesian« (Waszink
1947, 163). Viel schwieriger ist die Herkunft der Materialien zu bestim-
men, die wir nach § 5 lesen, d.h. des Arguments der Platoniker, dem zu-
folge alles, was ausgedehnt ist, körperlich und aus verschiedenen Elemen-
ten zusammengesetzt und folglich auflösbar ist. Der von Tertullian Platon
zugeschriebene Syllogismus ist eigentlich eine Kollage verschiedener Stel-
138 Kommentar

len: vgl. Phaed. 78 c 1-2: ȽN ȼȾȷȽȯȲ ȷȽȳ Ƚȯ ȴȫ ȼȾȷȲ ȽL ,ȷȽȳ ȿѠȼȯȳ
ąȺȹȼȴȯȳ Ƚȹ8Ƚȹ ą ȼɀȯȳȷ, ȮȳȫȳȺȯȲȷȫȳ; Phaedr. 247 c 6: ˂ ȭ Ⱥ
ʱɀȺѡȶȫȽџȻ Ƚȯ ȴȫ ʱȼɀȱȶ ȽȳȼȽȹȻ ȴȫ ʱȷȫȿȻ ȹ3ȼȫ.. ɁȾɀȻ ȴȾȬȯȺȷȽ
ȶџȷL ȲȯȫȽ ȷN (Waszink 1947, 165-166); diese Zusammenstellung ist
nicht auf Tertullian zurückzuführen, es ist jedoch unklar, ob der Verfasser
Albinos oder Soranos selbst ist. »It is impossible to decide whether the
present argument was formulated by later Platonists and handed down to
Tert. by Soranus or was constructed by Tert. himself [was allerdings un-
wahrscheinlich scheint]«; es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit
um eine mittelplatonische Quelle: vgl. Alcin. Did. 25, p. 48, 24 Whittaker-
Louis: ȶȹȷȹȯȳȮȻȊ ȹ3ȴȹ8ȷ ʱȼѠȷȲȯȽȹȻ. ʱȮȳ ȵȾȽȹȻ, ʱȼȴ ȮȫȼȽȹȻ. Soranos
musste der eingekörperten Seele infolge ihrer körperlichen Struktur auch
eine Gestalt zuschreiben; es bleibt aber im Dunkel, ob die ɁȾɀ eine eige-
ne oder eine vom Leib abhängige Gestalt besitzt (zugunsten der ersten
Hypothese vgl. Karpp 1934, 44), und – wie im Falle Chrysipps – nach
dem Tod wieder gestaltlos wird (vgl. SVF II, 815-816 und die Einleitung;
unklar ist, ob die Seele bei Soranos auch nur für kurze Zeit nach dem Tod
überlebt). Noch dunkler ist, ob Soranos dem Stoff des psychischen Prin-
zips eine Farbe zuschrieb; die Antwort Tertullians ist uneingeschränkt
bejahend: vgl. An. 9, 5 (= T 6): quem igitur alium animae aestimabis colorem
quam aerium ac lucidum?; aber diese Äußerung ähnelt zu sehr der Vision der
montanistischen Prophetin, deren Meinung in § 4 erwähnt wird (An. 9, 4:
tenera et lucida et aerii coloris et forma per omnia humana). Es mag sein, dass die
montanistische Prophetin in der Beschreibung ihrer Vision wiederholte,
was Tertullian in seiner Homilie über die Seele behauptet hatte; aber es ist
unmöglich zu bestimmen, ob Soranos der Seele die oben genannte blau-
graue Farbe zuschrieb (vgl. die Einleitung).
[b] Zu Anaximenes vgl. Aët. 1, 3, 4 (*ȵȹȷ Ƚ'ȷ ȴ&ȼȶȹȷ ąȷȯ8ȶȫ ȴȫ
ʱȺ ąȯȺȳɃɀȯȳ = DK 13 B 2); zu Heraklit vgl. Sext. Emp. Adv. Math. 9, 360
(Waszink), aber auch DK 22 B 12 (Ƚȷ ɁȾɀȷ ȵ ȭȯȳ ȫȼȲȱȽȳȴȷ
ʱȷȫȲȾȶɅȫȼȳȷ) und dagegen DK 22 B 36 (Ursprung der ɁȾɀ ist das Was-
ser). Zu Herakleides Pontikos vgl. Aët. 4, 36; vgl. Wehrli 1953, aus dem
hier vorliegenden Zeugnis besteht fr. 98 c; vgl. auch Stob. 1, 49, 1 p. 320
W.: ϽȺȫȴȵȯȮȱȻ ȿɂȽȹȯȳȮ Ƚȷ ɁȾɀȷ BȺȼȫȽȹ; Macr. Somn. Scip. 1, 14,
19: Heraclides Ponticus lucem. Die Anhäufung gelehrter Materialien und vor
allem die Berührungspunkte mit Ainesidemos sind ein ausreichendes Ar-
gument, um die doxographische Abteilung Soranos zuschreiben zu kön-
nen; schwierig bleibt die Frage nach der Farbe der Seele (zu diesem Frag-
ment vgl. Diels 1929, 209-210; Waszink 1947, 173-174; zu dieser Passage
vgl. auch Polito 2004, 139ff.).
Kommentar 139

7 — Tert. An. 10, 4-5.


Aus dem hier vorliegenden Text des Herophilos besteht fr. 66 von Staden
(1989, 190). Herophilos von Chalkedon war Schüler des Praxagoras und
wirkte im Ägypten unter Ptolomaios Soter (323-283 v.Chr.) und Ptole-
maios Philadelphos (283-246); ausgehend von rationalistischen Annahmen
entwickelte sich Herophilos in die empirische Richtung und stand unter
skeptischem Einfluss (vgl. auch Vegetti 1993, 84ff.; 89ff.). Die Polemik
gegen die Anatomie ist typisch für Soranos und wird bei ihm mit der Beo-
bachtung begründet, dass während der Sezierung der Tod die Struktur
und die Funktionen des Leibes verändern kann (zu einer positiven Bewer-
tung der Sezierung vgl. Heroph. apud Cels. fr. 63 A von Staden). Zur
Bezugnahme auf die Philosophen vgl. Arist. An. 1, 411 a 1: ȶ ą ȷȽȫ
ʱȷȫąȷȯѠȹȾȼȳ Ƚ ȰNȫ; Hist. An. 4, 9; Plin. Nat. Hist. 11, 266: vocem non
habere nisi quae pulmonem et arterias habeant, hoc est nisi quae spirent, Aristoteles
putat. Zur Zuschreibung an Soranos vgl. Waszink 1947, 183: »the most
plausible solution seems to be that Tert. in this passage follows Soranus,
but also consulted Pliny, from whom he borrowed the last argument
which he advances (d.h. das Argument, dem zufolge man die Funktion
ohne das zuständige Organ ausüben kann)«.

8 — Tert. An. 12, 2.


Der doxographische Überblick bietet nun eine Bewertung des Anaxago-
ras: die hier angeführten Angaben stimmen mit DK 59 B 12 überein (ʿȼȽȳ
ȭ Ⱥ ȵȯąȽџȽȫȽџȷ Ƚȯ ąȪȷȽɂȷ ɀȺȱȶȪȽɂȷ ȴȫ ȴȫȲȫȺѡȽȫȽȹȷ, ȴȫ ȭȷѡȶȱȷ
ȭȯ ąȯȺ ąȫȷȽ'Ȼ ą˦ȼȫȷ ȼɀȯȳ ȴȫ ȼɀѠȯȳ ȶɃȭȳȼȽȹȷ· ȴȫ *ȼȫ ȭȯ ɁȾɀȷ
ʿɀȯȳ ȴȫ Ƚ ȶȯɅȰɂ ȴȫ Ƚ ȵȪȼȼɂ, ąȪȷȽɂȷ ȷȹ8Ȼ ȴȺȫȽȯ). Hinsichtlich
der Gleichsetzung von animus und anima bei Anaxagoras und der gegen
diesen Widerspruch gerichteten Kritik ist Soranos wahrscheinlich von
Aristoteles abhängig, vgl. An. 1, 404 b 1ff.: ϮȷȫȸȫȭџȺȫȻ Ȯ’ ˈȽȽȹȷ
Ȯȳȫȼȫȿȯ ąȯȺ ȫ3ȽHȷ· ąȹȵȵȫɀȹ8 ȶ ȷ ȭ Ⱥ Ƚ' ȫȽȳȹȷ Ƚȹ8 ȴȫȵHȻ ȴȫ
)ȺȲHȻ Ƚ'ȷ ȷȹ8ȷ ȵɃȭȯȳ, ʼȽɃȺɂȲȳ Ȯ Ƚȹ8Ƚȹȷ ȯȷȫȳ Ƚȷ ɁȾɀȷ. Die Anga-
ben, die in diesem Paragraphen über Aristoteles gemacht werden, können
laut Waszink auf De anima zurückgeführt werden; differret stimmt insbe-
sondere mit 413 b 24 überein: ąȯȺ Ȯ Ƚȹ8 ȷȹ8 ȴȫ ȽȻ ȲȯɂȺȱȽȳȴȻ
ȮȾȷȪȶȯɂȻ ȹ3ȮɃȷ ąɂ ȿȫȷȯȺџȷ, ʱȵȵ’ ʿȹȳȴȯ ɁȾɀȻ ȭɃȷȹȻ ˀȽȯȺȹȷ ȯȷȫȳ, ȴȫ
Ƚȹ8Ƚȹ ȶџȷȹȷ ȷȮɃɀȯȼȲȫȳ ɀɂȺɅȰȯȼȲȫȳ; die Unerschütterlichkeit und die
Reinheit des Geistes nehmen allerdings Bezug auf 430 a 17: ( ȷȹ8Ȼ
ɀɂȺȳȼȽ'Ȼ ȴȫ ʱąȫȲȻ ȴȫ ʱȶȳȭȻ; gegen die Existenz eines von außen
kommenden göttlichen Geistes (De gen. an. 2, 3, 736 b 27) hatte Aristoteles
zu verstehen gegeben, dass der Nous in der Seele bleibt (ȷ Ƚ ɁȾɀ, die
viel diskutierte Passage De an. 3, 430 a 13). Es ist selbstverständlich, dass
140 Kommentar

der Bezug auf Aristoteles und die derart eng am griechischen Text gehal-
tene Paraphrase nicht von Tertullian selbst eingefügt worden sein können,
sondern von Soranos stammen; die Immanenzpsychologie unseres Arztes
ist der Grund für die Polemik gegen den transzendenten Nous bei Anaxa-
goras und Aristoteles; vgl. Waszink 1947, 35*; interessant sind diese Aris-
toteleszitate im Traktat des Soranos deswegen, weil sie das erneuerte Inte-
resse an der Psychologie des Aristoteles bezeugen, welches bald nach der
von Andronikos beförderten Aristotelesrenaissance (d.h. noch vor Ale-
xander von Aphrodisia) aufkam.

9 — Tert. An. 12, 5-6.


Der Einwand des Soranos ist typisch für die Immanenzpsychologie: wenn
die Seele ganz anders als der Leib und unerschütterlich ist, lässt es sich
nicht erklären, wie sie dennoch mit diesem in Verbindung stehen kann.
Wenn es keine Verbindung zwischen Seele und Leib gibt, versteht man
nicht, warum man dann die Existenz der Seele annehmen kann.
Die Angabe über Demokrit stammt auch in diesem Fall von Aristote-
les: vgl. An. 1, 404 a 27: ȴȯȷȹȻ ȶ ȷ ȭ Ⱥ ʲąȵHȻ Ƚȫ3Ƚ'ȷ ɁȾɀȷ ȴȫ ȷȹ8ȷ
[DK 68 B 101] = Aët. 4, 5, 12 ȡȫȺȶȯȷȮȱȻ ȴȫ ϶ȶąȯȮȹȴȵȻ ȴȫ
ȕȱȶџȴȺȳȽȹȻ Ƚȫ3Ƚ'ȷ ȷȹ8ȷ ȴȫ ɁȾɀȷ [DK 28 A 45]; vgl. auch Arist. An.
405 a 5; Waszink 1947, 201.

10 — Tert. An. 14, 2.


In diesem erneuten doxographischen Überblick sind die Denker nach der
zunehmenden Anzahl der Seelenteile sortiert. Die Zweiteilung (nicht Drei-
teilung) der platonischen Seele wird auch von Tertullian bestätigt und
stimmt mit dem Anonymus Londinensis überein: vgl. Tert. An. 16, 1;
Anon. Lond. 15, 26ff.: ȫ3ȽȻ Ƚȯ ȽȻ ɁȾɀȻ ȭP [num ȬP?] ȶɃȺȱ (ȯȷȫȳ)
ȵɃȭɂȷ Ƚ' ȶ( ȷ) ȵȹȭȳȼȽȳȴ'ȷ [BȻ )ɀȾȺɂȽȪȽɂȳ] ȽHȳ ȷ[ȴȯ]ȿȪȵɂȳ
ʱąȹȵȯɅąȯ[ȳ, Ƚ' ȶ(Ƀȷ)Ƚȹȳ ʵȵȹȭ]ȹȷ ȶɃȺȹ[Ȼ] ȫ3ȽȻ ȷ ȽHȳ ȷ[ɂȽȳȫɅɂȳϤ
ȶȾ]ȯȵHȳ; vgl. auch Cic. Tusc. 4, 5, 10-11: quoniam quae Graeci ą Ȳȱ vocant
nobis perturbationes appellari magis placet quam morbos, in his explicandis veterem
illam equidem Pythagorae primum, dein Platonis descriptionem sequar qui animum in
duas partes dividunt, alteram rationis participem faciunt, alteram expertem; die Do-
xographie hatte offensichtlich die platonische Seelenlehre auf der Grund-
lage eines zweigeteilten Schemas eingeordnet, vgl. Aët. 4, 4, 1 p. 389 Diels:
ȡȾȲȫȭџȺȫȻ ȡȵ Ƚɂȷ ȴȫȽ ȶ ȷ Ƚ'ȷ ʱȷɂȽ Ƚɂ ȵџȭȹȷ ȮȳȶȯȺ Ƚȷ ɁȾɀɄȷ,
Ƚ' ȶ ȷ ȭ Ⱥ ʿɀȯȳȷ ȵȹȭȳȴџȷ, Ƚ' Ȯ ʵȵȹȭȹȷ; vgl. auch Pigeaud 1989, 273ff.
Was Zenon betrifft, so wissen wir, dass die Stoiker die Seele in acht und
nicht drei Teile unterteilten (d.h. die fünf Sinne, das Hegemonikon, das
Stimm- und das Reproduktionsvermögen: vgl. SVF II, 828ff.), so dass
Kommentar 141

auch der Bezug auf Zenon nicht ganz klar ist (vgl. SVF I, 144: in diesem
Fall werden vielleicht die fünf Sinne als ein einheitliches Vermögen und
das Hegemonikon als gesonderte Funktion betrachtet); den durch eine
Konjektur des Pamelius rekonstruierten Namen des Aristoteles sollten
wir mit Bezug auf An. 2, 414 a 31 (ȲȺȯąȽȳȴџȷ, ȫȼȲȱȽȳȴџȷ, )ȺȯȴȽȳȴџȷ,
ȴȳȷȱȽȳȴ'ȷ ȴȫȽ Ƚџąȹȷ, ȮȳȫȷȹȱȽȳȴџȷ) erklären, was mit einer doxographi-
schen Angabe Theodorets übereinstimmt (Therap. 5, 20: ( Ȯ Ȟȳȴȹȶ ɀȹȾ
ą ȷȽȯ ȯȷȫȳ Ƚȫ0ȽȱȻ ʿȿȱȼȯȷ ȷȯȺȭȯȫȻ); die Angabe über Panaitios
stimmt mit der Doxographie (Nemes. De nat. hom. 212) und mit einer
Passage Philons von Alexandria überein (De inc. p. 256, 7 = SVF II, 874:
bei Philon sind Spuren der Polemik des Panaitios gegen Chrysipp erhalten:
Panaitios habe das Reproduktionsvermögen als Teil der Seele ausgeschlos-
sen). Über die Einteilung der Seele nach Soranos haben wir keine weiteren
Angaben, die Vermutung Waszinks bleibt aber wahrscheinlich: der Arzt
hatte die acht Teile der stoischen Tradition übernommen, allerdings das
Stimmvermögen ausgeschlossen; die acht Teile, in die Chrysipp die Seele
eingeteilt hatte, sind die fünf Sinne, das Hegemonikon, das Stimmvermö-
gen und das Reproduktionsvermögen (SVF II, 823ff.); die Erwähnung des
Apollophanes wurde als Fragment SVF I, 405 aufgenommen, über die
Seelenlehre dieses Schülers des Ariston von Chios besitzen wir aber keine
weiteren Angaben. Sehr problematisch ist die Bezugnahme auf die zwölf
Teile, in die einige Stoiker (welche?) die Seele eingeteilt hatten; noch zu
bestätigen ist die Vermutung Waszinks, es handle sich hier um die sieben
geläufigen Teile und zudem um das in weitere vier Unterabteilungen ge-
teilte Hegemonikon. Ebenfalls problematisch ist die Angabe über Posei-
donios (fr. 147 Edelstein - Kidd= fr. 396 Theiler); die wahrscheinlichste
Lösung bietet die Erklärung, Poseidonios habe Vermögen und nicht Teile
der Seele unterschieden, basierend auf der Gegenüberstellung rational/
irrational und übergeordnet/ untergeordnet (vgl. auch die Erklärung von
Diels 1929, 206); es ist nicht ausgeschlossen, dass er die Anzahl der von
den Stoikern übernommenen Vermögen vergrößerte, aber es ist unmög-
lich, die Einzelheiten zu bestimmen. Für die Rekonstruktion der Lehre des
Soranos sollten wir nach dem Ausschlussverfahren vorgehen: in Kapitel
15 wird die Existenz des Hegemonikon behauptet; in Kapitel 17 verteidigt
Soranos die Zuverlässigkeit der fünf Sinne, so dass er sie wohl nicht als
Teile der Seele ausgeschlossen hat; Kapitel 27 verteidigt das Gewicht der
Seele bei der Reproduktion. Soranos nimmt also die Sinne, das Hegemo-
nikon und das Reproduktionsvermögen als Teile der Seele an, womit das
Stimmvermögen ausgeschlossen wäre. Der Arzt aus Ephesos zeigt damit
bei seinen Spekulationen auch eine gewisse Innovation, auch wenn die
Stoa sein Ausgangspunkt bleibt. Zu dieser Textpassage aus Tertullian vgl.
auch Mansfeld - Runia 2008, 141.
142 Kommentar

11 — Tert. An. 14, 4-5 ~ Pollux, Onom. 2, 236 p. 155 ~ Anon. Lond. 1,
21-24; 37, 47-49 ~ Etym. Orion. 100; 116-117; 169.
Dass die Seele durch die Poren mit der Außerwelt in Kontakt tritt, stimmt
mit der Vorstellung des Soranos überein, der zufolge der Leib nicht kom-
pakt, sondern porös und mit Kanälen ausgestattet ist: vgl. Anon. Lond.
37, 6-8: ȸ] Jȷ [ȿȫ]ȷȯȺџȷ, BȻ ȴȫ ȴȫȽ <Ƚ'> ȵџȭɂȳ ȲȯɂȺȱȽ'ȷ ȯȼȴȺȳȼȳȻ
ȭɅ(ȷȯȽȫȳ) ȯȻ ˂ȶ˦Ȼ. * ȴȫ ȶȷ ȴȫ ȴ(ȫȽ ) Ƚ' ȫȼȲȱ[Ƚ']ȷ ȯȼȴȺȳȼȳȻ
ȭɅ(ȷȯȽȫȳ); 37, 29: Ȯȳ ȽHȷ ȵџȭL ȲȯɂȺȱȽHȷ ą&Ⱥɂȷ; 38, 23-24: BȻ ȴȫ
ȯȼȴȺɅȷȯȽȫɅ Ƚȳȷȫ ȯȻ ˂ȶ˦Ȼ Ȯȳ ȽHȷ ȵџȭL ȲȯɂȺȱȽ(Hȷ) ą&Ⱥɂȷ ȽȻ
ȼȫȺȴ&Ȼ; 39, 30: [ȿȫȷȯȺ']ȷ Ƚȹȳȭ(ȪȺ)Ƚȹȳ ȴ ȽȹѠȽ(ɂȷ) ȴȫ Ƚ(Hȷ) ȽȹѠȽȹȳȻ
ąȫȺȫąȵȱȼɅɂȷ, BȻ ȵџȭL ȲȯɂȺȱȽȹ ąџȺȹȳ (ȯȼȷ) ȷ ˂ȶȷ ȴȫ ąȫȷȽ
ȰML.
Die Porentheorie wird also von Soranos systematisch entwickelt: der
Arzt benutzt sie nicht nur, um die Wahrnehmungstheorie wiederzubele-
ben, sondern auch, um auf den geistesmetaphysischen Einwand zu ant-
worten, die körperliche Seele könne nicht den körperlichen Leib durch-
dringen (vgl. T 35); vgl. Cael. Aur. Morb. Chr. 5, 10, 105: alii aiunt vias esse
latentes quas logotheoretas appellant, per quas liquida vel purulenta quadam exsuda-
tione ferantur.
Hierzu vgl. auch Waszink 1947, 209: »The short preface … is fol-
lowed by a long doxographical survey, which, just as the information con-
cerning Aristotle in § 3, and Aenesidemus in § 5 … has certainly been
borrowed from Soranus«.
[a] Zur Wahrnehmungslehre bei Heraklit zitiert Waszink DK 22 B 67
A (die hier vorliegende Stelle wurde allerdings nicht von Diels und Kranz
in die Testimoniensammlung aufgenommen). Die Angabe über Straton
von Lampsakos, den Nachfolger Theophrasts am Steuer des Peripatos,
wird von Aët. 4, 23, 3 bestätigt (Waszink); sie wurde als fr. 108 Wehrli
aufgenommen, das den Text von An. 14, 4 specta portentosissimam bis 14, 5
quam dispensata in das Testimonium einschließt (vgl. auch Pigeaud 1989,
37); zur Seele als pneumatischer, durch den ganzen Leib verstreuter Sub-
stanz vgl. Wehrli, 1950, frr. 107ff.; Repici 1988, 26ff. Sehr verbreitet ist die
Ansicht, die Sinnesorgane seien Öffnungen, die einen Kontakt der Seele
mit der Außenwelt ermöglichen: vgl. Cic. Tusc. 1, 20, 46; Varro Sat. Men.
fr. 290 Astbury: sensus portae; der engste Berührungspunkt ist aber bei Sex-
tus Empiricus zu finden, Adv. Math. 7, 349-350, fr. 109 Wehrli, vgl. die
Einleitung; Ibid. 7, 130: Ȯȳ ȽHȷ ȫȼȲȱȽȳȴHȷ ą&Ⱥɂȷ DȼąȯȺ Ȯȳ Ƚȳȷɂȷ
ȲȾȺȮɂȷ ąȺȹȴѠɁȫȻ; dies ist mit hohem Wahrscheinlichkeitsgrad auf So-
ranos zurückzuführen (Waszink 1947; vgl. auch Polito 1994, 464, nach
dem Soranos nie ein Skeptiker gewesen sei [das hat allerdings niemand
behauptet], sondern diese Materialien durch placita medica kennengelernt
habe – über die Existenz der placita medica wird allerdings keine Quelle
Kommentar 143

angeführt). Zu dieser Wahrnehmungstheorie vgl. noch Lucr. 3, 359-369


und Mansfeld 1990, 3067. Vgl. zum Phänomen in § 5 (= [b]), dass sich das
Wahrnehmungsvermögen den verschiedenen Funktionen (Geruchssinn
etc.) anpasst, aber stets dasselbe Vermögen bleibt, Calc. Comm. Tim. 214 p.
229 Waszink: isque communis sensus est tactus, sed fit proprius ob diversitatem mem-
brorum quibus sentimus. qualia enim fuerint organa sentiendi, talis sensus existit, ut
per oculos visus, auditus per aures, atque in eundem modum ceteri; unus tamen est
spiritus, qui in multis deformatur; vgl. hierzu Polito 2004, 132-133. Der Aus-
druck velut flatus in calamo per cavernas ist kein schmückender Zusatz
Tertullians, da sich zu dieser Stelle eine Parallele bei Sextus Empiricus
finden lässt: vgl. Sex. Emp. Pyrrh. Hyp. 1, 95: Ƚȹ8 ąȷȯѠȶȫȽȹȻ Ƚȹ8 [ȷ]
ȫ3ȵȹȻ ȴȫ ȼѠȺȳȭȸȳ ȴȫ ȽȹȻ ąȫȺȫąȵȱȼɅȹȳȻ )ȺȭȪȷȹȳȻ <ȶąȷȯȹȶɃȷȹȾ>;
Ibid., 1, 53-54: ȴȫ ȴȫȲȪąȯȺ Ƚ' Ƚȹ8 ȶȹȾȼȹȾȺȭȹ8 ąȷȯ8ȶȫ ʾȷ ȴȫ Ƚ'
ȫ3Ƚ' ȶąȷȯџȶȯȷȹȷ ȽN ȫ3ȵN *ąȹȾ ȶ ȷ ȭɅȷȯȽȫȳ )ȸ1 *ąȹȾ Ȯ ȬȫȺѠ...
ȹ4ȽɂȻ ȯȴ'Ȼ ȴȫ Ƚ ȴȽ'Ȼ 2ąȹȴȯɅȶȯȷȫ ȮȳȪȿȹȺȫ ȲȯɂȺȯȼȲȫȳ ąȫȺ Ƚȷ
ȮȳȪȿȹȺȹȷ ȴȫȽȫȼȴȯȾȷ ȽHȷ Ƚ Ȼ ȿȫȷȽȫȼɅȫȻ 2ąȹȶȯȷџȷȽɂȷ ȰMɂȷ (die
Erwähnung der hohen und tiefen Töne könnte zusammen mit der Bezug-
nahme auf die Seele als Harmonie, die das Mehr und das Weniger auf-
nimmt, die stratonianische Herkunft dieses Zeugnisses sichern: vgl. fr. 118
Wehrli und die Einleitung); Diokles ap. Vindicianus 18: ita immutatur sensi-
fica virtus animae secundum accipientium viarum differentiam (hierzu vgl. Polito
2004, 135ff.).
[c] Die körperliche Seele sei nach Soranos »im ganzen Leib verstreut«
(quae in totum corpus diffusa et ubique ipsa; ˆ Ƚȯ ȽHȳ *ȵɂȳ ȼѡȶȫȽȳ
ąȫȺȯȼąȫȺȶ ȷȱ); diese Aussage dürfte ein Element stratonianischer oder
epikureischer Lehre sein (vgl. die Einleitung); eine Bestätigung hierfür
dürfte die lexikalische Übereinstimmung bieten: vgl. Epicur. Herod. 63, 1-
3:ȱ ȶȯȽ Ȯ Ƚȫ8Ƚȫ Ȯȯ ȼȾȷȹȺ˦ȷ ʱȷȫȿɃȺȹȷȽȫ ą Ƚ Ȼ ȫȼȲɄȼȯȳȻ ȴȫ Ƚ
ąȪȲȱ — ȹ4Ƚɂ ȭ Ⱥ ˂ ȬȯȬȫȳȹȽȪȽȱ ąɅȼȽȳȻ ʿȼȽȫȳ — *Ƚȳ ˂ ɁȾɀ ȼHȶȪ
ȼȽȳ ȵȯąȽȹȶȯȺɃȻ, ąȫȺ’ *ȵȹȷ Ƚ' ʵȲȺȹȳȼȶȫ ąȫȺȯȼąȫȺȶɃȷȹȷ;ȱ Stob. Anth.
1, 49, 43 p. 384 W.:ȱ ȯ Ȯ ąȫȺ ȼąȫȺȽȫȳ ȶ ȷ ȴȫ ʿȷȯȼȽȳȷ ˂ ɁȾɀ ȽN
ȼѡȶȫȽȳ, schon im Kommentar zu T 4 [b] zitiert; trotz seiner Neuerung ist
auch Asklepiades ein Erbe der epikureischen Tradition: vgl. Asklepiades
von Bithynien ap. Cael. Aur. Acut. Morb. 1, 113: et neque ullam digestionem in
nobis esse, sed solutionem ciborum in ventre fieri crudam et per singulas particulas
corporis ire, ut per omnis tenuis vias penetrare videatur, quod appellavit leptomeres, sed
nos intelligimus spiritum (zu dieser Stelle vgl. Pigeaud 1989, 180ff.; Casadei
1997, 84, wo die Abhängigkeit von Epikur betont wird). Auch die An-
wendung der Porentheorie im Kontext der Wahrnehmungslehre ist bei
den Ärtzten verbreitet: vgl. De usu part. III, p. 813 Kühn (= Herophilos,
fr. T 140 a von Staden): ʴ Ȯ ȴȫ ąџȺȹȾȻ CȷџȶȫȰȯȷ ϽȺџȿȳȵȹȻ, *Ƚȳ
ȶџȷȹȳȻ ȫ3ȽȹȻ ȫȼȲȱȽȫ ȴȫ ȼȫȿȯȻ ȯȼȳȷ ȫ Ƚȹ8 ąȷȯѠȶȫȽȹȻ (ȮȹɅ; Thphr.
144 Kommentar

De sensu 26: ąȳȵȫȶȬ ȷȯȳȷ ȭ Ⱥ Ƚȹ1Ȼ ąџȺȹȾȻ, ȮȳP Jȷ ȫ ȫȼȲɄȼȯȳȻ (hierzu


Polito 2004, 121-122).

12 — Tert. An. 15, 1-3.


Die Lehre vom Hegemonikon ist schon für die frühen Stoiker nachgewie-
sen (vgl. SVF I, 142ff.; II, 834-849); das aus Materie bestehende Hegemo-
nikon (II, 132) ist für die Stoiker das höchste Seelenvermögen, welches für
die ȿȫȷȽȫȼȫ, die Empfindungen und die (Ⱥȶȫ verantwortlich ist (II,
836-837); es wird üblicherweise im Herzen (II, 837-843), oder seltener im
Kopf zwischen den Augenbrauen lokalisiert (II, 836; vgl. auch Tert. Res.
15, 5: sed etsi in cerebro vel in medio superciliorum.. ). In diesem Fall eignet sich
Tertullian die Theorie des Hegemonikon und seines Sitzes im Herzen an;
zur Bestätigung dieser Theorie werden Bibelzitate angeführt, in denen das
Herz als Ort des Denkvermögens und des Willens definiert wird. Mit
Ausnahme der Argumente, die auf Bibelzitaten beruhen (z.B. in § 4),
stammt das im 15. Kapitel verwendete Material (vor allem die Do-
xographie) von Soranos (so auch Waszink). Ein sprechender Beweis sind
die Parallelen, die sich im Onomasticon des Pollux (2, 226, vgl. T 13), beim
Anonymus Fuchsii und bei Caelius Aurelianus (Acut. morb. 1, 8, 53-54, vgl.
T 13) finden lassen, und deren Herkunft aus dem Text des Soranos als
gesichert gelten kann. Eine Bestätigung hierfür erhalten wir durch Sextus
Empiricus (Adv. Math. 7, 313: ɀȺȷ ȶ ȮȳȫȿɂȷȯȼȲȫȳ Ƚȹ8Ƚȹȷ ąȫȺ ȽȹȻ
ȿȳȵȹȼџȿȹȳȻ, ȽHȷ ȶ ȷ ȴȯȿȫȵȷ ȵȯȭџȷȽɂȷ ȯȷȫȳ ȽHȷ Ȯ ȲѡȺȫȴȫ, ȴȫ ą’
ȯȮȹȾȻ ȽHȷ ȶ ȷ ȭȴɃȿȫȵȹȷ ȽHȷ Ȯ ȶɄȷȳȭȭȫ, ȽȳȷHȷ Ȯ ȴȫȺȮɅȫȷ, ʵȵȵɂȷ
Ȯ ˆąȫȽȹȻ ąѠȵȫȻ ˅ Ƚȳ Ƚȹȳȹ8Ƚȹ ȶɃȺȹȻ Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ). Zu dieser Stelle
vgl. auch Pigeaud 1989, 198ff.
2. Dikaiarch von Messene war ein direkter Schüler des Aristoteles
und vertrat die Lehre der Seele als Ǿarmonia, d.h. als nicht an sich existent
(vgl. Wehrli 1944, fr. 8 h p. 14; zu anderen Zeugnissen vgl. Cic. Tusc. 1, 11,
24; 1, 18, 41; Plut. Plac. Philos. 4, 2, 5; Stob. 1, 49, 1; dazu auch die Einlei-
tung); zu Andreas vgl. unten; Asklepiades von Bithynien (2.-1. Jh.
v.Chr.) vertrat einen Sensualismus und Materialismus, der demjenigen
Epikurs glich; er hatte auch Kommentare zu Hippokrates geschrieben, die
wir aus den Angaben des Sextus Empiricus kennen. Die Chronologie des
Lebens des Asklepiades schwankt zwischen 170 und 91 v.Chr. Ausgehend
von der epikureischen Korpuskeltheorie hatte Asklepiades gute oder
schlechte Gesundheitszustände durch geordnete oder ungeordnete Bewe-
gungen der Atome erklärt (vgl. Erler 1994, 276-279; Pigeaud 1989, 171-
196; Vallance 1993, 693-727; zur Seelenlehre des Asklepiades vgl. Polito
2006, 297-307). Sein System wurde dem Atomismus zugeordnet, trotz
einiger moderner Versuche, es als nichtepikureisch zu deuten (vgl. dage-
gen Casadei 1997). Die Angabe über Asklepiades wird erneut durch Sex-
Kommentar 145

tus Empiricus bestätigt (Adv. Math. 7, 202: Ϯ. ȶ ȷ Ƚ'ȷ ȫȽȺџȷ...


ʱȷȫȳȺȹ8ȷȽȫ Ƚ' ˂ȭȯȶȹȷȳȴ&ȷ), und ist wahrscheinlich mit dem Umstand in
Verbindung zu bringen, dass Asklepiades die Aktivität der Seele als eine
Kooperation und Übereinstimmung der verschiedenen Seelenvermögen
betrachtete (vgl. Cael. Aur. Acut. Morb. 1, 14; Sext. Emp. Pyrrh. Hyp. 3, 32;
Adv. Math. 10, 318; R. Goulet in Dictionnaire des philosophes antiques, 1, 624-
625; zur Seelenlehre v.a. Polito 2006, 297-307). Mit der Ablehnung der
Subsistenz der Seele hatte sich Asklepiades tatsächlich von Epikur ent-
fernt (zur Ablehnung des Hegemonikon als einem subsistenten Teil vgl.
Pigeaud 1989, 177ff.).
si corda detraxeris: die Argumentation des Asklepiades hat auch Cal-
cidius beeinflusst (Waszink), vgl. Comm. Tim. 216 pp. 230-231 Waszink:
idem negant principalem animae vim consistere in capite propterea quod pleraque ani-
malia capite secto vivant ad tempus et agant solita… ut apes et item fuci... crocodilos
enim avulsis cordibus aliquamdiu vivere et resistere adversus violentiam; hoc idem etiam
in testudinibus observatum marinis et terrestribus capris; dazu auch Lukian (Enc.
Musc. 6) und Galen (De dogm. Hipp. et Plat. 2, 4, V p. 238 Kühn).
3. Der Überblick reiht gelehrte Materialien ohne kritisches Kriterium
aneinander: die Angabe über Platon ist aus chronologischen Gründen
unmöglich: Platon, d.h. der Lehrer des Aristoteles, konnte auf keinen Fall
die Aussagen Dikaiarchs (d.h. des Schülers des Aristoteles) bestreiten;
Soranos (oder mit größerer Wahrscheinlichkeit Tertullian) vermischt hier
die Lehre Dikaiarchs mit der Theorie der Seele als Harmonia, die im Phai-
don von Platon bekämpft wird (Phaed. 93 a 1ff.; vgl. auch Arist. Eudemus,
fr. 7 Ross; frr. 59-66 Gigon; An. 408 a 1ff.). Der hier erwähnte Straton
wird von Waszink mit dem Schüler des Erasistratos identifiziert, das hier
vorliegende Zeugnis wurde allerdings von Wehrli Straton von Lampsakos
zugeschrieben (fr. 116): hier dürfte es sich um unseren Arzt handeln; Re-
pici (1988, 30ff.), die diesen Straton mit dem Physiker identifiziert, muss
gezwungenermaßen zugeben, dass dies mit der Lehre von der Seele, die
im ganzen Leib verstreut ist, nicht vereinbar ist. Zu Demokrit vgl. Aët. 4,
5, 1 (ȷ *ȵ ȴȯȿȫȵ); zu Epikur vgl. Aët. 4, 5, 5; im Falle des Empedo-
kles sollte man sich an die Lehre erinnern, der zufolge das Denken aus
Blut um das Herz besteht; die Erwähnung des Sokrates als Gegner des
Dikaiarch ist aus denselben chronologischen Gründen a fortiori absurd, sie
ist als Kontamination mit dem Sokrates des Phaidon zu verstehen; zu Aris-
toteles zitiert Waszink De part. an. 3, 3, 665 a 12ff.
Andreas war der Privatarzt von Ptolemaios IV Philopator (Regie-
rungszeit ca. 221-203 v.Chr.); zur Physiognomie dieses Arztes vgl. von
Staden 1989, 471-477 und 475 zum hier vorliegenden Zeugnis. Die Anga-
ben über Herophilos und Erasistratos stehen in Einklang mit Aët. 4, 5,
4 (ϽȺџȿȳȵȹȻ ȷ Ƚ Ƚȹ8 ȭȴȯȿ ȵȹȾ ȴȹȳȵˤ, ˆȽȳȻ ȼȽ ȴȫ Ȭ ȼȳȻ) und 4, 5,
146 Kommentar

3 (϶ȺȫȼȼȽȺȫȽȹȻ ąȯȺ Ƚȷ ȶȷȳȭȭȫ Ƚȹ8 ȭȴȯȿ ȵȹȾ, ˄ȷ ąȳȴȺȫȷȮȫ


ȵ ȭȯȳ); zu Diokles vgl. Theodor. Therap. 5, 22: ϶ȶąȯȮȹȴȵȻ Ȯ ȴȫ
ϮȺȳȼȽȹȽ ȵȱȻ, ȴȫ ȽHȷ ȢȽɂȳȴHȷ ˂ ȸȾȶȶȹȺȫ Ƚȷ ȴȫȺȮȫȷ ʱąȯȴȵȺɂȼȫȷ
Ƚȹ0ȽL (Waszink); das Zeugnis über Diokles wurde als fr. 37 von van der
Eijk 2000, 72 aufgenommen; zu Erasistratos vgl. fr. 41 Garofalo; zur Phy-
siognomie dieses Arztes vgl. auch Vegetti 1993, 198ff.

13 — Tert. An. 15, 5-6 ~ Pollux, Onom. 2, 226 p. 152 ~ Etym. Or. 16 ~
Anonymus Fuchsii 1, 1 ~ Cael. Aur. Acut. Morb. 1, 8, 53.
In der rechten Spalte werden die Auszüge aus dem Anonymus Fuchsii des-
wegen abgedruckt, weil die Diskussion um den Sitz der phrenitis eng ver-
bunden ist mit derjenigen um den Ort des Hegemonikon.
[a] Auch diese Stelle ist, mit großer Wahrscheinlichkeit Soranos fol-
gend, mit gelehrten Zitaten gespickt: die Angabe über Heraklit wird auch
von Sextus Empiricus (Adv. Math. 7, 349: die Zwischenquelle ist Ainesi-
demos) und Aëtios überliefert (4, 3, 12 vgl. DK 22 B 12 und Polito 1994,
454). Moschion war ein methodischer Arzt, der zwischen Asklepiades
von Bithynien und Asklepiades dem Jüngeren lebte; über ihn haben wir
keine weiteren doxographischen Angaben, die hier vorliegende stammt
auf jeden Fall von Soranos; das Zitat aus Platon stammt aus Tim. 69 e 1;
das Zitat aus Xenokrates wurde als fr. 208 von Isnardi Parente aufge-
nommen (vgl. auch den Kommentar 398-399 zum Bezug auf fr. 207 [Lact.
De op. 16, 12], dessen Authentizität umstritten ist); das Zitat aus Hippokra-
tes stimmt mit Theodor. Therap. 5, 22 überein (ЅąąȹȴȺ ȽȱȻ… ȷ
ȭȴȯȿ ȵL Ƚȹ8Ƚȹ ȮȺ8ȼȲȫȳ ȯȺȴȫȼȳ); der Text von § 15, 2-5, wurde als
fr. 139 aufgenommen (auch wenn er durch Soranos übermittelt wurde),
vgl. von Staden 1989, 316-317; der erste Straton dürfte der Schüler des
Erasistratos sein, der zweite allerdings Straton von Lampsakos, der die
Auffassung vertrat, das Hegemonikon liege im Gehirn, und zwar hinter
den Augenbrauen (vgl. Wehrli 1950, 35, der hier vorliegende Text wurde
als fr. 120, das Zeugnis von Pollux als fr. 121 Wehrli aufgenommen); die
Angabe über Epikur hat erneut eine doxographische Herkunft (Aët. 4, 5,
5: ȡȫȺȶȯȷȮȱȻ ȴȫ ϶ąȴȹȾȺȹȻ ȷ *ȵL ȽN ȲѡȺȫȴȳ); »die Ägypter« nimmt
Bezug auf die Pseudooffenbarung des Hermes Trismegistos exc. 24, 13
(IV, p. 57 Nock-Festugière): ȽȻ Ȯ ɁȾɀȻ (ȺȶȱȽȺȳџȷ ȼȽȳȷ ȴȫȺȮȫ (die
Bezugnahme auf Hermes stand wahrscheinlich nicht bei Soranos, sondern
wurde wohl von Tertullian eingefügt, vielleicht auf der Basis des Albinos-
Textes). Die Ungenauigkeit, mit der Tertullian den Vers Orpheus oder
Empedokles zuschreibt, ist durch einen lapsus memoriae zu erklären: dass
der Vers aus Empedokles stammt, wird im Etym. Orion. deutlich zu ver-
stehen gegeben; es scheint sehr unwahrscheinlich, dass der akribische
Soranos in ą.Ɂ. nicht auf die Herkunft des Verses hingewiesen hatte; es
Kommentar 147

handelt sich auf jeden Fall um einen echten Vers des Empedokles: DK 31
B 105 = fr. 1, 66 Gallavotti: ȫ ȶȫ ȭ Ⱥ ʱȷȲȺѡąȹȳȻ ąȯȺȳȴ ȺȮȳȹȷ ȼȽȳ
ȷџȱȶȫ, der zusätzlich noch bei Orion zitiert ist (DK schöpfen aus Porph.
De Styg. ap. Stob. 1, 49, 53 p. 424, 14 W. = p. 454 Smith, aber vgl. auch
Etym. Magn. 34, 20, erneut über Orion aus dem Text des Soranos stam-
mend). Bemerkenswert ist in diesem Fall auch Soranos´ Kompilationsme-
thode, nach der im Anschluss an die Widerlegung der anderen zuletzt die
Meinung angegeben wird, welcher der Arzt selbst zustimmt (zu dieser
Methode vgl. Hanson - Green 1994, 972-973). Soranos folgt also der Auf-
fassung, die das Hegemonikon im Herzen lokalisiert: zu einer Spur dieser
Meinung (wenn auch kein richtiges Zeugnis vorliegt) vgl. Etym. Orion. 80:
ȴȫȺȮȫ ȴȫȽ Ƚ' ȴȺ ȽȹȻ, ˂ ˂ȭȯȶȹȷȳȴɂȽ Ƚȱ. Der Mangel an Zeugnissen
ist einem klaren Urteil abträglich, und es bleibt im Dunkel, ob Soranos
wirklich den Stoikern folgend behauptet hatte, die Seele werde durch das
Blut ernährt.
Was den tertullianischen Text von § 6 betrifft: Protagoras (?), Apol-
lodor und Chrysipp sind zweifellos drei Ärzte, somit können wir aus-
schließen, dass es sich hier um Chrysipp den Stoiker handelt (von Harnim
hatte diese Passage in SVF II, 880 aufgenommen). Das Protagoraszeugnis
wurde in DK 80 A 18 aufgenommen, die Lesart der Hs. A ist allerdings
sehr problematisch: Diels wollte aufgrund von Aët. 4, 5, 10: ȡȾȲȫȭџȺȫȻ
Ƚ' ȶ ȷ ȰɂȽȳȴ'ȷ ąȯȺ Ƚȷ ȴȫȺȮȫȷ in Pythagoras korrigieren, aber wenn
eine Konjektur nötig ist, so ist die beste das geniale Praxagoras des Pameli-
us; Waszink zitiert weitere doxographische Angaben zugunsten letzterer
Hypothese (Cels. praef. 2; Porph. in schol. ad Hom. Il. 11, 515), hält aber am
Namen Protagoras fest, es handle sich hier um ein ungenaues Zitat durch
Tertullian (das ist nicht auszuschließen: vgl. T 2, An. 5, 1). Zu Praxagoras
aus Kos (tätig um ca. 300 v.Chr.) vgl. auch Vegetti 1993, 81ff.; zum Her-
zen als Mittelpunkt der Seele vgl. erneut Vegetti 1993, 83. Meinerseits
setze ich lieber die salomonischen cruces, auch wenn der Anonymus Fuch-
sii den Namen Praxagoras überliefert: auf jeden Fall stand im Text des
Soranos der Name Praxagoras (diese Textpassage ist als fr. 29 bei Steckerl
1958, 65 aufgenommen). Schwierig ist auch die Identifizierung des Apol-
lodor: unter diesem Namen kennen wir drei Ärzte; von diesen werden
zwei, d.h. Apollodor von Kition und Apollodor aus Tarent, bei Plinius,
Nat. Hist. 20, 25 erwähnt; ein dritter Apollodor schrieb einen Traktat ąȯȺ
ȲȱȺɂȷ im 3. Jh. v.Chr., mit wem aber der hier erwähnte Apollodor identi-
fiziert werden sollte, bleibt unklar.
Was den Arzt Chrysipp betrifft, so ist nicht eindeutig zu bestimmen,
ob es sich um den Lehrer des Erasistratos (RE 6, 2510, nr. 16), um den
Sohn dieses Lehrers (Ibid., 2511, nr. 17), um den Schüler des Erasistratos
(Ibid., 2511, nr. 18) oder um den Schüler des Asklepiades handelt (Ibid.,
148 Kommentar

2511, nr. 19, was allerdings unwahrscheinlich scheint: dieser Chrysipp


hatte einen Traktat über Würmer verfasst). Tertullian kennt von ihm nur
den Namen, und die Angabe ist so ungenau, dass es unmöglich ist, zu
bestimmen, was im Text des Soranos stand. Zu Chrysipp von Knidos vgl.
Dictionnaire des Philosophes Antiques 2, 325-329, diese Identifizierung ist aber
aus chronologischen Gründen unwahrscheinlich. Auf jeden Fall dürfte
dieser Chrysipp ein ungefährer Zeitgenosse des Erasistratos sein (tätig um
ca.258 v.Chr.); er konnte also nicht auf die Lehre des Asklepiades von
Prusa reagieren (ca. 170-91 v.Chr.: vgl. Dictionnaire des Philosophes Antiques 1,
624-625); die ganze Chronologie wurde also wahrscheinlich von Tertullian
selbst geändert.
Zur Herkunft aus dem Text des Soranos vgl. Waszink 1947, 33*;
219ff.; Mansfeld 1990, 3099ff.; in diesem Kielwasser haben wir den
Testimonien über die Seelenlehre des Soranos auch das Zeugnis aus Cae-
lius Aurelianus zugeordnet; diese Passage bezeugt auch, auf welche Weise
dieselben Argumente von Soranos in verschiedenen Werken verwendet
wurden (zu diesem Zeugnis [f] vgl. auch Pigeaud 1989, 47; 79ff.). Eine
weitere Diskussion findet sich bei Galen, De hist. philos. 28 (XIX p. 315
Kühn = Herophilos T 137 d von Staden: Ƚ Ƚ' ȽȻ ɁȾɀȻ ˂ȭȯȶȹȷȳȴ'ȷ
ȴȫ ȷ Ƚȷȳ ȼȽȷȊ ȡȵ Ƚɂȷ, ȕȱȶ&ȴȺȳȽȹȻ ȷ *ȵ Ƚ ȴȯȿȫȵ, ȢȽȺ Ƚɂȷ ȷ
ȶȯȼȹȿȺ0L, ϶ȺȫȼȼȽȺȫȽȹȻ ąȯȺ Ƚȷ ȶȷȳȭȭȫ Ƚȹ8 ȭȴȯȿ ȵȹȾ ˄ȷ
ąȳȴȺȫȷȮȫ ȵ ȭȯȳ, ϽȺџȿȳȵȹȻ ȷ Ƚ Ƚȹ8 ȭȴȯȿ ȵȹȾ ȴȹȳȵˤ, ˆȽȳȻ ȼȽ ȴȫ
Ȭ ȼȳȻ, ȡȫȺȶȯȷȮȱȻ ȷ *ȵL ȽN ȲѡȺȫȴȳ, ȴȫ ϶ąȴȹȾȺȹȻ. ȹ ȢȽɂȳȴȹ
ą ȷȽȯȻ ȷ *ȵ Ƚ ȴȫȺȮˤ ˃ ȽN ąȯȺ Ƚȷ ȴȫȺȮȫȷ ąȷȯѠȶȫȽȳ).
[b] ȴ ɁȾɀȻ Ƚȯ ȴȫ ȼѡȶȫȽȹȻ: das Argument stammt aus dem Schul-
repertoire: vgl. Cic. Fin. 5, 12, 34: perspicuum est hominem e corpore animoque
constare; vgl. oben, Komm. zu T 2, An. 5, 1ff.
ąȯȺ ȭȴȯȿ ȵL ȮȺȾȶ ȷȹȻ: vgl. Thuc. 2, 49, 7: ȷ Ƚ ȴȯȿȫȵ ąȺHȽȹȷ
ȮȺȾȲ ȷ ȴȫȴ&ȷ.

14 — Tert. An. 17, 2-4 ~ Meletios, p. 72, 8-20.


Wir finden hier ein weiteres Zeugnis, das man Soranos aufgrund der Men-
ge an gelehrtem Material zuschreiben muss; innerhalb dieser ist es aller-
dings sehr schwierig, die tatsächliche Meinung des Arztes auszumachen.
Die Berührungspunkte mit den skeptischen Tropoi gegen die Wahrhaftig-
keit der Sinneswahrnehmung, die auch bei den Stoikern und Epikureern
überliefert sind, bedeuten an sich keine skeptische Position des Soranos;
er scheint im Gegenteil die sensualistische Erkenntnislehre der hellenisti-
schen Zeit übernommen zu haben. In diesem Kontext ist allerdings nicht
klar, ob Soranos ähnlich wie die Stoiker von der Zuverlässigkeit der Sinne
ausging, oder ob er sich den epikureischen Dogmatismus der absoluten
Wahrhaftigkeit der Sinneswahrnehmung aneignete und den Erkenntnis-
Kommentar 149

fehler im Verstand ansetzte. Das äußere Kriterium (die Epikureer werden


am Ende der Reihe erwähnt) könnte die Übernahme der epikureischen
Lehre durch Soranos beweisen, es handelt sich aber nur um eine Vermu-
tung; der letzte Satz (absciderunt… ab anima) wurde wahrscheinlich von
Tertullian eingefügt, da er dessen Vorliebe für sarkastische Bemerkungen
entspricht.
Die direkte Information Tertullians ist wahrscheinlich auf das Timaios-
Zitat beschränkt, die anderen doxographischen Angaben stammen wie
üblich von Soranos (vgl. secundum quosdam): zu den Akademikern vgl. Aët.
4, 9, 2; die Erwähnung Heraklits ist auf DK 22 A 1 zurückzuführen [=
DK 22 B 46] (Diog. Laert. 9, 7: Ƚȷ Ƚȯ ȹȱȼȳȷ ȯȺ ȷ ȷџȼȹȷ ʿȵȯȭȯ ȴȫ Ƚȷ
*Ⱥȫȼȳȷ Ɂȯ0ȮȯȼȲȫȳ); DK 22 B 107: ȴȫȴȹ ȶ ȺȽȾȺȯȻ ʱȷȲȺѡąȹȳȼȳȷ
)ȿȲȫȵȶȹ ȴȫ IȽȫ ȬȫȺȬ ȺȹȾȻ ɁȾɀ Ȼ ɀ&ȷȽɂȷ. Zu Empedokles vgl.
DK 31 B 2; 31 B 3: ȶɄȽȯ Ƚȳȷ’ ,Ɂȳȷ ʿɀɂȷ ąɅȼȽȯȳ ąȵɃȹȷ ˃ ȴȫȽ’ ʱȴȹȾɄȷ /
˃ ʱȴȹȷ ȺɅȮȹȾąȹȷ 2ą Ⱥ ȽȺȫȷѡȶȫȽȫ ȭȵѡȼȼȱȻ; Soranos war an den
Werken des Diokles interessiert, aber über diesen Arzt besitzen wir keine
weiteren Angaben (die hier vorliegende Textpassage ist aufgenommen als
fr. 38 van der Eijk 1989, 72). Zum Bezug auf Platons Timaios vgl. 28 c 1
(Ȯџȸ ąȯȺȳȵȱąȽ ȶȯȽP ȫȼȲɄȼȯɂȻ) und 51 b 1 (ȮȾȼȫȵɂȽџȽȫȽȹȷ ȫ3Ƚ'
ȵ ȭȹȷȽȯȻ ȹ3 ɁȯȾȼџȶȯȲȫ).
Der schon von den Vorsokratikern beteuerten Unzuverlässigkeit der
Sinneswahrnehmung (Parmenides DK 28 B 7; Empedokles DK 31 B 3
vv. 9ff.) stimmte auch Platon zu (Rsp. 5, 476; 6, 511 b), weshalb diese
Auffassung auch bei den Vertretern der skeptischen Akademie zu finden
war. In diesem Fall ist die Reihe von Beispielen insbesondere Ainesidemos
zuzuschreiben (Waszink; vgl. Sextus, Pyrr. Hyp. 2, 55; 1, 118ff.; Adv. Math.
7, 414; 7, 110; Polito 1994, 452f.); das bedeutet allerdings nicht, dass Sora-
nos ein Skeptiker war. Zudem scheint auch bestätigt zu werden, dass die
Gegenüberstellung von Skeptizismus und Heraklitismus auf Ainesidemos
nicht anwendbar ist. Denn in der Textpassage, die am deutlichsten mit
dem Skeptizismus in Verbindung steht, ist der Name Heraklits zu lesen.
Soranos stimmt der epikureischen Lehre von der Zuverlässigkeit der
Sinneswahrnehmung zu und erklärt die Unzuverlässigkeit einiger Wahr-
nehmungen durch den Umstand, dass die direkte Verbindung zwischen
Wahrnehmungsorgan und wahrgenommenem Objekt durch ein Medium
unterbrochen wird. Waszink betont die Berührungspunkte zwischen den
verschiedenen epikureischen Quellen: vgl. Sext. Emp. Adv. Math. 7, 208-
209: ɁȯѠȮȯȼȲȫȳ Ƚȷ ,Ɂȳȷ, *Ƚȳ ȴ ȶȫȴȺȹ8 ȶ ȷ ȮȳȫȼȽɄȶȫȽȹȻ ȶȳȴȺ'ȷ (Ⱥ˧
Ƚ'ȷ ąѠȺȭȹȷ ȴȫ ȼȽȺȹȭȭѠȵȹȷ, ȴ Ȯ Ƚȹ8 ȼѠȷȯȭȭȾȻ ȶȯɅȰȹȷȫ ȴȫ
ȽȯȽȺȪȭɂȷȹȷ, ʱȵȵ ȶ˦ȵȵȹȷ ʱȵȱȲȯѠȯȳȷ, *Ƚȳ ȴȫ *Ƚȯ ȿȫɅȷȯȽȫȳ ȶȳȴȺ'ȷ ȫ3Ƚ
Ƚ' ȫȼȲȱȽ'ȷ ȴȫ ȽȹȳȹȾȽџȼɀȱȶȹȷ, ,ȷȽɂȻ ȼȽ ȶȳȴȺ'ȷ ȴȫ ȽȹȳȹȾȽџȼɀȱȶȹȷ,
Ƚ Ȯȳ Ƚȹ8 ʱɃȺȹȻ ȿȹȺ˧ ʱąȹȲȺȫȾȹȶɃȷɂȷ ȽHȷ ȴȫȽ Ƚ ȯȮɂȵȫ
150 Kommentar

ąȯȺȪȽɂȷ (vgl. auch Pyrrh. Hyp. 2, 56 p. 78). Gegen die skeptischen, auf
optischen Täuschungen basierenden Einwände leisteten Stoiker und Epi-
kureer einen ähnlichen Widerstand; diese skeptischen Argumente werden
auch in den stoischen Fragmenten und bei Lukrez bekämpft: zum Ruder
vgl. 4, 438ff.: nam quaecumque supra rorem salis edita pars est/ remorum recta est et
recta superne guberna/ quae demersa liquorem obeunt refracta videntur; zum vier-
eckigen, aber rund scheinenden Turm vgl.: 4, 353ff.: quadratasque procul
turris cum cernimus urbis/ propterea fit uti videantur saepe rotundae/ angulus optusus
quia longe cernitur omnis/ sive etiam potius non cernitur ac perit eius/ plaga nec ad
nostras acies perlabitur ictus/ aera per multum quia dum simulacra feruntur/ cogit
hebescere eum crebris offensibus aer (zum Beispiel des Turmes vgl. auch Gigante
1981, 135-139); zum Beispiel der Porticus 4, 426ff: porticus aequali quamvis
est denique ductu/ stansque in perpetuum paribus suffulta columnis/ longa tamen
parte ab summa cum tota videtur/ paulatim trahit angusti fastigia coni; zu den Stoi-
kern vgl. Calc. Comm. Tim. 237 (= SVF II, 863): Stoici vero videndi causam in
nativi spiritus intentione constituunt, cuius effigiem coni similem volunt… certe conum
ipsum pro modo mensuraque intentionis augeri, et prout basis eius vel directa vel inflexa
erit incidetque in contemplabilem speciem, ita apparebunt quae videntur. oneraria
quippe navis eminus visa perexigua apparet deficiente contemplationis vigore nec se per
omnia navis membra fundente spiritu; turris item quadrata rotunditatem simulat cylin-
dri atque etiam ex obliquo visa porticus in exile deficit oculorum depravatione…
Dass derlei Problemstellungen in den doxographischen Bereich Ein-
gang fanden, ist auf jeden Fall eindeutig nachgewiesen: vgl. Stob. Anth. 1,
30 p. 239, 15 W.: <ȴȫȽ > ȴȫȶąѠȵȫȻ Ȯ ȭȺȫȶȶ Ȼ ȴȫȲ’ 4ȮȫȽȹȻ ȬȵɃąȹȶȯȷ·
ȴȪȶąȽȯȽȫȳ ȭ Ⱥ ˂ ,ɁȳȻ ȬɅˤ Ȯȳ Ƚȷ ąȾȴȷȹȽɃȺȫȷ Ƚȹ8 4ȮȫȽȹȻ 4ȵȱȷ· Ȯȳ'
ȴȫ Ƚȷ ȴѡąȱȷ ȷ Ƚ ȲȫȵȪȼȼ ȶȫȴȺџȲȯȷ ȴȫȶąȽȹȶɃȷȱȷ ȬȵɃąȹȶȯȷ; Diels
1929, 372. Mit solchen Problemen (d.h. großen, in der Ferne klein schei-
nenden Gegenständen) musste sich auch Plotin beschäftigen vgl. Enn. 2, 8
ąHȻ Ƚ ąџȺȺɂ ȶȳȴȺ ȿȫȷȯȽȫȳ; vgl. auch Jaeger 1914, 46. Der stoische
und epikureische Widerstand dürfte sich mehr mit den optischen Täu-
schungen auseinandergesetzt haben als mit den Argumenten, die sich auf
die übrigen Sinneswahrnehmungen beziehen; zum Argument, in welchem
von Thermenwasser die Rede ist, kann ich das Beispiel von Sext. Emp.
Pyrrh. Hyp. 2, 56 p. 78 anführen: ȴȫ ˂ ȫ3Ƚ ʲȿ ȯȼȳџȷȽɂȷ ȶ ȷ ˂ȶHȷ ȯȻ
Ƚ' Ȭȫȵȫȷȯȹȷ ȲȯȺȶȫɅȷȯȽȫȳ 2ą' ȽȻ ąȫȺȫȼȽȪȮȹȻ, ȸȳџȷȽɂȷ Ȯ ɁѠɀȯȽȫȳ
(hier liegt nur teilweise Übereinstimmung vor). Die von Soranos angeführ-
ten Argumente, die auf alle fünf Sinne Bezug nehmen, scheinen die voll-
ständigste Auflistung zu sein, die uns aus der antiken Skepsis erhalten ist.
Auch die Informationen über die Skeptiker und Epikureer lassen sich
wohl über Soranos als Vermittler auf eine doxographische Quelle zurück-
führen: vgl. Aët. 4, 9, 4: ȹ ȢȽɂȳȴȹ Ƚ Ȼ ȶ ȷ ȫȼȲȼȯȳȻ ʱȵȱȲȯȻ; Aët. 4, 9,
5 (Epikur): ȽHȷ ȮȹȸHȷ Ƚ Ȼ ȶ ȷ ʱȵȱȲȯȻ, Ƚ Ȼ Ȯ ɁȯȾȮȯȻ; Cic. De nat. deor.
Kommentar 151

1, 25, 70: urguebat Arcesilas Zenonem cum ipse falsa omnia diceret quae sensibus
viderentur, Zenon autem nonnulla visa esse falsa, non omnia; timuit Epicurus ne si
unum visum esset falsum nullum esset verum; Cic. Fin. 1, 20, 64: qui (scil. sensus)
si omnes veri erunt, ut Epicuri ratio docet, tum denique poterit aliquid cognosci et
percipi; vgl. De Witt 1943, 28; Polito 1994, 449ff.; Waszink 1947, 33*.

15 — Tert. An. 19, 2.


Vgl. Waszink 1947, 268: »the view combated here by Tert. can be no other
than that of the Stoics, who did not credit man with all faculties at the
moment of birth. Probably he found a short description in Soranus«.
Es stellt sich das Problem, die Identität derjenigen zu bestimmen, die
der Seele in der ersten Lebensphase den Verstand absprechen: Waszink
führt diese Vorstellung auf die Stoiker zurück (SVF II, 764; Sen. Epl. 124,
8; vgl. auch SVF II, 83 und Pohlenz 1948, 102); diese Lehrmeinung wurde
allerdings auch von Aristoteles vertreten (bei einer Bezugnahme auf die
Stoiker ließe sich schwer nachvollziehen, woher der hier erwähnte
Verstand kommt): vgl. Arist. Hist. an. 8, 1, 588 a 30ff.: ȿȫȷȯȺѡȽȫȽȹȷ Ȯ’
ȼȽ Ƚ' Ƚȹȳȹ8Ƚȹȷ ą Ƚȷ ȽHȷ ąȫɅȮɂȷ ˂ȵȳȴɅȫȷ ȬȵɃɁȫȼȳȷ· ȷ ȽȹѠȽȹȳȻ
ȭ Ⱥ ȽHȷ ȶ ȷ 4ȼȽȯȺȹȷ ˀȸȯɂȷ ȼȹȶɃȷɂȷ ʿȼȽȳȷ Ȯȯȷ ȹ ȹȷ ɀȷȱ ȴȫ
ȼąɃȺȶȫȽȫ, ȮȳȫȿɃȺȯȳ Ȯ’ ȹ3Ȯ ȷ BȻ ȯąȯȷ ˂ ɁȾɀ ȽȻ ȽHȷ ȲȱȺɅɂȷ ɁȾɀȻ
ȴȫȽ Ƚ'ȷ ɀȺџȷȹȷ Ƚȹ8Ƚȹȷ.ȱZum Bezug auf die Seele, über die nach Aristo-
teles auch die Pflanzen verfügen, vgl. De an. 1, 411 b 20 (Waszink); die
doxographische Angabe über den Stagiriten ist zweifellos auf Soranos
zurückzuführen; vgl. Waszink 1947, 33*-34*. Was Soranos wirklich be-
hauptet hatte, ist nicht eindeutig: wir können nicht ausschließen, dass
Tertullian sich aus Gründen der Polemik an dieser Stelle von ihm distan-
zieren will; ähnlich wie im Fall der Embryologie dürfte Soranos die Anwe-
senheit eines bewussten Verstandes in den ersten Lebensjahren des Kin-
des abgelehnt haben.

16 — Tert. An. 20, 3-4.


Der Text des Afrikaners erklärt anhand einer Ansammlung gelehrten Ma-
terials, was in den letzten Zeilen des vorherigen Paragraphs angesprochen
wurde. Der Tradukiansmus hatte Tertullian dazu veranlasst, eine Sub-
stanzübereinstimmung aller Seelen anzunehmen; um die Phänomene (d.h.
die verschiedenen psychologischen Begabungen und Neigungen) zu be-
wahren, musste er ausschließlich auf Umweltfaktoren Bezug nehmen.
Darum greift er in hohem Maße auf die hippokratische Theorie zurück,
der zufolge das Klima auf unterschiedliche Weise auch das Temperament
der Menschen beeinflussen kann. Dass die doxographischen Angaben von
Soranos stammen, können wir als gesichert erachten; es bleibt allerdings
152 Kommentar

im Dunkel, mit welchem Ziel diese Materialien von Soranos benutzt wur-
den: es scheint unwahrscheinlich, dass Soranos die verschiedenen Seelen
nur anhand von Umweltfaktoren differenzierte und behauptete, sie seien
›genetisch‹ gleich.
Dass die Thebaner nicht sehr intellektuell begabt waren, war eine in
der Antike recht verbreitete Meinung, die noch heute im italienischen
Adjektiv »beota« weiterlebt; die Bezugnahme auf die geschwätzige Nei-
gung der Athener verweist auf Kap. 3, 1 und wird durch den Namen Ko-
lyttos präzisiert, d.h. des Demos, in welchem der Angabe von Diogenes
Laertios (3, 3) zufolge Platon geboren wurde; die Erwähnung des Timaios
verweist auf 24 c-d (ȴȫȽMȴȳȼȯȷ ȴȵȯȸȫȶ ȷȱ Ƚ'ȷ Ƚ&ąȹȷ ȷ ˠ... *Ƚȳ
ȿȺȹȷȳȶɂȽ ȽȹȾȻ ʵȷȮȺȫȻ ȹȼȹȳ); das Zitat aus den Nomoi stimmt mit dem
Anfang des vierten Buches (704 b) überein, wo der ideale Ort für eine
Stadt beschrieben wird. Der Name des Empedokles ist mit der Theorie
verbunden, nach der das Denken aus dem Blut entsteht, das sich in der
Umgebung des Herzens befindet (vgl. Tert. An. 15, 5); eine von Waszink
zitierte Bemerkung Theophrasts (De sensibus 11 = T 41 Gallavotti) dürfte
die Lehre des Empedokles, der zufolge ein Gleichgewicht der vier Ele-
mente des Blutes im Perikardium Scharfsinn und exakte Wahrnehmungen
garantiert, genauer wiedergeben (vgl. Stratton 1917, 74).
Die Lehre, der zufolge Fettleibigkeit das Denken behindern kann,
könnte auch weit zurückreichen: vgl. Com. Att. Fragm. fr. 1234 Kock:
ąȫɀȯȫ ȭȫȼȽȺ ȵȯąȽ'ȷ ȹ3 ȽȴȽȯȳ ȷџȹȷ; das Sprichwort lässt sich oft in
medizinischen Werken nachweisen (darunter Galen V, p. 878 Kühn) und
entstammt mit großer Wahrscheinlichkeit dem Text des Soranos (Was-
zink): vgl. Anon. Lond. 16, 3-4; Schol. Pers. 1, 56: tractus sensus ex graeco versu
quo significatur ex ventre crasso tenuem sensum non nasci; Hier. Epl. 52, 11; C.
Otto, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer, Hildesheim
1962, 363-364.
Waszink 1947, 35*: »in the description of the influence of external cir-
cumstances on the evolution of individual souls, in which most of the
details were taken from other sources, the passage concerning the state of
health and diseases (§ 4) must be ascribed to Soranus«. Aber diese Quel-
len, so sie sich von Soranos unterschieden, müssten aus dem Timaios und
den Nomoi Platons schöpfen; die Annahme, dass auch § 3 von Soranos
stammt, liegt aber nahe; auch in An. 25, 9 ist Soranos der Mittelsmann,
durch den Tertullian die Nomoi kennenlernte.

17 — Tert. An. 25, 2.


Dieses Zeugnis weist ein Problem auf, welches auch für das vorherige
bestand: die gelehrten Angaben stammen von Soranos, wir können aber
nicht sicher bestimmen, welche dogmatische Stellungnahme die von unse-
Kommentar 153

rem Arzt vertretene war. Tertullian scheint nichts anderes zu diskutieren


als das Eindringen der Seele in den Körper des Kindes bei der Geburt:
dies dürfte die Auffassung sein, welcher unser Arzt zustimmte, und somit
könnten wir ihn der stoischen Lehre zuordnen (vgl. die ȼȽџȶɂȼȳȻ), aber
auch in diesem Fall gibt es keine Sicherheit. Es ist auf jeden Fall ausge-
schlossen, dass Soranos wie auch Tertullian die gleichzeitige Empfängnis
in Seele und Leib vertrat.
Die hier in polemischem Ton dargelegte Lehre und das Bild des glü-
henden Eisens ist tatsächlich oft bei den Stoikern nachgewiesen, vgl. die
von Waszink angeführten Stellen: SVF II, 806 (*Ƚȫȷ Ȯ ȽȯɀȲ ɁȾɀ&ȶȯȷȹȷ
2ą' Ƚȹ8 ʱ ȺȹȻ ȴȫ ȼȽȹȶȹ0ȶȯȷȹȷ Ƚ' ąȷȯ8ȶȫ ȶȯȽȫȬ ȵȵȯȳȷ ȴȫ ȭȷȯȼȲȫȳ
ȰNȹȷ); Philon, De somn. 1, 31 (2ą' Ƚȹ8 ąȯȺȳɃɀȹȷȽȹȻ ʱɃȺȹȻ ˂ ʿȷȲȯȺȶȹȻ ȷ
˂ȶȷ ȿѠȼȳȻ ȹ ȫ ȼɅȮȱȺȹȻ ȷ ɀȫȵȴɃɂȻ ąȯąȾȺɂȶɃȷȹȻ 4ȮȫȽȳ ɁȾɀȺN ąȺ'Ȼ
Ƚ' ȴȺȫȽȫȳџȽȫȽȹȷ ȼȽȹȶȹ8Ƚȫȳ); Porph. Ad Gaurum 35, 9ff.; vgl. auch Fi-
namore - Dillon 2002, 165. Die Erwähnung des Ainesidemos steht mit
großer Wahrscheinlichkeit in Verbindung mit T 6 (Tert. An. 9, 5, die The-
orie des ąȯȺȳɃɀȹȷ). Dass Platon das Eindringen der Seele in den Körper
bald nach der Geburt vertrat, ist in seinen Werken nicht eindeutig nach-
zuweisen (diese Lehre wird ihm in der Doxographie mal zugeschrieben,
mal abgesprochen: vgl. Aët. 5, 15, 1; Alkinoos, Did. p. 178, 26 Herm.):
man könnte an eine Schlussfolgerung e contrario denken, basierend auf
Phaed. 70 a 5 (DȼąȯȺ ąȷȯ8ȶȫ ˃ ȴȫąȷ'Ȼ ȮȳȫȼȴȯȮȫȼȲȯȼȫ ȹɀȱȽȫȳ
ȮȳȫąȽȹȶ ȷȱ), oder an eine Kontamination mit der stoischen Lehre. Im
Text übernehme ich zwei Konjekturen des Pamelius: novissima educi (novis-
sime duci A), und etwas später ex sententia (ex sententias A; sententiam B), auch
wenn die letzte Stelle nicht eindeutig zu sein scheint.
Am Ende des Paragraphs wird Hikesios erwähnt, der Schüler des
Erasistratos in der zweiten Hälfte des 1. Jh.s v.Chr., der aber vor allem für
die Pharmakologie bekannt war (RE 16 [1916], nr. 5, 1593-1594; vgl. Was-
zink 1947, 34*).

18 — Tert. An. 25, 5.


Waszink schließt aus, dass die Namen der Ärzte von Soranos stammen: »it
is highly improbable that it is Soranus who made mention of these physi-
cians in this context; the list, which contains no name not mentioned in
the foregoing chapters, only serves as an illustration« (Waszink 1947, 329);
vgl. allerdings 35*: »must be ascribed to Soranus. Perhaps the same applies
to the detailed description of embryotomy in 25, 5«; andererseits müsste
man für diese so ausführlichen Angaben eine zweite medizinische Quelle
annehmen, was auszuschließen ist; zu Erasistratos vgl. fr. 71 Garofalo.
tortili temperamento: vgl. ą.ȭ. 4, 130 in der Übersetzung des Mus-
cio, p. 54 Burguière-Goulevitch - Malinas: deinde accepto organo et uncto pria-
154 Kommentar

pisco, quem graeci loton dicunt, in aliquantum ad prunas calefacere; deinde sine quas-
satione priapiscum inicere, susum scilicet axe posito, iubere etiam ministro ut aperiendo
organo axem torquere incipiat ut paulatim partes ipsae aperiantur. cum vero post visum
organum tolleri volueris, ministro iubere ut iterum axem torqueat quo organum claudi
possit ita tamen ut, cum adhuc in aliquantum patet sic auferatur, ne universa clausura
aliquas partes teneat et nocere incipiat.
hebete unco quo totum facinus extrahitur: ą.ȭ. 4, 5 p. 17, 20 – 18,
26: ʿąȯȳȽȫ ąȯȳȺ˦ȼȲȫȳ Ƚ' ąȫȺȯȭȴȯȴȵȳȴџȻ, ȯ ȮȾȷȫȽ&ȷ, ʱąȯȾȲѠȷȯȳȷ Ƚџąȹȷ
ȯȻ ȴȫȽȪąȫȺȼȳȷ ȶȬȺȾȹȾȵȴȹ8 ąȺ'Ȼ Ƚ' ȶ ȴąȯȼȯȷ .ˤȮɅɂȻ. ąȳȽɄȮȯȳȹȳ
Ȯ ąȺ'Ȼ ȴȫȽȫąȫȺȶ'ȷ Ƚџąȹȳ ȽHȷ ȶ ȷ ą ȴȯȿȫȵȷ )ȿȲȫȵȶȹ ȴȫ ȷɅȹȷ
ȴȫ ȼȽџȶȫ ąȺ'Ȼ ȹ3ȺȫȷɅȼȴȹȷ ȴȫ ȴȵȯȮȯȻ ȴȫ ȹ 2ą' ąȵȯȾȺ ȷ Ƚџąȹȳ,
ȶȫȼɀȪȵȫȳ Ȯ ȹ3ȮȫȶHȻ... ʱȵȵ’ ȹ3Ȯ ȹ ʱȴȹȾȼȽȳȴȹ ąџȺȹȳ (ȮȾȼ-
ąȫȺȪȮȯȴȽȹȳ Ȯȳ ȼȴȹȵȳџȽȱȽȫ ȴȫ ȼȽȯȷȹ ȵɅȫȷ); ą.ȭ. 4, 5 p. 18, 40; Ibid., p.
22, 142. Cels. Med. 7, 29, 4: tum si caput proximum est, demitti debet uncus
undique levis, acuminis brevis, qui vel oculo vel auri vel ori interdum etiam fronti recte
inicitur; deinde adtractus infantem educit.
aeneum spiculum: es scheint also, dass der ȶȬȺȾȹȼȿ ȴȽȱȻ dazu di-
ente, das Kind zu töten, der ȶȬȺȾȹȽ&ȶȹȻ dazu, die Stücke herauszuneh-
men; das aeneum spiculum dürfte dasselbe wie das ȼąȫȲȹȷ sein: vgl. ą.ȭ. 4,
5 p. 20, 92: ȴȫ ȯȻ Ƚ Ȼ ȼȿȫȭ Ȼ ȬȫąȽȰȯȳȷ Ƚ' ȼąȫȲȹȷ ȶ ɀȺȳ
ȴȯȷȯȶȬȫȽɄȼȯɂȻ ȯȻ Ƚ' ʿȶȬȺȾȹȷ. Seltsamerweise lässt sich in ą.ȭ. der
ȶȬȺȾȹȼȿ ȴȽȱȻ nicht nachweisen, allerdings befindet sich dessen Name in
der Liste medizinischer Werkzeuge in der Hs. Laur. gr. LXXIV, 2: vgl.
noch Schoene (1903), 282; Leve 2005, 408.

19 — Tert. An. 25, 9 ~ Soranus, ą.ȭ. 1, 12 p. 36.


Diese Stelle ist problematisch: das Zitat aus den Nomoi Platons ist eines
der zwei Beispiele, die in Tertullians De anima zu lesen sind (20, 3 und
hier); in der ersten Textpassage hatten wir die Spuren des Soranos erkannt,
und dieser Umstand lässt uns vermuten, dass Tertullian die Nomoi Platons
über Soranos als Vermittler kennengelernt hatte (ein direktes Heranziehen
dieses umfangreichen und schwierigen Werkes Platons scheint unwahr-
scheinlich; andererseits finden sich hier keine Spuren der Psychologie des
Albinos; vgl. auch Waszink 1947, 334: »it is possible that in ąȯȺ ɁȾɀȻ.
he referred to the passage from Plato«). Die Erwähnung des Kleanthes,
wie auch die Lehre von der geistigen und nicht nur körperlichen Ähnlich-
keit zwischen Kindern und Eltern – eine Vorstellung, die sich so auch in
der gynäkologischen Schrift findet – scheinen eine Abhängigkeit Tertul-
lians gegenüber Soranos zu beweisen; diese Lehre ist auch in ą.ȭ. und
einem gesicherten Soranostestimonium (T 2, Tert. An. 5, 4) nachgewiesen.
Andererseits zeigt die Textpassage auch einige Zusätze Tertullians, die im
Text mit geschweiften Klammern markiert werden; diese Zusätze wurden
Kommentar 155

aus dogmatischen Gründen eingefügt und stehen zum Denken des Sora-
nos in Widerspruch. Die Annahme, die Seele werde zusammen mit dem
männlichen Samen eingeflößt, ist mit der Überzeugung des Soranos un-
vereinbar und muss auf Tertullian zurückgeführt werden (in ą.ȭ. 1, 43, 1-
3 unterscheidet der Arzt drei Phasen: ȼąɃȺȶȫ, ȿѠȼȳȻ und ɁȾɀ, vgl. Was-
zink 1947, 345).
Auch die Überzeugung, man müsse zum Zeitpunkt der Empfängnis
nüchtern sein, ist mit oder ohne Zitat aus Platons Nomoi ziemlich verbrei-
tet: unter den von Waszink angeführten Texten vgl. Plut. De lib. ed. 3, 1 d;
Praec. con. 42, 144 b (keine Zitate aus Platon); Athen. 10, 39, 431 f; Aristox.
ap. Stob. 4, 37, 4; Iambl. Vit. Pyth. 211-212. Unklar ist auch, auf welche
Weise Soranos den Text Platons zitierte: vgl. das aporetische Endergebnis
von Waszink 1947, 334: »it is not out of the question that Soranus accused
Plato of inconsistency«; die Polemik dürfte sich jedenfalls auf die techni-
sche Frage der Beseelung des Embryo bezogen haben, nicht auf die mora-
lische Richtlinie.
sexto Legum: Vgl. Nomoi 6, 775 b 4 – c 3: ąɅȷȯȳȷ Ȯ ȯȻ ȶɃȲȱȷ ȹ6Ƚȯ
ʵȵȵȹȲɅ ąȹȾ ąȺɃąȯȳ, ąȵȷ ȷ ȽȫȻ Ƚȹ8 Ƚ'ȷ ȹȷȹȷ ȮџȷȽȹȻ Ȳȯȹ8 ʼȹȺȽȫȻ,
ȹ3Ȯ’ ʱȼȿȫȵɃȻ, ȹ6Ƚ’ ȹ9ȷ Ȯ ąȯȺ ȭȪȶȹȾȻ ȼąȹȾȮȫȴџȽȫ, ȷ ȹ Ȼ ʿȶȿȺȹȷȫ
ȶȪȵȳȼȽȫ ȯȷȫȳ ąȺɃąȯȳ ȷѠȶȿȱȷ ȴȫ ȷȾȶȿɅȹȷ... ʶȶȫ Ȯ ȴȫ Ƚ' ȭȯȷȷѡȶȯȷȹȷ
*ąɂȻ *Ƚȳ ȶȪȵȳȼȽȫ ȸ ȶȿȺџȷɂȷ ʱȯ ȭɅȭȷȱȽȫȳ (Waszink 1947, 333-334);
vgl. Soranus, ą.ȭ. 1, 12, p. 33: ʵȺȳȼȽȹȻ ȼȾȷȹȾȼɅȫȻ ȴȫȳȺ'Ȼ ąȺ'Ȼ ȼѠȵ-
ȵȱɁȳȷ... Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ ȶɄȽ’ ȷȮȯȹ8Ȼ ,ȷȽȹȻ ȶɄȽ’ ʵȭȫȷ ąȵɄȺȹȾȻ ȴȫ
ȬȫȺɃȹȻ ȴ ȶɃȲȱȻ ȴȫ ʱąȯɁɅȫȻ; Ibid., p. 35, 82: ȶɄȽ’ ȷȮȯȹ8Ȼ ȹ9ȷ Ƚȹ8
ȼѡȶȫȽȹȻ ,ȷȽȹȻ ˂ ȼȾȷȹȾȼɅȫ ąȫȺȫȵȫȶȬȫȷɃȼȲɂ ȶɄȽȯ Ȯ ąȪȵȳȷ ȬȫȺɃȹȻ,
ȴȫ (ąȹȹȷ ȷ ʱąȯɁɅȫȳȻ ȼȽ ȴȫ ȶɃȲȫȳȻ. Vgl. Kind 1927, 1120, 60ff.;
Karpp 1934, 36.
Cleanthis testimonium: SVF I, 518, An. 5, 4 (T 2); vgl. SVF I, 518
(Nem. De nat. hom. p. 32); Einleitung, 70ff.

20 — Tert. An. 27, 5-6 ~ Soranos, ą.ȭ. 1, 9 p. 17.


[a] Die Behauptung Tertullians entstammt der stoischen Physiologie, der
zufolge der Samen feuriges, mit der feuchten Natur gemischtes Pneuma
ist und aus allen Komponenten des Leibes besteht (Waszink 1947, 344:
vgl. SVF I, 128: Ƚ' Ȯ ȼąɃȺȶȫ ȿȱȼȷ ( ȗȷɂȷ ȯȷȫȳ... ąȷȯ8ȶȫ ȶȯȲP
2ȭȺȹ8... ȴȫ ȶȭȶȫ ȽHȷ ȽȻ ɁȾɀȻ ȶȯȺHȷ ȼȾȷȯȵȱȵȾȲџȻ; vgl. auch Theo-
dor. Ther. 5, 25: ʱąџȼąȫȼȶȫ ȴȫ Ƚȹ8 ȽHȷ ąȺȹȭџȷɂȷ ȼąɃȺȶȫȽȹȻ
ȴɃȺȫȼȶȪ Ƚȯ ȴȫ ȶȭȶȫ, ȸ ʲąȪȷȽɂȷ ȽHȷ ȽȻ ɁȾɀȻ ȶȹȺɅɂȷ
ȸȾȷȫȲȺȹȳȼȲɃȷ); zur Gleichsetzung von Seele und Wärme vgl. SVF I, 126:
ut Zenon Citieus, animalium semen ignis is qui anima ac mens. Die feurige Natur
der Seele und die Polemik gegen die platonische Paretymologie ɁȾɀ/
Ɂ8ɀȹȻ (vgl. Crat. 399 e) könnten einen Berührungspunkt des Soranos mit
156 Kommentar

dem feurigen Pneuma darstellen: aber die epikureische Seele bestand ne-
ben anderen Elementen auch aus Feuer; wir finden hier also keine ent-
scheidende Angabe.
Die Lehre, der zufolge der Samenerguss die Augen beschädigen kann,
war zur jener Zeit schon alt; Waszink konnte zahlreiche Beispiele finden:
vgl. Diokles fr. 182, 11 in van der Eijk 2000, 310: ʱȿȺȹȮȳȼɅȹȳȻ Ȯ ɀȺȼȲȫȳ
ąȹȵȵȹȻ ȶ ȷ ȴȫ ȼȾȷȯɀ Ȼ ȹ3 Ȯȯ· ȴȫȴȹ8Ƚȫȳ Ȯ ȶȪȵȳȼȽȫ Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ
ȽȹȻ ąȵȯȹȷȪȰȹȾȼȳȷ ʱȴȫɅȺɂȻ Ƚ ąȯȺ Ƚȷ ȴѠȼȽȳȷ ȴȫ ȷȯȿȺȹ1Ȼ ȴȫ
ąȷȯѠȶȹȷȫ ȴȫ )ȿȲȫȵȶȹ1Ȼ ȴȫ Ƚ ąȯȺ Ƚ'ȷ ȷɂȽȳȫȹȷ ȶȾȯȵџȷ; diese Über-
zeugung beruht auf der Vorstellung, dass der Samen ein Teil des Mannes
ist: vgl. Clem. Al. Paed. 2, 10, 94, 2-4; Aug. Civ. Dei 14, 16 (Waszink); die
weit zurückliegende Quelle könnte Demokrit sein: vgl. DK 68 B 32:
ȸȾȷȹȾȼɅȱ ʱąȹąȵȱȸȱ ȼȶȳȴȺɄȊ ȸ ȼȼȾȽȫȳ ȭ Ⱥ ʵȷȲȺɂąȹȻ ȸ ʱȷȲȺѡąȹȾ
ȴȫ ʱąȹȼą˦Ƚȫȳ ąȵȱȭ Ƚȳȷȳ ȶȯȺȳȰџȶȯȷȹȻ. Diese Lehre ist bei Soranos oft
belegt; er behauptet nämlich mehrfach, dass der Samenerguss sowohl
Männern als auch Frauen schaden kann, und empfiehlt Enthaltsamkeit als
Teil einer gesunden Lebensweise (z.B. ą.ȭ. 1, 8).

21 — Tert. An. 32, 4.


Diese Stelle lässt sich nicht nur deswegen auf Soranos zurückführen, weil
hier zahlreiche detaillierte Informationen geboten werden, sondern weil
sich auch der Wunsch erkennen lässt, verschiedene gegensätzliche Mei-
nungen zu sammeln und einander gegenüberzustellen; Ziel dieser Aufzäh-
lung war, die Ȯȳȫȿɂȷȫ und Unzuverlässigkeit der Philosophie zu betonen.
Diese Vorgehensweise war typisch für die Skeptiker, die Soranos’ Lektüre
doxographischer Literatur beeinflussten, pace R. Polito, vgl. Waszink 1947,
387: »this list may have been borrowed from similar enumerations found
in treatises of the Sceptics, e.g. Sext. Emp. Pyrrh. Hyp. 3, 152«; von den
anderen Textpassagen, die der holländische Forscher anführte, vgl. Philon,
De somn. 1, 30-31: ȽɅ ȭ Ⱥ ȫ3Ƚ'ȷ (scil. Ƚ'ȷ ȷȹ8ȷ) ȹџȶȯȲȫ ȴȫȽ Ƚȷ
ȹ3ȼɅȫȷ ȯȷȫȳ; ąȷȯ8ȶȫ ˃ ȫ ȶȫ ˃ ȼHȶȫ ȼȾȷџȵɂȻ — ʱȵȵ’ ȹ3 ȼHȶȫ,
ʱȼѡȶȫȽȹȷ Ȯ ȵȯȴȽɃȹȷ — ˃ ąɃȺȫȻ ˃ ȯȮȹȻ ˃ ʱȺȳȲȶ'ȷ ˃ ȷȮȯȵɃɀȯȳȫȷ ˃
ʲȺȶȹȷɅȫȷ ˃ ȽɅ ȽHȷ ,ȷȽɂȷ; Clem. Alex. Strom. 5, 12, 81, 5 (Mansfeld 1990,
3117ff.). Zu einer ähnlichen Aufzählung vgl. Tert. Marc. 1, 13, 3 (bezogen
allerdings auf die Komponenten des Kosmos). Die atomi Epicuri scheinen
die Angabe von T 2 zu bestätigen.

22 — Tert. An. 37, 5.


Das in polemischem Kontext kurz von Tertullian angeführte Zitat stammt
mit großer Wahrscheinlichkeit von Soranos; der Arzt hatte sich hier also
eine Überzeugung der hellenistischen Seelenlehre zu eigen gemacht: vgl.
Kommentar 157

Lucr. 3, 445-458, insbesondere 455ff: ergo dissolvi quoque convenit omne ani-
mai/ naturam… quandoquidem gigni pariter pariterque videmus/ crescere; SVF III,
Antip. Tars. fr. 50: ϮȷȽąȫȽȺȹȻ ( ȫȽȺ'Ȼ ȼȾȷȫѠȸȯȼȲȫ ȿȫȼȳ ȽN ȼ@ȶȫȽȳ
Ƚȷ ɁȾɀȷ ȴȫ ȼȾȶȶȯȳȹ8ȼȲȫȳ ą ȵȳȷ (Waszink). Das Bedürfnis Tertulli-
ans, ein Wachstum der Seele abzulehnen, lässt sich dadurch erklären, dass
er auch den Verfall und das Sterben der Seele zu bestreiten versucht (wie
es in der Lehre des Soranos zu finden ist). Geleitet von diesem Wunsch
wird Tertullian sich oft selbst widersprechen: vgl. An. 32, 6 und die Einlei-
tung.

23 — Tert. An. 38, 1.


Der Mensch erreicht die Reifezeit mit dem vierzehnten Lebensjahr.
Der Bezug auf Asklepiades stammt wahrscheinlich von Soranos
(Waszink 1947, 433). Trotz der epikureischen Bildung des Asklepiades ist
die Vorstellung, der Mensch erreiche mit dem vierzehnten Lebensjahr die
Geschlechtsreife, schon bei Aristoteles nachgewiesen (Hist. An. 5, 14, 544
b 27: ʵȺɀȯȽȫȳ Ȯ ȿɃȺȯȳȷ Ƚ' ȼąɃȺȶȫ ąȯȺ Ƚ ȮȻ ʼąȽ ʿȽȱ, ȭȯȷȷȱȽȳȴ'Ȼ
Ȯ ąȯȺ Ƚ ȽȺȻ ʼąȽ , Pol. 7, 17, 1336 b 37ff.; Festugière 1953, 13) und
vor allem bei den Stoikern verbreitet (SVF I, 149 [Zenon]; II, 764; II, 835
[Chrysipp] vgl. Pohlenz 1948, 86ff.).
Insbesondere die Unterteilung des menschlichen Lebens auf der Basis
der Zahl Sieben scheint typisch für Soranos zu sein: vgl. ą.ȭ. 1, 6, p. 17:
Ƚ' Ȯ ʿȶȶȱȷȹȷ ąȳȿȫɅȷȯȽȫȳ ąȺHȽȹȷ ąȯȺ Ƚ' ȽȯȼȼȫȺȯȼȴȫȳȮɃȴȫȽȹȷ ʿȽȹȻ
ȴȫȽ Ƚ' ąȵȯȼȽȹȷ, *Ƚȯ ȴȫ Ƚ' ˂Ȭ˦ȷ ȴȫ Ƚ' Ȯȳȹȭȴȹ8ȼȲȫȳ Ƚȹ1Ȼ ȶȫȼȽȹѠȻ,
vgl. auch 2, 16 p. 16, 13: das Kind, das im siebten Monat geboren wird,
hat mehr Lebenschancen als das, das im achten Monat das Licht der Welt
erblickt; 2, 18 p. 58: die Zähne wachsen sieben Monate nach der Geburt;
zudem ist auch die Seele in sieben Vermögen eingeteilt. Die Bezugnahme
auf die dominatrices potestates (d.h. die Dämonen, die die Entwicklung der
Seele beeinflussen können) kann als Zusatz Tertullians betrachtet werden.

24 — Tert. An. 42, 1.


Im Folgenden wird die zweite der ȴ0Ⱥȳȫȳ Ȯџȸȫȳ Epikurs angeführt: (
Ȳ ȷȫȽȹȻ ȹ3Ȯ ȷ ąȺ'Ȼ ˂ȶ˦ȻȊ Ƚ' ȭ Ⱥ ȮȳȫȵȾȲ ȷ ʱȷȫȳȼȲȱȽȯȊ Ƚ' Ȯȃ
ʱȷȫȳȼȲȱȽȹ8ȷ ȹ3Ȯ ȷ ąȺ'Ȼ ˂ȶ˦Ȼ; dieser Denkspruch war schon von Cicero
übersetzt worden: Fin. 2, 31, 100: mortem nihil ad nos pertinere; quod enim disso-
lutum sit, id esse sine sensu; quod autem sine sensu sit, id nihil ad nos pertinere omni-
no. Die hier angeführte Übersetzung ist von Cicero unabhängig, d.h. ent-
stammt dem Text des Soranos (Waszink); man sollte allerdings nicht die
Übersetzung des Lukrez vergessen: nil igitur mors est ad nos neque pertinet
hilum/ quandoquidem natura animi mortalis habetur (3, 830-831). Vgl. Waszink
158 Kommentar

1947, 459: »Tert. may perhaps owe the knowledge of the ȴ0Ⱥȳȫ Ȯџȸȫ to
Soranus«.

25 — Tert. An. 43, 1-5.


Trotz der zahlreichen von Soranos stammenden Materialien ist die Mei-
nung des Arztes nicht einfach zu ermitteln. Er hatte wahrscheinlich auf-
grund der konkreten Erfahrung (d.h. Schlaf ist erholsam und wirkt der
Müdigkeit entgegen) abgelehnt, dass der Schlaf eine defetiscentia sein kann:
er ist also naturgemäß und heilsam. Die Doxographie zu Aristoteles
stimmt mit dem Anon. Lond. überein, aber hatte sich Soranos wirklich
diese Überzeugung zu eigen gemacht? Auch in diesem Fall ist die persön-
liche Meinung des Arztes die letzte in der Reihung angeführte, und somit
nähert sich Soranos den Stoikern an; auch der als Ruhephase des Körpers
betrachtete Schlaf scheint mit T 27 übereinzustimmen.
Die erste vor der doxographischen Aufzählung behandelte Frage be-
trifft die Naturgemäßheit des Schlafes: Tertullian folgt auch in diesem
Punkt Soranos und definiert dieses biologische Phänomen als naturgemäß.
Die Gewohnheit, jedes einzelne Phänomen auf der Basis der Opposition
natürlich/ unnatürlich genau zu bestimmen, ist tatsächlich eine ›Manie‹
des Soranos (ein Erbe des Stoizismus?): vgl. ą.ȭ. 1, 1 p. 4: ȹ ȶ ȷ ȯȻ Ƚ'
ąȯȺ ȽHȷ ȴȫȽ ȿ0ȼȳȷ ȴȫ Ƚ' ȽHȷ ąȫȺ ȿ0ȼȳȷ (scil. Ƚ ȶȷȹȾȼȳ Ƚȷ
ąȺȫȭȶȫȽȯȫȷ); 1, 6 p. 16: o3Ȳ ȷ Ȯ Ƚȹ0Ƚɂȷ ąȫȺ ȿ0ȼȳȷ, BȻ ʵȷȯȾ
ȮȾȼɀȯȺȯȫȻ ʱąȹȴȺȷȯȽȫȳ; ą.ȭ. 1, 14 p. 41: ȹ3 ȭ Ⱥ 2ą' ȽȻ ȴȫȽ ȿѠȼȳȷ
ȷȯȺȭȯɅȫȻ, 2ą' Ȯ ȽȻ ąȫȺ ȿѠȼȳȷ ʱąȹȽȯȵȹ8ȷȽȫȳ (scil. ȫ ȴȺȫȽȼȯȳȻ
Ƚȹ8 ȼą ȺȶȫȽȹȻ); Anon. Lond. 2, 14: ȽHȷ Ƚȯ ɁȾɀȳȴHȷ ąȫȲHȷ ʴ ȶɃȷ
ȼȽȳȷ ȴȫȽ ȿѠȼȳȷ, ʴ Ȯ ąȫȺ ȿѠȼȳȷ.
Die Angabe über die Stoiker wurde aufgenommen als fr. SVF II, 768,
bemerkenswert ist die doxographische Quelle (vgl. SVF II, 766 = Diog.
Laert. 7, 158; SVF II, 767 = Aët. 5, 24, 4; SVF I, 130 = Cic. De div. 2, 119:
quasi labi putat atque concidere, et <id> ipsum esse dormire); was die Epikureer
betrifft, so finden wir hier fr. 325 Usener (vgl. Diog. Laert. 10, 66, locus
incertus); zu Anaxagoras vgl. DK 59 A 103: ȴȫȽ ȴџąȹȷ ȽȻ ȼɂȶȫȽȳȴȻ
ȷȯȺȭȯɅȫȻ ȭɅȷȯȼȲȫȳ Ƚ'ȷ 4ąȷȹȷ; die Erwähnung des Xenophanes wurde
aufgenommen als fr. DK 21 A 51; zu Empedokles vgl. DK 31 A 85 (=
Aët. 5, 24, 2): Ƚ'ȷ ȶ ȷ 4ąȷȹȷ ȴȫȽȫɁ0ȸȯȳ Ƚȹ8 ȷ ȽN ȫȶȫȽȳ ȲȯȺȶȹ8
ȼȾȶȶ ȽȺL ȭɅȭȷȯȼȲȫȳ; die Namen von Empedokles und Parmenides sind
miteinander verbunden, ersterer war nämlich der Schüler des letzten (DK
28 A 4; 31 A 1; 31 A 2); das Zeugnis über Parmenides wurde nicht in die
Sammlung von DK aufgenommen (Waszink). Auch zu dem Zeugnis über
Straton kennen wir keine anderen Parallelen, aber die Angabe stimmt mit
der Lehre von der pneumatischen, im ganzen Leib verstreuten Seele über-
ein, deren Mittelpunkt im Gehirn hinter den Augenbrauen liegt (fr. 129
Kommentar 159

Wehrli); infolge der Kontamination der hellenistischen Philosophie ist


diese Definition (consatus spiritus) schon zu Beginn auch bei den Stoikern
verbreitet: vgl. das ȼѠȶȿȾȽȹȷ ąȷȯ8ȶȫ in SVF II, 716 und II, 778. Die
Erwähnung Demokrits wurde als fr. 68 A 136 DK aufgenommen; vgl.
Aët. 5, 2, 1: Ƚȹ1Ȼ )ȷȯȺȹȾȻ ȭɅȷȯȼȲȫȳ ȴȫȽ Ƚ Ȼ ȽHȷ ȯȮѡȵɂȷ ąȫȺȫ-
ȼȽ ȼȯȳȻ. (Die Stellen aus den Vorsokratikern wurden schon von Waszink
identifiziert). Dass Soranos auch im Falle der Lehre des Aristoteles die
Quelle sein dürfte, wird durch den Anonymus Londinensis bestätigt: vgl.
23, 42 – 24, 5: ȽȹѠȻ Ƚȯ 4ąȷȹȾȻ, DȻ ȿȱȼȳȷ ( ϮȺȳȼ<Ƚȹ>ȽɃȵȱȻ,
ʱąȹȽȯȵȯȼȲȫǽȳǽ Ƚȹ8Ƚȹȷ Ƚ'ȷ ȽȺџąȹȷ· ȽȻ ȭ Ⱥ ȴȫȺȮɅȫȻ ȿѠȼȯȳ ȲȯȺȶȻ
2ąȫȺɀȹѠȼȱȻ ȴȫ ȸ ȫ3ȽȻ ʱȷȱȺȽȱȶɃȷȹȾ Ƚȹ8 ȲȯȺȶȹ8, Ƚȹ8 Ȯ’ ȷȴȯȿȪȵȹȾ
ɁȾɀȺȹ8, ȼȾȶȬɃȬȱȴȯȷ ąȯȺ ȽHȳ ȷȴȯȿȪȵɂȳ ȼȾȷɅȼȽȫȼȲȫȳ 2ȭȺџȽȱȽȫ Ƚȷ
ʱȷȫȿȯȺȹȶɃȷȱȷ 2ą' ȽȻ ȲȯȺȶџȽȱǽȽǽȹǽȻǽ ʱą' ȴȫȺȮɅȫȻ, [˄]ȷ Ȯ
ȼȾȷȳȼȽȫȶɃȷȱȷ ȴȫȽȫɁѠɀȯȼȲȫȳ ȴȫ ȴ Ƚȹ8 [.......] ąǽȪǽȵȳȷ ȴȫȽȫȿɃȺȯȼȲȫȳ,
ȶ ȮȾǽȷǽȫȶǽɃǽȷǽȱȷ Ȯȳǽ ǽ Ƚ' Ɂ8ɀȹȻ ȮȳȫȶɃȷȯȳȷ ǽȷ ȽȹȻ ȽџąȹȳȻ, ą Ƚǽǽȷǽ
ȴǽȫǽȺǽȮǽɅǽȫǽȷǽ... ȴȫ Ƚǽȳǽ ȶɅȸȯȳ Ƚ' ȲȯȺȶџȷ. JȮȯ Ƚ'ȷ 4ąǽȷǽȹȷ ȭɅȷȯȼȲȫȳ, Ƚȷ Ȯ
ȭȺɄȭȹȺȼȳȷ ʱąȹȽȯȵȯȼȲȫȳ ʱǽȷǽȫȵȹȾȶɃȷȱȻ ȽȻ 2ȭȺџȽȱȽȹȻ ʲąȪȼȱȻ ȽȻ
ąȯȺ ȽHȳ ȭȴȯȿȪȵɂȳ, ʿąȯȳȽȫ Ƚȹ8 ȲȯȺȶȹ8 ąȪȷȾ ąȵȯȹȷȪȰȹȷȽȹȻ. Arist. De
somn. et vig. 3, 456 b 17ff.: ȹ3ȴ ʿȼȽȳȷ ( 4ąȷȹȻ ʱȮȾȷȫȶɅȫ ą˦ȼȫ Ƚȹ8
ȫȼȲȱȽȳȴȹ8, ʱȵȵ’ ȴ ȽȻ ąȯȺ Ƚȷ ȽȺȹȿȷ ʱȷȫȲȾȶȳȪȼȯɂȻ ȭɅȭȷȯȽȫȳ Ƚ'
ąȪȲȹȻ Ƚȹ8Ƚȹ· ʱȷȪȭȴȱ ȭ Ⱥ Ƚ' ʱȷȫȲȾȶȳѡȶȯȷȹȷ ȶɃɀȺȳ Ƚȹ8 CȲȯȼȲȫȳ, ȯȽ’
ʱȷȽȳȼȽȺɃȿȯȳȷ ȴȫ ȶȯȽȫȬȪȵȵȯȳȷ ȴȫȲȪąȯȺ ȯ6Ⱥȳąȹȷ... *Ƚȫȷ Ȯ .ɃɁ ȴȪȽɂ
ȴȫ ʱȷȽȳȼȽȺɃɁȫȷ ʱąѡȼ Ƚ' ȲȯȺȶџȷ, ȽџȽȯ ȭɅȭȷȯȽȫȳ ( 4ąȷȹȻ ȴȫ Ƚ'
ȰNȹȷ ȴȫȲȯѠȮȯȳ; Aët. 5, 25, 1: ȫȽȳȹȷ ȮP ȫ3Ƚȹ8 Ƚ' ʱȷȫȲȾȶȳȫȲ ȷ 2ȭȺ'ȷ
ʱą' Ƚȹ8 Ȳ@ȺȫȴȹȻ ȯȻ Ƚȹ1Ȼ ąȯȺ Ƚȷ ȴȯȿȫȵȷ Ƚ&ąȹȾȻ ȴ ȽȻ 2ąȹ-
ȴȯȳȶɃȷȱȻ ȽȺȹȿȻ ˃ Ƚ' ȷ Ƚ ȴȫȺȮˤ ȴȫȽȫɁȾɀȲ ȷ ȲȯȺȶџȷ. Hierzu vgl.
Waszink 1947, 461-463.

26 — Tert. An. 43, 8.


Die bereits geläufige Unterscheidung zwischen natürlich und unnatürlich
führt uns erneut auf die Spuren des Soranos; in diesem Fall wird zudem
geäußert, dass alles, was der Gesundheit schaden könne, als unnatürlich
definiert werden müsse. Der Schlaf zählt also laut Soranos zu den natur-
gemäßen Phänomenen; dies wird auch von Caelius Aurelianus bestätigt
(Morb. Acut. 2, 9, 45: dehinc lethargia gravis atque perniciosa esse passio perspicitur
somnus autem naturale est officium). Auch die Schlaflosigkeit kann als nicht
naturgemäß definiert werden (d.h. als pathologisch, wie im Fall der frene-
tischen Krankheit oder einer Herzerkrankung); dies gilt auch für eine
übermäßige Ausdehnung des Schlafes, wie im Fall der Lethargie. Zu dieser
Stelle, wie auch zur vorherigen, wo wir zahlreiche doxographische Anga-
ben finden, vgl. Waszink 1947, 461: »it begins with a discussion on do-
160 Kommentar

xographical matter, in which Tert. sides with the Stoics… here he un-
doubtedly follows Soranus, who regarded sleep as natural«.

27 — Tert. An. 43, 12.


Der zweite Teil des Kapitels 43 enthält vor allem Materialien christlicher
Prägung und Bibelzitate; trotzdem lässt § 12 die Handschrift unseres Arz-
tes erkennen. Zuerst sollten wir die schon von Waszink betonte Parallele
mit Pseudo-Hippokrates’ ąȯȺ ȮȳȫȽȱȻ heranziehen; aber auch das schon
vertraute Thema der ratio naturalis spiegelt die Persönlichkeit des Soranos
wider (nicht so sicher ist dies im Fall der membra der Seele). Man kann
auch einige Elemente erkennen, die auf jeden Fall aus der Feder Tertulli-
ans geflossen und mit geschweiften Klammern markiert sind: die Bezug-
nahme auf die Auferstehung und der letzte Satz des Zeugnisses.
Zur Seelentätigkeit im Traum vgl. Ps.-Hippokrates ą. ȮȳȫȽȱȻ 4, 86, 2:
Ƚ' ȶ ȷ ȭ Ⱥ ȼHȶȫ ȴȫȲȯ8Ȯȹȷ ȹ3ȴ ȫȼȲȪȷȯȽȫȳ, ˂ Ȯ’ ȭȺȱȭȹȺȹ8ȼȫ (scil. ˂
ɁȾɀɄ) ȭȳȷѡȼȴȯȳ, ȴȫȲȹȺ Ƚȯ Ƚ (ȺȫȽ ȴȫ ȮȳȫȴȹѠȯȳ Ƚ ʱȴȹȾȼȽ ,
ȬȫȮɅȰȯȳ, ɁȫѠȯȳ, ȵȾąɃȯȽȫȳ, ȷȲȾȶɃȯȽȫȳ, ȷ )ȵɅȭL ȹ8ȼȫ, (ȴџȼȫȳ Ƚȹ8
ȼѡȶȫȽȹȻ 2ąȱȺȯȼɅȫȳ ˃ ȽȻ ɁȾɀȻ, Ƚȫ8Ƚȫ ąȪȷȽȫ ˂ ɁȾɀ ȷ ȽN 4ąȷL
ȮȳȫąȺɄȼȼȯȽȫȳ; Epiph. Pan. 48, 5 p. 227, 9 Holl: ȴȫ ąȯȺȳąȫȽȯ ȴȫ
Ⱥȭ ȰȯȽȫȳ ȴȫ ąȹȷȽȹąȹȺȯ ȴȫ ȮȱȶȱȭȹȺȯ ȴȫ ȷ ąȵȯȹȼȳ ȴȫ ȷ ȶȯȰȹȼȳ
Ƚȹ0Ƚɂȷ ȮȳP )ȷȯȳȺ Ƚɂȷ ʼȫȾȽȷ Ȳȯɂȶ ȷȱ (Waszink 1947, 472: »Tert. may
have found a discussion of this kind in Soranus«); Porph. Symm. Zet. fr.
259 p. 285 Smith (= Nemes. 131 p. 40, 12): Ȯȵȹȷ ȴ Ƚȹ8 Ƚȷ ɁȾɀȷ
ȽȺџąȹȷ Ƚȳȷ ɀɂȺȳȰȹȶɃȷȱȷ Ƚȹ8 ȼѡȶȫȽȹȻ ȷ ȽN 4ąȷL ȴȫ DȼąȯȺ
ȷȯȴȺ'ȷ ȫ3Ƚ' ȴȯȼȲȫȳ ȴȫȽȫȵȯąȹȾȼȫȷ... ȴȫȲ’ ʼȫȾȽȷ ȷ ȽȹȻ )ȷȯɅȺȹȳȻ
ȷȯȺȭȯȷ ȲȯȼąɅȰȹȾȼȫȷ Ƚ' ȶɃȵȵȹȷ ȴȫ ȽȹȻ ȷȹȱȽȹȻ ąȵȱȼȳȪȰȹȾȼȫȷ; Arist.
ąȯȺ ȿȳȵȹȼ. fr. 12 a Ross (Sext. Emp. Adv. math. 3, 20-23): ʱȵȵ’ ʱą' ȶ ȷ
ȽHȷ ąȯȺ ɁȾɀȷ ȼȾȶȬȫȳȷџȷȽɂȷ Ȯȳ Ƚȹ1Ȼ ȷ ȽȹȻ 4ąȷȹȳȻ ȭȳȷȹȶɃȷȹȾȻ
ȽȫѠȽȱȻ ȷȲȹȾȼȳȫȼȶȹ1Ȼ ȴȫ Ƚ Ȼ ȶȫȷȽȯɅȫȻ. *Ƚȫȷ ȭȪȺ, ȿȱȼȳȷ, ȷ ȽN
2ąȷȹ8ȷ ȴȫȲ’ ʼȫȾȽȷ ȭɃȷȱȽȫȳ ˂ ɁȾɀɄ, ȽџȽȯ Ƚȷ Ȯȳȹȷ ʱąȹȵȫȬȹ8ȼȫ
ȿѠȼȳȷ ąȺȹȶȫȷȽȯѠȯȽȫɅ Ƚȯ ȴȫ ąȺȹȫȭȹȺȯѠȯȳ Ƚ ȶɃȵȵȹȷȽȫ. ȽȹȳȫѠȽȱ ȮɃ
ȼȽȳ ȴȫ ȷ ȽN ȴȫȽ Ƚ'ȷ ȲȪȷȫȽȹȷ ɀɂȺɅȰȯȼȲȫȳ ȽHȷ ȼɂȶȪȽɂȷ; Cic. De
div. 1, 30, 63 cum ergo est somno sevocatus animus a societate et a contagione corporis
tum meminit praeteritorum, praesentia cernit, futura providet; iacet enim corpus
dormientis ut mortui, viget autem et vivit animus; dazu vgl. Dörrie 1959, 64-65.
Einige Aussagen wurden von Tertullian eingefügt und sind durch Klam-
mern markiert; lässt man diese Stellen beiseite, so können wir einige Punk-
te feststellen, an denen Soranos dazu tendiert, sich von seinem Vorbild zu
distanzieren: getilgt wurde z.B. die Bezugnahme auf die Wahrsagung, die
auch Tertullian sehr gut gefallen hätte, der zum Zeitpunkt seiner Soranos-
Lektüre bereits Montanist war; hier wird nur von alltäglichen Tätigkeiten
der Seele gesprochen, was die aufgeklärte Haltung des Soranos beweist.
Kommentar 161

Die Seele hat ihre eigenen Glieder, verspürt allerdings das Bedürfnis, die
Glieder des Körpers zu bewegen.

28 — Tert. An. 44, 2.


Waszink meint (1947, 475), Hermotimos sei nicht von Soranos erwähnt
worden, dieser Name sei von Tertullian einer anderen Quelle entnommen
(Hermippos von Berytos?); die Hypothese, der Arzt von Ephesos habe im
Falle des Hermotimos eine übernatürliche Erklärung abgelehnt, bleibt
plausibel. Soranos hätte auf jeden Fall der Vorstellung widersprochen,
lethargischer Schlaf sei von den incubones verursacht, d.h. von den Seelen
der Heiden, die die Schlafenden bedrücken. Es handelt sich um eine po-
lemische Stellungnahme zur traditionellen Religion, die gut zur aufgeklär-
ten Mentalität unseres Arztes passt. Soranos benutzt oft »wissenschaftli-
che« Erklärungen, die er gegen die traditionelle Religion anführt: eine
Hebamme / Amme darf nicht abergläubisch sein: vgl. ą.ȭ. 1, 3 p. 7:
ʱȮȯȳȼȳȮȫɅȶȹȷȫ ɀȪȺȳȷ Ƚȹ8 ȶ Ȯȳ’ ,ȷȯȳȺȹȷ ˃ Ȯȳ ȴȵȱȮџȷȫȻ ˃ ȼѠȷȱȲɃȻ Ƚȳ
ȶȾȼȽɄȺȳȹȷ ȴȫ ȬȳɂȽȳȴȷ ȲȺȼȴȯɅȫȷ 2ąȯȺȳȮȯȷ Ƚ' ȼȾȶȿɃȺȹȷ; ą.ȭ. 2, 8 p.
31: ȮȳџąȯȺ ȹ3 ȮȯȳȼȳȮȫɅȶȹȷȫ Ȯȯ ȴȫ ȲȯȹȿџȺȱȽȹȷ ȯȷȫȳ Ƚȷ ȭȫȵȹ8ɀȹȷ,
ȷȫ ȶ ąȫȺȫȵȹȭȳȼȲȯȼȪ ąȹȽȯ ȴȫ ȶȫȷȳɂȮHȻ ȼȫȵȯȾȲȯȼȫ ȴȳȷȮѠȷL Ƚ'
ȬȺɃȿȹȻ ąȯȺȳȬȪȵ; ą.ȭ. 2, 6 p. 17.
Als ähnliches Beispiel einer Stellungnahme gegen die übernatürliche
Erklärung mancher psychischer Phänomene zitiert Waszink Cael. Aurel.
Morb. Chron. 1, 3, 55: est autem supradicta passio epilepsiae tentatio. nam quod
neque deus neque semideus neque †Cupido† sit, libris causarum quos
ȫȽȳȹȵȹȭȹȾȶɃȷȹȾȻ Soranus appellavit plenissime explicavit. Vgl. Rohde 1901,
Bd. 2, 207; Waszink 1947, 478.

29 — Tert. An. 48, 1-2.


Vgl. Waszink 1947, 506: »of the materials worked up in this chapter the
discussion of the influence of the position of the body on dreams may
perhaps be traced back to Soranus… however, it is also possible that Ter-
tullian found both a treatment of this question and the data discussed in §
1 in the dream-book of Hermippus«. Aber das gleichzeitige Vorkommen
eines Platon-Zitates und einer Äußerung zum Einfluss der Jahreszeit
macht die Abhängigkeit von Soranos wahrscheinlicher (wichtig ist auch
die Übereinstimmung mit peripatetischen Quellen).
Das Zitat wurde Tim. 71 d 1ff. entnommen; an dieser Stelle spricht
Platon von einem Zusammenhang zwischen der Leber und der Wahrsa-
gung anhand von Träumen; bei Platon findet sich allerdings kein Hinweis
auf die Position während des Schlafes; man kann mit Waszink vermuten,
162 Kommentar

dass diese Verbindung von Soranos selbst hergestellt wurde; er dürfte also
auch an dieser Stelle die Quelle Tertullians sein.
Zu den antiken Äußerungen über den Einfluss der Jahreszeit auf die
Träume vgl. Theophr. De lass. 16 (ed. Wimmer, Paris 1866, p. 400, 52);
Plinius Nat. Hist. 28, 54: Aristoteles et Fabianus plurimum somniari circa ver et
autumnum tradunt magisque supino cubitu, at prono nihil; Theophrastus celerius
concoqui dextri lateris incubitu, difficilius a supinis (fr. 341 p. 124 Fortenbaugh et
alii).
Auch die Aussage, der Sommer lockere die Seelen (dissolvat animas)
und der Winter mache sie härter (obduret), dürfte die Meinung des Soranos
wiedergeben, der zufolge die Poren sich bei Hitze ausdehnen und bei
Kälte zusammenziehen.

30 — Tert. An. 51, 2-3 ~ Meletios, p. 123, 3-18 ~ Pollux, Onom. 2, 145-
146 p. 128; 2, 36 p. 92.
Die inhaltliche Bedeutung dieses Zeugnisses ist im Prinzip klar: Soranos
lehnt die Vorstellung ab, die Seele sei in der Lage, nach dem Tod für eini-
ge Zeit im Leib zu bleiben. Zu den Seelen, die laut Platon in den Himmel
fahren, vgl. Phaedr. 247 c 2ff. (es ist natürlich nur den tugendhaften Seelen
erlaubt, bis zur folgenden Rotation am Hyperouranios zu bleiben); das
Zitat aus der Politeia entstammt natürlich dem Mythos von Er (10, 614 b):
der Leichnam sei nach dem Tod des Er zwölf Tage lang unversehrt
geblieben und habe noch auf dem Scheiterhaufen das Leben zurückerhal-
ten. Die bei Tertullian überlieferte Angabe ist allerdings ungenau: nach der
platonischen Erzählung habe die Seele des Er wirklich den Leib verlassen
und das Jenseits besucht. Diese Ungenauigkeit lässt sich durch den Um-
stand erklären, dass die Gegner des Soranos in Platons Text ein Argument
finden wollten, das bewiese, dass sich das psychische Prinzip nach dem
Tod für kurze Zeit im Leib aufhält (die philosophische Identität dieser
Gegner bleibt allerdings im Dunkel: ein derart falsches Verständnis des
platonischen Texts wäre bei den Platonikern unmöglich). Die Erwähnung
Demokrits wurde als fr. DK 68 A 160 aufgenommen und von Diels-
Kranz mit Aët. 4, 4, 7 in Verbindung gebracht (DK 68 A 117: ą ȷȽȫ
ȶȯȽ ɀȯȳȷ ȿȱȼ ɁȾɀȻ ąȹȳ˦Ȼ, ȴȫ Ƚ ȷȯȴȺ ȽHȷ ȼɂȶ Ƚɂȷ); vgl. Cic. Tusc.
1, 34, 82: fac enim sic animum interire ut corpus; num igitur aliquis dolor aut omnino
post mortem sensus in corpore est? nemo id quidem dicit etsi Democritum insimulat
Epicurus, Democritei negant; die passendste Parallelstelle erkannte Waszink in
Plot. 4, 4, 29, 5: ȽȺɀȯȻ ȿȾџȶȯȷȫȳ ą ȽHȷ ȷȯȴȺHȷ ȼɂȶ Ƚɂȷ ȴȫ ,ȷȾɀȯȻ
ȫ3ȸџȶȯȷȹȳ (Waszink 1947, 527). Zur Erklärung bezüglich der Nägel zitiert
Waszink (1947, 529) Ps.-Arist. De spir. 6, 484 a 38ff.: ȴ Ƚȹ8 ȷȯѠȺȹȾ Ƚ
,ȷȾɀȫ; Aët. 5, 22, 1; die Schlussfolgerung war aber »Tert. in this passage
follows Pliny« (vgl. Nat. Hist. 11, 247: ungues, clausulae nervorum summae
Kommentar 163

existimantur… defuncto crescunt). Durch die Parallelen aus Meletios und Pol-
lux können wir sicher sein, dass sich die sonderbare Angabe über die To-
ten auch im Text des Soranos befand. Die Theorie über die Haare stimmt
mit Aristoteles überein, vgl. De part. an. 2, 14, 658 b 2, wo die Feuchtigkeit
und die Wärme des Gehirns mit dem Wachsen der Haare in Zusammen-
hang gebracht werden; vgl. auch Et. Magn. 310, 29: Ƚ Ȯ ȼȽȳȷ
ȭȴ ȿȫȵȹȻȆ ȵȯȾȴ'Ȼ ȴȫ ȶȫȵȫȴ'Ȼ DȼąȯȺ ȸ ʱȿȺȹ8 Ƚȳȷ'Ȼ ąȯąȱȭAȻ
ȲȯȺȶ'Ȼ ȴȫ 2ȭȺџȻ; Melet. 52, 19: ʿȼȽȳ Ȯ ( ȭȴ ȿȫȵȹȻ ȵȯȾȴ'Ȼ ȶȫȵȲȫȴ'Ȼ
DȼąȯȺ ȸ ʱȿȺȹ8 Ƚȳȷ'Ȼ ąȯąȱȭѡȻ, 2ȭȺ'Ȼ ȴȫ ɁȾɀȺ&Ȼ (die gemeinsame,
wenn auch falsch verstandene Quelle ist über Orion als Vermittler Sora-
nos). Die Passage bei Pollux, auch wenn sie im Vergleich zu Tertullians
Text weniger verständlich ist, erlaubt uns, Soranos auch die aufgeklärte
physiologische Erklärung dieser Phänomene zuzuschreiben, die nach dem
Tod zu beobachten sind. Was die Diskrepanz zwischen Etym. Magn. und
Meletios betrifft, so lässt sich nicht bestimmen, ob nach Soranos’ Mei-
nung das Gehirn warm oder kalt war; es war auf jeden Fall feucht, und
damit lässt sich das Verb ą ȺȮɂ erklären, das aus dem Text des Soranos
den Weg zu Pollux fand. Der Schluss habes medicos bei Tertullian lässt
durchscheinen, dass das doxographische Material aus dem Text des Arztes
stammt.
[c] Der Hinweis auf Platon spielt auf Tim. 76 b – c an.

31 — Tert. An. 52, 1.


In Kapitel 52 will Tertullian beweisen, dass der Tod kein ursprünglicher
Zustand des Menschen ist, sondern dass es sich um eine Folge der Sünde
Adams handelt. Als Zusatz folgt die Ablehnung, zwischen einem natürli-
chen und einem unnatürlichen Tod zu unterscheiden: für Tertullian ist der
Tod an sich ein unnatürlicher Zustand, und jeder Todesfall sollte als unna-
türlich betrachtet werden. Die Gegenmeinung stammt laut Waszink von
Soranos (1947, 534-535: »the antithesis ȴȫȽ ȿ0ȼȳȷ – ąȫȺ ȿ0ȼȳȷ played
a highly important part in his works… so that we may be justified in sup-
posing that this chapter is due to a passage from ąȯȺ ɁȾɀȻ«, die Aussa-
ge über die unsterbliche Natur der Protoplasten ist natürlich ein Zusatz
Tertullians).
Fredouille 2005, 9-10 (A. 2), führt auch eine Stelle aus Aristoteles an
(De vita et morte 478 b 25ff.): »der Tod kann gewaltsam (ȬȫȳȹȻ) oder natur-
gemäß (ȴȫȽ ȿ0ȼȳȷ) sein; er ist gewaltsam, wenn die Ursache eine äußere
ist; er ist allerdings naturgemäß, wenn die Ursache eine innere ist«. Diese
Stelle wurde von Fredouille in aller Vorsicht unter dem Einsatz von An-
führungszeichen als ›source‹ definiert, die unmittelbare Quelle sei im
Amalgam der hellenistischen und kaiserzeitlichen Philosophie schwierig zu
bestimmen.
164 Kommentar

Der Vorschlag von Fredouille ändert allerdings nichts an der Prob-


lemstellung, die Lösung von Waszink bleibt also gültig: es scheint unwahr-
scheinlich, dass Tertullian Aristoteles direkt gelesen hat, auch in diesem
Fall dürfte Soranos der Mittelsmann des Stagiriten sein; diese Annahme
wird gestützt durch den Umstand, dass Soranos intellektualistische Unter-
scheidungen zwischen natürlichen und unnatürlichen Phänomenen liebt.

32 — Tert. An. 53, 1 ~ 55, 4.


Diese Stelle ist nicht sehr bedeutend hinsichtlich ihres philosophischen
Inhalts, beweist aber, dass im Text des Soranos (vgl. medicis potius relinquen-
das) ein Abschnitt vorhanden war, in dem die verschiedenen Todesarten
katalogisiert waren (wahrscheinlich mit der üblichen Genauigkeit und
Definiermanie); diese Katalogisierung wurde höchstwahrscheinlich nach
dem Kriterium natürlich/ unnatürlich vorgenommen. Vgl. auch Waszink
1947, 534: »according to 53, 1, Soranus (who is certainly meant by the
word medicis…) had discussed the rationes of the various kinds of death«.

33 — Tert. An. 54, 1-2.


Noch eine Stelle, an der die zahlreichen doxographischen Angaben fast
sicher von Soranos stammen; welcher Position der Arzt wirklich zustimm-
te, bleibt allerdings im Dunkel; die Unsterblichkeit der Seele hatte er sicher
abgelehnt (T 3), aber es ist nicht ersichtlich, ob sich seiner Meinung nach
die Seele unmittelbar nach dem Tod (wie bei Epikur) oder allmählich auf-
löst (wie bei Zenon), oder ob sie bis zum Weltenbrand bestehen bleiben
kann (wie bei Kleanthes).
[a] Der Abschnitt, der an dieser Stelle des Tertullian–Traktats beginnt,
behandelt das überirdische Leben der Seele; vor allem in Kapitel 54 wer-
den im Rückgriff auf doxographisches Material die Ansichten von Pytha-
goras, Empedokles und Platon (d.h. der Vertreter der Metempsychose)
angeführt; danach kommen die Stoiker. Die supernae mansiones Platons sind
mit dem Hyperouranios (Phaedr. 247 d 1ff.) zu identifizieren. Die stoische
Lehre sah eine Unsterblichkeit der Seele nicht vor: nach Kleanthes sollten
alle menschlichen Seelen bis zum Weltbrand bestehen bleiben; Chrysipp
beschränkte das Privileg des Überlebens bis zum Weltbrand nur auf die
Seelen der Weisen: vgl. SVF I, 146 (Zenon: die Seele ist dauerhaftes, aber
nicht unsterbliches Pneuma); SVF I, 522 (die verschiedenen Meinungen
von Kleanthes und Chrysipp; vgl. II, 809ff.). Der Aufenthalt der Seelen in
der Umgebung des Mondes scheint den Einfluss des Poseidonios zu be-
weisen: für den Philosophen von Apamäa musste sich die von der Sonne
abstammende Seele lange Zeit beim Mond aufhalten, bis der ȷȹ8Ȼ von der
Sonne aufgenommen wird (Sext. Emp. Adv. Math. 9, 73-74: ʿȴȼȴȱȷȹȳ
Kommentar 165

ȭȹ8ȷ ˂ȵȹȾ ȭȯȷџȶȯȷȫȳ Ƚ'ȷ 2ą' ȼȯȵȷȱȷ ȹȴȹ8ȼȳ Ƚџąȹȷ). Dieser Para-
graph wurde als fr. SVF II, 814 aufgenommen. Alle doxographischen
Materialien, die gegen die Unsterblichkeit der Seele angeführt werden,
spiegeln die Persönlichkeit des Soranos wider (Karpp 1934, 41).
[b] Was die Erwähnung des Areios betrifft, so zitiert Waszink Epit. fr.
39 p. 471 Diels apud Eus. Praep. Ev. 15, 20, 4: ȯȷȫȳ Ȯ ɁȾɀȷ ȷ ȽN *ȵL
ȿȫȼȷ, + ȴȫȵȹ8ȼȳ ȫȲ Ⱥȫ ȴȫ ʱ Ⱥȫ ȴ0ȴȵL † ąȯȺ Ƚȷ ȭȷ ȴȫ
Ȳ ȵȫȼȼȫȷ ȴȫ ȴ ȽȹѠȽɂȷ ʱȷȫȲȾȶȳȪȼȯȳȻȊ Ƚ Ȼ Ȯ ȵȹȳą Ȼ ɁȾɀ Ȼ
ąȺȹȼąȯȿȾȴ ȷȫȳ Ƚȫ0Ƚ, *ȼȫȳ Ƚȯ ȷ ȽȹȻ ȰMȹȳȻ ȯȼ ȴȫ *ȼȫȳ ȷ ȽN
ąȯȺȳ ɀȹȷȽȳ... Ȯȳȫȶ ȷȯȳȷ ȭ Ⱥ ȴȯ Ƚ Ȼ ȽHȷ ʱąȹȲȫȷџȷȽɂȷ ɁȾɀ Ȼ. Es be-
steht die Möglichkeit, dass Tertullian Areios eine Meinung zuschreibt, die
dieser nicht selbst vertreten, sondern nur wiedergegeben hatte. Was En-
dymion betrifft, so handelt es sich nicht um ein von Tertullian eingefügtes
Detail mit sarkastischem Unterton: die Bezugnahme auf den König von
Elis scheint eine poseidonianische Interpretation des Mythos wieder-
zugeben; wenn es wirklich so ist, dürfte diese Angabe aus Soranos stam-
men; vgl. fr. 398 Theiler (= Plut. De facie 943 a – 945): ʱȷȫȵѠȹȷȽȫȳ ȭ Ⱥ ȯȻ
ȽȫѠȽȱȷ, DȼąȯȺ ȯȻ Ƚȷ ȭȷ Ƚ ȼѡȶȫȽȫ ȽHȷ ȷȯȴȺHȷ, Ƚȫɀ1 ȶ ȷ ȫ
ȼѡȿȺȹȷȯȻ... ȽHȷ Ȯ ȿȳȵȹȽɅȶɂȷ ȴȫ ąȺȫȴȽȳȴHȷ ȺɂȽȳȴHȷ Ƚȯ ąȯȺ
ȼѡȶȫȽȫ ȴȫ ȲȾȶȹȯȳȮHȷ ȫ ȶ ȷ ȹ ȹȷ ȷ 4ąȷL ȽȫȻ Ƚȹ8 ȬɅȹȾ
ȶȷȱȶȹȼѠȷȫȳȻ )ȷȯɅȺȫȼȳ ɀȺѡȶȯȷȫȳ ȮȳȫȿɃȺȹȷȽȫȳ, ȴȫȲȪąȯȺ ˂ Ƚȹ8
϶ȷȮȾȶɅɂȷȹȻ· ȯ Ȯ’ ȫ3Ƚ Ȼ Ƚ' ʵȼȽȫȽȹȷ ȴȫ Ƚ' ȯ3ąȫȲ Ȼ ȸɅȼȽȱȼȳ ȴȫ
ʱȿɃȵȴȯȳ ȽȻ ȼȯȵɄȷȱȻ ąȺ'Ȼ ʵȵȵȱȷ ȭɃȷȯȼȳȷ, ȹ3ȴ ˧ <ȴȫȽȫȶɃȷȯȳȷ> ʱȵȵ’
ʱȷȫȴȫȵȯȽȫȳ ȴȫ ȴȫȽȫȲɃȵȭȯȳ.

LOCI INCERTI
34 — Tert. An. 3, 2.
In An. 3, 2 ergeben sich zwei Probleme: erstens enthält sie Materialien, die
unzweifelhaft von Tertullian eingefügt wurden (z.B. das Zitat aus Is. 1, 22
über diejenigen, die Wein mit Wasser vermischen); zweitens das Vorhan-
densein abgedroschener Argumente, die der Karthager auch durch andere
Quellen hätte kennenlernen können (jeder Philosoph ist mit einem mehr
oder weniger anekdotischen Beiwort verbunden). Auch wenn der hier
abgedruckte Text mit anderen Materialien kontaminiert wurde, könnte er
den Argumentationsgang des Soranos widerspiegeln, welcher wahrschein-
lich der skeptischen Quelle folgend die verschiedenen Meinungen neben-
einander gestellt hatte, um deren Unzuverlässigkeit zu betonen.
Diejenigen, die behaupten, die Seele sei mehr als unsterblich, sind die
Vertreter der Metempsychose (d.h. Platoniker und Pythagoreer). Die
Junktur Platonis honor resultiert aus dem schwankenden Urteil, das bei Ter-
tullian (wie auch bei anderen Apologeten) über Platon greifbar ist (An. 23,
166 Kommentar

5; 48, 2; Nat. 2, 3, 4); es besteht die Möglichkeit, dass ein solches Urteil
auch bei Soranos zu lesen war; mit dem Ausdruck Zenonis vigor werden die
Stärke und die Rechtschaffenheit des ersten Stoikers gewürdigt (SVF I, 15
rigida ac virilis sapientia); der Ausdruck Epicuri stupor kann auf die epikurei-
sche Ataraxie anspielen, impliziert allerdings auch eine Nuance von Bor-
niertheit (Nat. 2, 3, 4: Epicuri duritia), deren Ursprung schwer zu ermitteln
ist; Heracliti maeror spielt auf die sprichwörtliche schlechte Laune dieses
Vorsokratikers an (DK 22 A 1: 2ą' ȶȯȵȫȭɀȹȵɅȫȻ Ƚ ȶ ȷ ˂ȶȳȽȯȵ...
ȭȺȪɁȫȳ; Stob. Anth. 3, 20, 53), Empedoclis furor auf die starke göttliche
Inspiration des Empedokles (Hor. Ep. 1, 12, 20: Empedocles an Stertinium
deliret acumen; An. 32, 1-2).

35 — Tert. An. 6, 1.
Infolge der von Tertullian durchgeführten Umarbeitung des Textes ist es
schwierig, die von Soranos stammenden Elemente von den Zusätzen des
Afrikaners zu trennen. Um nicht die Aspekte zu wiederholen, die Waszink
zur Erklärung anführte (Waszink 1947, 131ff.), erinnern wir nur daran,
dass der tertullianische Text vier platonische Beweise gegen die stoffliche
Natur des psychischen Prinzips enthält: (1) das Argument, das auf der
Bewegung der Seele basiert (hier in T 35); (2) das gnoseologische Argu-
ment, dem zufolge die Seele nur durch den spekulativen Verstand wahr-
genommen werden kann; (3) das Argument, das sich auf die Ernährung
der Seele bezieht (T 3); (4) das Argument, das die Körperlichkeit der Seele
deswegen bekämpft, weil zwei Körper sich nicht gegenseitig durchdringen
können. Karpp (1933, 33ff.) meinte, das ganze Kapitel 6 stamme von
Soranos; Waszink dagegen wies nach, dass die vier platonischen Argumen-
te durchaus von Soranos stammen könnten; die Widerlegung hingegen sei
eine Zusammenfassung von Paralogismen und unprofessionellen Bewei-
sen, und könne nur von Tertullian stammen. Nur das dritte dieser vier
Argumente ist durch die Erwähnung des Soranos gesichert, die anderen
werden aufgrund plausibler Vermutungen in die Testimoniensammlung
aufgenommen (so z.B., wenn bei Nemesios, der eine Quelle mit Soranos
gemeinsam hat, dasselbe Argument vorhanden ist). Die Widerlegung weist
allerdings die typischen Merkmale der Argumentation Tertullians auf; vgl.
Waszink 1947, 132: »it is possible (though not certain) that the
doxographical materials, viz. the four arguments of the Platonists, were
borrowed from the treatise ą.Ɂ., but this does not apply to the refuta-
tion«. Die Vorsicht Waszinks ist im Falle von T 3, wo der Name des Sora-
nos vorkommt, vielleicht übertrieben; in den anderen Fällen ist sie aller-
dings begründet, wenn auch etwas abzumildern.
Im Fall des ersten hier angeführten Argumentes stimmt der Text Ter-
tullians mit Nemesios überein: vgl. Nemes. De nat. hom. 72, pp. 18, 22 –
Kommentar 167

19, 2:ȱ ʿȽȳ ą˦ȷ ȼHȶȫ ˅Ƚȹȳ ʿȸɂȲȯȷ ȴȳȷȯȽȫȳ ˃ ʿȷȮȹȲȯȷ· ʱȵȵ’ ȯ ȶ ȷ
ʿȸɂȲȯȷ, ʵɁȾɀȹȷ ʿȼȽȫȳ· ȯ Ȯ ʿȷȮȹȲȯȷ, ʿȶɁȾɀȹȷ. ȯ Ȯ ȼHȶȫ ˂ ɁȾɀɄ, ȯ
ȶ ȷ ʿȸɂȲȯȷ ȴȳȷȹȽȹ, ʵɁȾɀџȻ ȼȽȳȷ· ȯ Ȯ ʿȷȮȹȲȯȷ, ʿȶɁȾɀȹȻ· ʵȽȹąȹȷ Ȯ
ȴȫ Ƚ' ʵɁȾɀȹȷ ȴȫ Ƚ' ʿȶɁȾɀȹȷ ȵɃȭȯȳȷ Ƚȷ ɁȾɀɄȷ· ȹ3ȴ ʵȺȫ ȼHȶȫ ˂
ɁȾɀɄ.ȱ
Der Argumentationsverlauf ist bei Tertullian und Nemesios unter-
schiedlich:
ȱ
Tert. Nemes.
1. omne corpus aut animale sit necesse est 1. ʿȽȳ ą˦ȷ ȼHȶȫ ˅Ƚȹȳ ʿȸɂȲȯȷ ȴȳȷȯȽȫȳ
aut inanimale. ˃ ʿȷȮȹȲȯȷ.
(a) et si quidem inanimale est, extrinsecus (a) ȯ ȶ ȷ ʿȸɂȲȯȷ, ʵɁȾɀȹȷ ʿȼȽȫȳ· ȯ Ȯ
movebitur, si vero animale instrinsecus. ʿȷȮȹȲȯȷ, ʿȶɁȾɀȹȷ.
2. anima autem nec extrinsecus movebi-
tur, ut quae non sit inanimalis, nec intrin- 2. ˂ ɁȾɀɄ, ȯ ȶ ȷ ʿȸɂȲȯȷ ȴȳȷȹȽȹ,
secus, ut quae ipsa potius moveat corpus. ʵɁȾɀџȻ ȼȽȳȷ· ȯ Ȯ ʿȷȮȹȲȯȷ, ʿȶɁȾɀȹȻ.
3. non videri eam corpus, quae non cor-
poralium forma ex aliqua regione movea- 3. ʵȽȹąȹȷ Ȯ ȴȫ Ƚ' ʵɁȾɀȹȷ ȴȫ Ƚ'
tur. ʿȶɁȾɀȹȷ ȵɃȭȯȳȷ Ƚȷ ɁȾɀɄȷ· ȹ3ȴ ʵȺȫ
ȼHȶȫ ˂ ɁȾɀɄ.

Die von Soranos überlieferten Materialien wurden zweifellos von Tertulli-


an umgearbeitet: bei Tertullian sind die Termini der Prämisse (1) umge-
stellt worden, nicht nur im Vergleich zu Nemesios, sondern auch zum
platonischen Text von Phaedr. 245 e 4; Punkt (2) nimmt den Schluss vor-
weg und beweist die Sinnlosigkeit, von einer beseelten oder unbeseelten
Seele zu sprechen. Soweit wir verstehen können, war die von Nemesios
überlieferte die ursprüngliche Form des Syllogismus: »this may perhaps be
regarded as a proof that in Soranus’ work Tert. found the syllogism in the
form given by Nemesius« (vgl. Waszink 1947, 133). Die von Soranos be-
nutzte Quelle enthält zahlreiche Materialien aus der platonischen Schule
(vgl. die Einleitung, 104ff.), findet aber auch an der Verwendung des peri-
patetischen Syllogismus Gefallen. Handelt es sich um einen Versuch, eine
gemeinsame Front platonischer und aristotelischer Geistesmetaphysik
gegen den hellenistischen Materialismus zu bilden?

36 — Tert. An. 6, 4.
Das von Tertullian angeführte platonische Argument demonstriert die
Unkörperlichkeit der Seele aufgrund des Umstands, dass nur die Seele die
intelligible Welt wahrnehmen kann. Dieses Argument (d.h. »das Ähnliche
kennt das Ähnliche«) ist schon bei den Vorsokratikern und bei Empedo-
kles nachgewiesen, wenn auch in Bezug auf die Wahrnehmungstheorie
168 Kommentar

und mit ›materialistischer‹ Bedeutung (fr. 1, 57ff. Gallavotti = DK 31 B


109: ȶ ȷ ȭ Ⱥ ȭȫȫȷ )ąѡąȫȶȯȷ, 4ȮȫȽȳ ȮP 4ȮɂȺ/ ȫȲ Ⱥȳ ȮPȫȲ Ⱥȫ Ȯȹȷ,
ʱȽ Ⱥ ąȾȺ ą8Ⱥ ʱȮȱȵȹȷ; 31 A 86 DK, vgl. auch Jaeger 1914, 13ff.). Nach
der Wende der platonischen Philosophie wurde dieser Grundsatz in Bezug
auf die Dichotomie sensibel / intelligibel benutzt und zu einem Leitmotiv
der neuplatonischen Erkenntnistheorie: vgl. z.B. Arist. An. 404 b 15ff.:
ȭȳȷѡȼȴȯȼȲȫȳ ȭ Ⱥ ȽN (ȶȹL Ƚ' *ȶȹȳȹȷ; Theophr. De sensibus 10; Alki-
noos, Did. 14 p. 32 Whittaker-Louis; Sext. Emp. Adv. Math. 7, 92 [die
Lehre wird den Pythagoreern zugeschrieben]; Calcid. Comm. Tim. p. 100,
10 Waszink; Iambl. Comm. math. sc. 8, p. 38, 6 Festa: ȴȫ Ƚȹ8Ƚȹ ʱȸɂȶȫ
ȴȹȳȷ'ȷ ąȯȺ ą ȼȱȻ ȭȷɂȺȳȼȽȳȴȻ ȮȾȷȪȶȯɂȻ BȻ ȽN (ȶȹL Ƚ *ȶȹȳȫ
ȭȳȭȷѡȼȴȯȽȫȳ. Waszink betont mit Recht die Abhängigkeit dieser Er-
kenntnistheorie von Platon, Phaed. 79 a (ȽHȷ Ȯ ȴȫȽ Ƚȫ3Ƚ ɀџȷȽɂȷ
ȹ3ȴ ʿȼȽȳȷ *ȽL ąȹȽP ʳȷ ʵȵȵL ąȳȵ Ȭȹȳȹ ˃ ȽN ȽȻ ȮȳȫȷȹȫȻ ȵȹȭȳȼȶN).
Das von Soranos benutzte Handbuch hielt dieses Erkenntnisprinzip für
selbstverständlich und bediente sich der umgekehrten Vorgehensweise:
wenn die Eigenschaften der Seele intelligibel wahrgenommen werden
können, muss folglich die Seele ein intelligibles Wesen sein.
Der Argumentationsgang ist letztlich demjenigen ähnlich, der im Text
Tertullians folgt (T 3, An. 6, 6). Die Seele ernährt sich von unkörperlichen
Substanzen, der Körper allerdings von materieller Nahrung: dieses dicho-
tome Schema wurde mit der Erkenntnislehre in Verbindung gebracht: wie
der Leib das Körperliche erkennt, so erkennt die Seele die intelligiblen
Wesenheiten; wenn die Seele für den Verstand, nicht aber für die sinnliche
Wahrnehmung fassbar ist, muss sie unkörperlich sein. Die platonischen
Gegner des Soranos zeigen also die Tendenz, eine intelligible höhere Welt
zu ›konstruieren‹, die von der sensiblen Welt getrennt ist, aber letztlich
analog und spiegelbildlich zu dieser besteht.

37 — Tert. An. 6, 8.
Dass die Materialien, die wir vor 6, 8 finden, von Soranos stammen, ist
durch die Erwähnung des Arztes gewährleistet; im Falle von An. 6, 8 er-
geben sich größere Schwierigkeiten: Tertullian kannte das Beispiel des
Thales schon, bevor er Soranos las (Nat. 2, 4, 18); einer aus Gehässigkeit
verbreiteten Legende zufolge habe sich Chrysipp einer Nieswurzbehand-
lung unterzogen, um sein Denkvermögen zu verbessern: vgl. Petr. Sat. 88,
4: Chrysippus ut ad inventionem sufficeret ter helleboro animum detersit; Lucian.
Herm. 86; Hist. Vera 2, 18: dieses Detail könnte von Tertullian selbst ein-
gefügt worden sein; das Beispiel der Mehrlingsgeburt ist der juristischen
Literatur entnommen. Innerhalb dieser Materialien, die aus anderen Quel-
len stammen, lässt sich ein Anliegen des Soranos erkennen, nämlich das
Kommentar 169

Zurückweisen der Vorstellung, Körper könnten sich gegenseitig durch-


dringen.
In unum corpora negavit: vgl. Arist. An. 409 b 2ff.: εἴπερ γάρ ἐστιν
ἡ ψυχὴ ἐν παντὶ τῷ αἰσθανομένῳ σώματι, ἀναγκαῖον ἐν τῷ αὐτῷ
δύο εἶναι σώματα, εἰ σῶμά τι ἡ ψυχή; vgl. An. 418 b 18: οὔτε γὰρ δύο
σώματα ἅμα δυνατόν ἐν τῷ αὐτῷ εἶναι; auf diese Behauptung antwor-
teten die Stoiker mit der Lehre der μῖξις δι´ ὅλων, nach der zwei Körper
sich durchdringen und gleichzeitig ihre Eigenschaften bewahren können
(SVF II, 469; II, 473). Mit der Wiederaufnahme der Geistesmetaphysik in
der Kaiserzeit lehnte der Mittelplatonismus diese Möglichkeit ab (vgl. die
Einleitung 75ff.); an dieser Stelle widerspricht Soranos mit großer Wahr-
scheinlichkeit den Platonikern: vgl. Anon. Lond. 38, 29-30: σῶμα δὲ διὰ
σώματος οὐκ εἰσκρίνεται; schwierig ist auch zu entscheiden, ob das
Schwangerschaftsbeispiel ebenfalls von Soranos angeführt worden war. Es
handelt sich auf jeden Fall um eine Scheinargumentation: der Leib des
Fötus durchdringt nicht den Körper der Mutter, deren Bauch ja während
der Schwangerschaft größer wird: es dürfte sich hier um einen der von
Tertullian eingefügten Paralogismen handeln.

38 — Anonymus Londinensis 39, 1-15.


Das hier vorliegende Zeugnis ist aus zwei Gründen problematisch: Zuerst
gibt es für die Textpassage keine Parallele in den Quellen, die von Soranos
stammende Materialien enthalten; also können wir nur mit einiger Wahr-
scheinlichkeit vermuten, nicht allerdings mit Sicherheit beweisen, dass der
Text wirklich von Soranos vertretene Lehren enthält. Neben dem schlech-
ten Zustand des Textes besteht das zweite Problem darin, dass der Kom-
pilator hier sehr konfus arbeitet. Verschiedene, nicht miteinander verbun-
dene Textstücke (Z. 1 α´ φησί, aber Z. 5 καὶ ἄλλως φησί) werden hier um
einen Schwerpunkt (d.h. die Porentheorie) gruppiert, der nicht unter psy-
chologischen Aspekten behandelt wird, sondern nur unter physiologi-
schen Gesichtspunkten (Thema ist die Ernährung). Der Text wird von
einigen Wiederholungen belastet (die Zeilen 6 und 7 wiederholen z.B.
dasselbe Argument), die allerdings für uns wichtig sind, um zu verstehen,
was dem Verfasser am Herzen lag. Die Porentheorie ist auch für Soranos
mit Sicherheit nachgewiesen (T 11 [d], [e], [f], unter dem Namen πόροι
oder ὀπαί), aber immer im Kontext der Sinneswahrnehmung, was mit
dem Anonymus übereinstimmen könnte (37, 48-49: διὰ τῶν λόγῳ
θεωρητῶν πόρων ἡ αἴσθησις γίνεται εἰς ἡμᾶς). Beim Anonymus findet
sich allerdings auch eine andere, von Straton stammende Theorie (vgl. die
Einleitung), der die zufolge die Poren auch für das Eindringen von kalter
oder warmer Luft (38, 22), oder, wie in diesem Fall, für die Verteilung der
Nahrung im Leib verantwortlich seien. An dieser Stelle wird analog das
170 Kommentar

Vorhandensein der Poren im menschlichen Leib postuliert: die Natur hat


im menschlichen Leib sichtbare Kanäle eingerichtet; daher muss man
analog auch unsichtbare Kanäle annehmen, die für das Eintreten oder
Austreten verschiedener Substanzen in den/ aus dem Leib verantwortlich
sind. Die spekulativ-naiven Zeilen 2 und 3 scheinen den wahren Grund
der Porentheorie zu übermitteln: einige Dinge (wahrscheinlich Kälte, Hit-
ze und andere Ausströmungen) können in unseren Leib eintreten oder aus
ihm austreten, »ein Körper kann nämlich nicht – so sagen sie – einen an-
deren Körper durchdringen«. Dieser Einwand wurde vom Verfasser für
gefährlich gehalten – dies ist daraus ersichtlich, dass noch in den Zeilen 10
und 11 die ąџȺȹȳ angeführt werden, um die Verteilung der Nahrung im
Leib zu erklären: »jeder Teil (scil. des Leibes) wird durch die Poren ge-
nährt, sie lehnen nämlich ab, dass ein Körper einen anderen Körper
durchdringen kann«. Der Einwand hinsichtlich der Undurchdringbarkeit
der Körper ist auch bei Tertullian an einer Stelle nachgewiesen, die aber
nicht sicher von Soranos stammt (T 37, An. 6, 8). Das Ziel des Anonymus
dürfte darin bestehen, den mittelplatonischen Einwand zu bekämpfen,
zwei Körper könnten sich nicht gegenseitig durchdringen; das Mittel dafür
dürfte die Porentheorie sein. Das hier abgedruckte Zeugnis, wenn es wirk-
lich auf Soranos zurückzuführen ist, dürfte keine direkte psychologische
Intention haben, es lässt uns allerdings verstehen, auf welche Weise er der
Geistesmetaphysik widersprach. Infolge der Porentheorie wird der
menschliche Leib nicht als kompakt, sondern als porös und mit zahlrei-
chen Kanälen ausgestattet begriffen; er dürfte damit einem Schwamm
ähneln; was die eigentliche Seelenlehre betrifft, so sei die Seele in diesen
Kanälen verstreut, und folglich könne man kein gegenseitiges Durchdrin-
gen zweier ȼѡȶȫȽȫ im eigentlichen Sinne annehmen. Man sollte auch
bemerken, dass das Fundament der Physik des Soranos korpuskular ist:
wenn er nach Art der Stoiker die Materie als continuum angenommen hätte,
hätte er nicht das gegenseitige Durchdringen der Körper als Problem
empfunden. »Il ne faut tout de même pas oublier que le Méthodisme vient
d’Asclépiade, d’un Asclépiade certes modifié, adapté, transformé par
Themison; sa région d’origine est malgré tout corpusculaire, et par là très
proche de l’atomisme d’Épicure« (Pigeaud 1993, 594).

39 — Tert. An. 19, 8 ~ ą.ȭ. 2, 6 p. 16 .


Noch eine Textpassage, zu der eine Stellungnahme schwierig ist. Die The-
se, der zufolge das Wimmern eines Neugeborenen ein Vorzeichen kom-
menden Unglücks sei, ist in der antiteleologischen hellenistischen Literatur
verbreitet, d.h. Tertullian könnte unabhängig von Soranos auf sie gekom-
men sein: vgl. Ps.-Plato, Ax. 366 d 2: ȹ3 ȴȫȽ ȶ ȷ Ƚȷ ąȺ@Ƚȱȷ ȭ ȷȯȼȳȷ
Ƚ' ȷąȳȹȷ ȴȵȫȯȳ Ƚȹ8 Ȱȷ ʱą' ȵ0ąȱȻ ʱȺɀ&ȶȯȷȹȷ; Sen. Cons. Pol. 4, 3: non
Kommentar 171

vides qualem nobis vitam rerum natura promiserit, quae primum nascentium hominum
fletum esse voluit?; Plin. Nat. Hist. 7, praef. 2: ad vagitus statim et ploratum nul-
lumque tot animalium aliud ad lacrimas; Lucr. 5, 226-227: vagituque locum lugubri
complet ut aecumst/ cui tantum in vita restet transire malorum (die Stellen wurden
schon von Waszink 1947, 278 angeführt). Zu diesem Thema gibt es aller-
dings eine Parallele in einem sicher von Soranos stammenden Text. Wenn
Soranos dieses Thema wirklich behandelte, nahm er auf jeden Fall zu
diesem Volksglauben kritisch Stellung, wie schon in ą.ȭ. und in Überein-
stimmung mit seiner aufgeklärten Haltung; der Hinweis auf das Vorwissen
stammt natürlich von Tertullian.

40 — Tert. An. 46, 3.


Der Verweis auf Aristoteles bezieht sich auf De divinat. 462 b 12; dieses
Zitat scheint keine Entsprechung in den doxographischen Quellen zu
finden (Waszink), was uns auf die Spur des Soranos führen dürfte. Die
Aussage über die Bewohner von Telmessos ist allerdings sehr verbreitet,
Waszink zitiert hierzu eine große Menge Parallelstellen. Daher ist es nicht
möglich, ein Vorhandensein dieser Themen bei Soranos mit Sicherheit zu
bestimmen, d.h. diese Angaben könnten vom Afrikaner selbst eingefügt
worden sein. Unter den Quellen, die Tertullian gekannt haben könnte,
erwähnen wir Cic. De div. 1, 41, 91 (Telmessus in Caria est, qua in urbe excellit
haruspicum disciplina); Plin. Nat. Hist. 30, 6; Tat. Or. 1, 1 (die Bewohner von
Telmessos haben die Traumdeutung erfunden). Zu Irrtümern, die aus der
Deutung von Zeichen resultieren, vgl. Cic. De div. 1, 52, 118: male coniecta
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Register
1. Index testimoniorum
1 — Tert. An. 2, 6. 20 — Tert. An. 27, 5-6 ~
2 — Tert. An. 5, 1-6. Soranus, π.γ. 1, 9 p. 17.
3 — Tert. An. 6, 6-7 ~ 38, 3. 21 — Tert. An. 32, 4.
4 — Tert. An. 8, 3 ~ Anon. 22 — Tert. An. 37, 5.
Lond. 31, 25 – 32, 26. 23 — Tert. An. 38, 1.
5 — Tert. An. 8, 4. 24 —Tert. An. 42, 1.
6 — Tert. An. 9, 1; 9, 5. 25 — Tert. An. 43, 1-5.
7 — Tert. An. 10, 4-5. 26 — Tert. An. 43, 8.
8 — Tert. An. 12, 2. 27 — Tert. An. 43, 12.
9 — Tert. An. 12, 5-6. 28 — Tert. An. 44, 2.
10 — Tert. An. 14, 2. 29 — Tert. An. 48, 1-2.
11 — Tert. An. 14, 4-5 ~ Pollux, 30 — Tert. An. 51, 2-3 ~
Onom. 2, 236 p. 155 ~ Anon. Meletius, p. 123, 3-18 ~ Pollux,
Lond. 1, 21-24; 37, 47-49 ~ Onom. 2, 145-146 p. 128; 2, 36 p.
Etym. Orion. 100; 116-117; 169. 92.
12 — Tert. An. 15, 1-3. 31 — Tert. An. 52, 1-2.
13 — Tert. An. 15, 5-6 ~ Pollux, 32 — Tert. An. 53, 1.
Onom. 2, 226 pp. 152 ~ Anony- 33 — Tert. An. 54, 1-2 ~ 55, 4.
mus Fuchsii 1, 1 ~ Cael. Aur. 34 — Tert. An. 3, 2.
Acut. Morb. 1, 8, 53. 35 — Tert. An. 6, 1.
14 — Tert. An. 17, 2-4 ~ Mele- 36 — Tert. An. 6, 4.
tius, p. 72, 8-20. 37 — Tert. An. 6, 8.
15 — Tert. An. 19, 2. 38 — Anon. Lond. 39, 1-15.
16 — Tert. An. 20, 3-4. 39 — Tert. An. 19, 8 ~ p.g. 2, 6
17 — Tert. An. 25, 2. p. 16.
18 — Tert. An. 25, 5. 40 — Tert. An. 46, 3
19 — Tert. An. 25, 9 ~ Soranus,
π.γ. 1, 12 p. 36.
.
182 Register

2. Index fontium
Anonymus Fuchsii 1, 1: 13. Tert. An. 12, 2: 8.
Anon. Lond. 1, 21-24: 11. Tert. An. 12, 5-6: 9.
Anon. Lond. 37, 47-49: 11. Tert. An. 14, 2: 10.
Anon. Lond. 31, 25 – 32, 26: 4. Tert. An. 14, 4-5: 11.
Anon. Lond. 39, 1-15: 38. Tert. An. 15, 1-3: 12.
Cael. Aur. Acut. Morb. 1, 8, 53: Tert. An. 15, 5-6: 13.
13. Tert. An. 17, 2-4: 14.
Etym. Orion. 100: 11 Tert. An. 19, 2: 15.
Etym. Orion. 116-117: 11. Tert. An. 19, 8: 39.
Etym. Orion. 169: 11. Tert. An. 20, 3-4: 16.
Meletius, p. 72, 8-20: 14. Tert. An. 25, 2: 17.
Meletius, p. 123, 3-18: 30. Tert. An. 25, 5: 18.
Pollux, Onom. 2, 36 p. 92: 30. Tert. An. 25, 9: 19.
Pollux, Onom. 2, 145-146 p. 128: Tert. An. 27, 5-6: 20.
30. Tert. An. 32, 4: 21.
Pollux, Onom. 2, 226 p. 152: 13. Tert. An. 37, 5: 22.
Pollux, Onom. 2, 236 p. 155: 11. Tert. An. 38, 1: 23.
Soranus, π.γ. 1, 9 p. 17: 20. Tert. An. 38, 3: 3.
Soranus, π.γ. 1, 12 p. 36: 19. Tert. An. 42, 1: 24.
Soranus π.γ. 2, 6 p. 16: 39. Tert. An. 43, 1-5: 25.
Tert. An. 2, 6: 1. Tert. An. 43, 8: 26.
Tert. An. 3, 2: 34. Tert. An. 43, 12: 27.
Tert. An. 5, 1-6: 2. Tert. An. 44, 2: 28.
Tert. An. 6, 1: 35. Tert. An. 46, 3: 40.
Tert. An. 6, 4: 36. Tert. An. 48, 1-2: 29.
Tert. An. 6, 6-7: 3. Tert. An. 51, 2-3: 30.
Tert. An. 6, 8: 37. Tert. An. 52, 1-2: 31.
Tert. An. 8, 3: 4. Tert. An. 53, 1: 32.
Tert. An. 8, 4: 5. Tert. An. 54, 1: 33.
Tert. An. 9, 1: 6 Tert. An. 55, 4: 33.
Tert. An. 9, 5: 6.
Tert. An. 10, 4-5: 7.
Register 183

3. Index Nominum
Alexander Philalethes: 38. Heraclitus: 1; 2; 6 b; 11 a; 13 a; 14
Academici: 14 a. a; 34.
Aegyptii: 13 a. Hermotimus: 27; 28.
Aenesidemus: 6 b; 11 a; 17. Herophilus: 7; 12; 13 a; 18.
Anaxagoras: 8; 9; 25. Hicesius: 17; 18.
Anaximenes: 6 b. Hipparchus: 2.
Andreas: 12 (bis). Hippocrates: 12; 13 c; 18.
Apollodorus: 13 b. Hippon: 2.
Apollophanes: 10. {Lucretius}: 2.
Archimedes: 11. Megillus: 16.
Aristoteles/Ἀριστοτέλης: 2; 3 a; 8; Minerva: 16.
9; 10 (ex coniectura); 12; 13 b; Moschionem: 13 a.
15; 21; 25; 34; 40. Orpheus: 13.
Arius: 33 b. Panaetius: 10.
Asclepiades: 12 (tris); 13 a; 18; 23. Parmenides: 25.
Athenae: 16. Peripatetici: 2.
Cleanthes: 2; 19. Plato/Πλάτων: 2; 3; 10; 12; 13 a;
Clinias: 16. 13 b; 14 a; 16; 17; 21; 29; 30
Chrysippus (medicus): 13 a. (bis); 33 a (bis).
Chrysippus (stoicus): 2; 10; 37 Platonici: 35.
Colyttus: 16. Praxagoras/Πραξαγόρας: 13 c.
Critias: 2. Posidonius: 10.
Critolaus: 2 (bis). Pythagoras/ Πυθαγόρας: 13 b; 21;
Democritus: 9; 12; 25; 30. 33 a.
Dicaearchus: 12 (bis). †Protagoras†: 13 a.
Diocles: 12; 14 a. Socrates: 12.
Empedocles/Ἐμπεδοκλῆς: 2; 12; Soranus/Σωρανός: 3 (tris); 4; 10;
13 b; 14 a; 16; 25; 33 a; 34. 12; 13 e; 18; 28.
Empirici: 4 b. Stoici/ Στοά: 2; 10; 13 b; 14 a; 17;
Endymio: 33 b. 25 (bis); 33 a (bis); 33 a (bis);
Epicurei: 14 a; 25. 33 b.
Epicurus: 2; 12; 13 a; 21; 24; 34; Strato (medicus): 12; 13 a.
40. Strato (physicus)/ Στράτων: 11;
Epimenides: 28. 13 a; 13 b; 25.
Erasistratus/Ἐρασίστρατος: 12; Telmessenses: 40.
13 c; 18. Thales: 2; 37.
Eubulus: 2. Thebae: 16.
Graeci: 20. Xenocrates: 2; 13 a.
Heraclides Ponticus: 6. Xenophanes: 25.
Zeno (stoicus): 2; 10; 34.
184 Register

4. Namen
Adler, A.: 7, 62 Gigon, O.: 2
Annas, J.: 1, 18, 29, 34, 37, 53, Giussani, C.: 34
55, 60, 61, 71, 78 Gomperz, Th.: 20
Arnim, H. von: 9 Gottschalk, H.B.: 10, 13, 15, 27,
Arrighetti, G.: 32, 33, 37, 40, 44 84
Bailey, C.: 34 Goulet, R.: 77
Baltussen, H.: 5 Gourevitch, D.: 27, 63
Barbotin, E.: 3, 4 Green, H.: 62, 64, 69, 95, 97, 98
Barnes, J.: 78 Hanson, A.E.: 62, 64, 69, 95, 97,
Bernays, J.: 15 98
Bignone, E.: 1, 21, 34 Hicks, R.D.: 3
Burguière, P.: 63 Ilberg, J.: 78
Bywater, I.: 3, 76 Isnardi Parente, M.: 35, 49, 74
Capelle, W.: 23 Jaeger, W.: 22, 29, 48
Carlini, A.: 17, 21 Jones, W.H.S.: 100, 102
Casadei, E.: 44 Karpp, H.: 66, 67
Cramer, J.A.: 97, 98 Kerferd, G.B.: 31, 33
Daremberg, Ch.: 63 Kind, E.: 63, 68, 97, 98
De Witt, N.W.: 61 Konstan, D.: 33
Della Valle, G.: 16, 17 Kranz, W.: 35, 90
Des Places, É.: 73, 106 Lapidge, M.: 48, 49, 50, 55, 57
Devereux, D.: 4 Leven, K.H.: 97, 103
Devoti, D.: 68 Long, A.A.: 49, 50
Diano, C.: 34, 38, 40, 41, 42, 44, Maas, P.: 93
48 Malinas, Y.: 63
Diels, H.: 5, 12, 22, 23, 24, 26, Manetti, D.: 99, 100
29, 32, 44, 52, 63, 66, 81, 90, Mansfeld, J.: 5, 70, 103, 107
97, 99, 100, 102, 107 Mehl, D.: 35
Dorandi, T.: 7, 46, 100 Mohrmann, Ch.: 68
Dörrie, H.: 71, 75, 103, 107, 108 Morani, M.: 70, 73, 98
Erler, M.: 34, 36, 38 Moraux, P.: 9, 10
Everson, S.: 18, 61 Movia, G.: 3, 5, 9, 11, 12, 13, 16,
Festugière, A.J.: 67 17, 20, 21, 22, 23, 27
Flashar, H.: 13, 20 Natali, C.: 7
Frede, M.: 49 Pigeaud, J.: 45
Fuchs, R.: 102, 103 Pohlenz, M.: 46, 56
Garcia Calvo, A.: 32 Polito, R.: 64, 65, 67, 74, 81, 84
Garofalo, I.: 27, 103 Repici, L.: 19, 25, 28, 29, 32, 35,
Gatzemeier, M.: 23, 25 41
Gigante, M.: 1, 30, 61 Rohde, E.: 13, 15
Register 185

Ruelle, É.: 63 Tulli, M.: 38


Scheele, O.: 62, 98 Usener, H.: 32
Schofield, M.: 46 Vegetti, M.: 26, 45
Sedley, D.: 5, 46, 50 Visconti, A.: 8
Sharples, R.W.: 11, 13 Warren, J.: 36
Silvestre, M.L.: 32, 34, 42, 43 Waszink, J.H.: 47, 62, 64, 65, 66,
Solmsen, F.: 26, 27 67, 68, 69, 72, 75, 81, 84
Staden, H. von: 27 Wehrli, F.: 9, 11, 12, 13, 14, 15,
Stratton, M.: 6 16, 19, 21, 22, 23, 25, 27, 35,
Tecusan, M.: 62 36, 57, 84
Tieleman, T.: 2 Wellmann, M.: 63, 77, 100, 101,
Todd, R.B.: 50, 75 102, 103
Trabattoni, F.: 15, 16
186 Register

5. Stellen
Aëtios 4, 13: 101
1, 7, 34: 44 16, 3: 101
3, 5, 5: 107 21, 21: 102
4, 3: 67 21, 26: 102
4, 4: 67 37, 5-6: 102
4, 4, 6: 32, 35 37, 29: 102
4, 5: 67 37, 35: 101
4, 5, 1: 34 38, 22: 102
4, 7: 67 38, 24: 102
4, 8-9: 67 38, 25: 84
4, 9, 6: 39 38, 31: 102
4, 23, 3: 23 38, 33: 84
5, 1-2: 67 38, 52: 102
5, 15: 67 39, 3: 102
5, 16: 67 39, 5: 102
5, 23-26: 67 39, 1-15: 77
5, 24-25: 67 39, 15: 102
39, 22: 102
Albinos (Gioè) 39, 31: 102
T 9: 20
Antipatros von Tarsos
Alexander von Aphrodisia SVF III, 50: 90
De anima mant. p. 115, 32ff.: 76
De an. mant. p. 117: 55, 70, 71 Apuleius
De anima mant. 117, 1 – 118, 4: De Platone 1, 9, 199 p. 97, 16: 106
103
In De sens. 51, 3 p. 24: 42 Areios Didymos
fr. 39 Diels: 52, 55
Alkmaion
DK 24 A 5: 40 Aristoteles
An. 405 a 5: 31
Anaxagoras An. 407 b 27ff.: 15
DK 59 A 46: 44 An. 407 b 33: 5
An. 408 b 1ff.: 3
Anonymus Londinensis An. 409 b 2ff.: 75
1, 7: 101 An. 418 b 18: 75
1, 21-24: 32 An. 430 a 12: 3
1, 33: 101 An. 424 a 20: 60
1, 40: 101 An. 426 b 8: 41
2, 13-14: 101 An. 430 a 10: 4
Register 187

An. 430 a 17: 72 SVF II, 776: 56


De gen. et corr. 324 b 26ff.: 41 SVF II, 785: 49, 56
De motu an. 703 a 4ff.: 22 SVF II, 790: 55, 71, 104
De part. an. 659 b 17-18: 48 SVF II, 792: 55
Eth. Nic. 1113 a 5ff.: 51 SVF II, 796: 75, 76
Eth. Nic. 1161 a 33ff.: 19 SVF II, 797: 49, 56, 76
Eud. fr. 7: 14, 15 SVF II, 798: 49
Gen. an. 736 b 27: 3, 72 SVF II, 799: 49, 56, 76
Pol. 1340 b 18-19: 15 SVF II, 809-822: 59
SVF II, 815: 59
Aristoxenos (Wehrli) SVF II, 816: 59
fr. 1: 7 SVF II, 820: 59
fr. 119: 12 SVF II, 821: 55
fr. 120: 12 SVF II, 826: 56, 85
fr. 120 b: 12 SVF II, 827: 56
SVF II, 828: 56
Athenaeus SVF II, 834-839: 56
1, 4, 3 a-b: 9 SVF II, 836, 38: 91
SVF II, 838-839: 91
Atticus (des Places) SVF II, 848: 91
fr. 8: 106 SVF II, 854: 57
SVF II, 858: 57
Augustinus SVF II, 859: 60
C. Iul. 5, 14, 51: 95 SVF II, 862: 57
SVF II, 863: 61
Caelius Aurelianus SVF II, 863-872: 60
Acut. Morb. 1, 8, 53: 101 SVF II, 879: 47, 91
Acut. Morb. 1, 14, 113: 38 SVF II, 885: 55, 56, 91
Acut. Morb. 2, 9, 37: 101 SVF II, 889: 91
SVF II, 895-896: 91
Calcidius SVF II, 908: 91
In Tim. 220, p. 232: 47
In Tim. 221, pp. 234-235: 75, 76 Cicero
In Tim. 237, p. 249: 61 Acad. Post. 1, 39: 48
Att. 13, 32, 2: 7
Chrysipp Att. 13, 33, 2: 11
SVF II, 463ff.: 49 Att. 2, 16, 3: 7
SVF II, 471, 10: 73 De nat. deor. 1, 14, 36: 49
SVF II, 472: 58 De nat. deor. 1, 38, 108: 42
SVF II, 473: 58 Fin. 4, 12: 48
SVF II, 473, 20: 72 Fin. 5, 5, 13: 18
SVF II, 774: 56 Tusc. 1, 9, 19: 48
188 Register

Tusc. 1, 10, 19: 11, 12, 15 Diogenes Laertius


Tusc. 1, 10, 21: 11 3, 67: 106
Tusc. 1, 11, 22: 11 4, 4: 2
Tusc. 1, 11, 24: 12 4, 13: 2
Tusc. 1, 18, 41: 7, 12 5, 46: 2
Tusc. 1, 20, 46: 42, 84 5, 52: 9
Tusc. 1, 31, 77: 11 5, 53: 8
Tusc. 4, 13, 30: 13 5, 87: 2
7, 50: 2
Cyprianus 7, 157: 2
Ep. 69, 13: 95 9, 85: 61, 79, 80, 92, 99
10, 32: 61
Demokrit
DK 68 A 77: 40 Empedokles
DK 68 A 101: 31 DK 31 A 86: 42
DK 68 A 105: 32, 35 DK 31 A 87: 40, 41
DK 68 A 106: 32
DK 68 A 107: 34 Epicharm
DK 68 A 108: 38 DK 23 B 12: 42
DK 68 A 113: 22
DK 68 A 135: 40, 43 Epikur
DK 68 A 135, 50: 6 Ep. Hdt. 46-48: 6
DK 68 A 136-137: 6 Ep. Hdt. 47, 1: 44
DK 68 C 1: 40 Ep. Hdt. 49: 6
Ep. Hdt. 49, 1-4: 43
Dikaiarch (Wehrli) Ep. Hdt. 49, 7ff.: 40
fr. 7: 11, 13 Ep. Hdt. 53, 10ff.: 40
fr. 8: 12 Ep. Hdt. 62, 4: 44
fr. 8 b: 7 Ep. Hdt. 63: 31, 33, 35, 37, 56
fr. 9: 11 Ep. Hdt. 66, 5ff.: 32, 35
fr. 11: 12 Ep. Hdt. 66, 10: 34
fr. 12 a: 12 Ep. Hdt. 67, 6-9: 36
frr. 73-89: 13 fr. 152: 39, 40
fr. 158: 32
Diogenes von Apollonia fr. 159: 32
DK 64 A 19: 22, 41 fr. 160: 32
fr. 257: 44
Diogenes von Babylon π.φ. 34, 14, 1-5: 37
SVF III, 30: 90 π.φ. 34, 26, 9ff.: 39
SVF III, 33, 18: 91 π.φ. 36, 23: 39
Register 189

Etymologicum Magnum In De gen. et corr. p. 160, 3: 40


34, 21: 90 In De gen. et corr. pp. 177, 32 –
Euripides 178, 2: 40
Bacch. 921: 56
Kleanthes von Assos
Eusebios SVF I, 518: 53, 70, 71, 104
Praep. Ev. 15, 12: 106 SVF I, 522: 54
Praep. Ev. 15, 20, 2: 52 SVF I, 525: 53
SVF II, 56: 60
Galen SVF II, 792: 70, 71
De Hipp. et Plat. dogm. p. 201: 2
Meth. Med. 1, 7: 101 Laktanz
Meth. Med. 2, 5: 102 Instit. 7, 13: 12
De usu part. 4, 7: 87 De opif. 16: 12
De usu part. 10, 12: 27
Leukipp
Heraklit DK 67 A 7: 41
DK 22 A 16: 39
Lukrez
Hermias 3, 98ff.: 17
Irris. 2: 12 3, 123: 38
3, 136ff.: 31-32
Hero von Alexandria 3, 137: 33
Pneumatica I, p. 4, 2: 25 3, 161ff.: 37
Pneumatica I, p. 6, 11: 25 3, 175ff.: 37
3, 232ff.: 33
Herophilos 3, 237ff.: 33
fr. 140 a: 27 3, 241ff.: 33
3, 269ff.: 33
Hieronymus 3, 290: 33
Ep. 126: 55 3, 299: 33
3, 359ff.: 42, 85
Isokrates 3, 370ff.: 38
Nicocl. 9: 51 3, 408f.: 42
3, 413f.: 42
Jamblich 3, 445: 44
De an. 11 p. 36, 1ff.: 85 3, 455: 90
De an. 36 p. 64, 22ff.: 36 3, 566: 38
Johannes Philoponos 3, 690ff.: 38
In De an. p. 70, 5ff.: 16 3, 700: 38
In De an. p. 142, 5ff.: 36 4, 424-436: 60
In De an. p. 142, 22: 21
190 Register

4, 618ff.: 39 Platon
4, 649ff.: 40 I Alc. 130 a 1ff.: 19
4, 728ff.: 39 Phaed. 84 a 8: 73
Phaed. 85 e 3 – 86 b 5: 14
Macrobius Phaed. 86 b 9: 13
In somn. Scip. 1, 14, 19: 16 Phaed. 93 b 5ff.: 21
Phaedr. 245 e 4ff.: 105
Meletios Phaedr. 247 d 4: 73
p. 1, 8ff.: 97 Prot. 313 c 4-5: 73
p. 1, 21-23: 98 Rsp. 10, 611 d 3: 56
p. 43: 97 Theaet. 191 d 5: 60
p. 52: 97 Theaet. 194 c 5ff.: 60
p. 72, 8-20: 98 Tim. 34 a: 106
p. 111: 97 Tim. 43 b: 106
p. 147: 97 Tim. 45 a 2: 56
p. 148: 97 Tim. 45 b: 6
Tim. 61 d-e: 6
Nemesios Tim. 62 a-b: 6
De nat. hom. 67, p. 16, 1-21: 104 Tim. 64 c-e: 6
De nat. hom. 68, p. 17, 1ff.: 12 Tim. 67 b: 6
De nat. hom. 70, p. 17, 17: 106 Tim. 70 b 8: 51
De nat. hom. 72, pp. 18, 22 – 19, Tim. 80 a-b: 6
2: 104
De nat. hom. 72, p. 19: 104 Ps. Platon
De nat. hom. 76-79, pp. 20f.: 70, Ax. 366 a: 35, 38
71, 104
De nat. hom. 81, p. 22: 71, 104 Plotinus
De nat. hom. 125, p. 38, 12ff.: 76 Enn. 4, 7, 82, 20-22: 76
De nat. hom. 187-188, p. 62, 10-
19: 98, 104, 105 Plutarch
Adv. Col. 1109 a: 39, 40
Numenios (des Places) Adv. Col. 1118 d: 32
fr. 4 b: 73, 104, 106 De libidine et aegritudine 4, 697 b:
23
Olympiodoros De soll. an. 3, 961 a: 19, 22, 42
In Phaed. p. 57, 17 Norvin: 16 Quaest. conv. 8, 10, 2: 40
Sulla 26, 3: 10
Passio Perpetuae
15, 4: 95 Ps.-Plutarch
Philo von Alexandria Epit. 4, 2, 5, 898 b – c: 12
Ebr. 181ff.: 78 Epit. 4, 23, 3: 22
Opif. 66: 35
Register 191

Porphyrius π.γ. 1, 56: 95


fr. 258: 76 π.γ. 2, 6: 96
π.γ. 2, 13: 39, 78
Priscianus: π.ψ. T 1: 95
In Theophr. De an. 2, 4: 3, 4 π.ψ. T 2: 37, 46, 52, 55, 69, 70,
Solutiones ad Chosroen p. 44, 16-28: 71, 74, 86, 104
76 π.ψ. T 3: 65, 69, 73, 74, 86, 87,
92, 104
Ps.Dionysius-Areopagita π.ψ. T 4: 92, 93
De divinis nominibus 2, 4: 97 π.ψ. T 5: 80, 92
π.ψ. T 6: 80, 88, 89
Seneca π.ψ. T 9: 71
Ep. 113, 18: 53 π.ψ. T 10: 50, 72, 88, 90
π.ψ. T 11: 19, 20, 22, 23, 24, 25,
Sextus Empiricus 35, 38, 73, 80, 83, 84, 85, 87,
Adv. Math. 7, 129-130: 39, 40 91, 92
Adv. Math. 7, 130: 84 π.ψ. T 12: 11, 73, 90
Adv. Math. 7, 208ff.: 60 π.ψ. T 13: 19, 20, 26, 50, 51, 74
Adv. Mat. 7, 348-349: 11 π.ψ. T 14: 61, 62, 73, 93, 105
Adv. Math. 7, 349: 35, 80, 84 π.ψ. T 16: 101
Adv. Math. 7, 350: 22 π.ψ. T 19: 69
Adv. Math. 8, 63ff.: 61 π.ψ. T 20: 73
Adv. Math. 9, 247: 80, 92 π.ψ. T 21: 80
Adv. Math. 9, 360: 80 π.ψ. T 22: 44, 89, 92
Pyrrh. Hyp. 1, 36: 60 π.ψ. T 28: 96
Pyrrh. Hyp. 1, 41: 80 π.ψ. T 35: 104
Pyrrh. Hyp. 1, 56-57: 80 π.ψ. T 38: 77, 96
Pyrrh. Hyp. 1, 118: 60
Pyrrh. Hyp. 1, 118-120: 79, 80 Stobaios
Pyrrh. Hyp. 1, 120: 99 1, 49, 1 a: 12
Pyrrh. Hyp. 1, 164: 107 1, 49, 33: 85
Pyrrh. Hyp. 1, 180: 107 1, 49, 43: 35
Pyrrh. Hyp. 2, 31: 11
Phyrr. Hyp. 3, 152: 80 Strabo
13, 1, 54: 9, 10
Simplikios
In De an. p. 53, 1: 15 Strato von Lampsakos (Wehrli)
In Phys. p. 964, 31ff.: 3 fr. 6: 8
Soranos fr. 12: 18
π.γ. 1, 4: 78 fr. 56: 25
π.γ. 1, 9: 95 fr. 56, 4: 84
π.γ. 1, 14: 78 fr. 64: 25
192 Register

fr. 108: 19, 22, 24, 25, 35, 36 An. 15, 3: 68


fr. 109: 24, 35, 84 An. 15, 5: 68, 74
fr. 110: 22, 50 An. 15, 6: 68
fr. 111: 23 An. 17: 67, 73
fr. 112: 19, 22, 42 An. 17, 2: 68, 105
fr. 118: 21 An. 22, 2: 67
fr. 130: 23 An. 24, 2: 67
fr. 131: 23 An. 25-26: 67
An. 25, 2: 68, 82
Suda An. 25, 5: 68
Αp. 357, 10: 7 An. 25, 6: 68
Σ 851: 62 An. 25, 9: 69
Σ 852: 62 An. 27: 67, 73
An. 29, 3-4: 21
Tertullian An. 32, 3: 80
An. 2, 6: 66, 95 An. 32, 4: 80
An. 5, 1: 69, 74 An. 32, 6: 80, 89
An. 5, 2: 104 An. 36-37: 67
An. 5, 3: 46 An. 37, 4: 95
An. 5, 4: 104 An. 37, 6: 89
An. 5, 5: 70, 71 An. 38: 67
An. 5, 6: 55, 71 An. 38, 1: 68
An. 5-9: 67 An. 43-44: 67
An. 6, 1: 104 An. 44, 2: 96
An. 6, 6: 69, 73, 104 An. 45-46: 67
An. 6, 6-7: 65 An. 50-53: 67
An. 6, 7: 74 An. 54 – 58, 8: 68
An. 6, 8: 64, 77 Cor. 7, 6-7: 66
An. 8, 3: 92 Nat. 2, 4, 10: 49
An. 8, 4: 80, 92 Herm. 44: 49
An. 9, 4: 89 Val. 5, 1: 66
An. 9, 5: 82, 89
An. 10-14: 67 Themistios
An. 10, 4: 68 In Arist. De an. 3, 5: 4
An. 12, 5-6: 71 In Arist. De an. 24, 13: 14
An. 13, 2: 66, 73 In Arist. De an. 43, 25: 21
An. 14, 1: 67
An. 14, 2: 72 Theodoretus:
An. 14, 4: 73 Graec. aff. cur. 5, 18: 12
An. 14, 5: 82, 83
An. 15: 67, 73 Theophrast
An. 15, 2-3: 68 Caus. Plant. 3, 10, 3: 35
Register 193

De sens. 5: 6 Xenokrates
De sens. 6: 6 fr. 203: 73, 104
De sens. 7: 40
De sens. 12: 40 Zeno (der Stoiker)
De sens. 13: 5 SVF I, 96ff.: 49
De sens. 18: 6 SVF I, 134: 48
De sens. 20: 5 SVF I, 135: 48
De sens. 26: 40 SVF I, 137: 47
De sens. 39: 41 SVF I, 138: 47
De sens. 51: 6, 43 SVF I, 140: 51, 90
De sens. 74: 40 SVF I, 141: 59
De sens. 80: 40 SVF I, 142: 50
De sens. 83-84: 6 SVF I, 143: 50, 59, 79
De sens. 85: 6 SVF I, 144: 50
fr. 265, 1 a: 2 SVF I, 146: 52
fr. 271: 3 SVF I, 148: 51
fr. 307 b: 3 SVF I, 150: 49, 51
fr. 320 a: 4 SVF I, 153: 49
Met. 4 b 18: 4, 5 SVF I, 155: 49
Met. 5 b 2: 4, 5 SVF I, 157: 49
SVF I, 158: 49
SVF I, 161: 49

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