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Eine neue Vogelspinne aus Venezuela

Pseudotherapbosa apophysis n.gen. n.sp.

(Araneae: Theraphosidae: Theraphosinae)

von Andreas Tinter, D-7151 Affalterbach

Seit Spätsommer 1990 gelangten, vertrieben über die Firma Entomoligca1 Livestock Supplies
LTD, HaIesowen, England, Vogelspinnen aus Venezuela nach Europa, die als Pamphobeteus
exsul, Mello-Leitäo,1923 angeboten werden. Ich hatte im September 1990 die Möglichkeit, in
England einige dieser Tiere persönlich zu erstehen. Beim Herausfangen fiel mir damals schon
auf, daß die Tiere sehr stark stridulierten und sehr aggressiv waren. Aufgrund der Tatsache, daß
Tiere der Gattung Pamphobeteus keine Stridulationsorgane aufweisen, konnte es sich bei den
verkauften Spinnen nicht um die angegebene Art handeln. Nachdem sich eines der Tiere gehäutet
hatte und ich die Exuvie untersuchte, kam ich zu dem Ergebnis, daß es sich bei den Tieren um
Theraphosa leblondi (Latreille 18(4) handelte, was sich hauptsächlich auf die Maße des
Prosomas, die Form der Spennatheken und die Stridulationsorgane auf der Coxa des 1.
Beinepaares gründete.
Weitere Untersuchungen wurden durchgeführt, als ich von Herrn Jürgen Kupka, der in Besitz
eines Pärchens dieser Tiere war, in Erfahrung brachte (mündl. Mitteilung), daß das Männchen
Tibialapophysen besitze. Laut Literatur besitzen Männchen der Art Theraphosa leblondi (Latreille
18(4) keine Tibialapophysen. Zwischenzeitlich erhielt ich von Herrn Jürgen Kupka ein
verstorbenes Weibchen und von Herrn Matthias Kupferscbmid ein verstorbenes Männchen, so
daß neue Untersuchungen getätigt werden konnten.

Als Vergleichsmaterial wurden Exemplare von Theraphosa leblondi aus der der Sammlung des
Staatlichen Museums für Naturkunde Karlsruhe (LNK) herangezogen. Weibchen: LNK Araneae
31. Männchen: LNK Araneae 32.

Pseudotberaphosa ilPQPhysis n.gen. n.sP.

Material: I Weibchen (Allotyp, Kupka ded. 6.3.91), I Männchen (Holotyp, Kupferscbmid ded.
22.3.91). Das Material wird dem Staatlichen Museum für Naturkunde, Karlsrube zur Verfügung
gestellt und hinterlegt unter Nr. LNK 411 (Männchen) und Nr. LNK 412 (Weibchen).

Fundort· Beide Tiere stammen von o.g. Händler. Dieser gibt als Herlrunftsgebiet Roraima,
Venezuela an.

Diagnose: Eine große Art. Steht der Gattung Theraphosa sehr nahe. Das Männchen unterscheidet
sich durch das Vorhandensein eines Stridulationsorganes an Coxa 11, dünnere Femura und durch
das Vorhandensein von Tibialapophysen im Gegensatz zum Männchen von Theraphosa leblondi.
Das Weibchen unterscheidet sich hauptsächlich durch dünnere Femora im Gegensatz zum
Weibchen von Theraphosa leblondi.

Jfarivatio gominis· Von altgriechisch pseudo = täuschen und ap'ophysis = mit Anhängen. Die
amensge ung soll ausdrücken, daß es sich um eine Vogelspinne händelt, die Theraphosa ähnlich
sieht, aber im männlichen Geschlecht Tasterapophysen aufweist.

Beschreibung des Männchen:

Kömerlänge; Prosomalänge und -breite 28x29 mm, Opistbomalänge 35 mm, Gesamtlänge 80


mm. Beinformel: IV, I, 11, 1lI.

-6-
Länll:~ der Qliedmaßen' (mml

Femur Patella Tibia Metatarsus Tarsus Gesamtlänge

Taster: 17 9,5 14 13 47,5


Bein I: 26 13 21 22 15 97
Bein 11: 24 12 19 21 14 90
Bein lll: 22 12 17 23 13 87
Bein IV: 25 11,5 20 30 13 99,5

Dicke der Femuren in mm im VeaJejch zu 0.1l:. Theraphosa leblondi'

Femur I Femur 11 Femur 1lI Femur IV


Theraphosa leblondi 9 8,5 8,5 8,5
Pseudotheraphosa apophysis 6,5 6 7 6,5

~ Alle-Tarsen und die Metatarsen I und 1I vollständig und Met 1Il zu mehr als 1/3.

Relationen: Prosoma kürzer als Pat + Tib I, Pat + Tib II und Pat + Tib 1Il, genauso lang wie
Pat + Tib 1lI, so breit wie Met IV lang. Pat + Tib IV kürzer wie Pat + Tib l.

Clypeus: = I mm, Schmaler als Länge des Mittelaugenfeldes.


AugenhÜll:el: Groß und erhaben, breiter als lang. Augenfeld hinten wenig breiter als vom.
Vorderaugenreihe stark procurv. Hinteraugenreihe leicht recurv. VMA größer als VSA. HSA
größer als HMA. HSA wenig kleiner als VSA. VMA größer als HMA. VMA-VMA ein wenig
näher als VMA-VSA. HMA-VMA näher als HMA-HSA. Siehe Abbildung.

StemalsiW1~: Alle Sigillen recht nahe am Stemumrand. Hinteres SigillenJ)aM jedoch weiter vom
srerDumran entfernt IÜS vorderes und mittleres Paar, die ungefähr emen Durchmesser weit vom
Rand entfernt sind.

ThoraxwIDe: Tief, quer, oval, breiter als Augenhügel.

Stri~ati~k Stridulationsorgan in Form von Fiedemorsten auf Coxa I und 1I pI oberhalb


der utur vor . Fiederhaare unterbalb der Sutur von Coxa I und 1I beim Männcben pI, aut
Trochanteren I und 1I pI, zur 1/2 auf Femur I pI und apikal an Femur II pI. Fiederhaare auch auf
Coxa und Trochanter der Palpen rl und zu 2/3 auf Femur der Palpen rl, auf Coxa der Beine I rl
. vorhanden.

Labium: Stark trapezoid. Im apikalen 1/3 mit wenigen Domenhöckern.

Spinnwarzen: Gesamtlängeder hinteren Spinnwarzen 16 mm (16 mm). Relationen siehe Abb.

BYlbm;. 8,5 mm lang, apikal leicht verdickt, ansonsten gerade und nahezu zylindrisch, ab dem 2.
drittel flach werdend und einen Löffel bildend, dessen Vertiefung in pI-RiChtung zeigt. Der Rand
des Löffels ist gezackt. Siehe Abbildung.

Tibialapophysen: 2-sporig mit Stachel, an Bein l.

FärbunIl: und Zeichnung: Grundfarbe kaffeebraun. Beine und Opisthosoma mit vereinzelten,
längeren, orangebraunen Haaren. Prosoma, Cheliceren dorsal und Dorsalseite von Coxa,
Trochanter und Femur, beim Taster und Bein I auch auf Patella mit weinrotem, metallischem
Schimmer. VentraIseite einheitlich braun. An den Femora lange, orangefarbene Haare.

-7-
4mm . . . . . ..

o o 7mm

o Q 5

7
Beschreibung des Weibchens:

Kömerlänge: Prosomalänge und -breite 3 h:32 mm , Opisthomalänge 42 mm , Gesamtlänge 87


mm. Beinformel: IV, I, 11, III.

Länge der Gliedmaßen: (mm)

Femur Patella Tibia Metatarsus Tarsus Gesamtlänge


Taster: 16 10 15 13 54
Bein I: 25 14 20 20 12,5 91,5
Bein 11: 23 13 17 20 12 85
Bein III: 21 13 15 20 12 81
Bein IV: 25 13 19 27 12 96

Dicke der Femuren in mm im Vergleich zu o.g. Thenwhosa leblondi:


Femur I Femur 11 Femur III Femur IV
Theraphosa leblondi 9 8,5 8 9
Pseudotheraphosa apophysis 7 7 7 7

Stridulationsorgane: Stridulationsorgan in Form von Fiederborsten auf Coxa I pi oberhalb der


Sutur vorhanden. Fiederbaare unterhalb der Sutur von Coxa I pI, auf Trochanteren I und II pi,
zur 1/2 auf Femur 1 pi und apikal an Femur Il pI. Fiederhaare auch auf Coxa und Trochanter der
Palpen rI und zu 2/3 auf Femur der Palpen rl, auf Coxa der Beine I rI vorhanden.

Spermathek: Einfache, als unpaare Tasche ausgebildete Spermathek mit charakteristischen


Runzeln. Der Spermathek von Theraphosa leblondi sehr ähnlich.

Färbung und Ze~hnung: Grundfarbe kaffeebraun. Beine und Opisthosoma mit vereinzelten,
langeren, orang raunen Haaren. Ventralseite einheitlich braun. An den Femora lange,
orangefarbene Haare.

Beschreibung der Scopula, der Relationen, des Clypeus, des Augenhügels, der SternalsigilIen, der
Thoraxgrube, des Labiums und der Spinnwarzen siehe Männchen.

Diskussion: Die neue Gattung und Art hat mit Theraphosa leblondi sehr viele Gemeinsamkeiten,
unterscheidet sich jedoch von ihr in einigen wesentlichen Merkmalen. Die Femora sind bei
beiden Geschlechtern dünner als bei Theraphosa leblondi. Auch besitzt die neue Art an den
Beinen I und II an den o.g. Stellen Fiederhaare, an denen Theraphosa leblondi nur einfach Haare
besitzt. Es ist nicht auszuschließen, da bei dem Weibchen einige Merkmale zum Männchen
differieren, daß dieses nicht der gleichen Art wie der des Männchens angehört und es sich dabei
um Theraphosa leblondi handelt, die in dem Fanggebiet durchaus vorlmmmen könnte. Allerdings
ist der Unterschied zwischen P. apophysis und T. leblondi Weibchen in der Dicke der Femora zu
erkennen. Was es mit dem Vorhandensein des Stridulationsorganes beim Männchen bzw. mit
dem Fehlen beim Weibchen auf sich hat, müßen zukünftige Untersuchungen an l.B. subadulten
Männchen oder anderen Weibchen zeigen.

Zusammenfassung: Es wird eine neue Gattung und Art, Pseudotheraphosa apophysis,


beschrieben, die sich von der ihr sehr nahe stehenden Art Theraphosa leblondi durch ein
zusätzliches Stridulationsorgan an Coxa II und durch Anwesenheit von 2-sporigen Tibiaapophysen
beim Männchen unterscheidet. Bei beiden Geschlechtern sind die Femora dünner als bei T.
I~l~ndi .. Das Vorhandensein von Stridulationsorganen an Coxa I und II ist in der Unterfamilie
eIDZlgarttg.

-9-
Summar;y: A new genus and species, Pseudotheraphosa apophysis, is described. It differs from
Theraphosa leblondi by the presence of a stridulating organ on Coxa Il of the male, and by
thinner femora in both sexes and by the presence of primary & secondary segments of a tibial
spur by the male. The presence of a stridulating organ on Coxa I and Il in the subfamily
Theraphosinae has not yet described.

Abbildunesnachweis:

Abb. 1: Rechter Bulbus des Männchens pI.


Abb. 2: Tibialapophysen mit Stachel der rechten Tibia I des Männchens.
Abb. 3: Spermathek des Weibchens von Pseudotheraphosa apophysis
Abb. 4: Spermathek des Weibchens von Theraphosa leblondi.
Abb. 5: Augenhügel.
Abb. 6: Sternum mit Sigillen.
Abb. 7: Hintere, rechte Spinnwarze.
Abb. 8: Coxa I pi des Männchens mit Stridulationsorgan.
Abb. 9: Coxa II pi des Mäanchens mit Stridulationsorgan.
Abb. 10: Coxa I pi des Weibchens mit Stridulationsorgan.
(Alle Zeichnungen vom Autor)

Literatur:

Karsch. E. (880): Zur Arachnidengattung Theraphosa Walckenaer.- Zeitschr. ges. Naturw. 53:
844-846.
K~h~ r..~1N.2~· Die Arachniden (9): p.. 91, TE 748.
ScäUt.\966): Contribuciön äl Conocimiento de Theraphosa leblondi.- Mem. Inst.
Butantan 33(3): 667-674.
Schmidt G (989)' Vogelspinnen, 3. Aufl., pp. 126, Blüchel & Philler, Minden.
Smith. A (986)' The Tarantula ciassifiaction and identification guide, 1. Aufl., pp. 180,
Eitzgerald Publ., London.
Strand E. (907): Jahresh. Ver. Naturk. Württbg.: 62-66.

Anschrift stes
V~sers:
AIidfeäS Imter,genstr. 16, D-7151 Aftalterbach.

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