Sie sind auf Seite 1von 8

Arachnol. Mag.

4 (8) 1-8 August 1996

Stefan Bauer

Eine verkannte Vogelspinne aus Nord-Peru


Avicularia auranliaca spec. n.
(Araneida: Theraphosidae: Aviculariinae)

Abstract
The species up to now namedAvieularia magdalenae (KARSCH, 1879)
is an undescribed one. Both sexes differ in theirmarkings. In the female the
spermathecae consists oftwo thickly and longtubes. In the malethe embolus
is bentapically only (similartoAvicularia bieegoiMELLO LEITAO, 1923).

Keywords:
Peru, Avieularia magdalenae, Avieularia aurantiaea, Avieularia urtieans,
Avieularia bieegoi.

Einleitung
Anfang der90er Jahre brachte der Engländer Ian WALLACE eine bis dato
unbekannte Avieularia-Art aus Nord-Peru in den Handel. Sie wurde als
Avieularia magdalenae bezeichnet, da sie mit einer aus Kolumbien be-
schriebenen Species filr identisch gehalten wurde. Neuerdings wird sie von
einigen Autoren (Rick WEST, R. N. BAXTER 1993)Avieulariajuruensis
MELLO-LEITAO, 1923 genannt.
Die Übersetzung der BeschreibungvonMELLO-LEITAO, 1923 durch Frau
LUCAS vom Instituto Butantan sowie die beiden Zeichnungen ergaben, daß
die Art nicht mit der aus Nord-Peru identisch ist, obwohl der Fundort
geographisch übereinstimmt
Nach Untersuchungen des Holotyps (Museum filrNaturkunde, Berlin) durch

I
SCHMIDT steht fest, daß es sich bei der Kolumbien-Art nicht um eine
Avicularia, sondern um eine Ischnocoline handelt (SCHMIDT, 1994,
1995). Die peruanische angebliche Avicularia magdalenae mußte daher
umbenanntwerden.
Avicularia magdalenae sensu (SIMON) ist ein Synonym von Hapalopus
formosus AUSSERER, 1875 (SCHMIDT 1994).

Material und Methoden


1 Weibchen (Holotyp), Nachzucht von Tieren, die WALLACE in Nord-
Peru gesammelt hat, Exuvie eines Weibchens, 1Männchen (Paratyp).

Das Weibchen wird nach seinem Tod im SenckenbergMuseum (Frankfurt!


Main) hinterlegt. Die Tiere wurden in 70% Alkohol aufbewahrt. Die
Spermathek wurde aus der Exuvie herauspräpariert und aufeinem Objekt-
tIägerfixiert Die Augenmaße und -abständewurdenmitHilfedesMeßokulars
des Stereomikroskopes bestimmt.

Derivatio nominis: Von lat. aurantiacus= orangefarbig, wegen der orange-


gelben Ringelung basal an den Metatarsen.

Diagnose:
BeiAvicularia aurantiaca handelt es sich um eine große A vicularia-Art mit
sehrunangenehmen und reichlich aufdem Opisthosomaund den Spinnwarz.en
vorbandenenReizhaaren. BeimMännchenistderEmbolus apikal nur schwach
gebogen.

Ergebnisse
Avicularia aurantiaca spec. n.

Beschreibung:
Weibchen: Körperlänge (Weibchen geschlechtsreif, aber nicht vollkommen
ausgewachsen) 49 mm, Carapax 19 x 17 mm, Opisthosoma 25 x 15 mm,
Gliedmaßen (aufgelistet nach der Länge): IV, I, 11, 111.

2
Gliedmaßen in nun:
Femur Patella Tibia Metatarsus Tarsus Gesamtlänge
Taster 12 4 6 10 32
Bein I 16 5 13 10 9 53
Bein 11 15 5 12 8 8 48
Bein III 15 5 11 9 8 48
Bein IV 18 6 15 12 8 59

Abb.l
Avicularia Quranliaca spec. n.
Receptacula seminis

Scopula der Tarsen: voll scopuliert. Scopula der Metatarsen: Bein I 3/4
scopuliert, Bein 11 2/3, Bein 111 1/2 und Bein IV 1/4 scopuliert. Die Scopula
ist bei allen Tarsen und Metatarsen geteilt. Eine Bestachelung an den Beinen
ist nicht zu erkennen.
Das Labium ist breiterals lang, das Sternum mißt 7 x 5mm. Ein großes Paar
Sigillen kann man gegenüber dem 4. Beinpaarerkennen. Die Bezabnung,
vom Klauengelenk aus betrachtet, sieht folgendermaßen aus: 3gr., 1kl., 1gr.,
1kl., 1gr., 1kl.,2 gr., 1kl., 1gr., aufderHöhe der beiden letzten aufgezählten

3
Abb.2
Avicularia aurantiaca spec. D.
Augenhügel

Zähne befmdet sich ein Feld aus insgesamt 11 kleinen Zähnchen. Die
Chelizerenklauen haben eine Länge von 8,3 mm, das Basalglied mißt 10 x
5,5 mm. Spinnwanen: Basalglied3,5 mm, Mittelglied 2,3 mm undEndglied
3,8 mm lang. Augenhügel: Breite 3,6 mm, Länge 2,2 mm, stark nach oben
gewölbt. Augengröße: VMA 0,8 mm, VSA 0,8 mm, HMA 0,5 mm, HSA
0,7 mm. Augenabstände: VMA-VMA 0,6 mm, VMA-VSA 0,4 mm,
VMA-HMA 0,3 mm, VSA-HMA 0,7 mm, HMA-HSA 0,11 mm, VSA-
HSAO,5mm.

Firbungund Zeichnung
Dorsalansicht: Carapax mit bräunlicher Behaarung, die von der Thoraxgrube
zum Rand hin Streifen bildet. Bei frisch gehäuteten Tieren schimmern die
Femora im Tageslicht blau-violett, ansonsten ist die Grundfärbung der
Gliedmaßen ein dunkles Haselnußbraun. Sehr aufflillig sind bei diesen Tieren
die leuchtend orange-gelben Beinringe amAnsatzdes Metatarsus, erkennbar
an allen Beinen. Die Behaarung an den Beinen ist sehr lang und dicht,je nach

4
Betrachtungswinkel erscheinen sie lachsrot bis beige. Das Opisthosoma ist
samtig schwarz., mit sehr langen auffiilligenhellen Haaren. Ein schwarzer Fleck
aus Brennhaaren im hinteren Teil bleibt auch im Alter erhalten.
Ventralansicht: Die gesamte Unterseite ist schwarz, an den Beinen erkennt
man ebenfalls eine lange, helle Behaarung, die aber nicht so dicht wie aufder
Dorsalseite ist.

Männchen: Der Carapax ist 19,3 mm lang und 17,2 mm breit, das
Opisthosoma mißt22mm in der Länge und 17 mm inder Breite (Anmerkung:
das Opisthosoma ist stark eingefallen, die Originalgröße konnte deshalb nicht
exakt ermittelt werden). Das Sternum ist länger als breit, 7 x 5,5 mm. Die
Chelizeren klauen sind 7,5 mmlang, des Basalglied 5,5 mmlangund6,8mm
breit. Spinnwarzen: Basalglied3, 1mm, Mittelglied 1,8 mm, Endglied3,3 mm
lang. Gliedmaßen (nach Länge aufgelistet): IV, I, 11, III.

Gliedmaßen in mm:
Femur Patella Tibia Metatarsus Tarsus Gesamtlänge
Taster 11 6 8 3 28
Bein I 18 9 14 15 9 65
Bein 11 17 8,5 13 12,5 9,5 60,5
Bein III 15 9 12 13,5 9,5 59
Bein IV 20 9,5 17 18,5 9,5 74,5

Scopulation der Tarsen und Metatarsen wie beim Weibchen.

Flrbungund Zeichnung
Bis zur Reifehäutung unterscheiden sich die Männchen in der Färbung und
Zeichnung nicht von den Weibchen. Nach der Reifehäutung sind die Männ-
ehen nur noch einfarbig dunkelbraun, die orange-gelben Beinstreifensindjetzt
so gut wie nicht mehr zu erkennen.

Diskussion
Die beschriebene Art gehört zusammen mitAvicularia urticans SCHMIDT,
1994 in die Gruppe A nach SIMON, d.h. zu den Arten, bei denen die

5
Streifenzeichnungaufdem Opisthosoma,die sogenannte Jugendzeichnung,
mit zunehmendem Alterverschwindet. Genitalmorphologischhandeltes sich
um eine sehr heterogene Gruppe, ein direkter Vergleich zu einer Art der
Gruppe A kann nicht nachvollzogen werden. Weitere Untersuchungen und
Artbestimmungen in der Gruppe A sind notwendig, um die Stellung der
einzelnen Arten im System klären zu können.
Der Embolus vonAvicularia aurantiaca sp. n. ähnelt dem vonAvicularia
bicegoiMELLO-LEITAO,1923.AllerdingsistdieapikaleKrümmungnicht
so stark wie bei dieser Art. Charakteristisch ist die Spermathek mit ihrem
breiten Basalteil. Doch sind die Tuben insgesamt nicht so breit wie bei
Avicularia hurianaTESMOINGT, 1996 aus Ecuador. (Leider liegt mir die
Arbeit von TESMOINGT von Avicularia huriana nicht vor, daher nur
dieser Hinweis).

Abb.3
Avicularia aurantiaca spec. n., Männchen
Taster rechts mit Bulbus und Embolus

6
Abb.4
Avicularia aurantiaca spec. n., Männchen
Bein I rechts mit Tibiaapophyse

Aus Peru bzw. aus dem Fanggebiet vonAvicularia aurantiaca sp. n. sind
zwei weitere Avicularia-Arten bekannt geworden. Neben der jetzt als
Avicularia aurantiaca sp. n. beschriebenen fmdet sich dort nochAvicularia
juruensis MELLO-LEITAO, 1923 und die von SCHMIDT, 1994 be-
schriebene Avicularia urticans. WEST (pers. Mitt. vom 28.10.1994 an
SCHMIDT) studiert~ diese Art von Iquitos und Napo. Sie gehören zur
Gruppe A nach SIMON.

Danksagung
Herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Dr. Günter SCHMIDT,
DeutschEvem, fUrdievon ihm durchgefiihrten Untersuchungen am Typus von
Typhochlaena magdalena, sowie vielen Tips, die mir bei der Beschreibung
der Artwesentlichgeholfen haben, HennR.H. KRAUSE fiirdieZeichnungen
Abb. 3 und Abb. 4. Ebenso bedanken möchte ich mich bei Herrn Dr.
GRASSHOFF vom Senckenberg-Museum Frankfurt/Main und Herrn Dr.
MORITZ vom Museum rur Naturkunde in Berlin rur ihre Beratung in
nomenklatorischen Fragen (Mitt. anDr. SCHMIDT).

7
Zusammenfassung
Die neu beschriebene ArtAvicularia aurantiaca gehört zur Gruppe A nach
SIMON, bei der die Zeichnung aufdem Opithosorna mit zunehmendem Alter
verschwindet. Die Spermathek besteht aus zwei dicken und langen Tuben.
Der Embolus ist nur apikal gekrümmt (ähnlichAvicularia bicegoiMELLO-
LEITA0, 1923). Es bestehen nähere Beziehungen zuAvicularia urticans
SCHMIDT, 1994.

Literatur
AUSSERER, A. (1875): Zweiter Beitrag zur Kenntnis der Arachniden-
familie der Territelariae.-Verh. Zool.-Bot. Ges. Wien 25: 175
T.V.F. 17, 18
BAXTER, R. N. (1993): Keeping and Breeding Tarantulas.-Chudleigh
Publishing, Ilford, Essex, 89 pp.
CHARPENTIER, Ph. (1992): The GenusAvicularia.-Exothermae - Vol.
1, No. 1.
KARSCH, E. (1879): Sieben neue Arachniden von St. Martha.-Stettin.
Ent. Zeitg. 40: 106-109.
MELLO-LEIT AO, M. D. (1923): Theraphosidas do Brasil.-Rev. Mus.
Paulista 13. p. 1-438 TF. 1-109
POCOCK, R.I. (1903): On some new gen. a. spec. ofSouth American
Aviculariidae.-Ann. Mag. Nat. Hist. (7) 11: 81-115.
ROEWER, C. FR. (1942): Katalog der Araneae.-l. Band, Natura,
Bremen, 1040 pp.
SCHMIDT, G. (1994): Vogelspinnen.- 4. Aufl., Landbuch, Hannover,
151 pp.
SCHMIDT, G. (1994): Einige überraschende Befunde.-Arachnida 2
(9):4-5.
SCHMIDT, G. (1995): Ist Typhlochlaena magdalena KARSCH, 1879
wirklich eine Avicularia?-Arachnol. Mag. 3 (2) 1995: 10-13.
SCHMIDT, G. (1994): Avicularia urticans, eine Vogelspinnenart aus
Peru.-Arachnol. Mag. 2 (6): 1-7.
SIMON, E. (1892): Histoire Naturelle d. Araignees.-2. Aufl., Roret,
Paris, 1-254.

Autor: Stefan BAUER, Robert-Kocb-Str. 4, 77955 Ettenbeim

Das könnte Ihnen auch gefallen