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Der Stickstoff -
ein kritisches Element der Biosphäre
Mit 29 Abbildungen
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unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.
Zusammenfassung ............................................... 7
Stickstoff in der Biosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Der terrestrische Stickstoffkreislauf ................................ 8
Der anorganische Stickstoff - eine von Natur aus knappe Ressource .. 10
Warum wurde der Stickstoff zu einern Umweltproblem? .............. 12
Der Mechanismus der Nitratassimilation ............................ 13
Ammoniumtoxizität .............................................. 17
Regulation der Enzyme der Nitratassimilation ....................... 23
Die Regulation der Nitritreduktase ................................. 28
Regulation der Nitratreduktase .................................... 30
Gentechnik? .................................................... 35
Auswirkungen eines überhöhten Ammoniumangebots auf die
Keimpflanzen der Waldkiefer (Pinus sylvestris L.) .................... 36
Literatur ....................................................... 39
- 295 -
Zusammenfassung
- 297 -
8 H. Mohr
IBiomasse I
(1.3 x 1013 kg)
(4%)
94 % Pflanzen
Tote organische
Substanz
(30.7xl013kg)
_-----------~-
--_
4% Mikroorganismen
2% Tiere
(96%) ------ ... _---
IBiomasse I
Abb. 1. Die Verteilung des Stickstoffes in der toten und lebenden organischen Substanz in
der terrestrischen Biosphäre [1]
Obwohl die gesamte Masse der Erdkruste (Atmo-, Hydro- und Lithosphäre bis
zu 16 km Tiefe) nur etwa 0,030/0 Stickstoff enthält, ist das Element nicht selten.
Es steht in der Häufigkeitsliste an 18. Stelle. Aber weniger als ein Prozent des
Stickstoffs sind chemisch gebunden; über 99% liegen elementar vor, davon der
weitaus größte Teil (3,8'10 18 kg) als reaktionsträger Distickstoff (N:0 in der At-
mosphäre. Dieser Stickstoff ist den Pflanzen nicht direkt zugänglich.
In der Biosphäre insgesamt rechnet man mit 1,5 '10 15 kg Stickstoff, ein winzi-
ger Bruchteil des irdischen Gesamtvorrats. Davon gehört der größere Anteil (etwa
60%) zur marinen Biosphäre. Von den 40%, die für die terrestrische Biosphäre
verbleiben, entfallen etwa 96% auf tote organische Substanz (Nekromasse) und
nur 4% auf die eigentliche Biomasse. Innerhalb der Biomasse überwiegt bei wei-
tem der in Pflanzen festgelegte Stickstoff (Abb. 1).
In der terrestrischen Biosphäre ist der pflanzenverfügbare Stickstoff stets
knapp gewesen. Demgemäß herrschte während der ganzen terrestrischen Evolu-
tion ein starker Selektionsdruck in Richtung Einsparung und Recycling. Die Na-
tur - die Evolution - hat auf diese Rahmenbedingungen mit der Etablierung
eines Stickstoffkreislaufs reagiert.
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Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 9
Luft
N ' - ( 780ml N2 ,l-1)
2
0. "
N2-fixierende
Mikroorganismen
l
:A /
[CNH 3 J
J/~-4
Nitrifikation ~o.u..-
NOi-NOi-NHt
chemosynthetische Bakterien
Abb. 2. Der Kreislauf des Stickstoffs in der Natur. Der Kreislauf zwischen organischem
+
( - NH 3) und anorganischem (NHt. NOn Stickstoff steht über die Denitrifikation und
die N2-Fixierung mit dem Distickstoff der Luft in Verbindung [2]
- 299 -
10 H. Mohr
Während der ganzen Evolution der Landpflanzen - bis in die neueste Zeit -
war der den Pflanzen zugängliche anorganische Stickstoff (N0i, NHt) ein
Mangelfaktor in der terrestrischen Biosphäre. Das Angebot war knapp und
schwankend; es herrschte eine rigorose Konkurrenz um die in der Regel eng be-
Abb. 3. Das Wurzelsystem einer Maispflanze als Beispiel eines aus den unteren Sproßkno-
ten entstandenen sekundären Wurzelsystems [4]
- 300 -
Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 11
A IB
I
I
1.7 I
I
I
I
I
Ci 1.6
I
0 I
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OlL: 1.5
-SoE
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~3 1.4
~
I
1.3 I
I
grenzte Ressource. Entsprechend subtil sind die Strategien, die die Pflanzen im Lau-
fe der Evolution entwickelt haben, um an das wertvolle Element zu gelangen. Dies
gilt sowohl für die strukturelle als auch für die biochemisch-molekulare Ebene.
Die Struktur des Wurzelsystems ist ebenso genetisch determiniert und für jede
Pflanzenart charakteristisch ausgebildet wie die Gestalt ihres oberirdischen Spros-
ses (Abb. 3). Einige Zahlen sollen die Oberflächenentwicklung des Wurzelsystems
veranschaulichen: H. 1. Dittmer hat in den 30er Jahren das Wurzel system einer
einzeln wachsenden, 4 Monate alten Roggenpflanze (Secale cereale L.) ausgemes-
sen. Die gesamte Länge, Wurzelhaare eingeschlossen, betrug mehr als 10000 km,
die gesamte Oberfläche etwa 1000 m2 [2]. Dies sind sicherlich extreme Werte;
aber mit Gesamtwurzellängen in der Größenordnung von 1000 km kann man
beim Roggen (Einzelaussaat) wohl generell rechnen [4].
Das Nitrat - so scheint es - wird von der Pflanzenwurzel über wenigstens
2 (vielleicht 3) diskrete Transportsysteme aufgenommen (Abb.4). Unterhalb von
1 mM erfolgt die Aufnahme über ein Transportsystem, das bereits bei einer exter-
nen Nitratkonzentration von 100 J.lM saturiert ist; oberhalb von etwa 1 mM tritt
ein zweites Transportsystem in Aktion, das nur bei einem hohen Nitratangebot ar-
beitet und nicht saturierbar erscheint. Je nach Nitratangebot werden von der
Pflanzenwurzel also verschiedene Transportsysteme eingesetzt: Bei niedrigem An-
gebot ein System mit hoher Affinität für Nitrat, aber entsprechend kleinen Flüs-
sen; bei einem, in aller Regel zeitlich eng begrenzten, massiven Angebot ein Sy-
stem mit geringer Affinität für Nitrat, das aber hohe Flüsse zuläßt. Wir arbeiten
bei unseren Experimenten mit externen Konzentrationen > 1 mM, benützen also
das zweitgenannte Transportsystem.
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12 H. Mohr
910 mm Niederschlag
0.3 kg/ha H
10 kg/ha S·SO.
6 kg/ha N-N0 3
6 kg/ha N-NH 4
Austrag
550 mm Niederschlag
0.D7 kg/ha H
27 kg/ha S-SO.
12 kg/ha N-N0 3
20 kg/h<l N-NH.
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Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 13
Tabelle 1. Die chemische Zusammensetzung des Niederschlages (in J,1M) im Freien (open)
und im Bestandesniederschlag (throughfall) von Schwarzkiefer forsten in drei verschiede-
nen Regionen der Niederlande im Jahr 1984 [8]. Die Ammoniumdeposition auf der Nord-
seeinsel beträgt nur einen kleinen Bruchteil des throughfalls im Südosten des Landes. Auf-
fällig ist auch der geringe Protoneneintrag auf dem Festland. Dies ist vor allem auf die
Neutralisierung der Schwefelsäure durch das Ammonium zurückzuführen. - Die horren-
de atmogene Ammoniumdeposition in Westeuropa ist zu ca. 95070 durch die NH 3-Emis-
sion der Landwirtschaft bedingt [6]
North (Terschelling)
open 100 65 25 308 47 62 48 370 72
throughfall 400 59 345 6700 460 1120 110 8000 860
South (Heeze)
open 45 130 19 60 43 17 54 73 70
throughfall 6 1060 170 310 200 113 216 350 760
South-east (Venray)
open 2 200 20 40 30 15 49 50 90
throughfall 1 2421 216 175 278 100 147 462 1400
aus keine wären, z. B. auf der Stufe von NHt und NOi (s. Abb. 2). Infolge der
atmogenen Depositionen ist auch außer halb der Agrarflächen das Angebot an
Nitrat und Ammonium vielerorts weit überhöht, gemessen an der Kapazität der
Vegetation, das NOi oder NHt zu assimilieren (Abb. 5). Insbesondere hat sich
in manchen Teilen Europas die atmogene Deposition an NHt gewaltig erhöht,
verglichen mit den naturnahen Verhältnissen (Tabelle 1). Selbst in der Nord- und
Ost see beträgt die atmogene N-Deposition derzeit etwa 10 kg N/ha' a, davon etwa
70% als NH 4-N [6]. Diese Änderungen im Stickstoffangebot mußten auf die
Dauer in den küstennahen Flachmeeren und auf dem Festland zu Störungen füh-
ren [6]. Bevor wir uns den daraus resultierenden Problemen zuwenden, werfen wir
einen kurzen Blick auf den ,Mechanismus' der Nitratassimilation in der höheren
Pflanze.
Es ist ein vordringliches Ziel der Pflanzenzüchtung, die Fähigkeit der Kultur-
pflanzen, Nitrat zu assimilieren, weiter zu verbessern. Das Angebot an Nitrat auf
den Kulturflächen sollte noch intensiver genutzt werden, um die Auswaschung
von Nitrat und die Denitrifikation so gering wie möglich zu halten. Allerdings
- 303 -
14 H. Mohr
licht - Fd o• -H 2 0 IPhotosynthesemembran
I
I
t
[!;J
~~;""~"'i
NADPH ----------/~ ~N02 :
@ NIR-t---i
t1
Reduzierte
(- Verbmdungen
6I Ntfc.I"'~-----
1
I
I
t- GS :
Zufuhr
von
außen
•
2-0xosauren
/ ~GI~~5~iT
Glutamat
~-
pflanzhche Aminosauren ( 2- Armnosaurenl
t
pflanzliches Protem
Abb. 6. Die Grundzüge der Nitratassimulation. Die involvierten Enzyme sind wie folgt ab-
gekürzt: NR Nitratreduktase, NiR Nitritreduktase, GS Glutaminsynthetase, GOGAT Glu-
tamatsynthase, ATs Aminotransferasen, Fd Ferredoxin
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Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 15
Alanin - Aminotransferase
Pyruvat
Glutamat
Drv (
2- Oxoglutarat
Alanin
coo-
I
C= 0
I
CH 2
I
[aa- CH 2
12-AminosQure I HzN- C-H
I
I
I
COO-
CH3
Abb. 7. Die Bildung der Aminosäure Alanin aus der 2-0xosäure Pyruvat unter der kataly-
tischen Wirkung der Alanin-Aminotransferase (= Glutamat: Pyruvat-Transaminase)
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16 H. Mohr
NIR I
r---..,I
+ GS
----N0 2- - - - - - I..~I NH q 1 ------t-.Glutamln--_
I1.... _ _ _ -'I
Problemlosung: 2.4 mal mehr GS als NIR (In kat pro Pflanze)
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Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 17
Abb. 9. Die Keimpflanze vom Weißen Senf (Sinapis alba L.). Da sich die Zellzahl der Koty-
ledonen während der Entwicklung nicht ändert, eignen sich diese Blattorgane für quantita-
tive Studien ganz besonders
Ammonium von außen eingeschleußt wird (s. Abb. 6), ist also nicht zu erwarten,
daß sich NHt intrazellulär akkumuliert.
Die Systemeigenschaften an der Nahtstelle zwischen Nitratreduktion und Am-
moniumassimilation wurden, wie vieles andere in diesem Bericht, an den Keim-
pflanzen des weißen Senfs (Sinapis alba L.) eruiert (Abb.9). Der Senfkeimling,
ein typischer Dikotylenkeimling mit epigäischer Keimung, dient uns als ein Mo-
dellsystem für die phylogenetisch jungen Samenpflanzen (Angiospermen). Als
Modellsystem für die phylogenetisch alten Samenpflanzen (Gymnospermen) ver-
wenden wir die Keimpflanzen der Waldkiefer (Pinus sylvestris L.) (Abb. 10). Der
an die Photosynthese gebundene anabolische Stoffwechsel des Stickstoffs
(s. Abb. 6) wird jeweils in den enzymologisch und molekular verhältnismäßig
leicht zugänglichen Keimblättern (Kotyledonen) studiert. Nach allem, was wir
wissen, laufen die Prozesse der Photosynthese und Nitratassimilation in den Fol-
geblättern genau so ab wie in den Kotyledonen.
Ammoniumtoxizität
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18 H. Mohr
Abb. 10. Die Keimpflanze der Waldkiefer (Pinus sylvestris L.). Auch in diesem Fall sind
die "weichen" Kotyledonen für biochemisch/molekulare Studien besonders geeignet, da sie
viel leichter zugänglich sind als die nadeligen Folgeblätter
Bedingt durch falsche Düngung und atmogene Deposition (Tabelle 1) liegt das
Angebot an Ammonium (NHt) heutzutage vielerorts weit höher als unter natur-
nahen Verhältnissen. Manche Pflanzen reagieren darauf mit Schadsymptomen
und Tod ("Ammoniumtoxizitäts-Syndrom"). In den letzten Jahren war es ein Ziel
unserer Arbeit, anhand der krautigen, nitrophilen Modellpflanze Sinapis alba L.
(s. Abb. 9) das Ammoniumtoxizitäts-Syndrom auf der molekularen, enzymati-
schen, zellulären und organismischen Ebene eindeutig zu charakterisieren und zu
quantifizieren, sowie die Ursache der Schadwirkung überhöhter, externer
NHt -Gaben zu ermitteln.
Nach unseren Studien läßt sich das Ammoniumtoxizitäts-Syndrom als eine
den gesamten Organismus ergreifende pathologische Veränderung verstehen, de-
ren Ursache eine intrazelluläre NH: -Akkumulation ist. Die Symptome treten be-
reits ab einer externen NHt -Konzentration von 1 - 2 mM auf (Abb. 11). Zu der
pathogenen NH: -Akkumulation kommt es dann, wenn die Aufnahme von Am-
monium, die wahrscheinlich passiv erfolgt und vom Membranpotential getrieben
wird, die Assimilationskapazität für Ammonium übersteigt. Solange Nitrat fehlt,
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Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 19
120 []]
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- 309 -
20 H. Mohr
AmmOniumtoxizität
r---1
Aminoslluren
-NH 2
NR NIR
N03- ~ N0 2 -.!- NH + I
I&..... _ _4_ .....lI
SpeIcherung von
I I
I
NH +
4
I
I I
I
~on außen
~
AmmonIumtoxIZItäts-
syndrom
I Fragen 1
WIe kommt es zu dem Syndrom?
WIe kann man es heilen?
ist die Assimilationskapazität von NHt gering, da die Enzyme der Ammonium-
assimilation wider Erwarten nicht durch NHt sondern nur durch NO; induziert
werden. Werden also in Abwesenheit von Nitrat erhebliche Mengen an NHt von
außen zugeführt (s. Abb.12), kommt es zur Akkumulation von Ammonium, weil
keine ausreichende Synthese der NHt -assimilierenden Enzyme erfolgt, die es er-
lauben würde, das eingeschleuste NHt mit der gebotenen Intensität zu assimilie-
ren.
Entscheidend für das Verständnis der Ammoniumtoxizität war die Ent-
deckung der "Nitrat-vermittelten Ammoniumtoleranz" [12]. Damit ist gemeint,
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Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 21
.,--- .-----------
4 6 10 12 14 16
NHt Im Medium ImM}
Abb. 13. Die Abhängigkeit der Ammoniumakkumulation in den Kotyledonen des Senf-
keimlings von der Ammoniumkonzentration im Medium, in Gegenwart verschiedener An-
ionen. Die Messung erfolgte 4 Tage nach Aussaat [12]
K15N0 3 1,5
15NH4Cl 1,0
15NH415N03 6,9
15NH4 15N03 + KCI 7,0
15NH4 Cl + KN0 3 4,2
K 15 N0 3+ NH 4Cl 3,4
daß in Gegenwart von genügend Nitrat auch gegenüber hohen externen NHt -
Konzentrationen Toleranz besteht. Diese Toleranz beruht darauf, daß es in Gegen-
wart von Nitrat zu keiner erheblichen NHt -Akkumulation kommt (Abb. 13).
Wir konnten ferner zeigen, daß das Ausbleiben von Schäden bei simultanem An-
gebot an NHt und N0 3 vorrangig durch eine N0 3 -vermittelte Steigerung der
Ammoniumassimilation zustande kommt (Tabelle 2). Diese Steigerung ist darauf
zurückzuführen, daß die Enzyme der Ammoniumassimilation in Gegenwart von
N0 3 voll induziert werden (s. zur Veranschaulichung Abb. 12). Unter diesen Be-
dingungen können erhebliche Mengen an exogenem Ammonium verarbeitet wer-
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22 H. Mohr
0 R - K N0 3
~
"7
100 • o- K N03
R - H20
°
<>
I
<: • 0 - H2
l!! R - NH4 Cl
j 075 ." 0 - NH4 Cl
S
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~
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icg
~
~
cn
C) 025
O~----~=-----~------~---- __-L______~
o [d J 4 5
Tage nach Aussaat
Abb. 14. Die Regulation der Synthese der Glutaminsynthetase in den Kotyledonen des
Senfkeimlings durch Licht und Nitrat (15 mM). Die Keimlinge wurden entweder im Dun-
keln (D) oder von der Aussaat an im Rotlicht (R) gehalten. Das Rotlicht wirkt ausschließ-
lich über Phytochrom (5. Abb. 15) [13]
den, zusätzlich zum endogenen, aus der Nitratreduktion (und eventuell Photore-
spiration) stammenden NHt .
Der Nachweis, daß die Enzyme der Ammoniumassimilation durch Nitrat (und
nicht durch Ammonium!) induziert werden, kam unerwartet. Im Fall der Gluta-
minsynthetase (GS) zum Beispiel ging man fast selbstverständlich davon aus, das
Enzym werde durch sein Substrat Ammonium induziert. Tatsächlich wird die GS-
Synthese aber durch Licht und Nitrat reguliert; Ammonium hat, wenn überhaupt,
nur eine hemmende Wirkung, die als ein Symptom einsetzender Arnmoniumtoxi-
zität aufzufassen ist (Abb. 14). In den Kotyledonen des Senfkeimlings findet man
nur eine, die plastidische Form der GS [13]. Auch die übrigen Indizien deuten dar-
auf hin, daß der Prozeß, der vom NOi zum Glutamat führt (s. Abb. 6), in den
Senfkotyledonen ausschließlich in den Plastiden abläuft. Damit im Einklang
steht die Beobachtung, daß auch die Fd-GOGAT der Senfkotyledonen ein aus-
schließlich plastidisches Enzym ist, dessen Synthese ebenfalls durch Licht und Ni-
trat induziert und durch Ammonium gehemmt wird [14].
Die praktische Bedeutung dieser Befunde sowohl für eine umweltgerechte Dün-
gung als auch für die Einschätzung der Schadwirkung atmogener Depositionen
(NOrN, NH4-N) liegt auf der Hand. Zum Beispiel erscheint es wenig sinnvoll, die
atmogene Deposition an NOrN mit allen Mitteln zu senken ohne der atmogenen
Deposition an NH4-N die entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken.
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Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 23
SIgnal- kompetente
perzeptIon Zell-
LIchtsIgnal Slgnal- funk t IOnen, Photoantwort
--------~ /---------~ -----------,..
transdukt IOn z. B. kompetente
/
/
/ Gene
/
Pr_Pfr
Abb. 15. Eine formale Beschreibung der Wirkungsweise des pflanzlichen Sensorpigments
Phytochrom
Wir haben in unseren Studien gezeigt, daß alle Enzyme der Nitratreduktion
und Ammoniumassimilation durch Nitrat induziert werden. Die Induktion durch
Nitrat ist aber nur dann ausgeprägt, wenn genügend Licht auf die Pflanze fällt.
Dies ist teleonomisch verständlich, weil der Kanal der Nitratassimilation nur dann
aufgemacht werden darf, wenn eine entsprechende Photosynthese, die das Fd red
und die 2-0xosäuren bereitstellt, gewährleistet ist (s. Abb. 6). Neuere Messungen
[15] zeigen, daß ein erheblicher Teil (rund 25"70) des photosynthetischen Elektro-
nentransports (im Dunkeln ein entsprechender Teil der bei der Zellatmung produ-
zierten Reduktionsäquivalente) für die Nitratassimilation abgezweigt werden
muß.
Die präzise Messung des einfallenden Lichtes ist eine Voraussetzung für die
subtile Abstimmung zwischen dem Kanal der CO 2- und dem der Nitratassimila-
tion (s. Abb. 6, linke und rechte Seite). Die Lichtmessung erfolgt nicht über den
Photosyntheseapparat, der dafür ungeeignet ist, sondern über einen eigenen Pho-
tosensor, das Phytochrom. Phytochrom, ein Chromoprotein, ist das "Sehpig-
ment" der höheren Pflanzen. Ihm kommt im Leben der Pflanze eine ähnlich fun-
damentale Rolle zu wie dem Rhodopsin im Leben der Tiere und des Menschen.
Phytochrom kommt in 2 Formen vor, Pr und Pfr. Ohne Licht wird nur Pr ge-
bildet. Diese Phytochromform ist physiologisch inaktiv. Unter dem Einfluß von
Licht wandelt sich Pr in Pfr um. Dieses Pfr ist die physiologisch aktive Phyto-
chromform. Von Pfr geht die Signaltransduktion aus, die zu den für dieses Signal
kompetenten Zellfunktionen führt, zum Beispiel zu den Promotorregionen kom-
petenter Gene (Abb. 15). Die Molekularbiologie des Phytochroms und der Phy-
tochromwirkungen wurde in den letzten Jahren intensiv bearbeitet [16, 17]. In un-
serem Kontext kann darauf nur hingewiesen werden.
Das Phytochrom (Pfr) reguliert in Koaktion mit Nitrat das Ausmaß der Gen-
expression bei den Enzymen der Nitratassimilation. Als weiteres Beispiel wählen
wir die Induktion der oben erwähnten Alanin-Aminotransferase (s. Abb. 7) in den
- 313 -
24 H. Mohr
5
Alanin - Aminotransferase
(Al AT, EC 2 6 1 2)
'-FR/NO;
FR, Standard- Dunkelrot
NO~ 15mM
, 4 NH~'15mM
a
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o 1.5 2 25 3 35 4
I Zelt nach Aussaat [d 1
Aussaat
Abb. 16. Die Induktion der Alanin-Aminotransferase (5. Abb. 7) in den Kotyledonen des
Senfkeimlings durch Licht und Nitrat (15 mM). D Dunkel [18]
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Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 25
5 10
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02
- 315 -
26 H. Mohr
- 316 -
Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 27
03B ~---------------------,
0.32
026
0.20
CI
.l<
C
0.14
O.OB
0.02
Lich t beginn
Abb. 19. Die Induktion der Fd-Glutamatsynthase ( = Fd-GOGAT) (s. Abb. 6) im Kotyledo-
nenwirtel des Pinuskeimlings durch Licht und Nitrat (15 mM im Medium). Ähnlich wie bei
der Induktion der Alanin-Aminotransferase in den Kotyledonen des Senfkeimlings (s.
Abb. 15) bewirken erst Nitrat und Licht die volle Aussteuerung der Fd-GOGAT Genexpres-
sion. Nitrat ohne Licht ist praktisch wirkungslos [21]
- 317 -
28 H. Mohr
Die plastidische, Fd-abhängige NiR ist das zweite Enzym in der Sequenz der
Nitratassimilation. Es katalysiert die Umwandlung von Nitrit (NOi) in Ammo-
nium (NHt) innerhalb der Chloroplasten (s. Abb. 6). Das Enzym ist im Zellkern
kodiert, wird im Cytoplasma synthetisiert und gelangt mit Hilfe eines 3 kDa Tran-
sitpeptids [22] zielsicher in die Chloroplasten, in denen es seine katalytische Funk-
tion ausübt.
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PlastidenSignal (1)
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.:....._...... './ .......
"-2-Amlnosauren
2-0xosauren
Abb. 20. Schematische Zusammenfassung der bisher erzielten Ergebnisse zur Regulation
der Genexpression der plastidischen Nitritreduktase (NiR) in den Kotyledonen des Senf-
keimlings [22]
- 318 -
Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 29
... Dunkell-N03
100 c,. Dunkel! + N03
~
0
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Llcht/+N0 3
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o LlCht/+NO;+NF
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Vi
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c
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+-
Abb. 21. Der Pegel an translatierbarer NiR-mRNA in den Kotyledonen des Senfkeimlings
zwischen 36 und 72 h nach Aussaat. Nitrat hat keinen Effekt auf den NiR-mRNA Pegel,
obgleich es für die NiR-Synthese unbedingt gebraucht wird. 0, bei diesem Programm -
in Gegenwart von Norflurazon, NF - werden die Chloroplasten photooxidativ so stark
geschädigt, daß sie keinen Plastidenfaktor mehr abgeben. Demgemäß bleibt die NiR-
mRNA unter der Nachweisgrenze [22]
An der Regulation der Genexpression (Abb. 20) sind 3 Faktoren beteiligt, die
in einer strengen Hierarchie arbeiten: (1) Ein Plastidenfaktor, der von den intak-
ten Chloroplasten abgegeben wird und den Kerngenen signalisiert, daß die Chlo-
roplasten bereit sind, Proteine aufzunehmen. Mechanistisch ausgedrückt: Der
Plastidenfaktor macht jene Kerngene, die für Plastidenproteine kodieren - also
auch das NiR-Gen - transkriptionsbereit. Fehlt der Plastidenfaktor, etwa als Fol-
ge einer photooxidativen Schädigung der Plastiden, kann die Transkription dieser
Gene nicht induziert werden [23]. - (2) Licht, das über Phytochrom wirkt, stimu-
liert die 'franskription - gemessen als Anstieg der mRNA für NiR (Abb.21). -
(3) Nitrat ermöglicht die Translation der NiR-mRNA im Cytoplasma und damit
die Bildung des Enzymproteins (Abb. 22). Nitrat hat aber keinen Effekt auf den
Pegel der translatierbaren NiR-mRNA (s. Abb. 21).
Die Steuerung der Genexpression erscheint den Bedürfnissen der Pflanze ge-
nau zu entsprechen. Die naheliegende Erwartung, daß die Genexpression bei allen
Enzymen der nitrat-assimilierenden Sequenz (NR- - -ATs) in derselben Weise re-
guliert werde, hat sich indessen nicht bestätigt.
- 319 -
30 H. Mohr
... Dunkel/-NO]
10
l> Dunkel/+NOj
•
0
Licht I-NO"]
Licht I +NO]
08
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z
02
60 72
Zelt nach Aussaat [dl
Abb.22. Der Pegel an Nitritreduktase (NiR) in den Kotyledonen des Senfkeimlings zwi-
schen 36 und 72 h nach Aussaat. Man sieht, daß eine erhebliche Enzymsynthese nur dann
stattfindet, wenn Nitrat angeboten wird. Die volle Aussteuerung der NiR-Synthese setzt je-
doch die Koaktion von Nitrat und Licht voraus. Die NiR-Aktivität ist unter allen Umstän-
den der immunologisch bestimmten Menge an Enzymprotein proportional (22)
Die cytosolische Nitratreduktase (NR) ist das erste Enzym in der Reaktionsse-
quenz der Nitratassimilation (s. Abb. 6). Es katalysiert die Umwandlung von
NOi in NOi . Das Enzym ist im Zellkern kodiert, wird im Cytoplasma syntheti-
siert und verbleibt auch im Cytoplasma (Abb.23). Der Km-Wert (für NR aus
Senfkotyledonen) bezüglich NOi liegt relativ hoch (6 mM), was als Hinweis dar-
auf gewertet wird, daß der von der NR katalysierte Schritt (NOi - NOi) ge-
schwindigkeitsbestimmend für die Nitratreduktion ist. (Der Km-Wert der NiR aus
Senfkotyledonen bezüglich NOi liegt bei 230 J,1M).
In den Kotyledonen von Senfkeimlingen, die nicht mit nitrathaitigen Nährlö-
sungen versorgt sind, findet man nur einen sehr geringen NR-Pegel. Wenn die
Keimlinge im Licht wachsen und Nitrat angeboten wird, kommt es nach einer
,lag~Phase von 3 h zu einer drastischen Erhöhung des Enzympegels als Folge der
einsetzenden Synthese von 2 Isoformen der NR (Abb. 24). Nitrat und Licht, je-
- 320 -
Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 31
..
Nitro t als I.
Regulator der
Transkription \. . • . .
Plasmalelllßa
. .'...
\
~
..... '.'
-NR
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........
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I .
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\. ~lut~ml~ I ~lu~a~~ I
-\..--: '-.-. -:=-.~-
/ / ",,".
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'./
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"' "-
2-0xoslluren 2-Amlnoslluren
Abb. 23. Schematische Zusammenfassung der bisher erzielten Ergebnisse zur Regulation
der Genexpression der cytosolischen Nitratreduktase (NR) in den Kotyledonen des Senf-
keimlings [24]
weils allein verabreicht, stimulieren die Enzymsynthese nur wenig, während die si-
multane Applikation von Licht (über Phytochrom wirkend) und von Nitrat zu ei-
nem stark synergistischen Effekt auf die NR-Synthese führt. Werden die Chloro-
plasten photooxidativ geschädigt [im Rotlicht (R) in Gegenwart von Norflurazon
(NF), s. Abb. 25], so unterbleibt die Induktion beider NR-Isoformen. Eingehende
Studien haben ergeben, daß tatsächlich für die Genexpression der cytosolischen
NR 1 und NR2 die positive Kontrolle durch den Plastiden faktor genauso essentiell
ist wie für die plastidischen Proteine, z. B. NiR (s. Abb. 20). Bislang ist die NR das
- 321 -
32 H. Mohr
,..NR,
o 96hO-H 20
• 96 h 0- KN0 3
50 05
o 96 h FR- H20
• 96hFR-KN0 3 .,..-
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~
";"
40 6. 72 h FR- KN0 3 .,..- 04
E .,..-
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0
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...!.,.
20 ...- 02
, .,..- ...-
CI:
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.,..-
Z ./
10 01
0 0
20 25 30 35 40 45
Anzahl Fraktionen
Abb. 24. Das Elutionsprofil der NR aus Senfkotyledonen, 3 bzw. 4 Jage nach Aussaat. Die
Induktion wurde mit Nitrat (15 mM) und Licht (FR) vorgenommen. Die Trennung der bei-
den Isoformen (NR] und NR 2) erfolgte mit Anionen-Austauschchromatographie (Mono
Q, FPLC) [25]
einzige cytosolische Enzym, bei dem die Genexpression vom Plastidenfaktor ab-
hängt. Der Umstand, daß die Zelle die NR in einer Weise reguliert, als ob sie ein
plastidisches Protein wäre, ist sowohl teleonomisch (Frage nach dem Sinn!) als
auch historisch (d. h. vom Ablauf der Evolution her) verständlich: Die NR war
ursprünglich ein plastidisches Enzym!
Die in den letzten Jahren etablierten Techniken (Herstellung von Antikörpern
gegen das NR-Protein, NR-spezifische cDNA-Proben, quantitative in vitro Trans-
lation von mRNA) haben uns auf dem Weg, die Regulationsmechanismen der
NR-Genexpression im Senfkeimling aufzuklären, ein gutes Stück vorangebracht.
Zum Beispiel (Abb. 26) ließ sich aus den in vitro synthetisierten Translationspro-
dukten mit dem anti-NR-Serum eine Proteinbande von 105 kDa spezifisch ausfäl-
len. (Beide Isoformen sind Homodimere. Die Monomere haben dieselbe Teilchen-
masse von 105 kDa). Aus der Quantität dieses Polypeptids kann man auf die
Quantität an translatierbarer NR-mRNA schließen. Man sieht (Abb. 26), daß das
Polypeptid in größerer Menge nur dann auftritt, wenn die Senfkeimlinge, aus de-
ren Kotyledonen die RNA isoliert wurde, sowohl in Gegenwart von No) als auch
von Licht (Pfr) wuchsen (Abb. 25, Spur 5 und 6). Bei Dunkelkeimlingen, ob Ni-
trat-vers~tgt oder nicht (Abb. 26, Spur 1 und 2), bleibt ein potentielles Signal un-
- 322 -
Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 33
60 06
o 96 h R - HzO
.96hR-KNOl
50 .. 96 h R -NFI KNO l 05
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20 02
a:
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10 01
0 0
30
Anzahl Fraktionen
Abb. 25. Das Elutionsprofil der NR aus Senfkotyledonen, 3 bzw. 4 Thge nach Aussaat. Be-
dingungen wie in Abb. 23, aber Rotlicht (R) statt FR . .&, bei diesem Programm - in Ge-
genwart von Norflurazon, NF - werden die Chloroplasten durch das photooxidativ wirk-
same R geschädigt. Obgleich sowohl NR j als auch NR 2 cytosolische Proteine sind, werden
sie unter diesen Umständen nicht mehr gebildet [251
- 323 -
34 H. Mohr
kDa
94 -
43 -
20 -
14 -
2 3 4 5 6 7
cD cFR eR
/ \ ./1' / \
H20 N0 3 NOj H20 NOj NO -3 NF/NOj
I
NR
Abb.26. Analyse der In vitro Translationsprodukte von Gesamt-RNA aus Kotyledonen
von 60 halten Senfkeimlingen nach Immunpräzipitation mit NR-Antiserum, SDS-PAGE
und Fluorographie. Die Keimlinge wurden entweder im Dauerdunkel (Spur 1, 2), im Dau-
er-FR (Spur 3, 4, 5) oder im Dauer-R (Spur 6, 7) gehalten. Im Fall von Spur 7 wurde, zu-
sätzlich zur Nitratgabe (15 mM), eine Behandlung mit Nortlurazon (NF) durchgeführt.
Dadurch kann das Rotlicht (R) in den Chloroplasten photooxidativ wirksam werden. Im
Fall von Spur 3 wurde vor der Immunpräzipitation hoch angereicherte NR zu den Transla-
tionsprodukten gegeben. Das Antiserum erkennt jetzt vorrangig die im Überschuß vorhan-
denen unmarkierten NR-Moleküle; die radioaktive Proteinbande im Bereich von 105 kDa
verschwindet (competing out-Experiment zum Nachweis der Spezifität des Antiserums)
[24]
- 324 -
Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 35
Vom teleonomischen Standpunkt aus erscheint auch die bei der NR-Genex-
pression beobachtete Strategie plausibel: Die Synthese der NR-Isoformen wird be-
reits auf der Stufe der Transkription an die Verfügbarkeit von Nitrat und Licht
angepaßt. Dadurch wird die aufwendige Akkumulation nicht-translatierbarer
mRNA, die man im Fall der NiR in Abwesenheit von Nitrat beobachtet
(s. Abb. 21), vermieden.
Der Umstand, daß ein und dieselbe Pflanze bei der Genexpression von NiR
und NR unterschiedliche Strategien verwendet, lädt natürlich zu Spekulationen
ein. Man kann zum Beispiel teleonomisch dahin argumentieren, daß der NiR-Pe-
gel nach dem Auftreten von Nitrat rasch und vor dem NR-Pegel ansteigen muß,
weil eine Akkumulation von giftigem NOi unbedingt zu vermeiden ist. Durch
die Akkumulation von NiR-mRNA (s. Abb. 21) würde dem Rechnung getragen.
Gentechnik?
Kann man auf rasche Verbesserungen des Systems der Nitratassimilation über
gentechnische Manipulation hoffen? Unsere Erwartungen sind sehr gedämpft.
Das Hauptproblem liegt darin, wie auch bei dem Versuch einer gentechnischen
Verbesserung der Photosynthese, daß polygenische Funktionssysteme in der Regel
von Natur aus derart optimiert sind, daß jeder grobe Eingriff sich als Störung
auswirkt. Es geht ja nicht darum, einzelne defekte Gene auszutauschen oder ein-
zelne neue Gene einzuführen; das Ziel ist vielmehr, in ein bereits subtil optimier-
tes, durch viele Gene bestimmtes System verbessernd einzugreifen. Unter diesen
Umständen sind der Gentechnik - zumindest vorläufig - enge Grenzen gesetzt.
Ohne eine genaue Kenntnis der Funktionssysteme, die man optimieren möchte,
erscheint der Versuch einer gentechnischen Verbesserung aber nahezu hoffnungs-
los. Deshalb stellt die molekularphysiologische Analyse der ,Mechanismen' (im
Sinn der obigen Definition) die erste Stufe einer möglichen Gentechnik dar.
Im Hinblick auf die Entwicklung neuartiger Herbizide ergibt sich ein günsti-
geres Bild. Interessant erscheinen derzeit vor allem solche Herbizide, deren Wirk-
mechanismen auf dem Phänomen der Ammoniumtoxizität beruhen: Eine im
übrigen neutrale Substanz, die spezifisch die OS hemmt, wird dadurch, daß sie
eine Ammoniumakkumulation bewirkt, "automatisch" zum Herbizid. Anderer-
seits müßte es möglich sein, die gewünschten Kulturpflanzen genetisch so zu ver-
ändern, daß sie die GS überproduzieren und dadurch gegen das neue Herbizid re-
sistent werden.
Ein eindrucksvolles Beispiel für die Möglichkeit dieses Vorgehens sei kurz ge-
schildert: L-Phosphinothricin, ein Analogon des Glutamats, ist ein sehr wirksa-
mer Inhibitor der GS [26]. Transgene Tabakpflanzen, die ein GS-Gen von Alfalfa
überexprimieren, zeigen einen 5fachen Anstieg der spezifischen GS-Aktivität und
einen 20fachen Anstieg in der Resistenz gegenüber L-Phosphinothricin [27].
- 325 -
36 H. Mohr
TM SproßITM Wurzel
10 ,---------------------------------------------.
o
ohne K+ -Zusatz + K+ KN0 3 [15 mM]
Abb. 27. Verhältnis der Trockenmasse der Sproßorgane zur Trockenmasse des Wurzelsy-
stems bei 3 Wochen alten Kiefernkeimlingen. Die Keimlinge wurden auf Perlite, versorgt
mit den angegebenen Lösungen, angezogen. Nach 4 Tagen Ankeimen in konstantem Rot-
licht wurden sie bis zur Ernte in Weißlicht unter Langtag-Bedingungen (16/8 h, 25°120°C)
gehalten [28]. Die zu den Basislösungen zugegebenen K + -Konzentrationen entsprachen
1/10 oder 1/1 der K + -Konzentration der von Ingestad [29] beschriebenen Nährlösung für
Kiefernkeimlinge
Werden Keimpflanzen der Waldkiefer (s. Abb. 10) einseitig mit NH: ernährt,
zeigen sich nach etwa 3 Wochen an den oberirdischen Organen die ersten äußerli-
chen Schadsymptome (Nekrosen an den Keimblättern und an der Achse). Eine
entsprechende Versorgung mit Nitrat (in Form von KN0 3) hat hingegen einen
positiven Effekt auf Wachstum und Entwicklung (analog zu Abb. 11, oben).
Die detaillierte Untersuchung der pathogenen Wirkung von Ammonium auf
den Pinuskeimling führte zu allgemein bedeutsamen Ergebnissen, von denen eini-
ge kurz vorgestellt werden.
(x) Das Sproß-Wurzel-Verhältnis (gemessen als Verhältnis der Trockenmasse)
wird durch Ammonium zugunsten der Sproßachse verschoben (Abb. 27). Die
relativ schwache Entwicklung des Wurzel systems in Gegenwart von Ammo-
- 326 -
Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 37
14,--------------------------------------------,
E::ZJ BIottorgone
D9 Keimling
12 oq oquo dest.
Q)
rJ) NS (NH4)2S04 [7.5 mM)
Ul
o 10 NN NH 4NOJ [ 15 mM)
E NL Nöhrlösung noch Ingeslod
c
Q)
~ 8
U
o
L
f- 6
0'>
"""-..
~
4
0'>
E
2
o
oq NS NN oq NS NN oq NS NN
ohne Zusatz + 1/ 10 NL + NL
nium hat zur Folge, daß sich die Aufnahme der übrigen Nährelemente und
von Wasser mit der Zeit immer ungünstiger gestaltet.
In Gegenwart von Kalium - nach unseren Erfahrungen das bei weitem
wichtigste Kation bei Keimpflanzen - ist der Effekt von Ammonium zwar
weniger ausgeprägt, aber immer noch gravierend. Im Gegensatz zu den Er-
fahrungen mit dem Senfkeimling (s. Abb. 13), kann simultan verabreichtes
Nitrat den Ammoniumeffekt nicht aufheben. Damit in Übereinstimmung
wurde von uns gefunden, daß beim Pinuskeimling die Ammoniumakkumu-
lation durch Nitrat nicht verhindert werden kann. Auch die derzeit auf der
Enzymebene verfügbaren Indizien (z. B. Abb. 18) deuten darauf hin, daß die
Stimulierung der Ammoniumassimilation durch Nitrat beim Pinuskeimling
weniger ausgeprägt ist als beim Senf.
(xx) Überraschend (und erhellend) war der Befund, daß die Pinuskeimlinge, die
auf Perlite als Bodensubstitut wachsen, in Gegenwart von Ammonium im
Medium erhebliche Mengen an Kalium verlieren. Der Kaliumgehalt im Keim-
ling sinkt ab, sowohl beim Bezug auf die Trockenmassen (Abb. 28) als auch
beim Bezug auf die biologische Einheit (Blattorgane, Keimlinge) (Abb. 29).
Die Daten, die mit Keimpflanzen ohne zusätzliche Nährlösung ("ohne Zu-
satz") gewonnen wurden, belegen, daß es in Gegenwart von Ammonium tat-
sächlich zu einem Nettoefflux von Kalium aus den Keimpflanzen kommt.
- 327 -
38 H. Mohr
100
~ Blattorgane
~ Ke im ling
...- oq oquo des\.
(]) 80
.c NS (NH4)2S04 [7 .5 mM]
r: NN NH4N03 [15 mM]
W NL Nöhrlö sung noch Ingeslod
(])
.c 60
(J
(/)
(J'\
0
0 40
.D
'-....
~
(J'\ 20
::t
0
oq NS N N oq NS NN oq NS NN
ohne Zusatz + 1/ 10 NL + NL
Abb. 29. Kaliumgehalte 3 Wochen alter Kiefernkeimlinge bezogen auf die biologische Ein-
heit "Blattorgane" (Kotyledonen und Ansätze der Folgenadeln) oder "Keimling". (Anzucht
wie Abb. 27). Die zu den Basislösungen zugegebene Ingestadsche Nährlösung [29] enthielt
keinen Stickstoff. Die Messung erfolgte mittels Atomabsorptions-Spektrometrie. Der Kali-
um-Gehalt im Samen (Embryo plus Endosperm) als Bezugswert beträgt 50±O,7 I1g K / Sa-
men [28]
- 328 -
Der Stickstoff - ein kritisches Element der Biosphäre 39
Literatur
- 329 -
40 H. Mohr
15. BWOM AJ, CALDWELL RM, FINAZZO J, WARNER RL, WEISSBAKf J (1989) Oxygen
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21. Diese bislang unpublizierten Daten wurden freundlicherweise von M. Elmlinger zur
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glutamine synthetase in transgenic tobacco plants. Mol Gen Genet 217:263
28. Diese bislang unpublizierten Daten wurden freundlicherweise von H. Flaig zur Verfü-
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seedlings. Physiol Plant 45:373
- 330 -
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
Mathematisch-natu rwissenschaftl iche Klasse
Die Jahrgänge bis 1921 einschließlich erschienen im Verlag von Carl Winter, Universitätsbuchhand-
lung in Heidelberg, die Jahrgänge 1922-1933 im Verlag Walter de Gruyter & Co. in Berlin, die
Jahrgänge 1934-1944 bei der Weißschen Universitätsbuchhandlung in Heidelberg. 1945, 1946 und
1947 sind keine Sitzungsberichte erschienen.
Ab Jahrgang 1948 erscheinen die "Sitzungsberichte" im Springer-Verlag.