Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.
de
Kultur
3-D-Animation trifft traditionelle chinesische Xieyi-Tuschmalerei.
All-inclusive im Ozean
Wenn der Farbrausch
süchtig macht
Von Claudia Reinhard
D
ie Grenze zwischen
Realität und Fantasie
einzureißen, ist für
Kinder Alltagsge-
schäft. Fröhlich hüp-
fen sie hin und her, nehmen mit,
was sie reizt und lassen zurück,
was sie nicht mehr gebrauchen
© Leonine; IMAGO/TT/IMAGO/Henrik Montgomery / TT
können. Die kleine Shenxiu aller-
dings hüpft nicht – sie fällt. Über
die Reling eines Kreuzfahrtschif-
fes, auf das gerade ein Tornado zu-
rast, der das Mädchen an sich rei-
ßen will. Shenxiu wehrt sich nicht,
im Gegenteil. Ihr Anker in der Rea-
lität ist längst auf Erbsengröße
eingeschrumpft.
In der Familie, bestehend aus
Vater, neuer Frau und Halbbruder,
steht sie auf verlorenem Posten,
23
ihre leibliche Mutter hat den Kon-
Zum Film takt abgebrochen. Überzeugt, dass
es dafür einen geheimen Grund ge-
Deep Sea, China ben muss, erinnert sich das Mäd-
2023, Regie: Tian chen an seinem Geburtstag (den
Xiaopeng. Mit den der Vater vergessen hat und statt-
Stimmen von: Wang dessen den ersten Kindergarten-
Tingwen, Su Xin, Teng tag seines Sohnes feiert) an eine
Kuixing, Yang Ting, Ji Geschichte aus glücklicheren Ta-
Jing, Fang Taochen. gen. Eine Kreatur namens Hyjinx
112 Minuten. Ab jetzt empfängt darin ein Kind im Meer
im Kino. und begleitet es zu einer Insel, wo
schon die Mutter wartet.
Meerestiere auf Kreuzfahrt
Als das Wesen aus wabernden
Haaren und Augen nach dem Sturz
in die Fluten tatsächlich vor ihr
aufblubbert, ist der Auftrag klar.
Ab zu Mama! Doch erstmal ver-
schlägt es die beiden an Bord eines
U-Boots, dem fantastischen, von
Fischwesen, Walrössern und Ot-
tern bevölkerten Untersee-Pen-
dant zur Kreuzfahrt an der Ober-
fläche mit ihren unersättlichen
Buffetgängern, deren Ansprüche
nicht zu ihrem Geldbeutel passen.
Zufriedenstellen soll die All-In-
clusive-Meereskunden ein
Mensch namens Nanhe, dessen Ei-
fer so groß ist wie sein Schulden-
berg. Als selbsternannter Starkoch
will er aus dem Hyjinx eine Nudel-
suppe zubereiten, die ihn über die
Grenzen der Weltmeere berühmt
machen soll. Nanhe ist cool und
furchterregend zugleich: Er kann
seine Zigarette am brennenden
Finger entzünden, aber auch zum
Choleriker in Killerclown-Optik
mutieren, wenn die Dinge nicht
nach Plan laufen.
Durch verzweigte Interessen
aneinander gebunden, begeben
sich Shenxiu und Nanhe auf eine
Odyssee, die visuell dermaßen
überwältigt, dass man meint, nach
der Vorführung müsste einem die
Farbe aus den Ohren herauslaufen.
Für ihre Unterwasserwelt haben
Regisseur Tian Xiaopeng und sein
über tausendköpfiges Team 3-D-
Animation mit traditioneller chi-
nesischer Xieyi-Tuschmalerei ver-
knüpft, bei der mit schneller Pin-
selführung, das Wesen eines Ge-
genstands abgebildet werden soll.
Das Ergebnis ist eine Welt, in der
sich Formen und Farben in einem
ebenso ständigen Strom bewegen
wie die Emotionen der Helden, die
sie durchschreiten.
In Deutschland kommt
der Film nur in 2-D ins Kino
In weiten Teilen präsentiert sich
„Deep Sea“, der in China zu den er-
folgreichen Filmen des Jahres ge-
hört und in Deutschland bei der
Berlinale Premiere hatte, als „Ali-
ce im Wunderland“ oder Hayao
Miyazakis „Chihiros Reise ins
Zauberland“ auf LSD. Inwiefern
die dritte Dimension diesen Ein-
druck noch verstärkt, darüber
kann das deutsche Publikum lei-
der erst einmal nur mutmaßen,
denn der Film kommt hier nur in
2-D auf die Leinwände.
Es geht in „Deep Sea“ um Ver-
lust, Verantwortung und Schuld;
unterdrückte Wut mutiert regel-
mäßig zu einem alles verschlin-
genden Monster. Durch den – auch
erzählerischen – Dauerbombast
treten im Mittelteil Erschöpfungs-
erscheinungen auf, doch als es
schließlich an der Zeit ist, das Cha-
os mit all seiner Pracht wie auch
der darunter immer brodelnden
Gefahr zurückzulassen, trifft die
Nüchternheit mit solch großer
Wucht ins Mark, dass man sich so-
gleich zurück in die unheimlich
schöne Tiefsee wünscht.
Für Shenxiu wird die Grenz-
überschreitung schließlich zu ei-
nem existenziellen Kampf – die
Heldin und wohl auch so mancher
Zuschauer müssen mehr Ballast
mitschleppen, als sie sich auszu-
halten bereit fühlen. Weltenwan-
deln will trainiert sein. Aber dafür
geht man ja ins Kino.
Wiederentdeckt
als „Sugar Man“
Nachruf auf Sänger
Sixto Rodriguez
Sein größter Hit beginnt mit dem
schleppenden Rhythmus einer
Akustikgitarre und einer heiseren
Stimme, die von silbernen Zauber-
schiffen, falschen Freunden und
einer staubigen Straße singt. „Su-
gar Man“ ist eine Ballade, die un-
verkennbar von Drogenerfahrun-
gen handelt, insbesondere mit
„sweet Mary Jane“, Marihuana.
Als Sixto Rodriguez den Song
1970 veröffentlichte, floppte er.
Die Karriere des Musikers aus De-
troit, den seine Plattenfirma als
„mexikanischen Bob Dylan“ auf-
zubauen versuchte, schien been-
det zu sein, bevor sie überhaupt
begonnen hatte. Zwei Alben
brachte Rodriguez beim kleinen
Label Sussex Records heraus,
„Cold Fact“ (1970) und „Coming
from Reality“ (1971), die Soul, Folk
und Rock mit beißender Kritik an
den Verhältnissen in den verarm-
ten amerikanischen Innenstädten
verbanden. Weil beide Alben sich
nur mäßig verkauften, verlor er
seinen Plattenvertrag.
Der Sänger, der 1942 als Sohn
mexikanischer Einwanderer zur
Welt gekommen war, studierte
Philosophie, verdiente seinen Le-
bensunterhalt als Bauarbeiter und
bewarb sich erfolglos für einen
Sitz im Stadtrat. Doch seine in den
USA verschmähten Lieder fanden
auf märchenhafte Weise den Weg
nach Südafrika. Dort soll Rodri-
guez mehr Platten verkauft haben
als Elvis Presley, aber weil es sich
um Bootlegs handelte, erfuhr er
nichts davon.
Der Musiker wurde zum Mythos
und Phantom, man hielt ihn für tot.
In den USA vergessen, in Südafrika
gefeiert: Sixto Rodriguez.
Bis sich zwei südafrikanische Fans
auf Spurensuche begaben und ihr
Idol in Detroit aufspürten. Der Do-
kumentarfilm „Searching for Su-
gar Man“, der von ihrer Suche er-
zählt, wurde 2013 mit einem Oscar
ausgezeichnet. Und wie es sich für
ein Märchen gehört, fand Rodri-
guez’ Karriere doch noch ein spä-
tes Happyend.
Er gab ausverkaufte Konzerte in
Südafrika, trat mit Prince auf und
saß in der Letterman-Show. „Ich
bin aus der Musikszene ausgestie-
gen – nicht aus der Musik, das ist
nichts, was man verlässt“, hat er
gesagt. Am Dienstag ist Rodriguez
in Detroit gestorben. Er wurde 81
Jahre alt. Christian Schröder
24 Kultur
UKRAINISCHES
KRIEGSTAGEBUCH
FOLGE 159
Yuriy Gurzhy ist Autor, DJ und
Musiker. Er lebt in Berlin.
Gazpacho mit
Yurek in Charkiw
3.8.2023
6:14 Uhr, der Zug aus Kiew kommt
pünktlich in Charkiw an. Draußen
wartet ein Taxi auf mich, während
ich mit meinem riesigen Reisekof-
fer neben Hunderten anderen gera-
de ankommenden Passagieren zum
Ausgang bewege. Ich kann mich gut
an den Morgen im Dezember 2022
erinnern, als ich das letzte Mal hier
war – damals waren nicht mehr als
40 Menschen am Bahnhof.
Der Taxifahrer meint, ich sollte
mir unbedingt das Blumenbeet an-
sehen. Während wir die Wissen-
schaftsallee entlang fahren, entde-
cke ich tatsächlich ein schmales
buntes Blumenbeet in ihrer Mitte.
Nicht übel! In fünf Minuten sind wir
am Schriftstellerhaus Slovo, wo
sich die Künstlerresidenz des Lite-
raturmuseums befindet. Um rein-
zukommen, muss ich Irena Karpa
anrufen. Für die kommende Woche
ist sie meine Mitbewohnerin. Sie ist
bereits gestern aus Paris angereist,
um hier an ihrem neuen Roman zu
arbeiten. Mein Anruf weckt sie. Ur-
sprünglich wollte ich mich nach
den zwei Nächten im Zug kurz hin-
legen. Doch die Aufregung ist zu
groß, ich weiß, dass es mit dem Ein-
schlafen nichts wird.
Irena und ich gehen spazieren,
ich zeige ihr das Blumenbeet und
die albernen Skulpturen vor der
Medizinischen Universität, die aus-
ländische Student*innen darstel-
len. Wir genießen kalten Kaffee im
Pakufuda, dem Treffpunkt der krea-
tiven Szene Charkiws. Es ist schön,
hier bekannte Gesichter zu sehen.
Ich stelle Irena meinen alten
Freund und Musikerkollegen Yurek
Yakubov vor. Wie einige andere Ka-
meraden von mir, ist er im Frühling
nach Charkiw zurückgekehrt. Mit
seiner chaotisch-charmanten Band
Alcohol Ukulele, die seit Beginn
des Großen Krieges schon zwei
Bandmitglieder verloren hat,
scheint er immer häufiger aufzutre-
ten. Yurek hat ein Auto, wir fahren
ins Literaturmuseum und dann in
ein neues Restaurant mit innovati-
ver ukrainischer Küche, wo man
Rote-Bete-Gazpacho bekommt. In
Charkiw tobt das Leben!
Als die Sonne untergeht, fällt
mir auf, dass alle hier sich einen
ruhigen Abend wünschen. Bald
bekomme ich zu spüren, warum.
Ab 21 Uhr heulen regelmäßig Sire-
nen, man sollte sofort in einen
Schutzbunker gehen. Allerdings
ist die Wahrscheinlichkeit, dass
die Stadt bombardiert wird, gera-
de relativ gering, daher wird der
Alarm oft einfach ignoriert. Gute
Nacht, Charkiw! Morgen sehen
wir uns wieder. Ich hoffe es sehr.
Anfang der 1980er Jahre ging die neue Hip-Hop-Kultur um die Welt. Hier eine Gruppe von Breakdancern in London.
50 Jahre Hip-Hop Die zweite
Erfindung der Jugendkultur
Von Andreas Busche
Z
wei Plattenspieler und
ein Mikrofon. Die Ein-
fachheit dieses Auf-
baus macht schon ei-
nen Teil der Poetik des
Hip-Hop aus. „Weil der DJ über
zwei Turntables verfügt, lebt er in
zwei Zeitzonen“, erzählt der von
Mamoudou Athie gespielte
Grandmaster Flash in der Netflix-
Serie „The Get Down“ (2016), die
die origin story der einflussreichs-
ten Jugendkultur der vergange-
nen fünfzig Jahre mit viel Zeitko-
lorit und Liebe zum Detail rekon-
struiert. Die Zukunft, das ist der
„Get Down“: der Beat, auf den die
Party zusteuert und der die Leute
auf der Tanzfläche in Ekstase ver-
setzt.
Dieser Beat ist aber auch eine
Zeitkapsel aus der Vergangenheit:
dem reichen Vermächtnis des US-
amerikanischen Funk und Soul,
die auf den Blockpartys in den
1970er Jahren aufgelegt wurden.
Der berühmteste „Get Down“ der
Hip-Hop-Geschichte stammt von
James Browns Schlagzeuger Clyde
Stubblefield, dessen „Funky
Drummer“-Break unter anderem
von Public Enemy, Dr. Dre und LL
Cool J gesampelt wurde: eine der
musikalischen Grundlagen des
Hip-Hop. Stubblefield sah nie ei-
nen Cent für seinen Beitrag.
Bronx, Keimzelle des Hip-Hop
„The Get Down“ spielt im Jahr
1977 in der Bronx und markiert den
Punkt, an dem aus einem Freizeit-
Phänomen ein eigenständiges Mu-
sikgenre wurde. Die Keimzelle des
Hip-Hop liegt noch ein paar Jahre
weiter zurück, und auch wenn in
der Historisierung von Popkultur
tagesspiegel.de
”
Fakt und Mythos oft miteinander
einhergehen, ist das Datum der
ersten Blockparty doch einiger-
Rap ist das CNN maßen verbürgt.
Am 11. August 1973, vor genau
des schwarzen fünfzig Jahren, veranstaltete Cin-
Amerikas. dy Campbell im Gemeindezen-
trum 1520 Sedgwick Avenue in der
Chuck D, New Yorker Bronx eine Schulpar-
Sänger von ty, die Flyer waren handgeschrie-
Public Enemy bene Karteikarten. (Party-Flyer
von 1974 kamen im vergangenen
August bei Christie’s unter den
Hammer, so viel zur Kommerziali-
sierung des Hip-Hop.) Star des
Abends war Campbells älterer
Bruder Clive, DJ Kool Herc, da-
mals 18 Jahre und schon ein Pio-
nier an den Plattenspielern.
Ein paar Milliarden Dollar Um-
satz (und ein paar Sneaker- und
Streetwear-Kollektionen) später
ist Hip-Hop aber weit mehr als nur
der profitabelste Absatzmarkt der
Musikindustrie; Stars wie Bey-
oncé, Jay-Z oder Dr. Dre gehören
heute zu den einträglichsten Un-
ternehmern in der US-Unterhal-
tungsbranche.
Hip-Hop als Oral History
Hip-Hop war und ist vor allem das
14
vielleicht einflussreichste Oral-
History-Projekt, seit der Musik-
forscher Alan Lomax ab den
1930er Jahren den amerikanischen
Süden bereiste und auf seinem
Minuten Vier-Spur-Rekorder die Ge-
dauerte im Jahr 1979 schichten und Songs von Feldar-
„Rapper’s Delight“ von beitern, Predigern und den einfa-
der Sugar Hill Gang, chen Leuten dokumentierte. Kein
ein schwindelerregen- Wunder, dass Hip-Hop in der Ban-
des, fast dadaistisches lieue Frankreichs, in britischen
Epos („...a hip hop the housing projects, den Plattenbau-
hippie the hippie to the ten Berlins, in Dakar und den Fave-
hip hip hop...“). las von São Paulo Nachahmer fand
Freitag, 11. August 2023
– überall dort, wo die Stimmen von
jungen Menschen marginalisiert
waren. Wiederaneignung durch
Sprache und Sound.
Nicht zufällig entstand diese
Musik in der Bronx. In den Nach-
kriegsjahren war der einzige New
Yorker Bezirk, der mit dem ameri-
kanischen Festland verbunden ist,
ein lebendiger Ort, hier lebte eine
kulturell vielfältige Mischung aus
irischen und jüdischen Familien
der unteren Mittelklasse sowie
starken afroamerikanischen und
puertoricanischen Communitys.
Als 1963 der Bau des sechsspuri-
gen Cross-Bronx-Expressway ab-
geschlossen wurde, verwandelte
das neue Wahrzeichen die Wohn-
gebiete in ein soziales Minenfeld.
Für die Fertigstellung der Schnell-
straße mussten 60.000 Bewohner
umgesiedelt werden, Mitte der
1970er Jahre war die Hälfte der
weißen Bevölkerung in die Vor-
städte gezogen. Sie ließen die
Ärmsten der Armen in einer sich
© pa/dpa/Clare Muller; imago images/Ronald Grant; imago images/Everett Collection
rapide verschlechternden städti-
schen Infrastruktur zurück.
New Yorker Stromkrise 1977
Nach dem finanziellen Zusammen-
bruch New Yorks, der im stadtwei-
ten Stromausfall von 1977 gipfelte,
füllten Gangs das sich ausbreitende
Vakuum, Drogen überschwemm-
ten die Straßen, und skrupellose
Hausbesitzer steckten ganze
Wohnblocks in Brand, um an die
Versicherungsgelder zu kom-
men. Wie eine sich selbst erfüllen-
de Prophezeiung wurden die Träu-
me zweier Generationen von Ein-
wanderern und ethnischen Min-
derheiten durch pure Gier und eine
katastrophale Stadtentwicklung
Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de Kultur 25

Run DMC wurden als erste Hip-Hop-Band auf MTV gespielt. Szene aus dem Film „Beat Street“ (1984), produziert von Harry Belafonte.

dem Erdboden gleichgemacht. In
den 1960er Jahren hatte der legen-
däre New Yorker Stadtplaner Ro-
bert Moses, Vordenker des Cross-
Bronx-Expressway, vorausgesagt,
dass aus der Bronx niemals etwas
Gutes entstehen würde. Er sollte
sich irren.
Das alles hat unmittelbar mit der
Entwicklung von Hip-Hop zu tun.
Musik bot einen Anflug von Hoff-
nung und Optimismus in einer
nicht nur für Jugendliche feindse-
ligen Umgebung. Eine wunderba-
re Waffe des poetischen Terroris-
mus, die die „Necropolis“ – wie
der Musikjournalist Jeff Chang die
Bronx der 1970er Jahre nannte –
wieder mit Leben füllte. Gestärkt
durch ein tiefes Gefühl der Verlas-
senheit und Ausgrenzung began-
nen die schwarzen und Latino-
Kids, die Straßen zurückzuer-
obern und sie mit etwas Eigenem
zu füllen.
Es war nicht nur ein Abenteuer-
spielplatz, sondern Ausdruck des-
sen, was ihnen wichtig war – und
was ihnen niemand außer ihnen
selbst bieten konnte: Musik, Farbe,
Bewegung, Sinn, Stil, Solidarität,
Spaß. Block für Block eroberte das
warme Wummern der Bässe, die
aus massiven, selbstgebauten
Lautsprechern strömten (der Ur-
Sound des Hip-Hop), in den 1970er
Jahren die Bronx. U-Bahnwagen
mit expressiven Graffiti-Schrift-
zügen, die vor Farben und Formen
förmlich explodierten, verbreite-
ten die Botschaft über die Stadt:
ballistische, gepanzerte Buchsta-
ben, die durch den New Yorker
Untergrund rasten und den Auf-
stieg einer neuen Generation an-
kündigten.
Hoffnung aus Ruinen
Damals lag die Jugendarbeitslo-
sigkeit in der Bronx zwischen nie-
derschmetternden 60 und 80 Pro-
zent. Als die ersten Graffiti-Künst-
ler in den frühen 1970er Jahren die
Züge eroberten, versammelten
sich Kids in den U-Bahnhöfen und
studierten die vorbeiziehenden
Kunstwerke, die sie inspirieren
sollten. Es war ihre Schule.
Rückblickend erscheint es fast
Fun Facts aus dem unvorstellbar, dass ein Gebiet von
Hip-Hop nur wenigen Quadratkilometern
ein Massenphänomen in Gang
• Am 11. August 1973 setzte, das Jugendliche unter-
veranstaltete Cindy schiedlicher Hautfarbe und kultu-
Campbell in einem reller Hintergründe auf der gan-
Gemeindezentrum zen Welt vereinen sollte. Mitte des
in der New Yorker Jahrzehnts hatten die DJs und ihre
Bronx eine Schul- Anhänger die Bronx unter sich
party. Ihr älterer aufgeteilt. Der in Jamaika gebore-
Bruder Clive stand ne Kool Herc mit seinem Reggae-
an den Platten- beeinflussten, basslastigen Sound-
spielern. DJ Kool system herrschte über die West Si-
Herc gilt heute als de, Grandmaster Flash über die
Erfinder des Hip- South Bronx. Africa Bambaataa re-
Hop gierte den Südosten, DJ Breakout
mit seinen Funky 4 den Norden. Je-
• 2010 lag der Anteil der von ihnen zog Hunderte zu
von Hip-Hop am seinen Partys, oft am selben Wo-
Gesamtumsatz der chenende.
deutschen Musik- Der Wettbewerbsgeist unter den
industrie bei 1,8 Crews – ein Überbleibsel der kur-
Prozent. Im ver- zen und gewalttätigen Phase zwi-
gangenen Jahr schen 1968 und 1973, als die Gang-
waren es 19,3 Pro- kultur die Straßen der Bronx be-
zent (Rockmusik: herrschte – hatte einen neuen Aus-
18,6) druck von Kreativität und
Sportlichkeit hervorgebracht. Die
• 2018 erhielt Ken- kulturellen Auswirkungen auf den
drick Lamar als Alltag der afroamerikanischen Be-
erster Hip-Hop- völkerung waren am ehesten mit
Künstler den Pulit- der Harlem Renaissance der 1920er
zer-Preis für sein Jahre vergleichbar: Eine große, aber
Album „Damn“ periphere Gruppe der amerikani-
schen Gesellschaft hatte ihre Stim-
me erhoben, um die eigenen Ge-
schichten zu erzählen. Jede Revolu-
tion erwächst aus einem funda-
mentalen Mangel. „Wo Ruinen
sind, gibt es Hoffnung“, heißt die
erste Folge von „The Get Down“.
Kommerzialisierung des Hip-Hop
Wenn Popkulturpessimisten heute
die Kommerzialisierung des Hip-
Hop und seiner Werte beklagen, ist
das natürlich kein neues Phäno-
men. Sylvia Robinson, die Gründe-
rin von Sugarhill Records, erkannte
als erste, dass man das Hip-Hop-Er-
lebnis auch als handliche Platte aus
glänzendem schwarzem Vinyl,
zwölf Zoll im Durchmesser, ins Re-
gal stellen oder von Radio-DJs ab-
spielen lassen könnte. 1979 hatte
das neue Genre mit „Rapper’s De-
light“ von der Sugar Hill Gang sei-
nen ersten Hit: ein schwindelerre-
gendes, fast dadaistisches 14-Minu-
ten-Epos („...a hip hop the hippie
the hippie to the hip hip hop...“), das
mit seinem nahtlosen Flow das alte
Blockparty-Flair beschrieb – er-
zählt von einem Haufen Empor-
kömmlinge, die eine Blockparty
kaum je aus der Ferne gesehen hat-
ten.
Vier Jahre später katapultierten
Run DMC mit „It’s Like That“ die
erste Phase des Hip-Hop in die
Stratosphäre. „Def Jam“-Label-
boss Russell Simmons hatte das
kommerzielle Potenzial erkannt
und mit Run DMC, LL Cool J, Pu-
blic Enemy und den Beastie Boys
eine neue Art von Hip Hop-Künst-
lern erfunden: streetsmart, selbst-
bewusst – und mit wiedererkenn-
barem Image. LL Cool J war der
selbstironische Womanizer mit ei-
nem Herz aus Gold, die weißen
Partykids aus Brooklyn, Public
Enemys Frontmann Chuck D, der
Rapmusik das „schwarze CNN“
nannte, während Run DMC ihre
Turnschuhe besangen. Innerhalb
einer knappen Dekade war Hip-
Hop zu einem globalen Pop-Phä-
nomen geworden und lief in heavy
rotation auf MTV.
Schwarze Informationspolitik
Heute ist Hip-Hop das (auch kom-
merziell) einflussreichste Genre
in der Popmusik. Darum lohnt es
sich, noch einmal daran zu erin-
nern, in welchem Verhältnis die
ästhetische Form in den Anfängen
zu den sozialen Umständen stand,
aus denen die Szene hervorging.
So wie in der frenetischen Ekstase
der Gospelmusik und der Spiritu-
als in den amerikanischen Süd-
staaten noch die klagenden Seelen
der Millionen afrikanischer Skla-
ven zu hören waren, und in den of-
fenen Strukturen des Jazz die
Sehnsüchte der entrechteten
schwarzen Bevölkerung wider-
hallten, ist es wichtig zu verste-
hen, dass Hip-Hop – bevor er zu ei-
ner guten Party (und dann zu ei-
nem noch besseren Geschäft)
wurde – ein Mittel der Selbster-
mächtigung war.
Die schwarze Militanz von Pu-
blic Enemy, die Sozialpädagogik
des „Lehrers“ KRS-One und seiner
Band Boogie Down Productions
und das politische Bewusstsein
der „Native Tongue“-Bewegung
um die Jungle Brothers, Queen La-
tifah, A Tribe Called Quest und De
La Soul standen von Mitte der
1980er bis Mitte der 1990er Jahre
für das „Golden Age of Hip-Hop“.
Sie definierten die Informations-
politik des schwarzen Amerika.
Ein diskursives Feld, das nicht un-
mittelbar für ein weißes Publikum
beackert war, aber durch seine
popkulturellen Codes von Cool-
ness und Urbanität zielgruppen-
übergreifend Fans erreichte.
Nicht ohne Grund gelten einige
der besten Rapper auch als ein-
flussreiche Geschichtenerzähler
ihrer Generation: Die New Yorker
Nas, Notorious B.I.G und Tupac
Shakur mit ihrer harten Straßenly-
rik zwischen Überlebenskampf
und Alltagsbeobachtungen, der un-
versöhnliche Chuck D, Eminems
einzigartige Mischung aus virtuo-
ser Rap-Technik und cartoonhaften
Persönlichkeitsspaltungen. Und
natürlich die wandelnde Enzyklo-
pädie afroamerikanischen Be-
wusstseins, der 2018 mit dem Pulit-
zer-Preis ausgezeichnete Kendrick
Lamar. Der Titel des 1993er-Debüt-
albums „Inner City Griots“ vom
„Native Tongue“-Kollektiv Free-
style Fellowship trifft den Kern des
Hip-Hop gut. Griots heißen in west-
afrikanischen Kulturen die Erzäh-
ler, die Traditionen mündlich über-
liefern.
Natürlich ist nicht alles, was heut-
zutage aus Rappers Mund kommt,
Gold. Der Gangsta-Rap der frühen
1990er Jahren hat das Image der
Musik nachhaltig lädiert; Sexismus,
Homofeindlichkeit, Gewaltfant-
asien und ein spätkapitalistischer
Statusfetisch sind schon lange fes-
ter Bestandteil der Kultur, daran än-
dert auch ein Lil Nas X wenig. Sei-
nen Nimbus als Genre der Ausge-
grenzten hat der Hip-Hop im fünf-
zigsten Jahr verloren. Heute steht
er, im Guten wie im Schlechten, in
der Mitte der Gesellschaft.
26 Kultur tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023

Der Band-Leader Wald entstanden die „Basement

Tapes“, das amerikanische Song-
book der Outlaws, Tagelöhner und

Zum Tod der

Alltagsphilosophen. 1968 erschien
das Debütalbum der Band, „Music
from Big Pink“. Damals war fast je-

Rocklegende
der Song, den Robertson mit der
Band schuf, sehr schnell ein Klas-
siker: „The Night They Drove Old
Dixie Down“ hat der Kanadier mit

Robbie Robertson dem Südstaatenherz geschrieben,

ebenso wie „The Weight“, das mit
dem „Easy Rider“-Film berühmt
wurde. Peter Fonda und Dennis
Hopper auf ihren Bikes in der
Von Rüdiger Schaper Wüste: Sie folgen dem Verspre-
chen grenzenloser Freiheit, wäh-

D
rend der Songtext bereits Dunkles,
as Line-up ließ selbst das Gefährliches anschlägt.
Woodstock-Festival ver- Robbie Robertson ließ die Sai-

blassen. Joni Mitchell,
Neil Young, Eric Clap-
ton, Muddy Waters, Van Morrison,
Neil Diamond, Dr. John, Ringo
Starr, Ron Wood und Bob Dylan
natürlich standen 1976 beim Ab-
schiedskonzert von The Band in
San Francisco auf der Bühne. „The
Last Waltz“: Martin Scorseses
Film über dieses heute noch un-
glaublich stilvolle und angenehm
chaotische Farewell gilt als der
beste seiner Art. Unter den glor-
reichen Fünf war Robbie Robert-
son so etwas wie der Band-Leader.
Nordamerikanische Saga
Seine Biografie gleicht einer nord-
amerikanischen Saga. Geboren
wurde er 1943 in Toronto. Sein Va-
ter war jüdischer Abstammung,
seine Mutter eine Mohawk. Mit
sechzehn, minderjährig, machte
16
Jahre
jung war Robbie, als er
sich von Kanada auf
den Weg in die Süd-
staaten machte und
Musiker wurde Robbie Robertson in „The Last Waltz“.
sich Robbie allein auf den Weg in
die US-Südstaaten. Er bekam ein
Engagement bei Ronnie Hawkins
and the Hawks, einer Rockabilly-
Truppe. Daraus sollte The Band
erwachsen: Robbie Robertson, Le-
von Helm, Rick Danco, Richard
Manuel und Garth Hudson.
Mit ihnen wurde Bob Dylan laut
und elektrisch. 1965 und 1966 gin-
gen sie auf Tour. Sie schufen in le-
gendären, oft ausgebuhten Live-
Auftritten vor allem in England ei-
nen Sound, der scharfkantiger war
als später Heavy Metal und surrea-
ler als viele bekiffte Songs der
Sechziger.
Dylan und die Band zogen in die
alte Künstlerkolonie nach Wood-
stock, New York. In einem Haus im
ten seiner Gitarre schwingen wie
eine sanfte Peitsche. Er schöpfte
aus dem Blues, dem Folk, der
Rockmusik, aber da ist oft etwas
eigenwillig Schräges, Umgeboge-
nes in seinen Kompositionen, ver-
stärkt durch die Orgeln und Bläser
und Fiedeln der Band, die einem
großen Orchester glich.
Erfolgreich auch als Solist
Sie alle machten solo weiter. Aber
nur Robertson hatte seine Karrie-
re fest in der Hand. Er veröffent-
lichte Alben und schrieb Musik für
seinen Freund Martin Scorsese,
für Filme wie „Casino“, „Shutter
Island“, „The Irishman“ und zu-
letzt „Killers of the Flower Moon“.
The very last waltz. Am Mittwoch
ist Robbie Robertson mit 80 Jahren
im Kreis seiner Familie in Los An-
geles gestorben.

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mittel schwer schwer

5 8 7 6 1 2 9 3 4
1 4 1 5 4 9 3 8 7 5 2 1 6
6 2 1 4 9 3 7 5 8
2 8 2 3 9 4 5 1 3 6 8 2 7
7 3 8 9 2 4 5 6 1
5 7 1 5 1
2
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7
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5

1 5 4 9 7 6 9 3
8
1
5
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2
5
6
9
1
6
4
8
7
2
3

6 8 9 7 mittel

6 4 8 7 5 9 3 2 1
8 7 9 3 5 6 1 2 8 1
7
3
5
2
9
6
3
4
2
8
1
7
8
5
6
9
4

5 3 6 4 2
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 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de Kultur 27

„Schreiben sollte Eine Blutspur zieht sich durch die

Geschichte der Türkei …
Das Land ist in eine Art Hölle ver-

gefährlich sein“
wandelt worden, in einen durch
und durch verfluchten Ort. Seit
hundert Jahren gibt es Gewalt mit

Der kurdische
unglaublich vielen Toten und
schrecklichem Leid. Doch mit je-
der Runde wird wie beim Pokern

Autor Yavuz Ekinci

der Einsatz weiter erhöht.

In einem inneren Monolog erfährt

der Leser vom Schicksal der Groß-

im Gespräch mutter. Sie ist eine Überlebende

Von Stefan Berkholz
Herr Ekinci, hatten Sie vor den
türkischen Wahlen die Hoffnung,
Präsident Erdogan könne abgelöst
werden?
Ja, ich habe geglaubt, dass Kemal
Kilicdaroglu gewinnen würde.
Aber ich habe mich mal wieder
geirrt. Ich irre mich leider oft.
Werden die nächsten Jahre unter
Erdogan noch bedrückender?
Die meisten Menschen erwarten
das. Aber wir wissen auch, dass Er-
dogan unerwartet den Kurs wech-
selt.Er schafft es immer wieder,
seiner Basis zu vermitteln, warum
gerade diese 180 Grad-Wendungen
gut sind. Besondere Hoffnung ma-
che ich mir aber nicht.
Seit Mitte Juni leben Sie in
Deutschland. Sie waren fünf Wo-
chen lang Gast im Literarischen
Colloquium Berlin, und Sie werden
sich mit Unterstützung des PEN
Berlin bis auf Weiteres hier auf-
halten. Befinden Sie sich im Exil?
Nein, ich bin nicht im Exil. Ich ha-
be ja kein Ausreiseverbot in der
Türkei. Ich kann kommen und ge-
hen, wann ich will. Ich werde
ziemlich bald zurückkehren.
Aber es sind verschiedene politi-
sche Prozesse gegen Sie anhän-
gig.
Es gibt einiges, was ich von hier
aus verfolgen kann. Aber in eini-
gen Fällen werde ich wohl auch zu-
rückreisen, um an den Verhand-
lungen teilzunehmen.
Mitte Oktober erscheint Gerhard
Meiers deutsche Übersetzung
Ihres ursprünglich 2012 veröffent-
lichten Romans „Das ferne Dorf
meiner Kindheit“ im Münchner
Zur Person
Im März 2022 wurde
der kurdische Schrift-
steller Yavuz Ekinci,
Jahrgang 1979, in
seiner Heimat Türkei
wegen „Terrorpro-
paganda“ zu einer
Bewährungsstrafe von
anderthalb Jahren
verurteilt, Ekinci hat
Berufung eingelegt.
Wegen acht Social-
Media-Beiträgen aus
den Jahren 2013 und
2014 droht ihm zudem
eine Gefängnisstrafe
bis zu siebeneinhalb
Jahren. In einem wei-
teren Prozess wurde
im März sein Roman
„Die, deren Träume
unterbrochen wur-
den“ (2014) beschlag-
nahmt, auch dies
wegen „Propaganda
für die Terrororganisa-
tion PKK“.
Ekinci steht im Faden-
kreuz der türkischen
Justiz, Einschüchte-
rung ist das oberste
Ziel. Am 8. September
spricht Yavuz Ekinci
beim Internationalen
Literaturfestival
Berlin über „Literatur
im Schatten von Des-
potismus“.
Ein Kurde in Deutschland. Autor Yavuz Ekinci.
Verlag Antje Kunstmann. Es Ihr
mittlerweile drittes Buch hier-
zulande. Worum geht es?
Es ist ein großer Familienroman,
in dem ich die Geschichte der Tür-
kei und Kurdistans im 20. Jahrhun-
dert zu veranschaulichen versu-
che. Er kam in einer Zeit heraus,
als in der Öffentlichkeit sehr viel
über Vergangenheitsaufarbeitung
und Versöhnung diskutiert wurde.
Das hing mit den Ambitionen der
Regierung zusammen, eine EU-
Vollmitgliedschaft zu erwirken.
Ist dies der radikalste Ihrer bishe-
rigen Romane?
Radikaler war wohl mein erster
Roman „Auf die Haut geschriebe-
ne Verse“ aus dem Jahr 2010. Es
geht darin um Koranverse, die auf
die Haut geschrieben wurden. Da-
mit habe ich mich im Prinzip mit
der Hisbollah angelegt, der dama-
ligen, in der Türkei ansässigen is-
lamistischen Miliz, die man als
Vorläufer des Islamischen Staats
bezeichnen kann. Da lief ich Ge-
fahr, auf deren Todesliste zu gera-
ten.
„Das ferne Dorf meiner Kindheit“
schildert plastisch die Brutalität
türkischer Soldaten.
Ich war beim Schreiben noch
ziemlich jung, gerade einmal Ende
zwanzig, und ich war sehr, sehr
wütend. Außerdem fand ich, dass
dieser Stoff eine harte, eine realis-
tische, aber auch zerstörerische
Sprache erfordert. „Die verlorene
Erde des Paradieses“, wie der Ro-
man im Original hieß, soll dies
ausdrücken.
des Genozids an den Armeniern,
Augenzeugin der Massaker. Haben
Sie selbst dazu biografische Be-
rührungspunkte?
Ich persönlich habe keine Groß-
mutter, die eine Überlebende des
Genozids wäre Aber ich kenne aus
meiner eigenen Kindheit viele Ge-
schichten von jungen Frauen, die
als Überlebende des Genozids
„gerettet“ wurden, in dem man sie
verheiratete.
Wie gefährlich ist es aus Ihrer
Sicht, heute als Schriftsteller in
der Türkei zu leben?
Ich glaube, dass Schriftstellerei
grundsätzlich gefährlich sein soll-
te. Menschen, die dieses Risiko
nicht eingehen, wollen sich oft nur
nicht die Hände schmutzig ma-
chen. Sie meiden bestimmte The-
men, weil sie ihre Wut verloren ha-
ben. Autoren aber sind Menschen,
die provozieren und stören soll-
ten, Leute, die sich gegen etwas
wenden und helfen, andere Per-
spektiven einzunehmen.
Muss man zwischen Schriftstel-
lerei und Politik nicht unterschei-
den?
Ja, durchaus. Politik hat nun ein-
mal das Ziel, andere Menschen zu
verurteilen, sie polarisiert.
Schriftstellerei dagegen sollte uns
helfen, andere Menschen zu ver-
stehen, uns auch in jene einzufüh-
len, mit denen wir sonst gar nicht
übereinstimmen. Politik möchte
immer, dass wir die anderen ver-
urteilen. Deswegen spaltet sie.
Wenn man an Dostojewskis Ro-
man „Schuld und Sühne“ zurück-
denkt, ist es natürlich wahnsinnig
leicht, jemanden schon rein mora-
lisch zu verurteilen, der mit der
Axt eine Pfandleiherin und deren
Schwester umbringt. Aber ein
Schriftsteller wie er bringt uns
eben bei, wie man das Ganze auch
aus einer anderen Perspektive be-
trachten kann.
(Übersetzung: Oliver Kontny)

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28
Sport
Sieg gegen Kanada
DBB-Team mit
gutem Auftritt
Unermüdlich tigerte Basketball-
Bundestrainer Gordon Herbert
während der Partie an der Seiten-
linie entlang. Er nahm seine Brille
ab, setzte sie wieder auf, blickte
mürrisch auf das Feld. Mit hochge-
zogenen Augenbrauen dirigierte
er seine Mannschaft, kniete sich
immer wieder hin und besprach
sich mit seinen Co-Trainern. Auf
dem Platz hingegen spiegelte sich
die Aufgewühltheit des Trainers
kaum wieder.
Gerade in der ersten Hälfte legte
das DBB-Team um Kapitän Dennis
Schröder im zweiten Testspiel vor
der Weltmeisterschaft in Japan,
Indonesien und auf den Philippi-
nen (25. August bis 10. September)
einen starken Auftritt gegen Kana-
da hin. In der ausverkauften Arena
am Ostbahnhof in Berlin bestaun-
ten 12.387 Zuschauer am Mitt-
wochabend den Sieg mit 86:81
(50:34) gegen einen WM-Mitfavo-
riten. „Die ersten 20 Minuten ha-
ben wir sehr gut gespielt“, erklärte
Herbert. „In den ersten fünf, sechs
Minuten des dritten Viertels ha-
ben wir dann das Momentum ver-
loren. Wir haben noch einen lan-
gen Weg vor uns.“
Während Deutschland zu Be-
ginn überraschend deutlich domi-
nierte, fanden die mit NBA-Stars
gespickten Kanadier nach der
Halbzeit besser ins Spiel. „Die
zweite Halbzeit war sehr lehrreich
für uns, und darum geht es in die-
sen Spielen eigentlich“, sagte
Franz Wagner, der mit 18 Punkten
Topscorer des Abends war. Man
wolle nicht jetzt gut sein, sondern
am Ende des Sommers. „Es geht
aktuell darum, Gewohnheiten zu
schaffen, wie wir spielen wollen“,
sagte Herbert.
Franz Wagner (links) führte Deutsch-
land zum Sieg gegen Kanada.
Gegen Kanada blitzten jene Ge-
wohnheiten bereits durch, die
deutsche Mannschaft wirkte von
Anfang an gut eingespielt. Neben
Franz Wagner und Dennis Schrö-
der, die Gordon Herbert als ein
„zweiköpfiges Monster“ bezeich-
nete, machte auch Daniel Theis
ein starkes Spiel. „Wir wollen jetzt
weiter darauf aufbauen“, sagte
Theis. Am besten schon am Sams-
tag gegen China (18.30 Uhr) beim
Supercup in Hamburg. Dort nicht
mehr dabei sein werden Oscar da
Silva und Leon Kratzer, am Don-
nerstag hatte Herbert sein zwölf-
köpfiges WM-Aufgebot bekannt
gegeben. Sven Fröhlich
Offiziell zugesagt hat Harry Kane dem FC Bayern noch nicht.
Bayern bietet mehr als
100 Millionen Kommt
Kane nach München?
Von Elisabeth Schlammerl
E
s gibt jede Menge Hür-
den zu überwinden,
wenn ein Verein einen
neuen Spieler ver-
pflichten will. Die größ-
te ist in der Regel die Ablösesum-
me, da kann der abgebende Verein
den Interessenten ganz schön zap-
peln lassen – wie gerade im Fall
Harry Kane passiert. Tottenham
Hotspur hat hoch gepokert, und
der FC Bayern ist nun offenbar an
ein Limit gegangen, das bis vor
kurzem noch deutlich jenseits der
Schmerzgrenze des Klubs lag.
Das meist gut unterrichtete eng-
lische Portal „The Athletic“ hatte
am Donnerstagmittag berichtet,
dass Tottenham das Angebot von
mehr als 100 Millionen Euro ak-
zeptiert hat, nachdem die Münch-
tagesspiegel.de
”
ner zuvor dreimal mit ihren Offer-
ten abgeblitzt waren.
Die Personalie Harry Kane, die
Es gibt keinen beim und vor allem rund um den
FC Bayern die gesamte Sommer-
besseren Kauf pause beherrscht hat, kommt nun
als Harry Kane, also wohl zu jenem Abschluss, den
sich die beiden Parteien vorgestellt
wenn man das haben. Tottenham bekommt ein
Geld hat und es Jahr vor Vertragsende eine Menge
Geld für den 30-Jährigen, die Bay-
für einen
ern den dringend benötigten Straf-
30-Jährigen raum-Stürmer.
Ein paar kleinere Hürden gibt es
ausgeben will. noch, zum Beispiel die offizielle
Zusage von Kane. Angeblich zögert
Gary Lineker, englische er, obwohl er seinen Wunsch, zum
Fußball-Legende FC Bayern zu wechseln, schon län-
ger hinterlegt hatte. Zuletzt hatte
er Tottenham und Bayern eine
Frist gesetzt. Die Vereine müssten
Freitag, 11. August 2023
sich bis zum Premier-League-Start
der Spurs am Sonntag einigen,
nach dem Auftaktspiel gegen
Brentford, so hieß es, würde Kane
nicht mehr wechseln.
Die Rahmendaten zwischen
dem Stürmer und den Münchnern
waren dem Vernehmen nach ja
schon länger verhandelt worden.
Kane wird jenen Gehaltsposten
übernehmen, der durch den Trans-
fer von Sadio Mané nach Saudi-
Arabien frei wurde. Ist auch der
obligatorische Medizincheck er-
folgreich, kann die Familie Kane
mit den bald fünf Kindern die Um-
zugskisten packen lassen. Seine
Frau Katie Goodland soll sich ja
schon vor ein paar Wochen in
München nach einer geeigneten
Immobilie umgesehen haben.
Noch spielt Englands Kapitän
auf hohem Niveau
Für die Bundesliga ist es erst einmal
ein Statement, dass der Kapitän der
englischen Nationalmannschaft
aus der finanzkräftigen Premier
League nach Deutschland wech-
selt. Aber ob der Rekordtransfer
sich auch für die Bayern auszahlt?
Geht es nach Englands Stürmer-Le-
gende Gary Lineker, auf jeden Fall.
„Er ist ein herausragender Spieler
und garantiert deiner Mannschaft
Tore“, sagte er der „Sport Bild“. Es
gebe „keinen besseren Kauf als Har-
ry Kane“, findet Lineker, „wenn
man das Geld hat und es für einen
30-Jährigen ausgeben will“.
Klar, es geht beim deutschen Re-
kordmeister auch immer ein biss-
chen ums Marketing und den Mer-
chandising-Verkauf. Aber auch der
hängt nach einer gewissen Anfang-
seuphorie der Fans von den sport-
lichen Leistungen des Spielers ab.
Sicher kann der 30-jährige Kane
noch ein paar Jahre auf hohem Ni-
veau spielen – vorausgesetzt, er
bleibt von größeren Verletzungen
verschont und fremdelt nicht der-
art mit dem Verein wie es Mané im
vergangenen Jahr getan hat.
Kane spielte – abgesehen von
ein paar Ausleihen in ganz jungen
Jahren – bisher nur bei den Spurs.
Nun muss er sich nicht nur zum
ersten Mal in seiner Karriere an
ein neues Land gewöhnen, son-
dern auch an eine andere Spiel-
weise, ein anderes Umfeld – und
daran, auch an einer üppigen Ab-
lösesumme gemessen zu werden.
Von den Fans, aber auch im Mann-
schaftskreis.
Der FC Bayern hätte aussteigen
können im Poker um Kane, bis zur
Winterpause warten, um dann den
Stürmer vielleicht zu einem deut-
lich reduzierten Preis zu holen.
Vermutlich wäre es in der ersten
Saisonhälfte mit Mathys Tel oder
Eric Maxim Choupo-Moting als
Mittelstürmer auch gutgegangen.
Aber Trainer Thomas Tuchel hät-
© Reuters/Paul Childs; Imago/Andreas Gora/
ten die Verantwortlichen das nur
schwer vermitteln können, nach-
dem schon die Verpflichtung sei-
nes anderen Wunschspielers Kyle
Walker gescheitert war. Die Bay-
ern hatten fast keine andere Wahl,
als weiter um Kane zu kämpfen –
und wären nun ziemlich blamiert,
wenn der Spieler noch einen
Rückzieher machen würde.
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de
Am Samstag trifft der gebürtige Berliner René Klingbeil mit dem FC Carl Zeiss Jena in der ersten Runde des DFB-Pokals auf Hertha BSC.
Jena-Trainer vor dem Spiel gegen
Hertha Duell mit Vergangenheit
Von Sven Fröhlich
W
enn David auf
Goliath trifft und
die Bundesligis-
ten anstelle von
großen Stadien
in überschaubare Spielstätten rei-
sen, steht die erste Runde des
DFB-Pokals an. Ein Hauch von
Wunder liegt jedes Jahr in der Luft,
wenn die „Kleinen“ die Gelegen-
heit haben, die „Großen“ zu är-
gern. Des einen Pflichtaufgabe ist
des anderen Möglichkeit zur Sen-
sation. Fußball-Romantik pur.
In einer regulären Saison sind
die Verhältnisse selten so klar ver-
teilt wie in der ersten DFB-Pokal-
runde. So auch beim Aufeinander-
treffen zwischen dem FC Carl
Zeiss Jena und Hertha BSC auf
dem Ernst-Abbe-Sportfeld am
Samstag (13 Uhr). „Wir haben kei-
ne Chance – und die wollen wir
© imago images / Beautiful Sports; ; IMAGO/Westend61; Imago/Christoph Worsch
nutzen“, erklärt Jena-Trainer René
Klingbeil dem Tagesspiegel.
Der Besuch der alten Dame
Es ist auch ein persönliches Duell
mit der Vergangenheit, 1981 wurde
Klingbeil in Ost-Berlin geboren,
spielte in seiner Jugend für den
Marzahner SV und den BFC Dyna-
mo. „Ich habe mich gefreut“, sagt
der 42-Jährige über die Auslosung
des DFB-Pokals. „Wenn du gebür-
tiger Berliner bist, ist es natürlich
ein tolles Los, wenn du die große
Alte Dame in Jena begrüßen darfst.
Das ist schon etwas Besonderes.“
Die West-Berliner Hertha trifft auf
den Ost-Berliner Klingbeil. Ein in-
neres Derby? „Hertha war für mich
immer unerreichbar“, so Kling-
beil. „Ich kann mich erinnern, in
der Gesamt-Berliner Fußball-Aus-
wahl war ich der einzige Ossi.“
Auch aus sportlicher Sicht steht
das Aufeinandertreffen am Sams-
tag unter besonderen Vorzeichen.
Hertha hat die ersten beiden Liga-
spiele verloren, Jena ist noch unge-
schlagen. Im vergangenen Jahr
scheiterte Hertha bereits in der
ersten DFB-Pokalrunde an Braun-
schweig, Jena war nah dran an der
Sensation, verlor gegen Wolfsburg
durch ein Tor in der Nachspielzeit.
Das Momentum könnte auf der
Seite des Herausforderers sein.
Klingbeil möchte davon nichts
wissen: „Die haben gerade ein paar
innere Probleme, und jetzt kom-
men wir. Wir sind keine Hürde.“
12.000 Fans werden erwartet
Hoffnungslos sei er deswegen aber
nicht. Eine kleine Chance bestehe
immer, erklärt Klingbeil. „Für uns
ist es ein Kinofilm, etwas ganz Be-
sonderes. Ein Blockbuster.“ Wo-
möglich erlebt der Blockbuster ja
sogar noch eine Fortsetzung.
Denn in den vergangenen Mona-
ten hat sich Jena als Heimmacht
etabliert. Die letzte Niederlage im
eigenen Stadion war im März 2022.
Der Gegner damals: die zweite
Mannschaft von Hertha BSC. „Es
ist schon eine Festung, die wir uns
hier aufgebaut haben“, sagt Kling-
beil über die eigene Heimstärke.
Das werde sicherlich auch am
Teure Ausrüstung ist oft unnötig
Was Wanderer wirklich brauchen
Jetzt lesen – Exklusiv für Abonnenten
Samstag so sein. „Da wird es schon
DFB-Pokal am Freitag extrem brennen und knistern.“
12.000 Fans werden im altehrwür-
• Bersenbrück gegen digen Ernst-Abbe-Sportfeld am
Gladbach (18 Uhr) Samstagmittag erwartet.
Mit 17 Jahren ist Klingbeil da-
• Sandhausen gegen mals aus Berlin weggezogen, alle
Hannover (18 Uhr) weiteren Karriere-Stationen wa-
ren außerhalb Berlins. „Ich bin
• Saarbrücken gegen jetzt fast schon ein Fremder“, er-
Karlsruhe (18 Uhr) klärt er. Zu seinen Eltern, die in
Ahrensfelde wohnen, komme er
• Braunschweig gegen aber noch gerne – und auch über
Schalke (20:45 Uhr) die familiären Beziehungen hinaus
habe er noch Verbindungen in sei-
ne Geburtsstadt. „Wir kennen uns
sogar, wirklich zufällig“, sagt
Klingbeil über Hertha-Präsident
Kay Bernstein, der in Marzahn auf-
gewachsen ist. „Ich hoffe, dass er
mitkommt beim Spiel. Die leichte
Freundschaft wird für die 90 Mi-
nuten dann ruhen, aber nach dem
Spiel wird man bestimmt Zeit ha-
ben, sich auch mal zu treffen.“
Nach all den Jahren außerhalb
Berlins möchte Klingbeil auch ei-
ne Rückkehr in seine Geburtsstadt
nicht ausschließen. „Es gibt ja den
einen oder anderen Verein in Ber-
lin. Es macht unglaublich viel
Spaß, hier zu arbeiten, aber wenn
irgendwann mal Hertha anruft,
dann hör ich mir das auf jeden Fall
mal an.“ Ob es da als gebürtiger
Ost-Berliner nicht zu familiären
Zerwürfnissen kommt? „Mein
Bruder wohnt in Köpenick, der
geht ab und zu mal zu Union. Er
würde sicherlich den Verein be-
vorzugen.“
Sport 29
In Kürze
EISHOCKEY
Panocha verlässt die Eisbären
Berlin
Norwin Panocha verlässt die
Eisbären Berlin. Der 18-Jährige
wechselt in die kanadische Junio-
renliga Quebec Major Junior
Hockey League (QMJHL). Die
Chicoutimi Saguenéens hatten
ihn in der dortigen Draft aus-
gewählt. Die Buffalo Sabres si-
cherten sich zudem in der sieb-
ten Runde des NHL-Drafts die
Rechte an Panocha. Der Ver-
teidiger hatte in der vergangenen
Saison sein DEL-Debüt für die
Eisbären gefeiert. „Norwin ist ein
großes Talent. Wir sind sehr
stolz auf ihn und auch darauf,
dass ein weiterer unserer Spieler
im NHL Draft ausgewählt wur-
de“, wurde Eisbären-Sportdirek-
tor Stéphane Richer zitiert. (dpa)
PARA-SPORT
Erstes WM-Gold für
Matthias Schindler
Im Alter von 41 Jahren hat Para-
Radsportler Matthias Schind-
ler bei den Titelkämpfen in
Schottland seinen ersten WM-
Titel geholt. Der Regensburger,
der durch eine inkomplette Quer-
schnittlähmung gehandicapt ist,
siegte am Donnerstag im C3-
Einzelzeitfahren auf der Straße
über 17 Kilometer vor dem briti-
schen Favoriten Finlay Graham.
Außerdem holte sich Maike
Hausberger in der C2-Klasse den
Sieg, nachdem sie zuvor schon
auf der Bahn WM-Gold im
Scratch geholt hatte. (dpa)
Matthias Schindler fuhr zu Gold.
TENNIS
Alexander Zverev verliert klar
beim Turnier in Toronto
Alexander Zverev ist bei den
Canadian Open in der Runde der
letzten 32 Spieler klar geschei-
tert. Gegen Alejandro Davidovich
Fokina aus Spanien verlor der
26-Jährige 1:6, 2:6. Derweil sagte
Deutschlands Nummer zwei,
Jan-Lennard Struff, seine Teil-
nahme an den US Open ab. Er
laboriert an einer Hüftverletzung.
„Es ist besser geworden, aber es
ist nicht intelligent, jetzt zu spie-
len. Wir wollen nichts riskieren“,
sagte Struffs Manager Corrado
Tschabuschnig. Der 33-Jährige
befinde sich weiter in der Re-
generation und werde nicht beim
Masters kommende Woche in
Cincinnati und dem letzten
Grand-Slam-Turnier des Jahres
Ende August in New York an den
Start gehen. (dpa)
30 Sport tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023

Bundesliga-Serie dem Abschied von Jörg Schmadt-

ke gewinnt in erster Linie der zum
Geschäftsführer aufgestiegene

(11) Geld im
Marcel Schäfer an Wortgewalt.
Während Niko Kovac als Trainer
eher das Alltägliche und manch-

Überfluss beim
mal auch für das Wütende zustän-
dig ist, spricht Schäfer zunehmend
über das Große und Ganze. „Wir
haben physisch und spielerisch ei-

VfL Wolfsburg ne gute Entwicklung genommen“,

findet der langjährige VfL-Profi.

Was ist in der Saison möglich?

Von Christian Otto Mit mehr Glück und Können als
zuletzt der Einzug in die Europa

A
League. Die Arbeit von Schäfer
m 18. August beginnt die und Kovac dürfte mehr am Tabel-
neue Bundesliga-Saison. len- als am Kontostand gemessen

80
In unserer Serie testen werden. Der Vordenker und der
wir auch in diesem Jahr Antreiber sind vor allem auch da-
wieder die Stärken und Schwä- für zuständig, für neues Leben im
chen der Vereine. Im elften Teil ist selten ausverkauften VfL-Stadion
der VfL Wolfsburg an der Reihe. und mehr bundesweite Schlagzei-
Millionen Rogerio verfügt über eine beachtliche Dynamik. len zu sorgen. Kovac war im Som-
Was hat sich verbessert? Euro erlöste der VfL für mer 2022 in Wolfsburg mit dem
In erster Linie der Kontostand. Felix Nmecha und nierte Profis, dann dürfte es keine Vaclav Cerny. Der vom niederlän- ehrgeizigen Ziel angetreten, den
Angesichts der Verkäufe von Ver- Micky van de Ven. Neuzugänge mit zweistelliger Mil- dischen Erstligisten Twente En- Niedersachsen wieder mal einen
teidiger Micky van de Ven (Totten- lionen-Ablöse geben. Anderer- schede verpflichtete Tscheche Titel sichern zu können. Ein Ziel,
ham Hotspur) und Mittelfeldspie- seits ist der aktuelle Spielerkader wagt im Sekundentakt mutige das unrealistisch erscheint.
ler Felix Nmecha (Borussia Dort- zwar groß, aber qualitativ nicht Dribblings, Pässe und Torab-
mund) gibt es auf dem Girokonto gut genug besetzt, um zwangsläu- schlüsse. Dass er den Ball lieber Und sonst?
der VfL Wolfsburg Fußball GmbH fig in einen europäischen Wettbe- mutig vorwärts als absichernd Müssen vor allem die weiblichen
zwei außergewöhnliche Zah- werb zu stürmen. rückwärts spielt, lässt hoffen. Fans des VfL Wolfsburg tapfer
lungseingänge. Transfererlöse in Denn eigentlich ergibt die bisheri- sein. Bisher trat in Person des Dä-
Höhe von insgesamt rund 80 Mil- Wer sind die Neuen? ge Spielstrategie des VfL – darauf nen Jonas Wind der Traum aller
lionen Euro nur für diese beiden Vor allem Linksverteidiger legt der Trainer wert – mehr Ball- Schwiegermütter als Torjäger in
Spieler machen den ohnehin vom Rogério lässt aufhorchen. Der 25 besitz und Kontrolle als Hurra und Erscheinung. Niedliches Lächeln,
Volkswagen-Konzern finanzier- Jahre alte Brasilianer vom italieni- Angriffsfußball. wuschelige Locken, tadelloses
ten Verein temporär zum Krösus. schen Klub US Sassuolo Calcio Auftreten: All das scheint verlo-
Bleibt der VfL seiner jüngsten verblüfft mit hohem Tempo und Wer hat das Sagen? ren. Mit seiner neuen Kurzhaarfri-
Strategie treu und versteht sich als viel Angriffslust. Für ähnlichen Abgesehen vom Hauptsponsor sur plus Blondierung ist er kaum
Entwicklungsverein für ambitio- Schwung sorgt Mittelfeldspieler VW? In der ersten Saison nach noch wiederzuerkennen.

Berlin und die Ostsee Deutschland Europa

17
Göhren Kiel Reykjavik
25/18
Stralsund 22/17 Rostock
Kühlungsborn 22/17 23/18
Heringsdorf
23/18 23/16 Hamburg
Waren/Müritz Bremen 26/18
25/17 28/18 Oslo Helsinki
21 Stockholm 21
Schwerin Berlin 20
Prenzlau Hannover 26/16 St. Petersburg Moskau
25/17 24/15 28/18 Dublin 25 27
Magdeburg 22
Pritzwalk 28/16 26 Riga
25/15 Dortmund London
Schwedt 29/20 26 Berlin 22
24/15 Leipzig Amsterdam 26 Warschau
27/16 24
Dresden Paris Kiew
Rathenow 26/16 27 Wien 26
Berlin Köln Erfurt Zürich
24/17 29/18 28/16 31
26
26/16 Frankfurt Bukarest
Potsdam 25/16 Frankfurt 32
26/17 31/19 34 Madrid Dubrovnik
Nürnberg Lissabon 40 Rom 28
Lübben Saarbrücken 29/14 Palma Istanbul
Malaga 30
26/14 Cottbus 30/18 34 28
33
26/14 Stuttgart Athen Antalya
Finsterwalde 30/17 Algier 31 32
Tunis
26/14 35 33
Freiburg München
32/18 Nikosia 36
29/16
SA SO MO DI Hochdruckzentrum H Tiefdruckzentrum T Kaltluft Warmluft
28 /16°C 27 /17°C 31 /19°C 29 /17°C Warmfront Kaltfront Mischfront
Vorhersage Biowetter Vorhersage Aussicht Wetterlage
Bei einem Mix aus Sonnenschein Bei Personen mit niedrigem Blut- Zunächst gibt es intensiven Son- Am Samstag bleibt es im äußersten Tiefs nördlich der Britischen Inseln lenken warme Luft vom Mittelmeer nach
und einigen Wolkenfeldern bleibt druck kommt es zu Kopfschmerzen. nenschein. Lediglich im Nordosten Südosten bis zum Abend oft noch Mitteleuropa. Bei steigenden Temperaturen zeigt sich das Wetter teils heiter,
es in Berlin und um Umland weitge- Entsprechend vorbelastete Men- ist es anfangs wolkiger. Später wer- freundlich und trocken. Sonst zie- teils wolkig und bis zum Abend meist trocken. Sommerlich heiß mit Höchst-
hend trocken. Die Höchsttempera- schen müssen mit Migräne rechnen. den im Westen und Nordwesten die hen zeitweise dichte Wolken vor- werten über 40 Grad bleibt es im Süden der Iberischen Halbinsel. Recht
turen liegen zwischen 24 und 26 Wolken zahlreicher. Abends sind über, und gebietsweise gibt es zum kühl ist es dagegen in einem Bereich von Polen bis Südskandinavien.
Grad. In der Nacht wird es allmäh- Aussicht dort zwar einzelne Schauer und Ge- Teil kräftige Schauer und Gewitter.
lich wolkiger, es bleibt aber meist Am Sonnabend ziehen im Tages- witter möglich, aber es bleibt über- Diese können lokal mit Starkregen, REISEWETTER FÜR EUROPA & DIE WELT
trocken. Die Luft kühlt sich auf 18 verlauf Regengüsse heran, verein- wiegend trocken. Die Höchstwerte Hagel und Sturmböen einhergehen. Amsterdam wolkig 26° Reykjavik Regenschauer 17°
bis 16 Grad ab. zelt entladen sich auch Gewitter. steigen auf 24 bis 32 Grad. An der Die Höchsttemperaturen liegen Barcelona heiter 31° Salzburg heiter 27°
Die Temperaturen steigen auf 28 Küste und auf den Höhen ist es et- nachmittags zwischen 21 und 32 Djerba sonnig 32° St. Moritz heiter 21°
Wind Grad. Am Sonntag ist es wechselnd was kühler. Der Wind weht überwie- Grad. Es weht ein schwacher, an Eilat sonnig 39° Sydney wolkig 19°
Genf heiter 33° Tel Aviv sonnig 34°
Der Wind weht allgemein schwach bewölkt und trocken. Der Montag gend schwach, im Norden zum Teil der Küste auch mäßiger Wind aus
Hongkong Regen 28° Tokio Regenschauer 30°
und kommt aus südlichen Rich- bringt erneut einige Schauer oder auch mäßig aus verschiedenen meist südlichen bis westlichen Innsbruck heiter 29° Zermatt Regenschauer 21°
tungen. Gewitter. Richtungen. Richtungen. Jerusalem sonnig 28°
Kairo sonnig 38°
GESTERN IN BERLIN SONNE & MOND DEUTSCHLAND WASSERTEMPERATUREN Kapstadt wolkig 22° WASSERTEMPERATUREN
Ozon Brocken wolkig 20° Wannsee 20° Korfu heiter 31° Adria 26°
05:42 00:08 Düsseldorf wolkig 29° Tegeler See 20° Kreta heiter 28° Ägäis 27°
gestern 8 Uhr (mm)

58 bis 82
Nieder. 24stg. bis

20:40 18:24 Feldberg/Schw. heiter 21° Müggelsee 20° wolkig 25° Algarve 22°
Sonnenstunden

μg/m3
Los Angeles
Fichtelberg heiter 20° Ruppiner See 20° Mailand sonnig 31° Biskaya 21°
Temperatur

vorgestern
bis 14 Uhr

(bis 14 Uhr Neumond zunehmend

Tiefstwert
bis 8 Uhr

Grenzwert 180) Garmisch-P. heiter 28° Müritz 19° Malta heiter 30° Kanarische Inseln 24°
16.08. 24.08.
Konstanz heiter 30° Bodensee 19° Miami wolkig 37° Karibik 29°
© IMAGO/regios24

Tempelhof 9,6 21,0 0,1 k.A. Vollmond abnehmend Passau heiter 29° Ostsee (Usedom) 19° New York wolkig 31° Westliches Mittelmeer 26°
Dahlem 9,8 19,1 0,6 8,2 31.08. 07.09. Sylt wolkig 23° Ostsee (Fehmarn) 17° Palermo sonnig 28° Östliches Mittelmeer 27°
BER 9,1 20,0 0,6 6,2 Weimar heiter 28° Nordsee (Sylt) 17° Peking Regen 25° Schwarzes Meer 26°
Potsdam 11,1 20,0 0,9 8,2 Namenstage: Susanna, Klara Zugspitze heiter 10° Nordsee (Borkum) 18° Prag heiter 26° Thailand 29°
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de
Panorama
Waldbrand auf der hawaiianischen Insel Maui in Lahaina.
Apokalypse im Paradies
Feuer wüten auf Hawaii
Von Barbara Munker, dpa
D 36
ichter Rauch hängt über
dem Urlaubsparadies,
ein Küstenstreifen von
Maui steht in Flammen,
Teile der gewöhnlich üppig-grü-
nen Insel sind schwarz verkohlt.
Es sind schockierende und seltene
Bilder aus Hawaii von verheeren-
den Busch- und Waldbränden.
Mindestens 36 Menschen sind
ums Leben gekommen. Während
der Kampf gegen die Flammen in
der historischen Stadt Lahaina an-
dauere, seien dort weitere Opfer
entdeckt worden, erklärte die Re-
WHO rechnet echte Gesundheitskosten vor
23 Euro für eine Packung Zigaretten
E
ine Packung Zigaretten
müsste in Deutschland
knapp 23 Euro kosten, for-
dert Dr. Rüdiger Krech, Direktor
für Gesundheitsförderung bei der
Weltgesundheitsorganisation
© dpa/Matthew Thayer; dpa; dpa/Sonja Dollhopf
(WHO). Aktuell liegt der Preis für
20 Zigaretten hierzulande bei etwa
acht Euro. Wie die „Bild“-Zeitung
berichtet, beziffert Krech die Kos-
ten, die Raucher in Deutschland
verursachen auf 97 Milliarden Eu-
ro pro Jahr. Dem stünden aber nur
15 Milliarden Euro Einnahmen
durch die Tabaksteuer entgegen.
Aus der Differenz ergibt sich der
geforderte Preis.
gierung der Insel Maui. Mindes-
tens 20 Personen hätten Verbren-
nungen erlitten. Viele Gebäude
seien „bis auf den Boden“ abge-
brannt. Das ganze Ausmaß der
Schäden sei noch nicht absehbar.
Hawaiis Gouverneur Josh Green
Menschen sprach von einer „schrecklichen
sind bei den Bränden Katastrophe“. Von Reisen nach
mindestens gestorben. Maui wurde abgeraten. „Dies ist
kein sicherer Ort“, warnte die
stellvertretende Gouverneurin
Sylvia Luke. Mitverantwortlich für
die rasch um sich greifenden Brän-
de sei der Hurrikan Dora, der süd-
lich der Inseln des US-Bundes-
staats vorbeiziehe, so die Behör-
den. „Die Tatsache, dass wir in
In den tatsächlichen Kosten die-
ser Rechnung sind die Auslagen
für die Krankenkassen aufgrund
gesundheitlicher Probleme, die di-
rekt mit dem Rauchen zu tun ha-
ben, Arbeitsausfälle sowie Reha-
und Pflegemaßnahmen enthalten.
Anfang August hatte der Bundes-
drogenbeauftragte Burkhard Blie-
nert eine verstärkte Anti-Raucher-
politik gefordert. Die Bundesregie- Teurer Qualm: Rauche-
rung hat beschlossen, die Tabak- rin in einer Kneipe.
steuer jährlich bis 2026
schrittweise um durchschnittlich
circa acht Cent pro Packung zu er-
höhen. Gleichzeitig ist die Rau-
cher-Politik in Deutschland teil-
mehreren Gebieten Waldbrände
haben, die indirekt auf einen Hur-
rikan zurückzuführen sind, ist bei-
spiellos. Das ist etwas, was die Be-
wohner von Hawaii und der Staat
noch nicht erlebt haben“, sagte
Sylvia Luke.
Menschen flohen ins Meer
Augenzeugen beschrieben apoka-
lyptische Szenen in dem am
schwersten betroffenen Küstenort
Lahaina, gewöhnlich ein maleri-
sches Touristenziel im Westen
von Maui. Auf der Flucht vor
schnell um sich greifenden Flam-
men seien Menschen ins Meer ge-
sprungen. Die Küstenwache teilte
später laut CNN mit, dass mehr als
ein Dutzend aus dem Wasser ge-
rettet wurden. Helikopter-Pilot
Richard Olsten flog am Mittwoch
über den Ort. Der größte Teil des
historischen Kerns sei abge-
brannt. Es sehe wie in einer
Kriegszone aus, beschrieb er seine
Eindrücke. Weite Teile des histori-
schen Ortes Lahaina mit etwa
10.000 Einwohnern seien zerstört
worden, auch der Hafen und Um-
gebung hätten Schaden erlitten,
schrieb der Bezirk Maui. Mehr als
271 Gebäude seien von den Flam-
men erfasst und beschädigt oder
zerstört worden. „Wir haben kein
Lahaina mehr, es ist weg“, zitierte
CNN einen Einwohner.
Die Feuer wüteten auf Maui und
Hawaii, zeitweise war der Strom
ausgefallen. Die Behörden hatten
wegen hoher Feuergefahr, begüns-
tigt durch Trockenheit, hohe Tem-
peraturen und starke Winde, eine
„Red-Flag“-Warnung für die Ha-
waii-Inselkette herausgegeben.
US-Präsident Joe Biden hat dem
Bundesstaat Hawaii Hilfe der Re-
gierung zugesagt. Nationalgarde
und Marine stünden bereit. Das
Verkehrsministerium werde hel-
fen, Urlauber von Maui auszuflie-
gen, hieß es. Sie sollten auf die
westlich von Maui gelegene Insel
Oahu gebracht werden, berichtete
der Sender Hawaii News Now.
Mehrere Fluggesellschaften sag-
ten Flüge ab, andere boten Maschi-
nen für Rückflüge an. (dpa/AFP)
weise Ländersache. Krech kriti-
siert dies als „Flickenteppich“.
Die WHO fordert neben starken
Preiserhöhungen ein Rauchverbot
an Bahnhöfen und Flughäfen, in al-
len öffentlichen Einrichtungen
und Kneipen. Es soll ein generelles
Werbeverbot geben, Markenna-
men und Logos sollen von den Pa-
ckungen verschwinden und Ta-
bakwaren nur in speziellen Shops
verkauft werden. Deutschland ist
im Kampf gegen den Tabakkon-
sum auf dem 34. von 37 Plätzen im
„Tabacco Control Scale“. Das Ran-
king misst die Umsetzung der ge-
setzlichen Tabakkontrolle. (dpa)
31
In Kürze
NEUE STUDIE
Deutsche sehen düstere
Zukunft für die Jugend
Fast zwei Drittel der Erwachse-
nen in Deutschland finden, dass
die Jugendzeit die schönste in
ihrem Leben war. Mit den heuti-
gen Heranwachsenden tauschen
wollen die meisten aber trotzdem
nicht, wie aus einer am Donners-
tag veröffentlichten Studie des
Meinungsforschungsinstituts
YouGov und des Sinus-Institut
hervorgeht. Nur gut ein Drittel
wäre heute gerne noch einmal in
dem Alter. Knapp drei von fünf
Befragten sind sich einig, dass
heutige Teenager keine schöne
Zukunft vor sich haben. Als größ-
te Herausforderung für die Ju-
gendlichen wurden der Klima-
wandel und seine Folgen in der
Umfrage genannt. (dpa)
SENSATION IM ALTMÜHLTAL
Kuhreiher brüten erstmals in
Deutschland
Erstmals haben Kuhreiher nach
Angaben des Naturschutzver-
bands LBV in Deutschland ge-
brütet – und zwar am Altmühlsee
in Bayern. Die Reiherart sei hier-
zulande sehr selten, sagte der
Experte vom Landesbund für
Vogelschutz (LBV) am Donners-
tag. Die Jungvögel seien Ende Juli
im Altmühltal entdeckt und foto-
grafiert worden. Der LBV sprach
von einer Sensation. Gerade in
Zeiten, in denen immer mehr
Pflanzen und Tiere aussterben
würden, sei eine solche Nach-
richt sehr motivierend. (dpa)
Ein Kuhreiher steht im Altmühltal.
KURIOSER FUND BEIM ANGELN
US-Bürgermeisterin entdeckt
Kokain-Paket
Einen ungewöhnlichen Fang hat
die Bürgermeisterin der Stadt
Tampa im US-Bundesstaat Florida
beim Angeln gemacht: Jane Castor
stieß bei einem Ferienausflug mit
ihrer Familie in der Inselkette
Florida Keys auf mehr als 30 Kilo-
gramm Kokain. Die Drogen befan-
den sich in einem im Wasser
schwimmenden schwarzen Plas-
tikpaket. Der Schwarzmarktwert
beträgt 1,1 Millionen Dollar (rund
eine Million Euro). Die Bürger-
meisterin kennt sich bei dem
Thema aus: Sie arbeitete 30 Jahre
lang bei der Polizei in Tampa und
war sechs Jahre Polizeichefin. Bei
dem Fund handele es sich bereits
um die fünfte Ladung Drogen, die
im Juli bei den Florida Keys he-
rausgefischt wurde, berichtete der
„Miami Herald“. (Tsp/AFP)
32 tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023

Was kommt
3 auf 1

Die Linke in der

Krise Verliert die
Partei bald ihren
Fraktionsstatus?
Die Fraktionsmindestgröße liegt bei 37 Abgeordneten. Der Linksfraktion gehören 39 an.

Ursula Münch ist Direktorin der Aka- Sophie Schönberger ist Co-Direktorin Daniel Friedrich Sturm leitet das
demie für Politische Bildung in Tutzing des Instituts für Deutsches und In- Tagesspiegel-Hauptstadtbüro und
und (derzeit beurlaubte) Professorin ternationales Parteienrecht und Par- beobachtet als Politikwissenschaftler
an der Universität der Bundeswehr teienforschung an der Heinrich-Heine das (Innen-)Leben der deutschen
München. Sie sagt: Die Gründung Universität Düsseldorf. Sie sagt: Im Parteien. Er sagt: Ohne eine Fraktion
einer linksnationalistischen Partei Verlust des Fraktionsstatus läge für ist ein Abgeordneter fast machtlos.
ist wahrscheinlicher geworden. die Linke eine große Chance.

Wäre Amira Mohamed Ali nicht eine Vertraute von
Sahra Wagenknecht, dann bestünde noch Hoffnung auf
Erhalt des Fraktionsstatus. Aber da es um mehr geht als
nur um die Ankündigung, nicht mehr für das Amt der
Co-Fraktionsvorsitzenden zur Verfügung zu stehen,
dürften die Monate gezählt sein, in denen die Linke den
Status und damit die zur Arbeitsfähigkeit notwendigen
Privilegien einer Bundestagsfraktion genießt. Die
Fraktionsmindestgröße liegt derzeit bei 37 Abgeordne-
ten, der Linksfraktion gehören 39 an. Dieser Puffer ist
in zweierlei Hinsicht zu klein: Er verkraftet die großen
inhaltlichen Differenzen nicht, die an Wagenknecht
festgemacht werden; etwa die Frage, was für eine linke
Partei mehr Priorität haben muss – Genderthemen und
der faire Umgang mit dem „globalen Süden“ oder die
Existenzsorgen derer, die mit Mindestlohn über die
Runden kommen müssen. Vor allem aber fehlt der lin-
ken Fraktion das Polster, um zu überstehen, was durch
Mohamed Alis Signal wahrscheinlicher geworden ist:
die Gründung einer linksnationalistischen Partei.
Eigentlich ist es erstaunlich, dass die Linkspartei über-
haupt noch im Bundestag zusammenhält. Seit Jahren
kokettiert mit Sahra Wagenknecht eines ihrer promi-
nentesten Gesichter damit, eine eigene Partei zu grün-
den. Ein destruktiveres Verhalten ist kaum denkbar.
Die Aufforderung des Bundesvorstandes, ihr Bundes-
tagsmandat zurückzugeben, wirkt da eher halbherzig.
Ein maßgeblicher Grund dafür, den endgültigen Cut zu
vermeiden, ist wohl die Angst, den Status als Bundes-
tagsfraktion zu verlieren. Damit wäre nicht nur ein
deutlicher Verlust finanzieller Mittel verbunden, auch
die Möglichkeiten der parlamentarischen Mitwirkung
wären eingeschränkt. Es erscheint nicht unwahr-
scheinlich, dass diese Appeasement-Strategie am Ende
trotzdem nicht fruchtet und die Fraktion mindestens
drei Mitglieder aus dem Wagenknecht-Lager verliert –
und damit auch ihren Fraktionsstatus. Für die Linke lä-
ge darin eine große Chance, aus der zermürbenden Be-
schäftigung mit sich selbst herauszukommen. Lieber
ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Die Abschiedslieder auf die Linken-Bundestagsfrakti-
on sind angestimmt, die ersten Nachrufe verfasst. Doch
Vorsicht! Nichts ist so mächtig wie die Macht. Ein Ab-
geordneter verliert massive Mitwirkungs- und Ein-
flussmöglichkeiten, sobald er seine Fraktion verlässt.
Ohne eine Fraktion ist ein Abgeordneter fast machtlos.
Das werden die geschätzt fünf bis zehn Parlamentarier
um Sahra Wagenknecht abwägen. Wagenknecht wie-
derum ist klug genug zu wissen, wie mühsam eine Par-
teigründung ist (und wie viele politische Chaoten sie
anzieht). Bekommt sie ein erfahrenes Team zustande,
das ihre eigenen organisatorischen Defizite ausgleicht?
Vielleicht halten Macht und normative Kraft des Fak-
tischen die Linke-Fraktion doch beisammen. Sollten
Linke und Wagenknecht auseinanderbrechen, so dürf-
ten sich beide um einen Gruppen-Status im Bundestag
© Jochen Müller/HHU; picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka/Bearbeitung: Tagesspiegel; Nassim Rad/Tagesspiegel; ; Politische Akademie Tutzing
bemühen (wie ihn PDS und Bündnis 90 von 1990 bis
1994 hatten). Was der gesamte Bundestag dazu sagt?
Das Parlament kann kein Interesse an 39 unorganisier-
ten Abgeordneten haben.

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Änderungen vorbehalten. Es gelten die AGB des Veranstalters. REISEN
 BERLIN
Freitag, 11.8.2023
© luxuz/Photocase | Bearbeitung: Tagesspiegel; Maurus Knowles; dpa/Jens Büttner; imago/Jürgen Ritter; José Caldeira; Christian Goßlar
Verborgene Not
632.890 Kinder und Jugendliche leben in Berlin.
Für manche ist der Krisendienst die letzte
Rettung vor Gewalt und Missbrauch. Zudem ist
jedes vierte Kind von Sozialleistungen abhängig.
– Seiten B4 und B5
Mieterhöhung um 15 Prozent
Neue Zweifel am Wohnbündnis
Von Teresa Roelcke und Daniel Böldt
D
as vor rund einem Jahr
geschlossene „Bündnis
für Wohnungsneubau
und bezahlbares Woh-
nen“ gerät immer stärker in die
Kritik. Dass insbesondere private
Wohnungsunternehmen den frei-
willigen Zielvorgaben beim Mie-
terschutz nicht vollständig nach-
kommen, hatte bereits vor weni-
gen Wochen ein Bericht des Se-
nats gezeigt. Nun wurde bekannt,
dass das Wohnungsunternehmen
Adler Group offenbar eine zentra-
le Vereinbarung des Bündnisses
ignoriert: die Begrenzung der
Mieterhöhungen.
In dem Bündnis, das auch die
Adler Group unterschrieben hat,
wurde vereinbart, sich bei der Er-
höhung von Mieten an einer ge-
planten Gesetzesänderung des
Bundes zur sogenannten Kap-
pungsgrenze zu orientieren. Dem-
nach sollen Mieterhöhungen in
Zukunft nur noch um maximal 11
Prozent über drei Jahre möglich
sein und nicht wie aktuell um 15
Prozent.
Aus einer Auswertung des Al-
ternativen Mieter- und Verbrau-
cherschutzbunds (AMV), über die
zuerst die „Berliner Zeitung“ be-
richtete, geht jedoch hervor, dass
die Adler Group sich daran offen-
bar nicht hält und Mieten um 15
Prozent erhöht. Dem Tagesspiegel
liegen entsprechende Mieterhö-
hungsschreiben vor. Darin beruft
sich das Unternehmen explizit auf
die aktuell geltende Kappungs-
grenze von 15 Prozent sowie auf
den kürzlich veröffentlichten
Mietspiegel für Berlin.
Die Adler Group, die rund
18.000 Wohnungen in Berlin ver-
mietet, reagierte bis Donnerstag-
abend nicht auf Anfragen des Ta-
gesspiegels. Auch Stadtentwick-
lungssenator Christian Gaebler
(SPD) wollte sich zu den Vorwür-
fen nicht äußern.
CDU: Verwaltung soll Gespräch
mit Adler Group suchen
Martin Pallgen, Sprecher der
Stadtentwicklungsverwaltung,
teilte dem Tagesspiegel mit: „Wir
erwarten von allen Bündnispart-
nern, dass sie sich an die Vereinba-
rungen, die sie unterschrieben ha-
ben, auch halten. Über Details –
und Umfang – der jetzt öffentlich
gewordenen Mieterhöhungen lie-
gen uns zurzeit keine Informatio-
nen vor. Deswegen ist eine Bewer-
tung von unserer Seite nicht mög-
lich.“
Pallgen weist außerdem darauf
hin, dass die Umsetzung der
Selbstverpflichtungen in der je-
weiligen Verantwortung der
Bündnispartner liege. „Wir emp-
fehlen Mieterinnen und Mietern,
sich bei Zweifeln an der Umset-
zung einer vereinbarten Selbst-
verpflichtung – in diesem Fall
Mieterhöhungen – an das Woh-
nungsunternehmen zu wenden
und sich auf die Bündnisvereinba-
rungen zu berufen“, sagte er.
Beim Koalitionspartner der SPD
erwartet man offenbar etwas mehr
Initiative. „Ich gehe jetzt erstmal
davon aus, dass die zuständige Se-
natsverwaltung Kontakt mit der
Adler Group aufnimmt, um das zu
klären“, sagte der stadtentwick-
lungspolitische Sprecher der
CDU-Fraktion, Christian Gräff,
dem Tagesspiegel. „Die Adler
Group ist gut beraten, sich an die
Versprechen, die sie gegeben hat,
auch zu halten. Was das Unterneh-
men mit der Mieterhöhungsan-
kündigung bei seinen Mietern und
auch im politischen Berlin be-
wirkt, kann es an den aktuellen Re-
aktionen ablesen.“
Vor wenigen Wochen wurde be-
kannt, dass sich ein anderer Bünd-
nispartner, der Wohnungskonzern
Vonovia, zumindest nicht aktiv
um die Einhaltung der Vereinba-
rungen bemüht. Laut Selbstver-
pflichtung sollen große Woh-
nungskonzerne Mieterhöhungen
für Menschen mit Wohnberechti-
gungsschein (WBS) auf maximal
zwei Prozent bis Ende dieses Jah-
res beschränken.
Dennoch erhielten auch diese
Mieterhöhungen in teilweise
zweistelliger Höhe. Vonovia be-
ruft sich darauf, dass sie nicht
wüssten, welche ihrer Mieter ei-
nen WBS haben.
Künstlerin
Minette Dreier
„Haut zu malen,
ist sehr persönlich“
Seite B21
Relikt aus der DDR
Warum Schüler
heute noch
Jugendweihe
feiern
Seite B6
Besuch in Caputh
Auf den Spuren
der einstigen
Schlossbewohner
Seite B12
Mehr Kontrollen,
mehr Raser
Rund 430 illegale
Autorennen in
Lebenslust und
diesem Jahr Agitprop
Festival Tanz im
Wegen Rasereien auf Berlins Stra-
ßen hat die Justiz in diesem Jahr be-
August ist eröffnet
reits rund 430 Verfahren eingelei- Seite B18
tet. „Damit ist absehbar, dass die
Zahlen höher sein werden als in den
Jahren 2021 und 2022“, sagte Ober-
amtsanwalt Andreas Winkelmann.
Er leitet eine Spezialabteilung für
verbotene Kraftfahrzeugrennen in
Berlin. Für das gesamte Jahr 2022
hatten Amtsanwaltschaft und
Staatsanwaltschaft 755 Verfahren
wegen verbotener Kraftfahrzeug-
rennen eingeleitet (2021: 799). Die Football-Team
meisten Fälle gab es bislang im Jahr der Berlin Rebels
2020 mit 871 Fällen. „Die Play-offs sind
Die Entwicklung der Zahlen
führt Winkelmann auch auf stär-
das Minimum“
kere Kontrollen zurück: „Die Poli- Seite B28
zisten sind viel aktiver als früher
und schreiten entschiedener ein.“
Erst am vergangenen Samstag gab Asbest-Ärger
es Geschwindigkeitskontrollen durch Sanierung
am Kurfürstendamm, der als ein So groß ist das
Hotspot für Raser in der Haupt-
stadt gilt. Nach einer statistischen Problem in Berlin
Erhebung der Berliner Polizei ma- Seite B23
chen Fluchtfahrten etwa ein Drit-
tel aller Raser-Fälle aus, schilderte
Winkelmann. Ein klassischer Fall:
Polizisten wollen den Fahrer eines Wetter
sogenannten Kokstaxis stoppen –
Berlin
und der versucht zu entkommen.
Im Oktober 2017 wurden verbo-
tene Kraftfahrzeugrennen von ei-
ner Ordnungswidrigkeit zur Straf-
tat hochgestuft. Seitdem kann
schon die Teilnahme an solchen 26/16°C
Rennen mit bis zu zwei Jahren Wechselnd bewölkt
Haft geahndet werden. (dpa)
B2 tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023

Checkpoint
BERLIN
Berlin
Nothilfe für Kinder und Jugendliche
„Es gibt hier alles an Schicksalen“
Mehr Unfälle durch Radspuren?
Polizei und BVG sehen negative
Auswirkungen auf Verkehrsführung
+ Barbie oder Oppenheimer: Das schaut
Berlins Regierungsmannschaft +
4–9 Weltzeituhr tickt wieder richtig + Jesus
5 bringt Touristen ins Berghain +
Von Ann-Kathrin Hipp und Lotte Buschenhagen
7

D
Gymnasium ab Klasse 5 oder 7? ie Welt sieht gerade
Das sollten Eltern jetzt wissen 8 wahlweise schwarz-
weiß oder pink. Gemein-
Bezirke 10–11 sam füllen „Oppenhei-
mer“ und „Barbie“ Kinosäle wie
Interkultureller Garten -kassen. Der Blick auf Berlin: „Wir
Wurzeln schlagen an der Wuhle 10 haben Oppenheimer bisher 302
Mal gezeigt, Barbie 699 Mal“, teilt
Brandenburg 12–13 Berlins größter Kinoverband, die
Yorck Kinogruppe, auf Check-
Ecstasy und Co. point-Anfrage mit. 188 Barbie- und
Konsum beginnt oft im Jugendalter 13 87 Oppenheimer-Vorstellungen
seien ausverkauft gewesen, ge-
Mediatipps 14–15 meinsam machten beide Filme seit
ihrem Kinostart Mitte Juli etwa 80
Tagestipps 16–17 Prozent der verkauften Kinoti-
ckets aus. Mehr noch: „Die drei
letzten Wochenenden gehörten zu
Kultur in Berlin 18–20 den besucherstärksten in der Ge-
Lebenslust und Agitprop schichte der Yorck Kinogruppe.“
Das Festival Tanz im August ist eröffnet 18 Und was guckt der Berliner Se-
nat? Justizsenatorin Felor Baden-
berg „kam bislang leider nicht da-
Queerspiegel 21 zu, einen der beiden Filme zu se-
hen“. Gesundheitssenatorin Ina
Wirtschaft in Berlin 22–24 Czyborra hat ebenfalls noch kei-
nen der Filme gesehen, „aber als
Tourismus Wissenschaftssenatorin würde sie
Berlin ist wieder begehrter bei Besuchern 22
sich natürlich für Oppenheimer
entscheiden, auch wenn sie als
Wissenschaft in Berlin 26–27 Kind mit Barbies gespielt hat“.
Bausenator Christian Gaebler
Lisa Hoffmann hat zurzeit keinen Kinobesuch ge-
Der Klimawandel und die Kunst 26 plant, aber wenn er sich entschei-
den müsste, „dann ganz eindeutig
Sport in Berlin 28 für den Oppenheimer-Film“. Glei-
ches gilt für Innensenatorin Iris
Ferienrätsel 30–31 Spranger. Wirtschaftssenatorin
Franziska Giffey hingegen plant
„Barbie bald anzuschauen“. Und
Leute 32 auch Bildungssenatorin Kathari-
na Günther-Wünsch votiert für
die pinke Welt: Wenn es der Ter-
minkalender hergibt, sei „ein Be-
such nicht ausgeschlossen“.
+++++++++++
Anderes Thema: Wer hat an der
Weltzeituhr gedreht? Am sponta-
nen Knick im Berliner Raum-Zeit-
Kontinuum (Checkpoint von Mitt-
woch) waren doch keine randalie-
renden Touris schuld. Dass die
Uhr am Alexanderplatz nicht rich-
tig getickt hat, lag in diesem Fall al-
lein an den Bezirkstechnikern:
„Bei der letzten Wartung im Juli
scheint es zu einer Fehleinstellung
gekommen zu sein“, schreibt das
Bezirksamt Mitte mit drei Tagen
Verspätung auf unsere Anfrage.
„Die Uhr ging tatsächlich eine
Stunde nach.“ Jetzt hat das Amt
den Ziffernring wieder vorgestellt
und beruhigt: Die Streiche von
Touristen, die an der Uhr drehten,
seien „mit Einrichtung der Polizei-
wache am Alexanderplatz deut-
lich zurückgegangen“.
+++++++++++
EIL: Jesus lebt in Berlin – und
bringt Touris ins Berghain! Das be-
richtet der „Exberliner“ am Don-
nerstag. Grund für eine Check-
point-Recherche zu göttlichen Fü-
gungen: Tatsächlich sind auf der
Plattform „Airbnb-Experiences“
Touren eines Mannes namens „Je-
sus“ buchbar, der verspricht, Be-
sucher durch die Türen von Berg-
hain, Sisyphos und Co zu schleu-
sen. Kostenpunkt: 199 Euro am
Freitag, 479 Euro am Samstag. Da-
für gibt es aber auch Szene-Outfit,
Champagner und ein Türen-
Coaching: „Mit mir kommt ihr zu
99 Prozent rein.“ Seine Geheim-
tipps wollte Jesus dem Checkpoint
auf Anfrage leider nicht verraten,
doch seine Online-Bewertungen
strotzen von Euphorie und Restal-
kohol: „Vor uns wurden 12 Leute
abgewiesen, aber wir sind beim
ersten Mal reingekommen!“ – „Je-
sus könnte eine Dissertation über
das Berliner Nachtleben schrei-
ben“ – „Applaus an Jesus, dass er
uns den Himmel gezeigt hat!“ Was
das Berghain vom himmlischen
Service hält, hat uns der Club bis
Redaktionsschluss leider nicht
mitgeteilt. Wir vermuten eine
freundliche Kollaboration: Die
Auferstehung am dritten Tage
(Sonntagmittag) gehört dort ja
zum guten Ton.
+++++++++++
Zum Schluss noch erfreuliche Par-
tie Behörden-Pingpong: Check-
point-Leser Patrick wies das Be-
zirksamt Friedrichshain-Kreuz-
berg freundlich darauf hin, dass
sich auf der Brücke über den Kanal
am Ostende des Görlitzer Parks
nach Regen ein eigener Wasserka-
nal bildet. Der Bezirk spielte den
Ball volley weiter zum Senat, der
aber auch nicht verantwortlich
sein wollte und zur Deutschen
Bahn weiterschnibbelte. Die ant-
wortete schließlich, zum Erstau-
nen von Patrick: Wir kümmern
uns. Spiel, Satz, Sieg!
Mitarbeit: Daniel Böldt.
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de
„Wir haben nicht KIEKSTE
damit gerechnet,
dass sich die
Leute so hinter
uns stellen.“
René Grönke betreibt den Späti „Quicky
Markt“ in Kreuzberg und freut sich über die
Hilfe der Anwohner im Kampf gegen drohen-
de Mieterhöhungen. Mehr dazu auf Seite B24.
Artikel 8 GG
Am Freitag sind in Berlin 14 Demonstrationen
angemeldet, darunter „Umwandlung einer
bestehenden Straße zu einer Fahrradstraße“
mit 100 Teilnehmenden de Vereins „Kunger
Kiez Initiative“ in der Bouchéstraße, zwi-
schen Karl-Kunger-Straße und Straße am
Treptower Park (14 Uhr), „Künstlerische Frei-
heit, Legalisierung der Straßenmusik mit
Verstärkern“ mit drei Menschen auf dem
Alexanderplatz (14 Uhr), „Kampagne: Freiheit
für Nawalny“ mit zehn Personen von „Team
Nawalny“, Unter den Linden 63 (15 Uhr) und
„Fridays for Flora“ mit zehn Demonstrieren-
den des Vereins „Berliner Historische Mitte“
auf dem Schloßplatz (17 Uhr).
Stolperstein
Wilhelm Moll kam am 1. Oktober 1900 in
Schwäbisch-Hall zur Welt. 1933 zog er mit
falschen Papieren in die Schweiz. Später kam
er nach Berlin. Wilhelm Moll und seine Frau
waren Unterstützer der Widerstandsgruppe
„Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe“. Sein
Grundstück in Werder/Havel und seine Stadt-
wohnung bot er für illegale Zusammenkünfte
an. Die Gestapo verhaftete ihn 1944. Nach vier
Wochen in Untersuchungshaft beging er vor
genau 79 Jahren Suizid. Auf der Wittelsba-
cherstraße 34 in Wilmersdorf erinnert ein
Stolperstein an Wilhelm Moll.
www.stolpersteine-berlin.de
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Geburtstage
„Einen wunderschönen Geburts-
tag liebe Andrea bei hoffentlich
Spitzensommerwetter wünschen
Eva und Michael.“ / „Ingrid
Böttcher zum 82. die allerherz-
lichsten Glückwünsche von Fa-
milie, Freundinnen und vor allem
von den Schladmingern: bleib
weiterhin putzmunter!“ / Güney
Dal (79), Schriftsteller, ehem.
Journalist für den Sender Freies
Berlin (SFB) / „Wir gratulieren
unserem Chef Uli Davids zum
65. Geburtstag und wünschen
viel Gesundheit, Kraft und wei-
terhin viel Elan. Wir sagen auch
DANKE für die vielen Jahre der
vertrauensvollen Zusammen-
arbeit. Dein Team aus dem
Wohnheim Nostitzstraße.“ /
Peter Eisenman (91), amerikani-
scher Architekt, u.a. Denkmal für
die ermordeten Juden Europas /
Elmar Kraushaar (73), Journa-
list und Schriftsteller, ehem.
Redakteur bei der Berliner Tages-
zeitung (taz) / Jasmin Schwiers
(41), Schauspielerin und Bot-
schafterin des Deutschen Kinder-
hospizvereins / „Michael Tep-
per ist endlich auch 69! Ich gra-
tuliere meinem ‚jungen Mann‘
ganz herzlich zum Geburtstag
und freue mich schon auf ein
Prost im Schwarzwald. Alles
Liebe auch von der restlichen
Familienbande.“
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Hey, ChatGPT: Was sagt die
Künstliche Intelligenz zur Frage
Berliner oder Pfannkuchen?
„Warum hat die KI Angst vor der
Antwort? Weil sie befürchtet, in
eine Zwickmühle zu geraten! Die
Antwort auf diese Frage hängt oft
davon ab, wo man sich befindet.
In Berlin und Umgebung nennt
man das süße Gebäck ‚Berliner‘,
während es in anderen Regionen
als ‚Pfannkuchen‘ bekannt ist.
Eines ist sicher: Egal wie man sie
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B4 tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023

Berlin
Verdrängung in – 2022
Kinderarmut in Berlin
Anzahl der Kinder, die in ALG I-Haushalten leben, Zahl der Kinder

Die Not nimmt und deren Anteil an allen Kindern im Bezirk

am Ende des Jahres 2022
Berlin
154.889
Anteil
an den
Anteil an den Kindern in den Altersgruppen
unter 7 Jahre 7 bis 14 bis unter

nicht ab – sie 24,5%

–0,6%
Kindern in Prozent
Neukölln
unter 14 Jahre 18 Jahre

hat nur neue

34,3 39,9 41,4
Spandau
34,0 34,3 31,0

Orte
Reinickendorf Pankow Anteil Minderjähriger Reinickendorf
14.001 8.541 in SGB-II-Bedarfs- 30,9 31,0 28,6
30,4% 11,5% gemeinschaften Mitte
Lichtenberg Veränderung gegenüber
−1,8% 2,0% 13.853 Dezember 2021 in Prozent)
30,7 38,1 39,7
Spandau Marzahn-Hellersdorf
KOMMENTAR 15.588 Mitte 25,7% 29,3 24,0 21,4
21.552 Marzahn-
33,5% 2,3% Hellersdorf Lichtenberg
2,2% 35,2% 13.415 28,0 24,4 23,1
Charlottenburg- −4,4% 10.972 Berlin gesamt
Christian Latz ist landespolitischer Wilmersdorf
25,6%
24,2 24,8 24,3
24,5% Friedrichshain-
Redakteur und hat die neuesten 8.335 −5,7% −0,2% Tempelhof-Schöneberg
Kreuzberg
Daten zur Kinderarmut in Berlin 17,6% 23,2 25,0 24,5
ausgewertet. 6,3% Friedrichshain-Kreuzberg
Tempelhof- Neukölln
Schöneberg 20,7 26,1 30,2
Es ist ein schlimmer Befund: Je- Steglitz-Zehlendorf
20.418 Treptow-Köpenick Treptow-Köpenick
des vierte Berliner Kind lebt in ei- 5.653 9.075 20,0 18,9 17,8
11,4% 13.486 37,9% Charlottenburg-Wilmersdorf
ner Familie, die auf Sozialleistun- 19,2%
−5,0% 16,6 18,3 18,2
gen angewiesen ist. In manchen 9,9% 24,1% 7,1% Pankow
Bezirken wie Neukölln und Mitte −2,0% 12,6 10,9 10,4
ist der Anteil gar noch ungleich Steglitz-Zehlendorf
höher. Sie alle wachsen nicht nur 12,3 11,5 10,0
in prekären Verhältnissen auf.
Auch ihre Chancen, selbst einmal Quelle: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBJF)/Gesamtjugendhilfeplanung I Stand: 17. Juli 2023

ein besseres Leben zu führen, als

es ihre Eltern ihnen heute ermög-

Immer mehr Fälle am Stadtrand

lichen können, sind geringer als
bei ihren Altersgenossen, die in
Haushalten mit mehr Einkommen

Jedes vierte Kind lebt in Armut

aufwachsen.
Es muss daher auch eine der
wichtigsten Aufgaben des schwarz-
roten Senats sein, Armut in Berlin
zu bekämpfen und insbesondere al-
len Kindern und Jugendlichen der
Stadt durch richtige Förderung die Von Christian Latz
Möglichkeit zu geben, dieser Situa-

F
tion zu entwachsen.
Dramatisch ist die Lage noch ast jedes vierte Kind in Daneben zeigen sich auch zwi- Prozent zurück. Genau umgekehrt
immer in vielen der altbekannten Berlin lebt in einer Fa- schen den zwölf Bezirken teils ist die Entwicklung am Stadtrand:

Viertel wie Wedding, Gesund-
brunnen oder Neukölln, wo die
Armutsquoten seit jeher stadtweit
am höchsten liegen. Allerdings ha-
ben sich längst neue Gegenden am
Stadtrand entwickelt, wo Armut
eine immer größere Rolle spielt.
Dort nehmen die Probleme ge-
messen an der Zahl der betroffe-
nen Kinder weiter zu, während in
Berlins Innenstadt zugleich der
Wohlstand wächst.
Gerade die positive Entwick-
lung in den Innenstadtbezirken
sollte über das eigentliche Pro-
blem daher nicht hinwegtäuschen:
Die Armut in Berlin nimmt nicht
ab, sie hat sich nur verlagert. Eini-
ge ehemalige Brennpunktkieze in
Kreuzberg, Mitte oder Nordneu-
kölln mögen als Vorbild für Berlins
positive Entwicklung gelten. Die-
se beruht jedoch nicht zuletzt
auch auf dem Austausch signifi-
kanter Teile der Bevölkerung
durch steigende Mieten und im-
mer mehr Eigentumswohnungen.
Den Preis für den Hype ums
Berliner Zentrum zahlt manche
Gegend am Stadtrand. Wohin das
im schlimmsten Fall führen kann,
zeigt Frankreichs Hauptstadt Pa-
ris. Dort ist die Innenstadt unbe-
zahlbar geworden, während sich
in den Banlieues immer wieder
die Gewalt Bahn bricht. Davon ist
milie, die Sozialleistun-
gen erhält. Das geht aus
der Antwort der Senats-
verwaltung für Bildung, Jugend
und Familie auf eine Anfrage der
Abgeordneten Katrin Seidel (Lin-
ke) hervor. Innerhalb des vergan-
genen Jahres sank der Wert dem-
nach um lediglich 0,6 Prozent. Die
Zahl verharrt damit nahezu auf
dem im bundesweiten Vergleich
sehr hohen Niveau. Zwar leben an-
teilig die meisten Kinder in Armut
noch immer im Stadtzentrum.
Doch während der Anteil dort zu-
rückgeht, wächst ihre Zahl am
Stadtrand immer weiter.
Zum Jahresende 2022 waren
demnach 154.889 Minderjährige
betroffen. Das sind 24,5 Prozent
der insgesamt in der Stadt leben-
den 632.890 unter 18-Jährigen. Ihr
Anteil liegt in Berlin damit weiter-
hin fast doppelt so hoch wie der
Bundesdurchschnitt von zuletzt
13,1 Prozent. Nur im Stadtstaat Bre-
men ist die Quote laut Statisti-
schem Bundesamt mit 29,4 Pro-
zent noch höher.
Auffällig an den Berliner Zahlen
ist unter anderem der hohe Anteil
an nicht-deutschen Staatsbürgern
in den armutsbetroffenen Haus-
halten. Mit 106.487 leben knapp 69
Prozent der auf Sozialleistungen
angewiesenen Kinder in Familien,
37,9
massive Unterschiede. Am höchs-
ten ist der Anteil mit 37,9 weiterhin
in Neukölln, dicht dahinter liegt
wie in der Vergangenheit Mitte.
Trotz der wohlhabenden Gegen-
Prozent den im Stadtkern liegt dort die
der Minderjährigen Kinderarmutsquote bezirksweit
in Neukölln leben noch immer bei 35,2 Prozent. Da-
in Familien, rauf folgt im Ranking mit Spandau
die Sozialleistungen gleich der erste Stadtrandbezirk:
empfangen – der 33,5 Prozent der Kinder leben in
berlinweit höchste armen Haushalten. Auf Platz vier
Wert. liegt Reinickendorf mit einer Quo-
te von 24,5 Prozent. Ganz anders
die Situation in Steglitz-Zehlen-
dorf: 11,4 Prozent der Minderjähri-
gen im Südwesten der Stadt leben
in Armut – berlinweit der niedrigs-
te Wert. Knapp darüber liegt Pan-
kow mit 11,5 Prozent.
Indiz für Verdrängung
Allerdings zeigt sich bei einem ge-
naueren Blick in die Statistik, wie
sehr sich Berlin und die Bevölke-
rung seiner Stadtteile in den ver-
gangenen Jahren verändert haben:
Trotz der weiterhin hohen Ar-
mutsquoten im Zentrum leben in
der Innenstadt immer weniger ar-
me Familien. Am Stadtrand steigt
ihr Anteil hingegen an.
So nahm die Zahl armer Kinder
im Bezirk Neukölln allein im ver-
gangenen Jahr um fünf Prozent ab.
Auch in Mitte, wo absolut gesehen
In Steglitz-Zehlendorf sprang der
Wert um knapp zehn Prozent nach
oben, in Treptow-Köpenick um 7,1
Prozent.
Den Schluss, dass die einkom-
mensschwache Bevölkerung aus
der zunehmend gentrifizierten In-
nenstadt verdrängt werde, lassen
die Daten jedoch nicht zu. Denn
aus der Statistik geht nicht hervor,
woher ein einzelner Haushalt
kommt oder wohin er geht. Und
auch nicht, ob sich Familien aus
der Armut herausgearbeitet haben
oder in diese plötzlich abgestürzt
sind.
Dennoch sind die Daten zumin-
dest ein Indiz für Verdrängung: In
Friedrichshain-Kreuzberg etwa
leben unter den 14- bis 17-Jährigen
noch 30,2 Prozent in Armut, bei
den Kindern unter sieben Jahre
20,7. Dies spricht dafür, dass zu-
letzt eher Menschen mit höherem
Einkommen in den Bezirk ziehen
und dort eine Familie gründen,
während ärmere Familien die Ge-
gend verlassen mussten. Ähnlich
zeigt sich das Muster auch in Mitte
und Neukölln.
Umgekehrt ist die Entwicklung
in den Außenbezirken. In Mar-
zahn-Hellersdorf liegt der Ar-
mutsanteil unter den jüngsten
Kindern bis sieben Jahre um knapp
acht Prozentpunkte höher als bei
© Rita Böttcher

Berlin zum Glück noch entfernt. in denen mindestens ein Elternteil mit 21.552 noch immer die meisten älteren Jugendlichen. In Lichten-
Dass das auch so bleibt, ist Aufga- eine ausländische Staatsangehö- Kinder in Armut leben, ging der berg beträgt der Unterschied
be des Senats. rigkeit besitzt. Wert innerhalb eines Jahres um 4,4 knapp fünf Prozentpunkte.
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de
D
ie Würfel zeigen elf,
das bedeutet Schloß-
alle, die teuerste Stra-
ße bei „Monopoly“.
Schloßallee, das
könnte bitter werden. Aber der
Zwölfjährige, der eine Kappe trägt,
die Warzenschwein Pumbaa aus
„König der Löwen“ darstellt, der
schiebt seine Figur locker zu der
noblen Adresse. Die Straße gehört
ja ihm, kein Problem also. Fast tri-
umphierend fixiert er kurz Flori-
an, seinen 19-jährigen Mitspieler.
Sie sitzen an einem Holztisch, es
ist elf Uhr vormittags. Nur der Ort
hebt das Spiel aus einer gewöhnli-
chen Alltagsszene: Die beiden sit-
zen im Gemeinschaftsraum des
Kindernotdienstes, Gitschiner
Straße, Kreuzberg.
Der Zwölfjährige lebt seit fünf
Monaten hier. Sein Vater möchte
ihn nicht zu Hause haben. Der Jun-
ge aber würde gerne wieder zu-
rück. Stattdessen sucht man für
ihn eine Einrichtung, in der er in-
tensivpädagogisch betreut wird.
Florian, seit Mitspieler, ist Prakti-
kant im Notdienst.
Alexandra Haberecht steht hin-
ter den Monopoly-Spielern, sie
leitet den Kindernotdienst seit ei-
nigen Wochen. „Was den Bedarf
betrifft, können wir nicht jedes
Kind auf den für ihn sehr geeigne-
ten Platz verteilen“, sagt die Sozi-
alarbeiterin.
Der Brandbrief war eine An-
klage des Schreckens
Dieses Problem stand auch auf der
Liste eines Brandbriefs, den Mitar-
beiter des Kindernotdienstes im
Juni an die Berliner Familiensena-
torin Katharina Günther-Wünsch
(CDU) geschickt haben. Eine An-
klage des Schreckens: Personal-
mangel, Selbst- und Fremdverlet-
zung von Kindern und Jugendli-
chen, sexualisierte Übergriffe,
Kinder, die sich mit spitzen Ge-
genständen und Messern gegen
andere Kinder wehrten, die Poli-
zei als Dauergast. Was hat sich
seither getan?
„Sehr viel hat sich getan“, sagt
Falko Liecke (CDU), Jugendstaats-
sekretär. „Es war eine extrem
schwierige Situation, sie war emo-
tional hoch aufgeladen.“ Liecke ist
an diesem Tag vor Ort, ebenso wie
Günther-Wünsch; die Senatsbil-
dungsverwaltung will öffentlich
die Änderungen in der Gitschiner
Straße präsentieren. Sie will aber
auch das gesamte System der Kin-
der- und Jugendnothilfe zeigen.
Die Gitschiner Straße ist nur ein
Teil davon. Der Mädchen- und Ju-
gendnotdienst in Charlottenburg
und die Kontakt- und Beratungs-
stelle in Kreuzberg gehören auch
dazu.
Alexandra Haberecht deutet mit
einer flüchtigen Handbewegung
in den Raum. „Sie sehen ja, was los
ist“, sagt sie. Nichts ist los. Im Ne-
benraum reden zwei Sozialarbei-
ter mit einem etwa achtjährigen
© David Heerde/David Heerde
Mädchen, auf dem Spielplatz to-
ben vergnügt kleine Kinder. Es hat
sich alles entspannt, das will sie
damit sagen. Die Kinder sind jetzt
nach Altersgruppen getrennt, das
verhindert aggressive Attacken
Der zwölfjährige Junge mit der Kappe lebt seit fünf Monaten im Kindernotdienst in Kreuzberg. Sein Vater
möchte ihn nicht zu Hause haben. Hier spricht er mit einem Praktikanten der Einrichtung.
„Es gibt hier alles an
Schicksalen“ Die Nothilfe
ist oft die letzte Rettung
Von Frank Bachner
von Älteren auf Jüngere, aus der
Senatsbildungsverwaltung sind
ausgebildete Sozialarbeiter zur
Unterstützung gekommen, auch
zwei zusätzliche Träger stellen
Personal. Und was die Polizeiprä-
senz betrifft: „Es ist fraglich, ob
man immer die Polizei hätte rufen
müssen, man kann Dinge auch pä-
dagogisch lösen“, sagt Haberecht.
Die Frage der fehlenden Plätze
für Jungen wie den Zwölfjährigen
mit dem Warzenschwein-Käppi
wird ab September in Rahnsdorf
zumindest teilweise gelöst. Dort
wird eine Einrichtung mit zehn
Plätzen eröffnet, für Jugendliche,
die auf einen für sie optimal pas-
senden Platz warten.
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Sie sollen dort mehr zur Ruhe
kommen als es in der Gitschiner
1956
Straße möglich ist. „Rahnsdorf ist
auch eine Reaktion auf Überlas-
tungsanzeigen, die wir im vergan-
genen Jahr erhalten haben“, sagt
Kerstin Stappenbeck, Abteilungs-
Minderjährige leiterin für Kinder und Jugend-
wurden 2022 in den schutz in der Senatsbildungsver-
Berliner Noteinrichtun- waltung. „Aber es ist noch nicht
gen aufgenommen. das Ende aller Maßnahmen zur
Verbesserung der Situation.“
Denn die Situation wird immer
dramatischer. 2021 wurden 1824
Minderjährige in den drei Notein-
richtungen aufgenommen, 2022
waren es schon 1956, und bis Ende
Juni 2023 sind schon 824 Fälle do-
kumentiert.
Berlin B 5
Der Kinder- und Jugendnot-
dienst ist das letzte Netz, das Be-
troffene auffängt, eine Akutmaß-
nahme. Danach werden nachhalti-
ge Lösungsschritte eingeleitet.
„Ein vierter Standort ist geplant“,
sagt die Senatorin. Vier bis fünf
Plätze werden dort dann zur Ver-
fügung stehen, für Jugendliche
zwischen 13 und 18 Jahren, die
nicht gruppenfähig sind und eine
intensive Einzelbetreuung benöti-
gen. Zwölf Vollzeitstellen sind da-
für vorgesehen, die Kosten: rund
1,5 Millionen Euro. Die kommen
dann zu den 6,5 Millionen Euro,
die jährlich für die drei anderen
Standorte ausgegeben werden.
Minderjährige fliehen vor Ge-
walt und sexuellem Missbrauch
In einem Zimmer des Jugend- und
Mädchennotdienstes liegt eine ro-
sa Bettdecke. Eine 17-Jährige, die
zwar Kontakt zu ihrer Mutter hat,
aber nicht mit ihr zusammen leben
kann, wohnt hier. Im Türrahmen
sagt Anna-Lena Iselhorst, die Lei-
terin des Hauses: „Es gibt hier alles
an Schicksalen.“
Minderjährige fliehen aus Angst
vor Gewalt, Zwangsheirat oder se-
xuellem Missbrauch, sie melden
sich aber auch, wenn sie sich we-
gen schlechter Zensuren nicht
nach Hause trauen oder bei der
Klassenfahrt verloren gegangen
sind.
Zehn Betten gibt es hier, auch
ein Mutter-Kind-Zimmer. Die Al-
tersgruppe der Bewohner liegt
zwischen zwölf und 21 Jahren. 50
Prozent der Minderjährigen mel-
den sich selber oder werden von
der Polizei gebracht. Viele werden
kurz danach ans zuständige Ju-
gendamt weitergeleitet, hier leben
aber auch Menschen wochenlang,
weil sie sich weigern, nach Hause
zu gehen.
Den Brandbrief sieht Iselhorst
skeptisch. „Klar gibt es Problemla-
gen, aber dieser Brief war nicht
zielführend. Ich finde es schwie-
rig, wenn Kinder, die wir schützen
sollen, so in den Fokus gestellt und
derart dargestellt werden.“ Die
Zusammenarbeit mit der Senats-
verwaltung sei sehr eng. „Ich wür-
de so einen Brief nie schreiben“,
sagt sie. Bei ihr gebe es auch keine
Personalprobleme, alle Schichten
seien immer ausreichend besetzt.
120 Mitarbeiter gibt es insge-
samt in den drei Nothilfeeinri-
chungen, nur insgesamt vier Stel-
len sind derzeit unbesetzt, davon
eine in der Verwaltung des Kin-
dernotdienstes und eine als Haus-
wirtschaftshilfe, ebenfalls in der
Gitschiner Straße.
In der Kontakt- und Beratungs-
stelle (Kub) in Kreuzberg steht ei-
ne Tischtennisplatte neben einer
schwarzen Couchgarnitur, auch
Tischfußball kann man hier spie-
len. „Den Raum haben die Jugend-
lichen selber gestaltet“, sagt die
Leiterin Julia Forgber.
Die jungen Menschen, die hier
leben und sich erholen, kommen
häufig von der Straße. Im Kub er-
halten sie warmes Essen, können
duschen und in den Doppelzim-
mern mit den 16 Betten auch über-
nachten.
B 6 Berlin
„Kein Kind mehr“ Warum Schüler
heute noch Jugendweihe feiern
Von Lara Hankeln
G
roß und staatstragend:
Für die „edle Sache
des Sozialismus zu ar-
beiten und zu kämp-
fen“, gelobten 14-Jäh-
rige zu DDR-Zeiten bei ihrer Ju-
gendweihe. Ein Ritual, bei dem Ju-
gendliche zum ersten Mal einen
Anzug oder hohe Schuhe trugen
und schließlich ein Geschenkbuch
mit Titeln wie „Vom Sinn unseres
Lebens“ überreicht bekamen. Da-
mit sollten sie in den „Kreis der Er-
wachsenen“ aufgenommen und an
die sozialistische Ordnung gebun-
den werden.
Auch 34 Jahre nach Mauerfall
begehen Jahr für Jahr mehrere
Tausend Jugendliche in Berlin und
Brandenburg diese Tradition. Oft,
ohne deren Historie zu kennen.
„Über die Geschichte der Jugend-
weihe hab ich mich nicht groß in-
formiert“, sagt etwa Louis, der im
vergangenen Jahr mit 14 Jahren sei-
ne Jugendweihe in der Kultur-
brauerei in Prenzlauer Berg gefei-
ert hat.
Weil die Eltern es nicht anders
kennen
Die Initiative gehe dabei oft von
den Eltern aus, sagt Kevin Kla-
wohn: „Viele Eltern kennen es ein-
fach nicht anders. Sie selbst haben
Jugendweihe gefeiert und die
Großeltern eventuell auch. Die El-
tern möchten diese Tradition ger-
ne fortsetzen und melden ihre
Kinder an.“ Er muss es wissen:
Klawohn ist Präsident des Vereins
Jugendweihe Berlin/Branden-
burg. Seine Mutter kommt aus der
DDR, vor neun Jahren war es bei
ihm so weit. „Das war keine Frage:
Jugendweihe ja oder nein? Son-
dern: Es gibt eine Jugendweihe.
Punkt, aus, Ende.“
Sein Verein ist einer der zwei
größten Anbieter in der Haupt-
stadtregion, dieses Jahr „weihte“ er
3000 Jugendliche. Nach der Wende
seien es noch doppelt so viele gewe-
Ein anderes Ritual sen, Klawohn führt dies auch auf ge-
burtenstärkere Jahrgänge zurück.
Jugendweihe, Kon- Neben dem Verein Jugendweihe
firmation, Firmung – führt auch der Humanistische Ver-
nichts dabei? Anbieter band Berlin-Brandenburg (HVD)
wie „Walk Away“ ver- die Rituale durch, 6600 junge Men-
anstalten, inspiriert schen feierten dort in diesem Jahr,
von den Native Ame- Tendenz steigend.
ricans, alternative In den 1980er Jahren nahmen
Übergangsrituale für über 95 Prozent aller Mädchen und
Jugendliche in der Jungen der 8. Klasse an der Jugend-
„Wildnis“: Camps mit weihe teil. Etabliert um 1850 von ei-
Gesprächen am Lager- nem freireligiösen Pfarrer als Ge-
feuer, gekrönt von genentwurf zu kirchlichen Über-
einer Nacht allein im gangsritualen, wurde die Jugend-
Wald. Mehr Infos: weihe 1933 verboten. Die DDR
abenteuerzentrum- führte sie 1955 wieder ein. Obwohl
.berlin die Teilnahme nicht Pflicht war,
etablierte sich ein Zwang, da man
sonst mit Nachteilen im Schul-
und Berufsleben zu rechnen hatte.
Bekennen muss sich heute nie-
mand mehr, „das widerspricht
dem Selbstbestimmungsrecht von
Jugendlichen“, sagt Thomas Fehse.
Er leitet die Abteilung Jugend beim
HVD Berlin-Brandenburg. „Wir
machen freiwillige Angebote und
kein verpflichtendes Ritual. Das ist
der entscheidende Unterschied
zur DDR.“ Eine weitere Abgren-
zung sei der geänderte Name, die
der Verein dem Ritual gibt: Ju-
gendfeier statt Jugendweihe.
Was genau da der Unterschied
ist, weiß Malia nicht, aus ihrer Fa-
milie hat niemand Jugendweihe
gemacht. Erfahren hat die 14-Jähri-
ge aus Weißensee von der Traditi-
on über Klassenkamerad:innen.
„Am Anfang hatte ich nicht so viel
Lust, weil ich nicht wusste, was auf
mich zukommt“, sagt Malia. Dann
aber erzählten ihr Freunde von ih-
rer eigenen Jugendfeier. „Ich hab
Videos gesehen von der Show. Das
sah sehr spektakulär aus. Da habe
ich mir gedacht, dieser Tag, der ist
besonders und den Tag möchte ich
gerne feiern.“ Zusammen mit ihrer
Schulfreundin Flora nahm sie in
tagesspiegel.de
In der DDR gehörte ein
Bekenntnis zum Sozia-
lismus zum Ritual –
heute muss niemand
mehr irgendetwas
geloben.
diesem Jahr an der Jugendfeier im
Friedrichstadtpalast teil.
Ist es das „Spektakuläre“, die
„Show“, die die Jugendlichen reizt?
Geboten wird viel im Friedrich-
stadtpalast: Es beginnt mit „klassi-
scher Musik, dann laufen alle Ju-
gendlichen eine Treppe herunter,
setzen sich auf ihre Plätze und dann
geht die Zeremonie los“, erinnert
sich Malias Freundin Flora.
Für diese war die Feier auch eine
Alternative zu den Übergangsri-
tualen der Kirchen. „Ich bin zwar
getauft, aber eigentlich nicht gläu-
big“., sagt die 13-Jährige aus Pan-
kow. „Die Konfirmation hat mich
nicht wirklich interessiert – und
deswegen wollte ich die Jugend-
weihe ausprobieren.“
Die Gruppe der Jugendlichen,
die an der Feier teilnehmen, sei di-
verser als man denkt, sagt Fehse
vom HVD. „Es ist schon so, dass
wir beispielsweise muslimische
Jugendliche nicht in dem Maße er-
reichen, wie wir das gerne hätten“,
gibt er zu – und im Osten der Stadt
sei die Tradition natürlich stärker
als im Westen. Trotzdem spiegele
sich die Durchmischung in den
einzelnen Bezirken zunehmend
auch auf der Bühne wider. Häufig,
so Klawohn vom Verein Jugend-
weihe, meldeten sich Klassenver-
bände gemeinsam an. „Jugendli-
che, die nicht aus Deutschland
Malia und Flora bei ihrer Jugendfeier
im Friedrichstadtpalast
Freitag, 11. August 2023
kommen, fühlen sich aus dem Ge-
meinschaftsgefühl heraus ange-
sprochen, mitzumachen.“
Aufregend war für Malia und
Flora weniger das Gemeinschafts-
gefühl als vielmehr der Moment
des im Mittelpunkt Stehens. „Als
unsere Namen einzeln aufgerufen
wurden und ich alleine auf der
Bühne stand, da haben alle nur
mich gesehen, ohne meinen Hin-
tergrund zu kennen, ohne meine
Familie. Das war sehr besonders“,
sagt Flora. Malia versteht das: „Du
warst in dem Moment sozusagen
der Star und alle haben applau-
diert.“ Ein Beifall, den „manche
länger, andere kürzer“ ausleben,
erinnert sich Louis. Auch in der
Kulturbrauerei hatten alle „ihren
eigenen Moment auf der Bühne
und bekommen eine Blume über-
reicht“.
Mit 14 Jahren schon bereit für
die Welt?
Entsprechend viel Vorbereitung
steckten die drei in ihre Outfits:
Einfarbiger, dunkelblauer Anzug,
eine Krawatte und lässige Turn-
schuhe bei Louis, „der Anzug wur-
de extra für die Jugendweihe ge-
kauft“, sagt er. „Bei mir war es eine
lange Recherche für ein bestimm-
tes Kleidungsstück“, erzählt Ma-
lia. Entschieden haben sich Malia
und Flora dann beide für einen
Jumpsuit.
Ist man mit 14 Jahren in der heu-
tigen Welt überhaupt schon bereit
zum Erwachsenwerden? Malia re-
flektiert: „Am Anfang habe ich
schon überlegt, wieso muss ich
das denn jetzt feiern? Ich meine,
ich bin doch eigentlich erst mit 18
wirklich volljährig. Aber dann
dachte ich, du bist jetzt kein Kind
mehr. Und da hat es für mich schon
Sinn ergeben.“
Der Abschied von der Kindheit:
Louis ist aus seiner Feier in der
Kulturbrauerei besonders eine
Diashow in Erinnerung geblieben.
„Unsere Eltern hatten sie hinge-
schickt – Bilder von uns als Babys,
als Kinder, als Jugendliche.“ Was
hingegen „ein Politiker“ in seiner
Festrede gesagt habe, wisse er
nicht mehr. „Ich war sehr aufge-
regt.“
Flora und Malia hingegen erin-
nern sich an das, was ihnen im
Friedrichstadtpalast mit auf den
Weg gegeben wurde: weiter mit ih-
ren Bezugspersonen zu reden.
„Auch wenn wir jetzt erwachsener
sind und uns mehr auf Freunde
verlassen, ist es trotzdem sehr
wichtig, mit der Familie weiterhin
in Kontakt zu bleiben“, fasst Malia
zusammen. Flora ist ein Satz in Er-
innerung geblieben, der viele La-
cher erntete: „Es gibt mehr Ta-
schengeld!“ Aber, fügt Malia hin-
zu: „Auch mehr Verantwortung.“
Das spürt Flora bereits: Sie wird
in ihrer Familie nun mehr in Haus-
haltsarbeiten eingespannt und soll
auch auf ihre kleinen Geschwister
aufpassen. „Außerdem merke ich,
dass ich mich selbst auch anders
© Humanistischen Verband/Kontrastphoto; IMAGO/DETLEV KONNERTH
sehe. Man merkt, dass man kein
Kind mehr ist und auch nicht mehr
als Kind behandelt wird. Das hat
die Jugendfeier gut zum Ausdruck
gebracht.“ Louis darf diesen Som-
mer zum ersten Mal ohne seine El-
tern eine Reise ins Ausland unter-
nehmen – nach Schweden in ein
Ferienlager. „Da wird mir jetzt
schon mehr zugetraut.“
Denn die Jugendweihe sei nicht
nur ein Übergangsritual für die Ju-
gendlichen in die Welt der Er-
wachsenen, sagt Kevin Klawohn:
„Sie ist auch ein Schubs, langsam
loszulassen – für die Eltern.“
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de Berlin B 7

Mehr Unfälle durch Radspuren? Polizei und BVG

sehen negative Auswirkungen auf Verkehrsführung
Von Sigrid Kneist trotz jahrelanger Vorbereitung gut nige Radfahrer auf dem Tempel- mit Radverkehrsbeteiligung nicht
gemeinte Verkehrspolitik das Ge- hofer Damm und dem Mariendor- oder nur leicht, ist es tatsächlich ei-
genteil von gut gemacht ist.“ fer Damm unterwegs. ne positive Entwicklung“, schreibt

D
Bei der Betrachtung der Zahlen Verkehrsstadträtin Saskia Ellen- sie auf Twitter. Die Spur auf dem
ie Einrichtung der Rad- von Unfällen mit Radfahrern muss beck weist auf die eingeschränkte Mariendorfer Damm ist bisher
spur auf dem Tempelho- man auch hier berücksichtigen, Vergleichbarkeit der Daten hin. auch nur zu einem Teil mit Pollern
fer Damm ab dem Jahr dass die Zahl der Radler seit dem „Entsprechend müssen Unfallzah- geschützt. Auch auf der Stuben-
2021 soll sich nach Auf- Anlegen der Radspuren dort stark len ins Verhältnis gesetzt werden. rauchbrücke in Richtung Innen-
fassung von Polizei und Berliner gestiegen ist. Vor 2021, als es noch Poller und Baken sollen Wenn der Radverkehr massiv zu- stadt gibt es bisher nur eine provi-
Verkehrsbetrieben (BVG) „nega- keine Radspur gab, waren nur we- Radler schützen. nimmt und die Anzahl der Unfälle sorische Spur auf dem Gehweg.
tiv auf die allgemeine Verkehrs-
führung“ ausgewirkt haben, „was ANZEIGE
zur Erhöhung der Verkehrsunfall-
zahlen in diesem Bereich beigetra-
gen haben könnte“. So heißt es in
der Antwort von Staatssekretärin
Nicola Böcker-Giannini (SPD) der
Senatsverwaltung für Inneres und
Sport auf eine Anfrage des CDU-
Abgeordneten Christian Zander.
Dass der Autoverkehr nun eine
Spur weniger habe, wie es in der
Antwort heißt, stimmt nur bedingt.
Der Radweg wurde durchgehend
auf dem Parkstreifen errichtet, je-
doch verengt sich an mehreren
Kreuzungen die Fahrbahn wegen
der Abbieger auf eine Spur für den
geradeaus fahrenden Verkehr.
Im Vergleich zu 2020 ist die Zahl
der Unfälle, an denen Lastwagen
und Pkw beteiligt waren, in den
folgenden beiden Jahren stark ge-
stiegen. Gab es 2020 auf dem Tem-
pelhofer Damm 614 Unfälle, waren
es 693 Unfälle im Jahr 2021 und 718
im Jahr 2022. Bei den Zahlen muss
man berücksichtigen, dass pande-
miebedingt die Verkehrsdichte
unterschiedlich war. Im Vorpan-
demiejahr 2019 lag die Zahl aller-
dings noch höher bei 830 Unfällen.
Auf dem anschließenden Mari-
endorfer Damm bis Alt-Mariendorf
sieht diese Bilanz anders aus. 2020
wurden dort 264 Unfälle registriert,
2021 waren es 479 Unfälle, 2022 ging
die Zahl dann allerdings wieder zu-
rück auf 333 Unfälle, lag aber den-
noch deutlich über der Zahl im vor-
pandemischen Jahr 2019 mit 286
Vorkommnissen. Die Zahl der bei
Unfällen Verletzten stieg in diesem
Straßenabschnitt von 31 im Jahr
2020 auf 44 im Jahr 2022. 2019 wur-
den 29 Menschen verletzt.

„Gut gemeint“, aber nicht „gut

gemacht“
„Vor allem auf dem nördlichen
Mariendorfer Damm ist die Fahr-
bahnführung suboptimal, da ein
ständiger Wechsel von zwei Fahr-
spuren auf eine Fahrspur an den
Knotenpunkten erfolgt“, sagt Zan-
der. Auch seien die Markierungen
gerade bei Dunkelheit und Nässe
nicht zu erkennen. Die Fahrbahn-
führung müsse deutlich verbes-
sert werden. Für Zander ist es auch
ein Warnzeichen, dass sowohl auf
dem Tempelhofer Damm als auch
auf dem Mariendorfer Damm die
Zahl der Unfälle mit Radfahrern
im Zeitraum von 2020 bis 2022 ge-
stiegen ist, obwohl die Radwege
sie schützen sollen.
Die Zahl erhöhte sich von 25 auf
31 auf dem Tempelhofer Damm,
von sechs auf 14 auf dem Marien-
dorfer Damm. „Dies zeigt den
dringenden Handlungsbedarf ins-
besondere an den Knotenpunkten,
© IMAGO/Andreas Friedrichs

da der Schwerpunkt der Unfälle

mit dem Radverkehr bei den Ab-
biegevorgängen liegt“, sagt Zan-
der. „Die Umgestaltung der B 96 in
diesem Abschnitt ist leider ein
klassisches Beispiel dafür, wie
B 8 Berlin tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023

In Kürze

GROSSDEALER FESTGENOMMEN
Polizei beschlagnahmt
Millionen-Vermögen
Die Berliner Polizei hat einen
professionell organisierten Dro-
genhändler gefasst und mehr als
eine Million Euro Vermögen
sowie diverse scharfe Schuss-
waffen beschlagnahmt. Der 35-
Jährige soll hunderte Kilogramm
Marihuana, Haschisch und Ko-
kain verkauft und zudem in ei-
nem Fall eine Kriegswaffe zum
Kauf angeboten haben, teilten
Polizei und Staatsanwaltschaft
am Donnerstag mit. Auf die Spur
kam die Polizei dem Mann durch
abgehörte Nachrichten mit so-
genannten Encrochat-Handys,
die vor einigen Jahren entschlüs-
selt worden waren. Bereits am
Dienstag wurden fünf Wohnun-
gen, zwei Geschäftsräume sowie
fünf Bankschließfächer in Neu-
kölln, Mitte, Friedrichshain-
Kreuzberg und Charlottenburg-
Wilmersdorf durchsucht. (dpa)
Die fünften Klassen an den Oberschulen haben besondere Profile, zum Beispiel eine Musikbetonung.

ABGEDECKT MIT PLASTIKFOLIE

Gymnasium ab Klasse 5 oder 7?

Mann tankt über 500 Liter
Diesel in Regentonnen
Der Fahrer eines Kleintrans-

Das sollten Eltern jetzt wissen

porters soll in Tempelhof-Schö-
neberg drei Regentonnen mit
knapp 510 Liter Diesel betankt
haben. Der Mann habe die Ton-
nen ungesichert und nur mit
losen Deckeln und Frischhaltefo-
lie bedeckt auf die Ladefläche Von Susanne Vieth-Entus
gestellt, teilte die Polizei Berlin

auf Facebook mit. Ein Zeuge
hatte die Beamten bereits Anfang
August verständigt, die den
Mann kurz nach seiner Anfahrt
stoppten, hieß es. Beim Bremsen
sei demnach Treibstoff auf die
Straße geschwappt. Die Beamten
hätten festgestellt, dass der Mann
die knapp 900 Euro für den Die-
sel mit der Tankkarte seiner
Firma bezahlt haben soll. (dpa)
510 Liter Diesel: Ungesichert und mit
Frischhaltefolie bedeckt auf der
Ladefläche
OBERVERWALTUNGSGERICHT
Kein Anspruch auf Unterhalt
nach Samenspende
Eine alleinerziehende Mutter hat
für ihr Kind, das mithilfe einer
Samenspende nach dem Samen-
spenderregistergesetz gezeugt
wurde, keinen Anspruch auf Un-
terhaltsvorschuss. Das hat das
Oberverwaltungsgericht Berlin-
Brandenburg entschieden und
damit die Auffassung der Vor-
instanz bestätigt, teilte das Gericht
D
ie Einschulung war
gefühlt vorgestern –
da macht sich unter
Tausenden Berliner
Dritt- und Viertkläss-
ler-Eltern bereits Unruhe breit.
Grund dafür sind oftmals „Absetz-
bewegungen“ anderer Familien,
die entschlossen sind, mit dem
Weggang von der Grundschule
nicht bis zum Ende der sechsten
Klasse zu warten, sondern bereits
nach der vierten Klasse zu gehen.
Andere Eltern fühlen sich weni-
ger durch besagte Absetzbewe-
gungen irritiert und herausgefor-
dert als durch die Langeweile und
Unterforderung, die ihr Kind sig-
nalisiert. Denn nicht allen Lehr-
kräften an den Grundschulen ge-
lingt es, den Unterricht für alle
Kinder gleichermaßen interessant
zu gestalten. Dann ist die Frage:
bleiben oder gehen?
In Berlin sind es nur etwa zehn
Prozent der Familien, die sich fürs
Gehen entscheiden. Diese geringe
Nachfrage liegt allerdings nicht
nur am mangelnden Interesse,
sondern auch an der rigorosen Be-
schränkung der sogenannten
grundständigen Klassen, wie die
Jahrgangsstufe 5 und 6 an vielen
Gymnasien und wenigen Sekun-
darschulen genannt werden. Denn
Was, wann? in Berlin – und Brandenburg – ist
die Grundschule in der Regel
Die Bewerbungsfristen sechsjährig, während sie in allen
für die fünften Klassen anderen Bundesländern vierjährig
der Oberschulen ste- ist. Diese Besonderheit, die sich
hen für das Schuljahr aus dem Alliiertenstatus West-
2024/25 noch nicht Berlins ergab und nach der Wende
fest. Laut Bildungs- an das brandenburgische Nach-
verwaltung ist davon barland übertragen wurde, gilt ge-
auszugehen, dass es meinhin in Berlin als akzeptiert.
im Wesentlichen bei Allerdings hat die Diskussion
den Abläufen der über den Berlin-Brandenburger
Vorjahre bleibt: Sonderweg nie ganz aufgehört.
Vielmehr kommt es Jahr für Jahr
• Dezember: Ankündi- vor, dass weitere Oberschulen An-
gung der Eltern träge auf die Zulassung von fünf-
gegenüber der Klas- ten Klassen stellen. Auch zum
senleitung, dass der letzten und zum kommenden
frühe Wechsel ge- Schuljahr gab und gibt es wieder
wünscht wird. mindestens eine weitere Schule,
die ein oder zwei fünfte Klassen
• Januar: Beratungs- aufmacht, also früher anfängt. In-
gespräch an der zwischen gibt es diese Angebote
Grundschule. Eig- schon an 50 von rund 200 weiter-
nungstests/In- führenden Schulen.
telligenztests für die Grundschullehrkräfte werden
Schnelllernerklas- an dieser Stelle hellhörig: Für sie
sen. Aushändigung hat besagte Absetzbewegung vor
der Halbjahreszeug- allem Nachteile, denn sie verlieren
nisse zusammen in der Regel vor allem die leis-
mit der Förderprog- tungsstärkeren Schüler, sodass das
nose. Niveau in Klasse 5 und 6 sinkt. In
eher bürgerlich geprägten Bezir-
• Februar: Anmel- ken wie Pankow und Steglitz-Zeh-
dung an der Erst- lendorf verlassen derart viele Kin-
wunschschule. der ihre Grundschulen vorfristig,
dass sogar fünfte Klassen zusam-
gaben und Problemstellungen
selbstständig zu bearbeiten.“
Hingegen bilde ein sehr guter
Notendurchschnitt am Ende der
vierten Klasse, der aber auf Aus-
wendiglernen und die Hilfe der El-
tern zurückzuführen sei, „keine
gute Voraussetzung für das Beste-
hen am Gymnasium.“ Denn ab der
fünften Klasse komme es ganz
stark darauf an, erworbenes Wis-
sen fächerübergreifend anzuwen-
den. Zusätzlich müssten vielfälti-
ge Lernstrategien bekannt und
verfügbar sein.
Berücksichtigen sollten die El-
tern in jedem Fall auch die psycho-
logische und soziale Komponente,
empfiehlt Richter: „Kann ihr Kind
mit dem erhöhten Leistungsdruck
und der Tatsache, dass es eventu-
ell auf einmal zu den schlechtes-
ten Schüler*innen der Klasse ge-
hört, umgehen? Sind die sozialen
Kompetenzen des Kindes so ent-
wickelt, dass es sich ohne gravie-
rende Schwierigkeiten in der neu-
en Situation einfinden kann?“,
sollten sich die Eltern fragen.
In jedem Fall sollten die Famili-
en das Gespräch mit der Klassen-
lehrerin oder dem Klassenlehrer
suchen, die das Kind gut kennen:
„Gemeinsam kann man ein Für
und Wider zum Wohle des Kindes
abwägen, und in der Regel kann
keiner die Lernvoraussetzungen
der Kinder besser und objektiver
© dpa; Kai-Uwe Heinrich; Tagesspiegel/Kitty Kleist-Heinrich (3)

mit. Die Revision wurde nicht
zugelassen. Zwar habe das Kind
nach dem Samenspenderregister-
gesetz einen Anspruch darauf, zu
erfahren, wer sein biologischer
Vater sei. Ein Rückgriff der Unter-
haltsvorschussstelle auf den ande-
ren Elternteil sei aber aussichtslos.
Die mit dem Samenspenderregis-
tergesetz in Kraft getretene Re-
gelung im Bürgerlichen Gesetz-
buch schließe es aus, dass der
Samenspender als rechtlicher
Vater festgestellt werde. (dpa)
• März/April: An- mengelegt werden müssen.
meldung an der
Zweit-, dann an der Das sagt der Leiter einer Grund-
Drittwunschschule. schule
Auch wenn das Thema für Grund-
schulen somit heikel ist, plädiert
Guido Richter vom Verband der
Berliner Grundschulleitun-
gen (VBGL) dafür, die Entschei-
dung nicht von der Schule, son-
dern vom Kind her zu denken. Der
Kinder, die nach Klasse 4 wechseln, frühe Wechsel mache dann Sinn,
sollten selbständig lernen und mit wenn es in der Lage sei, „komplexe
Leistungsdruck umgehen können. Sachverhalte zu erfassen und Auf-
beurteilen, als die, die das Kind
täglich im Lernprozess erleben“,
ist sich Richter sicher, der die
Lichtenberger Grundschule am
Orankesee leitet.
Welche Rolle das Losverfahren
der Siebtklässler spielt
„Leider“, so sagt Richter, versuch-
ten mittlerweile viele Eltern aus
taktischen Erwägungen, ihre Kin-
der nach der vierten Klasse aufs
Gymnasium zu bekommen. Sie be-
fürchteten nämlich, dass es am En-
Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de Berlin B 9

de der sechsten Klasse deutlich

schwieriger werden könnte, das
Kind auf dem Wunschgymnasium
unterzubringen.
Tatsächlich steigt die Angst der
Eltern vor dem Übergang nach der
sechsten Klasse, je enger es an den
Schulen wird: Wie berichtet, lan-
den rund zehn Prozent der Siebt-
klässler nicht auf einer ihrer
Wunschschulen. Nach monatelan-
ger Anspannung erfahren sie erst
im Frühsommer, dass sie beim
Auslosen kein Glück hatten und
woanders unterkommen müssen.
Oftmals finden sie sich dann zwi-
schen „Restschulen“ wieder.
Die Familien sind nach der
sechsten Grundschulklasse aber
nicht nur dem Losverfahren aus-
geliefert, sondern auch der jähr-
lich unberechenbar wechselnden
Nachfrage: Niemand kann vorher
sagen, an welcher Schule es Chan-
cen geben wird – und an welcher
nicht. Selbst mit Spitzennoten
kann man scheitern.
Hingegen ist das Aufnahmever-
fahren an den grundständigen
Schulen weitgehend berechenbar,
wenn man sehr gute Noten hat.
Richter will denn auch nicht kom-
plett von einer Bewerbung dort
abraten. Schließlich sollten sich
besonders begabte Kinder nicht
im Unterricht langweilen müssen.
Es stelle die Lehrkräfte vor „enor-
me zusätzliche Herausforderun-
gen“, potenziell unterforderte
Schülerinnen und Schüler nach ei-
nem „individuellen Lernplan“ zu
unterrichten. Diese enorme zu-
sätzliche Herausforderung ziehe
unter Umständen so viel Energie,
die bei der Begleitung der anderen
Kinder zu fehlen drohe.
Das sagt der Leiter eines Gym-
nasiums
„Ich bin überzeugt, dass es für ei-
nige Kinder gut ist, auf ein grund-
ne Auffälligkeiten“, bilanziert die
Bildungsverwaltung.
Über einen der größten Erfah-
rungsschätze mit den jungen
Gymnasiasten verfügt Ralf Trep-
tow, der langjährige Leiter des
Pankower Rosa-Luxemburg-Gym-
nasiums. Seine Schule nimmt seit
1996 im Rahmen der Begabtenför-
derung Kinder ab der fünften
Klasse auf, also die sogenannten
Schnelllerner.
„Nie“ habe er Schülerinnen und
Schüler an die Grundschule zu-
rückschicken müssen, sagt Trep-
tow. Die beim Aufnahmetest er-
reichte Punktzahl sei „viel zu vali-
de“ bezüglich der Prognose.
Gymnasien verfügen über mehr Fachlehrkräfte als Grundschulen.
Das macht sich auch schon in Klasse 5 und 6 bemerkbar. Die politische Diskussion geht
weiter
Kinder, die sich in der Grund- Das Für und Wider des frühen
schule langweilen und gute Noten Wechsels wird intensiver geführt,
hätten, ohne viel zu tun, könnten seitdem Berlin nach der Wende
allerdings Probleme bekommen, Hauptstadt wurde: Für mobile Fa-
wenn sie am Gymnasium plötzlich milien aus den anderen Bundes-
größerer Konkurrenz ausgesetzt ländern kann die sechsjährige
seien, ist Freeses Erfahrung. Aller- Grundschule besonders dann zum
dings sei es besser, diese Erfah- Problem werden, wenn ihre Kin-
rung frühzeitig mit neun oder der bereits in der weiterführenden
zehn Jahren zu machen als erst mit Schule sind und nicht zurück in ei-
Beginn der Pubertät, wenn der re- ne Grundschule wollen. Seither
guläre Wechsel zur Oberschule wurden die grundständigen Ange-
stattfindet. bote daher ausgeweitet.
Das fünfte und sechste Schul- Linke und Grüne möchten die
jahr seien zwei Jahre, in denen die grundständigen Klassen am liebs-
Schüler noch „sehr an den Er- ten abschmelzen, die SPD will den
wachsenen orientiert“ seien. Sie Status quo wahren, die CDU vo-
hätten da noch „Lust und Freude tiert für einen bedarfsgerechten
an der Schule“, seien bei der Sa- Ausbau. Was den Kritikern der
che. Wenn dieses Potenzial nicht sechsjährigen Grundschule in die
ausgeschöpft werde, sei das „ein- Hände spielt, ist der exorbitant ho-
fach sehr schade“, weil die Kinder he Anteil an Quereinsteigenden in
dann in die Pubertät kämen und den Grundschulen.
dann oftmals weniger zum Lernen Zudem gibt es an den Grund-
bereit seien. schulen infolge des dort überpro-
Wenn aber bis zur sechsten portionalen Lehrkräftemangels
Klasse „die Grundlagen gelegt, gut auch viel weniger Fachlehrer als
gelegt wurden“, dann könnten die an weiterführenden Schulen oder
Kinder in der zehnten Klasse wie- gar an Gymnasien. Mithin vertrau-
der daran anknüpfen und erfolg- en Eltern immer weniger darauf,
Ermittlungen
Schulleiterin
vorerst versetzt
Nach den Personalquerelen an der
Schulfarm Insel Scharfenberg gibt
es ein weiteres Leitungsproblem an
einer Berliner Schule mit Sonder-
status. Diesmal geht es um das Fran-
zösische Gymnasium in Tiergar-
ten, das die Bildungsverwaltung zu-
sammen mit der Französischen
Botschaft führt. Die deutsche
Schulleiterin wurde in dieser Wo-
che „vorerst umgesetzt“, wie ihr
Anwalt Jens Brückner dem Tages-
spiegel bestätigte. Zuerst hatte die
„Berliner Morgenpost“ über den
Fall berichtet. Es geht um den Vor-
wurf „finanzieller Unregelmäßig-
keiten“. Die Versetzung der seit
2015 tätigen Leiterin sei mündlich
angekündigt worden, weshalb er ei-
nen Antrag auf einstweiligen
Rechtsschutz gestellt habe, sagte
Brückner. Der Antrag entfalte aber
keine aufschiebende Wirkung.
Die Staatsanwaltschaft teilte auf
Anfrage mit, dass sie „acht bis neun
Monate“ ermittelt habe. „Der für ei-
ne Anklageerhebung erforderliche
hinreichende Tatverdacht lag nach
den Ermittlungen nicht vor, der An-
fangsverdacht hat sich also nicht
bestätigt“, lautete am Donnerstag
die Auskunft der Staatsanwalt-
schaft. Nach Informationen des Ta-
gesspiegels geht es bei den angebli-
chen „finanziellen Unregelmäßig-
keiten“ um ein Prozedere, das seit
rund 20 Jahren an der Schule üblich
gewesen sei und bei dem sich nie-
mand bereichert habe. Infolge
schulinterner Intrigen sei der Vor-
gang skandalisiert worden. Die Bil-
dungsverwaltung nahm nicht Stel-
lung, da es sich um eine „personelle
Einzelangelegenheit“ handele.

ständiges Gymnasium zu gehen“,
sagt denn auch der langjährige
Gymnasialleiter Jörg Freese. Das
gelte vor allem für die, die an der
Grundschule „grundsätzlich un-
terfordert sind, die gern und leicht
lernen.“ Sie sollten – insbesondere
in Mathematik und der Fremd-
sprache – „gute, nicht unbedingt
sehr gute Noten haben.“
Freese kennt die Fragestellung
aus unterschiedlichen Perspekti-
ven. Zunächst leitete er das Neu-
köllner Albrecht-Dürer-Gymnasi-
um, das ein Angebot für Schnell-
reich ihr Abitur machen.
Kaum jemand scheitert an der
Probezeit
Offenbar können die Eltern bei ei-
nem frühen Wechsel aufs Gymna-
sium wenig verkehrt machen. Da-
rauf deutet nicht nur die Erfah-
rung von Schulleitern wie Freese
hin, sondern auch Angaben der
Bildungsverwaltung. Sie weiß
nichts über Kinder, die im Probe-
jahr an den grundständigen Schu-
len scheitern.
Zur Veranschaulichung nennt
50
dass leistungsstarke Kinder an Zuständig für das Gymnasium ist
Grundschulen ebenso gut geför- die Aufsicht der zentral verwalte-
dert werden wie an Gymnasien. ten Schulen. Sie ist seit Jahren in der
Wenn dann auch noch viele Freun- Kritik, so etwa rund um die Verwer-
de aus der Grundschulklasse nach fungen an der Staatlichen Ballett-
Oberschulen der vierten Klasse ihren Weggang schule und zuletzt um die Schul-
beginnen mit der ankündigen, gibt es oft kein Halten farm Scharfenberg, deren beliebter
fünften Klasse. mehr. Leiter gehen musste. (sve/mrg)
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lerner hat. Danach wurde er Gym- sie folgende Zahlen: Aus 1907

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Senatsverwaltung für Bildung, den demnach im Folgejahr 1924.

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schließlich wechselte der Pädago- Diese Zahlen deuten also nicht auf

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B 10
Bezirke
Charlottenburg-Wilmersdorf
Nach Sanierung
Ludwigkirchplatz
ist wieder schön
Als besonders hübsche, kleine
Grünanlage gilt der nach der ka-
tholischen Kirche St. Ludwig be-
nannte Platz in Wilmersdorf. Seit
ein paar Tagen kann man es sich
dort endlich wieder gemütlich
machen. Die Beete wurden neu be-
pflanzt, und auch der Brunnen auf
dem Platz sprudelt.
Eine Mitte Februar gestartete
Wegesanierung hatte sich verzö-
gert. Das Grünflächenamt beklag-
te, Unbekannte hätten die Baustel-
le auf dem Platz „wiederholt betre-
ten“ und sogar „Flächen offen-
sichtlich mutwillig zerstört“.
Mit Geld aus einem Sonderpro-
gramm des Berliner Senats für die
„Stadtverschönerung“ wurden die
Wege erneuert, aber auch Flächen
entsiegelt, mehr Sitzbänke und Pa-
pierkörbe aufgestellt, drei kleine
Kirschbäume gepflanzt, die Bereg-
nungsanlage modernisiert und die
„Versickerungsfähigkeit“ des Bo-
dens nach Regen verbessert. Zum
Rondell, das etwas tiefer liegt, gibt
es jetzt auch einen barrierefreien
Zugang. Cay Dobberke
Pankow
Kein Betreiber
Fest an der Panke
fällt ins Wasser
Das „Fest an der Panke“ findet die-
ses Jahr nicht statt. Das hat das Be-
zirksamt mitgeteilt. Geplant war
das Pankefest traditionell für das
zweite September-Wochenende –
wie seit 1970 – auf dem Anger in
der Breiten Straße .
Das Bezirksamt habe vergeblich
nach einem Veranstalter gesucht,
der das Fest eigenverantwortlich
plant und durchführt: „Trotz zahl-
reicher Bemühungen und Ver-
handlungen mit potenziellen Be-
treibern konnte – zuletzt nach ei-
ner krankheitsbedingten Absage –
bis Mitte Juli kein geeigneter Ver-
anstalter gefunden werden.“
Das Fest war wegen Corona be-
reits 2020 und 2021 ausgefallen. Im
vorigen Jahr wurde es vom Be-
zirksamt gemeinsam mit dem Tou-
rismusverein Pankow und einem
Marktbetreiber wiederbelebt.
Nächstes Jahr soll es einen neuen
Anlauf geben. Christian Hönicke
Im Köpenicker Wuhlegarten gedeihen nicht nur Pflanzen, sondern auch Freundschaften zwischen Menschen aus vielen Nationen.
Treptow-Köpenick
Zu Besuch im interkulturellen Garten
Wurzeln schlagen an der Wuhle
Von Julia Schmitz
Es ist ein Ort wie aus einem Mär-
chenbuch: Nur wenige Schritte
vom Cardinalplatz und der Wuhle
in Köpenick entfernt, führt ein
kleines Tor in den Wuhlegarten. In
dem steht jetzt, im Hochsommer,
alles in voller Blüte: Feuerbohnen
und Tomaten schlängeln sich an
den Holzgittern in die Höhe, Rin-
gelblumen durchsetzen die Beete
mit bunten Tupfern.
In einer Ecke des Gartens stehen
vier Bienenstöcke, es summt und
brummt. Mehr als 60 Mitglieder
aus 18 Nationen kommen regelmä-
ßig hier im „Interkulturellen Gar-
ten“ zusammen, um in den Beeten
zu graben, gemeinsam zu kochen
oder einfach nur die grüne Oase zu
genießen.
Geflüchtete Frauen vermissten
ihren Garten
Was macht einen Gemeinschafts-
garten denn zu einem interkultu-
rellen Garten? Das Konzept dafür
stamme ursprünglich aus Göttin-
gen, erzählt Yvonne Neis, die seit
acht Jahren Teil des Vereins Wuh-
legarten e.V. ist. Vor rund 20 Jahren
traf sich dort in einem Gemein-
schaftszentrum regelmäßig eine
Gruppe geflüchteter Frauen. Als
eine Mitarbeiterin diese fragte,
was sie den aus ihrer Heimat am
meisten vermissen, antworteten
sie übereinstimmend: unseren
Garten.
„Das hatten Frauen aus dem ehe-
maligen Jugoslawien, aus dem Irak
und aus Afghanistan gemeinsam
mit Frauen aus Deutschland. Der
Garten entstand also mit dem Ge-
danken, dass sich durchs Gärtnern
über Sprachbarrieren hinweg ein
Stück Heimat wiederherstellen
lässt – wenn es auch nur auf einer
kleinen Parzelle, in einem Beet
ist“, sagt Neis.
Mit Unterstützung des Bezirks-
amtes Treptow-Köpenick fanden
die Gründerinnen und Gründer
des Gartens im Jahr 2003 das
Grundstück an der Wuhle, ein ehe-
maliges Laubengelände. Übrigge-
blieben sind davon drei Häuser,
der Rest der 4000 Quadratmeter
ist offen gestaltet. Es gibt einen
Lehmofen zum Brotbacken und
Grillstellen, einen kleinen Spiel-
platz für Kinder und zahlreiche
Rückzugplätze unter Obstbäu-
men. In den 20 Jahren hat sich der
Garten in eine kleine Oase ver-
wandelt. „Es ist eine Nachbar-
schaft in der Nachbarschaft. Ein
geschützter Raum“, sagt Neis.
Die Menschen kommen unter
anderem aus der Mongolei und
aus England, aus Syrien und
Deutschland, Sri Lanka, dem Liba-
non, Afghanistan und Rumänien.
Manche davon leben schon länger
in Berlin, manche sind erst vor
Kurzem in den Bezirk gekommen.
„Es ist kein Zugangskriterium,
tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023
”
dass man Deutsch spricht“, sagt
Annika Kluth. Seit vier Jahren
gärtnert sie mit, ist mittlerweile
Es ist eine Nach- Mitglied des Vorstands. Aber viele
würden die Sprache über die Zeit
barschaft in der lernen, sozusagen mit den Pflan-
Nachbarschaft, zen nach und nach eigene Wurzeln
schlagen.
ein geschützter
Tipps für Berlin von der Familie
Raum.
Yvonne Neis,
aus Eritrea
Außerdem profitieren alle gegen-
Mitglied im seitig von den Erfahrungen mit
Wuhlegarten-Verein dem Anbau von Gemüse: „Wir hat-
ten mal eine Familie aus Eritrea,
die hat ihre Beete immer viel tiefer
als andere gegraben. Einmal die
Woche hat sie diese ausgiebig be-
wässert, fast schon unter Wasser
gesetzt, die restliche Zeit gar
nicht“, erzählt Neis. Pflanzen wür-
den tiefer wurzeln und resistenter
werden, wenn sie seltener gegos-
sen würden. Weil es in Berlin
durch den Klimawandel auch im-
mer längere Hitze- und Trocken-
phasen gebe, sei das eine wichtige
Kontakt und Info Erkenntnis.
Während die klimatischen Ver-
Der Garten am Cardi- änderungen den Gärtnerinnen
nalplatz 1c ist von und Gärtnern durchaus Sorgen be-
April bis Oktober sonn- reiten, ist die Zukunft des Wuhle-
tags zwischen 15 und gartens hingegen gesichert. Die
17 Uhr geöffnet oder Pacht für das Grundstück ist ge-
nach Absprache unter ring, der Pachtvertrag ist auf viele
© Julia Schmitz
info@wuhlegarten.de, Jahre unterschrieben. So kann es
mehr Infos auf wuhle- hier noch lange blühen, zwit-
garten.de. schern und summen.
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de Bezirke B 11
Damit Sie noch besser wissen, was in Ihrem Bezirk
passiert, informieren wir Sie einmal die Woche in
unseren Newslettern „Tagesspiegel Bezirke“ über
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Spandau

Gutspark Neukladow Die neue Allee Steglitz-Zehlendorf Tempelhof-Schöneberg

Laib und Seele Wertvolle Gabe

und ihr dunkles Geheimnis
Was für ein schöner Ausflugsort!
Im Rücken hat der Besucher das
alte Gutshaus, vor der Nase die
Havel und den Wannsee: Das Pa-
norama am Gutspark Neukladow
ist traumhaft.
Doch das Idyll ist trotz vieler Se-
natspläne ganz schön verlottert.
Die Wege sind krumm und schief,
Treppen bröckeln, alte Häuser
verrotten am Kladower Ufer. Und
rumpelig war auch die Platanenal-
lee vom Eingang am Kladower
Damm hinab zum Café auf dem
Havel-Plateau. Vorbei. Der Stol-
perweg wird nach langer Bauzeit
am heutigen Freitag, 11. August,
wieder eröffnet. Das teilte Bau-
stadtrat Thorsten Schatz (CDU)
mit – passend zur Rückkehr des
sonnigen Ausflugswetters in den
kommenden Tagen.
Anwohner Gerhard Bertling, Le-
ser des Spandau-Newsletters, hat
schon vorher auf der Baustelle am
Havelufer vorbeigeschaut und
wunderte sich über den außerge-
wöhnlich dunklen Belag des Wegs
hinab zum Fluss. Soll das etwa so
bleiben?
Die Allee wird aber noch aufge-
hellt – so wie die anderen Wege im
Gutspark. „Der verbaute dunkle
Asphalt wird im Rahmen der wei-
teren Bauabschnitte gestrahlt, so-
dass der helle Splitt des Asphalts
sichtbar wird“, erklärt Baustadtrat
Schatz. Ziel sei es, „die optische
Die Allee im Gutspark Neukladow ist saniert worden. Der Belag
wirkt ziemlich dunkel.
Erscheinung an einen Parkweg
Kaffee bei Bismarcks und an das historische Vorbild an-
zulehnen“.
Im Park gibt’s das Im Herbst werden dann noch
Ausflugscafé „Guts- junge Platanen gepflanzt und Sitz-
haus Neukladow“ mit bänke aufgestellt. Unten vorm
vielen Sitzplätzen und Café wird noch in diesem Sommer
tollem Havel-Blick zudem die hässliche Kläranlage
(Mo-So 12-17 Uhr). In abgerissen. Und für den nächsten
dem mehr als 200 Bauabschnitt, vermutlich 2024,
Jahre alten Haus lebte hatte Stadtrat Schatz bereits den
einst die Mutter des Neubau des Havelradwegs im Park
späteren Reichskanz- angekündigt – ebenfalls hell einge-
lers Otto von Bis- färbt. Fehlen nur noch die vielen,
marck. vielen Millionen des Senats für die
neuen Gebäude und Gärten oben
auf dem Plateau. André Görke
15 Jahre Hilfe
für Bedürftige
Die Bibel erzählt von der Speisung
der Fünftausend. Auf weitaus
mehr kommt die „Laib und Seele“-
Ausgabestelle in der Zehlendorfer
evangelischen Stephanus-Kir-
chengemeinde. Seit nunmehr 15
Jahren gibt es dort Lebensmittel
für Menschen mit geringem Ein-
kommen. Am kommenden Sonn-
tag, 13. August, 14 Uhr, wird das bei
einem Gottesdienst gewürdigt.
Seit 2008 würden jeden Diens-
tag – von Feiertagen abgesehen –
durchschnittlich 100 bis 120 Haus-
halte mit Lebensmitteln unter-
stützt, schreibt dazu Tagesspiegel-
Leser Harald Klaus. Hochgerech-
net seien das mindestens 75.000.
So groß ist auch die Zahl der Plätze
im Olympiastadion, was dieses
„Wunder“ verdeutliche, so Klaus.
„Ich möchte den vielen ehrenamt-
lichen Helferinnen und Helfern
danken, die in großer Treue und
Liebe zu den Menschen hier jeden
Montag und Dienstag dieses gro-
ße Werk vollbringen.“
Die erste deutsche Tafel, die
überzählige Lebensmittel an Be-
dürftige verteilte, wurde 1993 von
der Initiativgruppe Berliner Frau-
en e. V. organisiert. Sie war Vorbild
für die bundesweit heute fast 1000
Tafeln, für die sich 60.000 Men-
schen engagieren. Björn Seeling
Ämter streiten
um ein Klavier
Manche Geschenke stellen den
neuen Besitzer vor Herausforde-
rungen. So verhält es sich mit dem
Flügel, der dem Bezirk von der Ur-
sula-Mamlok-Gesellschaft ge-
schenkt werden soll. Das Instru-
ment der von den Nazis vertriebe-
nen und im hohen Alter wieder zu-
rückgekehrten Komponistin soll
nach einem Beschluss der Bezirks-
verordneten im Goldenen Saal im
Rathaus Schöneberg aufgestellt
und dort genutzt werden. Das
scheint nicht so einfach zu sein,
wie aus der Antwort des Bezirks-
amts, auf eine mündliche Anfrage
des Grünen-Bezirksverordneten
Bertram von Boxberg hervorgeht.
Anders als das Kulturamt hält
das Amt für Facility Management
den Saal wegen seines schwer zu
verschiebenden historischen Mo-
biliars an sich für ungeeignet. Des-
wegen werde er nur noch als inter-
ner Besprechungsraum genutzt.
Das Kunstamt will hingegen die
Bedenken des Facility Manage-
ments ausräumen und hält den
Saal für gut nutzbar: „Dieser histo-
rische Flügel bedeutet eine groß-
artige Bereicherung des Veran-
staltungsortes Rathaus.“ Von Box-
berg hält es ebenfalls für wichtig,
dass der BVV-Beschluss umge-
setzt wird. Sigrid Kneist

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B 12
Brandenburg
Das Logierhaus am Schloss Caputh. Bei einer neuen Familien-Führung ist Anfassen ausdrücklich erwünscht.
Besuch in Caputh Auf den Spuren
der einstigen Schlossbewohner
Von Silvia Passow
T
ussy II gehört nicht zu
den Schlossbewohnern
von Caputh, kennenler-
nen sollte man die ro-
mantische Seilfähre
dennoch. 80 Meter geht’s über die
Havel. Von Geltow nach Caputh
und von hier aus ist es zum Schloss
nur noch ein Katzensprung. Die
ungewöhnliche Anreise dürfte vor
allem für Kinder spannender Auf-
takt zur Schlosserkundung sein.
Schlossbesuche sind langweilig
für Kinder? Muss nicht sein, die
neue Familien-Führung ergänzt
das bereits vorhandene Kinder-
programm auf Schloss Caputh.
Nachgegangen wird der Frage:
Wer lebte im Schloss Caputh? Da-
bei stehen die Kurfürstin Doro-
thea, die zweite Ehefrau von Fried-
rich Wilhelm von Brandenburg
und deren Kinder, im Mittelpunkt
des Geschehens.
Eine fast ganz normale Familie
Eine klassische Patchworkfamilie,
sagt Milko Jovic, Schloss-Assistent
auf dem frühen Barockschloss am
Templiner See. Denn beide, der
Kurfürst, wie auch seine zweite
Gattin Dorothea, waren schon ein-
mal verheiratet. Er brachte drei
Söhne mit in die Ehe. Dorothea war
die Witwe von Herzog Christian
Ludwig von Braunschweig-Lüne-
burg. Eine Ehe, die kinderlos blieb.
Ihr vollständiger Name lautete Do-
rothea Sophie von Schleswig-Hol-
stein-Sonderburg-Glücksburg und
schon deshalb brauchte es wohl ein
Schloss, denn solch ausschweifen-
Brandenburg neu de Namensgebung findet auf kaum
entdecken einem Klingelschild im Prenzlauer
Berg Platz.
Die Familien-Führung In zweiter Ehe bekam Dorothea
„Wer lebte in Schloss sieben Kinder, noch ein Grund
Caputh“ findet bis mehr, um ein großes Raumangebot
Oktober jeden Sams- anzustreben. Die Lebenswirklich-
tag und Sonntag um keit der herrschaftlichen Großfami-
13 Uhr statt. Für den lie stellt die Führung kindgerecht
etwas anderen vor. Ausgerüstet mit Sitzkissen geht
Schlossbesuch sollte es durch die Räume, es darf locker
rund eine Stunde auf dem Fußboden Platz genom-
eingeplant werden. men und Geschichten aus dem All-
tag des Adels gelauscht werden.
In unserer Reihe Anders als in der modernen Ein-
„Brandenburg neu bauküche gab es damals noch nicht
entdecken“ empfehlen in jedem Haushalt eine Kaffeema-
wir Ihnen regelmäßig schine. Allerdings war Kaffee zu
Ausflüge in die Mark. jener Zeit ein exklusives Modege-
tränk. Teuer und nicht für jeden er-
schwinglich, wurde er nicht im
Pappbecher serviert, sondern in
feinem Porzellan. Auch Kakao war
Brandenburg ein Luxus für die oberen Zehntau-
send, für Bauernkinder blieb der
süße Geschmack unerreichbar.
Caputh Wie dünn sich Porzellan anfühlt,
das dürfen die Kinder selbst erle-
ben. Nicht am wertvollen Original,
aber die Tässchen zum Anschauen
und Ertasten sind dem feinen Ge-
schirr nachempfunden.
Anfassen erlaubt
Etwas berühren dürfen, mit den
Händen greifen, darin wiegen, da-
rüberstreichen, das ist nicht unbe-
dingt üblich für Schlossbesuche.
Hier ist es gewollt. Die Kinder kön-
nen über verschiedene Stoffe strei-
tagesspiegel.de
chen, es gibt Halsketten zum Aus-
probieren und jedes Kind kann
sein eigenes Monogramm malen.
Angelehnt an das Monogramm
der Kurfürstin über ihren Räumen,
mit geschwungenen Buchstaben
und reich dekoriert, können Jungs
und Mädchen ab sechs Jahren der
Fantasie dabei freien Lauf lassen.
Dafür gibt es sogar einen eige-
nen Raum, an dessen Wand der
Kurfürst, seine Gattin und deren
Kinder als Zeichnungen den jun-
gen Mal-Talenten zuschauen. Auf
Gemälden ist die Familie abgebil-
det. Die vier Söhne und die Töch-
ter Maria Amalia und Elisabeth
Sophie. Die kleine Dorothea, ge-
boren im Juni 1675, starb bereits im
September des darauffolgenden
Jahres. Sie ist am oberen Bildrand
als kleines Engelchen zu erken-
nen, weiß Milko Jovic zu berich-
ten. Ob die Kinderschar tatsäch-
lich auf Schloss Caputh zugegen
war, das kann allerdings niemand
mit Sicherheit sagen, fügt er erklä-
rend hinzu.
1671 erwarb der Große Kurfürst
das ab 1662 erbaute Schloss Caputh
und schenkte es seiner zweiten Ge-
mahlin Dorothea. Die Kurfürstin
erweiterte das Schloss, das als ihr
bevorzugter Wohnsitz galt. Doch
Wohnsitze besaß die Familie gleich
eine ganze Menge. Man zog hier hin
und dort hin und Dorothea, so heißt
es, soll ihren Mann sogar bis auf die
Schlachtfelder begleitet haben. Ei-
ne sehr moderne, unabhängige und
geschäftstüchtige Frau, berichtet
Freitag, 11. August 2023
Jovic. Ob die Kinder die Eltern be-
gleiteten, unklar. Wahrscheinlich
ist, dass sie auf einem der Schlösser
oder Gutshäuser in Obhut von Leh-
rern und Kindermädchen blieben.
Das Schloss war auch landwirt-
schaftliches Gut mit Obstanbau,
Weinberg und Karpfenteich. In
Letzterem angelte die Kurfürstin
höchst selbst und sie ging auch zur
Jagd. Dorothea erwarb nicht nur
Brandenburg-Schwedt, sondern
auch Areale vor den Toren Berlins.
Sie ließ das Gelände in Parzellen
aufteilen, aus dieser Berliner Neu-
stadt wurde Dorotheenstadt. Hier
ließ das Paar unter anderem Huge-
notten ansiedeln. Und war der
große Kurfürst klamm bei Kasse,
wendete er sich vertrauensvoll an
seine Gattin, die ihm Geld auslieh,
berichtet der Schloss-Assistent
schmunzelnd. Politisch soll sie
gleichberechtigt neben ihrem
Mann agiert haben.
Wer nach der Familien-Führung
noch mehr über das Lustschloss
Caputh erfahren möchte, den be-
rechtigt die Karte zur Führung
auch zum Rundgang durch das
Schloss. Es ist das einzige noch er-
haltene Schloss der Potsdamer
Kulturlandschaft aus der Zeit
Friedrich Wilhelms. Im Oberge-
schoss lagen die Wohnungen des
Fürsten und der Fürstin. Hier gibt
es einige Gemälde, wie die Dame
mit Papagei von Wilhelm van Mie-
ris zu bewundern. Und im Vorzim-
mer der Räume des Kurfürsten
sind die Bildnisse der zwölf Cäsa-
ren zu sehen und geben schon mal
einen Eindruck, in welcher Linie
sich der Kurfürst selbst wohl sah.
Zu den Sehenswürdigkeiten im
Schloss zählt auch der reich deko-
rierte Fliesensaal. Der Speisesaal
für Jagdgesellschaften ist mit blau-
weißen Fayencefliesen ge-
schmückt. Er gehört, neben dem
Fliesensaal im Schloss Oranien-
baum bei Wörlitz, zu den bedeu-
tendsten seiner Art in Deutsch-
land. Auch die Sammlung feinen
Porzellans, präsentiert in einem
eigenen Porzellan-Kabinett, ist se-
henswert.
Eis, Aussicht, Einstein
Lustwandeln im 3,5 Hektar großen
Schlosspark könnte der Abschluss
dieser Schloss-Erkundung in
Caputh sein. Wer Zeit im Gepäck
hat, dem empfiehlt der ortskundi-
ge Schloss-Assistent eine Wande-
rung auf den nahegelegenen Krä-
henberg, mit großartiger Aussicht
auf das Schloss Caputh. Ist eine
Abkühlung gefällig, dann hilft ein
beherzter Sprung in den Caputher
See. „Viel besser als baden in der
Havel“, sagt Jovic.
Wer zuerst eine Stärkung
braucht, findet im Schloss kleine
Erfrischungen, Kaffee und ver-
schiedene Eissorten aus der Eis-
meierei Potsdam. Eine Auswahl an
© Natalie; imago/imagebroker/AnnaReinert
Restaurants gibt’s rund um den
Fähranleger.
Und wer noch mehr Hunger auf
Kultur verspürt, ist Am Waldrand
15 richtig. Das Holzhaus war von
1929 bis 1932 Wohnort von Albert
Einstein. An den Wochenenden
kann das Sommerhaus Einsteins
besichtig werden.
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de Brandenburg B 13
Im Rausch der „Downer“
Neuer Drogentrend unter Potsdamer
Jugendlichen

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lität nahm der unerlaubte Handel In Kürze

oder Schmuggel mit und von
Ecstasy gegenüber anderen Betäu-
bungsmitteln eine eher unterge-
ordnete Bedeutung ein.“ Insge-
samt wurden 2022 in Brandenburg
6732 Ecstasy-Tabletten von der Po-
lizei sichergestellt. 2021 waren es
noch 9782 Stück.
Kein Grund zur Entwarnung
Die Geschäftsführerin der Bran-
denburgischen Landesstelle für
Suchtfragen, Andrea Hardeling,
sieht trotzdem keinen Anlass zur
Entwarnung. „Betäubungsmittel-
delikte sind Verfolgungsdelikte“,
sagt Hardeling. Die Zahl der si-
chergestellten Tabletten hänge
auch immer damit zusammen, wie
viele Polizisten mit diesem Thema
befasst seien.
„Aus der Statistik der Suchtbe-
ratungen wissen wir, dass etwa
acht Prozent der Menschen, die
sie aufsuchen, ein Problem mit Sti-
mulanzien wie Crystal Meth oder
eben Ecstasy haben“, sagt Harde-
ling. „Dagegen haben 61 Prozent
ein Alkoholproblem und 15 Pro-
Bei „Blue Punisher“ handelt es sich um eine besonders starke Variante von Ecstasy. zent eines mit Cannabis.“ Man hö-
re aber aus der Beratungspraxis,
dass der Anteil der Ecstasy-Kon-
MAUERBAU VOR 62 JAHREN
Kanzler Scholz bei
Mauerweglauf in Teltow
Das Land Brandenburg erinnert
am Sonntag in Teltow an den Bau
der Mauer vor 62 Jahren und
gedenkt der Opfer des DDR-
Grenzregimes. Ministerpräsident
Dietmar Woidke (SPD) will am
Nachmittag eine Ansprache hal-
ten und einen Kranz niederlegen.
An Gedenkstelen am Teltowkanal
wird an das Schicksal von Peter
Mädler und Karl-Heinz Kube
erinnert, die bei Fluchtversuchen
am Teltowkanal erschossen wor-
den waren. Die Gedenkrede hält
Landtagspräsidentin Ulrike
Liedtke. Am Samstag vor dem
Gedenktag besucht Kanzler Olaf
Scholz (SPD) Teltow. Er will dort
mit Läufer:innen des Berliner
Mauerweglaufes sprechen. (dpa)
ÖPNV SOLL AUSGEBAUT WERDEN
Mehr Fahrgäste durch
Deutschlandticket
Brandenburgs Verkehrsministeri-
um sieht drei Monate nach Ein-

Ecstasy und Co. Konsum sumenten eher wieder zunehme.

Mehr Prävention an Schulen

führung des Deutschlandtickets
aktuell ein wachsendes Fahrgast-
aufkommen im ÖPNV. „Der Ver-

beginnt oft im Jugendalter

Von Benjamin Lassiwe ausdrücklich vor ihrem Konsum
gewarnt hat.
Dazu werde das Alter der Drogen-
konsumenten eher jünger. „Wir
wissen, dass die Menschen die
Drogen meist schon jahrelang
konsumiert haben, bevor sie in die
Beratung kommen“, sagt Harde-
ling. Bei den Konsumenten von
kehrsverbund Berlin-Branden-
burg verzeichnet aktuell einen
Zuwachs an Fahrgästen“, sagte
Verkehrsstaatssekretär Rainer
Genilke am Donnerstag. Er
schränkte jedoch ein, dass mehr
notwendig sei als ein preiswertes

D 50
ie Fälle waren spektaku- Weniger Pillen sichergestellt
lär. Eine 13-Jährige aus Insgesamt aber gehen den Sicher-
Altentreptow in Meck- heitsbehörden weniger Ecstasy-
lenburg-Vorpommern Nutzer in Brandenburg ins Netz.
ist nach dem Konsum von „Blue Prozent „Die Sicherstellungsmengen von
Punisher“-Ecstasy-Pillen verstor- der Konsumenten Ecstasy sind im Land Brandenburg
ben. Zwei weitere Jugendliche ka- von Stimulanzien, zurückliegend deutlich zurückge-
men deswegen ins Krankenhaus. die eine Beratung gangen“, erklärte das Potsdamer
Und auch der Tod einer 15-Jähri- aufsuchen, Innenministerium in der Antwort
gen aus Rathenow (Landkreis Ha- sind zwischen auf eine „Kleine Anfrage“ der AfD-
velland) ist möglicherweise auf 20 und 34 Jahre alt. Landtagsfraktion, die am Mitt-
solche Pillen zurückzuführen. Drogen haben sie woch vom Potsdamer Landtag
Weswegen das Brandenburger Ge- dann meistens schon veröffentlicht wurde. „Bei der Be-
sundheitsministerium Ende Juni jahrelang konsumiert. kämpfung der Rauschgiftkrimina-
Stimulanzien seien etwa 50 Pro-
zent der Nutzer der Beratungsstel-
len zwischen 20 und 34 Jahre alt.
„Das heißt, der Konsum hat schon
im Jugendalter begonnen.“
Für Hardeling sind die nötigen
Schlussfolgerungen deswegen
klar: „Wir wissen, dass im Bereich
der Schule Prävention besonders
wichtig ist – da bräuchte es mehr
Präventionsmaßnahmen“, sagt die
Drogenexpertin. „Und das gilt
nicht nur für Crystal Meth und
Ecstasy, sondern auch im Blick auf
Cannabis und Alkohol.“
Produkt, um die Menschen zum
Umstieg auf den ÖPNV zu bewe-
gen. „Erfolgreich ist das Deutsch-
landticket vor allem dort, wo es
ein attraktives ÖPNV-Angebot
gibt. Dieses Angebot wollen wir
im Flächenland Brandenburg und
gerade in den ländlichen Räumen
weiter ausbauen“, sagte Genilke.
Er forderte den Bund dazu auf,
seiner Finanzierungsverant-
wortung nachzukommen und
eine Aufstockung der Regionali-
sierungsmittel dauerhaft sicher-
zustellen. (dpa)

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B 14 tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023

Mediatipps
Fernsehen Streaming Radio
DIE LETZTE DEUTSCHE KAISERIN

77%
Auguste Viktoria
Als Kaiserin Auguste Viktoria 1921 Armut mit Almosen zu bekämp-
in den Niederlanden starb, wurde fen. Im Volk war sie nach 30-jähri-
sie mit großem Pomp in Potsdam ger Amtszeit beliebt und vor allem
begraben. Die neue Republik durch ihre spontanen Besuche bei
stimmte diesem Ereignis nur wi- ärmeren Teilen der Bevölkerung der Deutschen
derwillig zu, stellte es doch eine bekannt. Die Dokumentation „Au- zwischen
Reminiszenz an vergangene feu- guste Viktoria“ erzählt das Leben 16-29 Jahren hat
dale Zeiten dar. Die ehemalige der letzten deutschen Kaiserin. laut Umfrage schon
Kaiserin war äußerst mächtig, ncy mal Online gedated.
setzte sich zeit ihres Lebens aber
auch für Arme und vor allem für Titel:
OBERSTE HIRTIN Frauen ein. Sie wollte nichts an der Auguste Viktoria ÜBERALL ABENTEUER
Film: Die Päpstin damaligen Klassengesellschaft än- Wo zu finden: Die Welt des Online-Dating
Im Jahr 814 ist Johannas Leben als dern und versuchte deshalb, die ARD-Mediathek Auf dem Online-Dating-Markt-
Frau vorbestimmt: Sie soll Kinder platz tummeln sich allerhand
zu bekommen und wird vermut- Menschen mit den unterschied-
lich früh sterben. Sie entschließt lichsten Vorlieben, Neigungen
sich, ein Leben als Mann zu füh- und Sehnsüchten. Im Feature
ren, wird Mönch und gelangt „Neues Lieben“ erzählen Men-
schließlich nach Rom. „Die Päps- schen von ihren lustigen, romanti-
tin“ ist ein Film aus dem Jahr 2009, schen und traurigen Erfahrungen
der eines der größten Geheimnis- in der Welt der Liebe jenseits der
se der katholischen Kirche nach- analogen Welt. Besonders in der
erzählt, nämlich einer Frau, die Zeit der Pandemie haben sich
einmal Päpstin gewesen sein soll. hierbei einige skurrile Abenteuer
ncy angesammelt. ncy

Titel: Titel:
Die Päpstin Neues Lieben
Wo zu finden: Wo zu finden:
3sat, 11.8., 20.15 Uhr Kaiserin Auguste in der Kutsche mit Kaiser Wilhelm II. von Preußen. Deutschlandfunk, 11.8., 20.05 Uhr

ARD ZDF RBB RTL

5.00 Monitor. Magazin 5.30 ZDF-Morgenmagazin. Für einen guten
Start in den Tag 9.00 Tagesschau 9.05 Fußball: Weltmeisterschaft
der Frauen. ca. 09.30 Viertelfinale: Japan – Schweden, aus Auck-
land (NZ); Viertelfinale: Spanien – Niederlande, Zsfg. aus Wel-
lington (NZ) 13.00 ARD-Mittagsmagazin. Mit Tagesschau 14.00
Tagesschau 14.10 Rote Rosen. Telenovela 15.00 Tagesschau
15.10 Sturm der Liebe 16.00 Tagesschau 16.10 Hofgeschichten –
Ackern zwischen Alpen und Ostsee. Dokumentationsreihe. Markt-
tag für die Fischerin 17.00 Tagesschau 17.15 Brisant 18.00 Ge-
fragt – Gejagt. Show 18.50 Quizduell-Olymp. Show 19.45 Wissen
vor acht – Zukunft 19.50 Wetter vor acht 19.55 Wirtschaft vor acht
5.00 hallo deutschland. Magazin. Gefährliche Fracht kontrolliert:
Unterwegs mit Stadtpolizei Wiesbaden Andrea Ballschuh 5.30
ZDF-Morgenmagazin 9.00 heute Xpress 9.05 Volle Kanne – Ser-
vice täglich. Magazin 10.30 Notruf Hafenkante. Maskerade. Kri-
mi-Serie 11.15 SOKO Wismar. Im Schatten des Windrads 12.00
heute 12.10 drehscheibe 13.00 ARD-Mittagsmagazin 14.00
heute – in Deutschland 14.15 Die Küchenschlacht 15.00 heute
Xpress 15.05 Bares für Rares 16.00 heute – in Europa 16.10 Die
Rosenheim-Cops. Tod im Spielzeugland 17.00 heute 17.10 hallo
deutschland 17.45 Leute heute 18.00 SOKO Wien. Graues Leben
19.00 heute 19.25 Bettys Diagnose. Kleine und große Lügen
5.00 rbb24 Brandenburg aktuell 6.00 Guten Morgen Berlin. Ma-
gazin 8.00 rbb24 Brandenburg aktuell 8.30 rbb24 Abendschau
9.00 In aller Freundschaft. Offene Wunden / Offene Baustellen
10.30 In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte. Arzt-Serie 11.20
Elefant, Tiger & Co. Reportagereihe 12.10 Hauptstadtrevier. Krimi-
Serie 13.00 rbb24 13.10 Treckerfahrer dürfen das!. Voll neben
der Spur 13.40 Hauptstadtrevier. Kranke Schwestern 14.30 Drei
teuflisch starke Frauen. Komödie, D 2005 16.00 rbb24 16.15 In
aller Freundschaft – Die jungen Ärzte. Eine Frage des Vertrauens
17.05 Panda, Gorilla & Co. Reihe 18.00 rbb24 18.15 schön + gut
18.45 STUDIO 3 – Live aus Babelsberg 19.30 rbb24 Abendschau
12.00 Punkt 12. Magazin Roberta Bieling. Aktuelle Informationen,
Servicethemen und Lifestyle 15.00 Barbara Salesch – Das Straf-
gericht. Doku-Soap. Hat Polizistin sich nach Disziplinarverfahren
an Querulanten-Rentner gerächt? 16.00 Ulrich Wetzel – Das Straf-
gericht. Doku-Soap. Frau im Brautkleid niedergestochen 17.00
Ulrich Wetzel – Das Jugendgericht. Doku-Soap. Schülerin einer
Mädchenschule soll Handwerker belästigt haben 17.30 Unter uns.
Soap 18.00 Explosiv – Das Magazin. Moderation: Jana Azizi 18.30
Exclusiv – Das Star-Magazin. Moderation: Frauke Ludowig 18.45
RTL Aktuell 19.03 RTL Aktuell – Das Wetter 19.05 Alles was zählt.
Soap 19.40 Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Soap

20.00 Tagesschau
20.15 Daheim in den Bergen. Auf neuen Wegen. Drama, D
2020. Mit Catherine Bode. Nach dem Tod des Patriar-
chen, droht die mühsam beigelegte Fehde zwischen
den Bergbauern-Clans wieder aufzuflammen.
21.45 Tagesthemen
22.20 Tatort. Ihr werdet gerichtet. Krimi-Reihe, CH 2015
23.50 Jäger – Tödliche Gier.Der Goldrausch. Krimi-Reihe,
S 2018. Mit Rolf Lassgård, Pelle Heikkilä
01.20 Tagesschau
01.25 Daheim in den Bergen. Auf neuen Wegen. Drama,
20.15 Fußball: DFB-Pokal. 1. Runde: Eintracht Braun-
schweig – FC Schalke 04; anschließend Zsfg.
weiterer Spiele: 1. FC Saarbrücken – Karlsruher SC,
TuS Bersenbrück – Borussia Mönchengladbach, SV
Sandhausen – Hannover 96. Aus Braunschweig
23.15 Best-of ZDF Comedy Sommer – Stand-Up mit den
Stars der deutschen Szene. Show. Ausführende:
Till Reiners, Torsten Sträter, Michael Mittermeier,
Tahnee, Olaf Schubert, Abdelkarim Zemhoute
00.00 heute journal update
00.15 Liebe und Sex in ... Reportagereihe. Polen –
20.00 Tagesschau
20.15 Die 30 schönsten Sommerhits der 80er. Show.
Gesucht wird der schönste Sommerhit der 80er-
Jahre. 30 Songs stehen zur Auswahl, doch welcher
ist die Nummer 1? Eine Jury hat abgestimmt.
21.45 rbb24
22.00 Pop nonstop. Show. Die 80er – Born in the U.S.A.
23.30 Musikladen extra. Konzert. Dieter Thomas
Kuhn – Die singende Föhnwelle
00.45 rbbKultur
01.15 Das Traumschüff – Wie ein Theater
20.15 Top Dog Germany – Der beste Hund Deutschlands
U.a.: Promi-Special. Schauspieler Martin Semmel-
rogge mit Teddy (13, Ungarischer Pumi) / Reality-
Star Evelyn Burdecki mit Emka (2 ½, Malteser)
23.00 Die faszinierendsten Tiergeschichten der Welt
Reportagereihe. Orang-Utan küsst ein Baby / Polar-
fuchs bettelt um Fisch / Talentierte Bienen / Pinguin,
der nicht ins Wasser will / Hund küsst Walhai / Pilot
rettet Babyaffen / „Stadt der Affen” in Thailand
00.00 RTL Nachtjournal
00.35 Die ultimative Chart-Show. Die erfolgreichsten
© Mathias Bothor; imago/photothek/Thomas Koehler/photothek.net; imago/Arkivi/imago stock&people

D 2020. Mit Catherine Bode, Theresa Scholze Freiheitsdrang und Katholizismus im Herzen über die Havel wandert. Reportage Dance-Hits aller Zeiten! Gäste: Giovanni Zarrella,
02.55 Tagesschau 01.00 Kampf im Klassenzimmer – Schulzeit 01.45 Heimatjournal. Heute aus Brandenburg – Fehrbellin Oana Nechiti, Martin Klempnow, DJ Hugel, Cascada,
03.00 Jäger – Tödliche Gier. Der Goldrausch. Krimi-Reihe, S in Ost und West. Dokumentation 02.10 rbb Gartenzeit. Magazin. Moderation: Ulrike Finck Ottawan, 2 Unlimited, Loona. Mod.: Oliver Geissen
2018. Mit Rolf Lassgård, Johan Marenius Nordahl 01.45 Wein – Eine Geschichte durch Jahrtausende. Doku 02.40 schön + gut. Magazin. in den Feierabend 04.15 Der Blaulicht-Report. Doku-Soap

ARTE
5.10 Kimberose – Privatkonzert in Paris 6.15 Arte Reportage 7.10
ARTE Journal Junior 7.15 Myanmars Bambusbrücke – Ein Dorf
packt an! 8.10 Stadt Land Kunst 9.00 Geschehen, neu gesehen. –
„Wahre Geschichte”. Dokumentationsreihe 11.30 Die großen
Mythen 12.10 Schweden preppt – Ein Staat probt den Ernstfall
12.40 Stadt Land Kunst 13.30 Belle Epoque – Saison der Liebe.
Liebeskomödie, E/F/P 1992 15.15 Harry vs. William – Der royale
Bruderzwist 16.20 An den Ufern der Loisach 17.05 Der Vierwald-
stättersee – Blaues Juwel der Schweiz. Dokumentation 17.50 Im
Vorgarten der Karpaten 19.20 Arte Journal 19.40 Lieblingspartner
in Europa – Wie Chinesen in Serbien Fuß fassen. Dokumentation
20.15 In den Gängen. Romanze, D 2018. Mit Franz Rogowski,
Sandra Hüller, Peter Kurth. Regie: Thomas Stuber
22.10 Bee Gees: Brüder im Discofieber. Dokufilm, GB 2010
23.10 One Night Only. The Bee Gees Live in Las Vegas
00.15 Auguste Viktoria – Die letzte Kaiserin. Dokumentation
01.10 Wir. Dokumentarfilm, F 2021
03.05 „Stadt Land Kunst”-Inspirationen
3SAT
5.51 Rund um den Ottensteiner Stausee 6.40 Rauf auf die Alm –
Am Tappenkarsee 7.30 Alpenpanorama 9.00 ZIB 9.10 Die Breta-
gne – Frankreichs wilde Küste 9.35 Traumorte 10.20 Z’Alp 11.10
ME/CFS – die unterschätzte Krankheit 11.45 Sehen statt Hören
12.15 Wie viel ist uns ein Menschenleben wert? 13.10 Die Seesol-
daten: Ich gehe zur Bundeswehr 13.35 Madeira – Juwel im Atlantik
13.50 Der Pazifische Feuerring. Neuseeland, Vanuatu und Indone-
sien / Kamtschatka, Hawaii und Alaska / Mexiko und Guatemala /
Ecuador und Chile 16.45 Die wilden Philippinen. Der vulkanische
Norden / In den Wäldern von Palawan / Der geheimnisvolle Süden
19.00 heute 19.20 Beim Pelzig auf der Bank. Show. Scheiß Liebe
20.00 Tagesschau
20.15 Die Päpstin. Drama, D/GB/I/E 2009
22.30 Ein Fall für Annika Bengtzon. Kalter Süden. Krimi-
Reihe, S 2012. Mit Malin Crépin, Björn Kjellman
00.00 Spreewaldkrimi – Tödliche Heimkehr. Krimi, D 2018
01.30 10vor10
02.00 extra 3. U.a.: Spaltungen bei den Linken&Ampel-Flop
NDR
6.20 mareTV kompakt 6.35 Visite 7.20 Rote Rosen 8.10 Sturm der
Liebe 9.00 Nordmagazin 9.30 Hamburg Journal 10.00 Schleswig-
Holstein Magazin 10.30 buten un binnen 11.00 Hallo Niedersachsen
11.30 Touristenmagnet Landungsbrücken – Acht Millionen Besucher
jährlich 12.00 Brisant 12.25 In aller Freundschaft 13.10 In aller
Freundschaft – Die jungen Ärzte 14.00 NDR Info 14.15 Die Tierärzte –
Retter mit Herz 15.00 Schlepperstress zur Hanse Sail – Trubel auf
Wasser und Straßen 15.30 Ab aufs Wasser – Deutschlands größ-
ter Museumshafen 16.00 NDR Info 16.15 Wer weiß denn sowas?
17.00 NDR Info 17.10 Seehund, Puma & Co. 18.00 Ländermagazine
18.15 Hofgeschichten 18.45 DAS! 19.30 Ländermagazine
20.00 Tagesschau
20.15 Auf die Plätze, Camping los!. Reportagereihe
21.15 Yared kommt rum. Reportagereihe. Dibaba
erzählt Dorfgeschichten! Heute: Benstrup
22.00 3 nach 9. Best of: Geheimnisse und gute Laune
00.00 Käpt’ns Dinner. Talk-Show. Gast: Atze Schröder
00.30 Everyone But Us. U.a.: Alarmstufe Rot. Drama-Serie
SUPER RTL
13.55 Bo, Flo & Co. – Familie und so 14.25 Grizzy & die Lemminge
15.20 Angelo! 15.50 100% Wolf – Die Legende des Mondsteins
16.20 Jade Armor 16.50 Woozle Goozle 17.20 ALVINNN!!! 18.00 Paw
Patrol 18.30 Grizzy & die Lemminge 19.25 Tom und Jerry 19.45 Ange-
lo! 20.15 Auf immer und ewig. Romantikkomödie, USA 1998 22.45
Love in the Sun. Romanze, USA 2019 0.30 Teleshoppingsendung
KIKA
16.35 Tashi 17.00 Mascha und der Bär 17.10 The Garfield Show
17.45 Super Wings 18.10 Feuerwehrmann Sam 18.35 Meine
Freundin Conni 18.47 Baumhaus 18.50 Unser Sandmännchen
19.00 Power Players 19.25 logo! 19.30 Rhabarber Rhabarber. Fa-
miliendrama, NL 2014. Mit Thor Braun 20.40 Die Regeln von Floor
RTL 2
5.10 Der Trödeltrupp 10.00 Frauentausch 14.00 Die Geissens
16.00 RTLZWEI News 16.04 RTLZWEI Wetter 16.05 Hartz Rot Gold
18.05 Köln 50667 19.05 Berlin – Tag & Nacht 20.15 Elysium.
Actionfilm, USA 2013 22.25 Green Zone. Actionthriller, GB/F/E/
USA 2010 0.35 Open Range – Weites Land. Western, USA 2003
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de Mediatipps B 15

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Doku über Schiedsrichter

Permanent unter Druck

”
Von Kurt Sagatz dungsansprachen: „Nein, nein, das
ist kein Elfmeter, spiel weiter. Das

A
hast du gar nicht nötig“. Auch von
llein der Perspektiv- Was ist hier los? solchen Diskussionen bekommen
wechsel macht die fünf- sonst weder die Zuschauer im Sta-
teilige Doku-Serie „Un- Was willst du dion noch an den Fernsehern et-
parteiisch – Deutsch- von mir? Schau, was mit.
lands Elite-Schiedsrichter“ se- Bis zu 200 Entscheidungen müs-
henswert. Autor Tom Häusler hat dass du gehst. sen die Schiedsrichter in einem
die DFB-Schiedsrichter über die Spiel treffen, Fehlentscheidungen
Saison 2022/23 hinweg begleitet, Schiedsrichter Deniz bleiben da nicht aus, räumt Robert
von den obligatorischen Leis- Aytekin lässt sich Hartmann ein, der am 30. Spieltag
tungstests zu Saisonbeginn bis hin von den Spielern als Videoschiedsrichter beim
zum DFB-Pokalfinale in Berlin. keine Foul-Diskussion Spiel der Bochumer gegen Borus-
Es sind Nahaufnahmen über die aufdrücken. sia Dortmund ebenso daneben lag
Arbeit der 24 Bundesliga-Schieds- wie Sascha Stegemann auf dem
richter, die in der Berichterstat- Platz. Den Elfmeter für den BVB
tung sonst zu kurz kommen. Deniz haben sie zu Unrecht verweigert,
Aytekin pfiff 2022 das Eröffnungs- geben sie später zu. Es folgten Dro-
spiel der Frankfurter gegen den FC hungen und Polizeischutz. „Das
Bayern München. „Wir lassen uns sind die Momente, wo du dich
nicht beleidigen, das ist klar“, fragst, ob es die ganze Sache auch
schärft er seinen Schiedsrichter- Wert ist“, sagt Stegemann. Die Do-
Kollegen ein. „Wir wollen aber ku ist es sicherlich wert, gesehen
auch ein bisschen Spaß haben zu werden.
beim Eröffnungsspiel“ ergänzt er. Wo: Ab 11.8. an in der ARD-
Doch sein Gesichtsausdruck sagt Mediathek. In der ARD
etwas anderes. Seine Ansagen an am 26.8. ab 22.00 Uhr und
die Spieler erinnern an Gefähr- am 12.9. ab 23.30 Uhr. Schiedsrichter Deniz Aytekin hat die Bundesliga-Saison 2022/23 eröffnet.

PHOENIX ZDF NEO

15.45 Freiheit ist der große Kick – Afghanistans Fußballerinnen in
Australien 16.00 Unsere Daten im Netz 16.30 Die App – Mein Chef
17.00 Helfer hinter Haustüren – Alltag in der Familienhilfe 17.30
der tag 18.00 Gegen die Plastikflut – Ideen für saubere Gewässer
18.30 Nordkorea – Die Macht der Kim-Dynastie: Der eiserne Griff
der Diktatur 19.15 Nordkorea – Die Macht der Kim-Dynastie: Das
gefährliche Spiel mit der Bombe 20.00 Tagess. 20.15 Die Traum-
routen des Orients 22.30 Irland von oben 23.15 Die schönsten
Landschaften der Welt0.45 Die Traumrouten des Orients
Karaffe „Gluggle Jug“
Ein Designklassiker aus England –als Karaffe,
Blumenvase oder Dekoelement. Das Besondere ist
der glucksende Laut, den die Karaffe von sich gibt,
wenn das Wasser darin bewegt wird.
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und Schmuckbereich 9,95 €, Sperrgut 24,95 €, Bücher versandkostenfrei.
Anbieter: Verlag Der Tagesspiegel GmbH, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin
SAT1
5.35 Alex Rider 6.15 Maithink X – Die Show 6.50 WIR 7.10 Die
Rettungsflieger 7.55 Die Küchenschlacht 8.35 Stadt, Land, Lecker
10.00 Auf Streife. Doku-Soap. Klausurphobia 11.00 Auf Streife –
9.20 Löwenzahn Classics 10.10 Duell der Gartenprofis 10.55
Die Spezialisten. Doku-Soap. Ausgenutztes Vertrauen 12.00 Auf
Bares für Rares 12.40 Death in Paradise 13.35 The Rookie 14.15
Streife. Doku-Soap. Wie vom Stripclub-Boden verschluckt / Bett-
Monk 15.40 Death in Paradise 16.35 The Rookie 17.15 Monk
Män 14.00 Klinik am Südring. Doku-Soap. Ein brennender See /
18.35 Duell der Gartenprofis 19.20 Bares für Rares 20.15 Agatha
Mein Freund Othello. Ein Mann wurde von Wespen attackiert und
Raisin. Und die Tote am Strand / Und die Tote am Strand 21.55
flüchtet in den See. Der Sprung endet aus rätselhaften Gründen
Vertical Limit – In größter Gefahr. Actionthriller, USA/D 2000
jedoch beinahe tödlich. 16.00 Volles Haus! SAT.1 Live. Magazin.
23.50 Killing Eve. U.a.: Tauch mich einfach ein 1.50 Killing Eve
Experte: Ingo Lenßen. Mitwirkende: Britt Hagedorn. Moderation:
Funda Vanroy, Christian Wackert 18.00 Lenßen übernimmt. Doku-
Soap. Bis auf die Knochen / In schlechter Gesellschaft / Gift des
Zweifels / Horror vor dem Jugendamt 19.55 SAT.1 :newstime
Weitere
Farben: 20.10 Fußball: Weltmeisterschaft der Frauen. Highlights
20.15 Die besten Comedians Deutschlands
Show. Gäste: Kaya Yanar, David Kebekus, Ilka
Bessin, Paul Panzer, Ralf Schmitz, Timur Turga, Atze
Schröder, Nico Stank, Lisa Feller, Chris Tall, Matze
Knop. Moderation: Daniel Boschmann
22.50 111. Show. begnadete Blitzbirnen! Fast in jedem
Freundeskreis gibt es ihn – den Blitzmerker, der für
jede Menge Lacher sorgt. Diese verrückte Clipshow
zeigt die unbeabsichtigt komischen Momente und
lässt damit kein Auge trocken.
00.40 Knallerkerle. Show. Antoine Monot jr. schaut auf die
Welt, und zwar konsequent aus der Sicht der Männer.
02.00 Die dreisten drei. Show. Wenn sich drei Menschen
eine Wohnung teilen, dann geht es oft chaotisch zu.
PRO7
5.00 Watch Me 5.25 taff 6.10 Galileo 7.15 Speechless 7.20
Speechless 8.10 The Big Bang Theory 9.25 Last Man Standing
11.45 Scrubs – Die Anfänger. Meine Freundin Carla / Mein Freund
Turk / Meine kniffligste Entscheidung / Meine wahren Gefühle /
Mein Rückzieher. Sitcom 13.50 Modern Family. Comedy-Serie
14.45 The Goldbergs. Comedy-Serie 15.35 The Big Bang Theory.
Die Führerschein-Frage / Das Erziehungs-Experiment / Die Profes-
sor-Proton-Renaissance. Sitcom 17.00 taff. Magazin. Moderation:
Annemarie Carpendale, Christian Düren 18.00 ProSieben :newsti-
me 18.10 Die Simpsons. Zeichentrick-Serie 19.05 Galileo. Maga-
zin. Dem Narco-Lifestyle auf der Spur. Moderation: Aiman Abdallah
20.10 Fußball: Weltmeisterschaft der Frauen. Highlights
20.15 James Bond 007 – Sag niemals nie. Agentenfilm,
GB/USA/D 1983. Mit Sean Connery. Der Terrorist
Blofeld hat zwei Atomraketen gestohlen. Agent 007
James Bond wird rekrutiert, um die Welt zu retten.
23.00 James Bond 007 – Octopussy. Agentenfilm, GB/USA
1983. Mit Roger Moore. 007 untersucht den Tod von
009 und bekommt es mit einem Sowjet-General zu
tun, der plant, eine Atombombe zu zünden.
01.45 Sorry for Your Loss. Komödie, CDN 2018. Mit J
ustin Bartha. Kens Vater ist gestorben. Die beiden
standen sich nicht besonders nahe, dennoch möch-
te Ken den letzten Wunsch seines Vaters erfüllen.
03.45 Watch Me
03.55 ProSieben :newstime

NTV
15.25 Telebörse 15.40 News Spezial 16.00 Nachrichten 16.15
Telebörse 16.30 News Spezial 17.15 Telebörse 17.30 Auslands-
report 18.20 Telebörse 18.35 ntv Service – Reportage 19.15
Telebörse 19.30 News Spezial 19.55 Klima Update 20.15 Große
Katastrophen 22.05 Vom Fehler zur Katastrophe 23.15 Telebörse
23.30 Der Wahrheit auf der Spur 1.10 Große Katastrophen
WELT
12.00 Die Welt am Mittag 12.45 Börse am Mittag 13.00 Die
Welt am Mittag 14.00 WELT Newsroom 17.45 Deffner & Zschäpitz
18.00 Die Welt am Abend 20.05 Traumzüge 22.00 Containergi-
© imago/Jan Huebner/Eduard Martin
WDR
VOX KABEL 1
14.20 In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte 16.00 WDR ak-
tuell 16.15 Hier und heute 18.00 WDR aktuell / Lokalzeit 18.15
7.20 CSI: Den Tätern auf der Spur. Krimi-Serie 9.10 CSI: Miami. 5.00 K1 Magazin 5.55 Elementary. Mitten durch / Bienenster-
Grenzenlos köstlich 18.45 Aktuelle Stunde 19.30 Lokalzeit 20.00
Der Fluch der guten Tat / Die Mutter der Folter / Kinder, wollt ihr ben / Der Pate / Späte Gerechtigkeit / Die unsichtbare Waffe.
Tagesschau 20.15 Lokalzeit live 21.00 Mega Kirmes Crange – Eine
ewig schweigen? 11.55 vox nachrichten 12.00 Shopping Queen. Krimi-Serie 10.20 The Mentalist. Die Lektion / Buchstaben im
Stadt steht Kopf 21.45 WDR aktuell 22.00 Kölner Treff 23.30 Tors-
Doku-Soap. Motto in Hamburg: Kon’nichiwa Kimono! Tag 4: Lydia Kreis / Ein schwarzer Helikopter / Das kleine schwarze Buch / Ein
ten Sträter: Schnee, der auf Ceran fällt 1.00 Kölner Treff
13.00 Zwischen Tüll und Tränen. Doku-Soap. Brühl, „Diamore” / guter Schwindel. Krimi-Serie. Jane ermittelt mit Kim im Fall von fünf
Hamburg , „Lavie Sposa” 14.00 Mein Kind, dein Kind. Doku-Soap. ermordeten DEA-Agenten. Ein Drogenkartell steht im Fokus der
MDR
Mira vs. Julia 15.00 Shopping Queen. Doku-Soap. Motto in Ham- Ermittlungen. 14.55 Castle. Krimi-Serie 15.50 Kabel Eins :new-
15.15 Wer weiß denn sowas? 16.00 MDR um 4 17.45 MDR aktu- burg: Kon’nichiwa Kimono! Tag 5: Mara 16.00 Zwischen Tüll und stime 16.00 Castle. Krimi-Serie 16.55 Abenteuer Leben täglich.
ell 18.05 Wetter für 3 18.10 Brisant 18.54 Unser Sandmännchen Tränen. Doku-Soap. Dresden, „Hochzeitshaus” / Wetzlar, „Marie Magazin. Die bunteste Straße der Welt 17.55 Mein Lokal, Dein
19.00 SachsenSpiegel 19.30 MDR aktuell 19.50 Elefant, Tiger & Bernal” 18.00 First Dates – Ein Tisch für zwei. Doku-Soap 19.00 Lokal – Der Profi kommt. Reportagereihe. „Cinnamoon”, Leipzig

gant „MSC Oscar” – 20.000 Kilometer auf dem Meer 22.55 Ge-
heimakte Atombombe 1.45 Lost Places. U.a.: Der Todesstreifen
ARD ALPHA
20.15 Mit dem Zug ... 21.00 1972 – Die geschlossene Gesellschaft
von Kampen/Sylt: Die Schönen und die Reichen 21.55 Von Friesen
und Vogelkojen – Mit Hans Rosenthal auf die Insel Föhr: „Es muss
nicht immer Südsee sein” 22.25 Helgoland – 75 Jahre „Helgoland-
Sansibar-Vertrag” 23.00 Planet Wissen 0.00 Alpen-Donau-Adria
Co. 20.15 Wiedersehen macht Freude 21.45 MDR aktuell 22.00 Das perfekte Dinner. Doku-Soap. Tag 5: Melanie, Frankfurt a.M. 18.55 Achtung Kontrolle! Wir kümmern uns drum. Reportagereihe
Riverboat – Klassiker 0.05 Jenseits der Mauer. Drama, D 2009
20.15 Wo die Liebe hinfällt – Jedes Paar ist anders. Vanes- 20.10 Fußball: Weltmeisterschaft der Frauen. Highlights
BR sa hat ihren Freund Vadilson unter Palmen im Urlaub 20.15 Criminal Minds. Gestohlene Geschichten / Schau
kennengelernt und direkt geheiratet. hoch in den Himmel. Krimi-Serie
15.30 Schnittgut 16.00 BR24 16.15 Wir in Bayern 17.30 Franken-
22.15 Jurassic Park. Abenteuerfilm, USA 93. Mit Sam Neill 22.15 Prodigal Son – Der Mörder in Dir. Mitgefangen,
schau aktuell 18.00 Abendschau 18.30 BR24 19.00 Unser Land
00.50 vox nachrichten mitgehangen / Teufelswerk / Das schwarze Buch
19.30 Bayern feiern 20.00 Tagesschau 20.15 Hubert und Staller
01.10 Snapped. Doku-Soap. U.a.: Shanterrica Madden 01.00 Kabel Eins :newstime
21.50 BR24 22.05 Auf bairisch g’lacht! 22.50 Sirene in Blond.
02.40 Medical Detectives. U.a.: Mörder in der Familie 01.05 Criminal Minds. U.a.: Gestohlene Geschichten
Komödie, USA 1957 0.20 Der Partyschreck. Komödie, USA 1968
B 16
Tagestipps
Kino
DER GROSSE GRABEN
Box Office Around the World
Barbie, Oppenheimer, Super Ma-
rio – natürlich kennen wir die gro-
ßen Blockbuster des Jahres 2023.
Wirklich? Die Kinowelt besteht
nicht nur aus Nordamerika und
Europa. Was sind die aktuellen Ki-
nohits in Indien? In Brasilien?
Oder in Nigeria? Das Festival „Box
Office Around the World“ präsen-
tiert im August sechs aktuelle Ki-
noproduktionen, die in ihren Ent-
stehungsländern Kassenschlager
waren. Den Anfang macht die indi-
sche Produktion „Afwaah“, die mit
bollywoodtypischer Rasanz insze-
niert ist und den Graben zwischen
tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023 Freitag, 11. August 2023
Hier gibt
es noch
Karten*
Ausstellung Fest
HAITIANISCHE REVOLUTION
Bwa Kayman
Haussklave, Viehhüter, Kutscher –
dass Toussaint Louverture im Jahr
1791 als Revolutionsführer in die
Geschichte eingehen würde, dürf-
te sein Umfeld nicht kommen ge-
sehen haben. Das Feuer der Fran-
zösischen Revolution hatte zuvor
Haiti ergriffen, der Bürgerkrieg
kostete vor allem Schwarze Men-
schen ihre Leben, unter Louvertu-
res Führung wendete sich das
Blatt: 1793 siegten die Revolutionä-
re, ein Jahr später war die Sklaverei
abgeschafft, Haiti erlangte Souve-
ränität. „Bwa Kayman“ hieß eine
entscheidende Versammlung der
Revolutionäre 1791 – ebenso heißt
nun ein Fest am HKW, mit dem der
Revolution gedacht wird – mit
tagesspiegel.de Tagestipps B 17
Tagesspiegel Weekender
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Musical
„Performances, Vorträgen, Feiern,
Ritualen und Nahrung für Körper
und Seele“. Zum Auftakt spricht
der haitianische Autor Makenzy
Orcel mit dem Dichter Rodney
Saint-Éloi nach Art mündlicher
Überlieferungstradition, performt
die Choreografin Kettly Noël Akte
der Verwurzelung und erläutert
im Gespräch mit Giscard Bouchot-
te Begriffe von Bewegung, Frei-
heit, Kollektiv, Körper und Spiri- ROCK-BIOGRAFIE
tualität. Programm: hkw.de two Rio Reiser – Mein Name ist
Mensch
Was: Festival Wiederaufnahme des erfolgrei-
Wo: Haus der Kulturen der chen Musicals über Rio Reiser der
Welt, John-Foster-Dulles- Komödie am Kurfürstendamm,
Allee 10, Tiergarten, die damit nun im Heimathafen zu
Fr-So 11.-13.8. Gast ist. Rio und Ton Steine Scher-
ben lieferten mit Liedern wie dem
„Rauch-Haus-Song“ den Sound
des West-Berlins der 70er-Jahre
und seiner linksalternativen Haus-
Performance besetzerszene. Das Musical zeigt
das Leben und die Zerrissenheit
von Rio Reiser, der in den 80ern
als Solokünstler mit Hits wie „Kö-
VOM STANDARD ZUR AUSNAHME nig von Deutschland“ Erfolge fei-
Platform 14 erte. Rio Reisers Bruder Gert C.

© Barbara Thiem; Julia Zoooi; Moritz Stumm, Power Noise, 2011

den hinduistischen und muslimi- Den Beat im Körper spüren und sich zu statischen Geräuschen, die Möbius gehört zu den Autoren, so
schen Bevölkerungsschichten the- Die Berliner Künstler:innen thematisieren Identitätsfindung, Sub- und Clubkultur und das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Techno-Community. den Rhythmen der Musik folgen – ihren ganz eigenen Rhythmus ha- ist das Stück ganz nah an Rio, der
matisiert. Regisseur Sudhir für Partygänger:innen ist das Tan- ben und bisher unentdeckte Berei- von Philip Butz gespielt wird. Für

© Alice Underwood; promo/Franziska Strauss; Robin Baumgarten; ORIOL TARRIDAS

Mishra (Foto) stellt sein Werk im
Gespräch mit Dorothee Wenner,
der Kuratorin der Reihe, vor. wun
zen im Club ein beliebter Zeitver- che von Musikalität eröffnen. Die die Premiere heute gibt es nur
Wer reinkommt, ist Der Ausstellungstitel „HEUTE
LEIDER NICHT“ kann schmerzli-
che Erinnerungen bei denen her-

Wunsches dazuzugehören und

dennoch außergewöhnlich zu
sein. Und wo lässt sich die Ge-

treib. Hier kann man in der Menge

verschwinden und fällt zwischen
bunten Lichtern nicht weiter auf.

Plattform 14 bietet aber auch

Raum, um auf elementare Proble-
me aufmerksam zu machen. Der

noch Restkarten. Bis zum 3.9. gibt

es viele weitere Termine. wei
Was:
Wo:
Filmreihe
Humboldt Forum, Schlü- drin „Heute leider vorrufen, die an der heiligen Ein-
gangspforte des Berghain abge-
meinschaft tausender Individua-
list:innen besser zelebrieren als
Für alle, die kein Problem damit
haben im Scheinwerferlicht zu ste-
Hip-Hop-Tanzkünstler Kwame
Asafo-Adjei schafft es durch das
Was:
Wo:
Musiktheater
Heimathafen Neukölln ,
nicht“ thematisiert
terhof, Schlossplatz, lehnt wurden. Und das nach akri- zwischen dröhnenden Bässen und hen, ist die Platform 14 der Ort um Performance-Projekt „Spoken Karl-Marx-Str. 141, Neu-
Mitte bischem Durchdenken jeder hypnotischen Melodien? Einem sich zu verwirklichen. Zeitgenös- Movements“ sein Publikum weg kölln
Wann: 11.08.2023, 19:30 Uhr Facette der eigenen Existenz und Ort, an dem wir die Grenzen von sischer Tanz findet hier direkt ne- vom analytischen und hin zum Wann: 11.08.2023, 19:30 Uhr
Individualismus und dem Versuch so lässig auszusehen
wie möglich. Da kann ein Korb von
Zeit, Raum und gesellschaftlichen
Normen überwinden können. ar
ben Streetstyle eine Bühne und die
passenden Zuschauer:innen.
emotionalen Denken zu bewegen
und dabei den Alltag von schwar-
Zugehörigkeit
Sven Marquardt und Co. nicht nur Die verschiedenen Tanzstile zen Menschen radikal darzustel-

Festival
ANZEIGE
KULTUR
SCHMECKEN LASSEN
10 Jahre Bite Club
Wenn man professionellen Rei-
senden Glauben schenken darf,
lernt man die Kultur eines Landes
erst durch Essen und Musik ken-
nen. Beim Bite Club Festival isst
man sich seit 10 Jahren bei chilli-
gen Beats durch die Gerichte ver-
schiedenster Länder und erhält so
einen kulinarischen Rundum-
schlag der ganzen Welt. Das Jubi-
läum wird heute gefeiert. lume
STATEMENT PETER PLATE & ULF LEO SOMMER
Don‘t say gay?
WE SAY GAY!
M
Peter Plate und Ulf Leo
Sommer komponieren
und texten zusammen seit
1990, unter anderem für
Rosenstolz, Sarah Connor
und Max Raabe. Seit fünf
Jahren konzentrieren sie
sich auf ihre eigenen
ein Stimmungskiller sein, sondern
auch an dem ein oder anderen Ego
kratzen. Genau dort setzt die Aus-
stellung an: Ablehnung und Zuge-
hörigkeit – zwei gegensätzliche
Kräfte im Spannungsfeld des
it Entsetzen haben wir
von dem Entschluss
gehört, dass in einem
Schulbezirk in Florida,
Schüler:innen bis zur 12. Klassen-
stufe im Unterricht fortan weder über
sexuelle Orientierung, noch über Ge-
schlechtsidentität sprechen dürfen.
Shakespeares Werke wie zum Bei-
* Stand Redaktionsschluss
Was: Gruppenausstellug
Wo: Dittrich & Schlechtriem
Galerie, Linienstraße 23,
Mitte, bis 09.09.23, Mo.–
Sa., 11:00 Uhr bis 18:00
Uhr
Das Musical ist seit
dem 19. März 2023
im Theater des
Westens zu sehen.
Begründet wird dieses mit dem
”Don’t say gay“-Gesetz.
Als Homosexuelle, Jahrgang ‘67 und
‘70, können wir nur sagen:
Diese Entwicklung macht uns Angst!
Wir hätten niemals gedacht, dass
nach all den Fortschritten, die wir
in den letzten Jahren erleben durf-
ten, gewonnene „Freiheiten“ wie-
der zur Diskussion gestellt werden.
sind dabei genauso divers wie die
Performer:innen. Die in Toronto
geborene Tanzkünstlerin Amanda
Donato zeigt, zu welch unter-
schiedlichen Arten von Musik ge-
tanzt werden kann. Sie bewegt
Es gibt nichts wichtigeres als Bildung,
Herzensbildung und man kann Men-
schen bestimmt nicht zum „Queer-
sein“ verbilden.
Lasst uns aufpassen, dass die Welt
bunt, laut und queer bleibt.
PS: Fortan lassen wir 400 x 2 Men-
schen unter 20 gratis* in unser Mu-
sical „Romeo & Julia - Liebe ist al-
les“ im Theater des Westens!
Wir glauben an unsere Jugend - und
Sie ? - Peter Plate & Ulf Leo Sommer
*das Angebot gilt nur bis zum
len. lume
Was: Tanzplattform Gaming
Wo: Uferstudios, Uferstraße
23, Gesundbrunnen
Wann: 11.08.2023, 19:00 Uhr
ANZEIGENSONDERVERÖFFENTLICHUNG
von Peter und Ulf
GAMES ERLEBEN
A MAZE. Digital PlayGround
Hier kann man Gameskultur erle-
ben – und das umsonst und drau-
ßen! Es gibt interaktive Spielerleb-
nisse und Workshops. Außerdem
sind Spiele-Macher:innen von Vi-
deospielen abseits des Main-
streams präsent. Ein Tag voll ge-
packt mit gemeinsamem Gaming
und einem Blick hinter die Kulis-
sen der Spieleentwicklung. lara
KONTAK T
Was: Gameskultur
„ROMEO & JULIA - LIEBE IST ALLES“

Was: Foodie-Party
Wo: Badeschiff & Arena Club,
Eichenstraße 4, Treptow
Wann: 11.08.2023, 17:00 Uhr
Fotos: BMG
spiel „Romeo und Julia“ dürfen da- Der alte Satz „Gleiche Rechte für 11.09.2023, First come first Wo: Deutsches Technikmu-
im Theater des Westens
Musicals. her im Unterricht nur noch in Aus- alle!“ ist heute richtiger und wich- serve, also schreibt seum , Historische La-
Kantstrasse 12
destr. , Kreuzberg, nur
zügen gelesen werden. tiger denn je. wesaygay@romeoundjulia.berlin 10623 Berlin
heute von 15 - 22 Uhr
B 18 tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023

Kultur in Berlin
Staatliche Museen

Vorfreude
entfachen
KOMMENTAR

Bernhard Schulz liest die Mails der

Staatlichen Museen.

International sichtbarer sollen die

Staatlichen Museen Berlin wer-
den, so ist es ihnen im anstehen-
den Reformpaket der Stiftung
Preußischer Kulturbesitz aufge-
tragen. Sichtbar sind zuallererst
die großen Sonderausstellungen.
Da kann Berlin immer noch zule-
gen. Immerhin, die Unternehmen
der Gemäldegalerie unlängst zu
Donatello oder zu Hugo van der
Goes bewegten sich auf diesem
Niveau, nicht zuletzt, weil beide
Ausstellungen in Kooperation mit
großen Häusern des Auslands er-
arbeitet wurden und so auch Be- Zeitgenössischer Volkstanz. „Carcaça“, eine Choreografie des Portugiesen Marco da Silva Ferreira.
deutung und Wertschätzung der
Berliner Museen unterstreichen.

Lebenslust und Agitprop Das

Eine weitere Ausstellung diesen
Ranges wird soeben angekündigt,
zu Frans Hals, einem Großen der

Festival Tanz im August ist eröffnet

niederländischen Malerei. Eröff-
nung im Juli. Wie bitte? Ach, ge-
meint ist der Juli kommenden Jah-
res. Ein knappes Jahr vorab darauf
aufmerksam zu machen, ist neu
für die Berliner Museen, zumin-
dest aber ungewohnt. Von Sandra Luzina
Aber es ist richtig. Die Öffent-

lichkeit soll wissen, was in den von
ihr finanzierten Einrichtungen
vonstatten geht, auch, damit sich
Interessierte bereits darauf ein-
stellen können. Die Ausstellung
des grandiosen Portraitmalers
Frans Hals ist vor Berlin bereits in
der Londoner National Gallery
und danach im Amsterdamer
Rijksmuseum zu sehen, auch das
ist wichtig zu wissen.
Die beiden Kooperationspart-
ner zählen zu jenen Top-Einrich-
tungen, an denen sich die Staatli-
chen Museen orientieren können,
was das Marketing und das Aus-
stellungserlebnis selbst betrifft.
Aufmerksamkeit entfachen und
dann auch wachhalten, das kann,
das muss man heutzutage erwar-
ten, unter wohlfeiler Hilfe von In-
ternet und Social Media.
Dass die Staatlichen Museen in
diesen Bereichen noch aufzuholen
haben, wissen sie selbst, und der
Hinweis auf die im internationa-
len Vergleich bescheidenen perso-
nellen und finanziellen Ressour-
cen hiesiger Häuser ist nur allzu
berechtigt.
Kultur soll für alle erreichbar
sein. Dazu muss die Öffentlichkeit
erfahren, was gespielt wird. Ein
Jahr im Voraus, und dann regelmä-
ßig immer wieder. Und wenn es
bis zum kommenden Juli gelänge,
den so deprimierend nüchternen
Eingang zur Gemäldegalerie einla-
E
s war kein ganz leichter
Start für den Tanz im
August. Der portugiesi-
sche Choreograf Marco
da Silva Ferreira, mit
dessen Produktion „Carcaça“ (zu
Deutsch: Gerippe) das Festival er-
öffnet wurde, sowie einer seiner
Tänzer konnten nicht nach Berlin
kommen – aus gesundheitlichen
Gründen. Dies gab der neue künst-
lerische Leiter Ricardo Carmona
bekannt. Die verbleibenden acht
Tänzer:innen haben die Choreo-
grafie in Windeseile neu für die
Bühne arrangiert. Toller Einsatz.
Eine gewisse Nervosität war auch
beim HAU-Team zu spüren. Das
Publikum musste erst mal das übli-
che Ritual aus drei Eröffnungsre-
den über sich ergehen lassen. Die
neue Kulturstaatssekretärin Sarah
Wedl-Wilson fasste sich kurz und
lobte die stilistische Vielfalt des
Festivals, das geografische und the-
matische Schwerpunkte setzt.
Ab in die Botanik
Ricardo Carmona verglich das Fes-
tival mit einem Pilz – und bemühte
auch noch andere botanische Ver-
gleiche. Elf Monate würden er und
sein Team quasi unter der Erde ar-
beiten, um dann einen Monat lang
hervorzusprießen. Die HAU-In-
tendantin Annemie Vanackere ver-
glich die Berliner Tanzlandschaft
Kahlschlag geht ja derzeit um in der
Zum Stück freien Szene. Von freudiger Erre-
gung und sprießender Begeiste-
Der portugiesische rung war bei den Reden von Carmo-
Choreograf Marco da na und Vanackere so gar nichts zu
Silva Ferreira ver- spüren. Doch den Tänzer:innen ist
bindet in seinem Stück es dann schnell gelungen, die Stim-
„Carcaça“ aktuellen mung zu heben.
Streetdance mit Folk- Marco da Silva Ferreira kommt
lore-Tänzen. Die Auf- vom Urban Dance. In „Carcaça“
führung ist noch ein- ging er von der Frage aus: Welche
mal an diesem Freitag Tänze könnte man heute als Volks-
um 19 Uhr im HAU1 zu tänze bezeichnen? Seine Choreo-
sehen. grafie kombiniert Tanzstile und
Praktiken, die auf den ersten Blick
Das Festival Tanz im nichts miteinander zu tun haben. Er
August läuft bis zum verbindet Streetdance und Club-
26. August. bing mit Schrittmustern, die man
von folkloristischen Tänzen kennt.
Dabei fokussiert er sich auf die Fuß-
arbeit. Die Tänzer:innen treten zu-
nächst in schwarzen Trikots mit
Cut outs auf. Später schlüpfen eini-
ge der Männer und Frauen in Röcke
mit bunten Ethno-Mustern.
Posen des Voguing
Sie hüpfen von einem aufs andere
Bein, tippeln mit gekreuzten Bei-
nen, wirken manchmal wie ein
elastischer Flummiball. Die Fuß-
arbeit kombinieren sie mit wech-
selnden Armbewegungen.
Manchmal sieht man Einflüsse des
Voguing, die Lust an Pose. Und
auch Tänze aus den Ex-Kolonien
haben Ferreira inspiriert.
beisteuert, die immer wieder über-
raschen. Die Energie steigert sich,
während die rhythmischen Muster
variiert werden. Das ist strecken-
weise mitreißend, eine Demons-
tration von Lebensfreude. Nur lei-
der ist die Guckkastenbühne des
Hebbel-Theaters denkbar ungeeig-
net für das Stück. Im HAU2 wäre die
Energie eher auf das Publikum
übergesprungen.
Marco da Silva will in „Carcaça“
auch der Frage nachgehen, was ei-
ne Gemeinschaft zusammenhält.
Die Tänzer:innen bilden hier eine
Gruppe und driften wieder ausei-
nander. Die Konstellationen, die
durchgespielt werden, wirken
eher beliebig.
Ganz unvermutet driftet der
Abend dann in den Klassenkampf
ab. Die Tänzer:innen stimmen ein
portugiesisches Lied an: „Meine
Herren, ich bin eine Arbeiterin. Ich
spreche ohne Manieren.“ Der Text
handelt von Armut und harter Ar-
beit und übt Kritik an der Nelken-
revolution. Solange noch Bürger an
der Macht seien, gehe die Ausbeu-
tung weiter. Die Arme der Tänze-
r:innen umspannt ein rotes Trikot,
sodass sie wie gefesselt wirken. Am
Ende befreien sie sich, beim Finale
greifen sie nochmal das Schrittma-
terial des Anfangs auf, doch nun
wirkt die Gruppe wie zusammen-
geschweißt. Der Traum von einer
© José Caldeira; TSP

dender zu gestalten – dann können mit einem Öko-System. Und mahn- Das Ensemble wird live begleitet sozialistischen Gesellschaft mag
die Berliner Häuser international te: „Diese Landschaft muss gepflegt von dem vorzüglichen Percussio- naiv anmuten. Doch mit seiner
schon mithalten. Machen, einfach und gefördert werden – und das nisten José Maruccho und von Luis Tanzlust sorgte das portugiesische
machen! braucht Zeit.“ Die Angst vor einem Pestana, der elektronische Klänge Ensemble für gute Vibes.
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de
Sie können es einfach. Entertainerin Gayle Tufts und Pianist Rainer Bielfeldt in der Bar jeder Vernunft.
Gayle Tufts und Rainer Bielfeldt
Alte Lieder rosten nicht
Von Frederik Hanssen
U
nverhofft kommt gar
nicht so oft, wie uns
das Sprichwort weis-
machen will. Bei Gay-
le Tufts und Rainer
Bielfeldt hat es jetzt aber doch mal
geklappt. Als das Tipi am Kanzler-
amt im vergangenen Sommer sein
20-jähriges Gründungsjubiläum
feierte, trafen sich dort auch die
Denglish-Entertainerin und der
Pianist. Um die Jahrtausendwende
hatten sie als Singer-Songwriter-
Traumpaar das Publikum begeis-
tert, acht gemeinsame Shows he-
rausgebracht und drei Alben.
Gemeinsames Songbook
Sie waren ausdauernd durch die
© Friedrun Reinhold; Barbara Braun; ; imago/imagebroker/imago/imagebroker; Berliner Filmfestspiele
Provinz getingelt, das Programm
der Bar jeder Vernunft schien oh-
ne sie undenkbar. Nach zehn Jah-
ren aber war die Luft raus, 2003
trennten sich ihre Wege – aber nur
beruflich, wie Gayle Tufts am
Mittwoch im Spiegelzelt betont.
Wie in Deutschland üblich, blie-
ben sie auch nach der „Scheidung“
Freunde, hielten Kontakt. Bis beim
Tipi-Geburtstag dann sentimenta-
le Stimmung aufkam.
Sollten sie jetzt, 18 Jahre später,
nicht mal wieder einen Blick in ihr
gemeinsames Songbook werfen?
Immerhin haben sie fast 80 Lieder
zusammen geschrieben, Gayle den
Text, Rainer die Musik. Ein be-
achtliches Oeuvre, erwachsen aus
der glücklichen Begegnung beim
schwul-lesbischen Jugendtreffen
1995 in Rainer Bielfeldts Heimat-
Serie Spielort Berlin: Endstation
Potsdamer Platz
An der Mauer entlang mit Wim Wenders
Jetzt lesen – Exklusiv für Abonnenten
Die Show
stadt Hamburg, wo sie als „Quo-
tenhetero“ auftreten durfte und ei-
Gayle Tufts und Rainer
nen jungen Mann am Klavier er-
lebte, der ihr als hanseatischer
Bielfeldt geben ihre
Unexpected Zugabe
Eton John erschien.
Aus dem Memento-Moment
noch einmal an die- kristallisierte sich die Idee eines
sem Freitag, 11. Au- Revival-Abends heraus. Als ein-
gust, um 20 Uhr in der maliges Weißt-du-noch-Event.
Bar jeder Vernunft. Kommt gar nicht in Frage, hieß es
in der Bar jeder Vernunft: Ihr
Auf den Streaming- müsst für mindestens drei Abende
diensten ist jetzt wie- kommen! Und da stehen sie nun
der das lange ver- „an diesem regnerischen Abend
griffene Album „Dictio- auf einem Parkdeck in Wilmers-
nary of Delight“ ver- dorf“, und sind so wunderbar wie
fügbar. früher. Sie redet viel, laut und
schnell, er sitzt hinterm Flügel und
lächelt sein entwaffnendes Lä-
cheln.
Von Heimweh geplagt
Viele Freunde sitzen im Zelt-
Rund, um diese „Unexpected Zu-
gabe“ zu erleben, auch der Ex-Re-
gierende Klaus Wowereit. Außer-
dem Thomas Hermanns, in dessen
„Quatsch Comedy Club“ die bei-
den einst als Warmup-Duo die
Stimmung im Publikum angeheizt
haben, bevor die professionellen
Witzemacher auftraten. Einen
schön bissigen Standup-Monolog,
den sie damals zum Besten gab, hat
Gayle Tufts aus ihrem Archiv ge-
fischt.
Es geht darin um Männer und
den Inhalt ihrer Kühlschränke –
The way we were. Gayle der mehr über die Besitzer verrät,
Tufts und Rainer Biel- als denen lieb sein kann. Das
feldt in den 1990ern. Heimweh nach Amerika hat die
Kultur in Berlin B 19
Wahlberlinerin lange geplagt,
nach den wilden Singlejahren in
New York. Bis sie ihren „Bremer“
traf, den Mann ihres Lebens seit 27
Jahren, dem sie, frisch verliebt, ein
Lied schenkte, in dem sich „lange
Leitung“ reimt auf „er braucht vier
Stunden für die Zeitung“.
Längst besitzt sie neben dem
US- auch einen bundesrepublika-
nischen Pass, doch was hat sie sich
gequält mit der deutschen Gram-
matik! Die Hymne „Konrad Duden
must die“ kündet davon, aber auch
das „Dicitionary of Delight“, in
dem sie fragt: „Who put the fire in
the Feierabend“?
Süße Erinnerungen
Die alten Lieder funktionieren
noch, mache tönen nostalgisch,
andere wirken im neuen Kontext
hellsichtig aktuell. Getragen von
der Zuneigung des Publikums,
steigern sich Sängerin und Pianist
zur Höchstform. Aus der improvi-
sierten „Session“ wird ein bewe-
gendes Gemeinschaftserlebnis.
Man spürt, wie die Zeit vergeht,
an solchen Abenden. Die Pfisters,
Tim Fischer, Pigor und Eichhorn,
Gayle und Rainer, die Stars aus den
Kindertagen der Bar jeder Ver-
nunft, sie alle sind immer noch da,
und wir sind mit ihnen gealtert,
vielleicht sogar gereift. Schöne Er-
innerungen werden da aufgewir-
belt, aus trüben Tiefen, aus hinte-
ren Herzenswinkeln. Noch auf
dem Nachhauseweg funkeln sie im
Gedankennebel.
Kulturförderung
Mehr Senatsgeld für
die Jazzszene
Der Berliner Senat hat für Jazz-
Musiker und Kuratoren Stipen-
dien und Projektförderungen aus-
geschrieben. Gefördert würden im
kommenden Jahr Einzelveranstal-
tungen, Veranstaltungsreihen und
Festivals, teilte die Senatskultur-
verwaltung am Donnerstag in Ber-
lin mit. Vernetzende Projekte, ins-
besondere zur Stärkung und Sicht-
barmachung von Frauen im Jazz,
seien ausdrücklich erwünscht.
Gefördert würden zeitlich be-
grenzte und nicht-kommerzielle
Vorhaben im Bereich Musik, deren
inhaltlicher Schwerpunkt auf Jazz
liegt. Eine grundsätzliche Offen-
heit gegenüber allen Spielarten
des Jazz und der improvisierten
Musik sei darin eingeschlossen.
Für die mit jeweils 8.000 Euro do-
tierten Arbeitsstipendien können
sich Künstlerinnen und Künstler
unter anderem in den Bereichen
Interpretation, Komposition, Re-
cherche, Tourneen und Produkti-
on bewerben. Die Projektförde-
rung sieht die Bezuschussung von
Sach- und Personalkosten vor. Ei-
ne Höhe der Förderung ist nicht
angegeben. Für beide Programm
endet die Antragsfrist für Musike-
rinnen und Kuratoren am 12. Okto-
ber 2023. (Tsp)
Berlinale Talents
Nikola Joetze wird
neue Chefin
Am 1. September übernimmt Ni-
kola Joetze die Projektleitung von
Berlinale Talents und komplet-
tiert die Doppelspitze der Ta-
lentförderinitiative zusammen
mit Programmleiter Florian Weg-
horn. Das gab die Berlinale am
Donnerstag bekannt. Joetze ver-
fügt über langjährige Erfahrungen
bei der Europäischen Filmakade-
mie, für die sie bis 2020 das Event-
management der European Film
Awards und die Durchführung
vieler weiterer Netzwerkprojekte
verantwortete. Filmschaffende
aus 14 verschiedenen Gewerken
können sich bis zum 4. 9. für die
nächste Ausgabe von Berlinale
Talents (17.-22. Februar 2024) be-
werben. (Tsp)
Die neue Projektleiterin der Berlinale
Talents: Nikola Joetze.
B 20 Kultur in Berlin
Soundcheck
Jeden Freitag stellen vier
Popkritiker*innen ab 21 Uhr die
Alben der Woche im „Soundcheck“
auf Radio eins vor. Diesmal mit:
Joni Mitchell: Joni Mitchell At
Newport (Rhino)
2015 erlitt Joni Mitchell einen
Schlaganfall. Niemand wusste so
richtig, wie es ihr ging. Bis sie letz-
tes Jahr einen Überraschungsauf-
tritt beim Newport Folk Festival
hinlegte. Begleitet von Brandi Car-
lile und anderen Musikern singt
die 78-jährige Songwriterin einige
ihrer größten Hits. Die „Joni Jam“,
nun auf Platte gepresst, dokumen-
tiert das denkwürdige Konzert ei-
ner Kämpferin. Juliane Reil,
Deutschlandfunk Kultur
Les Imprimés: Rêverie (Big
Crown)
Hört man diese Platte ohne jegli-
che Informationen, glaubt man, es
müsse sich um ein vergessenes
Low Rider Holy-Grail Album aus
den 1970er Jahren handeln. Aber:
das hier ist keine Band aus San
Diego, sondern ein Mann, Morten
Martens aus Norwegen, der auf
diesem grandiosen Album alles al-
leine gemacht hat. Wie - das ist
egal. Ein wahnsinnig schöner
Soundtrack für den Spätsommer.
Andreas Müller, Moderator
Bonnie Prince Billy: Keeping
Secrets Will Destroy You (Do-
mino)
Die Menschen sind wie Bäume, er-
klärt Billy. Es gibt Weiden, Kiefern
und Eichen. Aber nur die Letztge-
nannten mag er, denn sie sind ro-
bust. Der Amerikaner ist selbst so
ein Eichenmännchen, the original
Waldschrat sozusagen, mit einem
festen Platz in der alternativen
Country- und Folkmusik. Wer et-
was übrig hat für das Sonderbare
und Unbeugsame, wird hier fün-
dig. Christoph Reimann, Journalist
Public Image Ltd.: End Of
World (PIL Official)
Der Welt sei zu weit nach links ge-
rückt, sagte ausgerechnet John Ly-
don, „Godfather of Punk“ und Sän-
ger von PIL kürzlich. Schaut man
über die irrlichternden Tiraden in
seinen Texten hinweg, ist es die
ungebrochene Intensität seiner
Stimme, die die musikalische Tour
de Force zwischen Rock, Dance,
Folk, Pop und Dub auf diesem
Spätwerk zusammenhält. Hannes
Soltau, Tagesspiegel
Aufgebahrt. Mariechen Danz’ Arbeit „Womb tomb: worry scrolls“ von 2018 im historischen Saal.
Rohkunstbau in
Altdöbern Steck die
Sorgen in den Sockel
Von Michaela Nolte
E
ndlich Frieden!“ Wie
gerne würde nicht je-
de*r angesichts der po-
litischen Weltlage die-
sem Ausstellungstitel
zustimmen. Da er als Fakt nicht
standhält, untersuchen sechzehn
Künstler:innen – darunter das Duo
Allan McCollum & Matt Mullican,
der Fotograf Axel Hütte, die Ukrai-
nerin Olena Pronkina oder die
Engländerin Sarah Entwistle – „die
Sorge um sich und die Anderen“ in
der 28. Rohkunstbau-Ausgabe.
Restauriertes Schloss
Zum zweiten Mal ist die Wander-
schau auf Schloss Altdöbern gezo-
gen, etwa eineinhalb Autostunden
von Berlin entfernt. Der öffentli-
che Nahverkehr benötigt derzeit
rund drei Stunden in den Kreis
Oberspreewald-Lausitz. Doch da-
für ist auch das Schloss aus dem
frühen 18. Jahrhundert mit seinem
groß angelegten Park und dem
kleinen See eine Reise wert. Nach
dem Mauerfall ging es in den Be-
sitz der Gemeinde, die es aufwän-
dig und liebevoll peu à peu sanie-
ren und restaurieren lässt.
tagesspiegel.de
Im Zentrum der Ausstellung
Zur Ausstellung steht „die fast schon dreiste Frage
nach den ethischen Voraussetzun-
Endlich Frieden!, gen für ein Ende der Gewalt – der
Rohkunstbau, ist bis Gewalt gegen die Natur und gegen
29. Oktober im den Andern“, so Kuratorin Heike
Schloss Altdöbern, Am Fuhlbrügge. Frieden, respektive
Park, zu sehen. Sonn- der Wunsch nach Frieden also als
abend und Sonntag, Provokation.
12-18 Uhr. Mehr unter:
www.rohkunstbau.net Keramik im Zentrum
Den persönlichen Ängsten und
Unsicherheiten, der eigenen Rat-
losigkeit direkten Ausdruck zu
verleihen, ermöglicht Mariechen
Danz’ Installation „Womb Tomb:
worry scrolls“. Ähnlich dem
buddhistischen Wunschbaum
können Besucher:innen ihre Sor-
gen auf Papier schreiben, zusam-
menrollen und in die vorgestanz-
ten Löcher des Sockels stecken.
Darauf liegt aufgebahrt eine Figur
aus Keramik, wie im Mausoleum
im Zentrum des Raums mit histori-
schen Skulpturen. Der Dunkelgrau
und Violett schillernde Körper,
der sich scheint’s nach einem lan-
gen Prozess der Fossilisation ver-
steinert und verfärbt hat, ist mit
Wundmalen übersät.
Freitag, 11. August 2023
Die Löcher entstanden in einer
ersten Version, in der die Sorgen-
Rollen in den feuchten Ton der Fi-
gur gesteckt werden konnten.
Drumherum ragen organartige
Elemente mit Muscheln, Steinen
und Kristallen aus dem Sockel. Die
Sorgen, die die eindrucksvolle
Stellvertreterfigur aufgenommen
hat, lässt die in Berlin lebende iri-
sche Gesamtkunstwerkerin zum
Ausstellungsende in einer Zere-
monie verbrennen.
Die reinigende Kraft des Feuers
wird im Video „Below the Deep
South“ der 1984 in Paris geborenen
Noémie Goudal zur unheilvollen
Gefahr. Funken stieben, das Feuer
züngelt und lodert, verkohltes Pa-
pier steigt in die Luft – droht auf
die urwaldartige Umgebung über-
zuspringen. Allmählich erst wer-
den wir gewahr, dass es sich bei
den Pflanzen um ein Tapetenmus-
ter handelt, hinter dem eine Holz-
konstruktion hervorkommt.
In Ricard Larssons Bronze-Land-
schaft „Helicopter“ ist das Feuer be-
reits erloschen. Soldaten, schwarz
und wie zu Stein erstarrt, bevölkern
die verbrannte Erde – beschwören
den bitteren Preis für den Frieden.
In der rabenschwarzen Skulptur
„Mouse Platoon“ des schwedi-
schen Bildhauers wird der Militär-
Zug in der hinteren Reihe von
Trommlern angefacht und an der
Front schreiten die an Mickey Mou-
se angelehnten Figuren mit riesigen
Sicheln als Sensenmann voran.
Rügens Kreidefelsen
„Vom Verschwinden“ erzählt ein
poetisches und anrührendes Video
des 1976 auf Rügen geborenen Sven
Johne. Im Bild die berühmten Krei-
defelsen, aus dem Off ertönt eine
kindliche Stimme, die um Waldein-
samkeit kreist, um Flucht und um
die Sehnsucht zu verschwinden in
DDR-Zeiten. Erzählungen aus der
Perspektive eines elfjährigen Kin-
des, das sich vorstellt, dass die Bäu-
me Ohren haben und die Geschich-
ten von der Urgroßmutter oder der
verschwundenen Schwester in der
Landschaft, die ebenfalls ver-
schwinden wird, verborgen sind.
Die Utopie eines zwischen-
menschlichen Friedens symboli-
siert AA Bronsons „Die Rückkehr
des verlorenen Sohns“. Der
Leuchtkasten des Mitbegründers
des Künstlerkollektivs General
Idea zeigt zwei nackte Männer un-
ter einer Farbdusche. Stehend der
eine, der andere vor ihm kniend,
© Domino; Rhino; Big Crown; PIL Official; Mariechen Danz, Womb tomb: worry scrolls, 2018.@Rohkunstbau e.V, Foto: Paul Lovis Wagner
die Arme um seine Beine ge-
schlungen. Der biblische Reuege-
stus und das menschliche Verzei-
hen als über alle Zeiten gültige Vo-
raussetzungen für Frieden.
Zwei Ratten schickt der Street
Art-Künstler Banksy ins Idyll des
Barockschlosses. Auf dem maus-
grauen Stromverteilerkasten hal-
ten sie einen Regenschirm und ein
Peace-Zeichen hoch und konter-
karieren die holländischen Genre-
motive auf den Wänden.
Noch direkter fordert Andrea Bo-
wers auf einer pinkfarben bemalten
Kalashnikov aus Pappe: „Protect
Kids, Not Guns“. Während Gaëlle
Choisne einen Koffer mit Hirschge-
weih und schwarzer Madonna auf
eine rätselhafte Reise schickt. Im
Inneren des Fundstücks legen Risse
der Erinnerung einen Quecksilber-
spiegel sowie ein prismatisches Vi-
deo mit Bäumen, Augen und Nase
und mit einem Lachen frei. Ob der
Friede kommt, ob er nachhaltig ist
oder ewige Chimäre bleibt, darauf
gibt Rohkunstbau 28 keine Antwor-
ten, stellt dafür aber die drängen-
den Fragen.
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de
Seit 20 Jahren porträtiert Minette Dreier queere Personen. Hier ist sie vor einer Auswahl ihrer Werke zu sehen.
Künstlerin Minette Dreier
„Haut zu malen, ist sehr persönlich“
Von Tilmann Warnecke
Minette Dreier, Sie zeichnen seit
Jahren Größen der queeren Com-
munity in Berlin. Wie wählen Sie
die Personen aus?
Üblicherweise mache ich das nach
meinem Gusto. In letzter Zeit gab
es auch immer mal Bewerbungen,
von Menschen, die sagen: Ich sehe
die Bilder jetzt schon so lange und
würde mich freuen, wenn ich dazu
gehöre. Es fing an mit einer Por-
trätserie von Drag Queens und
Drag Kings und hat sich dann
schnell ausgeweitet – auf die quee-
re Bohème, so würde ich das nen-
nen. Es sind Personen, die oft auf
irgendeine Art eine Zweitpersona
haben oder in der queeren Com-
munity eine Rolle spielen
Wie sind Sie auf die Idee gekom-
men?
Ein großes Thema war damals für
mich Klischees – und dieser
Mann-Frau-Gegensatz ist eines
der größten Klischees und eines,
zu dem wir uns alle positionieren
müssen. Ich fand das interessant:
Was passiert, wenn ein Mann eine
typische Männerrolle bewusst
nicht will und die Rolle einer
Queen annimmt? Wie geht das,
wie stelle ich Geschlecht dar? Ich
muss aber auch sagen, dass sich in
den 20 Jahren seitdem extrem viel
getan hat. Viele Sachen betrachte
ich heute anders.
Ihre Porträts entstehen geradezu
klassisch in langen Sitzungen, Sie
berufen sich auf Rubens, Goya,
Velazquez. Warum dieser Ansatz?
Der queeren Community wird ge-
samtgesellschaftlich oft noch mit
© action press/JWAR; Maurus Knowles
einer gewissen Reserviertheit be-
gegnet, mit einer gewissen Ab-
schätzigkeit. Und da jetzt mit Por-
trätmalerei zu kommen, mit Öl auf
Leinwand – das waren die Päpste
und die Königshäuser, die sich das
gönnten. Und ich gönne das jetzt
meiner Familie und mache unsere
gemeinsame Genealogie. Das hat
Zur Person etwas mit Würde zu tun, mit Anse-
hen, einer Kanonisierung.
Minette Dreier ist
Malerin in Berlin- Ist das auch ein Grund, warum Sie
Kreuzberg. Die Buch- Motive aus klassischen Bildern in
handlung Prinz Eisen- Ihre Werke aufnehmen?
herz zeigt bis zum 31. Das gehört auch dazu, ja. Diese
August eine Auswahl Motive sind oft ein Ausgangs-
ihrer Bilder (Motzstr. punkt. Ich arbeite eben nicht mit
23, Schöneberg). Zu professionellen Models, wie etwa
sehen sind dort elf an der Hochschule mit Aktmodel-
Öl-Porträts von quee- len. Mir geht es darum, mit einer
ren Personen, die Person ein Bildnis zu erarbeiten.
schreiben oder Bücher Wenn ich dann einen Katalog öff-
machen sowie einige nen und einen Giacometti oder ein
Tieraquarelle. Rubens-Gemälde zeige, mit herrli-
chen Drehungen und dramati-
schen Gesten – dann bringt das
Feuer rein und ist oft der Aus-
gangspunkt für die Inszenierung.
Auffällig ist, dass viele Bilder Akte
sind oder Halbakte. Zufall?
Wie könnte das Zufall sein?! – Es
hängt immer von der Person ab:
Für manche kommt es überhaupt
nicht infrage, für andere ist es kein
Problem. Ich finde Haut sehr per-
sönlich und interessant zu malen.
Kleidung ist halt auch immer Ver-
kleidung und eine Möglichkeit,
sich dahinter zurückzuziehen.
Ebenso fallen die Settings ins
Auge, in denen Sie Ihre Modelle
malen. Eine Person etwa fesselt
ein Krokodil, eine andere liegt in
einem Oktopus. Wie entsteht das?
QUEERSPIEGEL Wenn der Körper fertig ist, ist
auch die Arbeit des Modells erst
Mehr über queere einmal beendet. Den Rest mache
Themen erfahren Sie ich mit mir und meiner Fantasie
in unserem Newsletter, aus. Das kann sich auch eine Weile
der zwei Mal monatlich hinziehen. Ich blättere in meinen
erscheint. Katalogen, etwas läuft im Fernse-
hen, ich bemerke etwas im Inter-
net – und plötzlich verfängt sich
etwas. Ein Beispiel: Einmal war ei-
Jetzt ne Figur fertig, und dann habe ich
abonnieren mit meinem Vater eine Naturdoku
gesehen über den Waldrapp, der in
Deutschland wieder angesiedelt
werden soll. Aus irgendeinem
Grund habe ich eine Notiz ge-
macht: Das passt zu dieser Figur.
Aus solchen Assoziationen fügen
sich oft ganze Geschichten.
Berlin ist divers, Sie haben bisher
aber vor allem weiße Personen
porträtiert. Wie kommt das?
Das ist mir auch schon seit länge-
rem aufgefallen. Lange Zeit konnte
ich das vielleicht auch damit be-
gründen, dass die Bühnen oder
Orte, die ich besuche, überwie-
gend weiß sind. Ich will das än-
dern, das ist sicher.
108 Werke gibt es schon in der
Reihe, wie viele sollen es ins-
gesamt werden?
Ich habe mir keinen Endpunkt ge-
setzt. Ich mache so lange weiter, wie
ich interessante Modelle finde.
Sie haben auch eine Ikonen-Serie
mit Malerinnen des 19. Jahrhun-
derts geschaffen. Was hat es mit
diesem Projekt auf sich?
Es gibt das Lexikon der Malerei, das
mich auch durchs Studium beglei-
tet hat. 800 Jahre Kunstgeschichte,
darunter neun oder zehn Frauen.
Ich habe das erstmal hingenommen
und gedacht: Die haben das viel-
leicht nicht gemacht. Ein Buch zur
Kunstgeschichte als Sozialge-
schichte hat mir damals irgend-
wann klargemacht, woran das liegt:
finanzielle Möglichkeiten, keine
Zulassung zu Hochschulen ... Das
Buch fiel mir vor einigen Jahren
wieder ein. Die Autorin hatte Na-
men von Malerinnen genannt, und
dank Internet konnte ich recher-
chieren, was man von ihnen weiß.
Ich habe jetzt Namen von mehr als
1000 Frauen, die belegbar Kunst ge-
macht haben. Überraschend viele
Paare auch. Daraus ist die Serie
„Lesbische Künstlerinnen des 19.
Jahrhunderts“ entstanden.
Queerspiegel B 21
In Kürze
ANTI-HOMOSEXUELLEN-GESETZ
Weltbank vergibt kein neues
Geld an Uganda
Die Weltbank vergibt wegen des
Anti-Homosexuellen-Gesetzes in
Uganda vorerst keine öffentlichen
Gelder mehr an das ostafrikani-
sche Land. Die Finanzinstitution
mit Sitz in Washington begründete
die Entscheidung mit einem fun-
damentalen Verstoß gegen die
eigenen Werte. Sexuelle und ge-
schlechtliche Minderheiten müss-
ten in den von der Bank finanzier-
ten Projekten vor Ausschluss
geschützt sein. Derzeit werden
zusätzliche Maßnahmen zur Ge-
währleistung der Weltbankstan-
dards in Uganda diskutiert, hieß
es. Bis deren Wirksamkeit über-
prüft sei, würden dem Verwal-
tungsrat keine neuen Finanzie-
rungsvorschläge unterbreitet.(epd)
„WERBUNG FÜR HOMOSEXUALITÄT“
Libanon will Blockbuster
„Barbie“ verbieten
Im Libanon soll der Hollywood-
Film „Barbie“ verboten werden,
weil dieser der Regierung zufolge
„Werbung für Homosexualität und
Geschlechtsumwandlung“ macht.
Der Blockbuster verstoße gegen
die „moralischen und religiösen
Werte“ des Landes, erklärte Kul-
turminister Mohammed Mourta-
da. Ursprünglich sollte „Barbie“ ab
dem 31. August im Libanon gezeigt
werden. Mourtada erklärte weiter,
„Barbie“ unterstütze die „Ab-
lehnung der Vormundschaft des
Vaters“, ziehe die Rolle der Mutter
ins Lächerliche und stelle die Ehe
in Frage. In dem Film von US-
Regisseurin Greta Gerwig gibt es
keinen expliziten Bezug auf Ho-
mosexualität oder Transidentität.
Die Figur der Puppe Allan kann als
schwul gelesen werden. (AFP/Qsp)
Margot Robbie ist die Hauptdarstel-
lerin von „Barbie“.
SCHWULENBERATUNG
Selbsthilfegruppe für schwule
Männer mit Angststörung
Für schwule Männer mit Angst-
störungen und Panikattacken
gründet die Schwulenberatung
eine Selbsthilfegruppe. Im ge-
schützten Rahmen solle über
Ängste und Panik gesprochen
werden und wie man lernt diese
anzunehmen, teilt die Schwulen-
beratung mit. Die Gespräche in
der Gruppe sollen dabei unter-
stützen, die Krankheit als solche
anzunehmen und sich nicht sel-
ber dafür zu verurteilen. Die
Gruppe richtet sich an schwule
Männer aller Altersklassen, die
Gruppenarbeit startet am 10.
Oktober 2023. Die Treffen finden
zunächst alle 14 Tage dienstags
von 19 bis 21 Uhr in den Räumen
des schwulen Check-
points Mann-O-Meter am Nol-
lendorfplatz statt. Interessierte
wenden sich an den Gruppen-
leiter: maxzehl@aol.com oder
hinterlassen ihre Kontaktdaten
bei Mann-O-Meter. (Qsp)
B 22
Wirtschaft in Berlin
Apfelernte
Weniger Ertrag in
diesem Jahr
Ernteberichterstatter gehen für
das Jahr 2023 von einem weniger
guten Apfelertrag aus. Aktuell lie-
ge dieser bei 24.000 Kilogramm je
Hektar, teilte das Amt für Statistik
Berlin-Brandenburg mit. Das sei-
en 8600 Kilogramm weniger als
2022 und 2500 Kilogramm weni-
ger als das langjährige Mittel. Die
Daten beziehen sich auf vorläufige
Ernteberichte.
Derzeit ist von einer Erntemen-
ge von rund 18.500 Tonnen Äpfel
auszugehen. Ein Jahr zuvor wur-
den in Brandenburg 26.600 Ton-
nen Äpfel gepflückt. Die mäßigen
Ertragserwartungen sind unter
anderem auf Frostschäden in der
Blütezeit und Schädlingsbefall zu-
rückzuführen, sagen die Apfelpro-
duzenten. Mit einer Fläche von 771
Hektar ist die Apfelproduktion der
bestimmende Faktor des Branden-
burger Obstanbaus. Dabei verrin-
gerte sich die Anbaufläche im Ver-
gleich zum Vorjahr um rund 46
Hektar. Die Hauptanbaugebiete
befinden sich in den Landkreisen
Potsdam-Mittelmark, Märkisch-
Oderland sowie in der kreisfreien
Stadt Frankfurt (Oder). Elstar, Ga-
la, Pinova und Jonagold gehören
zu den führenden Tafelobstsorten.
(Tsp)
Medizintechnik
Weniger Gewinn bei
Eckert & Ziegler
Im ersten Halbjahr 2023 hat der
Berliner Medizintechnikherstel-
ler Eckert & Ziegler deutlich weni-
ger Gewinn gemacht als im Vor-
jahreszeitraum. Dieser lag bei 10,9
Millionen Euro und ist damit um
3,5 Millionen Euro oder 25 Prozent
gesunken. Den Umsatz konnte das
Unternehmen gleichwohl um
zehn Prozent auf 118 Millionen Eu-
ro steigern. Das teilte Eckert &
Ziegler am Donnerstag mit.
Als Grund für den Dämpfer gibt
der Konzern Währungseffekte so-
wie „gestiegene Aufwendungen
für Zukunftsprojekte im Bereich
der nuklearmedizinischen Diag-
nostik und Therapie“ an. Eckert &
Ziegler gehört zu den führenden
Herstellern von Komponenten für
die Nuklearmedizin und Strahlen-
therapie. Die Aktie von Eckert &
Ziegler ist im TecDAX gelistet.
Eckert & Ziegler ist vom russi-
schen Krieg gegen die Ukraine be-
troffen. Der Konzern bezieht Ra-
dioisotope aus Russland. Im Ge-
schäftsbericht 2022 heißt es, alter-
native Lieferanten seien
vorhanden. Verkäufe in das Land
spielten „eine untergeordnete Rol-
le“. Das Berliner Unternehmen
hält aber auch Anteile mehrerer
Firmen in Russland. sims
tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023
Das sind knapp 24 Prozent mehr
als im Vorjahr. Auch die Zahl der
Besucher:innen hat sich um 30,2
Prozent erhöht.
Allerdings muss man bedenken,
dass in den ersten Monaten 2022
reisetechnisch in Deutschland
kaum etwas los war. Damals gab es
zwar keinen Lockdown mehr, aber
die Pandemie hatte die Branche
trotzdem fest im Griff: Es gab Mas-
kenpflichten und Hygieneregeln.
Viele Menschen blieben lieber zu
Hause, als sich woanders einem
Risiko auszusetzen. Für die Tou-
rismusbranche war die komplette
Pandemie ein Fiasko – und auch
VisitBerlin und die Wirtschafts-
verwaltung sorgten sich darum, ob
die Reiselust jemals in so einem
Ausmaß in die Hauptstadt zurück-
käme, wie sie sie 2020 schlagartig
verlassen hatte. 2019 war nämlich,
sagt Franziska Giffey, „ein absolu-
ter Höhepunkt der wirtschaftli-
chen Entwicklung auch der touris-
tischen Entwicklung in der Nach-
wendezeit.“
Aktuell seien wieder 86 Prozent
dieses Vorkrisenniveaus erreicht.
Das bedeute, man sei noch nicht
ganz zurück. „Jetzt muss die Resi-
lienzphase kommen, in der wir
dieses Wachstum stabilisieren.“
Doch wie soll so eine Krisen-
standhaftigkeit entwickelt wer-
den? Giffey sagt, dass genau dafür
im Haushaltsentwurf des Senats
ein Nachfolgeprogramm zum
„Neustartprogramm“ aufgelegt
worden sei. Dieses war seinerzeit
geschaffen worden, um nach der
Pandemie betroffene Unterneh-
men zu entlasten und zur Ankur-
belung ihres Geschäfts beizutra-
gen.
Touristen wollen das Brandenburger Tor auf jeden Fall sehen.
Berlin konkurriert mit den Gro-
ßen
Kieker verweist auf verschiedene
Großveranstaltungen, Ausstellun-
Tourismus
gen und Kongresse, die in nächster
Zeit etliche Besucher:innen in die
Hauptstadt locken sollen. Darun-
Berlin ist wieder
ter der World Health Summit im
Oktober oder die Fußball-Europa-
meisterschaft im kommenden
Sommer.
begehrter bei Besuchern
2019 gab eine Touristin durch-
schnittlich 209 Euro pro Tag wäh-
rend ihres Aufenthalts aus. Geld,
das für die Wirtschaftsleistung
der Stadt sehr wichtig ist. Zahlen
zu den Ausgaben pro Gast in die-
Von Joana Nietfeld Kieker zufolge sind solche Aus- sem Jahr gibt es noch nicht. Was
stellungen ebenfalls ein Grund für Kieker aber bereits sagen kann: es
B 24
den großen Andrang auf diese kommen wieder mehr Menschen
esucher kommen nach Stadt. aus dem Ausland hier, nämlich
Berlin, um die Plätze im Visit Berlin ist unter anderem 38,8 Prozent. Zum Vergleich: Von
Regierungsviertel zu dafür da, Berlin in der Welt zu pro- Januar bis Juni 2022 waren es 36
finden, an denen die Ta- moten. Seine Kollegen und er la- Prozent. Zu den Ländern, aus de-
Prozent
gesschau-Redakteure den dafür Journalistinnen aus an- nen die meisten Tourist:innen
mehr Übernachtungen
ihre Aufsager einsprechen – oder deren Ländern ein oder fliegen nach Berlin kommen, gehören das
als im Vorjahreszeit-
die, wo Babylon Berlin gedreht selbst nach São Paulo, Brüssel, Vereinigte Königreich, die USA
raum wurden bislang
wurde. Oder einfach um neue Mo- London und Tel Aviv und machen und die Niederlande. Zudem zählt
gezählt.
detrends mitzubekommen, den Werbung für die Hauptstadt. Wie Berlin Kieker zufolge weiterhin zu
Zeitgeist und Essensneuheiten. gut ihnen diese Akquise gelingt, den Top-Städten der Welt. Kieker
Das jedenfalls sagt der Chef von präsentieren sie am Donnerstag- zitiert eine Aufstellung, wonach
VisitBerlin, Burkhard Kieker, über morgen. Gemeinsam mit der Wirt- die deutsche Hauptstadt Platz 15
© IMAGO/Wolfgang Maria Weber
die Bestreben hierherzukommen. schaftssenatorin Franziska Giffey von den 100 beliebtesten belegt –
Während er das sagt, sitzt er zwi- (SPD) stellen sie die Tourismus- ganz in der Nähe von Chicago und
schen Bildern des Fotografen Jo- Bilanz für das erste Halbjahr die- San Francisco. „Ich erwähne das
chen Lempert in der CO-Berlin, ei- ses Jahres vor. noch mal, weil unsere Benchmark
nem Fotomuseum in der Harden- 13,8 Millionen Übernachtungen nicht Bielefeld ist, sondern die
bergstraße in Charlottenburg. Der in Hotels und anderen Unterkünf- großen Metropolen. Und so wer-
Ort ist nicht zufällig gewählt, denn ten wurden bislang in 2023 gezählt. den wir auch gesehen.“
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de
In den nächsten Jahren müssen Fassaden gedämmt und neue Heizungen eingebaut werden. Dabei kann Asbest freigesetzt werden.
Asbest in Wohnungen
So stark ist Berlin betroffen
Von Heike Jahberg
V
on der Gefahr in ihrer
Wohnung wusste Sil-
via Meiners nichts.
Erst als sie einen Was-
serschaden in ihrem
Wohnzimmer hat, erfährt sie von
ihrem Vermieter, dass in der Woh-
nung krebserregender Asbest ver-
baut worden ist. Um den Fußbo-
den zu erneuern, muss die Woh-
nung saniert, der giftige Stoff ent-
sorgt werden. Meiners, die in
Wirklichkeit anders heißt, ist
schockiert: „Niemand hat mir et-
was gesagt“, kritisiert sie. Die jun-
ge Frau lebt in einer Wohnungsan-
lage im Berliner Süden mit 70
Wohnungen, die in den 60er Jah-
ren für die amerikanischen Solda-
ten gebaut worden waren und
nach dem Abzug der Alliierten an
Bundesbedienstete vermietet
wurden. Meiners muss ihre Woh-
nung nun vorübergehend räumen,
bis die Sanierung abgeschlossen
ist.
© ; Denttabs; Straßenkinder e.V. - Robin Baumann.; imago/Sven Simon
Warum sind Asbestfasern so ge-
fährlich?
Asbest kann die Lungen schädigen
und Krebs verursachen. Die feinen
Fasern dringen bis in die kleinsten
Lungenbläschen vor. Sie können
Asbestose, eine chronisch ent-
zündliche Erkrankung der Atem-
wege, Lungen-, Rippenfellkrebs
oder Kehlkopfkrebs verursachen.
Jedes Jahr sterben 1500 Menschen,
die auf dem Bau, als Handwerker
oder in der Landwirtschaft gear-
beitet haben, an den Folgen der
Basta, Zahnpasta!
Ein Berliner Unternehmer will das
Zähneputzen für immer verändern
Jetzt lesen – Exklusiv für Abonnenten
Asbest-Kontamination. Die Dun-
Sanierung kelziffer dürfte jedoch um einiges
höher liegen, vermutet man bei
Die gute Nachricht: der Industriegewerkschaft Bauen,
Asbest lässt sich so Agrar, Umwelt. Denn auch Hobby-
entfernen, dass nie- Heimwerker sind betroffen, wenn
mand zu Schaden sie ihr Bad neu fliesen, die alten
kommt. Das geht Fenster austauschen oder einen
mithilfe von Entstau- neuen Teppichboden verlegen.
bungsmaschinen,
Luftreinigern, Schleu- Verschärft sich das Problem
sen, Masken und jetzt?
Schutzanzügen. Vor Asbest ist ungefährlich, so lange
jeder Renovierung in man die Fasern nicht freisetzt.
älteren Häusern sollte Doch Deutschland steht vor einer
man eine Asbestpro- Renovierungswelle. Um Energie
be nehmen und bei zu sparen, sollen Häuser energe-
einem Institut, etwa tisch saniert werden. Sie sollen ei-
dem Tüv, untersuchen ne Wärmedämmung bekommen,
lassen. Kosten: ab 80 in vielen Wohnungen müssen
Euro aufwärts.. neue Heizungen oder Fenster ein-
gebaut werden. Die IG BAU und
die Berufsgenossenschaft Bau se-
hen das mit Sorge: „Mit der Sanie-
rungswelle droht jetzt eine As-
best-Welle“, sagt Carsten Burck-
hardt, im Bundesvorstand der IG
BAU für Bau und Arbeitsschutz
zuständig.
Der Gewerkschafter fürchtet,
dass Bauarbeiter gefährdet sind,
wenn sie nicht über die Risiken
aufgeklärt werden. Aber auch
Mieter können gesundheitliche
Schäden erleiden, wenn Sanierun-
gen nicht fachmännisch durchge-
führt werden. Die Fasern halten
sich 24 Stunden in der Luft, also
sind auch dann noch vorhanden,
wenn die Arbeit bereits abge-
schlossen hat.
Wirtschaft in Berlin B 23
Welche Wohnungen sind betrof-
fen?
Asbest galt als Wunderbaustoff,
betont Michael Kirsch von der Be-
rufsgenossenschaft Bau. Asbe-
stbaustoffe sind von 1950 bis 1989
in großem Stil verbaut worden.
Asbest steckt im Zement, in Dich-
tungen, im Kitt für Fenster und im
Kleber für Teppichböden und
Fliesen. In Brandenburg sind nach
Recherchen des Pestel-Instituts
zwischen 1950 und 1989 gut 153.000
Wohnungen, in Berlin rund
122.000 Wohnungen gebaut wor-
den. IG-Bau-Vorstand Burckhardt
rechnet damit, dass in jedem Ge-
bäude aus dieser Zeit Asbest ver-
arbeitet wurde. Konkrete Zahlen
gibt es jedoch nur für die Wohnun-
gen der landeseigenen Gesell-
schaften. Danach bestand Ende
vergangenen Jahres für 55.127
Wohnungen eine Asbestbelastung
oder Asbestverdacht.
Wie reagieren die Wohnungs-
baugesellschaften?
„Saniert werden asbesthaltige
Wohnungen, sofern keine Beschä-
digungen an den entsprechenden
Bauteilen und damit akuter Hand-
lungsbedarf vorliegen, grundsätz-
lich nach Auszug der Mieter*in-
nen“, sagt David Eberhart vom
Verband Berlin-Brandenburgi-
scher Wohnungsunternehmen
(BBU). Bei den landeseigenen
Wohnungsbaugesellschaften wür-
den jedes Jahr mehrere Tausend
Wohnungen Asbest-saniert.
Warme Mahlzeit
für Straßenkinder
WBM finanziert
Essenausgabe am
Alexanderplatz
Mehr als 3000 Straßenkinder gibt
es nach Schätzungen in Berlin. Der
Verein „Straßenkinder e.V.“ ist ei-
ne der Hilfsorganisationen, die
sich seit mehr als 20 Jahren um
wohnungslose Minderjährige
kümmert, die auf der Straße leben.
Nun bekommt „Straßenkinder“
Unterstützung von der landesei-
genen WBM Wohnungsbaugesell-
schaft Berlin-Mitte.
Der Konzern wird den „Mittags-
tisch“ – eine warme Mahlzeit, die
zweimal pro Woche am Alexan-
derplatz für minderjährige und
wohnungslose junge Menschen
ausgegeben wird – für zwei Jahre
finanziell unterstützen. Eine Sum-
me nannte das Unternehmen
nicht. „Wir geben jeweils 50 bis 60
Portionen raus, die auch alle gut
angenommen werden“, sagte eine
Sprecherin des Vereins. Der Ale-
xanderplatz sei ein zentraler An-
laufpunkt, wo die Mitarbeitenden
mit vielen Wohnungslosen in Kon-
takt kommen.
Warme Getränke und Mahlzeiten für
Straßenkinder.
„Unsere finanzielle Unterstüt-
zung ermöglicht es dem Verein
Straßenkinder e.V., seine wichtige
Arbeit fortzusetzen und jungen
wohnungslosen Menschen in Ber-
lin eine Stütze zu bieten. Gemein-
sam machen wir den Mittagstisch
für Straßenkinder zu einem Ort
der Hoffnung und Unterstützung“,
teilte Steffen Helbig, Geschäfts-
führer der WBM, mit.
Eckhard Baumann, Vorsitzen-
der des Vereins: „Noch immer
wird dem Thema Jugendobdach-
losigkeit in Deutschland zu wenig
Aufmerksamkeit geschenkt. Dank
der langfristigen Unterstützung
der WBM sind wir eine sichere
und konstante Anlaufstelle für ob-
dachlose Kinder und Jugendliche
und machen auf ihre Bedürfnisse
aufmerksam.“ Neben der Essen-
ausgabe auf dem Alexanderplatz
betreibt der Verein zwei Anlauf-
stellen im Bezirk Friedrichshain.
Wohnungslose junge Menschen
können dort auch ihre Wäsche wa-
schen, duschen und in akuten Kri-
sen Hilfe bekommen. tabu
B 24 Wirtschaft in Berlin Handel tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023

Wegen Inflation
und hohen Kosten
Verdi lehnt Angebot
der Arbeitgeber ab
In den Tarifverhandlungen im Ein-
zelhandel gibt es vorerst keine Ei-
nigung. Die Gewerkschaft Verdi
teilte am Donnerstag mit, dass sie
ein Angebot der Arbeitgeberseite
abgelehnt habe. Demnach boten
die Arbeitgeber eine Lohnsteige-
rung von 5,3 Prozent ab Oktober
2023 an.
„Das Angebot klingt hoch“, sagt
Conny Weißbach, Verdi-Fachbe-
reichsleiterin für den Berliner
Handel, doch es gleiche den Real-
lohnverlust nicht aus. Als Real-
lohn wird der Teil des Verdiensts
bezeichnet, über den Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer tat-
sächlich verfügen können. Mo-
mentan zehren Inflation und hohe
Preise am Reallohn. „Das Lohnni-
veau ist insgesamt niedrig im Han-
del“, meint Weißbach. Außerdem
arbeite ein großer Teil der Be- Spätverkäufe gehören zum Berliner Straßenbild. Doch viel Geld verdienen die Betreiber der kleinen Läden normalerweise nicht.
schäftigten in Teilzeit. Im Einzel-
handel seien vor allem Frauen be-

Späti in Nöten Anwohner wollen

schäftigt, die Quote liege bei 66
Prozent. Viele von ihnen seien zu-
dem als Alleinerziehende beson-

„Quicky Markt“ retten

ders hart getroffen von der aktuell
schwierigen Wirtschaftslage. Un-
ter dem Strich sei die angebotene
Lohnsteigerung für die „überwie-
gende Mehrheit“ der Beschäftig-
ten keine wirkliche Verbesserung.
Verdi halte daher an der Forde- Von Julius Stockheim
rung nach einer Lohnerhöhung

von 2,50 Euro pro Stunde fest.
Verdi möchte gesunkene Reallöhne
durch höhere Löhne ausgleichen.
In Berlin-Brandenburg arbeiten
der Gewerkschaft zufolge insge-
samt etwa 230.000 Menschen im
Einzelhandel. In Berlin liegt die
Teilzeitquote bei 65 Prozent und in
Brandenburg bei 55 Prozent. Der
bisherige Tarifvertrag ist zum 30.
Juni 2023 ausgelaufen. Verdi for-
dert eine Tariferhöhung, die direkt
ab 1. Juli 2023 anschließt. Doch das
lehnten die Arbeitgeber ab.
Silvana Meister arbeitet als
Kommissioniererin bei Kaufland
in Lübbenau/Spreewald und ist
Verdi-Mitglied. „Wir brauchen de-
finitiv eine Erhöhung der Reallöh-
ne“, sagt sie. Sie arbeite in Teilzeit
30 Stunden pro Woche. In ihrem
Haushalt seien die monatlichen
Kosten seit Beginn der Inflation
um etwa 500 Euro gestiegen. „Ur-
laub ist bei uns nicht mehr drin.“
Gleichzeitig müsse sie aufgrund
des Personalmangels deutlich
mehr leisten.
Roman Galeski ist als Verkäufer
beim Modehändler H&M in der
Wilmersdorfer Straße in Berlin tä-
D
er „Quicky Markt“ in
Kreuzberg ist für vie-
le seiner Kunden
mehr als nur ein einfa-
cher Späti. Seit 14 Jah-
ren verkaufen René Grönke und
Jennifer Gollnau in der Skalitzer
Straße Getränke, Süßigkeiten und
Tabak, nehmen Pakete an. Sie füh-
len sich hier als ein Teil der Kiez-
gemeinschaft, sagen sie. Aber die
Zukunft des Geschäfts ist unge-
wiss, vielleicht muss es bald
schließen. Auch andere Spätis
sind bedroht.
„Jenny und René haben mir im-
mer ein gutes Gefühl gegeben, das
ist mein Ort“, ruft einer der rund
100 Demonstranten, die am Mitt-
wochabend vor dem „Quicky
Markt“ protestiert haben. Sie for-
dern, dass der Hauseigentümer
des Gebäudes die Miete nicht er-
höht. Im Gespräch sei eine Miet-
steigerung um das 2,3-fache, sagt
Stefan Klein, der den Späti juris-
tisch berät.
Unterstützer sammeln Geld
Aus der Mieterhöhung ergibt sich
eine Kaution von 8000 Euro, die
die Betreiber zahlen sollen. Das
können sie aber nach eigenen An-
gaben nicht. Eine Nachbarschafts-
initiative startete deshalb auf der
Website „Gofundme“ eine Spen-
denkampagne. Dort wurden be-
reits 7686 Euro gesammelt (Stand:
Donnerstag). „Wir haben nicht da-
mit gerechnet, dass sich die Leute
so hinter uns stellen“, sagt der Spä-
tibetreiber Grönke.
Eigentümer des Gebäudes ist
Dass so eine hohe Mietsteige-
rung überhaupt möglich ist, liegt
an den vagen Regelungen des Ge-
7686 werbemietrechts. Im Gegensatz
zu den Rechten von Wohnraum-
mietern, die vor willkürlichen
Maßnahmen des Vermieters ge-
Euro schützt sind, dürfen Mietverträge
sammelten Unter- zwischen Vermieter und Gewer-
stützer bereits. bemieter individuell ausgehandelt
werden. Hier herrscht vorwie-
gend Vertragsfreiheit. Deswegen
ist die hohe Mieterhöhung grund-
sätzlich erlaubt.
Spätis unter Druck
Allerdings mussten in den vergan-
genen Monaten bereits mehrere
Spätis wegen hoher Mieten schlie-
ßen. Der Jurist Stefan Klein be-
richtet, er habe bereits fünf Unter-
nehmen bei ähnlichen Problemen
beraten - drei davon hätten am En-
de schließen müssen. Deswegen
fordert die Nachbarschaftsinitiati-
ve auch neue Regeln beim Gewer-
bemietrecht.
René Grönke und Jennifer Goll-
nau haben zwar noch Hoffnung,
dass die Mietverhandlungen zu ih-
ren Gunsten zu Ende gehen, rech-
nen aber schon damit, ihren Späti
im Oktober schließen zu müssen.
Der Vermieter Ambelin wisse
auch, dass sie bleiben möchten.
„Wir machen das saugerne“, sagt
Grönke über seine Arbeit.
Aber es sieht schlecht aus für
den Berliner Späti, denn die Miet-
erhöhung in dieser Höhe ist für die
Betreiber nicht stemmbar. Schon
jetzt arbeitet Grönke tagsüber in
einem Zweitjob, um den Laden zu
halten. Danach übernimmt er die
Spätschicht im Laden.
Ein Demonstrant spricht von ei-
nem „Ausverkauf von Berlin“, der
gerade stattfinde. Die Gentrifizie-
rung von Kreuzberg, also die Auf-
wertung des Stadtteils durch Sa-
nierungen und neue Wohnhäuser,
sei ohnehin schon zu weit fortge-
schritten. Ein anderer Redner
sieht im „Quicky Markt“ ein Bei-
spiel für Verdrängung von einfa-
chem Kleingewerbe im Bezirk.
Dann fordert er den Senat auf, die
Bürgerinitiative „Deutsche Woh-
nen & Co. enteignen“ umzusetzen.
Die Demonstrantinnen und De-
monstranten applaudieren, skan-
dieren lautstark „Quicky bleibt!“
© Julius Stockmann; imago/Seeliger; dpa

tig, ebenfalls in Teilzeit. Er fürchte die Ambelin GmbH, eine Dienst-

die Altersarmut, sagt er. Laut Ren-
tenbescheid stünden ihm im Alter
1.200 Euro Rente zu, doch das rei-
che nicht aus. Eine private Alters-
vorsorge könne er sich nicht leis-
ten, da er schon jetzt am Ende des
Monats kein Geld mehr übrig ha-
be. Christoph M. Kluge
leistungsgesellschaft für die Im-
mobilienwirtschaft. Über sie lau-
fen die Verhandlungen über den
neuen Mietvertrag. Das Unterneh-
men wolle sich „aus Datenschutz-
gründen“ nicht zu der Situation
äußern, teilte eine Mitarbeiterin Der Quicky Markt in Kreuzberg ist nicht nur ein Laden, sondern auch ein belieb-
dem Tagesspiegel mit. ter Treffpunkt für die Nachbarschaft.
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de
Städte der Zukunft
Wie wohnen wir
in 50 Jahren?
„Die Verdichtung
wird zunehmen“
Von Udo Badelt
Herr Bentlin, vor welchen Heraus-
forderungen stehen Städte in den
kommenden 30 oder 50 Jahren?
Sie müssen lebenswerter werden
für alle Bewohner:innen – Men-
schen, Pflanzen, Tiere – und damit
klimaangepasster, resilienter und
nachhaltiger. Ich würde aber ger-
ne auch auf James Hobrecht zu-
rückgreifen. Berlin schenkt leider
dem Hauptakteur seines Stadt-
grundrisses bis heute kaum Auf-
merksamkeit. Auf dem Neuköllner
Straßenschild steht ein falsches
Sterbedatum.
Skandalös.
Worum es mir geht: Zukunftsvor-
stellungen waren auch schon vor
150 Jahren gefragt. Das ist eine
Konstante, auch im Städtebau.
Spannend finde ich zum Beispiel,
dass man um 1850 dachte: Eisen-
bahn? Das überlassen wir den Pri-
vaten, ein bisschen so wie E-Roller
heute. Stattdessen baute man Hä-
fen aus. Innerhalb weniger Jahr-
zehnte wurde das komplette Stadt-
gefüge von der neuen Schienenin-
frastruktur überformt. Die Inno-
vation hat sich in die Stadt
hineingefressen und sie geprägt,
ohne dass es politisch „geplant“
gewesen wäre.
Wie viel kann Stadtplanung be-
wirken, wie viel passiert einfach?
Die Frage ist: Was reguliert man,
was nicht? Nach den revolutionä-
ren Umbrüchen von 1848/49 und
einem erstarkten bürgerlichen
Selbstbewusstsein galt: Wir grei-
fen so wenig wie möglich ins Ei-
gentum ein. Daraus entstanden die
dichten Innenstadtquartiere, das
hat niemand geplant, es war das
Ergebnis von Nicht-Regulierung.
Was wird heute reguliert? Ist die
Ödnis am Hauptbahnhof gewollt?
Heute wird sehr viel reguliert.
Aber die Bauordnungen basieren
noch auf den Wiederaufbaujahren
und der extremen Dichte vor dem
Krieg. Erst seit einigen Jahren wird
Verdichtung überhaupt wieder
baurechtlich zugelassen. Europa-
city, Alexanderplatz, Südkreuz
stammen aus einer Zeit, als Berlin
arm war wie eine Kirchenmaus,
das ist es ja heute noch. Man war
Ende der 90er-Jahre froh, dass
überhaupt jemand investiert. Und
© Felix Noak
so sieht es dann, bei sehr langen
Planungsprozessen, eben aus.
B 25
Wie sich Metropolen künftig entwickeln werden Themenspezial
Nötig wären Kleinteiligkeit, Parzel-
lierung, lebendige Erdgeschosse.
Im Herbst erscheint eine Studie
von uns zur nachhaltigen Quar-
tiersentwicklung. Eine Erkennt-
nis: Sie können sich tolle Konzep-
te überlegen, aber wenn sie die
wirtschaftlichen und politischen Felix Bentlin hat über James Hobrecht und die Berliner Stadterweiterung von 1862 promoviert.
Akteure nicht an Bord haben,
funktioniert es nicht. Die Kleintei-
ligkeit italienischer Altstädte oder Was kann Berlin von Kopenhagen Gegenteil erlebt. Wenn, dann pola-
im gründerzeitlichen Berlin ent- oder Barcelona lernen? Zur Person risieren sie, siehe Admiralbrücke.
stand aus einer Notwendigkeit he- Die mehrfache Innenentwicklung.
raus, es gab ja sogar noch Land- Man hat erkannt: Wir müssen (a) Felix Bentlin ist Senior Was können andere Städte von
wirtschaft in Hinterhöfen. Heute nach innen bauen, (b) Funktionen Researcher und Lectu- Berlin lernen?
ist die Wirtschaft so rationalisiert, überlagern, (c) Mobilität und Ve- rer am Fachgebiet Polyzentrisches Wachstum ist ei-
dass so eine Mischung gar nicht getation intensivieren. In Berlin Städtebau und Sied- ne riesige Stärke, und der Gestal-
mehr notwendig ist. dominiert eher die Debatte, was lungswesen der Tech- tungs- und Beteiligungswille. Die
alles nicht funktioniert – weil es nischen Universität Zwischennutzungen haben die
Stichwort Landwirtschaft: Welche wenig Projekte gibt, wo man das Berlin. Stadt weltweit bekannt gemacht.
Rolle kann Selbstversorgung in
der Stadt der Zukunft spielen? ANZEIGE
Am Potsdamer Platz gibt es ja das
„Roof Water-Farm“-Labor. Immo-
© KfW/Thomas Meyer
bilieneigentümer:innen finden ge-
bäudeintegrierte Farmwirtschaft
interessant, wenn man ihnen klar
macht, dass es nicht nur um den
Anbau frischer Minze geht, son-
dern dass das mit Geld einhergeht.
Generell müssten Dächer klüger
genutzt werden: Begrünung, Ener-
giegewinnung oder eben Lebens-
Mit 75 Jahren
mittelproduktion. Berlin disku-
tiert das schon viel, es gibt etwa
für Nachwuchs
die Solarpotentialkarte im Ener-
gieatlas. Aber die kleinteilige Be-
sorgen?
bauung ist für größere Solaranla-
gen nicht geeignet.
Machen wir.
Seit 75 Jahren gestaltet die KfW
Am Stadtrand liegen riesige Ein- die Zukun und unterstützt den
kaufszentren mit Flachdächern, Wandel von Wirtscha und
die ungenützt in der Sonne braten. Gesellscha . Zum Beispiel
Da sind wir wieder bei der Frage:
mit Projekten zur Förderung
Wie kriegen wir die wirtschaftli-
chen Akteure mit an Bord? Wenn innovativer und digitaler
Discounter einen Finanzierungs- Bildung, Infrastruktur,
plan nur noch auf 15 Jahre anlegen, Unternehmen und
lohnt es sich nicht, in eine Solaran- Start-ups.
lage zu investieren. Aber man
denkt ja um. Dächer haben ein viel kfw.de/75jahre
größeres Potential als Schutz vor
Regen, vor allem in der sehr dich-
ten Stadt, die die Zukunft bestim-
men wird.
Sie denken also, Städte werden
sich weiter verdichten?
Es gibt das, was wir „Shock Mobili-
ty“ nennen. Um Europa herum
grassieren Krisen: Kriege, Erder-
wärmung, Wasserknappheit. Ber-
lin ist da noch ein Hort der Sicher-
heit. Gerade große Städte mit In-
frastruktur und Diversität werden
weiter wachsen. Gleichzeitig dür-
fen wir keinen Boden mehr versie-
geln. Das ist das Dilemma.
B 26
Wissenschaft in Berlin
STUDI AM START
FOLGE 14
Lisa Hoffmann
Der Klimawandel
und die Kunst
Von Sieba Abadi
A
utos sind im Berliner Stadt-
bild allgegenwärtig. Lisa
Hoffmann, Meisterschülerin
des Studiengangs Kunst und Me-
dien und Mitglied des Kollektivs
„Klasse Klima“ an der Universität
der Künste (UdK), beschreibt Ber-
lin sogar als eine „autogerechte
Stadt“, die vor allem auf den motori-
sierten Individualverkehr hin ge-
plant und ausgerichtet sei.
Der Ernst-Reuter-Platz, ein Ver-
kehrsknotenpunkt in Charlotten-
burg und nur wenige Meter von
der eigenen Universität entfernt,
ist für sie ein Ort, der diese „auto-
mobile Kultur“ zum Ausdruck
bringt. „Dieser Platz transportiert
eine Idee der Moderne, die längst
überholt ist. Hier werden die Si-
cherheitsbedürfnisse von anderen
Verkehrsteilnehmenden einfach
ignoriert: von Fußgänger:innen
oder Menschen mit Behinderung.“
Wie der Platz menschenfreund-
licher genutzt werden kann, wol-
len die 32-Jährige und die anderen
Studierenden im August mit ihrer
Ausstellung „This is not a test!“
rund um den Ernst-Reuter-Platz
veranschaulichen. Hierfür haben
sie unter anderem performative
Spaziergänge rund um den Platz
geplant, einen Workshop und eine
Lesung.
Lisa ist nun seit über drei Jahren
Mitglied in dem UdK-Kollektiv. Es
ist nicht die erste Veranstaltung, die
sie mitorganisiert hat. Ziel von
„Klasse Klima“ ist es, die Klimakri-
se in die Lehre und gestalterische
Praxis zu übersetzen – und Lösun-
gen fürs eigene Handeln zu finden.
Konkret wollen sie und ihre Mit-
streiter:innen herausfinden, wie
angehende Architekt:innen lernen,
ohne die Verwendung von klima-
schädlichem Beton zu bauen. Oder
wie sich Kunst und Aktivismus ver-
knüpfen lassen. In der Seminarrei-
he, die das Kollektiv jedes Semester
veranstaltet, waren auch schon For-
schende vom Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung zu Gast.
Aber erreichen die Studis mit ih-
ren Aktionen nicht nur Menschen
des akademischen Kosmos? Diese
Sorge teile sie, sagt Lisa. „Aber auch
die Uni kann spiegeln, wie unsere
Gesellschaft funktioniert“. Wenn
man Handlungsoptionen im Klei-
nen entwickle, dann gelinge das
„vielleicht auch im Größeren.“
Auf der „Digitalisierungstraße“ werden hunderttausende Insekten konservatorisch aufgearbeitet, fotografiert und in die Datenbank eingetragen.
Das neue Naturkundemuseum
Partys für die Artenvielfalt
Von Katharina Rudolph
M
inerale und Gestei-
ne, Krebstiere, Me-
teorite, Fliegen,
Mücken, Flöhe,
Mollusken, Spin-
nentiere und Tausendfüßler, fossi-
le Säuger und vieles mehr: rund 30
Millionen Objekte beherbergt das
Museum für Naturkunde Berlin
(MfN). Anders als manch anderer,
auf Hochglanz polierter Muse-
umsaltbau aber wirkt das zwi-
schen 1885 und 1889 errichtete
Ausstellungshaus von innen we-
nig ertüchtigt. Nur Abschnitte des
Gebäudes wurden bisher saniert
und sind öffentlich zugänglich, an
anderen Stellen können Dächer
und Fassaden bei Starkregen ein-
dringendem Wasser kaum stand-
halten. Das sind keine guten Vo-
raussetzungen, um ein kostbares
Stück Naturerbe aufzubewahren.
Der Botaniker Johannes Vogel,
der über das Sexualleben von Far-
nen promoviert hat und Chefkura-
tor am Natural History Museum in
London war, leitet das Haus als Ge-
neraldirektor mit dem Geschäfts-
führer Stephan Junker, der auch Vi-
zepräsident der Leibniz-Gemein-
schaft ist. Sie führen durch den einst
schmuckvollen historischen Vogel-
saal im ersten Stock: Der ist heute in
bedauernswertem Zustand, beher-
bergt laut dem Direktor aber „eine
der größten, ältesten und wichtigs-
ten Vogel-Sammlungen der Welt“.
Präparierte Enten, Pinguine, Ko-
libris: Jahrzehnte standen sie hier
eng an eng in Vitrinen, hinter und
tagesspiegel.de
nebeneinander aufgereiht, in den
Ein Museum, an dem Federn der Staub von bis zu zwei
geforscht wird Jahrhunderten. Seit kurzem sind
nun alle über 11.000 Exponate aus-
Zum Berliner Museum gelagert, damit der Raum saniert
für Naturkunde gehört werden kann. Die Tiere wurden
auch das Leibniz- gereinigt, neu etikettiert, fotogra-
Institut für Evolutions- fiert, digitalisiert.
und Biodiversitäts- Beim Treffen mit Junker und Vo-
forschung, zusammen gel warten noch letzte Kandidaten
widmet sich die Ein- auf den Umzug, unter ihnen ein
richtung der Entwick- kleiner Hautrotschwanz. Ein roter
lung der Erde und des Punkt kennzeichnet das Tier als
Lebens. Seit 2018 Typus, erklärt Vogel, anhand ge-
läuft die Umsetzung nau dieses Hausrotschwanzes
eines eigenen Zu- wurde die Art also erstmals be-
kunftsplans, der vom schrieben. 1,8 Millionen beschrie-
Bund und dem Land bene Arten gibt es weltweit, jede
Berlin mit jeweils 330 von ihnen hat exakt ein Typus-
Millionen Euro fi- Exemplar. Zehn Prozent dieser Ur-
nanziert wird. Das meter befinden sich heute im Ber-
rund 130 Jahre Ge- liner Museum. „Jetzt überlegen Sie
bäude in der Invaliden- mal, wie es hier aussehen würde,
straße soll davon wenn wir zehn Prozent aller Picas-
saniert und ertüchtigt sos hätten“, sagt Vogel, um einen
werden sowie die Vergleich zu in seinen Augen bes-
Sammlung umfas- ser ausgestatteten Kunsthäusern
send digitalisiert. zu ziehen.
Zudem wird das Geld
für die Wissenschafts- Ein „Haus der Teilhabe“ soll ent-
kommunikation ge- stehen
nutzt. In Berlin-Ad- Dass jeder denke, sein Haus brau-
lershof soll noch ein che kein Geld, wie der Generaldi-
zweiter Standort zur rektor an diesem Tag sagt, ist na-
Forschung und Samm- türlich eine typisch Vogel’sche Zu-
lungserschließung spitzung. Denn immerhin unter-
entstehen. stützen Bund und Land Berlin das
MfN mit einer Großinvestition
von 660 Millionen Euro. Die Son-
derförderung soll das integrierte
Forschungsmuseum der Leibniz-
Freitag, 11. August 2023
Gemeinschaft, das nicht nur Dino-
Skelette ausstellt, sondern auch
Spitzenforschung betreibt, fit für
die Zukunft machen.
Aber bis hierhin war es ein weiter
Weg. Und die Zuwendung reiche,
das machen die beiden Museums-
leiter immer wieder deutlich, auf
lange Sicht nicht aus. Etwa 19 Mil-
lionen erhalte das Haus über die in-
stitutionelle Förderung als Grunde-
tat pro Jahr, erklärt Junker. Man sei
enorm dankbar für die 660 Millio-
nen, aber „was den Grundhaushalt
angeht, sind wir das unterfinanzier-
teste der großen Naturkundemu-
seen der Welt“, so Vogel.
Zwei Drittel der Gelder von
Bund und Land werden in die bau-
liche Ertüchtigung des denkmal-
geschützten Museumsbaus inves-
tiert. Die Baumaßnahmen umfas-
sen neben weiteren Sanierungen
auch Umbauten im Bestand, für
die ein Architekturwettbewerb
ausgelobt wurde. Der Siegerent-
wurf des Büros Gerkan, Marg und
© gmp architekten; Thomas Rosenthal; Pablo Castagnola; privat
Partner (gmp), das verantwortlich
ist für die Flughäfen Tegel und
BER, sieht unter anderem einen
großzügigen Eingangsbereich im
Sauriersaal für den Ticketverkauf
vor. Gerade findet dieser noch an
kümmerlichen Container-Schal-
tern im Freien statt. Außerdem
sollen die beiden Innenhöfe des
Gebäudekomplexes überdacht
werden, um neue Ausstellungsflä-
chen zu gewinnen. Ob sich der
gmp-Entwurf allerdings wirklich
durchsetzt, ist noch unklar.
 Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de
Fest steht indes: Das Museum soll
zu seiner ursprünglichen Bestim-
mung zurück. Es wurde als ein fürs
Publikum in weiten Teilen zugäng-
liches „Haus der Teilhabe“ gebaut,
erklärt Vogel, was man beispiels-
weise an den repräsentativen Trep-
penhäusern erkennt. Dann aber
schloss man die Wissenschaft weg,
weil eine strikte Trennung von
Sammlung, Forschung und Öffent-
lichkeit in Mode kam. Die ein-
drucksvollen Treppenhäuser und
die oberen Etagen sind bis heute
fürs Publikum gesperrt.
Das wird sich nun bald ändern,
und auch einen barrierefreien
Haupteingang soll es endlich ge-
ben. Neben dem baulichen Teil
fußt der vom Haus entwickelte
Zukunftsplan – dessen Credo, so
könnte man sagen, Museum öffne
dich! lautet – auf zwei weiteren
Säulen: dem Wissenstransfer und
der Sammlungserschließung. Da-
rauf entfällt das restliche Drittel
der 660 Millionen.
Alte Exponate treffen auf
HighTech
Wie die Sammlungserschließung
vorangeht, zeigt nicht nur das Bei-
spiel der Vögel. Auf den Youtube-
Videos des Museums sieht man et-
wa, wie Wissenschaftler:innen
mittels eines Roboter-Arms den
komplexen 3D-Scan eines Schä-
dels aus der Paarhufersammlung
erstellen oder wie ein kleiner Koa-
la aus der Embryologischen
Sammlung mit einem tonnen-
schweren CT durchleuchtet wird.
Und mitten in der Ausstellung
können Besuchende einer „Digita-
lisierungsstraße“ bei der Arbeit
zuschauen: Hunderttausende In-
sekten werden in einem Zusam-
menspiel aus Mensch und Maschi-
ne konservatorisch aufgearbeitet,
fotografiert und digital erfasst.
Bilder und Informationen zu je-
dem Objekt, ob winzig klein oder
riesengroß, für jedermann jeder-
zeit online verfügbar, so lautet die
Museums-Mission. „Die Kollegin-
nen finden jede Biene in wenigen
Minuten, wenn sie wissen, wie sie
heißt“, erklärt Frederik Berger,
Leiter der Sammlungsdigitalisie-
rung. „Aber wenn man nach einem
Ort oder Sammler sucht, hat man
keine Chance, das Tier zu finden.
Das Digitale wird uns helfen, das
möglich zu machen – und mit an-
deren Fragestellungen an die
Sammlung heranzutreten.“
Daten aus der Sammlung sollen
weltweit zugänglich werden
Das Museum will mit seiner digi-
talisierten Sammlung Informatio-
nen liefern, aus denen rund um
den Globus neues Wissen entste-
hen kann. Denn wenn erst einmal
alle 30 Millionen Objekte in der
Online-Datenbank sind, die jetzt
schon in einer Betaversion öffent-
lich verfügbar ist, können For-
schende am anderen Ende der
Welt mit all den Einträgen zu Tie-
ren, Insekten und Pflanzen, die das
Berliner Museum zur Verfügung
© ; GIS Posidonie
stellt, arbeiten und zu neuen Er-
kenntnissen kommen.
Angesichts der vielen gesell-
schaftlichen Herausforderungen
Klima-Superpflanze auf dem Boden des
Mittelmeers
Neptungras ist effektiver als Regenwald
Jetzt lesen – Exklusiv für Abonnenten
liegt es nahe, auch Bildungsorte
wie Museen mit in die Pflicht zu
nehmen, Zusammenhalt und Kon-
sens zu stiften. Stephan Junker
verweist aufs Wissenschaftsbaro-
meter, in dem zwar 62 Prozent der
Befragten angeben, dass sie der
Forschung vertrauen. Im Umkehr-
schluss aber sei der Rest unent-
schieden, habe kaum oder gar kein
Vertrauen. Vogel fügt hinzu, gera-
Johannes Vogel (rechts) de bei „Menschen mit niedrigem
ist Generaldirektor des Bildungsniveau“ käme die Wis-
Naturkundemuseums, senschaft schlecht weg, hier wür-
Stephan Junker (links) den „nur 44 Prozent an sie glau-
sein Geschäftsführer. ben.“
Mit Partys und Insta für For-
schung begeistern
Die beiden sehen es daher als ihren
Auftrag, mit niederschwelliger
Kommunikation zur Museumsfor-
schung mehr Menschen zu errei-
chen und das Vertrauen in wissen-
schaftliche Arbeit zu fördern.
730.000 Besuche verzeichnete
das Haus im Jahr 2022 – keine klei-
ne Zahl. Wer nachmittags durch
die Säle schlendert, merkt schnell,
wie vielfältig das Publikum ist.
Das hängt auch mit einer unge-
wöhnlichen Öffentlichkeitsarbeit
zusammen.
Für eine Pressevorführung etwa
hat das Museum eine ganze Dele-
gation junger Wissenschaftlerin-
nen und Wissenschaftler eingela-
den, die zusammen Fossilienfund-
stelle Bromacker im Thüringer
Wald erkunden.
Das interdisziplinäre Team ent-
wickelt und erprobt zugleich un-
terschiedliche Formate des Wis-
senstransfers: von klassischen
Führungen an der Grabungsstelle
über Instagram-Posts bis hin zu
Virtual-Reality-Erlebnissen. Die
VR-Brille katapultiert einen mit-
ten in den Wald, man kann die Gra-
bung miterleben, ohne vor Ort zu
sein.
730.000 Im Mittelpunkt steht dabei
nicht, wie sonst oft, ein fertiges Er-
gebnis, sondern der Prozess des
Forschens: Wie funktioniert na-
Besucher:innen turwissenschaftliche Forschung?
kamen im Und wie werden Daten erhoben,
Jahr 2022 ins verifiziert, auf welchen Wegen ge-
Naturkundemuseum langt man zu Schlüssen?
So sieht der Entwurf des Architekturbüros Gerkan, Marg und Partner (gmp) aus, das den Wettbewerb zur Neu-
gestaltung des Museums gewann. Ob es am Ende genauso umgesetzt wird, ist noch offen.
Wissenschaft in Berlin B 27
Ein anderes Beispiel dafür, wie
das Museum jenseits klassischer
Ausstellungen Forschungser-
kenntnisse verbreitet, ist der in all-
gemeinverständlicher Sprache ge-
haltene Podcast „Beats & Bones“.
In einer Folge unter der Über-
schrift „Female Choice: Dating
nach Darwin“ dreht sich etwa alles
um Frage, wie die Partnerwahl im
Tierreich abläuft. Im Gespräch
mit einem Experten und einer Ex-
pertin aus der Biologie erfährt
Podcast-Host Lukas Klaschinsky,
dass die Weibchen bei der Wahl
der Sexualpartner meist sehr wäh-
lerisch sind und die Männchen ei-
niges tun müssen, um sie von sich
zu überzeugen.
Der Podcast-Titel „Beats & Bo-
nes“ beruht übrigens auf einer
„House-Party“, die das Museum
mal im Sauriersaal schmiss. Bis
heute gibt es ähnliche Formate. Im
September wird ein Podcast-Festi-
val stattfinden, zu dem eine DJane
Musik beisteuert. Die Partys sind
laut Stefanie Krzyzniewski, die die
Öffentlichkeitsarbeit im Haus ver-
antwortet, ein starker Magnet, um
neue Besucher:innen anzuziehen:
„Wenn wir Partys feiern, öffnen
wir uns für Zielgruppen, die sich
nicht unbedingt per se für Natur-
wissenschaften interessieren. Und
die Leute kommen wieder, auch
wenn keine Party läuft.“
Unkonventionell sind oft auch
die Herangehensweisen des Aus-
stellungsteams. Die evakuierten
Tiere aus der Vogelsammlung
wurden mittlerweile in Kisten mit
Glasfronten verpackt und sollen
so die Stars einer neuen Schau
werden, die voraussichtlich Ende
2023 eröffnet.
Bevor es aber mit der inhaltli-
chen Konzeption losging, wurden
Museumsbesucher, Studierende,
Podcaster:innen oder Hobbyorni-
thologen gefragt, was sie über die
Objekte wissen wollen oder wel-
che Erinnerungen sie hervorrufen.
Der Wunsch vieler Teilnehmer:in-
nen: Vogelstimmen! Die werden
nun in der neuen Ausstellung zu
hören sein – und stammen aus dem
museumseigenen Tierstimmenar-
chiv.
Viadrina-Uni
Woidke verspricht
Unterstützung
Brandenburgs Ministerpräsident
Dietmar Woidke (SPD) spricht
sich für eine Weiterentwicklung
der Europa-Universität Viadrina
in Frankfurt (Oder) aus. „Die Via-
drina mit ihrer Osteuropa-Kompe-
tenz, mit ihrer Polen-Kompetenz
und mit ihrer Ukraine-Kompetenz
wird im Reigen der deutschen
Universitäten in den kommenden
Jahren eine noch wichtigere Rolle
spielen“, sagte Woidke am Don-
nerstag bei einem Besuch an der
Uni, wo er zum ersten Mal den
neuen Viadrina-Präsidenten Edu-
ard Mühle traf. Was an der Viadri-
na mit dem Schwerpunkt Osteuro-
pa und speziell im Bereich der
Ukrainistik angeboten werde, ge-
be es nur dort: „Da muss man
selbst in Europa lange suchen, um
das noch einmal zu finden.“ Diese
Stärken weiterzuentwickeln, habe
seine volle Unterstützung und die
der ganzen Landesregierung.
Eine konkrete finanzielle Zusa-
ge machte Woidke in seinem kur-
zen öffentlichen Statement vor
dem Gespräch mit Mühle aber
nicht. In Brandenburg werden ak-
tuell die Hochschulverträge ver-
handelt und damit die Landeszu-
schüsse für die Hochschulen in
den kommenden fünf Jahren. (tiw)
Immer weiter
lernen Sommeruni
für Erwachsene
Gesellschaftliche Teilhabe, Völ-
kerrecht und der Krieg gegen die
Ukraine: Vorträge zu diesen und
weiteren politisch-sozialen The-
men gibt es bei der Sommeruni-
versität der Freien Universität
Berlin. Das siebentägige Pro-
gramm, das sich um die „Heraus-
forderungen der globalen Ord-
nung“ dreht, startet am Montag,
dem 28. August und läuft bis zum
Sonntag, dem 3. September. Es be-
teiligen sich unter anderem FU-
Professor:innen wie die Politik-
wissenschaftlerin Tanja Börzel,
der Informatiker Jochen Schiller
und die China-Expertin Genia
Kostka.
Die Teilnahme kostet regulär 110
Euro, Tageskarten gibt es für 20 Eu-
ro. Ermäßigungen bekommen Mit-
glieder der Berliner Akademie (60
Euro für alle sieben Tage), Mitglie-
der der Ernst-Reuter-Gesellschaft
(70 Euro) und Gasthörerende mit
Ausweis einer der Berliner Univer-
sitäten (ebenfalls 70 Euro). An den
Plenarveranstaltungen können
Studierende, Schülerinnen und
Schüler sowie Beschäftigte der FU
kostenlos teilnehmen. Anmeldung
ist noch bis zum 15. August möglich
unter: berlinakademie.de oder auch
erst vor Ort. (Tsp)
B 28
Sport in Berlin
Handball
Spreefüxxe testen
bei Domstadt-Cup
Bei ihrer ersten Teilnahme am
Domstadt-Cup bestreiten die
Spreefüxxe Berlin am kommen-
den Wochenende die ersten Test-
spiele in der diesjährigen Vorbe-
reitungsphase. Im hessischen
Fritzlar treffen die Berlinerinnen
am Samstag auf die beiden Bun-
desligisten Buxtehuder SV (eben-
falls Gegner in der ersten Pokal-
runde am 2. September) und die
Neckarsulmer Sportunion. Am
Sonntag geht es dann gegen den
Ligakonkurrenten TuS Lintfort.
„Das ist ein hochkarätig besetztes
Turnier und wir freuen uns, dass
wir erstmals daran teilnehmen,“
blickt Trainerin Susann Müller vo-
raus. „In drei Wochen geht es
schon wieder los, da kommen die-
se Testspiele gerade richtig.“
Die ursprünglich für letzte Wo-
che angesetzten Testspiele im dä-
nischen Viborg mussten die Berli-
nerinnen absagen. „Natürlich sind
das drei Spiele, die uns jetzt feh-
len,“ so Müller weiter. „Wir waren
jedoch aufgrund unserer Perso-
nallage extrem eng besetzt und
wollten die fitten Spielerinnen
nicht verheizen. Wer am Wochen-
ende in Fritzlar auflaufen kann,
werden wir im Laufe der Trai-
ningswoche sehen.“ (Tsp)
Volleyball
Vier neue Spieler
für die Netzhoppers
Volleyball-Bundesligist Netzhop-
pers KW-Bestensee arbeitet wei-
ter an seinem Kader für die neue
Saison. Wie der Klub mitteilte,
wurden vier neue Spieler ver-
pflichtet. Der 19 Jahre alte Mittel-
blocker Carl Möller, der 20 Jahre
alte Außenangreifer Jannes Wies-
ner, sowie der 18 Jahre alte Libero
Tim Türpe und der 19 Jahre alte
Diagonalangreifer Lovis Homber-
ger, die allesamt vom VC Olympia
Berlin kommen, werden die
Mannschaft in der bevorstehen-
den Saison verstärken. Alle vier
besitzen dabei ein Doppelspiel-
recht für beide Vereine.
„Ich denke, das ist total sinnvoll
für die Jungs, denn die Spieler sind
eigentlich schon zu alt, um beim
VCO zu bleiben“, sagt Dirk West-
phal, Geschäftsleiter der Bundes-
liga-Abteilung. „Unsere Neuzu-
gänge sind voll ausgebildete und
motivierte Spieler, die in die erste
Bundesliga gehören und perfekt in
unser Profil passen.“ Schulische
Verpflichtungen oder Langzeit-
verletzungen seien der Grund,
dass sie noch beim VCO geführt
werden. Erst vor einer Woche hat-
ten die Brandenburger den Argen-
tinier Alejandro Kolevich als neu-
en Cheftrainer vorgestellt. (dpa)
Die Rebels wollen sich einen Platz in den Play-offs der German Football League sichern.
Football-Team der Berlin Rebels
„Die Play-offs sind das Minimum“
Von Charlotte Bruch und Jörg Leopold
D ”
ogan Özdincer eine
Institution im deut-
schen und speziell im
Berliner Football zu
nennen, ist keine Un-
tertreibung. Der Spandauer war
lange als Coach bei den Adlern, an-
fangs für die Linebacker, später für
die gesamte Defensive und als
hauptverantwortlicher Trainer. Er
wurde Deutscher Meister mit dem
Team und Europapokalsieger und
mit der Nationalmannschaft holte
er unter anderem zwei EM-Titel.
Seit mehr als einem Jahrzehnt ist
er nun in Charlottenburg bei den
Berlin Rebels tätig, seit 2015 in Per-
sonalunion als General Manager
und Sportdirektor.
Am Samstag empfängt sein
Team die Paderborn Dolphins im
Mommsenstadion (15 Uhr), es ist
das viertletzte Spiel in der Haupt-
runde der German Football Lea-
gue (GFL). Derzeit liegen die Re-
bels in der Nordstaffel mit 10:6-
Punkten auf dem vierten Platz, der
die Qualifikation für die Play-offs
bedeuten würde. „Die Play-offs
sind definitiv das Minimum, das
haben wir schon Anfang des Jah-
res gesagt. Da müssen wir rein und
da wollen wir rein“, macht Özdin-
cer klar.
Zwischen 2016 und 2019 erreich-
ten die Rebels stets die Endrunde
um die Meisterschaft, allerdings
warten sie immer noch auf einen
Sieg in den Play-offs. Bei allen vier
Teilnahmen kam gleich im Viertel-
finale das Aus, auch weil die Berli-
tagesspiegel.de
ner dabei immer reisen mussten.
Ein Auswärtsspiel droht auch in
diesem Jahr, es sei denn, die Rebels
erreichen noch einen der beiden
Das Ziel ist na-
türlich auch die
ersten Plätze im Norden. Denn, so
Özdincer: „Wenn wir auf dem
Meisterschaft, vierten Platz bleiben, heißt das,
dass wir in den Süden fahren und
also wer nicht da wird mir schon wieder
danach strebt, schlecht.“ Als General Manager
muss er auch die Finanzen im Au-
der hat in der ge haben und da ist jedes hunderte
Liga nichts ver- Kilometer entfernte Auswärts-
spiel ein Problem: „Du fährst dann
loren. dahin und musst da übernachten.
Logistisch und finanziell ist es das
Dogan Özdincer, Sport- echt hart“, sagt Özdincer.
direktor und General
Manager der Berlin In diesem Duell gibt es nur ein
Rebels Lokalderby: Rebels vs. Adler
In dieser Saison haben die Rebels
dazu Pech mit dem Spielplan. En-
de August müssen sie noch zu den
Saarland Hurricanes reisen, auch
das wird wieder teuer. Aber in der
GFL sind die Interconference-Du-
elle inzwischen wieder fester Be-
standteil des Terminkalenders.
Viel lieber würde die Mannschaft
ein weiteres Mal gegen die Berlin
Adler oder die Potsdams Royals
antreten, doch hier bleibt es bei je-
Tabelle der GFL Nord weils einem Saisonspiel gegenei-
nander. Für Özdincer keine opti-
1. Potsdam 14:2 Pkt. male Lösung: „Ich sehe immer nur
2. Dresden 12:2 die Kosten.“ Und wenn dann noch
3. Braunschweig 12:4 ein Play-off-Spiel in Schwäbisch
4. Berlin Rebels 10:6 Hall oder bei den Allgäu Comets
5. Berlin Adler 8:8 dazu käme, das auch noch verloren
6. Paderborn 6:10 geht, wäre das ein doppeltes Fias-
7. Kiel 2:14 ko für die Berliner.
Freitag, 11. August 2023
So weit ist es allerdings noch
nicht. Die Rebels sehen sich gut
gerüstet für die restlichen Partien
in der regulären Saison, auch weil
das Thema Verletzungen inzwi-
schen keines mehr ist. „Im Foot-
ball sagt man immer, wir sind full
loaded, also in Bestbesetzung.
Und deswegen freuen wir uns jetzt
richtig auf Paderborn“, sagt Öz-
dincer. Das Hinspiel beim Aufstei-
ger in die Nordstaffel ging mit 8:16
verloren, diese Niederlage wurmt
die Rebels bis heute. Umso mehr
wollen die Berliner jetzt die Re-
vanche.
Zumal der Blick in der Tabelle
auch noch nach hinten geht, denn
nur zwei Punkte zurück lauern die
Berlin Adler auf Ausrutscher des
Lokalrivalen. „Wir werden immer
noch von einer sehr guten Mann-
schaft verfolgt und gejagt. Aber
das gibt uns auch Antrieb“, sagt
Özdincer.
Ohnehin lässt der Sportdirektor
keine Zweifel an den Ambitionen
seines Klubs. „Das Ziel ist natür-
lich auch die Meisterschaft, also
wer nicht danach strebt, der hat in
der Liga nichts verloren.“ Was ver-
wegen klingt für einen Klub ohne
jeglichen Erfolg in den Play-offs,
ist für Özdincer angesichts der
Entwicklung seines Klubs nur lo-
gisch. „Klar kann man immer sa-
gen, okay, wir bauen jetzt auf, step
© Christian Goßlar
by step. Aber das machen wir jetzt
jedes Jahr irgendwie.“ Die Zeit der
Ausreden für die Berlin Rebels ist
endgültig vorbei.
 +++ Ab dem 21. August sind wir in unserem Ladengeschäft wieder für Sie da! +++

Sommer
in der
Kunst
Edward Hopper „The long leg“ (1930)
Michael Becker Hochwertige Reproduktion im Fine Art Giclée-Verfahren von Hand in einem
patentierten Verfahren auf Künstlerleinwand gearbeitet und traditionell auf
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Limitierte Auflage: 199 Exemplare, nummeriert und signiert © Whitney Museum of American Art. Alle Rechte vorbehalten.
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32 x 73 cm
80 x 56 cm
590 € 640 €
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Bestellnr. 415841

Anja Struck „Ein schöner Tag“ (2017)

Hochwertige Reproduktion hinter 3 mm starkem Acrylglas auf
Aluminiumplatte, mit Aufhängevorrichtung.
Limitierte Auflage: 199 Exemplare, nummeriert, mit signiertem Zertifikat

42 x 112 x 3 cm

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30 tagesspiegel.de Freitag, 11. August 2023

Ferienrätsel
Kreuzworträtsel Sudoku 5 1 6 8 7
Waagerecht Die Ziffern 1 bis 9 müssen so
1 sauber geschrieben (gut ...) 4 Tiergarten 6 Gliederreißen 12 Flechtmaterial 14 kirch- eingefüllt werden, dass sie in 4
jeder Zeile, jeder Spalte und
licher Feiertag 16 Schweinehackfleisch 17 Sülze 18 schmerzunempfindlicher Asket
20 Erzählung von Thomas Mann 22 Sportfahrzeug 24 grobe Wesensart 26 in Münzen/ jedem 3x3-Quadrat nur einmal 8 2
Scheinen bezahlen 27 ein Kasus 28 wie von Sinnen 29 Bestand, tatsächlicher Vorrat
vorkommen.
3 9
31 große Sandwüste der Sahara 33 rar 34 blutsaugendes Ungeziefer 38 Laut geben
(Esel) 39 Zugvogel 41 Zeitmesser (Mehrzahl) 45 beliebt beim Frühstück 46 Lotterie- 9 4 2 8
schein 47 bekannter Horrorroman 50 abgeneigt, renitent, bockig 51 gestreifte Fellmus-
terung 52 Abkürzung: Florin, Gulden 53 poetisch: Adler 54 angesagt 56 Karpfenfisch
2 7 3
58 österreichisch: Sahne 62 Kleidungsstück 63 dehnbares Material 65 größte Stadt in 4 8 5 7
Ghana 66 genüssliches Brummen 68 Abkürzung: zu den Akten 69 Fabelwesen, Teufel-
chen 71 Verzückung 74 nicht glatt 76 Klostervorsteherin 77 ärztliche Vorsorgemaßnah- 1 9
me 78 Teichblume 80 Horror 81 Happen 84 Drama von Ibsen 85 Freund des Schönen
86 Nadelbaum 89 gehoben: zur Verfügung stehend 90 Gürtel am Kimono 91 dienen,
1 3 5
nützen

Senkrecht Killer 5 14 10 8 7 13 16

1 Einkommen 2 englisch: Lied 3 eingeschaltet, nicht aus 5 Besessenheit, Zwangsvor-

stellung 7 nachdenkliches Brummen 8 Computernutzer 9 Kraftwagen 10 seelische Last Wie beim klassischen Sudoku 16 9

müssen die Ziffern 1 bis 9 so

11 Gesellschaftsreise in Afrika 13 Stofftyp für Unterhemden 14 alt 15 Gauner, Spitz-
eingefüllt werden, dass sie in
8
19 11 16 7
bube 16 Bundesstaat der USA 19 Probe für den Ernstfall 21 Laubbäume 23 bayrisch: jeder Zeile, jeder Spalte und
nein 25 persönliches Fürwort 30 Filmkunst 32 Jahrmarktsattraktion 34 Bindewort jedem 3x3-Quadrat nur einmal 9 8 11 10

35 süddeutsche Landschaft 36 Zulauf 37 umgangssprachlich: sowieso 40 Tonspur vorkommen. Die Zahl an der ge-
7 8 15 12
auf der Schallplatte 42 Führung 43 Luftbewegung 44 umgangssprachlich: keines- strichelten Linie gibt die Summe
wegs 48 Tapferkeit 49 salopp: Eigensinn 55 Monitor (kurz) 56 italienischer Dudelsack der Zahlen in der gestrichelten
12 13 11 11 16
57 Internet-Jargon: breit grinsen 59 Vorsilbe: zwei, doppelt 60 Gangsterfilm mit Al Pacino Region an. Regionen können
mehrere Quadrate durchlaufen.
61 elektrotechnischer Begriff 64 Messgerät 67 Ausruf der Freude 68 Bestandteil von
8
5 6 10 10
Die Zahlen in einer Region sind
Beton 70 Figur aus 'Land des Lächelns' 72 massieren 73 skandinavischer Frauenname unterschiedlich. 22 8 5 13 12
75 Schmerzruf 79 Abkürzung: Universität 80 Anisschnaps 82 Brotform (süddeutsch)
83 Traubensaft 87 Kfz-Kennzeichen: Waiblingen 88 Teil holländischer Namen 12 8

1 2 3 4 5 6 7 8 9
Wabenrätsel
10 11
Die Verlaufsrichtung muss erst
12 13 14 15 16 gefunden werden. 1 2 3 4
17 18 1 Theaterschülerin
19 20 21
2 ein Kraftstoff
3 Augennässe
22 23 24 25 4 Fischknochen
5 6 7 8
5 abgelaufen
26 27 28
6 Nutztiere
7 grüne Hülsenfrüchte
29 30 31 32
8 Gesamtheit der Gene
9 10 11 12
33 34 35 36 37 38 9 Studienbeihilfe
39 40 41 42
10 Bürgersteig
11 verlangen
43 44 45 46 47 48 49 12 aus einem Edelmetall

50 51

52 53 54 Camping
3
55 56 57 58 59 60 61 Der Campingplatz ist
voll belegt: Über, neben 1
62 63 64 65 oder unter jedem Baum
steht ein Zelt. Die Zelte 3
66 67 68 berühren einander
nicht, auch nicht diago- 2
69 70 71 72 73 74 75 nal. Die Zahlen geben
an, wie viele Zelte sich 1
76 77
in der entsprechenden
Zeile oder Spalte be-
3
78
finden. 2
79 80 81 82 83
1
84 85 86
3
87 88
2
89 90 91
2 2 3 1 3 1 2 2 2 3
Freitag, 11. August 2023 tagesspiegel.de 31
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Ketten-Schwedenrätsel
Die nummerierten Felder des ersten Gitters ergeben das Startwort für das zweite Gitter, die des zweiten ergeben das Startwort für das dritte, und die des dritten
das für das vierte. 1 2
am Meer Kurzf. v. veralt: chem. Z.:
liegend Name der Tagebuch Abkürzung: Huftier Abkürzung:
Ulrich essbare Xenon
aufmachen Eule Harry Vorreiterin nautische Neues
beste Früchte weibl.
Potters Meile Tipp Testament
Zimtsorte Armut Vorname Snack

2 Damenwä- 3
schestück

Naturgeist

Kachel 5 blöd Weise

Rettung
chem. Z.: Zahnwal
Lithium (...wal) Lebewohl

3 Abk.: 2
limited Schlager-
englisch:
sänger
zehn
(... Illic)
Kaltspeise

Kram, 4 Habgier 4 Abk.: Forint

Krempel Land in
englisch:
Nord-
Begrü- wir Abk.:
amerika niederl.: ich
ßungsruf Siedepunkt

1
Abkürzung:
Mainzel- Antwort von
Wirtschafts-
männchen Lösung Nr.1
ingenieur

1 5
englisch:
schmale Freund von
Mann, zuzüglich
Brücke Barbie
Mensch

3 4
Aufmerk- Abk.: Costa Gedichtform brit. Königs- Computer- ausge-
samkeit Rica Auslese haus taste wörtliche
Ex-Bundes- Fluss im presste
der Besten Über-
Abk.: a präsident sowohl Pumuckls weibl. Saarland Flüssig-
(Mehrzahl) nahmen
conto als auch Meister Kurzname röm. Kaiser keiten

leugnende 2 ägypt.
Äußerung Göttin

Nährmütter Baumteil

Hacke Namens- Verhält- Abk.:

zusatz niswort Summa
Kfz-Z.: Abk.:
Wittmund US-Münze Adresse ital.: Abend

1 engl.: Eis 5 Antwort von

kurz: Lösung Nr.3
Amerikaner
abgemacht! frisch

gemäßigt 4 Musikstück
kroatische
Vogelbaby
Adriainsel
zwecks ital. Strom

Geistlicher
englisch:
im Ruhe-
mich, mir
stand

3 Kfz-Kenn-
chemisches physika-
Antwort von zeichen:
Zeichen: lischer
Lösung Nr.2 Anhalt-
Mangan Begriff
Zerbst

Kakuro Lösung vom 10.08.

Die Zahlen in den grauen Kästchen geben die Sum- Kreuzworträtsel Sudoku Ketten-Schwedenrätsel
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men der einzufüllenden Zahlen per Zeilen- oder T

A
U M
E
M E
R
L
O
N S
E S T E
A B E
R E I
B B
A
E N
E
374 259 861 W U O S E D K
Spaltenabschnitt an. Über den Diagonalen stehen die M O D E S T U U N F E I N 125 683 497 R E S E R V I S T M E I N U N G E N
T I P S E U D O N Y M U N 968 714 235
Summen der Zeilenabschnitte, unter den Diagonalen A N A P A E S T R E S U E M E E 236 547 918
C A L E S O U N G A A S
M I N O R C A L L A E H E R N
die der Spaltenabschnitte. Es werden Zahlen von 1 S U N I H Y U T E S
841 962 573 O H M I R R E R L F D S T U S S
S C H L I T Z E T R I B U T E 597 831 624 S I N D A R T Z I N K E L E
bis 9 gebraucht und in jedem Zeilen- und Spaltenab- H E S W O D K A G E E 659 378 142 H E R E B E N E W E G A S T E R
schnitt darf keine Zahl mehr als einmal vorkommen. K
O
E R
A
N
C H
T
E
O E
P L I
O P
H U
T A
T U
R A
R
483 126 759
L A G E L A N N O K T E R A
L E U I N C R N A H D O M 712 495 386
I T A N N H A I S U F I E
K R E N O U U A E R O B E Killer S W O B G H U
O F A L I T E R B O E
A B D R U C K E G O E T T I N 7 6 8 4 5 2 9 1 3 H I N E I N R K H E F E K R A N Z
B A B O H K M I T R 9 5 4 1 3 6 8 7 2
6 25 16 17 Z E U G E A E R A R S E S A M
L A R O T O R S F L A N K E
3 1 2 9 7 8 5 4 6
4 8 U N T E R A R M K A S S E T T E
2 3 1 6 4 9 7 5 8 B I B E R E T A B E S T A N D I
R O G L A D I A T O R U H
R E P T I L S N I M M E R 8 7 5 2 1 3 4 6 9 K E G E L N M L O N E L L
14 28 24 E I N E U B E G I N N P E 4 9 6 7 8 5 2 3 1 M O G A L O P P A L L E G O R I E
14 23 N A E S E L N L M E G A F O N
1 4 3 8 2 7 6 9 5
N O E L R U F E D E B E N N
6 8 7 5 9 1 3 2 4
19 5 2 9 3 6 4 1 8 7
10 17 3 Camping
9
Wabenrätsel Kakuro
16 19 U
T
L
W
I
U
N
A
G
3 9 9 7
6 N E E F U
N S R L 2 1 7 8 3 9
5 27 L E E N E
2 1 8 7 9 7
E A C E H
P N H R 3 4 1 8 9 2 6
14 4 S E R E E
3 2 4 6 1 2
Y H E L G
C M L A 8 4 1 9 5
B 32
Leute
Neu in Berlin
Historische
Likörfabrik im
Wedding Altes
Handwerk erhält
neues Leben
Wie flüssig darf ein Dessert sein?
Geht es nach Tom Michelberger,
erleben wir Nachspeisen künftig
häufiger liquide. Da wäre zum Bei-
spiel ein samtiger Rosen-Likör
oder eine blumige Lavendel-Spiri-
tuose. Oder ein Kakao-Likör mit
würzig-süßer Madagaskar-Vanil-
le-Note
„Bei Spirituosen steht oft die
Wirkung vom Alkohol im Vorder-
grund. Aber gerade, wenn die Li-
köre gut gemacht sind, merkt man,
dass die Wirkung aus den Zutaten
kommt“, sagt Michelberger, Be-
treiber des gleichnamigen Hotels
in Friedrichshain. Er betreibt au-
ßerdem eine Farm im Spreewald,
die unter anderem den Lavendel
für die Spirituose hervorbringt.
Mit seiner Frau Nadine und Ge-
rald Schroff sowie Professor Ulf
Stahl von der Preussischen Spiri-
tuosenmanufaktur schloss sich
Michelberger 2011 zusammen, um
neue Getränke zu entwickeln. Be-
reits neun Jahre zuvor hatten
Schroff und Stahl die im Berliner
Wedding historische Likörfabrik
neu belebt. Schon vor mehr als 150
Jahren wurden hier Spirituosen
hergestellt.
Immer wieder stand die Fabrik
in ihrer Geschichte vor dem Aus.
Letztmals vor gut drei Jahren, als
Ulf Stahl verstarb und wenig spä-
ter die Pandemie einsetzte. Die
Michelbergers hatten sich in all
den Jahren allerdings so sehr in
den Ort verliebt, dass sie ihn nicht
aufgeben wollten. Sie stellten ei-
nen neuen Destillateur ein, de-
signten gemeinsam mit Schroff
neue Produkte. Seit gut einem Jahr
trägt das Unternehmen nun auch
einen neuen Namen und erhält da-
mit eine neue Perspektive:
Schon vor 150 Jahren wurden im
Wedding Spirituosen hergestellt.
MXPSM (Michelberger x Preussi-
sche Spirituosenmanufaktur).
Immer samstags kann man bei
einer Führung mehr über Ge-
schichte und Zukunft der Fabrik
erfahren. Donnerstags findet von
16 bis 20 Uhr ein Hofverkauf statt.
Oder aber man entdeckt manche
der 33. Spirituosen einfach in Ber-
lin, beispielsweise in der Bar Be-
cketts Kopf, bei Dr. Kochan oder
im KaDeWe. Robin Schmidt
Der Wahl-Berliner Daniel-Ryan Spaulding hat optisch eine erstaunliche Transformation durchgemacht - und
sich dazu auch eine neue Comedy-Rolle gesucht.
97 Kilo abgenommen
Daniel-Ryan Spaulding
ist jetzt ein „Power Gay“
Von Tobias Langley-Hunt
D
en Comedian Daniel-
Ryan Spaulding dürf-
ten viele Berliner ken-
nen, wenigstens aber
seine Parade-Rolle
„DaNiel“. Als jener mimte der
Kanadier jahrelang einen schwu-
len Klischee-Expat, der und des-
sen Freunde die Hauptstadt als
Spielwiese für ultra-hedonisti-
sches Verhalten nutzten, um das
dann mit dem Satz „It’s Berlin“ zu
rechtfertigen. DaNiel erzählt, dass
er Diabetes von zu viel Club-Mate
Konsum hätte oder, dass Gruppen-
sex eine in Berlin selbstverständli-
che Sonntagmorgen-Aktivität sei.
„It’s Berlin“ heißt auch Spaul-
dings meistgesehene Comedy-Vi-
tagesspiegel.de
deoreihe auf YouTube, die ihm
Die „Power Gay“-Tour nicht nur zu Lokalprominenz ver-
2023 half, sondern auch zu einer Rolle in
Jan Böhmermanns Sendung
Ab September tourt „ZDF Magazin Royale“.
der Stand-up-Comedi- Doch irgendwann ist DaNiel
an Spaulding mit plötzlich weg. Spaulding hat ihn
seiner neuen Rolle durch eine neue Rolle ersetzt:
durch Deutschland „Power Gay“ heißt diese, ähnelt in
und Österreich. In ihrer Gestik und Ausdrucksweise
Berlin tritt er am 15. stark dem vorlauten Vorgänger, hat
September im „Baby- aber äußerlich eine beeindrucken-
lon“ in der Rosa- de Transformation durchgemacht.
Luxemburg-Straße auf. Spaulding hat durch eine Ma-
Die Tickets kosten gen-Operation 97 Kilo verloren,
zwischen 26 und 35 hinzu kamen eine Haartransplan-
Euro. tation und ein Facelifting. Seine
neue Rolle habe damit allerdings
nichts zu tun, auch wenn Spaul-
Freitag, 11. August 2023
dings Erläuterung, was genau ein
„Power Gay“ ist, ein wenig den
Eindruck erweckt: „Im Gegensatz
zu Heteros, die ab ihren Dreißi-
gern heiraten, Kinder bekommen
und ein Leben leben, das den ge-
sellschaftlichen Konventionen
entspricht, ist es schwulen Män-
nern möglich, ein interessantes,
spannendes und tolles Leben zu
leben. Sie können sich ihr Leben so
konstruieren, wie es für sie funk-
tioniert“, erzählt Spaulding im Vi-
deo-Telefonat. Der Wahlberliner
befindet sich gerade in Barcelona,
weil er kürzlich mit seiner „Power
Gay“-Rolle für eine schwule Mit-
telmeer-Kreuzfahrt gebucht wur-
de und jetzt im Rahmen einiger
Pride-Veranstaltungen auftritt.
Auch aus Barcelona postet er
kurze Clips auf seiner Instagram-
Seite, in denen er mit dem Kli-
schee des schwulen, erfolgreichen
Selbstverwirklichers spielt. Durch
die Straßen laufend, sich leicht
von oben selbst filmend, gibt er
übertrieben schwülstig vorgetra-
gene Sprüche zum besten. Etwa:
„Ibiza ist für Touristen. Ich ver-
bringe meinen August in Formen-
tera auf einer Yacht, zusammen
mit schicken Katalanen“, oder: „Ei-
ne kleine Nachricht an alle Hete-
ros, die im Park brunchen, (...) wir
sind Power Gays, Brunch ist unser
Ding!“
Die Rolle des Neu-Berliners
passte nicht mehr
Weil sich Spaulding inzwischen in
seinen späten Dreißigern befindet
und ihm die Rolle des ewig feiern-
den „Neu-Berliners“, den es in al-
len sexuellen Ausrichtungen gibt,
nicht mehr passend schien, wollte
er auch seine Comedy entspre-
chend anpassen. Wie sehr er sich
dabei selbst mit seiner Definition
des „Power Gays“ identifiziert,
lässt er nicht durchblicken. Den
Entschluss, sich äußerlich zu ver-
ändern, traf Spaulding nach eige-
nen Angaben jedenfalls ganz prag-
matisch, das habe nichts mit ge-
sellschaftlichen „Power Gay“-
Schönheitsnormen zu tun gehabt:
„Ich habe irgendwann mit dem
Trinken aufgehört und mir wurde
klar, dass ich auf meine Gesund-
heit achten und mein Leben an-
ders und auf bestmögliche Weise
leben muss“, sagt er.
Und trotzdem, schon als DaNiel
gab er immer wieder zu erkennen,
dass sein Humor zu großen Teilen
Selbstironie ist. Spaulding war
nun mal ein hedonistischer, kana-
discher Expat, der Jahre in Berlin
lebte, ohne je ein Wort Deutsch zu
lernen. In Bezug auf seine neue
Rolle sagt er: „Es ist okay ein
Power Gay zu sein, aber es ist auf
jeden Fall auch etwas, worüber ich
gerne Späße mache.“
© Edgar Herbst; Maximilian König/Maximilian König
Einige Videos seien ganz be-
wusst satirischer als andere,
gleichzeitig sei seine Comedy im-
mer wohlwollend intendiert.
„Wenn die Menschen meine Rol-
len sehen, verurteilen sie sie viel-
leicht. Das liegt aber daran, dass
sie ihre eigenen Neurosen und
Ängste auf die Rollen projizieren“,
erklärt Spaulding etwaige Miss-
verständnisse.