Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
nach ihrer
im
Alterthum.
Von
Hermann Schräder,
Dr. pliil.
B e r l i n ,
1868.
Johannes Classen,
Otto Jahn
zugeeignet.
Ursprung und weitere Entwickelung
I.
13
) Früher schon K l a u s e n , Aen. 1,499; ähnlich a u c h W e l c k e r , S. 164:
„das Anziehende und Bezaubernde bedeuten die Sirenen, wenn Aphrodite einmal
Zn()iji'ij genannt wird".
— 9 —
w
) S. 289, 6: »les Sirènes sont le calme sous le vent des hautes falaises
et des îles".
1S
) Ueber die hierfür besonders wichtige, bisher nicht genug gewürdigte
Bedeutung des Cultus derselben s. w. u.
") Yergl. Abschn. III a. E.
— 10 —
die geheimnissvollen Wesen herum, sondern ein Haufe v e r w e s e n -
d e r Männer,
noXvg ó' è[up òazeóq>iv d-ìg
¿vdgioi' nv9o[iéi>iov, tisqI dè Qtvoi /.iivv&ovaiv,
eine so e i g e n t ü m l i c h e und mit den unwiderstehlichen LockuDgen
der Sirenen, die Homer hervorhebt, so sehr im Widerspruch ste-
hende Erscheinung, dass man ohne Frage berechtigt ist, in ihr einen
uralten Zug des Mythos zu erkennen (wie auch S c h w a r t z S. 466).
Kein Sturm droht a n der Insel der Sirenen dem Schiffer Ge-
f a h r ; in ihrer Nähe legt sich der Wind, der das Schiff des Odysseus
hierher g e t r a g e n :
a vx ix ensir' ave fing /.lèv ènavoazo i]óè yahprj
etcXexo vt]i>£/.urj • xoi'firjae de xvftaza daifitov,
vollkommen im Einklang mit dem Bilde langsamer Verwesung, die
kein frischer Luftzug stört, so sehr im Einklang mit ihm, dass
H e s i o d , dessen Worte wir ohne Bedenken für die der homerischen
Schilderung zu entnehmende Grundbedeutung zu Hülfe nehmen
können, selbst die Winde von den Sirenen bezaubert werden Hess "),
eine Uebereinstimmung, die wenig zu Gunsten der Ansicht von
Nitzsch spricht (S. 3 9 1 ) , nach wclcher mit v. 169: xolfiìjos òè
(.taxa óaiitiov eine Thätigkeit der Kirke '") bezeichnet wäre.
Die W i r k u n g der Sirenen ist also die Verwesung, so dass Klau-
sen S. 46 sie nicht mit Unrecht D ä m o n e n d e r V e r w e s u n g ge-
nannt h a t , ohne damit freilich den letzten Grund ihres Wesens zu
erschöpfen, der sich in einer weniger verschwimmenden, mehr ur-
sprünglich - v o l k s t ü m l i c h e n Form ergründen lässt, die es zugleich
erklärlich macht, wie Wesen ihrer Art eine Stelle im Cultus ge-
funden h a b e n , was für Dämonen der Verwesung, wie etwa Eury-
nomos, schwer zu begreifen sein würde.
So irrig der Versuch K l a u s e n ' s war (Abent. d. Od. S. 45), den
mit Recht athetirten Vers:
ahfjct ö' laivero xrjQng, ènei xélszo (.isyäXrj ig
— 'HeXiov z avy/j ' YiceQiovlöao avaxzog (ß 176)
dazu zu benutzen, auf brennende Hitze in der Nähe der Sirenen-
insel zu schliessen, so bedeutungsvoll ist der von ihm gegebene
Hinweis auf die Verse des Hesiod, in welchen es von den von
H e r a k l e s Bezwungenen heisst ( a a n . 151):
küv xal xpvxal f.isv x&ova dvvova '^idog slow
avTiov oaxsa de acpi nsgi qivolo aaneiarjg
2£IQIOV a^alsoio xekaivfj nv&exai aYrj,
eine Stelle, deren Uebereinstimmung mit den Worten der Kirke ¡.i 45:
noXig <?' a(.i(p oox eöcpiv &ig
OCVÖQWV nvd-0/.teviüv, negi de qivol ¡.iivvO-ovotv
zu offenbar ist, als dass sie einer weiteren Ausführung bedürfte.
Zunächst freilich haben wir nur dort wie hier ein Bild des Ver-
wesens, doch gewinnt einerseits die oben hervorgehobene Thatsache,
dass die Verse der Odyssee die V e r w e s u n g , nicht schlechthin
den Tod schildern, durch diesen Vergleich eine neue Stütze, und
andrerseits ist es von Bedeutung, dass dieser Process bei Hesiod
dem Sirius, dem Bringer der G l u t h i t z e d e s S o m m e r s , zuge-
schrieben wird, wie auch sonst der natürliche Zusammenhang zwi-
schen beiden Erscheinungen in den Vorstellungen der Alten , a )
deutlich ausgesprochen hervortritt.
Bei diesem Zusammenhange muss es Aufsehen erregen, dass
der Name der Verwesung wirkenden SetQijvsg an den des
G e i g i n g , des Bringers der Hitze, anklingt, der als Urheber der-
selben W i r k u n g wie j e n e erscheint. Schon D a m m behauptete in
seinem Lex. Horn. S. BOOÜ: „diclae ^sigr/veg a> oetQtäv i. e. läfirtstv,
aozQctmeiv, a quo verbo et o ost(/iog aoxqQ nomen habet" ! o ); da
er jedoch trotz dieser Ableitung die fraglichen Wesen als „i)dovag
sv /xslsoiv, voluptatem aurium" erklärte, ist es kein Wunder,
dass dieser mehr instinctmässige als durch irgend welche Gründe
gestützte Vergleich lange Zeit völlig unbenutzt oder gar ver-
gessen geblieben ist. Erst K l a u s e n , S. 4 9 , k a m wieder auf den-
selben, indem er den Namen der Sirenen wie den des Sirius von
der „Schwule" verstand, „welche die Auflösung befördert". Es
10
) S o h e i s s t es in dem H y m n u s auf den P y t h i s c h e n Apollon v. 193 von
der P y t h o : IR/V J' CIVTOV xaiiflva TIQOR ¡ji vog 'Iii k(oi o,
und bei L y k o p h r o n , v. 3 9 6 , von der L e i c h e d e s A i a s :
il>»X(>6v J" tn lixiaTg (xßtßoanuivov vixvv
d'ei-qit'cg i'ixrlg Jffi(>Cov xmctvavt!.
20
) E t w a s Aehnliches findet sich schon bei T h e o n v. S m y r n a , de astr.
S . 202 (ed. Martin), wo die Sirenen in der P l a t o n i s c h e n V i s i o n des Uuiversums
(vgl. A b s c h D . I I . ) als P l a n e t e n a u f g e f a s s t , und als solche mit oaQtiiiav in Verbin-
dung gebracht werden: ctg [ZiiQrjvng) oi [iiv nuroug yaoi Itytrsttai loig n).itr>)i«g
DNO TOC aetytaCuv.
— 12 —
tritt hier freilich nicht deutlich hervor, inwiefern sich Name und
Wirkung decken, ob die Verwesungs-Dämonen selbst die Schwüle
ausüben oder nur unter der Herrschaft oder dem Beistande der
ihr langsames Werk unterstützenden Hitze thätig sind, doch ist bis
zur völligen Klarheit nur ein Schritt, der zugleich einen mytholo-
gisch fassbaren, für den Cultus verwendbaren Begriff und eine be-
friedigende Erklärung des Namens gewinnt.
Suidas führt ein Wort OEIQ'") mit der Erklärung ¡¡Xiog an.
Dies ist die primitivste uns erhaltene Form einer Reihe von griechi-
schen Wörtern, die sämmtlich den Begriff des Leuchtens und Bren-
nens haben und nach C u r t i u s , Grdz. S. 484, von dem Skrt. Stamme
svar ausgehen, in welchem dieselben beiden Bedeutungen liegen.
Beide Begriffe stehen einander als in vielen Fällen unzertrennliche
so nahe, dass es meistens eine überflüssige Frage ist, welcher von
beiden bei der lautlichen Fixirung- eines Begriffes thätig gewesen
ist, wie es andrerseits natürlich ist, dass bald die eine, bald die
andre Bedeutung in einem Worte überwiegt 24 ). So liegt in dem
Beinamen, den Euripides (Iph. A. 7) einem S t e r n e giebt —
Tig noi (xq aaxr\Q o<]c noQ&/.tsüsi,
AELQIOS eyyvg TF}g knxanoQov
nXeiadog aooiov ezt fi£aai]()Tjs; —
in der Bezeichnung der G e s t i r n e überhaupt als asLqia (schol. Ap.
Rhod. II, 517) und a e i Q f j v e s (Lex. rhet. bei Eust. S. 1720, 54),
vermuthlich auch in dem Zevg 2SIQI]V des Autimachos") (Et. M.
oeiQaiviü), deutlich der Begriff des L e u c h t e n s . Dagegen sind die
von Lykurgos (Harpokrat. S. 165, 6 Bkk. vgl. Phavorin. h. v.) a e i -
giva, sonst aeiQia genannten Gewebe, für welche sich bei Har-
pokration a. a. 0 . und Hesychios 2 ') die Bezeichnung aeiQrjvsg
21
) H ä r t u n g , B e i . u. Myth. d. Gr. II, S. 140,, geht ebenfalls auf att'n zurück,
sieht j e d o c h in den Sirenen „ Töchter des Sonnengottes, wie Kirke".
22
) D i e s e l b e Erscheinung bei verwandten Derivatis: ail.ni, ntll^m, eXürii,
serenus b e z e i c h n e n den G l a n z , 'ii.ri, tili;, ¿Xta (vergl. b e s o n d e r s (i 23. A r .
Eccl. 541) die W ä r m e . E b e n s o das Sskrt. surä (nach B o p p , gloss. Sanscrit.
p. 191) g l ü h e n d e s , berauschendes Getränk, die übrigen Derivata des S t a m m e s
svar G l a n z und L i c h t (die urspr. Bedeutung, vgl. S o n n e , Kuhn's Ztsclir. X I I ,
S. 358). D i e s e l b e T h e i l u n g derselben ursprünglich einander einschliessenden
Begriffe in den von G u r t i u s , Grdz. S. 356, auf Sskrit rad. ush zurückgeführ-
ten Wörtern jjai? (avtos), «¿¡(itov, r/p/, rjiQiog, aurora einerseits, andrerseits evw,
tva), avai, etüto, EVQOS, uro.
23
) D i e Oodd. miQivtt. S c h e l l e n b e r g (Antim. fr. L X X X I I , S.112) ZtlQtov.
24
) afiQrjves" ol Xtnioi xcii äiatf-artTs %iu3t>is. Ders. a d Q t j v (Alberti.
Cod.: aiiQt])' xcä l/uthiov äandihjTo)' Xtniöv.— D a g e g e n erscheint e s z w e i f e i -
— 13 —
eine miissige ist, muss es bei den unmittelbar die Verwesung aus-
übenden 2 e i g t ¡ v e g , bei denen das Moment des Leuchtens nirgends
hervortritt, nahe liegen, an d i e vom Stamme aslg ausgehenden
Wörter zu denken, welche den Begriff des G l ü h e n s und B r e n -
n e n s enthalten.
Wir sind also auf einem doppelten Wege, von der W i r k u n g
der Sirenen aus und von ihrem N a m e n , auf den Begriff des Glü-
hens, Brennens oder Ausdörrens, kurz der Hitze gekommen, und
bezeichnen die Sirenen als die B r e n n e n d e n , A u s d ö r r e n d e n " ) ,
lateinisch, wenn die Neubildung eines Wortes gestattet ist, etwa
Torredines.
Auch S c h w a r t z in seiner Schrift „die Sirenen und der nor-
dische Hraesvelgr" billigt (S. 474) die von Damm herrührende Zu-
sammenstellung mit aeiQiáw, freilich mit Zugrundelegung nicht,
y i e es hier geschehen, der Bedeutung des Brennens und Glü-
hens, sondern, wie es von Damm selbst ausgegangen, der des
L e u c h t e n s . So sind ihm im Zusammenhang mit seiner Ansicht,
dass die Abenteuer des Odysseus weiter nichts seien als eine
Uebertragung der Irrfahrten des Wolkenkahns durch das Wolken-
wassermeer auf die Erde, die Sirenen „leichenschwelgende Ge-
wittervögel, im Welterleuchten heranziehende leuchtende Sturmes-
vögel, die in den Blitzen sichtbaren dahinstürmenden Wolkenvögel",
dem in Adlersgestalt gedachten Hraesvelgr (Leichenschweiger)
2S
) Die F o r m 2h¡i¡,i- i s t , wie auch das Appellativum, unmittelbar von
der Wurzel ZEP (für ¿FEV, C u r t i u s , Grdz. S. 485) herzuleiten mit dem
sich auch in den übrigen derivatis fiudendeu epenthetischen i (Curtius a. a. 0.).
Die Endung -r¡v könnte den ihr zuweilen innewohnenden (vgl. Ipniji', ntv!)r¡v,
t¡í>r¡v, lnißr'iv, vielleicht auch (aar¡r) Participialbegriff haben. Freilich ist diese
Endung da, wo sie deutlich als Element der Wortbildung erscheint, bei
appellativis nur für masculina gebräuchlich (vergl. bei D i p h i l . S i p h n . bei
Ath. VIII, p. 355 B 7] ff uxig neben ó <jvxijv), und diese Bemerkung findet sich
auch bei dem besprochenen appellativum aeiQr¡r (Biene) so wie bei dem Zfvg
bestätigt. Jedoch ist bei der Bildung der nomina propria vor allen
Dingen das natürliche Geschlecht in Betracht zu ziehen, so dass ein Zn(>r¡v
als femininum ebensowenig Auffallendes h a t , als feminina wie f¡ <fciftn(i und
Deminutiva wie >) . d t ó r n o r . — Uebrigens zeigt sich das Bestreben, das weib-
liche Wesen auch durch die Endung des Namens näher zu bezeichnen, in
den späten und abgeleiteten Formen ati{ir¡víg ( T z e t z . chil. IX, 19) und dem
mit xijíij^ióv zusammen zu stellenden aitQr¡d<¿v ( S c h o l . Í 1 2 5 3 B M V , A u s o n .
Id. 11, 20. Dagegen ist die Form Sirena, die sich bei L u t a t . O a t . ap.
Philarg. Verg. G. IV, 564, G r o m . Y e t . p. 237, 1 und, freilich interpolirt, das.
p. 235 findet, eine nicht zu rechtfertigende und vermuthlich zu emendirende
Bildung.
— 15 —
32
) Dem der E r i g o n e (Mära\ des A l k y o n e u s , des K e p h a l o s , der
I s i s ( E r a t o s t h e n . ap. schol. X 29. T i m o s t h e n . ap. schol. Ap. Rhod. II,
517. H y g i n . fab. 130, P. A. II, 35\
33
; Wenn man die Ueberlieferung SLTOT I<XT«(OV schützen will, kann die-
selbe nur, wie es von II. D . M ü l l e r , Zeus Lykaios S. 26, geschehen ist, mit
axu'i in Verbindung gebracht werden, und somit der Gott als „der strahlende
Seirios1" bezeichnet sein, womit der oben S. 12 erwähnte Ztvg Ztii>ij>> zu ver-
— 17 —
n ) A r i s t . meteor. II, 5.
— 19 —
verlieren, dass wir sie in einer Schrift finden, die den Namen des
Aristoteles (vermuthlich jedoch ohne die Absicht ihres Verfassers)
nur lügt, während andrerseits nicht zu vergessen ist, dass etwa
50 —100 Jahre nach der Zeit des Aristoteles die Kenntniss der
Westwelt eine bedeutend genauere geworden w a r , als sie dem
grossen Peripatetiker zu Gebote stand. Wenn wiederum auch die-
sem Vortheil durch die hervortretende Neigung, Wunderbares und
Paradoxes zu berichten, ein nicht geringer Abbruch geschieht, so
ist zu bemerken, dass manches in diesen Excerpten, so wie in den
Fragmenten des Timäos, Theopompos und Lykos von Rhegion, auf
welche dieselben allerdings vorwiegend zurückzugehen scheinen, für
sich selbst spricht. So lässt sich nicht verkennen, dass wir in dem
über den Sirenencultus an der campanischen Küste Berichteten
einer völlig zutreffenden Localscbilderung begegnen, die unmöglich
aus Erfindung hervorgegangen sein kann, wodurch natürlich auch
das Uber den Tempel und den Cultus dieser Gegend Erzählte be-
deutend an Glaubwürdigkeit gewinnen muss. Es kommt hinzu,
dass bei S t r a b o 3 ' ) , dessen Autorität nicht anzutasten ist, derselbe
Tempel und auch die Verehrung der Sirenen erwähnt wird, sowie
dass ersterer auch in den officiellen Urkunden der römischen Feld-
messer verzeichnet war, und dem daselbst als u i o n s S i r e n i a n u s
bezeichneten Vorgebirge der Athene seinen Namen gegeben hatte -'*).
Die hohe Verehrung, in welcher dieser Tempel bei den An-
wohnenden stand (mir. ausc.: zifiiovTcci VNEQßOLRJV VNO TIOV
38
) I , 2 , 12, p. 22 0 : ayxiiv xn sxxsiTnt fiaxfto; xti't artrog C'DIO ICÜ»' xajic
£VQQIVIOV %u)I>i<oV Ini 1 0 1 ' xaiü. KnnQias noQOfiov, in\ (hatga fiiv rr/; ¿ ( I T I J I ] F
T O TIÖV S E I ( I I J V <A v teoiv €%A)V, inl ilatsya <ie N(>DI I([) ILOAIIÖMVIITTTF xoXn(JI
vrjaiiSia TQIA nQOxtijxiva f(>i)u« TITTQUJISR), « xaXovai SAQRJIUT;' in' rtuiw <FI TO/
noQÜfitit IO 'AOrivaiov, tbneQ b/iiovvjjitl xcti o ttyxwv avris, und V , 4, 8, p. 2 4 7 :
nuvf/H cjy {an i f j IIOFJ.nr)(ii TO ¿Lvtiotviov TIÜV Kafinai toy, uOti> NQOY.TNAI TO
'Aifrjvaiov, u Zivis £IIQ<]VOVOA(i)V I'IX(>(OT RJQIOV xciXovaiv. ran tff in rtxQiii uiv
'AO-rjVcii ifQÖr, '¿iSyv/jct 'Oduaatun. duinlou, <)" iy9-iyiSe ßort/vg tle KitnQiui vijoov.
xi'tuil>aVTi Jf TTjy ctxQctv vtiotde'i tiltv ioquoi 7tfTQiiid'tis, <"? xaXovtri ¿'tiprjrag.
ix äi TOV 7IQOS ZuQQtVTOV fl^QOVi itQOV T I (f i t X V V T Ct I Xftl « V « fr y fX K I It 71 tt-
Xftia TI/Alitl'TIOV llöv TzXrjOlOV TO)' TOTTOV.
39
) G r o m . v e t . p. 237, 1: äed et m o i i s S i r e n i a n u s limilibus pro parle
A u g u s t i a n i s e s t assignatus. ceterum in soluto remansit. iter populo Uebetur
ubi S i r e n a e .
— 21 —
40
) s. Abschn. III.
41
) (Villa Surrentina Poliii Felicis):
E s t inter n o t o s S i r e n u m n o m i n e m u r o s
Saxaque Tyrrhenae templis onerata Minervae
C'elsa Dicarcliei speculatrix villa profundi.
— 22 —
sich gebildet hat, ist, wie manches andere im Verlaufe der Mythen,
nicht mit Bestimmtheit zu sagen; vielleicht führten gerade hier be-
sondere locale Verhältnisse auf ihn hin, die möglicherweise auch
in dem vielleicht s t a m m v e r w a n d t e n Namen 2VQQEVTOV ausge-
sprochen sind, Verhältnisse, die vielleicht mit dem Meere und der
auf diesem durch die sie begleitende Windstille besonders gefähr-
lichen Schwüle zusammenhängen. Wenigstens könnte es scheinen,
als ob die Lage des Tempels an einem das Meer beherrschenden
Vorgebirge darauf hinwiese, so dass für d i e s e n s p e c i e l l e n F a l l
des Sirenencultus C e r q u a n d ' s Ansicht der Wahrheit nahe kommen
könnte (s. S. 18).
Es ist unmöglich anzunehmen, dass dieser Cultus der Sirenen
nicht, wie die ursprüngliche Gestalt dieser Wesen überhaupt, von
dem Sirenen-Abenteuer der Odyssee b e e i n f l u s s t worden wäre;
nur seine Wurzeln liegen ausserhalb desselben; seine spätere Ent-
wickelung konnte sich dem mächtigen Eindrucke der homerischen
Verse nicht entziehen, und ohne Zweifel erschienen in Folge dessen
aucli die Sirenen am Vorgebirge der Athene der Phantasie der
Umwohnenden als s i n g e n d e Wesen. So sind wir auch nicht be-
rechtigt, die von dem Redactor der mir. ausc. angeführten Namen
Parthenope, Leukosia, Ligea als ursprüngliche zu betrachten, da in
ihnen deutlich die Beziehung auf Locale Unter-Italiens, die in späte-
rer Zeit mit Sirenen in Verbindung gebracht wurden (s. Abschn. III.)
ausgesprochen ist. J a , es scheint sogar, als ob diese Namen von
ihrem Cultus auszuschliessen und nur als eine gelehrte Zuthat zu
dem Bericht Uber denselben zu betrachten wären. Wenigstens führt
der Ausdruck: wv xal ra ovo^iaxa /.tv^fiovev ovreg xaXovoi zrjv
ftev naQ&Evönrjv xzL eher auf eine sich in Schriften gelegentlich
findende Erwähnung als auf eine Aussage der Bewohner der sur-
rentinischen Halbinsel 4S ).
Dieser Cultus im Westen Italiens, der nur eine Phase der
viel weiter verbreiteten, diese mythischen Gestalten erzeugenden
Empfindung des griechischen Volkes ist, Hesse sich in der loca-
len Entwickelung, die er gefunden hat, immerhin mit dem Meere
in Verbindung bringen; anders ist es bei. einem zweiten Ueber-
bleibsel derselben ursprünglichen Anschauung, dem wir in A e t o -
l i e n begegnen und zwar in einer Weise, die weder an eine Frucht
4S
) Ebenscr scheint S t e p h . B y z . diese Worte verstanden zu haben, da
er sie nur in der Form: wv xcd T « 6r6/JAIA TRVI«• IlaoHtrönr) XT).. ohne eiD
Yerbnm der Aussage wiedergibt.
— 23 —
43
) xuv tls Alzcoliav /xnslOijs, xctxtl TiolXä r/ oQxrjOtg xaictXet/jßdvei, jfjV
'Alftctüty, tov MilectyQOV , irjV AiaXavTrjv, jöv daldv xcti noia/jov xcti 'Hqa-
xAe'ovi TIBAIJV xnl J£ f / q qv (ov yeviOiv xnl 'ß^ivniiov uvädootv xal /neici iijv
44 45
/larittV 'Alxpaltavos otxrjaiv xxl ) L y c . 712. ) A p . R h o d . IV, 896.
46
s c h o l . ,u 39 V. B u s t . a . a . O . E u d o c . p. 373. ) A p d . I, 3, 4. s c h o l .
K435 A. H y g i u . praef. p. 30, 17 Bunte, fab. 125 (p. 103, 19), 141 (p. 113, 22).
L a c t . arg. Met. V, 9. ") S e r v . Verg. G. I, 9.
48
) A p d . I , 7, 10; 2. s c h o l . ¡x a. a. 0 . E u s t . a. a. 0 .
49
) A.ntisymb. II, S. 340: „Nach 01.50 entstand Dodona's Fahel vom pin-
dischen Apollon; jetzt am Acheloos erwuchsen drei gesangreiche Sirenen".
— 24 —
50
) Ap. Rhod. IY, 893 hat ZaQqvts '-/xekmCiig; Ovid. Met. V, 552. XIV,
88. Colum. X, 263. P a u s . IX, 34, 2 nur Acheloides.
51
) Wie z. B. in dem Nameu der Plejade lApd. III, 10, 1, 1). Dagegen
ist auch iu dem Namen der Tochter des Heros Eponymos von Pleuron (ders.
I, 7, 1, V, des Kepheus (ders. II, 7, 3, 4), des Akastos (ders. III, 13, 3, 3) das
Wort seiner appellativen Bedeutung entkleidet.
— 25 —
63
) Einzelnes ist mit Unrecht hierher gezogen worden: die rhodische Hera
Ttl./m'u ( D i o d . V, 55 , womit nur der Ursprung ihres Cultusbildes, nicht ihr
Wesen selbst, bezeichnet ist, ihr Kampf an der Seite des Hades gegen He-
rakles, der keineswegs mit Nothwendigkeit in den auch von den alten Er-
klärern (mit Ausnahme von schol. A 690 AD) anders verstandnen Versen 73
392 ff. liegt ( P i nd. Ol. 9, 30 ff. nennt nur Poseidon, Phöbos und Hades, nicht
Hera), die von Preller mit Glück in nicht chthonischem Sinne erklärte Hera
Antheia (gr. Myth. I, 128, 1, vgl. W e l c k e r , - k l . Schrft. V , S. IG), der Name
der lakinischeu Hera, da sich bei Hesychiös keineswegs, wie Gerhard anzu-
nehmen scheint, itiv.iq durch Erde, sondern y_!) o v u I durch /da /Ä<C y i j g
erklärt findet.
— 30 —
willkürlich verfährt, sondern den schon vorhandenen Grund har-
monisch ausbaut.
Wenn die Sirenen als dem Schiffer Gefahr drohende Wesen
auf einer b l u m i g e n I n s e l wohnen, womit es für völlig identisch
zu halten ist, wenn Hesiocl sie nach der Insel Anthemoessa ver-
legt S4), so ist dies ein Zug, der im Sinne ihrer chthonischen Natur
ist und mit der Üppigen, fruchtspendenden Kraft der Erde in Ver-
bindung steht, in ähnlichem Sinne wie nicht allein Pluton als Ver-
walter und Spender der Schätze der Erde, sondern auch die finstere,
verderbliche Gestalt des Acheloos mit dem segenspendenden Horn
erscheint, ebenso wie nach Apd. II, 5, 10, 7 der Kampf zwischen
Herakles und dem chthonischen Geryon am Flusse A n t h e m u s auf
der an der Grenze der Licht- und Schattenwelt zu suchenden Insel
Erytheia stattfindet. Dasselbe Gefühl spricht sich darin aus, dass
man in der Gegend von Elina in einer ringsherum von Blumen in
reichster Fülle umgebenen Höhle den Schlund erblickte, durch
welchen Persephone von Pluton entfuhrt wurde ( A u s c . mir. 82,
D i o d . V, 3).
Schwieriger ist die Frage, woher das S i n g e n der Sirenen
stammt, doch giebt hierzu die so viel nachweislich älteste Gestalt
derselben den Schlüssel. Es lässt sich nämlich bei dem jetzt vor-
liegenden Material von Vasenbildern nicht bezweifeln, dass diese
die eines grossen, schwerfälligen Vogels mit weiblichem Haupte ist,
so dass die schon im Alterthum u ') berührte Frage, in welcher Ge-
stalt wir uns die Sirenen der Odyssee zu denken haben, heute
keiner wesentlichen Differenz mehr unterworfen sein kann 0 0 ).
Das Bild eines schwerfälligen, gespreizt und breit dasitzenden,
zum Fluge ungeeigneten Vogels ist für den Ausdruck der unbe-
weglich ruhenden und schwer lastenden Schwüle kein schlecht ge-
wähltes ; umfassen doch auch wir mit Ausdrücken wie „ Brut,
brütend" sowohl die schwer lastende Hitze überhaupt, als die
Eigenschaft und Thätigkeit des dieselbe ausübenden, schwer am
M
) Auch bei Homer fasst schol. 39 H . Q. T . av:itj.iotaac< als nomen
proprium.
Sä
) s c h o l . ,u 47 H , vergl. 39 H Q T , E u s t . S. 1709, 48.
60
) T r o t z d e m b e h a u p t e t e nach d e m V o r g a n g e von V o s s , Myth. Br. II, 33,
S. 265 und A n t i s . I I , S. 3 4 0 , und N i t z s c h , A n m . z. Od. I I I , S. 3 7 0 , n o c h
W e l c k e r , S. 172,v d a s s H o m e r die S i r e n e n in m e n s c h l i c h e r G e s t a l t aufführte.
E b e n s o sind nach G e r h a r d , F K i g e l g e s t . S. 193, die S i r e n e n bei H o m e r eher
Jungfrauen, a l s V o g e l , und S c h w a r t z , S. 471, s p r i c h t von einer v o g e l a r t i g e n
D a r s t e l l u n g der S i r e n e n a u s s e r h a l b d e s H o m e r .
— 31 —
69
) Vgl. noch Usener, Rh. Mus. XXIII, S. 363.
3*
— s e -
il.
Weitere Entwickelung und Veränderung des Be-
griffes der Sirenen bis zur alexandrinischen Zeit.
Die nächsten zeitlich festzustellenden Erwähnungen *) der Si-
renen nach Homer zeigen uns dieselben von dieser Dichtung be-
einflusst als s i n g e n d e W e s e n .
Der in d e m Verse des A l k m a n : a Miöaa xexirjy, a XLyeia
ISIQI]V (bei Aristid. II, 508. Bergk, fr. 7, S. 634), wo ihr Name als
Beiname der Musen erscheint, liegenden Betonung der Kraft ihres
Gesanges begegnen wir auch auf einem Relief guter attischer Zeit
(s. d. arch. Th.), dann besonders in der späteren Literatur 2 ), auch bei
den Römern 3), unter welchen Columella (X, 263) sie zu Begleite-
rinnen der Musen machte, während in den bekannten Versen auf
den Grammatiker V a l e r i u s C a t o (Suet. de gramm. 11):
Cato grammaticus L a t i n a S i r e n ,
Qui solus legit ac facit poetas,
ihre Thätigkeit ganz wie sonst die der Musen als eine zum Dichter
bildende erscheint 4 ); von derselben Bedeutung ihres Wesens aüs
werden D i c h t e r — Homer 5 ), Sophokles 6 ), Menander 7 ) — auch
selbst S i r e n e n genannt.
Ebenso begreiflich ist es, dass dieselben Wesen, und zwar
ebenfalls auf Grund der homerischen Verse, auch in G e g e n s a t z
zu den Musen treten: so soll schon P y t h a g o r a s beide einander
8
) Etwas anders Clem. Alex. Strom. I, 294, p. 127 Sylb.: M o v o a s Zti-
(>ijt'<ov Tfdlov; TjytToftcu TIvihtyoQcts nctQccivii, rns aotficig ctoxtiv fit] fj.tra
rjdorrii iSiiJaaxcov, itnurrjXov (ff Trjv ilXXrjV <SnXty%iov if/v/nyioyiav.
') z.B. A e l . V. H. XII, 1 von der Aspasia: (f«i>vrjfia <fe fl/tv ijiiv xai
nTtaXdv tlntv « V Tis XaXovarjg 01)17}? axovttv ^eiyrjvo;.
10
) Bei Gell. N. A. XIV, 20, vgl. M e i n e k e , Anal. Alex. S. 247. Häufiger
bei Dionysios von H a l i k a r n a s s , z. B. de vi die. in Dem. c. 35, auch z. B.
Piut. Mar. 44.
— 38 —
ev de xagSitjc
Seigfjvog ¿OTsvage loia&iov fieXog,
und der unbekannte Verfasser des o e t ä i s c h e n H e r c u l e s (v. 191):
me vel Siculis addite saxis,
ubi fata gern a m Thessala S i r e n .
In diesem Sinne standen Bilder von S i r e n e n a u f g r i e c h i s c h e n
G r ä b e r n , besonders in Athen, wo aus der Gräberstätte des alten
Kerameikos eine beträchtliche Anzahl zu Tage gefördert worden
ist (s. d. arch. Th.). Denn dass diese, schon von v. S t a c k e l b e r g ,
Gr. d. H. S. 10, N i t z s c h , Anm. z. Od. III, S. 370, F r i e d l ä n d e r ,
de op. anagl. in sep. Gr. S. 33, S a l i n a s , rev. arch. 1864, I, S. 370,
aufgestellte Ansicht die richtige ist, und nicht diejenige"), nach
welcher die Sirenen in dieser Verwendung die unwiderstehlich
lockende Gewalt des Todes darstellen, geht aus dem Charakter
mehrerer dieser Bilder hervor, die uns Sirenen sich das Haar rau-
fend, sich an die Brust schlagend, oder zwischen Klageweiber ge-
stellt zeigen, in vollkommener Uebereinstimmung mit einem Epi-
gramme des M n a s a l k a s , in welchem die auf dem Grabe eines
jungen Mädchens stehenden Sirenen sprechen:
xad de a ¿/.iv^äfievai neQidaxgvsg a'ld5 enl Tvpßtp
15eg ^eiQtjvojv eaza/^eg eldötki^toi
(Anth. P a l . VII, 491, vgl. M e i n e k e , del. poet. p. 93), sowie mit
der Verwendung der Sirenen am Scheiterhaufen des Hephästion
für die Aufnahme der Sänger der Todtenklage (Diod. XVII, 115).
Denn zu den unverkennbaren Zeichen der Trauer stimmt vollkom-
men ihr danach als Threnos zu fassender Gesang und das Spiel
der Instrumente, während sich mit diesem Spiel, wenn wir in dem-
selben ein Bild der verlockenden Macht des Todes sehen, Jammer
und Klage schlechterdings nicht in Einklang bringen lassen.
Das soviel nachweislich älteste Beispiel dieser personificirten
Todtenklage bietet uns ein Epigramm der E r i n n a , die ( A n t h .
Pal.- VII, 710) ihr Grab mit den Worten begrüsst:
2xäXai %aL 2eiQrjves e/xal xal nevd-i/xe XQioooe,
oOTig Ididct tav bhiyav anoöiav,
wodurch uns also die Sirenen als etwas schon zu verhältnissmässig
früher Zeit in diesem Sinne allgemein Verbreitetes erscheinen, ein
u
) W e l c k e r , gr. Myth. III, S. 167. M i c h a e l i s , Denkm. u. Forsch. 1866,
S. 140. — K l a u s e n , Aen. I, S. 492, 760, erblickt in den Sirenen bei Euripides
a. a. 0 . ein Bild, wie der Mensch unter den wehmüthigen, thränenreiclien
Sirenenliedern hinstirbt, eine, was die Interpretation dieser Stelle betrifft, un-
begreifliche Ansicht.
— 39 —
12
) Xeinfjrcis fiaci(fix6firjv
't>6<izov 9QOO vvi e T ov;".-liäov vdtuovi,
nach L o b e c k ' s Emendation (Ai. S. 292).
,3
) V o r a u s g e s e t z t dass sie nicht mit W e l c k e r , gr. Gtl. III, S. 167, dahin
beantwortet wird, d a s s , weil Sirenen häufig auf Grabdenkmälern vorkamen,
Euripides den reizenden S i r e n e n g e s a n g in einen traurigen verwandelt hätte.
") s. die Aufzählung im arch. T h .
— 40 —
Wenn in diesen verschiedenen Bedeutungen des Gesanges der
Sirenen nur Keime des ursprünglichen Wesens derselben und der
Art und Weise, in welcher Homer sie uns vorführt, einseitig bald
so bald so ausgeführt sind, so war dieselbe Zeit, zu welcher wir
hier gelangt sind, in anderer Beziehung schon mit Zusätzen zu der
älteren Vorstellungsart hervorgetreten.
S o p h o k l e s , der den Odysseus, vermuthlich in den Phäaken
( W e l c k e r , gr. Tr. I, S. 232), sein Abenteuer bei den Sirenen er-
zählen Hess, machte sie, die Sängerinnen des Hades, zu Töchtern
des Phorkys, während sie in der ä t o l i s c h e n L a n d es s a g e , die
sich also in der damaligen Zeit noch nicht allgemeine Geltung ver-
schafft hatte, als Töchter des Acheloos erscheinen und von E u r i -
p i d e s (Hei. 167) ihrer ursprünglichen Bedeutung entsprechend als
Töchter der Erde bezeichnet- werden. Diese Abstammung von
Phorkys ist jedoch keineswegs im Sinne ihrer Grundbedeutung und
auch nicht im Sinne der von Sophokles selbst erwähnten Weisen
des Hades, sondern ist ihnen nur als Wesen gegeben, die dem
Dichter als Wunder- und Schreckensgestalten in der nebelhaften
Ferne der Westsee erschienen, denen vergleichbar, welche sonst
als Kinder des Phorkys bekannt sind, der Skylla ( A c u s i l . bei schol.
Apoll. Rhod. IV, 828. s c h o l . /.i 85 V. T z e t z . Lyc. 45. 650), den
Gräen und Gorgonen ( H e s i o d . theog. 270. 74. P i n d . Pyth. 12, 13.
L u c a n . I X , 645), den Hesperiden ( A c u s i l . bei schol. Ap. Rhod.
IV, 1399) ,ä ).
Ebensowenig wie die Bezeichnung als Töchter der Erde ist
die V e r s t ä r k u n g i h r e s G e s a n g e s durch musikalische Instrumente,
die libysche Flöte oder die Syrinx, der wir bei Euripides a. a. 0 .
begegnen, für eine Erfindung dieses Dichters zu halten, da wir
schon auf alten Vasenbildern, die unmöglich von diesen Euripidei-
schen Versen beeinflusst sein können, Sirenen mit ähnlichen Attri-
buten ausgestattet finden. Doch ist zu bemerken, dass die Syrinx
erst in späten Werken etruskischer und römischer Kunst wieder
in ihrer Hand erscheint, während in der altern griechischen Kunst
— auch bei den uns erhaltenen Bildern sepulcraler Bedeutung —
Flöte und Leyer von ihnen gespielt werden (s. die betreffenden Ab-
schnitte im arch. Th.). Diese Verleihung von Instrumenten an Wesen,
die bei Homer nur durch Gesang wirksam sind, zeigt, dass das musi-
kalische Element mehr und mehr hervortritt und zur Hauptsache wird.
15
) Nach E u p h o r i o n ( M e i n e k e , Anal. Alex. S. 93) sind die E u m e n i d e n
Enkelinnen des Phorkys.
— 41 —
16
) Orat. S. 403 D: <Sicc TKVTCI ÄOCC qdj/iiv, <o 'ETJPOYIVT;, oucif l'rt ötifio
'^itiSov) tthXrjaai antXOtlv itöv (xit&tv, oväi avttis r«S ZeiQrjvai, fU/n
xaTcixixtillja3ai ixcivas xai toi; ceXXous ncivrai • oiiito xaXovs nvcts, <*>S 'eoixev,
¿RRIUTNIAI X6yovs Xiyttv O "ATÖRJG XTX. Ausserdem conv. S. 216 A. Phaedr.
S. 259 A in der geläufigen einfachen Hervorhebung ihres fesselnden Gesanges.
") P o r p h . Vit. Pyth. 31, vgl. Mart. Cap. I , §27. Bei I a m b l i c h o s ,
vit. Pyth. cap. 18, S- 176 Kiessl.: y ¿Qporfn, tv fi al ¿iiorjvii, eine Yerschmel-
zung des Pythagoras mit Plato.
18
) Aehnlich M a c r o b . , somn. Scip. II, 3, und hieraus Myth. Vat. III,
11, 9. Vgl. S. 39, 12.
— 43 —
19
) Ihr können ebenso gut griechisch -römische Anschauungen zu Grunde
liegen.
— 44 —
S. 94 Boiss. im Hinblick auf diese und die Anm. 16 erwähnten
Stellen hervor, dass P l a t o — nicht die Griechen überhaupt — drei
Arten von ¡Sirenen k e n n e n : ovgâviov dyévnç), onsç èavlv vno trjv
tov diàç ßaaiXeiav, ysvsaiovçyiv, oneg hariv vno tov Tloaei-
èôjva, xa9aQTixôv, oneç èarlv vno TOV "Aiôi\v, xai eazi xoivov
avTtüv naawv TO ôià zrjg svaQfioviov xivrjoewç vnoxaxaxXivetv navra
roig savTiûv ï}ys).iôaL 3-eo'tç, w o b e i die E i n z e l h e i t e n d e r E r k l ä r u n g
auf sich beruhen mögen.
Endlich scheinen schon in derselben Zeit sich in der volks-
tümlichen Anschauung Vorstellungen herausgebildet zu haben,
denen wir später, seitdem sie von den alexandrinischen Dichtern
benutzt worden sind, allgemein begegnen. Wenigstens zeigt das
Bild einer in V u l c i gefundenen V a s e (M. J. I, 8), die mit grösserer
Wahrscheinlichkeit vor der Zeit des Lykophron als nach derselben
entstanden sein dürfte, und dem Charakter dieser ganzen Kunst-
richtung nach gewiss nicht unter dem Einflüsse Eines bestimmten
Dichters steht, in dem Abenteuer des Odysseus schon einige Ab-
weichungen von Homer, die seit der alexandrinischen Zeit der
allgemeinen Anschauung eigentümlich geworden sind. Es sind
nicht mehr, wie bei Homer, zwei, sondern d r e i Sirenen, die sich
nicht mehr auf einer blumenreichen Insel, sondern auf s c h r o f f e n
F e l s e n zeigen, worin sich schon eine Auffassung ausspricht, die
in ihnen nur Schrecknisse des Meers erblickt, für welche ein sol-
cher Ort unserer Phantasie angemessener erscheint als eine an-
muthige Insel. Dasselbe Vasenbild bietet ausserdem einerseits be-
reits für eins dieser Wesen eine B e n e n n u n g (Himeropa), die
zwar die verlockende Macht ihrer Stimme bezeichnen soll, jedoch
schwerlich anders zu beurtheilen ist als das häufige Erscheinen
von Appellativis anstatt der sonst üblichen Eigennamen gerade auf
Vasenbildern, andrerseits den ebenfalls von der späteren Poésie
(S. 49) ausgebeuteten Zug, dass die Sirenen sich, da Odysseus ihren
Tönen nicht folgt, von ihrem Sitze ins Meer stürzen und d e n T o d
f i n d e n . Hierin liegt es deutlich ausgesprochen, dass der Glaube
an die Sirenen bereits aufgehört hat, und dass sie zum Theil
schon zur Fabel geworden sind; man glaubt nur noch, dass sie
e x i s t i r t h a b e n , sucht nach einem Grunde, wesshalb sie nicht
mehr vorhanden sind, sieht diesen in dem wunderbaren Ereigniss,
dass nach so vielen dem Verderben Geweihten endlich Einer ohne
Schaden an ihnen vorübergefahren ist, und verknüpft desshalb ihr
Schicksal mit dem dieses Mannes.
Ebenso ist es zu beurtheilen, dass man schon damals anfing,
— 45 —
eine E r k l ä r u n g f ü r d a s E n t s t e h e n d e s S i r e n e n m y t h o s zu
suchen; so behauptete nach Plinius, H. N. X , 136, D e i n o n , der
Vater des Kleitarchos, in Indien gäbe es Sirenen, fabelhafte Vögel,
die durch ihren Gesang die Menschen einschläferten und dann
zerrissen " ) , welcher Erklärung sie also als ein noch vorhandenes
Wunder der Natur"') erschienen.
so
) Diese Wirksamkeit der Sirenen z e i g t sich auch in der mittelalter-
lichen F a b e l über d i e s e l b e n , nach welcher sie Meerweiber sind, die durch
ihren G e s a n g die Schiffer anlocken, einschläfern, und dann zerreissen. P i p e r ,
Myth. d. ehr. K . I, S 383.
21
) B i n ähnlicher V e r s u c h bei v. H a m m e r in Böttiger's Amalthea II,
S. 122: „So sind die Sirenen — ursprünglich nichts anderes als der afrikanische
Vogel Sirenas, welcher nach der im Ferhengi Schuuri [2. Bd. Bl. 90) über-
lieferten Sage durch die Locher seines Schnabels wohllautende Töne flötet, zu
deren Hervorbringung musicalische Instrumente erfunden wurden "
— 46 —
III.
ihnen Füsse und Federn von Vögeln, lassen ihnen jedoch ihr j u n g -
fräuliches Antlitz und die frühere reizende Stimme. Aehnlich
H y g i n u s , fab. 141, nur mit dem Unterschiede, dass der Z o r n
Denieters ihre Gestalt verwandelt 3 ), während C l a u d i a n (R. P. III,
11)0 ff.) sie schon vor dem Raube geflügelt sein, sich nach dem
Verluste ihrer Herrin jedoch nach dem Vorgebirge Pelorum begeben
lässt, wo sie seitdem zum Verderben der Sterblichen wirksam sind.
Eine ganz andere Erklärung ( s c h o l . /.i 39 H Q T . E u s t . S. 1709, 43)
liess sie von Aphrodite v e r w a n d e l t werden, weil sie sich ewiger
Jungfrauschaft ergeben hatten, wozu vielleicht die auch sonst mit
den Sirenen identificirte k e u s c h e P a r t h e n o p e ( D i o n . Per. 359)
des grossgriechischen Glaubens beigetragen hat (s. w. u.); doch
findet sich eine schwache Spur der hier vorliegenden Auffassung-
schön in dem von Lykophron (v. G7U) einer Sirene beigelegten
Beiworte ozsTga.
Selbstverständlich nehmen in der alexandrinischen Poesie und
Mythenforschung die Sirenen in ihrer dem O d y s s e u s und allge-
meiner dem Vorüberschiii'enden überhaupt Gefahr drohenden Wirk-
samkeit eine die übrigen Seiten ihres Wesens in Schatten setzende
Stelle ein.
Bei A p o l l o n i o s 4 ) , dessen A b e n t e u e r d e r A r g o n a u t e n für
unsern Zweck dein des Odysseus völlig gleichgestellt werden kann,
hausen sie, halb Jungfrauen, halb Vögel — ihre Zahl wild nicht
genannt — auf der schönen Insel Anthemoessa, worin der Dichter,
seinem gelehrten Wesen entsprechend, im Widerspruche mit dem
Volksglauben seiner Zeit dem älteren E p o s , und zwar nach schol.
IV, 89á dem H e s i o d gefolgt war. Sie sitzen hier auf hoher Warte
an einer die Schiffer zum Landen einladenden Stelle (evogfios) und
sehen nach den Vorüberfahrenden aus, denen sie durch ihre Stimme
Verderben bereiten, indem sie sie hinschwinden machen (xijxedót/i
q>divvöovoai). Von I n s t r u m e n t e n , die sie in s e p u l c r a l e m Sinne
angewandt schon vor dieser Zeit f ü h r e n , ist keine Spur. Die Ar-
gonauten entkommen nur dadurch, dass Orpheus ihren Gesang durch
seine Weisen zum Schweigen bringt. Butes, der sich ins Meer
stürzt, um zu ihnen hinzuschwimmen, wird von Aphrodite gerettet
und nach dem Vorgebirge Lilybaeum versetzt.
3
) Es ist schwer zu s a g e n , ob die Notiz Hygiu's, dass diese V e r w a n d -
lung stattgefunden hätte ad A p o l l i u i s petram, einen tieferen Sinn hat, oder
für eine miissige Erfindung zu halten ist. L a c t . P l a c . , arg. Met. V, 9, lässt
sie auf der F a h r t zum Aufsuchen der Göttin endlich kommen ad petram M a r t i s .
4
) Aus diesem A p d . I, 9, 25, 1.
- 49 —
Wesentlich ebenso L y k o p h r o n . Die Gestalt ist mit der von
Apollonios geschilderten übereinstimmend; sie sitzen — wie seit
dieser Zeit fast a u s s c h l i e s s l i c h 5 ) — auf hoher Klippe (v. 7 1 4 , vgl.
v. 6 5 3 ) ; ihre Zahl ist der vom V o l k e weiter entwickelten Gestalt
der S a g e entsprechend die der D r e i z a h l , und es ist ihnen — ein
andrer Ausfluss derselben volkstluiiulichen Fortdichtung in Verbin-
dung mit unteritalischen Traditionen — vom S c h i c k s a l bestimmt zu
sterben, sobald j e m a n d unverfiihrt an ihnen vorbeifährt. D a nun
Odysseus ihrem G e s ä n g e widersteht, stürzen sie sich in's Meer; ihre
Leichen werden von der Fluth an die italische Küste getragen und
daselbst bestattet.
Während für diese Erzählung, insofern sie sich a u f das Schick-
sal der Sirenen insgesammt bezieht, L y k o p h r o n (v. 7 1 2 ) die ein-
zige in B e t r a c h t kommende Quelle ist — denn H y g i n , fab. 125, 141.
E u s t . zu Dion. Perieg. 3 5 8 . E u c l o c . S. 3 7 3 . T z e t z . zu L y k . a. a. 0 .
L a c t . arg. inet. V, 9, welche dasselbe berichten, haben nur aus ihm
geschöpft — , findet sich von einzelnen P u n k t e n I t a l i e n s , die mit
diesem Vorgange im S c h i c k s a l der Sirenen in Verbindung gesetzt
sind, von N e a p e l und den Inseln L e u k o s i a und L i g e a , dasselbe
auch noch in unabhängigen Quellen erwähnt.
Die Sirene Parthenope lässt Lykophron in Neapel einen
Cultus finden, j e d o c h zunächst nach dem T h u r m d e s Phaleros
und dem G l a n i s hingetrieben und dort durch T r a n k s p e n d e n und
Thieropfer verehrt werden. Unter diesem Thurm des Phaleros, der
sonst nicht bekannt ist, verstehen Tzetzes wie auch Stephan
v o n B y z a n z {(Dokr^ov) natürlich Neapel, doch ist es deutlich, dass
Lykophron erst mit v. 7 3 6 zu dieser S t a d t übergeht, deren L a g e
erst hier ausdrücklich beschrieben wird; auch passt der v. 7 1 8 er-
wähnte Glanis schlechterdings nicht zu der L a g e Neapels; denn
die Annahme M i n e r v i n i ' s (^Bull. aicli. Nap. 1853, S . 4 7 ) , dass er
für identisch mit dem Sebethos zu halten wäre, erscheint durch
nichts begründet. Vielmehr ist es der von D i o n . H a i . V I I , 3 n e b e n
dem Volturnus erwähnte gleichnamige F l u s s , den V e r g i l (Georg.
I I , 2 2 5 ) mit dem Namen C l a n i u s bezeichnet.
Hier am Glanis veranstaltet ein athenischer Feldherr der
Parthenope nach dem Willen des O r a k e l s einen F a c k e l l a u f ; dann
nimmt das Volk von Neapel ihren Cultus a u f und vermehrt ihn
6
) Bust, zu D i o n . a. a. 0 . und aus diesem Eudoc. a. a. 0 . : <U).oi <H
7jf(» Ii a o it f i'O 7i t]i aüioi if'younf HnnOiVovrj no II ah ilr<f(><ia<v IntßuvltvViiatx
xcti irjv nunihvittv <[ vlü!;uatr., tha jVitjito/ov *t>Qvyos iQaafktTaa, rlis if n>i'x«s
eieftev, Äxoapitttv fnurij; xctTaiptjif iCo/ify'r], xeu ilg Ka/jnarovs IXHovact ojxr)af,
xcti T a / a ätct TI'jy roiavTijv aiorpftoauvqv ayvrj nctQcc noXlwv toroQiljai, — Den
Namen der Insel L e u k o s i a leiten D i o n . Hal. I, 53, Solin. S. 37, 17 und
Paul. Diac. S. 115, 15 von einer V e r w a n d t e n des Aeneas her.
7
) D a s Grabmal d e r s e l b e n erwähnt S t r a b o n o c h 1 , 2 , 1 3 , S. 2 3 und 1 , 2 , 1 8 , S. 26.
— 51 —
e ) L y c . V. 7 3 2 :
7i()d)j)j Ji xaC 770t* aviti avyyüvuiv Ot«
xoai'vtov ¿(Tiuarjq Moifionos vauuit/ictg
7i).ti)iritiOt k a [x 7/ a t)' o v%o v ivivvti ÖQOfxov
XQIJOFIOIS 7IIHRFOAI. Sv 710T* NVIRJAEI ÄTIOFF
Dieses alte Parthenope ist nun, wie mit richtigem Blicke von
N i e b u h r , R. G. I, S. 174, erkannt worden ist, keine andere Stadt
als die später — natürlich erst nach dem Aufkommen von Neapolis
— P a l a e o p o l i s genannte, die uns nur aus dem Berichte von
L i v i u s über den Neapolitanischen Krieg (VIII, 22 ff.) und aus den
Triumphen des Capitolinischen Marmors (Jahr d. St. 427) bekannt
ist, wobei der Umstand, dass nach dem Berichte des Lutatius
Neapolis nicht gleichzeitig mit dem alten Parthenope bestand, nicht
schwer ins Gewicht fällt; denn das Bestehen beider Städte neben
einander kann nach der genauen localen Schilderung des Livius
keinem Zweifel unterworfen sein"), und Palaeopolis scheint bald
nach dem Entstehen von Neapolis jegliche Bedeutung verloren zu
haben; Livius sagt ausdrücklich (cap. 26, 6) von Neapel: eo enim
deinde summa rei Graecorum venit"). Das nahe Verhältniss bei-
der Städte ist übrigens noch durch eine Notiz im l i b e r c o l o n i a -
rum (Grom. vet.) S. 235 bezeugt: Neapolis — a g e r e i u s P a r -
t h e n o p a e a G r a e c i s e s t in i u g e r i b u s a s s i g u a t u s , wo das
S i r e n a e , welches die Codd. vor Parthenopae bieten, ohne Frage
zu streichen ist; denn einer Gottheit gegenüber kann eine assignatio
in iugeribus nicht stattfinden.
Hierdurch gestaltet sich das Verhältniss des Namens der Stadt
zum Namen der Sirene Parthenope jedoch wesentlich anders, als
128, 26, P a n d o s i a 175, 2, K r o t o n 184, 31 — 39 mit Neapel, tab. 72, 11. 12.
14; ausserdem noch Münzen von C a p u a , besonders 6 9 , 19, T a r e n t (103,
— 54
7 — 1 6 , wo sich auch die von Eckliel auf die am Meere thätige Sirene bezo-
genen Fische neben demselben Haupte finden), Y e l i a , 136, 9 — 11, M e t a -
p o n t u m , 148, L o c r i , 189, 23.24, vor allen Dingen aber von N o l a , 83, deren
Uebereinstimmung mit dem Typus von Neapel Eckhel zu der Annahme bewog,
in dem Haupte derselben ebenfalls das Bild der Sirene zu erblicken, das von
dem' gemeinsamen Ursprung und der übereinstimmenden Bevölkerung beider
Städte herzuleiten wäre. Auch auf Münzen T e r i n a ' s findet sich ein ganz
ähnliches, ebenso allgemein zu deutendes Haupt (Car. 177 ff.), in welchem
E c k h e l , A v e l l i n o (a. a. 0 . ) und O a v e d o n i die mit Terina zusammenhan-
gende Sirene L i g e a erblicken.
u
) a. iäilbermünze der Sammlung Santangelo; A v e l l i n o , Rh. Mus. 1833,
S. 347, M ü l l e r - W i e s e l e r II, 59, 758.
b. c. d. Silbermünzen aus der Sammlung von Riccio, ins Neapler Museum
gekommen; B u l l . a r c h . N a p . 1853, tav. 4, 1 — 3, Q u a r a n t a , scoperta dell
antichissimo nome del Sebeto, Nap. 1853, 4°, M u s . B o r b . X V , 44, 1—3.
bc auf einem Kruge sitzend, d auf einer niedrigen S t e l e , b einen Zweig
haltend, die übrigen ein Kerykeion. A l l e vier entblössten Oberkörpers.
)s
) S. G e r h a r d , Abh. d. Berl. Akad., hist. pli. Cl„ 1839. Taf. III, 6. B i r c h ,
num. chron. V I I , S. 142, G e r h a r d , Etr. Sp. Taf. 41, 2. 4.
— 55 —
künstelter W e i s e e i n e n B e w e i s d a f ü r erblickte, d a s s d i e g e f l ü g e l t e n
nicht N i k e , s o n d e r n d i e Sirene L i g e a d a r s t e l l t e n ( ß h . Mus. S. 3 5 0 , 11);
ausserdem findet s i c h d i e s e l b e G e s t a l t d e r S i e g e s g ö t t i n , w e n n auch
bei w e i t e m nicht so häufig u n d o b w o h l nur s e l t e n , w i e in N e a p e l
u n d T e r i n a , sitzend n o c h a u f andern unteritalischen Münzen16).
Im G e g e n s a t z zu d i e s e n f ä l s c h l i c h für P a r t h e n o p e gehaltenen
Gestalten'") findet sich ein durch d i e Beischrift b e g l a u b i g t e s Bild
d e r s e l b e n , d e m g e w ö h n l i c h e n T y p u s d e r S c h u t z g o t t h e i t e n der S t ä d t e
e n t s p r e c h e n d , a u f einem Contorniat der S a n c l e m e n t i ' s c h e n S a m m l u n g
( M u s . S a n c l e m . nun), sei., I, p. 123), d a s trotz der s o n s t b e d e n k -
l i c h e n Autorität d i e s e r Münzen für sich s e l b s t zu s p r e c h e n scheint.
Dass aus der personifieilten Stadt Parthenope später eine
S i r e n e w u r d e , ist übrigens erklärlich.
,6
) Ausser den überaus häufigen Darstellungen einer einherfliegenden, die
Hauptpersonen krönenden Nike, selbständiger Bedeutung z. B. auf Münzen
von T e a n u m S i d i c i n u m , " C a l e s , C a p u a , T a r e u t , A s c u l u m , P e t e l i a ,
H i p p o n i u m , R u b i , C a e l i u m , der B r u t t i e r , der L u c a n e r (s. C a r e l l i ) .
Meistens hier freilich stehend oder schreitend oder einherfliegend (stehend
auch auf Terinäer Münzen, 177, 18. 19 Car., ebenda einherfliegend, 179, 57—
60); mit der sitzenden Bildung ist die sitzende E i r e n e einer l o k r i s c h e n
Münze, 189, 13 Car., zu vergleichen, vielleicht auch die Gestalt einer Münze
der foederati belli Marsici bei Car. 202, 34.
lr
) Bei dieser Gelegenheit möge bemerkt werden, dass auch ein auf
P a e s t u m bezügliches Monument fälschlich für eine Sirene ausgegeben wor-
den ist. Nach M u n t e r , Neapel und Sicilien, S.91, F e r r a r a , descriz. di un
viagg. a P e s t o (Nap. 1827), p. 28, und C l a r a c , V, p. 73, 1, soll sich über dem
Stadtthore desselben eine Sirene finden; jedoch beruht dies auf einem Irr-
thum; denn, wie aus T h . M a j o r , the ruins o f P a e s t u m , p l . I V . V., d e n r o v i n e
della cittä di P e s t o (Rom. 1784), p. 45, und D e l a g a r d e t t e , les ruines de
Paestum, p . 2 2 , erhellt, findet sich daselbst eine f i s c h l e i b i g e Gestalt. Die
weibliche Gestalt mit Vogelbeinen, Schweif und Schulterflügeln auf einer
P a e s t a n e r K u p f e r m ü n z e der Zalada'schen Sammlung, die von M i o n n e t ,
descr. des med., suppl. I, p. 310, n. 749, aus S e s t i n i , descr. num. vet. p. 19,
angeführt, und in den r o v i n e d i P e s t . , tav. 48, 23, abgebildet ist, muss frei-
lich als eine Sirene angesehen werden, doch lässt sich diese Münze nur mit
Vorsicht aufnehmen, da sie weder von Eckhel noch von Carelli erwähnt
wird.— Unter der „Sirene" einer Silbermünze von A l l i f a e in Samnium, die
M i o n n e t , suppl. I , p. 224, n. 190, anführt, ist, wie aus einer Vergleichung
mit n. 188 (abg. C a r e l l i 62, 11) und dem Schweigen Carelli's über den Typus
der Sirenen erhellt, vermuthlich irgend eine fischleibige Gestalt zu verstehen,
wie sich auch dieselbe irrige Bezeichnung für die den Sessel einer thronenden
Figur auf Münzen des Demetrios Soter stützende T r i t o n - a r t i g e Gestalt
bei S p an h e m. de usu et praest. num. I, p.252, und M i o n n e t , V, p. 43 ff. findet,
wie aus der Abbildung bei F r ö l i c h , annal. comp, regum et rerum Syriae
numis vet. illustr., tab. V I I I , 14, hervorgeht.
— 56 —
E s gab nämlich ausser den b e k a n n t e r e n Inseln des Tyrrheni-
schen M e e r e s , P l a n a s i a , P o n t i a , P a n d a t a r i a , P r o c h y t a , den Pithe-
k u s e n , Capri und den S i r e n u s e n , auch eine I n s e l P a r t h e n o p e ,
deren L a g e P t o l e m ä o s ( I I I , 1, S . 187, 16 Wilb.), der einzige wel-
cher sie erwähnt, auf 3 8 ° 2 0 ' L., 4 0 ° 4 5 ' B r . bestimmt. E s ist
durchaus b e g r e i f l i c h , dass diese Insel in späterer Zeit, ebenso wie
L e u k o s i a und L i g e a , den Sirenenmythos localisirte, so wie dass
man in Neapel die alte Stadtheroine leicht mit der in ihrem W e s e n
viel mehr Anziehendes darbietenden S i r e n e identificiren und das
Grabmal ersterer für das der letzteren halten k o n n t e , was um so
leichter geschehen mochte, wenn etwa zwischen der I n s e l P a r t h e -
nope und der gleichnamigen Stadt ein ähnliches Verhältniss der
Colonisation bestanden h a t , wie nach L i v i u s V I I I , 2 2 , 5 zwischen
der Insel Aenaria so wie den P i t h e k u s e n und Cumae. Doch sei
dem wie ihm wolle, die vermeintliche Sicherheit des Glaubens an
die Sirene Parthenope und deren Verehrung in N e a p e l , der übrigens,
w a s mit dem hier aufgestellten U r s p r ü n g e desselben vollkommen
tibereinstimmt, rein localer Natur w a r ( S t r a b o I, 2, 18, S . 2 6 ) , geht
a u f das Deutlichste daraus hervor, dass selbst ein so umsichtiger
F o r s c h e r wie Strabo ihn ohne B e d e n k e n als wohlbegründet annahm.
lieh als eine, in welcher die Etymologie eine grosse Rolle gespielt
hat, um so mehr, als der Name dieser Stadt auch in andrer Weise
erklärt wurde: Pausanias (X, 5, 5) leitet ihn von n z e g a g her 1 9 ).
Diesen Namen jedoch gerade in der Weise wie es die angeführte
Erzählung thut zu erklären, konnte bei der eigenthiimlichen Gestalt
der Sirenen nicht zu fern liegen. Die Zusammensetzung eines jung-
fräulichen Körpers mit Theilen eines Vogels Hess sich entweder
durch eine Verwandlung menschlicher Formen in thierische erklären
—• wie von Ovid geschehen, und schon von Apollonios angedeutet
war — oder, ganz entgegengesetzter Weise, dadurch, dass man, wie
es in der Entwickelung der Kunst vorgezeichnet war, ein stärkeres
Hervortreten menschlicher Formen an einem ursprünglich dem Vogel
näher stehenden Leibe annahm. In diesem Sinne bezeichnen schon
die Spottverse des A n a x i l a s (S. 41) die jener Zeit geläufigen Bilder
im Gegensatze zu älteren, wie wir sie z. B. auf Vasenbildern sehen,
als „gerupfte" Sirenen, ohne dass es nöthig wäre, hierbei schon
die spätere Erzählung vorauszusetzen. Wenn man sich jedoch fragte,
durch wen die Sirenen ihre Federn verloren hätten, so war es bei
dem Gegensätze zwischen Musen und Sirenen nicht zu fern liegend,
erstere als die Ursache zu bezeichnen, und ebenso natürlich, dass
dieses Ereigniss dann mit der Stadt A p t e r a in Verbindung ge-
bracht wurde, wo man zugleich den Moi^atlov genannten Ort und
die Inseln Leukai auf das leichteste aus demselben erklären konnte.
Allerdings könnte diese Verknüpfung der angeführten Erzählung
mit der älteren Anschauung des Volkes, wie Anaxilas sie ausspricht,
desshalb einiges Bedenken erregen, weil die Worte des Stephanos:
(.isza ztjv ev [lovotxfj vixrjv %üv Movoütv ai SeiQrjvsg dvatpoqoiaai
rot Titeqa rwv w^iiov aneßaXov ein V e r l i e r e n der Flügel,
nicht der Federn, zu bezeichnen scheinen, und auch die plastischen
Darstellungen dieses Kampfes uns ohne Ausnahme die Musen damit
beschäftigt zeigen, ihren Gegnerinnen die F l ü g e l zu entreissen.
Doch ergibt sich die richtige und ursprüngliche Anschauung
aus dem von'Stephanos selbst Bemerkten, dass die Sirenen nach
diesem Vorgange w e i s s werden, was aus dem Verluste der F l ü g e l
keineswegs folgt; auf dieselbe fuhren die Worte des E u s t a t h i o s ,
S. 201: ai de (ai Movaai) — uvaanioai mega (nicht Ta nteqa)
xwv SeiQrjvcüv, >]aav yciQ oQvt&ncpvElg ort 2eigrjveg, während die
Kunst begreiflicherweise die Darstellung des Entreissens der Flügel
1S
) Auch die Inseln M v z a i leitete nach Steph. Byz. eine andre Erklärung
von dem Namen des Kyrenäers G l a u k o s her.
— 59 —
für eine dankbarere Aufgabe hielt als die des Ausrupfens der
Federn.
Diese in Kreta jedenfalls a u s g e b i l d e t e Erzählung diente nun
in späterer Zeit dazu, die Federn auf dem Haupte der Musen zu
e r k l ä r e n " ) , die, wie aus einer Vergleichung anderer plastischer
Darstellungen und dem Relief, auf welchem die Musen schon bei
der Bestrafung der Sirenen diese Federn tragen, hervorgeht, jeden-
falls anderer Bedeutung und von C a s s i o d o r richtig als Bezeichnung
des h o h e n S c h w u n g e s i h r e r G e d a n k e n erklärt sind.
Dies ist die letzte bedeutendere That des antiken Geistes, durch
welche der Kreis von Mythen, die sich, ^um grössten Theil seit
alter Zeit, an die Sirenen anschlössen, erweitert wird. Denn die
Erzählung des P t o l e m ä o s H e p h a e s t i o n (bei P h o t . bibl. S. 184
Hoeschel, vgl. T z e t z . Lyc. 6 1 0 ) , dass die K e n t a u r e n auf der
Flucht vor Herakles d u r c h d i e S i r e n e n u m g e k o m m e n wären,
ist eine der vielen Erfindungen dieses Schriftstellers, die ebenso-
wenig Berücksichtigung verdient wie die, dass die Sirenen den
T e l e m a c h g e t ö d t e t hätten ( P h o t . S. 489). Trotzdem dass sie sich
auf einen Vers des L y k o p h r o n stützt (s. Phot. S. 488), der unter
den Gefahren des Odysseus eine arjöcov atsioa xsvravQoxTovog
erwähnt (v. 670). Denn dieses Beiwort ist vermuthlich nichts als
eine geschmacklose Bezeichnung der Allgewalt der Sirenen, die
selbst so starke und wilde W e s e n , wie die Kentauren es sind, zu
bezwingen vermögen 2 1 ). Später wurde dieses Beiwort leicht die
Veranlassung zu einer neuen und völlig werthlosen .Erzählung ! 2 ).
Im Uebrigen hat das spätere Alterthum, die nachalexandrini-
sche griechische und die römische Poesie, letztere mit alleiniger
Ausnahme der Tragoedie Hercules Oetaeus (v. 191, vgl. S. 38), sich
Ankäos richtet das Steuer g e r a d e auf die Klippe hin und hätte sie
ins Verderben geführt, wenn nicht Orpheus die Leyer ergriffen und
einen Gesang erhoben hätte. Vor seinen Weisen verstummen die
der Sirenen; sie werfen Leyer und Flöten von sich, stürzen sich
ins Meer, und werden hier in Felsen verwandelt.
Wir haben in diesen Versen den bekannten Zug, dass die Si-
renen dem Tode verfallen sind, sobald ein Schiff ohne ihnen zu
folgen an ihnen vorüberfährt; andrerseits, wie bei A p o l l o n i o s dem
Rhodier und auch bei S e n . Med. 356 ff., die Dichtung, dass die
Rettung für die Argonauten dadurch gewonnen wird, dass der Ge-
sang des Orpheus den der Sirenen übertönt, worin ähnlich wie in
dem Kampfe mit den Musen ein Gegensatz zwischen heilbringen-
den und verderblichen singenden Wesen ausgesprochen ist. Die
Ueberwundenen werden jedoch nicht nach verschiedenen Punkten
der italischen Küste getrieben um daselbst bestattet zu werden,
sondern sie werden, ähnlich der Kretensischen Sage (S. 57), in
Klippen verwandelt.
Wichtiger ist es, dass den Sirenen in diesem Gedichte eine
[lOQcprj vTcegonlog verliehen wird. Derselben A u f f a s s u n g , dem
n o t w e n d i g e n Abschluss der stetig fortschreitenden Weiterentwick-
lung ihrer F o r m e n , begegnen wir in Darstellungen der späteren
Kunst auf den Sarkophagreliefs, welche drei schöne weibliche Ge-
stalten auf einer Klippe sitzend und die Doppelflöte, die Lyra und
die Syrinx spielend zeigen.
So schliesst die Entwickelung der Sirenen auf klassischem
Boden mit der Gestalt, die wir uns, wenn wir einer vorgefassten
Meinung und nicht einer unbefangenen Betrachtung der vorliegen-
den Thatsachen folgen, auch als die ursprüngliche vorzustellen ge-
neigt sind. Und kein W u n d e r ; denn unserem von der Tradition
beherrschten Gefühl liegt es nahe, in ihnen ähnlich wie das Clau-
dianische Gedicht zunächst Schrecknisse des Meeres zu erblicken,
deren Gesang den Schiffer „mit wildem W e h " erfüllt, und ihn halb
widpr seinen Willen in die lockende Tiefe hinabzieht. Ebenso
natürlich verbindet sich mit dieser Vorstellung der Begriff hin-
reissender Schönheit, so dass es uns Wunder nehmen muss, dass
das Alterthum, dem sie schon verhältnissmässig früh nur als ver-
derbliche Dämonen der See erschienen, die erotischen Beziehungen
derselben erst so spät hervortreten lässt. Denn erst ein Epigramm
des H e d y l o s oder A s k l e p i a d e s (Anth. Pal. V, 161), in wel-
chem habgierige Hetären den Menschen feindlicher als Sirenen
genannt werden:
— 62 —
20
) Dieselben verschiedenen Ansichten bei T z e t z . Lyc. 712.
") Ebenso versetzt sie s c h o l . « 35 V H Q T tls ity Tunijrjvlnv, vgl. S t a t .
silv. V, 3, 82, E u d o c . S. 81.
— 64 —
Diese Annahme, dass die Sirenen in den s i c i l i s c h - i t a l i -
s c h e n G e w ä s s e r n ihren Zauber ausgeübt hätten, ist seitdem die
herrschende geblieben, indem bald das pelorische Vorgebirge ! 8 )
Siciliens, bald das der Athene bei Surrentum t'jy, bald die vor dem-
selben liegenden Sireneninseln 3 "), bald die Insel Capri 3 1 ) bestimm-
ter hervorgehoben wurden.
Auch die A r t u n d W e i s e d e r v e r d e r b l i c h e n W i r k u n g
der Sirenen wurde in den Kreis der Untersuchungen gezogen. Dass
eine Art von Interpretation derselben, wenn auch eine nur dürftige,
in dem - Trjxsdivi cpitiviittovaai des A p o l l o n i o s v o n R h o d o s (IV,
901) ausgesprochen liegt, ist bereits hervorgehoben (S. 4). Dieser
war die des B y z a n t i n e r s A r i s t o p h a n e s nahe verwandt, der
nach s c h o l . ¿t 43 Q behauptete, die den Gesang der Sirenen Hö-
renden kämen um xaTctrq>co[.ievov<; Tß mdf[ X A I alcpvidiiog S K X E L -
novTag, während A r i s t a r c h o s den Grund ihres Verderbens in
dem Mangel an Lebensmitteln erblickte (schol. a. a. 0.), eine Auf-
fassung, welche noch platter ist als die bei A t h e n . VII, S. 290 E,
nach welcher die von den Sirenen Gefesselten durch die Lust des
Hörens der Nahrung gänzlich vergässen. In ähnlich natürlicher
Weise hatte schon P l a t o 3 2 ) das Verderben dadurch zu erklären
versucht, dass der Gesang der Sirenen die Verlockten bis zu ihrem
Tode an Ort und Stelle fesselte. D a g e g e n liessen andere sie
S c h i f f b r u c h b e r e i t e n 3 ' ) oder gar, um die Geschmacklosigkeit
auf die Spitze zu treiben, die ihnen Folgenden verzehren J 4 ).
Auch die N a m e n der Sirenen, die wir schon in der Schrift
negi &avf.iaaUüv Gxovo/ndiiüv finden, sind ohne Zweifel in der
alexandrinischen Zeit Gegenstand der Untersuchung gewesen, aus
welcher noch s c h o l . ¡.t 39 H. Q. T. und E u s t . S. 1709, 4f>, welche
auch die beiden homerischen Sirenen, A g l a o p h e m e u n c l T h e l x i e -
p e i a , benennen, auf uns gekommen sind. Ebenso sind die Be-
merkungen 3 ') Uber die Abweichung späterer Zeit von Homer in
28
) C l a u d . E. P. I I I , 2 5 5 , vgl. A u s o n . id. 11, 20: tres in T r i n a c r i a
Siredones. (Sen.) H c r c . O e t . 190: Rle vel S i c u l i s addite s a x i s , ubi fata
gemam Tliessala Siren.
29 30
) P l i n . H N . III, 9. ) P o m p . M e l . II, 4, 9.
31
) S e r v . Verg. A e n . V, 863.
32
) Gonv. S . 2 1 6 A , vgl. G e l l . X V I , 8 extr. S u i d . Zt
33
) S e r v . V e r g . A e n . V, 863. I s i d o r . Orig. XI, 3, 30. 31.
**) s c h o l . « 1 8 4 Q, vgl. D i o C h r y s . 3 2 , S.676, T e r t u l l . Apol. 7: c r u e n t a
Sirenum o r a . — Eine mittelalterliche Darstellung lässt die Sirenen die Schiffer
ermorden und dann ins Meer werfen, s. P i p e r , Myth. d. ehr. K. I, S. 387.
s c h u l , u 39 V H Q T , vgl. E u s t . Dion. Per. 358.
— 65 —
30
) z . B . L u c . dorn. 13, A t h e n . V i t , S. 290 E .
37
) s. am E n d e des urcli. T h .
3B
) S u i d . S a p i j v n i ; die letzte E r k l ä r u n g auch bei B a s i 1 i n s zu J e s . 13, 21.
39
) C y r i l l . A l e x , in Mich. 1 , 8 , vgl. s e h o l . « 39 B.
41
•">) S u i d . a. a. 0 . ) S u i d . a. a. 0 . E u s ' t . S. 1709, 37.
«) E u s t . S. 1709, 35.
43
) -s c h o 1. u 39 B. E u s t. S. 1707,42. T z e t z. L y c . 653. P u 1 g e n t. myth. 11,11.
Selirailer, liegriil' d . S i r e n e n . Fj
— 66 —
44
) s c h o l . ,« 160 Q, E u s t . S. 1708, 25, A t h e n . I, S. 14 D.
Die Sirenen in der alten Kunst.
5*
J J i e uns aus dem Gebiete der alten Kunst erhaltenen Dar-
stellungen der Sirenen zeigen uns dieselben wesentlich von einem
dreifachen Gesichtspuncte aus, als in gewissen M y t h e n t h ä t i g e
W e s e n , als S y m b o l e d e r T o d t e n k l a g e und vereinzelt auch als
d u r c h i h r e n G e s a n g b e g e i s t e r n d e Gestalten. Neben diesen
scharf gesonderten Gruppen, die ihren gemeinsamen Hintergrund
in der im Vorhergehenden erörterten Grundbedeutung haben, findet
sich noch von den ältesten bis in die spätesten Zeiten eine grosse
Zahl von Figuren, deren äussere Erscheinung die der Sirenen ist,
die jedoch so sehr des Zusammenhanges mit einem grösseren Gan-
zen oder einer bestimmten Charakteristik entbehren, dass sie sich
keiner Gruppe unterordnen, u n d , wenn man sie auch in vielen
Fällen als Sirenen zu bezeichnen berechtigt ist, für wenig mehr als
Ornamente zu halten sind. Auch die allen diesen Wesen verliehene
Gestalt ist im wesentlichen eine dreifache: bald, und dies ist die
älteste, sind es V ö g e l m i t w e i b l i c h e m H a u p t e , bald w e i b l i c h e
G e s t a l t e n mit den B e i n e n und F ü s s e n , zum Theil auch den
F l ü g e l n und dem S c h w e i f e i n e s V o g e l s ; daneben auch, wenn
auch seltener und eist in später Zeit, l a n g b e k l e i d e t e W e i b e r
ohne irgend welche Spur nicht menschlicher Theile.
I.
') Die nach H e y n e , prisc. artis op. Cpoli exst. (Commeut. soc. Gotting.
XI), p. 31, zu Constantinopel befindlichen 12 Sirenen auf Porphyr-Säulen waren,
wie aus C o d i n . de sign, p . 6 7 , 1 9 ed. Bonn., Anon. o r i g . C p o l i t . I, 39 ( B a n d u r .
III, p. 14) und e n a r r . c h r o n . 242 ( B a n d . III, p. 73) erhellt, f i s c h leibige Ge-
stalten.
2
) Vermuthlich identisch mit dem von v. S t a c b e l b e r g , Gr. d. Hell., S. 13,
erwähnten Gemälde aus Herculanum. — C l a r a c V , S. 73, 1, erwähnt ein an-
tikes Gemälde der Neapler Sammlung, auf dem sich die Sirenen ins Meer
stürzen, wovon jedoch weder bei Gerhard und P a n o f k a noch bei Jorio etwas
erwähnt ist.
— 71 —
C. D i e S i r e n e n a l s w e i b l i c h e G e s t a l t e n in l a n g e n
Gewändern.
S. Sarkophag-Relief bei G o r i , inscr. etr. I, S. VII, auch als Titel-
Vign. zu dessen mus. etr. und mus. Guarnacci.
T. Desgleichen bei G o r i , mus. etr. I, 147, 2.
U. Desgleichen, abg. T i s c h b e i n , Homer nach Ant., Hft. 2, Bl. 6.
M ü l l e r - W i e s e l e r II, 59, 757.
Diese drei in Florenz, S zu Gori's Zeit im Pal. Nicolini, T im
Pal. Buonarroti. Nach M i c h a e l i s , Denkm. u. Forsch. 1864, S. 123,
5, noch eine entsprechende Darstellung in den Uffizj.
V. Sarkophag-Relief bei G o r i , mus. etr. I, 147, 1.
W. Desgl. bei R. Roch., mon. inéd., LXI, 1. I n g h i r a m i III, 101.
Beide in Volterra, wo sich nach M i c h a e l i s a. a. 0 . derselbe
Gegenstand mehrfach dargestellt findet (vgl. S c h o r n , 2. Jahresber.
d. bayr. Akad., S. 65).
X. Sarkophag-Relief bei I n g h i r a m i 111,97. O v e r b e c k I, 32, 14.
Nach R. Roch., S. 376, sind S — W in Volterra gefunden, X,
nach I n g h i r a m i , ebenfalls.
Y. Relief eines Alabaster-Sarkophags aus dem Besitze der Kai-
serin Josephine, dann Pourtalès'schen Besitzes, beschr. von
D u b o i s , cat. Pourt. S. 3, 10.
— 73 —
7
) Das Fragment N zeigt die eine Sirene ohne Instrument, die andere
mit L y r a und P l e k t r o n . Die E i n e Sirene des Mosaiks P hat eine Lyra.
8
) V o n Y i s t f r e i l i e h n u r b e k a n n t , w a s D u b o i s b e m e r k t : qui jouent de
diverses 'nmtrumerHn.
Dieselbe findet sich a u c h s o n s t : z. B. S. 81.
,0
) HKLMNOQR; LO sind zwei bekleidet, die dritte nicht, u m g e k e h r t
R n u r e i n e von d r e i e n bekleidet.
" ) Vgl. den historischen Rückblick.
- 77 —
Gestalten d i e s e r Art sehen wir in der dritten Gruppe vor uns,
deren Monumente so sehr in ihrer Anlage und in allen Einzelheiten
übereinstimmen — es siad regelmässig drei lang bekleidete weib-
liche Gestalten mit Syrinx, Lyrq, und Flöten, auf einer Klippe sitzend,
in deren unmittelbarer Nähe sich das Schiff des Odysseus befin-
det —, dass man sie für fast mechanische, sich nur leise Variationen
gestattende Wiederholungen eines und desselben Originals zu halten
hat, dessen Entstehung, ob griechisch, ob selbst etruskisch, sich bei
dem Mangel anderer, auch anderen Zeiten angehöriger, zusammen-
hangender Darstellungen der Sirenen auf etruskischem Boden '*)
freilich nicht bestimmen lässt.
12
) D a s G e b i e t der etruskischen K u n s t h a t ausser einigen V ö g e l n mit
weiblichem H a u p t e (s. Anm. 57) mehrfach, b e s o n d e r s als Ornamente an Spie-
geln, Cisten, Schmucksachen u. s. w., e i g e n t ü m l i c h e weibliche Gestalten auf-
zuweisen, an die sich unmittelbar, etwas unterhalb der Brust, ein k u r z e r und
breiter, perpendicular nach unten gerichteter S c h w e i f e i n e s Vogels a n s c h l i e s s t ;
d i e , nur f e h l e n d e n , F l ü g e l sind entweder in der Z w e i - {aßß1ß,iSlai.) oder
V i e r z a h l (j'JJ'Sfi) vorhanden und ohne A u s n a h m e nach den Seiten hin aus-
g e b r e i t e t . A u s s e r den sich b e s t ä n d i g findenden menschlichen A r m e n sind
m e i s t e n s Beine und P ü s s e eines Vogels s i c h t b a r , die entweder seitwärts (n)
oder an den L e i b angezogen und hier emporgerichtet sind (ytifj), wodurch die
F i g u r , von unten gesehen, in der Bewegung des F l i e g e n s zu sein schien.
G e s t a l t e n dieser A r t , die j e d o c h weder durch irgend eine E i g e n t ü m l i c h -
keit noch durch ein A t t r i b u t als S i r e n e n charakterisirt sind, sind f o l g e n d e :
«. F i g u r an der Mündung eines etr. Spiegels, in j e d e r H a n d eine Schlange
haltend, abg. G e r h a r d , etr. Sp. 217.
ß. Spiegelmiindung bei W i n c k e l m a n n , mon. in. 156.
ßl. E t r u s k . Spiegel der K a i s , russischen Sammlung, abg. G o r i , inscr. etr. I,
16. H . M e i e r , Gesch. d. K u n s t , Taf. 2. G e r h a r d , etr. Sp. 395.
ß2. G e s t a l t am Griffe eines etr. Spiegels, abg. I n g h i r a m i , mon. E t r . II, 1,
p. 153 f. G e r h a r d , etr. Sp. 30, 2.
y. V e r z i e r u n g des H e n k e l s eines etr. G e f ä s s e s , in j e d e r H a n d das E n d e
d e r vom H a u p t herabfallenden Binde haltend, abg. C a y l u s , rec. V, 47,
und genauer L e n o r m a n t , Ann. V I , S. 244, 1.
ä. F i g u r an j e d e m E n d e eines Vulcenter H a l s b a n d s , das Schloss bildend,
abg. M o n . I n s t ; II, 7.
<J'. V u l c e n t e r H a l s b a n d F e j e r v a r y ' s c h e n Besitzes. I m äusseren K r e i s e 8 Ge-
stalten mit 4 Flügeln, im inneren 7 e n t s p r e c h e n d e mit 2 Flügeln (die Schul-
terflügel fehlen). A b g . M o n . A n n . e B u l l . 1854, S. 94.
f. A c h t Figuren an der unteren Seite des L e u c h t e r s von Cortona, mit acht
s i t z e n d e n , Syrinx und Doppelflöte blasenden Satyrn a b w e c h s e l n d , abg.
M i c a l i , ined. I X . X. M o n . I n s t . III, 41. 42.
V i e r einer p r a e n e s t i n i s c h e n Cista des Musée N a p o l é o n I I I . als V e r z i e -
r u n g dienende F i g u r e n in Relief. D e r K ö r p e r endigt nach unten zu in
einen s c h e i b e n f ö r m i g e n , mit zwei K r e u z e n versehenen G e g e n s t a n d , der
— 78 —
" ) B e s o n d e r s zu b e a c h t e n i s t in dieser B e z i e h u n g d a s V a s e n b i l d A , d a s
d a s Schiff a u s s e r mit dem gewöhnlichen A u g e noch mit einer am f l i n t e r t h e i l
desselben ausgebreiteten Binde schmückt; ferner sind die hier n a c k t gebil-
deten I n s a s s e n desselben bekränzt.
lä ) D i e hierher g e h ö r i g e n E i n z e l h e i t e n sind nicht oder nur ungenügend
b e k a n n t von C H J R Y Z und Z Z d .
— 80 —
Lampenreliefs u. dgl. (ad), auch nur Ein Ruderer findet; auf der Schale
B ist Odysseus sogar in dem einen Schiffe allein. Das Mittel, durch
welches das Epos das Gehör der Schiffer verschliesst, liess sich
natürlich in der Plastik nicht wiedergeben, und die meisten Dar-
stellungen haben mit richtigem Tacte völlig auf ein solches äusseres
Zeichen verzichtet; nur auf dem Relief L sehen wir, ebenso wie
auf der Lampe von Canterbury, den Steuermann sich das Ohr zu-
halten, indess der Fabrikant der etruskischen Reliefs W X es vorzog,
dasselbe durch breite, um die Ohren der Mannschaft gelegte Tücher
anzudeuten.
Andrerseits fehlt es jedoch auch nicht an Darstellungen, die
im Gegensatze zu dem Vasenbilde A und dem Terra-Cotta Relief
M, die das angestrengte Rudern der Mannschaft (/.i 194) besonders
deutlich hervorheben, auch die Gefährten des Odysseus von den
Weisen der Sirenen beeinflusst zeigen, so dass sie das Schiff seinem
Schicksal überlassen. Ausser dem Mosaike P, wo einer der beiden
Ruderer das Ruder fahren lässt, gehören alle Darstellungen dieser
Art der dritten Gruppe an, deren Reliefs U W X , vielleicht auch S,
alle mit dem Rudern aufhören lassen, ein an und für sich nicht
ungeschickt gewählter Ausdruck für die Wirkung des Sirenenge-
sanges, den auch die orphische Argonautik für das Abenteuer der
Argonauten verwendet hat (v. 1278), wodurch jedoch, wenn man
genau sein wollte, für Odysseus ein glücklicher Ausgang der Ge-
fahr, in der er sich befindet, unmöglich wird.
Von geringerer Bedeutung ist es, dass, während Homer in der
Nähe der Sirenen völlige Windstille herrschen lässt, zwei der er-
wähnten Monumente (IP), ähnlich wie das Gedicht des Claudian,
das Schiff durch ein vom Winde geschwelltes Segel fortbewegt
werden lassen.
Was die C o m p o s i t i o n d e s G a n z e n betrifft, so ist die für
den meistens beschränkten Raum vorhandene Schwierigkeit, das
Schiff des Odysseus nicht so nahe an die Insel zu bringen, dass
es als im Begriffe zu landen erscheinen muss, wie dies besonders
MR der Fall ist, wo es auf die Insel zufährt, am glücklichsten
von dem Vasenbilde A und dem Wandgemälde D vermieden, wel-
che dasselbe zwischen den liier hoch gehaltenen Felsen hindurch-
fahren lassen, sodann von dem Mosaik P, das es beträchtlich in
den Vordergrund der Insel und in die Nähe des Wracks stellt, das
der Sirene als Aufenthalt dient; weniger glücklich erheben die
Lampe 0 und der Carneol Q die Sirenen hoch über das Schiff,
gleichsam in die Luft. Auf den meisten Monumenten befindet sich
— 81 —
10
) Aehnlich das Terra-Cotta Relief bei Campana, op. ant. in plast. tav. CXI
(vgl. S. 97 f ) , wo jedoch statt der langen Bekleidung nur ein Schurz vor-
handen ist.
S i ' j i r a i l u r , Itcyrill' it. S i r e n e n . (j
— 82 —
Von dem Mythos vom Kampfe der Sirenen und Musen, der
sich erst in der Zeit des Pausanias nachweisen lässt, ist uns auch
nur eine sehr beschränkte Anzahl von Darstellungen erhalten, nicht
einmal alle im Original:
A. Relief eines Sarkophags in den Uffizi in Florenz, abg. G o r i ,
inscr. etr. tab. :Y2 (daselbst irrthiimlich als eine Darstellung
des Kampfes der P i e r i d e n und der Musen erklärt). M i l l i n -
g e n , stat., busts etc., pl. X V . M t i l l e r - W i e s e l e r 1 1 , 0 9 , 7 0 0 .
B. Relief, abg. bei M i l i i n , gal. myth. 19, G;i. D u m e r s a n , notice
des mon. exposés dans le cab. des méd., pl. III (bei C l i a -
b o u i l l e t nicht verzeichnet). Wie es scheint, Fragment.
C. Copie eines Fragments aus casa Odam in Rom; das Original
schon zu Winckelinann's Zeit nicht mehr vorhanden. Abg.
W i n c k e l m a n n , mon. ined. 4G.
C l a r a c , V, S. 7,'i, 1, führt noch ein Wiener B a s - R e l i e f dessel-
ben Gegenstandes an, das indess im Catalog von v. S a c k e n und
K e n n e r (18G6) nicht erwähnt wird.
Der Umfang dieser drei Reliefs ist ein sehr verschiedener;
denn während die beiden letzteren nur die S t r a f e der Sirenen dar-
stellen (C ist nur Eine Sirene und Eine Muse, B sind zwei Sirenen
und drei Musen vorhanden), enthält das figurenreiche Relief A den
K a m p f u n d d i e L S e s t r a f u n g derselben zugleich. Vor den Augen
des zur Linken der Darstellung zwischen den ihm zur Seite stehen-
den Göttinnen Hera und Athene thronenden Zeus vollzieht sich beides
in einer Zusammenstellung, die keine geschickte genannt zu wer-
den verdient, insofern die neun Musen nur einmal vorhanden sind,
die drei Sirenen dagegen zweimal, erst, den Göttern zunächst, als
— 83 —
n
) i i yeto <)'FF" T ^ttniji'tts Ifyt-iv, i» R fit i n Tirtnöt' ¿ril j o ü ¡it t - 1 iu j i o v
{ ¡ ¿ u u u o i } ' t t i v i x r] a a n a i ;
1B
) h lM o v n m ytsrjriunui uikojth'u xotg uuiiiiv nitouts t o 1 1 (f 1 1 V 1 0 11 IJ n ti r •
o ') f- r y. a ) ( t ' i y ' j i'. tf o v f i a i t( t M o u a t t i ?r t ff u l u { / o u o c. t Tjit-yu.
") Iiis (Musis) levium penuarnm acumina ideo in fronte pinguntur, q u o -
niam carum s e n s n s c e l e r i c o g i t a t i o n e s u b v e c t u s res a t t i s s i m a s
intuetur.
so
) Auf einem aus Arles stammenden Prometheus-Sarkophage des Louvre
(abg. M i l i i n , voy. pl. 65, 2. C l a r a c 216, 768) uud dem die Strafe des Ly-
kurgos darstellenden Relief der Villa Borghese iu Rom (abg. Z o e g a , Abh.
Taf. 1,1. G r e u z e r, Abb. z. Symb. Taf. VI, 1. M ü 11 e r - W i e s e 1 e r II, 37, 441).
— 85 —
keineswegs seltne 2 ') Attribut der Musen mit dem hier behandelten
Mythos schlechterdings in keinem Zusammenhange steht; es ist
vielmehr in ähnlichem Sinne aufzufassen wie die in poetischer llede
bisweilen erwähnten 22 ), in plastischen Darstellungen jedoch nicht
nachweislichen") F l ü g e l dieser Göttinnen.
2I
) D a bei S t a t u e n d i e W a h r s c h e i n l i c h k e i t , d a s s sich so z e r b r e c h l i c h e
G e g e n s t ä n d e auf d e m H a u p t e e r h a l t e n h a b e n s o l l t e n , k e i n e g r o s s e i s t , und
d i e A b b i l d u n g e n n u r in s e l t e n e n F ä l l e n d a s R e s t a u r i r t e von dem A n t i k e n zu
u n t e r s c h e i d e n g e s t a t t e n , m ö g e n hier n u r R e l i e f s d i e s e r A r t a n g e f ü h r t w e r d e n :
i>. S a r k o p h a g - R e l i e f d e s P a l . B a r b e r i n i in R o m , W i n c k e l m a n n , 111011.
ined. p. 56.
fl. S a r k o p h a g - D e c k e l d e s P i o - C l e m e n t i n . , B e s c h r . R o m s 1 1 , 2 , S. 123.
y. S a r k o p h a g im P a l . D o r i a in R o m ( A p o l l o n u n d M a r s y a s ) , a b g . G e r h a r d ,
A . B. L X X X Y , 1.
<)'. Zwei M a r m o r p l a t t e n d e r V i l l a B o r g h e s e in R o m , v e r m u t h l i c h einem u n d
d e m s e l b e n S a r k o p h a g a n g e h ö r e n d , B e s c h r . R. I I I , 3, 255.
f. Relief im P a l . N e r i in F l o r e n z , a b g . D o n i i i n s c r . e d . Gori, p. V .
i\ Relief a u s S a r d i n i e n , im königl. S c h l o s s e von A g l i e in P i e m o n t , a b g .
d e l l a M a r m o r a , viagg. dell. S a v d e g n a , tav. 35, 33.
rj. Relief d e s Y e r o n e s e r M u s e u m s , a b g . m u s . Y e r o n . 93, 1.
:>. S a r k o p h a g - R e l i e f in Berlin, a b g . A r c h . Z e i t . I, T a f . V I .
i. S a r k o p h a g - R e l i e f d e r M ü n c h e n e r G l y p t o t h e k , G a t . d. J . 1861, n. 188.
x. S a r k o p h a g - R e l i e f d e s L o u v r e , a b g . M u s . G a p . I V , S. 127. P i o - O l e i n .
I, tav. B. G l a r a c 207, 45.
i. B o r g h e s e ' s c h e s S a r k o p h a g - R e l i e f d e s L o u v r e ( S t r a f e des Marsyas). D i e
Musen n e b e n den F e d e r n mit k l e i n e n Fitigeln im H a a r . A b g . W i n c k u l -
i n a n n , mon. ined. 42. B o u i l l o n I I I , 34. G l a r a c , pl. 123. M ü l l e r -
W i e s e l e r I I , 14, 152.
¡u. F r a g m e n t e i n e s S a r k o p h a g s in M o n t p e l l i e r ( H o m e r z w i s c h e n zwei M u s e n ) ,
a b g . M i l i i n , voy. pl. 72, 7, g'al. m y t h . 131 •>, 547.
)'. Relief d e r L a n s d o w n ' s c h e n S a m m l u n g , abg. C ' a v a c e p p i , r a c c . I I , 58, 1.
f. Zwei M u s e n u u t c r a n d e r e n auf einem M u s e n - S a r k o p h a g e , a b g . G a l . G i u s t .
I I , 114.
o. TT. Zwei R e l i e f - D a r s t e l l u n g e n d e r M e l p o m e n e , u n b e k a n n t e r H e r k u n f t , a b g .
S p o n , miscell. I I , 9, p. 46. M o n t f a u c o n I, 6 1 , 2 , 3 .
P o r p h y r , a b s t . III, 16. H i n t e r , ur. 14, 37.
•s) O . J a h n , a r c h . B e i t r . S. 101, 28.
II.
zu z ä h l e n , iiber d i e N ä h e r e s n i c h t b e k a n n t ist. S c h w e r l i c h d ü r f t e d a g e g e n
h i e r h e r g e h ö r e n eine ans s c h w a r z e i n M a n n o r g e b i l d e t e „ S i r e n e " d e r S a m m -
l u n g des T h e s e u m s ( S a l i n a s , S. 368, 1), die P e r v a u o g l u (S. 80, 5) s c h i l d e r t
a l s „rückioärts an einen viereckigen Pfeiler gelehnt, mit Stirnkrone, Flügeln und
Vogelklauen; nie setzt ihre Iiiauen auf einen menschlichen Kopf" Denn selbst
w e n n wir die S i r e n e n auf G r ä b e r n a l s in den T o d l o c k e n d e W e s e n a u f f a s s t e n ,
w ü r d e d a s m e n s c h l i c h e H a u p t in d e n Ivlauen e i n e s s o l c h e n so s e h r g e g e n
d e n s o n s t h e r v o r t r e t e n d e n C h a r a k t e r l a n g s a m e r und a l l m ä h l i c h e r , w e n n a u c h
u n w i d e r s t e h l i c h e r , A n z i e h u n g V e r s t ö s s e n , d a s s nur d e r A u s w e g ü b r i g b l i e b e ,
in dem H a u p t e e i n e , freilich schleicht g e w ä h l t e , s y m b o l i s c h e A n d e u t u n g d e s
T o d e s zu e r b l i c k e n , ohne d a s s die S i r e n e g e r a d e als U r h e b e r i n d e s s e l b e n er-
s c h i e n e . D o c h s c h e i n t es r a t h s a m , n i c h t allein m i t P e r v a n o g l u an d e r sepiil-
c r a l e n B e d e u t u n g d i e s e s B i l d e s zu zweifeln, s o n d e r n in d e m s e l b e n ü b e r h a u p t
k e i n e S i r e n e , v i e l m e h r eine H . i r p y i e zu e r b l i c k e n , vgl. w. u. Demselben
K r e i s e s c h e i n t a u c h das h i e r e b e n f a l l s ü b e r g a n g e n e , obwohl dem T y p u s d e r
aufgeführten Monumente entsprechende l y k i s c h e R e l i e f anzugehören, das
von B r u n n , A n n . X V I , S. 150, p u b l i c i r t und b e r e i t s mit dem X a n t h i s c h e n
Harpyienmonumente verglichen worden ist.
— 89 —
25
) D sind die Sclienkcl gefiedert, vgl. S. 83.
26
) R b e i e i n e r der beiden Sirenen, der andern fehlt er. — U e b r i g e n s sind
E i n z e l h e i t e n nicht oder nur u n g e n ü g e n d b e k a n n t v o n : EFGH'KL.
— 90 —
hinzutreten. Daneben findet sich auch die seltnere Bildung einer
bis auf die Vogelfüsse vollkommen menschlich gearteten Gestalt,
bei der den nicht menschlichen Elementen jedoch durch Schweif
und Flügel ein Gegengewicht gegeben ist ( H I ) ; ja, das Veroneser
Relief (Q) zeigt uns sogar die sonst nicht nachweisliche Vereini-
gung rein weiblicher Formen mit dem Schweif und den Flügeln
eines Vogels.
Als Darstellungen mehr monumentalen Charakters als die dem
Kreise der Mythen angehörigen lassen diese Bilder natürlich in den
Einzelheiten der Theile wie der Ausschmückung mehr E i g e n t ü m -
liches hervortreten. Die Flügel sind von auffallender Mächtigkeit
und reichen mitunter ( D ' O l ; D restaurirt) bis auf den Boden; das
H a a r wallt lang Uber den Nacken hinab ( B C D D ' H ) oder fällt, wie
auch sonst schon bemerkt (S. 74) in zwei langen und schmalen
Streifen hinter den Ohren bis auf die Brust ( A B C G I ) . Der M o d i u s ,
den sie auf den Reliefs HM t r a g e n , lässt sich mit ihrer ursprüng-
lich chthonischen Bedeutung in Einklang bringen. Sie sind säinmt-
lich, dem Charakter der Doppelgestalt ihres Körpers entsprechend,
unbekleidet.
Meistens ist in diesem sepulcralen Sinne nur j e Eine Sirene
verwendet worden; nur Einmal findet sich die Zweizahl (M), ähnlich
an den Seitenflächen der Candelaber-Basen des römischen Grabsteins
R und an j e d e r Seite der Vorderfläche der römischen Graburne S
j e eins dieser Wesen; die Dreizahl ist bis jetzt durch kein Beispiel
belegt, was vermuthlich für Zufall zu halten ist. Von ungleich
grösserer Wichtigkeit ist der Ausdruck, der ihnen auf diesen Grab-
monumenten verliehen ist, der uns einen schätzenswerthen Anhalt
für die Erkenntniss der dieser Ausschmückung der Gräber zu Grunde
liegenden Idee darbietet. Es sind, zum grossen Theil deutlich cha-
rakterisirt, die negidaxQveg ^EIQ^VIOV Ac?£g eidälifioi des
Mnasalkas, die wir oben aus den klagenden Sängerinnen des
H a d e s , wie sie z. B. bei Euripides erscheinen, abgeleitet haben,
nicht ein Symbol des Todes, sondern die verkörperte T o d t e n k l a g e .
So sehen wir eine Sirene mit ausdrucksvoller Miene des Schmerzes
die Hand zur Andeutung des x n n r e o ü a i auf die Brust legen ( G H I ) ,
oder, um der Klage einen noch lebhafteren Ausdruck zu verleihen,
sich das Haar raufen (NO. — D D ' ist beides vereinigt). Wenn wir
daher auf einem andern Relief (E) den Ausdruck der Klage in
zwei weinende und sich das Haar ausraufende, knieende Klageweiber
gelegt erblicken, so werden wir die in ihrer Mitte zur Lyra singend,
Sirene ebenfalls als eine Sängerin des Threnos aufzufassen haben
— 91 —
3|
) N a c h der ausführlicherem S c h i l d e r u n g .Schorns; anders Millingen.
32
) 2. Jahresber. d. bayr. A k a d .
- 94 —
Ursprünglichkeit bewahrt finden, so darf es uns andrerseits nicht
Wunder nehmen, wenn sie vereinzelt dieser bestimmten Richtung-
ihrer Bedeutung entkleidet- und nur als mit dem Begräbniss oder
dem Tode schlechthin zusammenhangende Wesen dargestellt sind;
wir müssen uns vielmehr wundern, dass dies nicht öfter und nicht
in grösserer Abwechslung geschehen ist als auf zwei, höchstens
drei, äusserst übereinstimmenden Bildern geschnittener Steine 3 3 ),
die uns eine langsamen Schrittes einhergehende Sirene mit weib-
lichein Oberkörper zeigen, die in der rechten Hand eine Fackel
und auf der einen Gemme (a) auch einen K r a n z , mit der empor-
gehobenen Linken eine auf ihrem Nacken ruhende Amphora hält.
Ohne Zweifel mit Recht ist diese Darstellung, die zu den gezwun-
gensten Erklärungen Veranlassung gegeben hat, von W i e s e l e r als
das Bild einer Sirene erklärt worden, die eine zum Anzünden des
Scheiterhaufens bestimmte Fackel und ein Aschengefäss trägt; in
demselben Sinne ist der Kranz zu deuten.
Diesem sepulcralen Kreise fernzuhalten sind jedoch ohne Frage
die kleineren, meistens habichtartigen Vögel mit menschlichem
Haupte, die man auf eiuigen Vasen sowohl archaischen als auch
freieren Stils über der eigentlichen Darstellung schweben oder ein-
herfliegen sieht 3 4 ). Denn obwohl die Erklärung dieser eigenthüin-
33)
«. M i 11 i n , gal. mytli. 8 0 , 312. G u i g n a u t 1 3 8 , 527 und (genauer) P a -
n o f k a , D e n k m . u. F o r s c h . 1852, T a f . 44, 3. R e v . a r c h . 1860, pl. 24, 4.
Die G e s t a l t ist mit einein Schurz b e k l e i d e t , welcher die B e i n e und d a s
E n d e d e s S c h w e i f s e i n e s V o g e l s erkennen lässt, D i e A m p h o r a mit
einer B i n d e g e s c h m ü c k t .
ß. C h r i s t i e , paint. vas. pl. II. M ü l l e r - W i e s e l e r II, 59, 753. D i e F i g u r
ist u n b e k l e i d e t , die S t e l l e d e s U e b e r g a n g e s in den weiblichen Körper
j e d o c h in g e s c h i c k t e r W e i s e durch eine quer über die Brust laufende
B i n d e verdeckt. D e r K r a n z s o w i e die B i n d e au der A m p h o r a fehlen.
j'. V i e l l e i c h t mit einer d i e s e r b e i d e n i d e n t i s c h , aus dem B e s i t z von B. H e r t z
in L o n d o n (n. 839), j e t z t in L i v e r p o o l .
34
) z. B.
a. V u l c e n t e r A m p h o r a d e s brit. Mus., schw. F . Geburt der A t h e n e . Rv.
S t r e i t w a g e n d e s K a l l i a s , darüber z w e i fliegende V ö g e l , der eine mit
m e n s c h l i c h e m H a u p t e . A b g . M o n . I n s t . I I I , 4 5 , vgl. U e n z e n , A n n .
X L V , S. 9 0 ff.
b. V a s e , a n g e b l i c h d e s cab. d e s med. in P a r i s , j e d o c h w e d e r bei Dumersan
noch bei Chabouillet erwähnt. H e r a k l e s den kretischen Stier erlegend.
U e b e r s e i n e m H a u p t e ein V o g e l der g e s c h i l d e r t e n Art. N a c h D e W i t t e ,
cab. etiv p. 88, 1. G e r h a r d , A . V . I, S. 99, 120.
c. V a s e d e s brit, Mus., liellr. F i g . T o d der P r o k r i s . U e b e r dem H a u p t e
— 95 —
liehen Wesen bis jetzt nicht gelungen ist, so lässt sich doch zu-
nächst bezweifeln, ob ihre Bedeutung, wie von D e W i t t e ange-
nommen wurde, Uberhaupt irgend wie mit dem Tode zusammenhängt,
jedenfalls aber mit Sicherheit ein negatives Urtheil dahin abgeben,
dass die Zusammensetzung eines Vogelkörpers mit einem mensch-
lichen Haupte an und für sich keineswegs genügt, um einem Ge-
bilde dieser Art den Namen einer S i r e n e beizulegen. Es muss
vielmehr, um von der F r a g e , ob eine Sirene überhaupt fliegend
dargestellt worden, hier ganz abzuseilen 3 i ), auch im übrigen Ueber-
einstimmung mit dem uns aus so vielen Darstellungen zur Genüge
bekannten T y p u s vorhanden sein. Und diese fehlt, wie schon ein
flüchtiger Blick darzuthun vermag, hier vollkommen. Diese Wesen
erinnern vielmehr an die ähnlich gestalteten Vögel ohne mensch-
liches Haupt, die man häufig, besonders auf Vasen alterthiiinlichen
Stils, über der Handlung einherfliegen sieht, deren Deutung jedoch
bis jetzt noch keineswegs feststeht ' 0 ). Es kommt hinzu, dass es
zweifelhaft erscheinen muss, ob eine Sirene der Anschauung des
Alterthums überhaupt als fliegendes Wesen geläufig gewesen ist.
III.
37
) V g l . den ganz ähnlichen A u f s a t z einer S ä u l e auf einem M u s e n - R e l i e f
des M u s . V e r o n . (93, 1).
— 97 —
38
) P r e l i e r , gr. Myth. T, S. 176.
— 99 —
3a
) A u c h liier die e i g e n t ü m l i c h e n , hinter dem Ohr herabfallenden L o c k e n .
J0
) Vgl. S. 91 den r ö m i s c h e n Grabstein R.
7*
— 100 —
IV.
41
) V i t . S o p l l . p. 5 , 10 Dind.: t/noi d" Sri xai JW ¡¿rrjuttu ctvtov 2 ' i t -
yrjvci intniriaar, oí i)í x r¡ X r¡ d'o »>« (Huschke, anal, in anthol. p. 8, codd. %ti-i-
óóm) xn).xi¡v. A t h e n . VII, p. 290 E von den bekannten Pindarischen Iyngen
des dritten Delphischen T e m p e l s ( B e r g k , poet. lyr. Gr. p . 2 3 5 ) : ni' xaru rov
ctvrop loonov r c d ; Zíif>t\(fi roúf (ÍXQOCO¡Á(VOV; tnoíovv imXnvSavoftévovg
iiüv Tnoif iüv J/ri: i'r¡v r¡iSovr]v tiifavaii'íoíhti. Vgl. noch L u c í a n . Nigrin. 3, wo
statt tlrjd'óvetí zu lesen xr¡Xr¡Jóyi<s-
42
) L y c . Al. 653 nennt die Sirenen ¿gnvióyovvot «ÍJÍJÓCÍÍ, vgl. Yerg.
A e n . I I I , 216 ff. H y g i n . fab. 14 (S. 43 Bunte, vgl. W i e s e l e r , nuov. mero,
p.422). T z e t z . Lyc. 1. c.
43
) Von A e s c h . Pr. 794. 95 erst als (Sr¡vaiat xófini, dann als xvxrófxoQifot
— 101 —
auch die von W i e s e l e r (Phil. IX, S. 720 f.) gegen ähnliche von
P a n o f k a (Perseus und die Gräa, in d. Abb. d. Berl. Akad. 1846)
aufgestellte Ansichten erhobenen Bedenken noch zu Recht bestehen
dürften, so dass, da die Darstellung der S t y m p h a l i d e n als Jung-
frauen mit Theilen eines Vogels, wenn sie überhaupt je stattgefunden,
nur eine ganz vereinzelte gewesen sein kann, bei den hier in Frage
kommenden Gestalten ausser an S i r e n e n nur noch an I l a r p y i e n
zu denken ist, für die wir neben der aus A e s c l i y l o s (Euin. 50)
und aus Kunstwerken ( O . J a h n , arch. Beitr. ö. 1)7, l.'i) bekannten
Darstellung als bekleidete weibliche Flügelgestalten nach den oben
(Anm. 42) angeführten dichterischen und mythographischen Aeusse-
rungen sowie nach dem erheblich älteren x a n t h i s c h e n M o n u m e n t e
auch die Zusammensetzung aus menschlichen und vogelartigen Thei-
len annehmen müssen, wobei der etwaige zeitliche oder örtliche
Unterschied beider Vorstellungsarten hier auf sich beruhen möge.
Es würde jedoch eine irrige Vorstellung sein, wenn wir an-
nähmen, dass bei jeder dieser Gestalten das W e s e n einer Sirene
oder einer Harpyie zur Geltung käme; wir sehen im Gegentheil
nur die dem einen oder dem andern Darstellungskreise entstam-
mende G e s t a l t vor uns, und die Frage, w e l c h e m sie entstammt,
ist in den meisten Fällen eine völlig müssige, da d.is Auge eines
Griechen oder Römers in ihnen eben beides erblicken konnte. Bei
der Thatsache, dass Sirenen weit häufiger so gebildet dargestellt
werden als Harpyien, ist man jedoch immerhin zumeist berechtigt,
sie als Sirenen zu b e z e i c h n e n , vorausgesetzt dass man, und zwar
für die meisten Fälle, im Stande ist, von allen Beziehungen, die
5C
) S. 61.
— 107 —
5T
j z . B . Catalogli. del raus. C a m p . , vasi potorii, n. 54. 50. 58 (eins dieser
A r t abgebildet op. ant. in plast. 70 0 ) , G e r h a r d , neuerw. Jjeukin. 1656,
I ' a n o f k a , cab. l'ourt. pl. II. Eine b ä r t i g e Gestalt derselben A r t in Berlin,
G e r h a r d , Neuerw. Deukm., N. 1647, abg. das. Tat. III.
V.
Historischer Rückblick.
Dass die nachweislich älteste Gestalt der Sirenen bei den
Griechen die eines Vogels mit weiblichem Haupte gewesen ist, wie
C r e u z e r 6 1 ) im Widerspruch mit V o s s 6 2 ) behauptete, ist eine bei
dem jetzt vorliegenden Material von Erzeugnissen alter Kunst fest-
stehende Thatsache. Diese älteste Gestalt bieten uns die a r c h a i -
s c h e n V a s e n b i l d e r dar, zum grössten Theil freilich nur um eine
phantastische Figur darzustellen, welche mitunter durch Zusätze
und Ntiancirungen verschiedener Art noch abenteuerlicher gestaltet
worden ist (S. 104), ohne dass die diesen Wesen ursprünglich zu
Grunde liegende Idee in Betracht käme. Dieselben Gestalten geben
sich uns jedoch in einigen, in dem Kreise der Vasenbilder freilich
nur spärlich und erst später vorhandenen Darstellungen des Aben-
teuers des Odysseus deutlich als Sirenen zu erkennen, Darstellungen,
in denen sich uns schon nicht unerhebliche Abweichungen von der
Auffassung dieses Abenteuers, der wir in der Odyssee begegnen,
zu erkennen geben.
Das dieser ältesten Darstellungsart verliehene w e i b l i c h e H a u p t
war nur der Anfang einer langen Entwicklungsreihe, in welcher
die Gestalt der Sirenen der menschlichen schrittweise näher trat.
Die ihnen häufig verliehenen Instrumente machten es nothwendig,
dem Vogelleibe A r m e hinzuzufügen; nicht mit derselben Nothwen-
digkeit, vermuthlich nur, um die dämonische Wirkung dieser Wesen
in ihrem Aeusseren mehr hervortreten zu lassen, wurde mit dem
weiblichen Haupte ein menschlicher H a l s verbunden, diesem die
Schwellung der weiblichen B r u s t , erst noch als Theil des Vogel-
leibes hinzugefügt, dann die Brust über den niedrigen Leib des
Thieres emporgehoben, zunächst noch so, dass in der Stellung
oder im Gange des Ganzen der Charakter des Vogels bewahrt
wurde. Ein weiterer, auf Vasenbildern nur ganz vereinzelt sich
findender6') Schritt war es dann, die Gestalt von der thierischen
") Heidelb. Jahrbb. 1824, S. 544, vgl. T i s c h b e i n ' s Homer n. Ant., Hft. 8,
Taf. 2, S. 11 ff.
62
) Myth. Br. II, 5. Antis. II, S. 336.
S3
j Vgl. S. 98.
— 110 —
Ci 03 cc
) S. 19. ) S. 8G A. ) S. 96.
— 111 —
c9
) P i p e r , Myth. d. ehr. K. I, S. 382.
,0
) z . B . S p a n h e m . , de usu et pr. num. I, p. 253. B o c h a r t , hieroz. II,
6, 8. M o n t f a u c o n , l'ant. I, p. 393. L i p p e r t , Dact. II, 173.
Register.
SeiLu Seite
Butes 48 Leimon . 17
Leptynis . 26
Demetrios Soter, Münze . . 55 Leukai, Inseln . 57
Diotimos, der Sohn des Strom- Leukosia, Insel . . . . . 50
bichos 51, 8 — Sirene . . . . 19. 46. 50
Ligea, Insel . 50
Federn auf d. Haupte der Musen 59.84 — Sirene . . . . . 19. 46. 50
— — — Mören 84
Maera 16
Gabala, Münze v. G. . . 43. 107,ssf. Molpe, Sirene . 46
Glanis, Fluss 49 Musen und Sirenen . . . 23. 3 3 . 3 6
Schmier, llegrifT d. S i r e n e n . 8
— 114 —
Seite Seile
Seile Seile
Seile Seile
Seilt1' Seile
L e Bas, voy. arch., mou. fig. Inghirami, gal. Om. I I I , 97.
pl. 78 87 I 101 . 72 X . W
Müller-Wieseler II, 59, 7 5 4 . 86D Ann. Inst. I X , 2, 125 (Ger-
Pervanoglu, Gräbst, d. Gr. hard) 86 H '
S. 80, 6 87 I X X X I , tv. Q , 4
Phil. X V I I , Taf. I, 2 (Oonze) 87 I (Brunn) 96
Rev. arch. 1864, 1, pl. X I I Bull. Inst. 1864, S. 42 (Rhu-
(Salinas) 86 A sopulos) 87 L
Ross, Demen v. Athen, n. 180 87 I Lippert, Dact. II, Vign. S. 1 71K
Rhangabe I I , n. 1643 . . . 87 I Maffei, mus. Ver. p. X L V I I , 5 87 Q
Marm. Oxon. I I , 9, 63 . . 87 0
Terra-Gotta Figuren. Miliin, gal. myth. 19, 63 . . 82 B
2. Jahresber. d. bayr. Akad. — rec. ined. II, 1012 . 87 P
(Schorn) 93 Millingen, stat. busts etc. X V 82 A
Panofka, mus. Bart. 146, 5 . 97 e Müller-Wieseler II, 55, 704 87 Q
— — I i , 59, 750 82 A
Reliefs. — — II, 59, 757 72 U
Ancient marbles in the Brit. Overbeck, her. Gal. 1 , 3 2 , 1 4 72 X
Mus. V, 10, 1 87 S Panofka, cab. Pourt. pl. 24 87M
2. Jahresber. d bayr. Akad. Pervauoglu, Gib. d. Gr. 79,1 86 F
S. 65 (Schorn) 72 — 80,2 86 G
Benndorf u. Schöne, Lateran. — 80,3 86 H
Mus. Taf. 18, 1 71L — — 80,4 87 K
— - n. 1 8 9 . . 87 R Phil. X V I I , T a f . 1 , 1 (Conze) 86H
B e g e r , Ul. Sir. praetervect. — — 1,3 (Conze) 87 Q
p. 3. 4 7 1 I . K Codex Pighiauus f. 269 . . 711
— — bell, et excid. RaoulRochette, m. in. L X I , 1 72 W
Troian. n. 69 7 1 I . K — — p. 382 87 P
Denkm.u. Forsch. 1864,8.123, Rev. arch. 1864, 1, p. 369
5 (Michaelis) 72. 73 ZZ (Salinas) 87 P
— — 1866, Taf. 207, de Rossi, bull, crist. 1863, p.35 71 L
2 . 3 (Michaelis) 87 R Rom. sott. I, tv. 30,5 71 L
Dubois, cat. Pourt. p . 3 , 10 72Y Berichte der sächs. Ges. d.
Dumersan, notice des mon. Wiss. 1856, hist. phil. Cl.
exposés dans le cab. des Taf. 3, 6 (O. Jahn) 711
méd. pl. 3 82 B Schöll, arch. Mittli. S. 100,
Fabretti, col. Traian. add. ad 123.24 8 6 H . G
p. 379 D 71K v. Stackelberg, Grb. d. Hell.,
Garrucci, mus. Later. X X X V 87 R Titelk. 86 H
Gori, inscr. etr. I, 7 . . . 72 S — — 1, S . 1 0 86 E
— - I, 3 2 . . . 82A. Tischbein, Horn. u. A. Hft. 2,
— mus. etr. Vignette. . 72 S Bl. 6 72 U
— - I, 147, 1. 2 . 72V. T Visconti, mus.Worsl. tv. III, 1 87 N
— mus. Guarn. Vignette 72 S Winckeluiann, Gesch. d. K .
G raff, Antiq. zu Mannheim, V I I I , 3, 11 71H
II, 8, 8 73 Z — mon. ined. 46 82 C
— 118 —
Seile Seile
Mosaike. S c h m u c k s a c h e n und O r n a m e n t e .
Beschr. Roms I I , 2, 89 . . 72 P Autiquit. du bosph. Cimmer.
— — 11, 2, 244 . . 73, :i 7,15.16 98 pq
Biondi, moD. Amaranz. t a v . l 72 P 2. Jahresber. d. bayr. Akad.
(Schorn) 97 n
Gemmen. v. Stuckelberg, Gr. d. Hell.
Causeus, geinm. aut. 128 . 97 k Taf. 73 98 m
Christie, paint, vas. pi. I I . 94,xifi — 74,7—9 98 o
I n h a l t .
Seile
D i e S i r e n e n in d e r a l t e n K u n s t 67
I. Darstellungen der Sirenen aus dem Kreise des Mythos . G9
Odysseus bei den Sirenen . . . . 70
Kampf der Sirenen und Musen. Bestrafung der Si-
renen 82
II. Die Sirenen auf Gräbern 86
III. Die Sirenen als begeisternde Wesen 96
IV. Den Sirenen entsprechende Gestalten ausserhalb alles Zu-
sammenhangs und ohne charakterisirende Attribute . . 100
V. Historischer Rückblick 109
Register " 113
Verzeichniss der Darstellungen der Sirenen in der alten Kunst . 116