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10.05.21
Vorlesung
Grundlagen der
Inklusionspädagogik/
Sonderpädagogisches
Orientierungswissen
6. Sitzung
Montags 10:15 bis 11:45 Uhr (wöchentlich)
Veranstaltungsort/Raum: online via Zoom
Inhalte
Ø Effekte institutioneller Faktoren auf die Umsetzung von Inklusion in der Schule,
national und international
Ø Effekte inklusiver Beschulung auf Schuloutcomes, national und international
Leitfragen
Ø Unter welchen Bedingungen kann Inklusion in der Schule gelingen?
Ø Welche Effekte schulischer Inklusion auf das Schulgeschehen und die individuelle
Entwicklung aller SuS (bspw. Leistungen) sind bekannt?
GRUNDLAGENLITERATUR
v Entrich, S. R. (2021). Understanding Cross-National Differences in Inclusive Education
Coverage: An Empirical Analysis. IAFOR Journal of Education 9(1), 21-40. doi:
https://doi.org/10.22492/ije.9.1.02
v Böhm, Eva Theresa, Katharina Felbermayr & Gottfried Biewer (2018): Zentrale
Forschungsbefunde zur Inklusion in der Schule. In T. Sturm & M. Wagner-Willi (Eds.),
Handbuch schulische Inklusion (pp. 143-157). Opladen: Verlag Barbara Budrich.
Wie ist
Erfolgreiche das zu
Inklusion schaffen?
3
3 | 18
Empirische Forschungsbefunde zu schulischer Inklusion
Gelingensbedingungen erfolgreicher Inklusion im internationalen Vergleich
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
0%
Ruanda
Tunesien
6
Italien
Malta
USA
Schottland (UK)
Thailand
Norwegen
Island
Litauen
Taiwan (China)
Albanien
Portugal
Kanada
Türkei
Kroatien
Zypern
Bulgarien
Brasilien
Spanien
Irland
Vietnam
Slowenien
Inklusion im Ländervergleich
Qatar
Griechenland
Großbritannien (UK)
2008
Malaysia
Australien
Österreich
Tschechien
Ungarn
2018
Slowakei
Nordirland (UK)
Mexiko
Frankreich
Polen
Macao (China)
Israel
Korea
China
England (UK)
Luxemburg
Deutschland
Wales (UK)
Finnland
Lettland
Estland
Regel(pflicht)schulsystem, als Anteil an allen SUS mit SPF
Die inklusive Schule im internationalen Vergleich
Niederlande
Russland
Japan
Jordanien
INKLUSION: Beschulung von SuS mit SPF in inklusiven settings im
Belgien (FL)
Schweden
Dänemark
Belgien (FR)
Hong Kong (China)
Entrich (2021):
Schweiz
18
6 |25.
Kosovo
Die inklusive Schule im internationalen Vergleich
Inklusion als Ressourcenfrage
8 | 18
Die inklusive Schule im internationalen Vergleich
Inklusion als Systemfrage
Institutionelle Unterschiede (vgl. Blossfeld, Buchholz, Skopek & Triventi 2016; Entrich 2020, 2021)
Ø 4 dominante Typen von Sekundarschulmodellen:
(I) Nordic Inclusive Modell: geringste Selektivität (bspw. Dänemark,
Finnland, Norwegen, Schweden, Island, Kanada)
(II) Individual Choice Modell: moderate Selektivität (bspw. Australien,
Großbritannien, Irland, USA)
(III)Mixed Tracking Modell: hohe Selektivität (bspw. China, Frankreich,
Italien, Japan, Korea, Russland)
(IV) Early Tracking Modell: höchste Selektivität (bspw. Belgien, Deutschland,
die Niederlande, Österreich, Schweiz, Ungarn)
5%
0%
HKG (CHN)
EST
SVK
USA
SVN
NIR (GBR)
ESP
MAC (CHN)
CHE
ENG (GBR)
CZE
BEL
FIN
POL
SCO (GBR)
CYP
TAP (CHN)
RUS
CAN
HRV
CHN
ISR
IRL
GRC
GBR
BGR
ISL
MLT
SWE
MYS
RWA
JOR
PRT
LTU
FRA
WAL (GBR)
TUR
ALB
ITA
JPN
AUS
HUN
DNK
XKX
VNM
LVA
DEU
NLD
BRA
THA
LUX
TUN
NOR
KOR
QAT
AUT
10
Darstellung basierend auf Entrich (2021):
10 |29.
18
Empirische Forschungsbefunde zu schulischer Inklusion
Gelingensbedingungen erfolgreicher Inklusion auf Länderebene
Ergebnisse:
Ø Ressourcen:
v In „reicheren“ Ländern keine generell höhere Inklusionsraten, auch nicht bei höheren Bildungsausgaben
v ABER: wenige Geringeinkommensländer in der Stichprobe
Ø Willen:
v Eine (schnellere) Ratifizierung der UN-BRK mit Zusatzprotokoll führt nicht zu generell höheren Inklusionsraten
v ABER: Ratifizierung des Zusatzprotokolls wenig aussagekräftig
Ø System (institutionelle Eigenlogik):
v In weniger stark differenzierten („inklusiveren“) Bildungssystemen finden sich generell höhere Inklusionsraten
Ø Klassifikation:
v Mit offiziell höherem Anteil an SuS mit SPF
11 Dr. Steve R. Entrich,
(Förderquote) steigtActing Prof.
auch die IOE 10.05.21
Inklusionsquote deutlich an
11 | 18
Empirische Forschungsbefunde zu schulischer Inklusion
Gelingensbedingungen erfolgreicher Inklusion auf Länderebene
Empirische Befunde für Deutschland (vgl. Böhm, Felbermayr & Biewer 2018)
Gelingensbedingungen für erfolgreiche Inklusion in der Primarstufe:
Ø Beziehungen (Freundschaft & Interaktionsfähigkeit)
v Sind zentral für die Integration in die Klasse und Schule, aber
o abhängig von sozialen Fähigkeiten, frühen Kontakten, Geschlecht
o SuS mit SPF haben eher Schwierigkeiten, Beziehungen zu gleichaltrigen SuS
aufzubauen
o hoher Stellenwert sozialer Kompetenzen in Bezug auf die soziale Position im
Klassengefüge
o starke Korrelation zwischen Existenz von Freundschaften und sozialer Akzeptanz und
Leistungserbringung
o Geringere soziale Akzeptanz von SuS mit SPF => höhere Wahrscheinlichkeit des
Erlebens von Einsamkeit
o soziale Isolation korreliert mit Selbstkonzept und sozialer Position in der Klasse
o positives Selbstkonzept bei SuS mit SPF, die mit ihrer schulischen Leistungsfähigkeit
zufrieden und sozial integriert sind
o schwächere soziale Interaktionsfähigkeit hat negative Wirkungen auf inklusive
Prozesse in der Klasse
Ø Eltern
v defizitäre Sichtweise seitens Erwachsener beeinflusst Kinder mit SPF in Bezug auf Lernen,
Teilhabe und Zugang zu Lerninhalten negativ
Empirische Befunde für Deutschland (vgl. Böhm, Felbermayr & Biewer 2018)
Gelingensbedingungen für erfolgreiche Inklusion in der Primarstufe:
Ø Lehrkräfte
v Kompetenzen im Umgang mit Behinderungen/Beeinträchtigungen
v Soziale Kontakte
v adaptiertes Lehrmaterial vonnöten
v Teamteaching und innovative Lehrmethoden statt klassischen Unterrichts, bspw.
o „cooperative group teaching“
o die Entwicklung von Denkstrategien der Lernenden und selbstgesteuertes Lernen
o die Vermittlung von Erinnerungsstrategien („mnemonics“)
o die Weckung phonologischen Bewusstseins beim Lesenlernen
o kognitive Verhaltenstherapie
o die Kontrolle vorausgegangener Reize und nachfolgender Konsequenzen bei der
Verhaltensmodifikation
o hochstrukturierte Unterrichtsformen („direct instruction“)
o Zusammenspiel praktischer Tätigkeiten mit kontinuierlichen Rückmeldungen durch
Lehrkräfte
o Methoden unterstützter Kommunikation, ggf. zweisprachiger Unterricht
o Bereitstellung von genügend Lernanlässen in Verbindung mit entsprechenden zeitlichen
Ressourcen
Ø Schule
v Entsprechende Rahmenbedingungen schaffen:
o Schulkultur
o schulweite Unterstützungssysteme
o Qualität der Lernumgebung
Empirische Befunde für Deutschland (vgl. Böhm, Felbermayr & Biewer 2018)
Gelingensbedingungen für erfolgreiche Inklusion beim Übergang zur
Sekundarstufe:
Ø Beziehungen
v Neuanfänge: neue Schule, Mitschüler/innen, Lehrer/innen etc. (veränderte
Beziehungsstrukturen)
v neue Herausforderungen mit peers hinsichtlich Lern-/Kompetenzerwerb und
psychischem Wohlbefinden
Empirische Befunde für Deutschland (vgl. Böhm, Felbermayr & Biewer 2018)
Stichprobe des
IQB Bildungstrends
2016
an allgemein-
bildenden
Grundschulen
Variation des Anteils
von SuS mit SPF
Stichprobe des
IQB Bildungstrends 2016
an allgemein-bildenden
Grundschulen
Aspekte inklusiver Strukturen in
Schulen mit unterschiedlichem
Anteil an SuS mit SPF
Ergebnisse:
Ø Schulen mit höheren Anteilen
von SuS mit SPF haben generell
bessere inklusive Strukturen
Stichprobe des
IQB Bildungstrends 2016
an allgemein-bildenden
Grundschulen
Unterstützendes Personal an
Schulen mit unterschiedlichem
Anteil an SuS mit SPF
Ergebnisse:
Ø Schulen mit höheren Anteilen
von SuS mit SPF sind generell
Ø besser personell
ausgestattet
Ø ABER: Unterstützendes
Personal hat weit weniger
Zeit pro SuS mit SPF
Stichprobe des
IQB Bildungstrends 2016
an allgemein-bildenden
Grundschulen
Aufgabenbereiche von sonderpäd.
Lehrkräften in Schulen mit
unterschiedlichem Anteil an SuS
mit SPF
Ergebnisse:
Ø Schulen mit höheren Anteilen
von SuS mit SPF partizipieren
mehr an
Ø Teamteaching
Ø und anderen Aufgaben
=
Erfolgreiche Effektive
Inklusion Inklusion?
Ergebnisse:
Ø höhere Inklusionsraten zeigen keinen direkten negativ-Zusammenhang mit der durchschnittlichen Leistung
der SuS eines Landes
Ø dieser Befund ist robust auch unter Kontrolle weiterer Variablen
Ø die höchsten Kompetenzen zeigen sich in reicheren Ländern
Ø höhere Mathematik/naturwiss. Kompetenzen sind wahrscheinlicher in Ostasien
Ø Höhere
23 Dr. Steve R. Entrich,
Leistungen werden eher in Bildungssysstemen Ac@ng
mit high Prof.tests
stakes IOE beobachtet
10.05.21
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Empirische Forschungsbefunde zu schulischer Inklusion
Effekte inklusiver Beschulung
§ Es erscheint daher sinnvoller danach zu fragen, welche Faktoren das Lernen von SuS
allgemein positiv beeinflusst, und
§ welche Effekte die inklusive Beschulung für SuS mit und ohne SPF konkret zeigen.
24 Dr. Steve R. Entrich, Acting Prof. IOE 10.05.21
24 | 18
Empirische Forschungsbefunde zu schulischer Inklusion
Bedingungen für gelingendes Lernen: Schülerebene
Empirische Befunde zu den Effekten inklusiver Beschulung (vgl. Rujis & Peetsma 2009)
„In general, there seem to be neutral or positive results of inclusion of children with mild
to moderate special educational needs. There are clearly fewer indications of negative
effects of inclusive education.” (Rujis & Peetsma, 2009)
§ Wie sieht es aber nun mit Effekten inklusiver Beschulung für SuS mit SPF konkret
aus?
Stichprobe des
IQB Bildungstrends
2011
an allgemein-bildenden
Grundschulen
Unterschiede nach Art
der Beschulung
Ergebnisse:
Ø Höhere
Schulleistungen in
Regelschulen
Ø Höherer HISEI in
Regelschulen
Ø Besserer absehbarer
Schulabschluss
Wichtig: ATT sind durchschnittlich bei inklusiver/integrativer Beschulung mehr erreichte Punkte;
Durchschnittszuwächse liegen als Referenz pro Schuljahr je nach Studie zwischen 40 und 80 Punkten
Quelle: Kocaj, Kuhl, Kroth, Pant & Stanat (2014): 180.
34 Dr. Steve R. Entrich, Acting Prof. IOE 10.05.21
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Empirische Forschungsbefunde zu schulischer Inklusion
Bedingungen für gelingendes Lernen: Inklusion!
Stichprobe des
IQB Bildungstrends 2016
an allgemeinbildenden
Grundschulen
Unterschiede nach Art der
Beschulung
Ergebnisse:
Ø Höhere Schulleistungen in
Regelschulen
Ø Höherer HISEI in Regelschulen
Ø Vergleichbare Ergebnisse zu
2011
Stichprobe des
IQB Bildungstrends 2016
an allgemeinbildenden
Grundschulen
Unterschiede nach
Kompetenzen, Selbstkonzept
und Interesse
Ergebnisse:
Ø Höhere Schulleistungen in
Regelschulen
Ø Teilweise geringeres
Selbstkonzept in
Regelschulen (marginal)
Ø Teilweise geringeres
Fachinteresse in
Regelschulen (marginal)
Inhalte
Ø Einführung in die Förderdiagnostik
Ø Vorstellung verschiedener diagnostischer Klassifikationssysteme
Ø Systemische Einbettung von SPF
Leitfragen
Ø Wie wird SPF klassifiziert und diagnostiziert?
v Was ist Förderdiagnostik?
v Welche Klassifikationssysteme gibt es?
Ø Wie müssen Verhaltensstörungen verstanden werden?
v Was impliziert Bonfenbrenners Theorie ökologischer Systeme?
v Was erklärt das Vulnerabilitäts-Stress-Modell?
Ø Was ergibt sich daraus für die Lehrpraxis?
GRUNDLAGENLITERATUR
v Textor, Annette (2015): Einführung in die Inklusionspädagogik. Kapitel 10:
Sonderpädagogische Förderung und Diagnostik. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt: 81-92.
v DIMDI, Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (2019): ICD-
10-GM Version 2019 Kapitel V: Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99),
Entwicklungsstörungen (F80-F89).